Der verdeckte Unfallschaden am PKW und seine Abgrenzung zum

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Der verdeckte Unfallschaden am PKW und seine Abgrenzung zum
SACHVERSTÄNDIGENWESEN
 Dipl.-Ing. Marc Trömner, Wiesbaden
Der verdeckte Unfallschaden
am PKW und seine Abgrenzung zum
Bagatellschaden
Forschungsarbeit III, Slovak University of Technology in
Bratislava, Faculty of Materials Science and Technology (MST)
in Trnava, Prof. Ing. Jozef Sablik, CSc., August 2011
Nicht immer ist die Teilnahme am Straßenverkehr folgenlos. Im Durchschnitt
hat jeder deutsche Bundesbürger (Quelle: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden)
einmal in seinem Leben einen Verkehrsunfall. Derzeit beträgt die durchschnittliche Schadenshöhe im Haftpflichtfall
2.500,– `. Bei der immer komplexer werdenden Fahrzeugelektronik, nicht offensichtlichen Schäden und Schwierigkeiten
bei der Schadenabwicklung, ist der Geschädigte gut beraten, ein Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben.
Oftmals sind Beschädigungen an verdeckten Fahrzeugteilen wie etwa der Rückwand, den Quer- oder Längsträgern nicht
ausgeschlossen, selbst wenn von Außen
nichts zu sehen ist. Der Grund hierfür
sind flexible Stoßstangen aus Kunststoff,
die sich bei einem Aufprall mit bis zu
15 km/h vollständig zurückverformen.
Ursachen für verdeckte
Schäden
Ursache der häufigen Fehleinschätzungen bezüglich der Schadenshöhe nach einem Verkehrsunfall, sind die Verformungen der heutigen Kunststoffstoßstangen.
Physikalisch unterscheidet man bei den
Verformungen zwischen plastischen und
elastischen Verformungen der Stoßstangen.
Eine plastische Verformung lässt sich gut
am Beispiel der Knetmasse verdeutlichen:
Lässt die verformende Kraft nach, bleibt
die Deformation in der letzten Formung
erhalten.
Dem gegenüber steht die elastische Verformung. Diese Art der Verformung lässt
sich am besten am Beispiel eines Luftballons vorstellen. Wird nach der Verfor-
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mung keine äußere Kraft mehr auf den
Gegenstand eingeleitet, nimmt er wieder
die Ausgangsform, wie vor der Verformung, an.
Bei jedem Unfall treten immer beide Verformungstypen gleichzeitig auf. Die plastische Verformung von Bauteilen ist nach
einer Kollision immer deutlich sichtbar. Im
Gegensatz zur elastischen Verformung,
diese ist durch ein Zurückfedern der Stoßstangen in die Ursprungsform erkennbar,
wobei sich das Schadensausmaß hinter
der Stoßstange nicht erkennen lässt.
Wer nach einem solchen vermeintlichen
leichten Unfall einfach weiterfährt, verliert meist wichtige Schadensansprüche,
da es äußerst schwer ist, dem Unfallverursacher die erst im Nachhinein entdeckten Beschädigungen am Fahrzeug nachzuweisen.
Generell gilt: War der Aufprall mehr als
ein kleiner Parkrempler, sollte der Geschädigte sofort sicherheitshalber einen
Kfz-Sachverständigen oder eine Werkstatt aufsuchen, um das Fahrzeug dahingehend überprüfen zu lassen, ob ein
verdeckter Unfallschaden vorliegt. Die
Beweissicherungspflicht liegt im Schadensfall immer beim Geschädigten.
Abgrenzung zum
Bagatellschaden
Fälschlicherweise wird ein verdeckter Unfallschaden oftmals als Bagatellschaden
falsch eingeschätzt. Für den kraftfahrzeugtechnischen Laien ist es allerdings
sehr schwierig einen verdeckten Schaden
von einem Bagatellschaden zu unterscheiden, wie man auf den folgenden
Seiten erkennen kann.
Von einem Bagatellschaden spricht man
bei geringen, einfachen Sachschäden am
Fahrzeug. Als Faustregel gilt, dass der Geschädigte (in der Regel ein Laie) einen Bagatellschaden als solchen erkennen muss,
ohne dass ein Kfz-Sachverständiger oder
Werkstatt zur Schadensfeststellung herangezogen werden muss, wenn die Reparaturkosten unterhalb von ca. 750,– `
brutto liegen.
Meistens ist der Geschädigte jedoch nicht
in der Lage den entstandenen Schaden
aufgrund des Schadenshergangs und des
Schadensbildes mit Hilfe seiner natürlichen Wahrnehmungsmöglichkeit richtig
einzuschätzen, ob lediglich ein qualitativ
leichter Unfallschaden vorliegt, der einen
verdeckten Unfallschaden ausschließt.
Infolgedessen sollte der Geschädigte bei
einem qualifizierten und unabhängigen
Sachverständigen seines Vertrauens vorstellig werden, um weitere Beschädigungen, als die bei einem Bagatellschaden,
ausschließen zu lassen.
Im Falle eines Bagatellschadens muss die
gegnerische Haftpflichtversicherung die
Kosten für eine Beauftragung eines KfzSachverständigen (Haftpflichtgutachten)
nicht übernehmen.
Ab einer Schadenshöhe von ca. 750,– `
brutto ist der Geschädigte berechtigt, im
Kfz-Haftpflichtfall ein Sachverständigengutachten auf Kosten des Unfallgegners
bzw. dessen Haftpflichtversicherung einzuholen.
Vielfach ist das Ausmaß des Schadens gar
nicht zu sehen oder zu erahnen. Vor diesem Hintergrund werden oftmals Schadensabwicklungen vorgenommen die
am eigentlichen Ausmaß des Schadens
komplett vorbeigehen. Die Folge eines
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solchen Handelns wird erst bei Veräußerung des PKWs oder beispielsweise bei
Rückgabe eines geleasten Fahrzeuges
deutlich. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist zu diesem Zeitpunkt nur noch äußerst schwer oder gar
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nicht mehr möglich. Dadurch entstehen
dem Geschädigten zusätzliche unverantwortete Folgekosten.
Dem geschädigten Laien ist häufig das Risiko nicht bewusst, dem er sich aussetzt,
wenn er mit einem nicht reparierten
verdeckten Unfallschaden am Fahrzeug
weiterfährt. Sind durch einen Auffahrunfall und die somit einhergehenden
Bewegungsenergie, die in Verformungsenergie umgewandelt wird, Energie aufnehmende Bauteile beschädigt, können
Beispiel 1:
Mercedes, E-Klasse
Zusammenfassung
Fahrzeugalter zum Unfallzeitpunkt:
13 Monate
Die Beschädigungen an der Stoßstange,
dem Querträger und der Rückwand waren vor der Demontage nicht sichtbar.
Das komplette Ausmaß des Schadens
lässt sich erst nach Demontage der Stoßstange im hinteren Schadensbereich erkennen.
Reparaturkosten:
7.904,69 `
Merkantile Wertminderung: 750,00 `
Gesamtschaden:
8.654,69 `
Abb. 1: Mercedes, E-Klasse, Fahrzeugansicht
Abb. 2: Mercedes, E-Klasse, Heckansicht
Abb. 3: Mercedes, E-Klasse, Stoßfänger demontiert
Abb. 4: Mercedes, E-Klasse, Rückwand beschädigt
Abb. 5: Schlusskalkulation Mercedes, E-Klasse
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SACHVERSTÄNDIGENWESEN
diese bei einem eventuell zweiten ähnlich
gelagerten Unfall die Bewegungsenergie
nicht mehr gezielt in Verformungsenergie umwandeln, da diese Bauteile durch
den vorherigen Unfallschaden beschädigt
sind. Folglich geht es um die Verkehrssicherheit und die Unfallsicherheit des
unfallgeschädigten Fahrzeuges bei einem
erneuten Unfall.
Die Gefahr des
Kostenvoranschlags
Den kompletten Artikel finden
Sie in der Ausgabe 2/12
des Kfz-Sachverständigen.
...
Beispiel 2:
Citroën, C 1
Zusammenfassung
Fahrzeugalter zum Unfallzeitpunkt:
37 Monate
Die Beschädigung am Fahrzeugheck und
die daraus resultierenden Kosten sind
vom Laien nicht erkennbar.
Reparaturkosten:
Merkantile Wertminderung:
Gesamtschaden:
2.610,27 `
250,00 `
2.860,27 `
Abb. 6: Citroën, C1, Heckansicht
Abb. 7: Citroën, C1, Stoßfänger rechts
Abb. 8: Citroën, C1, Kofferboden, Rückwand von unten
Abb. 9: Citroën, C1, Kofferboden, Rückwand von unten
Abb. 10: Schlusskalkulation Citroën, C1
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