Haftpflichtschäden werdengesteuert
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Haftpflichtschäden werdengesteuert
MANAGEMENT Haftpflichtschäden werden gesteuert Die Assekuranzen sind im Jahr 2014 in der Kfz-Versicherung wieder in die Gewinnzone gekommen. Matthew Whittall ist jedoch überzeugt, dass zu sehr auf die Reduzierung im Einzelfall geachtet wird – und zu wenig auf die Erhöhung des Steuerungsvolumens. KONRAD WENZ U nfall – was tun? Die meisten Autofahrer sind mit der Situation direkt nach dem Unfall überfordert und brauchen Hilfe. Dabei spielt es zunächst überhaupt keine Rolle, ob sie den Unfall selbst verschuldet haben oder nicht. Unterstützung erwarten sie von ihrem Versicherungsagenten; der muss ja schließlich wissen, was nun zu passieren hat. Im Kaskofall greifen da immer häufiger die Steuerungsmechanismen der Versicherungen – dem Au- Schadenhelfer nennt Matthew Whittall seine Mitarbeiter, die mit dem geschädigten Autofahrer im Auftrag der Versicherung Kontakt aufnehmen. Foto: Claim Bees 30 tofahrer wird die Last der Unfallschadenabwicklung abgenommen. Doch was ist im Haftpflichtfall, wenn der Fahrer unverschuldet in den Unfall verwickelt wurde und die gegnerische Versicherung für die Schadensregulierung zuständig ist? Hier muss er sich selber darum kümmern, dass sein Fahrzeug in die Werkstatt seiner Wahl kommt und dass es begutachtet wird. Er muss selbst wichtige Fragen beantworten wie: Brauche ich einen Sachverständigen und einen Anwalt, habe ich über den Schaden hinausgehende Ansprüche? Komplettes Angebot Wenn sich in dieser Situation ein Dienstleister im Auftrag der zuständigen Versicherung beim Autofahrer meldet, ist das für diesen beruhigend. Und welcher Autofahrer wird nein sagen, wenn der Dienstleister erklärt: „Sie brauchen sich um nichts zu kümmern! Wir holen Ihr Fahrzeug ab und bringen es in einen Karosserie- und Lackfachbetrieb. Dort wird es nach den Vorgaben des Fahrzeugherstellers fach- und sachgerecht instand gesetzt. Am Ende bringen wir Ihnen Ihr Auto gereinigt zurück und in der Zwischenzeit stellen wir einen kostenlosen Leihwagen!“ Genau das ist die Geschäftsidee von Claim Bees. Das vom ehemaligen Nordeuropa-Chef der Innovation Group, Matthew Whittall, gegründete Unternehmen will die Steuerungsquoten in Deutschland deutlich nach oben treiben, indem es die Werkstattnetze der Versicherer – mitsamt der zugehörigen Services – auch im Haftpflichtfall zum Tragen bringt. Der Claim-Bees-Gründer erklärt: „Wir reden heute über eine Quote von rund zehn Prozent aller Unfallschäden, die im Durchschnitt über alle Versicherer gesteuert wird. Die besten Versicherer liegen eventuell bei 20 Prozent. Das könnte deutlich mehr sein.“ Whittall glaubt, das Steuerungsvolumen mit seiner Geschäftsidee insgesamt verdoppeln zu können, indem er dem Autofahrer die Servicedienstleistungen der Versicherungen erklärt (siehe Kasten). Die Versicherer könnten damit ihren Schadenaufwand deutlich reduzieren. Doch die Assekuranzen nehmen den Service von Claim Bees eher zögerlich an; sie kümmern sich darum, die Kaskoschäden zu steuern. Das ist für Whittall schwer nachvollzehbar: „Worüber reden wir bei der Steuerung des Kaskoschadens? Es handelt sich oft um 2 bis 3 Euro, die eine Werkstatt am Stundenverrechnungssatz nachlassen soll. Und das sind Werkstätten, die aufgrund der Netzzugehörigkeit zum jeweiligen Versicherer die Schäden ohnehin preisgünstiger reparieren als ihr Wettbewerb.“ Jahrelang habe man über die Einsparungen pro Schaden gesprochen, statt zu schauen, wie sich das Steuerungsvolumen außerhalb der Kaskofälle vergrößern ließe. Nun würde das Steuerungsvolumen in den Fokus gerückt. „Wir helfen dem Versicherer, dieses Volumen zu verdoppeln und damit seine Einsparung in der Schadenregulierung auch zu verdoppeln“ , führt Whittall aus. Darüber freuen sich nicht nur die Versicherer, sondern auch die Werk- Ablauf Matthew Whittall, Geschäftsführer Claim Bees GmbH, erklärt: „Der Versicherungsnehmer meldet sich im Normalfall bei seinem Versicherer, um ihm mitzuteilen, dass er einen Unfall verursacht hat, und gibt die Kontaktdaten des Geschädigten weiter. Wir melden uns dann im Namen der der regulierenden Versicherung und können in sehr vielen Fällen schon die Haftung bestätigen. Das beruhigt natürlich den Geschädigten; er weiß, dass der Schaden in Bearbeitung ist und dass die Kosten übernommen werden. Wir prüfen beim Gespräch, ob wir alle notwendigen Daten haben und alle Angaben richtig sind, und wir fragen nach, was schon passiert ist. Hat der Geschädigte schon etwas unternommen, will er reparieren oder fiktiv abrechnen? Und dann bieten wir die Dienstleistungen der Versicherung an – ob es stätten, die im jeweiligen Reparaturnetz sind und damit von der größeren Schadenlenkung profitierten. Letztlich sei auch der Nutzen für den Verbraucher da, weil dieser in den Genuss einer Dienstleistung kommt, die er so vielleicht gar nicht kennengelernt hätte. Neues Konzept „Wir haben mit der Schadensteuerung in dem Bereich angefangen, indem bisher die größte Nische vorhanden war, beim Geschädigten“, erklärt Whittall. Im Haftpflichtfall sei bisher in Richtung Schadenlenkung kaum etwas gelaufen, das sei von den Versicherungen bisher immer als zu schwierig umsetzbar angesehen worden. Nun gebe es dafür ein Konzept. „Wir kennen den Markt Unfallinstandsetzung und mit dem Schadenmanagement bin ich bestens vertraut“, fügt Whittall an. Der Sachbearbeiter bei der Versicherung hat im Schadenfall an viele verschiedene Dinge zu denken: vom Aufnehmen des Schadens über das Anlegen der Akte bis hin zu Entscheidungen bezüglich der Haftung und Reparatur. Der Beitrag ist urheberrechtlich geschützt. Bei Fragen zu Nutzungsrechten wenden Sie sich bitte an [email protected] eine Reparatur, ein Kostenvoranschlag oder nur eine Direktvermittlung von einem Mietwagen ist. Oder wir beauftragen einen Gutachter, wenn das gewünscht wird. Rund ein Drittel der Geschädigten nehmen eine oder mehrere von diesen Dienstleistungen in Anspruch. Das ist auch in etwa unsere Steuerungsquote, rund 30 Prozent. Auch die zwei Drittel, die keine Hilfe brauchen, haben plötzlich Sicherheit, sie haben eine Schadennummer, sie wissen, dass ihr Fall in Bearbeitung ist – und in einem Großteil der Fälle ist die Haftung klar.“ Daneben muss er auch noch mit dem Versicherungsnehmer telefonieren. „Und das ist in den Schadensabteilungen eine der unbeliebtesten Aufgaben überhaupt“ – insbesondere nachmittags zwischen 16 und 19 Uhr oder am Freitagnachmittag; Zeiten, in denen man den Kunden in der Regel auch erreicht. „Das übernehmen nun wir. Wir haben Mitarbeiter, die davon überzeugt sind, den Versicherungen und den Kunden etwas Gutes zu tun“, sagt Whittall. Er nennt das Direktvermittlung – seine Mitarbeiter vermitteln einen Autofahrer mit einem Unfallschaden direkt zu einem Karosserieund Lackierspezialisten. „Langsam zeigen wir, was damit möglich ist“, beschreibt Whittall den zunehmenden Erfolg seines Unternehmens. Die Schadenlenkungsquote der Versicherer, die diese Dienstleistung nutzen, erhöhe sich kontinuierlich. „Wenn jeder Geschädigte im richtigen Augenblick wüsste, was möglich ist, würde jeder Zweite die angebotenen Services annehmen – hauptsächlich aus Bequemlichkeit. Das ist doch schön, wenn alles von alleine läuft“, bestärkt Whittall. ▪ NOVEMBER 2015 31 KFZ-SCHADENMANAGER Foto: Claim Bees MANAGEMENT