Natur. Vielfalt. Oberbayern.
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Natur. Vielfalt. Oberbayern.
Natur. Vielfalt. Oberbayern. 2 Grußwort des Regierungspräsidenten von Oberbayern „Biodiversität“ – das erscheint zunächst als schwer verständlicher, abstrakter Begriff, ist aber eigentlich ganz einfach zu verstehen: Biodiversität oder Biologische Vielfalt ist die Vielfalt allen Lebens, der Reichtum an Arten und ihren Lebensräumen. Diese Vielgestaltigkeit der Natur ist ein kostbares Gut. Pflanzen, Tiere, Pilze und Mikroorganismen reinigen Wasser und Luft, sorgen für fruchtbare Böden und gesunde Lebensmittel. Biologische Vielfalt ist aber noch mehr: Der Gesang einer Amsel, eine Wanderung in den Bergen oder eine duftende Blumenwiese – all das erfreut unser Herz und tut unserer Seele gut. Oberbayern ist mit schönen und artenreichen Naturlandschaften gesegnet – von den Wacholderheiden entlang der Altmühl über die Auen von Donau und Isar, den zahlreichen Mooren und Seen im Alpenvorland bis zu den Alpen. Gute Gründe, um in Oberbayern zu leben oder hier den Urlaub zu verbringen. Das ist etwas, worauf wir stolz sein dürfen. Doch diese Vielfalt ist bedroht. Seit Jahrzehnten wird die Liste der gefährdeten Arten immer länger. Auch die Weltgemeinschaft hat verstanden, dass etwas getan werden muss. Bei der ersten UN-Umweltschutzkonferenz im Jahr in Rio de Janeiro verpflichteten sich Staaten nicht nur zum Klimaschutz, sondern auch zum Schutz der biologischen Vielfalt. Im April verabschiedete der Freistaat Bayern seine eigene Biodiversitätsstrategie. Der Schutz der Natur ist eine große Herausforderung, der wir uns in Oberbayern stellen. In zahlreichen größeren Projekten arbeiten Landwirte, Behörden, Städte und Gemeinden sowie Naturschutz- und Landschaftspflegeverbände eng zusammen und schaffen ein zusammenhängendes Netz von Lebensräumen. Unser gemeinsames Ziel lautet: Die nachhaltige und dauerhafte Sicherung der Vielfalt an Arten und Lebensräumen, den Schutz unserer Heimat wollen wir erreichen. hat die UNO zum Jahr der Biodiversität erklärt – ein guter Anlass, um über den Schutz der biologischen Vielfalt in Oberbayern zu berichten. In dieser Broschüre zeigen wir deshalb beispielhaft, wo und wie für die Natur gearbeitet wird. Sie dokumentiert beeindruckende Leistungen und soll Mut zum Handeln machen. Denn der Schutz der biologischen Vielfalt ist eine Aufgabe, die jeden etwas angeht. München, April Christoph Hillenbrand Regierungspräsident 3 Biodiversität – Vielfalt des Lebens Biodiversität – oder Biologische Vielfalt – ist der Reichtum an Arten und Ökosystemen, aber auch die genetische Vielfalt innerhalb einer Art. Weltweit existieren schätzungsweise Millionen Arten. Biologische Vielfalt gibt es nicht nur in tropischen Urwäldern oder Korallenriffen, auch Mitteleuropa ist reich an Arten und Lebensräumen. In Bayern kommen mindestens Pflanzen-, Tier-, Pilz- und Flechtenarten vor, in Oberbayern sind es mehr als . Jede Art hat ganz spezifische Ansprüche an ihren Lebensraum. Die meisten Tiere und Pflanzen sind deshalb an bestimmte naturnahe Standorte gebunden. Von den Felsfluren, Bergwiesen und -wäldern der Alpen über die Moore, Streu- und Feuchtwiesen im Alpenvorland und die Auwälder entlang von Isar und Donau bis zu den Magerrasen der Frankenalb gibt es in Oberbayern etwa verschiedene Biotoptypen. Doch die Vielfalt ist bedroht: Diese naturnahen, besonders artenreichen Lebensräume gibt es nur noch auf gut % der Fläche Oberbayerns. Kein Wunder, dass etwa % der Hinweise zu den Fotos finden Sie auf der Rückseite der Broschüre 4 bayerischen Pflanzen- und Tierarten gefährdet sind und mehr als der in Oberbayern vorkommenden Arten auf der Roten Liste stehen. Es ist paradox: Einerseits sind viele Lebensräume erst durch den Menschen entstanden, andererseits ist „Homo sapiens“ der größte Natur- und Umweltzerstörer. Vor allem der Landschaftsverbrauch und die intensive Landnutzung sind dafür verantwortlich. Auf den ersten Blick leben wir mitten im Grünen, der zweite Blick verrät aber: Die Artenzahl hat deutlich abgenommen – kamen früher auf einer normalen Wirtschaftswiese über Pflanzenarten vor, sind es heute kaum mehr als . Auf der UN-Umweltkonferenz in Rio wurde der Schutz der Biodiversität zu einem der wichtigsten Ziele erklärt. Zusammen mit anderen Staaten hat Deutschland dieses Abkommen ratifiziert. Auch Bayern hat im April eine Biodiversitätsstrategie verabschiedet. Das wesentliche Ziel: Bis zum Jahr soll sich die Gefährdungssituation für mehr als die Hälfte der Rote-Liste-Arten verbessert haben. Ein anspruchsvolles Ziel, für dessen Verwirklichung die Unterstützung aller Bürgerinnen und Bürger Bayerns nötig ist. 5 Gute Argumente für die Vielfalt Biologische Vielfalt ist für das Überleben der Menschen auf unserem Planeten unverzichtbar: Pflanzen, Tiere, Pilze und Mikroorganismen sind die Bausteine der Ökosysteme – sie geben uns die Luft zum Atmen, reinigen Wasser und Luft, sorgen für fruchtbare Böden und ein angenehmes Klima. Biologische Vielfalt rettet Menschenleben, denn zahlreiche Arten sind die Grundlage von Arzneimitteln. So basiert etwa die Hälfte der in Deutschland eingesetzten Medikamente auf den Inhaltsstoffen verschiedener Heilpflanzen. Etwa Pflanzenarten stehen weltweit auf dem Speiseplan der Menschen, essbar sind jedoch . Das ist nicht nur 6 abwechslungsreich, sondern verhindert auch Hunger auf der Welt: Fällt eine Sorte beispielsweise durch Krankheiten aus, kann sie durch eine andere ersetzt werden. Die Natur ist auch in der Technik ein Vorbild – vom Spinnennetz, das Vorlage für das Münchner Olympiazeltdach war, über den Schnabel des Wiedehopfs als Ideengeber für die Entwicklung der Pinzette bis zum Vogelflügel, ohne den es wohl nie Flugzeuge gegeben hätte. Wir stellen fest, die Natur ist ihr Geld wert. So leben viele Teile Oberbayerns vom Tourismus, der ohne eine vielfältige Landschaft nicht denkbar wäre. Schätzungsweise Milliarden € geben die Touristen pro Jahr im Regierungsbezirk aus. Der jährliche Nutzen der gesamten Ökosysteme der Welt beträgt nach vorsichtigen Schätzungen sogar zwischen und Billionen €. Biologische Vielfalt ist aber auch schön. Ob ein Bild des Blauen Reiters, Herrenchiemsee oder die Wieskirche – die Erhaltung von Kulturgütern um ihrer selbst willen wird aus gutem Grund nicht ernsthaft in Frage gestellt. Ähnlich ist es mit der Natur – der Flug eines Steinadlers, ein Frühlingsmorgen in den Isarauwäldern, eine duftend-bunte Frühlingswiese und selbst der Anblick eines all- täglichen Marienkäfers sind unvergleichliche Naturschönheiten; sie zu verlieren wäre ein ebenso unwiederbringlicher Verlust. Die Beispiele machen es deutlich, allein schon aus Vorsorge und der Verantwortung für unsere Kinder und Kindeskinder müssen wir die biologische Vielfalt erhalten und behüten. Nicht zuletzt ist die biologische Vielfalt als Teil der Natur auch um ihrer selbst Willen schützenswert. Weitere Informationen: www.natur.bayern.de www.regierung.oberbayern.bayern.de www.arche.bayern.de 7 Erfolgreich für die biologische Vielfalt Naturschutz und damit auch der Schutz der Biodiversität haben in Bayern eine lange Tradition: wurde der Umweltschutz als Staatsziel in die bayerische Verfassung aufgenommen. Zur gleichen Zeit wurden die ersten Förderprogramme aufgelegt, mit denen Landwirte für besonders schonende Bewirtschaftungsformen entlohnt werden. Vor allem zwei Programme sind wichtig: Mit dem Vertragsnaturschutzprogramm fördert der Freistaat Bayern die naturschutzkonforme Bewirtschaftung von Wiesen, Weiden, Streuobstbeständen, Teichen und Äckern. Allein in Oberbayern wird hier jährlich über eine Million € investiert. Über die Landschaftspflegeund Naturparkrichtlinien wurden , Millionen € im Zeitraum bis ausgezahlt. Mit diesem Programm wird die Pflege und Neuschaffung von Lebensräumen gefördert – von der Neuanlage von Feuchtbiotopen über die Entbuschung von Magerrasen bis zur Renaturierung von Mooren. Aber auch andere staatliche Programme und der Bayerische Naturschutzfonds helfen beim Arten- und Biotopschutz. Weitere Informationen: www.natur.bayern.de www.regierung.oberbayern.bayern.de 8 Für viele Arten ist es damit aber nicht getan, sie benötigen Maßnahmen, die ihren ganz besonderen Ansprüchen gerecht werden. Deshalb gibt es für sie eigene Artenhilfsprogramme. In den er Jahren begann man mit dem konzentrierten Finanz- und Personaleinsatz im Rahmen größerer Naturschutzprojekte. Inzwischen werden unter dem Titel „BayernNetz Natur“ mehr als Projekte in ganz Bayern geführt. Als höhere Naturschutzbehörde koordiniert die Regierung von Oberbayern die Arbeiten: Sie verteilt die staatlichen Fördermittel, setzt Schwerpunkte und Prioritäten und ist „Motor“ vieler Projekte. Nicht zuletzt berät sie auch die unteren Naturschutzbehörden an den Landkreisen. Diese kümmern sich – zusammen mit vielen anderen Akteuren – schließlich um die konkrete Umsetzung. Netzwerk des Lebens Schutzgebiete sind ein wichtiger Baustein zum Schutz der biologischen Vielfalt. , % der Fläche Oberbayerns sind Naturschutzgebiet oder Nationalpark und damit besonders streng geschützt. , % gehören zu NATURA , einem Netzwerk europäischer Schutzgebiete. 9 Gemeinsam aktiv für die Natur Die Sicherung der biologischen Vielfalt ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Ohne die Vielzahl von ehrenamtlich im Naturschutz engagierten Personen, Institutionen, Vereinen und Verbänden vor Ort, vor allem in den anerkannten Naturschutzverbänden, könnten die Naturschutzbehörden ihre Aufgaben nicht erfüllen. Wichtige Partner sind zum Beispiel der Landesbund für Vogelschutz und der Bund Naturschutz: bei der Sammlung von Daten zur Verbreitung seltener und gefährdeter Arten, in der praktischen Biotop- und Landschaftspflege, beim Ankauf ökologisch wertvoller Flächen, bei der Konzeption und Umsetzung von Naturschutzprojekten und Artenhilfsmaßnahmen oder in der Umweltbildung. 10 Nicht mehr wegzudenken sind auch die Landschaftspflegeverbände, die in den Landkreisen Altötting, Dachau, Ebersberg, Freising, Fürstenfeldbruck, München-Land und Traunstein wertvolle Arbeit in der Landschaftspflege sowie im Arten- und Biotopschutz leisten. Wertvolle Unterstützung bei gezielten Maßnahmen leisten auch der Arbeitskreis Heimische Orchideen, der Fischereiverband Oberbayern, die Wildland-Stiftung des Landesjagdverbandes Bayern und die Umweltbeauftragten der katholischen und evangelischen Kirche. Nicht zuletzt sind Landkreise, kreisfreie Städte und Gemeinden zu nennen. Sie sind nicht nur in Landschaftspflegeverbänden und Naturparkvereinen engagiert, sondern häufig auch Träger und Geldgeber bei Naturschutzprojekten und Flächenankäufen. Nur was man kennt, schätzt und schützt man. Der Umweltbildung kommt deshalb eine besondere Rolle zu. In Oberbayern gibt es mittlerweile zehn anerkannte Umweltbildungsstationen und zahlreiche weitere qualifizierte umweltpädagogische Einrichtungen, die den Naturschutz ebenso unterstützen wie viele engagierte Lehrer/-innen und Erzieher/-innen bei ihrer Arbeit in Schulen und Kindergärten. und Ausstellungen und vor allem durch ihre persönliche Präsenz vor Ort sollen sie Wissen vermitteln, Verständnis und Rücksichtnahme fördern und damit die Akzeptanz des Naturschutzes erhöhen. Weitere Informationen: Gebietsbetreuer kümmern sich speziell um den Erhalt ökologisch sensibler und besonders wertvoller Gebiete. In Oberbayern sind derzeit neun Gebietsbetreuerinnen und -betreuer tätig. Durch intensive Öffentlichkeitsarbeit, Führungen, Vorträge, Zeitungsartikel www.aho-bayern.de www.bund-naturschutz.de www.lbv.de www.lpv.de www.stmug.bayern.de/umwelt/naturschutz/baynetznatur/gebietsbetreuer.htm www.umweltbildung.bayern.de www.wildland-stiftung.de www.weilheimer-moos.de 11 BayernNetz Natur BayernNetz Natur steht für Projekte und Initiativen zum Aufbau eines landesweiten Biotopverbundsystems. wurde in Oberbayern mit dem ersten Projekt begonnen, inzwischen sind es . In ganz Bayern laufen derzeit mehr als Projekte. Freiwilligkeit und Kooperation sind die zwei Grundprinzipien von BayernNetz Natur. Anstatt auf hoheitliche Maßnahmen setzt man in Bayern auf Freiwilligkeit. Auch die Erkenntnis, dass es im Naturschutz oft miteinander besser geht als gegeneinander, kann als „bayerische Erfindung“ gelten. BayernNetz Natur stärkt zudem die Eigenverantwortung der lokalen Akteure, denn verantwortlich ist nicht der Freistaat Bayern, sondern der vor Ort tätige Projektträger. BayernNetz Natur ist ein umfassender Naturschutz. In den Projekten werden nicht nur Lebensräume für Pflanzen und Tiere erhalten und wiederhergestellt. Durch die Renaturierung von Bächen und Flüssen und die Erhaltung von Feuchtlebensräumen ist BayernNetz Weitere Informationen: www.bayernnetznatur.de 12 Natur Teil des vorbeugenden Hochwasserschutzes. Zum aktiven Klimaschutz tragen neben der Wiedervernässung von Mooren auch der Erhalt und die Wiederherstellung von naturnahen Wäldern bei. Regionalvermarktungskonzepte sorgen dafür, dass sich Naturschutz auch für Landwirte lohnt. Die Federführung bei der Umsetzung von BayernNetz Natur liegt beim Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit. Die höhere Naturschutzbehörde der Regierung von Oberbayern spielt auch hier eine zentrale Rolle. Sie stößt Projekte an, koordiniert sie und kümmert sich um die Finanzierung. Den größten Teil der Kosten übernimmt der Freistaat Bayern, unterstützt von der EU, dem Bund oder dem Bayerischen Naturschutzfonds. Ohne Verbände, Vereine, Kommunen, Behörden und anderen Institutionen wäre BayernNetz Natur nicht denkbar. In ganz Bayern engagieren sich viele Menschen für „ihre“ Projekte. Sie sind Garant dafür, dass auch in Oberbayern ein erfolgreicher Naturschutz möglich ist. 13 Karge Landschaft – reich an Leben „Ganz oben“ in Oberbayern durchschneidet die Altmühl die Fränkische Alb. An den steilen Hängen vermitteln ausgedehnte Wacholderheiden einen Hauch von Süden. Sie gehören zu den größten und bedeutendsten Magerrasen in Deutschland. Zusammen mit zahlreichen Steinbruchhalden, die beim Abbau des berühmten Solnhofener Marmors entstanden sind, sonnigen Felsen und naturnahen Laubwäldern bilden sie ein Mosaik hochwertiger Lebensräume. Von A wie Apollo bis Z wie Zwerg-Sonnenröschen konzentrieren sich hier seltene Pflanzen und Tiere, die im Altmühltal ihren Verbreitungsschwerpunkt haben. Arten aus aller Herren Länder treffen hier zusammen: aus der Arktis, den Alpen, aus Asien und dem Mittelmeerraum. Viele dieser Besonderheiten können sich wirklich sehen lassen – zum Beispiel der auffällige Rote Scheckenfalter, das prächtige Brand-Knabenkraut oder der schwarz-gelbe Schmetterlingshaft. Die Menschen hier wissen das zu schätzen. Seit vielen Jahren kümmern sie sich um die Naturschönheiten vor ihrer Haustür. Allen voran der Landkreis Eichstätt, der schon die Trägerschaft für ein BayernNetz NaturProjekt übernommen hat und zusammen mit vielen anderen diese Kulturlandschaft hegt und pflegt. Zu den wichtigsten Partnern gehören die Schäfer. Ihre Herden sorgen dafür, dass die wertvollen Lebensräume nicht zuwachsen und so langsam verschwinden. Zusammen mit Naturschützern kreierten sie das Produkt „Altmühltaler Lamm“ – ein Projekt zur Vermarktung von Lammfleisch aus dem Altmühltal. Mit dem Naturschutzgroßprojekt „Altmühlleiten“ kann die Natur jetzt einen weiteren großen Schritt machen. Zusammen mit Partnern aus Mittelfranken und Niederbayern und mit Unterstützung des Bundesamtes für Naturschutz und des Bayerischen Naturschutzfonds investiert der Landkreis Eichstätt mehr als Millionen Euro in die Sicherung der einmaligen Landschaft. Weitere Informationen: www.altmuehlleiten.de www.pan-gmbh.com/bnn/faltblatt/altmuehlalb.pdf www.altmuehltaler-lamm.de www.naturpark-altmuehltal.de 14 Fakten: Größe: 2 200 Hektar Wacholderheiden Über 120 national bedeutsame Tier- und Pflanzenarten Naturschutzgroßvorhaben „Altmühlleiten“: Investitionsvolumen 6,44 Mio. € Träger: Landkreise Eichstätt und Kelheim, Gemeinde Solnhofen, Stadt Pappenheim Laufzeit: 2005 bis 2017 15 Zurück zur Natur An der Donau zwischen Neuburg und Ingolstadt erstrecken sich die größten zusammenhängenden Auwälder Bayerns. Die Donau und der Mensch haben die Landschaft geformt: der Fluss mit der dynamischen Kraft regelmäßiger Überflutungen, der Mensch durch eine jahrhundertealte Nutzung. Der parkartige Gerolfinger Eichenwald zum Beispiel ist ein Ergebnis der Mittelwaldnutzung – einzelne Bäume können hier mehrere Hundert Jahre alt werden, während das Unterholz regelmäßig geschlagen wird, um Brennholz zu gewinnen. Eine weitere Besonderheit sind die „Brennen“, Magerrasen, die auf flachen Kiesbänken am Fluss entstanden sind. In der Aue tummeln sich viele Tausend Pflanzen- und Tierarten. Zum Beispiel der Biber, Fische wie der Bitterling und Amphibien wie der Kammmolch. Die Wälder sind Heimat von Halsbandschnäpper und Mittelspecht. Auf den Brennen leben Schönheiten wie die Hummel-Ragwurz oder der Kreuz-Enzian. Die Stadt Ingolstadt und der Landkreis Neuburg-Schrobenhausen sind sich ihrer Verantwortung bewusst. Seit vielen Jahren arbeiten sie daran, dieses urwüchsige Stück Natur für die Nachwelt langfristig zu sichern. Im „Lohenprogramm“ der Stadt Ingolstadt werden Altwasser revitalisiert und im Gerolfinger Eichenwald die Mittelwaldnutzung gefördert. In Bayern einmalig ist das „Donauauenkonzept“. In enger Kooperation mit der Wasserwirtschaftsverwaltung wurde Wasser aus der Staustufe Bergheim in bestehende Auengerinne so eingeleitet, dass Teile des Auwaldes wieder regelmäßig überflutet werden. Fische und andere Wasserorganismen können endlich wieder die Donau durchwandern. Vorläufiger Höhepunkt ist die Einrichtung des Auenzentrums im Schloss Grünau: Im Aueninstitut untersuchen Wissenschaftler die Ökologie der Gewässer und Auen und überwachen die Renaturierung der Donauaue. Im Aueninfozentrum können sich Besucher im Rahmen zahlreicher Bildungsangebote über den Lebensraum „Flussaue“ informieren. Das Auenforum schließlich dient dem Erfahrungsaustausch. Weitere Informationen: www.auenzentrum-neuburg.de www.pan-gmbh.com/bnn/faltblatt/Gerolfing02.pdf www.ingolstadt.de/donauauen www.ingolstadt.de/expo/lohenprogramm_de.htm 16 Fakten: Projektgebiet: 2 100 ha Träger: Landkreis Neuburg-Schrobenhausen, Stadt Ingolstadt, Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt und Bayerischer Naturschutzfonds Fördermittelgeber: Bundesamt für Naturschutz, Europäische Union Laufzeit: seit 1997 17 Im Moos ist was los Ein Moor ist in Oberbayern entweder ein „Moos“ oder eine „Filze“. Filze sind Hochmoore, die nur vom Regenwasser leben, Moose Niedermoore, die das nötige Nass in erster Linie aus dem Grundwasser beziehen. Vor allem Niedermoore sind dem Landschaftswandel zum Opfer gefallen. Über Jahrhunderte wurden sie – naturverträglich – als Weide oder Streuwiese genutzt. Trockengelegt offenbarten sie jedoch fruchtbare Böden, die sich hervorragend zur Ackernutzung eignen. So sind im Donaumoos zwischen Ingolstadt und Neuburg – dem größten Niedermoor Süddeutschlands – inzwischen mehr als drei Viertel der Fläche zu Kartoffel- oder Maisäckern geworden. Das ist schade, denn Niedermoore sind sehr artenreiche Lebensräume. Von der winzigen Windelschnecke über Trollblume und Knabenkraut bis zum Großen Brachvogel leben hier etliche Pflanzen- und Tierarten, die optimal an die mageren und feuchten Standortverhältnisse angepasst sind. Inzwischen weiß man, dass die Ackernutzung alles andere als nachhaltig ist. Jedes Jahr gehen Tonnen des wertvollen Bodens verloren. Darum wird versucht zu retten, was zu retten ist. Das ehrgeizigste Projekt ist wohl die Sanierung des Donaumooses. Hier hat man eigens einen Zweckverband gegründet, in dem nicht nur Landkreis und Gemeinden, sondern auch der Bezirk Oberbayern vertreten sind. Bis jetzt hat man schon mehr als Hektar Fläche erwerben können. Über die Region hinaus bekannt ist auch das „Haus im Moos“, eine Umweltbildungsstation, die über das Donaumoos informiert. Weitere Beispiele für erfolgreiche Projekte sind das Freisinger Moos – hier engagieren sich vor allem der Bund Naturschutz und die Stadt Freising – und das Feilenmoos, das unter Federführung des Landkreises Pfaffenhofen entwickelt wird. Weitere Informationen: www.donaumoos-zweckverband.de www.haus-im-moos.de www.pan-gmbh.com/bnn/faltblatt/FreisingerMoos.pdf 18 Historische Moorverbreitung um das Jahr Moore waren in Oberbayern einmal weit verbreitet – vom Donautal bis zum Alpenrand auf Hektar, das sind % der Fläche des Bezirkes. Im regenreichen Alpenvorland sind es vor allem Hochmoore, im Norden eher Niedermoore. Intakte Moore findet man heute auf weniger als einem Zehntel der ursprünglichen Fläche. Fakten: Niedermoore in Oberbayern: 99 600 ha Fläche Donaumoos: 12 000 ha Renaturierte Fläche im Donaumoos: über 400 ha 19 Klimaschützer und Hungerkünstler Hochmoore sind in vielerlei Hinsicht ein besonderer Lebensraum. Sie entstehen dort, wo in sehr feuchtem Klima Torfmoose gedeihen können. Während diese an der Mooroberfläche wachsen, sterben die unteren Pflanzenteile ab, zersetzen sich aber nicht. Pro Jahr wächst so ein Moor um etwa mm. Damit verwandeln die Torfmoose das klimaschädliche Treibhausgas CO in Kohlenstoff. In den etwa Hektar naturnahen Mooren Bayerns werden jährlich etwa bis Millionen Tonnen Kohlenstoff gespeichert, das sind mindestens % der jährlichen Emissionen des Freistaats. In Deutschland gibt es großflächige, naturnah erhaltene Hochmoore nur noch im Alpenvorland. Etwa % des bayerischen Bestandes findet sich in Oberbayern. Kein Wunder, dass viele Arten, die auf diesen Lebensraum angewiesen sind, in anderen Teilen Deutschlands sehr selten oder schon ausgestorben sind. Zum Beispiel der Hochmoor-Gelbling, ein gelb getönter Schmetterling, oder die Hochmoor-Mosaikjungfer, eine Libelle von beeindruckender Größe. Insbesondere viele Pflanzen sind hervorragend an die Nährstoff- armut angepasst. So bessert der Sonnentau seine Energiebilanz dadurch auf, dass er mit klebrigen Fäden kleine Insekten fängt. Seit vielen Jahren versuchen Naturschützer, Förster und andere Engagierte die Hochmoore in Oberbayern zu schützen. Eines der ersten Projekte wurde in den Spatenbräufilzen bei Egling umgesetzt. Unter Federführung des Landesbunds für Vogelschutz leisteten mehr als Helfer über Stunden ehrenamtliche Arbeit. Erfreuliches Ergebnis: viele moortypische Arten, darunter die Große Moosjungfer, sind deutlich häufiger geworden. Seit sind die Spatenbräufilze Teil der „Tölzer Moorachse“, einem ehrgeizigen Projekt im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, in dem zahlreiche Akteure an der Renaturierung von Hektar Mooren arbeiten. Aber auch in anderen Teilen Oberbayerns wird an der Wiederherstellung dieser einzigartigen Feuchtlebensräume gearbeitet. Vom Breiten Moos zwischen Lechtal und Ammersee über das Haspelmoor im Landkreis Fürstenfeldbruck, das Brucker Moos bei Grafing bis zum Ainringer Moos westlich Freilassing sind es etwa Projekte. Weitere Informationen: www.lbv-toel.de/Spatenbraeufilz.htm www.pan-gmbh.com/bnn/faltblatt/Spatenbraeufilze.pdf www.lbv-toel.de/Toelzer_Moorachse.htm www.haspelmoor.de, www.ainringer-moos.de 20 Fakten: Anzahl oberbayerischer BayernNetz Natur-Projekte zur Renaturierung von Mooren: 52 Gesamtgröße der Projektgebiete: mehr als 1 500 km2 21 LIFE für die Natur im Chiemgau Im Chiemgau, von Rosenheim bis Traunstein, liegen die größten zusammenhängenden Moorgebiete Süddeutschlands. Zwei Komplexe sind besonders beeindruckend: zum einen die Moore südlich des Chiemsees mit Kendlmühlfilzen, Rottauer Filzen und Bergener Moos, zum anderen ein Moorkomplex südwestlich von Rosenheim, die Rosenheimer Stammbeckenmoore. Moore bestehen aus Torf, und Torf war bis weit ins . Jahrhundert hinein ein wichtiger Brennstoff. Im Chiemgau begann man schon mit dem Abbau, zunächst zur Versorgung der Salinen in Reichenhall, später waren die Münchner Brauereien Hauptabnehmer. In der Blütezeit des Torfabbaus wurden die Moore hier maschinell und auf großer Fläche abgefräst. Spätestens in den er Jahren hatte Torf als Brennstoff ausgedient und es wuchs die Erkenntnis, dass dieser Raubbau an der Natur alles andere als nachhaltig war. Zug um Zug wurde der Torfabbau eingestellt und man begann mit der Renaturierung der Moore. Hilfe kam dann von der Europäischen Union. Im Rahmen des Förderprogramms LIFE fördert bzw. förderte sie drei Projekte zur Wiederherstellung der wertvollen Feuchtgebiete. Zwei davon wurden in den Mooren zwischen Bernau und Bergen realisiert. Ein Schwerpunkt waren die Kendlmühlfilzen, wo mit rund bis zu m breiten Dämmen etwa Hektar ausgetrocknete Moore geflutet wurden. Die Maßnahmen sind ein voller Erfolg: Langsam stellt sich die moortypische Vegetation ein und auch charakteristische Vögel wie Braunkehlchen, Wiesenpieper und Bekassine brüten inzwischen wieder. Im Zentrum der Filze liegt das Bayerische Moor- und Torfmuseum. Von hier aus kann man in der warmen Jahreszeit eine Fahrt mit der alten Torfbahn machen. Noch nicht abgeschlossen ist das Projekt „Rosenheimer Stammbeckenmoore“. Auch hier werden in großem Maßstab Moore wiedervernässt. Hier gibt es auch das „Moorerlebnis Sterntaler Filze“ bei Bad Feilnbach zu bestaunen: Man kann beispielsweise über Bohlenwege laufen, einen Torfstich bewundern oder an einer Vogelbeobachtungsstation verweilen. Weitere Informationen: www.life-rostam.de ec.europa.eu/environment/life/project/Projects/files/brochure/Hochmoorrenaturierung.pdf www.stmug.bayern.de/umwelt/naturschutz/foerderung/life/chiem.htm www.torfbahnhof-rottau.de 22 Fakten: Projektträger: Landkreise Rosenheim, Traunstein, Umwelt-, Kultur- und Sozialstiftung des Landkreises Rosenheim, Gemeinde Raubling Investitionsvolumen: 4,95 Mio. € Größe der Projektgebiete: ca. 160 km2 23 Vorbild für Deutschland Viele Landschaften Oberbayerns suchen in Deutschland ihresgleichen. Paradebeispiel ist das Murnauer Moos. Zusammen mit den angrenzenden Staffelseemooren bildet es einen Komplex aus Mooren, Streuwiesen, kleinen Seen und Wäldern mit fast Hektar Größe. Bekannt wurde es als malerische Kulisse für Wassily Kandinsky, Gabriele Münter und andere Impressionisten des Blauen Reiters. Naturfreunde schätzen aber auch die außergewöhnliche Artenvielfalt. Allein unter den Pflanzen gibt es mehr als Arten der Roten Liste, darunter bemerkenswerte Raritäten wie Wanzen-Knabenkraut, Sibirische Schwertlilie oder Karlszepter. Auch die Vogelwelt hat es in sich: Arten brüten hier, unter anderem Bayerns größte Populationen des Karmingimpels und des Wachtelkönigs. Als einer der ersten hat der Landkreis Garmisch-Partenkirchen die enorme Bedeutung einer solchen Landschaft erkannt – nicht nur für den Tourismus, sondern auch als Naturerbe. Mit Unterstützung des Bundesamtes für Naturschutz hat er in einem Naturschutzgroß- projekt mehr als Jahre lang Flächen angekauft, um das Moor auch für nachfolgende Generationen zu sichern. Mehr als Hektar Fläche sind es inzwischen. Auch dank des Einsatzes vieler Bauern wird ein Großteil der Streuwiesen nach wie vor nach alter Sitte genutzt. Das Schöne ist: Diese einmalige Kulturlandschaft kann man unmittelbar erleben. Ein Rundweg von Kilometern durchquert einen Teil des Moores, mit herrlichem Blick nicht nur auf die Alpenkulisse. Nicht weit davon entfernt im Landkreis Weilheim befindet sich die Grasleitener Moorlandschaft. Streuwiesen und Magerrasen, kalkreiche und kalkarme Standorte sind dort eng verzahnt. Hier leben zum Beispiel das Wald-Wiesenvögelchen, kein Vogel, sondern ein seltener Schmetterling, und der Riedteufel, ebenfalls ein auffälliger Falter. Seit vielen Jahren kümmert sich vor allem der Arbeitskreis Heimische Orchideen um das Gebiet. Aber auch die Grasleitener Moorlandschaft lebt von der traditionellen Nutzung – ohne die regelmäßige Mahd im Herbst würden die wertvollen Flächen verbrachen und die Arten verschwinden. Weitere Informationen: www.bfn.de/0203_murnauermoos.html www.stmug.bayern.de/umwelt/naturschutz/foerderung/grossprojekte/murnauermoos.htm www.murnau.de/de/moos-rundweg-125-km_p2 24 Fakten: Naturschutzgroßvorhaben Murnauer Moos: Projektgebietsgröße: 6 939 ha Größe Murnauer Moos: ca. 4 200 ha Träger: Landkreis Garmisch-Partenkirchen Laufzeit: 1992 bis 2003 Investitionsvolumen: 17,84 Mio. € 25 Eldorado am Rande der Großstadt Zwischen München und Freising prägen Mais- und Kartoffeläcker, Hochhäuser und Gewerbegebiete das Bild der flachen Ebene. Es ist kaum zu glauben: Noch im . Jahrhundert dehnten sich hier auf einer Fläche von Hektar – das sind fast Fußballfelder – riesige Heideflächen aus. Heute ist gerade einmal ein Zehntel davon erhalten geblieben. Dieses hat es aber in sich: Auf kaum einem Flecken Bayerns drängen sich mehr botanische Kostbarkeiten. Darunter viele Pflanzen, die in Deutschland fast ausgestorben sind, zum Beispiel die Finger-Küchenschelle, die Filz-Flockenblume, die Bunte Schwertlilie oder der Stauden-Lein. Wechselkröte und Heidelerche sind Beispiele für Tierarten, die hier ein Refugium gefunden haben. Die Heiden sind Relikte einer Steppen-Landschaft, die nach der Eiszeit große Teile Mitteleuropas prägte. Auch heute noch sind sie beindruckend: Der Besuch der Fröttmaninger Heide im Frühjahr, wenn Tausende Adonisröschen und Enziane blühen, ist ein unvergessliches Erlebnis. Weitere Informationen: www.heideflaechenverein.de 26 Die Nähe zur Großstadt schafft natürlich Probleme. Viele Menschen wollen die Schönheit der Heiden genießen – ob als Spaziergänger, Jogger oder Radfahrer, mit und ohne Hund. Manche Tierarten reagieren da empfindlich. Um ein Nebeneinander von Mensch und Natur zu ermöglichen, sind deshalb ein paar Regeln nötig – ein Wegegebot gehört ebenso dazu wie die Anleinpflicht für Hunde. Schon sehr früh erkannten engagierte Bürger den enormen Wert dieser Kleinode. Im Jahr kaufte die Bayerische Botanische Gesellschaft die ersten Grundstücke, um die Garchinger Heide zu retten. Seit gibt es den Heideflächenverein, der – zusammen mit Städten, Gemeinden und Landkreisen – unermüdlich daran arbeitet, die Heidereste zu einem Lebensraum-Netz zu verknüpfen und die vielfältigen Nutzungsansprüche unter einen Hut zu bringen. Inzwischen wurden fast Hektar Flächen erworben oder gepachtet, Hektar Heiden konnten neu geschaffen werden. Demnächst wird an der Fröttmaninger Heide das „Heidehaus“ eröffnet – ein Informations- und Umweltbildungszentrum für Besucher, Schulklassen und Kindergärten. Fakten: Projektgebiet: 8 800 ha Größe der Heideflächen: 1 340 ha Anzahl gefährdeter Arten: über 800 Anzahl Naturschutzgebiete: 6 27 Schatzsuche am Fluss Über mehr als Kilometer windet sich die Amper durch das mittlere Oberbayern. Damit ist sie der drittlängste Fluss im Bezirk. Sie wird häufig unterschätzt. Diese Erfahrung machten nicht nur die Unglücklichen, die vom Pfingsthochwasser überrascht wurden. Auch ihre Bedeutung für den Naturschutz sieht man dem Gewässer auf den ersten Blick nicht an. Dabei sind hier noch zahlreiche Kostbarkeiten zu finden: zum Beispiel der Eisvogel, die Äsche oder die Zangenlibelle. Auf Streu- und Nasswiesen leben Raritäten wie das Strohgelbe Knabenkraut oder der Lungen-Enzian. In den galerieartigen Auwäldern, die die Amper säumen, sind im Sommer Pirol und Laubfrosch zu hören. Wasserwirtschaft und Naturschutz ziehen an einem Strang. Ihr Ziel: sie wollen dem Fluss mehr Raum für eine natürliche Dynamik lassen und die wertvollen Lebensräume langfristig sichern. Engagiert sind auch die Landkreise Dachau, Freising und Fürstenfeldbruck sowie die drei Landschaftspflegeverbände im Raum. Sie arbeiten dabei eng mit Gemeinden und Naturschutzbehörden zusammen. Im östlichen Teil geht man sogar noch einen Schritt weiter: Im Rahmen eines Projekts zur ländlichen Entwicklung werden Naturschutz, Landwirtschaft, Hochwasserschutz, Regionalentwicklung und Erholungsnutzung in einem Konzept zusammengefasst. Im äußersten Südwesten durchfließt der Fluss das Ampermoos, ein großflächiges Niedermoorgebiet am Nordrand des Ammersees. Das Moor droht aufgrund eines niedrigen Grundwasserspiegels auszutrocknen, weshalb Sohlschwellen in der Amper den Wasserstand anheben sollen. Seit gibt es im Ampertal eine Gebietsbetreuerin, die im Auftrag der drei Landschaftspflegeverbände unterwegs ist. In zahlreichen Führungen, Vorträgen und anderen Veranstaltungen sowie einem Wanderführer bringt sie den Menschen die „Schätze des Ampertals“ näher. Weitere Informationen: www.kreis-freising.de/index.php?id=509l www.eichenau.de/aktuell/0405ampertal.htm 28 Fakten: Länge des Flusslaufs: mehr als km Zuflüsse: Windach, Maisach und Glonn Naturschutzgebiete: mit einer Größe von ha NATURA -Gebiete: ha 29 Auf dem Trockenen Unter günstigen Umweltbedingungen dominieren häufig nur wenige, besonders konkurrenzkräftige Arten, während auf Extremstandorten auch viele Spezialisten eine Nische finden. Besonders reich an Pflanzen und Tieren sind trockene, heiße Magerrasen – hier lebt auch mancher Exot, der sonst nur in südlichen Gefilden zuhause ist. Solche Trockenrasen gibt es beispielsweise am Windsberg bei Freinhausen im Landkreis Pfaffenhofen. Nach der Eiszeit wurden hier große Sandflächen angeweht. Das Besondere: die Windsberger Sande sind sehr basenreich, so dass hier in Bayern einzigartige „Kalksandheiden“ mit einer ganz besonderen Artenausstattung entstehen konnten. Mehr als Pflanzen- und Tierarten wurden bisher gefunden, darunter Raritäten wie der HeideEhrenpreis oder der Kreuz-Enzian. Eine Kuriosität ist der Kreuzenzian-Ameisenbläuling. Die Raupen dieses Falters leben zunächst am Kreuz-Enzian und lassen sich dann von Ameisen adoptieren. Im Rahmen eines Flurbereinigungsverfahrens wurden zahlreiche Flächen im Umfeld des Naturschutzgebietes gesichert und zu Magerrasen entwickelt. Weitere Informationen: www.lebensraumlechtal.de 30 Ein weiteres gutes Beispiel für trockene Lebensräume sind die Brennen an der Alz im Landkreis Altötting. Brennen sind trockenheiße Schotterbänke in den Auen der Flüsse. Auch dieses Gebiet glänzt mit vielen seltenen, an den Lebensraum angepassten Arten, darunter die Pyramiden-Hundswurz und das Alpen-Leinkraut. Mit Unterstützung des Bayerischen Naturschutzfonds werden die wertvollen Lebensräume gesichert. Weit über Bayern hinaus bekannt ist schließlich das Projekt „Lebensraum Lechtal“. Auf einer Strecke von Kilometern zwischen der Landesgrenze nach Österreich und der Einmündung in die Donau haben sich alle bayerischen Landkreise und ihre Landschaftspflegeverbände zusammengeschlossen, um entlang des Lechs einen Verbund von Magerrasenflächen zu schaffen. Mehr als Hektar Lechheiden konnten hier gepflegt und entwickelt werden. Vorbildlich ist auch die Umweltbildungsarbeit: In jährlich bis Veranstaltungen wird mehreren Tausend Menschen die Natur näher gebracht. Fakten: Laufzeit der Maßnahmen am NSG Windsberg: 1993 – 1998 Erweiterung des NSG Windsberg: von 5 auf 8,2 ha Größe des Projekts „Brennen an der Alz“: 1 100 ha Investitionsvolumen: 1 Mio. € Größe des Projekts „Lebensraum Lechtal“: 750 km2 Investitionsvolumen: 2,26 Mio. € 31 Innovationen im Naturschutz „Laptop und Lederhose“ – die Verbindung von Tradition und Moderne ist typisch bayerisch. Vor allem die Oberbayern schaffen es immer wieder mit innovativen und kreativen Ideen zu überraschen. Zum Beispiel in den Loisach-Kochelsee-Mooren bei Benediktbeuern. Hier am Fuße der Berge erstrecken sich über Hektar ausgedehnte Nieder- und Hochmoore, Heimat zahlreicher seltener Pflanzen und Tiere. Mehr als Vogelarten wurden nachgewiesen. Für Braun- und Schwarzkehlchen sind die Moore die wichtigsten Brutgebiete Bayerns. Die Landschaft lebt noch heute von der historischen Nutzung: Jahrhunderte lang wurden die Moore als Streuwiesen genutzt – das Erntegut konnte nicht verfüttert, aber als Einstreu im Stall genutzt werden. Irgendwann war dies nicht mehr rentabel, der Aufwand zu groß. Während andernorts versucht wurde, die Pflege der Flächen mit Förderprogrammen zu finanzieren, ging man hier einen anderen Weg. Das Zentrum für Umwelt und Kultur entwickelte mit drei Bio-Landwirten das Modellprojekt „Landschaftspflegehöfe“. Die Bauern verpflichteten sich, die Streuwiesen dauerhaft zu pflegen und bauten eigens dafür neue Ställe, Weitere Informationen: der Freistaat sicherte die Kooperation durch langfristige Verträge. Sehenswert ist auch der „Biotopverbund Eggstätt-Hemhofer Seenplatte – Seeoner Seen“. Hinter diesem etwas sperrigen Titel verbirgt sich ein Projekt, das in vielen Dingen neue Wege geht. Im Fokus steht eine Seenlandschaft nördlich des Chiemsees, die nach der letzten Eiszeit aus Resten der großen Alpengletscher entstanden ist. Hier sind mehr als Arten, darunter gut gefährdete, zuhause. Besonders bemerkenswert sind einige Relikte, die hier die Zeit seit der letzten Eiszeit überdauert haben, wie zum Beispiel StrauchBirke, Schlankes Wollgras und Zwerglibelle. Arten wie die Sumpf-Weichwurz (eine Orchidee) oder die Zierliche Moosjungfer (eine Libellenart) haben im Gebiet einen bayerischen Verbreitungsschwerpunkt. Die Bilanz kann sich sehen lassen: Über Hektar wurden durch Ankauf und langjährige Nutzungsverträge gesichert, mehr als Hektar werden regelmäßig gepflegt. Deutschlandweit einmalig ist das Teilprojekt „Wöhrmühle“: An einer Engstelle der Biotopverbundachse zwischen zwei Naturschutzgebieten wurden die Gebäude aufgekauft und beseitigt, der Bach und seine Uferbereiche renaturiert. www.zuk-bb.de www.pan-gmbh.com/bnn/faltblatt/LoisKochelMoore.pdf www.eiszeitseen.de www.pan-gmbh.com/bnn/faltblatt/EggstaettSeeon.pdf 32 Fakten: Größe Projekt „Loisach-Kochelsee-Moore“: 880 ha Träger: Zentrum für Umwelt und Kultur Benediktbeuern Renaturierte Fläche: 150 ha Größe der Streuwiesen im Modellprojekt Landschaftspflegehöfe: 160 ha Größe Projekt „Biotopverbund Eggstätt-Hemhofer Seenplatte – Seeoner Seen“: 794 ha Träger: Landkreise Rosenheim und Traunstein 33 Wildnis Alpen Nur wenige Regionen der Erde wurden so vom Menschen überprägt wie Mitteleuropa. Spätestens seit dem Mittelalter blieb hier kaum ein Fleckchen Erde ungenutzt. Unberührte Naturlandschaften gibt es am ehesten dort, wo es dem Menschen aufgrund des Klimas oder der Lage schwer fällt, Fuß zu fassen. Die Alpen – Deutschlands einziges Hochgebirge – waren von jeher nur ein Außenposten der Zivilisation. Steile Hänge, Felsabstürze, Geröllund Schneelawinen sowie lange Winter machen den Menschen das Leben schwer. Durch die ungeheure Dynamik entstehen zudem immer wieder neue Lebensräume. So kommt es, dass große Teile der bayerischen Alpen auch jetzt noch den Charakter einer Naturlandschaft haben. Hier gibt es sie noch: wilde Bäche, ungestörte Bergwälder, unberührte Gipfel und Felsen. Außerdem ist das Hochgebirge ein „hot spot“ der biologischen Vielfalt. Auf nur sechs Prozent der Landesfläche Bayerns leben % aller bayerischen Pflanzen- und Tierarten. Darunter zahlreiche echte Bayern, die weltweit nur in den bayerischen Alpen zu finden sind. Weitere Informationen: Im Nationalpark Berchtesgaden, dem einzigen Nationalpark in Oberbayern, wird die Wildnis zum Schutzgut. Auf zwei Dritteln der Fläche bleibt die Natur sich selbst überlassen. Mehr als verschiedene Pflanzen- und Tierarten wurden bisher nachgewiesen – darunter der imposante Steinbock und der königliche Steinadler. Eingebettet ist das Schutzgebiet in ein Biosphärenreservat, in dem Natur schonende Nutzungen Vorrang haben. Auch sonst haben die Alpen viel Natur zu bieten. Das Isartal oberhalb des Sylvensteinspeichers beispielsweise ist die letzte verbliebene Wildflusslandschaft Deutschlands. Auf Kilometer Länge sucht sich die Isar ihren Weg durch ausgedehnte Schotterbänke. Dort gibt es zahlreiche Besonderheiten, die in Deutschland fast nur an der oberen Isar zu finden sind. Zum Beispiel die Tamariske, die Gefleckte Schnarrschrecke oder der Felsen-Steintäschel. Aber auch hier gibt es Probleme. Seit vielen Jahren wird Wasser in den Walchensee zur Energiegewinnung abgeleitet. Wasser, das der Isar dann fehlt. Die wilde Landschaft zieht Erholungssuchende an, die an schönen Sonntagen die Schotterbänke förmlich belagern. Gebietsbetreuer, Naturschützer, Fischer und Wasserwirtschaft arbeiten an einem gemeinsamen Konzept, das tragfähige Lösungen bringen soll. www.brbgl.de www.nationalpark-berchtesgaden.bayern.de 34 Fakten: Größe der Alpen: 190 900 km2 Größe der bayerischen Alpen: 4 200 km2 (2,2 % der Alpen) Größe der oberbayerischen Alpen: 3 105 km2 (74 % der deutschen Alpen) Größe Nationalpark Berchtesgaden: 210 km2 Anteil Schutzgebiete an den oberbayerischen Alpen: 54 % Anzahl Arten, die in Deutschland nur in den Alpen vorkommen: über 800 35 Bergidylle von Menschen Hand Trotz aller Widrigkeiten hat der Mensch auch die Alpen besiedelt. Damit ist dieses Hochgebirge nicht nur eine Natur- , sondern auch eine Kulturlandschaft. Die Almen beispielsweise, Inbegriff älpischer Idylle, sind kein Produkt der wilden Natur. Vielmehr sind sie dadurch entstanden, dass der Bergwald gerodet und danach beweidet wurde. Ohne den Einsatz von Kunstdünger und Spritzmittel fühlen sich hier nicht nur die Kühe wohl: Während auf intensiv genutztem Grünland im Flachland auf einer Fläche von Quadratmetern nicht einmal zehn Pflanzenarten zu finden sind, sind es auf den Almen bis zu . Die Schönheit der Berge zieht die Menschen an. Sommers wie winters suchen Millionen Freizeitsportler und Touristen in den Alpen Entspannung und körperliche Herausforderung. Das bleibt nicht ohne Folgen: Vor allem störungsempfindliche Tierarten versuchen den Massen aus dem Weg zu gehen und werden so auf immer kleinere Lebensräume zurückgedrängt. Dass es auch anders geht, zeigt das Projekt „Skibergsteigen umweltfreundlich“, das der Deutsche Alpenverein zusammen mit dem Landesamt für Umwelt initiiert hat. Wildbiologen und Skifahrer geben Empfehlungen, welche Skirouten im Winter störungsarm befahren werden können. Ebenso wichtig ist es aber, dass die althergebrachte Nutzung aufrecht erhalten werden kann. Die Bergbauern gehen dabei mit großem Engagement an die Sache heran. Ein Beispiel sind die Buckelwiesen bei Mittenwald – diese sehr mageren und kleinflächigen Wiesen können häufig nur mühsam mit der Sense gemäht werden. Auch die Ammergauer Wiesmahdhänge oder die Streuwiesen am Samerberg bei Rosenheim würden ohne den leidenschaftlichen Einsatz der Landwirte wohl nicht mehr existieren. Im grenzüberschreitenden „Ökomodell Achental“ südlich des Chiemsees ist man noch weiter. Hier verfolgt man das Ziel, dass Naturschutz, Landwirtschaft und Tourismus Hand in Hand arbeiten, um die einmalige Berglandschaft für Alle zu schützen. So erhalten naturverträglich produzierte Produkte das Siegel „Qualität Achental“. Der Verbraucher weiß dann: Hier kaufe ich ein Produkt, dass der Natur gut tut, dem Bauern hilft und auch noch hervorragend schmeckt. Weitere Informationen: www.lfu.bayern.de/natur/forschung_und_projekte/wildtiere_skilauf_gebirge/index.htm www.pan-gmbh.com/bnn/faltblatt/Buckelwiesenneu.pdf www.pan-gmbh.com/bnn/faltblatt/Samerberg_neu.pdf www.oekomodell.de 36 Fakten: Fläche kartierter Biotope in den oberbayerischen Alpen: 84 833 ha Anteil Biotopfläche an den oberbayerischen Alpen: 27 % 37 Drehkreuze des Vogelzugs Oberbayern liegt mitten in Europa. Da ist es kein Wunder, dass unser Bezirk auch auf dem Vogelzug eine große Rolle spielt. Von Nord nach Süd, von Ost nach West durchqueren Millionen Vögel das Land, rasten oder überwintern hier. Besonders auffällig ist das bei den Wasservögeln. Sie konzentrieren sich in großen Scharen vor allem auf den großen oberbayerischen Seen. Schon verpflichteten sich viele Staaten im iranischen Ramsar dazu, solche bedeutenden Feuchtgebiete zu schützen. trat auch Deutschland dem Abkommen bei. Inzwischen gibt es allein in Oberbayern sieben Gebiete, die dieser Konvention unterliegen. Das verpflichtet. So müssen die Bedürfnisse der Vögel mit den berechtigten Ansprüchen der Fischer, Jäger und Erholungssuchenden unter einen Hut gebracht werden. „Ruhezonenkonzepte“ sind dafür die Lösung. Vorbild ist der Chiemsee. Hier am „Bayerischen Meer“ haben sich Naturschützer, Fischer, Jäger, Segler und Gemeinden darauf geeinigt, bestimmte Bereiche den Vögeln und Fischen zu überlassen. Damit haben sich alle wichtigen Akteure zu ihrer Verantwortung bekannt. Das Konzept bietet aber auch Chancen für den Tourismus: Beobachtungstürme bieten Einblicke und zahlreiche Führungen vermitteln die eindrucksvolle Natur. Auch am Starnberger See gibt es seit Jahren eine freiwillige Vereinbarung zwischen Wassersportlern, Naturschützern und Fischern. Ein weiteres Modell für eine erfolgreiche Kooperation ist der Ismaninger Speichersee. Große Teile dieses Gebietes können nicht betreten werden. Es ist deshalb das wichtigste Rastgebiet Bayerns für mausernde Wasservögel: Im Spätsommer wechseln Enten ihr Gefieder und können deshalb nicht fliegen. Am Ismaninger Speichersee werden sie nicht gestört. Der Bayerische Naturschutzfonds hat hier vom Betreiber der Wasserkraftanlagen ehemalige Fischteiche gepachtet. Diese werden jetzt so genutzt, wie es für die Natur und die Vogelwelt am besten ist. Weitere Informationen: www.stmug.bayern.de/umwelt/naturschutz/schutzgebiete/ramsar.htm www.lbv-starnberg.de/Service/Hintergrund/Ramsar_Konvention_Titel.htm www.ramsar-ammersee.de www.ramsar.org www.chiemseeagenda.de/infomaterial.php?id=35#faltblaetter (Faltblatt Ruhezonen) www.naturerlebnis-chiemsee.de/necs/index.html 38 Fakten: Ramsar-Gebiete in Oberbayern: 7 Flächengröße: 21 728 ha Größtes Ramsar-Gebiet: Chiemsee (8 232 ha) Jüngstes Ramsar-Gebiet: Wildalm (2004) Anzahl Wasservögel in Ramsar-Gebieten: bis zu 110 000 Individuen 39 Wanderer zwischen den Welten Schellente – Flucht aus der Kälte Die Schellente ist eine von vielen Wasservogelarten, die ihren Winter in großen Scharen auf unseren großen Seen verbringen. Sie brütet vor allem in der nordischen Taiga, wo sie in Baumhöhlen ihre Jungen groß zieht, und ernährt sich von Muscheln, Krebsen und anderem Kleingetier, welches sie aus großer Wassertiefe holt. Besonders auffällig ist die Schellente im Januar, wenn die Männchen mit seltsamen Lauten um die Weibchen werben. Schnatterente – Gruß aus Sibirien Auch sie gehört zu den Weitgereisten: Viele der Schnatterenten, die in Oberbayern zu Gast sind, haben einen langen Flug aus dem Osten hinter sich. Wie viele andere Entenvögel wandert sie schon direkt nach der Brutzeit im Sommer zu uns. In dieser Zeit mausern die Tiere ihr Gefieder und verlieren ihre Flugfähigkeit. Dann brauchen sie ungestörte Rückzugsräume. Eine der wichtigsten ist der Ismaninger Speichersee – bis zu Schnatterenten rasten hier. Kolbenente – die anspruchsvolle Schöne Noch vor wenigen Jahrzehnten war die Kolbenente eine echte Rarität – inzwischen verbringen mehr als Individuen den Winter in Oberbayern. Im Gegensatz zu den meisten anderen Arten kommt sie aus Südwesteuropa zu uns. Die Art profitiert von der 40 deutlichen Verbesserung der Wasserqualität vieler Stillgewässer. Dadurch haben Armleuchteralgen – ihre Hauptnahrung – so stark zugenommen, dass inzwischen fast % der europäischen Kolbenenten in Süddeutschland überwintern. Wespenbussard – der Langstreckenflieger Äußerlich ähnelt er stark dem häufigen Mäusebussard, er hat aber ganz andere Nahrungsansprüche. Wie der Name schon verrät, ernährt der Wespenbussard sich vor allem von Wes- pen- und Hummelnestern. Deshalb muss er im Herbst die oberbayerischen Gefilde verlassen und zieht dann bis in den Süden Afrikas. Alpenstrandläufer – Besuch von der Küste Zugegeben: gemessen an den Millionen von Watvögeln, die während des Zuges an der Küste zu beobachten sind, sind die oberbayerischen Zahlen eher bescheiden. Dennoch können Arten wie der Alpenstrandläufer vor allem auf dem Zug im Herbst und Frühjahr regelmäßig auf trocken gefallenen Schlickflächen beobachtet werden. Bergfink – Gast im heimischen Garten Der Bergfink ist ein typischer Vertreter vieler Vogelarten, deren Wanderung wenig spektakulär vonstattengeht. Millionen Vögel ziehen in breiter Front quer durch ganz Europa und fallen deshalb kaum auf. Der Bergfink brütet vor allem in Nordeuropa und verbringt regelmäßig den Winter bei uns, wo er auch am Futterhäuschen zu beobachten ist. 41 Spezialeinsatz für gefährdete Arten Einige Pflanzen- und Tierarten kommen auf der ganzen Welt fast ausschließlich in Bayern oder sogar nur in Oberbayern vor. Für die Erhaltung dieser „Endemiten“ besteht also eine ganz besondere Verantwortung. In Artenhilfsprogrammen unterstützt die höhere Naturschutzbehörde der Regierung von Oberbayern deshalb Maßnahmen, die auf die Bedürfnisse dieser und weiterer besonders schutz- und pflegebedürftiger Arten zugeschnitten sind. Grundlage jedes Artenhilfsprogramms ist eine genaue Dokumentation der noch vorhandenen Bestände. Anschließend folgt ein detailliertes Konzept, in dem dargelegt wird, welche Maßnahmen zum Schutz der jeweiligen Art notwendig sind. Entscheidend ist dann die Umsetzung dieser Vorschläge. Verantwortlich ist zunächst das Bayerische Landesamt für Umwelt, in Oberbayern werden die Arbeiten von der höheren Naturschutzbehörde koordiniert. Natürlich braucht die Natur auch hier viele Verbündete, Experten, die geeignete Maßnahmenvorschläge entwickeln können, sowie Behörden, Kommunen und Verbände, die die Konzepte dann umsetzen. Auch freiwillige Helfer können entscheidend sein: So hätte der Wanderfalke ohne den unermüdlichen Einsatz von mehr als Horstbewachern in Bayern möglicherweise nicht überlebt. In den er Jahren gab es nur noch wenige Brutpaare, inzwischen sind es mehr als . Die Bestände müssen schließlich regelmäßig überwacht werden. Beispielsweise werden alljährlich die Kolonien einiger FledermausArten gezählt. Bei seltenen Vogelarten wie dem Steinadler wird sogar der Bruterfolg ermittelt. Die Umsetzung der Artenhilfsprogramme benötigt einen langen Atem. Zwar konnten inzwischen viele Arten dauerhaft gerettet werden, die Hilfsprogramme vieler Pflanzen- und Tierarten stehen jedoch erst am Anfang. Es gibt also noch viel zu tun. Weitere Informationen: www.lfu.bayern.de/natur/fachinformationen/artenhilfsprogramme_einfuehrung/index.htm 42 43 Bayerns Ureinwohner Arnolds Habichtskraut – Spezialist auf kargem Grund Auch das Arnolds Habichtskraut gehört zu den bayerischen Endemiten. Von dieser Art gibt es nur etwa zwei Dutzend Vorkommen. Ursprünglich besiedelte sie nur Felsen, inzwischen leben die größten Populationen auf alten Steinbruchhalden. Die größten Gefahren, die zum Aussterben der Art führen können, sind der Gesteinsabbau und eine fehlende Pflege. Im Rahmen eines Artenhilfsprogramms wurden deshalb detaillierte Nutzungskonzepte entwickelt und umgesetzt. Busch-Nelke – übersehene Schönheit Die Busch-Nelke ist ein typischer Europäer. Ihr Verbreitungsschwerpunkt liegt in Süddeutschland – zum Beispiel auf der Schotterebene zwischen München und Bad Tölz. Hier besiedelt die lichthungrige Art magere, „saure“, das heißt kalkarme Standorte. Durch Aufforstung und intensive Landnutzung ist die Busch-Nelke sehr selten geworden. Gezielte Schutzmaßnahmen auf den verbliebenen Lebensräumen sollen ihr jetzt helfen. 44 Bayerisches Löffelkraut – weltweit einmalig Der Name verrät – es ist nur in Bayern zuhause. Weltweit sind nur Vorkommen in Schwaben und Oberbayern bekannt. Dort lebt das Bayerische Löffelkraut in offenen Quellfluren. Erst wurde die Art entdeckt und beschrieben. Unmittelbar danach wurde mit einem Schutzprogramm begonnen: die wertvollen Quellbereiche wurden gesichert und freigestellt. Sumpf-Knabenkraut – Seltenheit im Moor An wenigen Standorten südlich des Chiemsees konnte es überleben: das SumpfKnabenkraut. Zumindest in Bayern leben hier die letzten ihrer Art. Die Orchidee ist auf nährstoffarme, aber regelmäßig überflutete Niedermoore angewiesen, die noch traditionell im Herbst als Streuwiese genutzt werden. Eine regelmäßige Pflege ihrer Lebensräume und der Schutz vor Nährstoffeinträgen sind für das Überleben der Art entscheidend. 45 Kostbarkeiten der Natur Apollo – bedrohte Schönheit Der Apollo-Falter ist einer der am stärksten bedrohten Schmetterlinge Europas. Schuld daran sind seine hohen Ansprüche. Die Raupen leben an Weißer Fetthenne, einer Pflanze, die nur auf Kalkfelsen und in Steinbrüchen wächst. In historischer Zeit wurden solche Standorte mit Schafen und Ziegen beweidet und offen gehalten. Als diese Nutzung vielerorts aufgegeben wurde, verschwand auch der Apollo. Dank eines Umweltpaktes zwischen Naturschützern, Landkreisen und Steinbruchindustrie nehmen die Bestände inzwischen langsam wieder zu. Zwerglibelle – Relikt der letzten Eiszeit Auf den ersten Blick ist sie kaum zu erkennen, auf den zweiten Blick eine filigrane Schönheit: Die Zwerglibelle lebt in und an flachen Moortümpeln. Vermutlich ist sie während oder kurz nach der letzten Eiszeit bei uns eingewandert und hat wärmere Perioden in den kühlen Mooren des Alpenvorlandes überlebt. Inzwischen ist sie in Deutschland extrem selten geworden, die meisten Fundorte liegen in Oberbayern. Durch gezielte Schutzmaßnahmen versucht man ihr zu helfen. 46 Birkhuhn – Grenzgänger im Gebirge Das Birkhuhn liebt großflächige, ungestörte, halboffene Lebensräume. Die von Almen und Latschen geprägte Zone in den Alpen ist ein idealer Lebensraum. Der Vogel hat hier sein letztes geschlossenes Verbreitungsgebiet in Deutschland. Aber auch hier hat das Birkhuhn Probleme – werden Almen aufgelassen, wachsen die Lebensräume zu und im Winter stören Skitouren- oder Schneeschuhwanderer die nötige Ruhe. Eine Allianz aus Naturschützern, Almbauern, Jägern und Forstleuten arbeitet jetzt an einem übergeordneten Schutzkonzept. Wimperfledermaus – Rettung in letzter Minute Bis in die Mitte des . Jahrhunderts nahmen die Bestände der heimischen Fledermausarten stark ab. Schuld waren vor allem Pestizide. Das Verbot dieser Gifte und ein beispielloser Einsatz zahlreicher Helfer führten dazu, dass es vielen Arten inzwischen wieder besser geht. Die Wimperfledermaus ist dafür ein Beispiel. Diese für den Mittelmeer-Raum typische Art pflanzt sich in Deutschland fast nur im Chiemgau fort. Mitte des . Jahrhunderts war die Art in Bayern fast ausgestorben, inzwischen gibt es wieder Kolonien. 47 Herausgeber: Regierung von Oberbayern Maximilianstraße 39, 80538 München, Tel. 089/2176-0 www.regierung.oberbayern.bayern.de Text und Konzeption: PAN Planungsbüro für angewandten Naturschutz GmbH – www.pan-gmbh.com Gestaltung: Thomas Dürst, München – www.thomas-duerst.de Fotos: Miloš Anděra/naturfoto-cz.de (S. 47u), Michaela Berghofer (S. 1r, 10m, 11m, 14o, 28u, 42o), Jiří Bohdal/naturfoto-cz.de (S. 16m), Thomas Dürst (S. 2, 4l, 4r, 5l, 5r, 6l, 6r, 7l, 16o, 18m, 21, 22u, 23, 24m, 27, 28m, 29, 30o, 33, 36u, 37), Holger Duty/Fotonatur.de (S. 24o, 32o, 38u), Kurt Gansner/FotoNatur.de (S. 47o), Adi Geyer (S. 46o), Christiane Geidel/LBV-Archiv (S. 1lo, 14m), Hans-Wilhelm Grömping/FotoNatur.de (S. 16u, 40m), Jörg Günther (S. 1lu, 7m), Andreas Hartl (S. 28o), Günter Heidemeier (S. 17), Heinz Huber (S. 30m, 31), Alfred Karle-Fendt (S. 20u), Rosa Kugler/Gebietsbetreuung Ampertal (S. 10r, 11r), Klaus Leidorf (S. 32u), Christiane Mayr (S. 35, 36o), Norbert Meyer (S. 44o), Sönke Morsch/FotoNatur.de (S. 40o, 40u, 41o, 41m), Stefan Ott/FotoNatur.de (S. 15, 26o), Eberhard Pfeuffer/LBV-Archiv (S. 14u, 24u, 30u), Gerd Rossen/ FotoNatur.de (S. 22m, 41u), Michael Schödl/Gebietsbetreuung Obere Isar & Karwendel (S. 34m), Martin Schumann (S. 7r), Cornelia Siuda (S. 8o, 22o, 45u, 46u), Ulrich Sorg (S. 32m), Herbert Stadelmann (S. 20m), Dieter Stahl/LBVArchiv (S. 18u), Heinz Stellwag (S. 1lm, 10l, 34u, 42m), Peter Strohwasser (S. 25), Johannes Voith (S. 11l), Nicolaj Ullmann/FotoNatur.de (S. 42u), Roland Weid (S. 4m, 5m, 36m), Elisabeth Wölfl (S. 8u), Andreas Zahn (S. 38o), Andreas Zehm (S. 18o, 20o, 26m, 26u, 34o, 44u, 45o), Johann Zimmermann (S. 38m) Druck: Color-Offset GmbH, München Stand: April 2010 © Regierung von Oberbayern, alle Rechte vorbehalten Diese Broschüre wurde mit großer Sorgfalt zusammengestellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann dennoch nicht übernommen werden. Für die Inhalte fremder Internetangebote sind wir nicht verantwortlich. Die Broschüre wurde mit Unterstützung des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit sowie aus Mitteln der Europäischen Union gefördert. Fotohinweise: Titel: Altmühltal bei Arnsberg, Gebänderte Heidelibelle, Isartal, Busch-Windröschen S. 2: Frühlingswiese S. 4: Schwalbenschwanz, Glockenblume, Torfmoos S. 5: Tramete, artenreiche Blumenwiese, Krustenflechte S. 6: Heilpflanze Beinwell, Würm-Aue S. 7: Vogelflug, Wandergruppe, Mehlprimel S. 9: Dammbau zur Hochmoor-Wiedervernässung, Nasswiesenmahd S. 10: Buckelwiesen-Mahd am Kranzberg, Widderchen, Besprechung S. 11: Ortstermin, Geflecktes Knabenkraut, Führung S. 14: Brand-Knabenkraut, Wacholderheide, Libellen-Schmetterlingshaft S. 15: Roter Scheckenfalter S. 16: Hummel-Ragwurz, Halsbandschnäpper, Bitterling S. 17: Donau-Auwald zwischen Neuburg und Ingolstadt S. 18: Kleines Knabenkraut, Trollblume, Großer Brachvogel S. 20: Sonnentau, Hochmoor-Gelbling, Große Mosaikjungfer S. 21: Königsdorfer Filz S. 22: renaturierte Torfabbaufläche, Wiesenpieper, Krickente S. 23: Rosmarin-Heide auf Torfmoos-Bult S. 24: Karmin-Gimpel, Sibirische Schwertlilie, Wald-Wiesenvögelchen S. 25: Murnauer Moos S. 26: Grauammer, Filz-Flockenblume, Frühlings-Adonisröschen S. 27: Garchinger Heide S. 28: Eisvogel, Kleine Zangenlibelle, Bleichgelbes Knabenkraut S. 29: an der Amper S. 30: Pyramiden-Orchis, Kreuz-Enzian, Kreuzenzian-Ameisenbläuling S. 31: Naturschutzgebiet „Windsberger Trockenhänge“ S. 32: Schwarzkehlchen, Arbeitstreffen auf einem Landschaftspflegehof, Eggstätt-Hemhofer Seenplatte S. 33: Blick auf den Kochelsee und die Loisach-Kochelseemoore S. 34: Deutsche Tamariske, Isartal westlich Sylvensteinspeichersee, Gefleckte Schnarrschrecke S. 35: alpine Landschaft im Nationalpark Berchtesgaden S. 36: Alpenaster, Rotes Kohlröschen, Frühlings-Enzian S. 37: Alm in den Chiemgauer Alpen S. 38: Wasservögel am Chiemsee, Vogel-Beobachtungsturm Irschener Winkel (Chiemsee), Haubentaucher S. 40: Schellente, Schnatterente, Kolbenente S. 41: Wespenbussard, Alpenstrandläufer, Bergfink S. 42: Sumpf-Gladiolen, Vogel-Azurjungfer, Wechselkröte S. 44: Arnolds Habichtskraut, Busch-Nelke S. 45: Bayerisches Löffelkraut, Sumpf-Knabenkraut S. 46: Apollofalter, Zwerglibelle S. 47: Birkhahn, Wimperfledermaus Karte S. 19: GIS-Daten historische Moorverbreitung © Bayerisches Landes amt für Umwelt; Grundlage: Übersichtskarte der Moore Bayerns – Stand 1914 nach der Kartengrundlage der Königlich Bayrischen Moorkulturanstalt München