Natur. Vielfalt. Oberbayern.

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Natur. Vielfalt. Oberbayern.
Natur. Vielfalt. Oberbayern.
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Grußwort des Regierungspräsidenten von Oberbayern
„Biodiversität“ – das erscheint zunächst als schwer verständlicher, abstrakter Begriff, ist aber eigentlich ganz einfach zu
verstehen: Biodiversität oder Biologische Vielfalt ist die Vielfalt
allen Lebens, der Reichtum an Arten und ihren Lebensräumen.
Diese Vielgestaltigkeit der Natur ist ein kostbares Gut. Pflanzen,
Tiere, Pilze und Mikroorganismen reinigen Wasser und Luft,
sorgen für fruchtbare Böden und gesunde Lebensmittel. Biologische Vielfalt ist aber noch mehr: Der Gesang einer Amsel,
eine Wanderung in den Bergen oder eine duftende Blumenwiese – all das erfreut unser Herz und tut unserer Seele gut.
Oberbayern ist mit schönen und artenreichen Naturlandschaften gesegnet – von den Wacholderheiden entlang der Altmühl
über die Auen von Donau und Isar, den zahlreichen Mooren
und Seen im Alpenvorland bis zu den Alpen. Gute Gründe, um
in Oberbayern zu leben oder hier den Urlaub zu verbringen.
Das ist etwas, worauf wir stolz sein dürfen.
Doch diese Vielfalt ist bedroht. Seit Jahrzehnten wird die Liste
der gefährdeten Arten immer länger. Auch die Weltgemeinschaft hat verstanden, dass etwas getan werden muss. Bei
der ersten UN-Umweltschutzkonferenz im Jahr  in Rio de
Janeiro verpflichteten sich  Staaten nicht nur zum Klimaschutz, sondern auch zum Schutz der biologischen Vielfalt. Im
April  verabschiedete der Freistaat Bayern seine eigene
Biodiversitätsstrategie.
Der Schutz der Natur ist eine große Herausforderung, der wir
uns in Oberbayern stellen. In zahlreichen größeren Projekten
arbeiten Landwirte, Behörden, Städte und Gemeinden sowie
Naturschutz- und Landschaftspflegeverbände eng zusammen
und schaffen ein zusammenhängendes Netz von Lebensräumen. Unser gemeinsames Ziel lautet: Die nachhaltige und
dauerhafte Sicherung der Vielfalt an Arten und Lebensräumen,
den Schutz unserer Heimat wollen wir erreichen.
 hat die UNO zum Jahr der Biodiversität erklärt – ein guter
Anlass, um über den Schutz der biologischen Vielfalt in Oberbayern zu berichten. In dieser Broschüre zeigen wir deshalb
beispielhaft, wo und wie für die Natur gearbeitet wird. Sie
dokumentiert beeindruckende Leistungen und soll Mut zum
Handeln machen. Denn der Schutz der biologischen Vielfalt ist
eine Aufgabe, die jeden etwas angeht.
München, April 
Christoph Hillenbrand
Regierungspräsident
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Biodiversität – Vielfalt des Lebens
Biodiversität – oder Biologische Vielfalt – ist
der Reichtum an Arten und Ökosystemen,
aber auch die genetische Vielfalt innerhalb
einer Art. Weltweit existieren schätzungsweise  Millionen Arten. Biologische Vielfalt gibt
es nicht nur in tropischen Urwäldern oder
Korallenriffen, auch Mitteleuropa ist reich an
Arten und Lebensräumen. In Bayern kommen
mindestens   Pflanzen-, Tier-, Pilz- und
Flechtenarten vor, in Oberbayern sind es mehr
als  .
Jede Art hat ganz spezifische Ansprüche an ihren Lebensraum. Die meisten Tiere und Pflanzen sind deshalb an bestimmte naturnahe
Standorte gebunden. Von den Felsfluren,
Bergwiesen und -wäldern der Alpen über die
Moore, Streu- und Feuchtwiesen im Alpenvorland und die Auwälder entlang von Isar und
Donau bis zu den Magerrasen der Frankenalb
gibt es in Oberbayern etwa  verschiedene
Biotoptypen.
Doch die Vielfalt ist bedroht: Diese naturnahen, besonders artenreichen Lebensräume
gibt es nur noch auf gut  % der Fläche Oberbayerns. Kein Wunder, dass etwa  % der
Hinweise zu den Fotos finden Sie
auf der Rückseite der Broschüre
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bayerischen Pflanzen- und Tierarten gefährdet sind und mehr als   der in Oberbayern vorkommenden Arten auf der Roten Liste
stehen. Es ist paradox: Einerseits sind viele
Lebensräume erst durch den Menschen entstanden, andererseits ist „Homo sapiens“ der
größte Natur- und Umweltzerstörer. Vor allem
der Landschaftsverbrauch und die intensive
Landnutzung sind dafür verantwortlich. Auf
den ersten Blick leben wir mitten im Grünen,
der zweite Blick verrät aber: Die Artenzahl hat
deutlich abgenommen – kamen früher auf einer normalen Wirtschaftswiese über  Pflanzenarten vor, sind es heute kaum mehr als .
Auf der UN-Umweltkonferenz in Rio  wurde der Schutz der Biodiversität zu einem der
wichtigsten Ziele erklärt. Zusammen mit 
anderen Staaten hat Deutschland dieses Abkommen ratifiziert. Auch Bayern hat im April
 eine Biodiversitätsstrategie verabschiedet. Das wesentliche Ziel: Bis zum Jahr 
soll sich die Gefährdungssituation für mehr
als die Hälfte der Rote-Liste-Arten verbessert
haben. Ein anspruchsvolles Ziel, für dessen
Verwirklichung die Unterstützung aller Bürgerinnen und Bürger Bayerns nötig ist.
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Gute Argumente für die Vielfalt
Biologische Vielfalt ist für das Überleben der
Menschen auf unserem Planeten unverzichtbar: Pflanzen, Tiere, Pilze und Mikroorganismen sind die Bausteine der Ökosysteme – sie
geben uns die Luft zum Atmen, reinigen Wasser und Luft, sorgen für fruchtbare Böden und
ein angenehmes Klima.
Biologische Vielfalt rettet Menschenleben,
denn zahlreiche Arten sind die Grundlage
von Arzneimitteln. So basiert etwa die Hälfte
der in Deutschland eingesetzten Medikamente auf den Inhaltsstoffen verschiedener Heilpflanzen. Etwa   Pflanzenarten stehen
weltweit auf dem Speiseplan der Menschen,
essbar sind jedoch  . Das ist nicht nur
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abwechslungsreich, sondern verhindert auch
Hunger auf der Welt: Fällt eine Sorte beispielsweise durch Krankheiten aus, kann sie durch
eine andere ersetzt werden.
Die Natur ist auch in der Technik ein Vorbild –
vom Spinnennetz, das Vorlage für das Münchner Olympiazeltdach war, über den Schnabel
des Wiedehopfs als Ideengeber für die Entwicklung der Pinzette bis zum Vogelflügel,
ohne den es wohl nie Flugzeuge gegeben
hätte.
Wir stellen fest, die Natur ist ihr Geld wert.
So leben viele Teile Oberbayerns vom Tourismus, der ohne eine vielfältige Landschaft
nicht denkbar wäre. Schätzungsweise  Milliarden € geben die Touristen pro Jahr im Regierungsbezirk aus. Der jährliche Nutzen der
gesamten Ökosysteme der Welt beträgt nach
vorsichtigen Schätzungen sogar zwischen
 und  Billionen €.
Biologische Vielfalt ist aber auch schön. Ob
ein Bild des Blauen Reiters, Herrenchiemsee oder die Wieskirche – die Erhaltung von
Kulturgütern um ihrer selbst willen wird aus
gutem Grund nicht ernsthaft in Frage gestellt. Ähnlich ist es mit der Natur – der Flug
eines Steinadlers, ein Frühlingsmorgen in
den Isarauwäldern, eine duftend-bunte Frühlingswiese und selbst der Anblick eines all-
täglichen Marienkäfers sind unvergleichliche
Naturschönheiten; sie zu verlieren wäre ein
ebenso unwiederbringlicher Verlust.
Die Beispiele machen es deutlich, allein schon
aus Vorsorge und der Verantwortung für unsere Kinder und Kindeskinder müssen wir
die biologische Vielfalt erhalten und behüten. Nicht zuletzt ist die biologische Vielfalt
als Teil der Natur auch um ihrer selbst Willen
schützenswert.
Weitere Informationen:
www.natur.bayern.de
www.regierung.oberbayern.bayern.de
www.arche.bayern.de
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Erfolgreich für die biologische Vielfalt
Naturschutz und damit auch der Schutz
der Biodiversität haben in Bayern eine lange Tradition:  wurde der Umweltschutz
als Staatsziel in die bayerische Verfassung
aufgenommen. Zur gleichen Zeit wurden
die ersten Förderprogramme aufgelegt, mit
denen Landwirte für besonders schonende
Bewirtschaftungsformen entlohnt werden.
Vor allem zwei Programme sind wichtig: Mit
dem Vertragsnaturschutzprogramm fördert
der Freistaat Bayern die naturschutzkonforme
Bewirtschaftung von Wiesen, Weiden, Streuobstbeständen, Teichen und Äckern. Allein in
Oberbayern wird hier jährlich über eine Million € investiert. Über die Landschaftspflegeund Naturparkrichtlinien wurden , Millionen € im Zeitraum  bis  ausgezahlt.
Mit diesem Programm wird die Pflege und
Neuschaffung von Lebensräumen gefördert –
von der Neuanlage von Feuchtbiotopen über
die Entbuschung von Magerrasen bis zur Renaturierung von Mooren. Aber auch andere
staatliche Programme und der Bayerische
Naturschutzfonds helfen beim Arten- und
Biotopschutz.
Weitere Informationen:
www.natur.bayern.de
www.regierung.oberbayern.bayern.de
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Für viele Arten ist es damit aber nicht getan,
sie benötigen Maßnahmen, die ihren ganz
besonderen Ansprüchen gerecht werden.
Deshalb gibt es für sie eigene Artenhilfsprogramme. In den er Jahren begann man
mit dem konzentrierten Finanz- und Personaleinsatz im Rahmen größerer Naturschutzprojekte. Inzwischen werden unter dem Titel
„BayernNetz Natur“ mehr als  Projekte in
ganz Bayern geführt.
Als höhere Naturschutzbehörde koordiniert
die Regierung von Oberbayern die Arbeiten:
Sie verteilt die staatlichen Fördermittel, setzt
Schwerpunkte und Prioritäten und ist „Motor“
vieler Projekte. Nicht zuletzt berät sie auch die
unteren Naturschutzbehörden an den Landkreisen. Diese kümmern sich – zusammen mit
vielen anderen Akteuren – schließlich um die
konkrete Umsetzung.
Netzwerk des Lebens
Schutzgebiete sind ein wichtiger Baustein
zum Schutz der biologischen Vielfalt. , %
der Fläche Oberbayerns sind Naturschutzgebiet oder Nationalpark und damit besonders streng geschützt. , % gehören
zu NATURA , einem Netzwerk europäischer Schutzgebiete.
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Gemeinsam aktiv für die Natur
Die Sicherung der biologischen Vielfalt ist
eine anspruchsvolle Aufgabe. Ohne die Vielzahl von ehrenamtlich im Naturschutz engagierten Personen, Institutionen, Vereinen und
Verbänden vor Ort, vor allem in den anerkannten Naturschutzverbänden, könnten die
Naturschutzbehörden ihre Aufgaben nicht
erfüllen.
Wichtige Partner sind zum Beispiel der Landesbund für Vogelschutz und der Bund Naturschutz: bei der Sammlung von Daten zur
Verbreitung seltener und gefährdeter Arten,
in der praktischen Biotop- und Landschaftspflege, beim Ankauf ökologisch wertvoller
Flächen, bei der Konzeption und Umsetzung
von Naturschutzprojekten und Artenhilfsmaßnahmen oder in der Umweltbildung.
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Nicht mehr wegzudenken sind auch die Landschaftspflegeverbände, die in den Landkreisen Altötting, Dachau, Ebersberg, Freising,
Fürstenfeldbruck, München-Land und Traunstein wertvolle Arbeit in der Landschaftspflege sowie im Arten- und Biotopschutz
leisten. Wertvolle Unterstützung bei gezielten Maßnahmen leisten auch der Arbeitskreis
Heimische Orchideen, der Fischereiverband
Oberbayern, die Wildland-Stiftung des Landesjagdverbandes Bayern und die Umweltbeauftragten der katholischen und evangelischen Kirche. Nicht zuletzt sind Landkreise,
kreisfreie Städte und Gemeinden zu nennen.
Sie sind nicht nur in Landschaftspflegeverbänden und Naturparkvereinen engagiert, sondern häufig auch Träger und Geldgeber bei
Naturschutzprojekten und Flächenankäufen.
Nur was man kennt, schätzt und schützt man.
Der Umweltbildung kommt deshalb eine besondere Rolle zu. In Oberbayern gibt es mittlerweile zehn anerkannte Umweltbildungsstationen und zahlreiche weitere qualifizierte
umweltpädagogische Einrichtungen, die den
Naturschutz ebenso unterstützen wie viele
engagierte Lehrer/-innen und Erzieher/-innen
bei ihrer Arbeit in Schulen und Kindergärten.
und Ausstellungen und vor allem durch ihre
persönliche Präsenz vor Ort sollen sie Wissen
vermitteln, Verständnis und Rücksichtnahme
fördern und damit die Akzeptanz des Naturschutzes erhöhen.
Weitere Informationen:
Gebietsbetreuer kümmern sich speziell um
den Erhalt ökologisch sensibler und besonders wertvoller Gebiete. In Oberbayern sind
derzeit neun Gebietsbetreuerinnen und -betreuer tätig. Durch intensive Öffentlichkeitsarbeit, Führungen, Vorträge, Zeitungsartikel
www.aho-bayern.de
www.bund-naturschutz.de
www.lbv.de
www.lpv.de
www.stmug.bayern.de/umwelt/naturschutz/baynetznatur/gebietsbetreuer.htm
www.umweltbildung.bayern.de
www.wildland-stiftung.de
www.weilheimer-moos.de
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BayernNetz Natur
BayernNetz Natur steht für Projekte und Initiativen zum Aufbau eines landesweiten Biotopverbundsystems.  wurde in Oberbayern
mit dem ersten Projekt begonnen, inzwischen
sind es . In ganz Bayern laufen derzeit mehr
als  Projekte.
Freiwilligkeit und Kooperation sind die zwei
Grundprinzipien von BayernNetz Natur. Anstatt auf hoheitliche Maßnahmen setzt man in
Bayern auf Freiwilligkeit. Auch die Erkenntnis,
dass es im Naturschutz oft miteinander besser
geht als gegeneinander, kann als „bayerische
Erfindung“ gelten. BayernNetz Natur stärkt
zudem die Eigenverantwortung der lokalen
Akteure, denn verantwortlich ist nicht der
Freistaat Bayern, sondern der vor Ort tätige
Projektträger.
BayernNetz Natur ist ein umfassender Naturschutz. In den Projekten werden nicht nur
Lebensräume für Pflanzen und Tiere erhalten
und wiederhergestellt. Durch die Renaturierung von Bächen und Flüssen und die Erhaltung von Feuchtlebensräumen ist BayernNetz
Weitere Informationen:
www.bayernnetznatur.de
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Natur Teil des vorbeugenden Hochwasserschutzes. Zum aktiven Klimaschutz tragen neben der Wiedervernässung von Mooren auch
der Erhalt und die Wiederherstellung von
naturnahen Wäldern bei. Regionalvermarktungskonzepte sorgen dafür, dass sich Naturschutz auch für Landwirte lohnt.
Die Federführung bei der Umsetzung von
BayernNetz Natur liegt beim Bayerischen
Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit. Die höhere Naturschutzbehörde der
Regierung von Oberbayern spielt auch hier
eine zentrale Rolle. Sie stößt Projekte an,
koordiniert sie und kümmert sich um die
Finanzierung. Den größten Teil der Kosten
übernimmt der Freistaat Bayern, unterstützt
von der EU, dem Bund oder dem Bayerischen
Naturschutzfonds.
Ohne Verbände, Vereine, Kommunen, Behörden und anderen Institutionen wäre
BayernNetz Natur nicht denkbar. In ganz
Bayern engagieren sich viele Menschen für
„ihre“ Projekte. Sie sind Garant dafür, dass
auch in Oberbayern ein erfolgreicher Naturschutz möglich ist.
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Karge Landschaft – reich an Leben
„Ganz oben“ in Oberbayern durchschneidet die Altmühl die Fränkische Alb. An den
steilen Hängen vermitteln ausgedehnte Wacholderheiden einen Hauch von Süden. Sie
gehören zu den größten und bedeutendsten
Magerrasen in Deutschland. Zusammen mit
zahlreichen Steinbruchhalden, die beim Abbau des berühmten Solnhofener Marmors
entstanden sind, sonnigen Felsen und naturnahen Laubwäldern bilden sie ein Mosaik
hochwertiger Lebensräume. Von A wie Apollo
bis Z wie Zwerg-Sonnenröschen konzentrieren sich hier seltene Pflanzen und Tiere, die im
Altmühltal ihren Verbreitungsschwerpunkt
haben. Arten aus aller Herren Länder treffen
hier zusammen: aus der Arktis, den Alpen, aus
Asien und dem Mittelmeerraum. Viele dieser
Besonderheiten können sich wirklich sehen
lassen – zum Beispiel der auffällige Rote Scheckenfalter, das prächtige Brand-Knabenkraut
oder der schwarz-gelbe Schmetterlingshaft.
Die Menschen hier wissen das zu schätzen.
Seit vielen Jahren kümmern sie sich um die
Naturschönheiten vor ihrer Haustür. Allen
voran der Landkreis Eichstätt, der schon 
die Trägerschaft für ein BayernNetz NaturProjekt übernommen hat und zusammen mit
vielen anderen diese Kulturlandschaft hegt
und pflegt. Zu den wichtigsten Partnern gehören die Schäfer. Ihre Herden sorgen dafür,
dass die wertvollen Lebensräume nicht zuwachsen und so langsam verschwinden. Zusammen mit Naturschützern kreierten sie das
Produkt „Altmühltaler Lamm“ – ein Projekt
zur Vermarktung von Lammfleisch aus dem
Altmühltal.
Mit dem Naturschutzgroßprojekt „Altmühlleiten“ kann die Natur jetzt einen weiteren
großen Schritt machen. Zusammen mit Partnern aus Mittelfranken und Niederbayern und
mit Unterstützung des Bundesamtes für Naturschutz und des Bayerischen Naturschutzfonds investiert der Landkreis Eichstätt mehr
als  Millionen Euro in die Sicherung der einmaligen Landschaft.
Weitere Informationen:
www.altmuehlleiten.de
www.pan-gmbh.com/bnn/faltblatt/altmuehlalb.pdf
www.altmuehltaler-lamm.de
www.naturpark-altmuehltal.de
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Fakten: Größe: 2 200 Hektar Wacholderheiden
Über 120 national bedeutsame Tier- und Pflanzenarten
Naturschutzgroßvorhaben „Altmühlleiten“:
Investitionsvolumen 6,44 Mio. €
Träger: Landkreise Eichstätt und Kelheim, Gemeinde Solnhofen, Stadt Pappenheim
Laufzeit: 2005 bis 2017
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Zurück zur Natur
An der Donau zwischen Neuburg und Ingolstadt erstrecken sich die größten zusammenhängenden Auwälder Bayerns. Die Donau und
der Mensch haben die Landschaft geformt:
der Fluss mit der dynamischen Kraft regelmäßiger Überflutungen, der Mensch durch eine
jahrhundertealte Nutzung. Der parkartige
Gerolfinger Eichenwald zum Beispiel ist ein
Ergebnis der Mittelwaldnutzung – einzelne
Bäume können hier mehrere Hundert Jahre
alt werden, während das Unterholz regelmäßig geschlagen wird, um Brennholz zu gewinnen. Eine weitere Besonderheit sind die „Brennen“, Magerrasen, die auf flachen Kiesbänken
am Fluss entstanden sind.
In der Aue tummeln sich viele Tausend Pflanzen- und Tierarten. Zum Beispiel der Biber,
Fische wie der Bitterling und Amphibien wie
der Kammmolch. Die Wälder sind Heimat
von Halsbandschnäpper und Mittelspecht.
Auf den Brennen leben Schönheiten wie die
Hummel-Ragwurz oder der Kreuz-Enzian.
Die Stadt Ingolstadt und der Landkreis Neuburg-Schrobenhausen sind sich ihrer Verantwortung bewusst. Seit vielen Jahren arbeiten sie daran, dieses urwüchsige Stück Natur
für die Nachwelt langfristig zu sichern. Im
„Lohenprogramm“ der Stadt Ingolstadt werden Altwasser revitalisiert und im Gerolfinger
Eichenwald die Mittelwaldnutzung gefördert.
In Bayern einmalig ist das „Donauauenkonzept“. In enger Kooperation mit der Wasserwirtschaftsverwaltung wurde Wasser aus der
Staustufe Bergheim in bestehende Auengerinne so eingeleitet, dass Teile des Auwaldes
wieder regelmäßig überflutet werden. Fische
und andere Wasserorganismen können endlich wieder die Donau durchwandern.
Vorläufiger Höhepunkt ist die Einrichtung
des Auenzentrums im Schloss Grünau: Im
Aueninstitut untersuchen Wissenschaftler die
Ökologie der Gewässer und Auen und überwachen die Renaturierung der Donauaue.
Im Aueninfozentrum können sich Besucher
im Rahmen zahlreicher Bildungsangebote
über den Lebensraum „Flussaue“ informieren. Das Auenforum schließlich dient dem
Erfahrungsaustausch.
Weitere Informationen:
www.auenzentrum-neuburg.de
www.pan-gmbh.com/bnn/faltblatt/Gerolfing02.pdf
www.ingolstadt.de/donauauen
www.ingolstadt.de/expo/lohenprogramm_de.htm
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Fakten: Projektgebiet: 2 100 ha
Träger: Landkreis Neuburg-Schrobenhausen, Stadt Ingolstadt,
Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt und Bayerischer Naturschutzfonds
Fördermittelgeber: Bundesamt für Naturschutz, Europäische Union
Laufzeit: seit 1997
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Im Moos ist was los
Ein Moor ist in Oberbayern entweder ein
„Moos“ oder eine „Filze“. Filze sind Hochmoore, die nur vom Regenwasser leben, Moose
Niedermoore, die das nötige Nass in erster
Linie aus dem Grundwasser beziehen.
Vor allem Niedermoore sind dem Landschaftswandel zum Opfer gefallen. Über Jahrhunderte wurden sie – naturverträglich – als Weide
oder Streuwiese genutzt. Trockengelegt offenbarten sie jedoch fruchtbare Böden, die
sich hervorragend zur Ackernutzung eignen.
So sind im Donaumoos zwischen Ingolstadt
und Neuburg – dem größten Niedermoor
Süddeutschlands – inzwischen mehr als drei
Viertel der Fläche zu Kartoffel- oder Maisäckern geworden.
Das ist schade, denn Niedermoore sind sehr
artenreiche Lebensräume. Von der winzigen
Windelschnecke über Trollblume und Knabenkraut bis zum Großen Brachvogel leben
hier etliche Pflanzen- und Tierarten, die optimal an die mageren und feuchten Standortverhältnisse angepasst sind.
Inzwischen weiß man, dass die Ackernutzung
alles andere als nachhaltig ist. Jedes Jahr gehen Tonnen des wertvollen Bodens verloren.
Darum wird versucht zu retten, was zu retten
ist. Das ehrgeizigste Projekt ist wohl die Sanierung des Donaumooses. Hier hat man eigens
einen Zweckverband gegründet, in dem nicht
nur Landkreis und Gemeinden, sondern auch
der Bezirk Oberbayern vertreten sind. Bis jetzt
hat man schon mehr als  Hektar Fläche erwerben können. Über die Region hinaus bekannt ist auch das „Haus im Moos“, eine Umweltbildungsstation, die über das Donaumoos
informiert. Weitere Beispiele für erfolgreiche
Projekte sind das Freisinger Moos – hier engagieren sich vor allem der Bund Naturschutz
und die Stadt Freising – und das Feilenmoos,
das unter Federführung des Landkreises Pfaffenhofen entwickelt wird.
Weitere Informationen:
www.donaumoos-zweckverband.de
www.haus-im-moos.de
www.pan-gmbh.com/bnn/faltblatt/FreisingerMoos.pdf
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Historische Moorverbreitung
um das Jahr 
Moore waren in Oberbayern einmal weit
verbreitet – vom Donautal bis zum Alpenrand auf   Hektar, das sind  %
der Fläche des Bezirkes. Im regenreichen
Alpenvorland sind es vor allem Hochmoore, im Norden eher Niedermoore. Intakte
Moore findet man heute auf weniger als
einem Zehntel der ursprünglichen Fläche.
Fakten: Niedermoore in Oberbayern: 99 600 ha
Fläche Donaumoos: 12 000 ha
Renaturierte Fläche im Donaumoos: über 400 ha
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Klimaschützer und Hungerkünstler
Hochmoore sind in vielerlei Hinsicht ein besonderer Lebensraum. Sie entstehen dort, wo
in sehr feuchtem Klima Torfmoose gedeihen
können. Während diese an der Mooroberfläche wachsen, sterben die unteren Pflanzenteile ab, zersetzen sich aber nicht. Pro Jahr
wächst so ein Moor um etwa  mm. Damit verwandeln die Torfmoose das klimaschädliche
Treibhausgas CO in Kohlenstoff. In den etwa
  Hektar naturnahen Mooren Bayerns
werden jährlich etwa  bis  Millionen Tonnen
Kohlenstoff gespeichert, das sind mindestens
 % der jährlichen Emissionen des Freistaats.
In Deutschland gibt es großflächige, naturnah
erhaltene Hochmoore nur noch im Alpenvorland. Etwa  % des bayerischen Bestandes findet sich in Oberbayern. Kein Wunder,
dass viele Arten, die auf diesen Lebensraum
angewiesen sind, in anderen Teilen Deutschlands sehr selten oder schon ausgestorben
sind. Zum Beispiel der Hochmoor-Gelbling,
ein gelb getönter Schmetterling, oder die
Hochmoor-Mosaikjungfer, eine Libelle von
beeindruckender Größe. Insbesondere viele
Pflanzen sind hervorragend an die Nährstoff-
armut angepasst. So bessert der Sonnentau
seine Energiebilanz dadurch auf, dass er mit
klebrigen Fäden kleine Insekten fängt.
Seit vielen Jahren versuchen Naturschützer,
Förster und andere Engagierte die Hochmoore in Oberbayern zu schützen. Eines der ersten
Projekte wurde in den Spatenbräufilzen bei
Egling umgesetzt. Unter Federführung des
Landesbunds für Vogelschutz leisteten mehr
als  Helfer über   Stunden ehrenamtliche Arbeit. Erfreuliches Ergebnis: viele moortypische Arten, darunter die Große Moosjungfer, sind deutlich häufiger geworden.
Seit  sind die Spatenbräufilze Teil der
„Tölzer Moorachse“, einem ehrgeizigen Projekt im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen,
in dem zahlreiche Akteure an der Renaturierung von   Hektar Mooren arbeiten. Aber
auch in anderen Teilen Oberbayerns wird an
der Wiederherstellung dieser einzigartigen
Feuchtlebensräume gearbeitet. Vom Breiten
Moos zwischen Lechtal und Ammersee über
das Haspelmoor im Landkreis Fürstenfeldbruck, das Brucker Moos bei Grafing bis zum
Ainringer Moos westlich Freilassing sind es
etwa  Projekte.
Weitere Informationen:
www.lbv-toel.de/Spatenbraeufilz.htm
www.pan-gmbh.com/bnn/faltblatt/Spatenbraeufilze.pdf
www.lbv-toel.de/Toelzer_Moorachse.htm
www.haspelmoor.de, www.ainringer-moos.de
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Fakten: Anzahl oberbayerischer BayernNetz Natur-Projekte zur Renaturierung von Mooren: 52
Gesamtgröße der Projektgebiete: mehr als 1 500 km2
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LIFE für die Natur im Chiemgau
Im Chiemgau, von Rosenheim bis Traunstein,
liegen die größten zusammenhängenden
Moorgebiete Süddeutschlands. Zwei Komplexe sind besonders beeindruckend: zum
einen die Moore südlich des Chiemsees mit
Kendlmühlfilzen, Rottauer Filzen und Bergener Moos, zum anderen ein Moorkomplex
südwestlich von Rosenheim, die Rosenheimer
Stammbeckenmoore.
Moore bestehen aus Torf, und Torf war bis
weit ins . Jahrhundert hinein ein wichtiger
Brennstoff. Im Chiemgau begann man schon
 mit dem Abbau, zunächst zur Versorgung der Salinen in Reichenhall, später waren
die Münchner Brauereien Hauptabnehmer.
In der Blütezeit des Torfabbaus wurden die
Moore hier maschinell und auf großer Fläche
abgefräst.
Spätestens in den er Jahren hatte Torf als
Brennstoff ausgedient und es wuchs die Erkenntnis, dass dieser Raubbau an der Natur
alles andere als nachhaltig war. Zug um Zug
wurde der Torfabbau eingestellt und man begann mit der Renaturierung der Moore.
Hilfe kam dann von der Europäischen Union.
Im Rahmen des Förderprogramms LIFE fördert
bzw. förderte sie drei Projekte zur Wiederherstellung der wertvollen Feuchtgebiete. Zwei
davon wurden in den Mooren zwischen Bernau und Bergen realisiert. Ein Schwerpunkt
waren die Kendlmühlfilzen, wo mit rund 
bis zu  m breiten Dämmen etwa  Hektar
ausgetrocknete Moore geflutet wurden. Die
Maßnahmen sind ein voller Erfolg: Langsam
stellt sich die moortypische Vegetation ein
und auch charakteristische Vögel wie Braunkehlchen, Wiesenpieper und Bekassine brüten
inzwischen wieder. Im Zentrum der Filze liegt
das Bayerische Moor- und Torfmuseum. Von
hier aus kann man in der warmen Jahreszeit
eine Fahrt mit der alten Torfbahn machen.
Noch nicht abgeschlossen ist das Projekt
„Rosenheimer Stammbeckenmoore“. Auch
hier werden in großem Maßstab Moore wiedervernässt. Hier gibt es auch das „Moorerlebnis Sterntaler Filze“ bei Bad Feilnbach
zu bestaunen: Man kann beispielsweise über
Bohlenwege laufen, einen Torfstich bewundern oder an einer Vogelbeobachtungsstation
verweilen.
Weitere Informationen:
www.life-rostam.de
ec.europa.eu/environment/life/project/Projects/files/brochure/Hochmoorrenaturierung.pdf
www.stmug.bayern.de/umwelt/naturschutz/foerderung/life/chiem.htm
www.torfbahnhof-rottau.de
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Fakten: Projektträger: Landkreise Rosenheim, Traunstein,
Umwelt-, Kultur- und Sozialstiftung des Landkreises Rosenheim, Gemeinde Raubling
Investitionsvolumen: 4,95 Mio. €
Größe der Projektgebiete: ca. 160 km2
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Vorbild für Deutschland
Viele Landschaften Oberbayerns suchen in
Deutschland ihresgleichen. Paradebeispiel ist
das Murnauer Moos. Zusammen mit den angrenzenden Staffelseemooren bildet es einen
Komplex aus Mooren, Streuwiesen, kleinen
Seen und Wäldern mit fast   Hektar Größe. Bekannt wurde es als malerische Kulisse
für Wassily Kandinsky, Gabriele Münter und
andere Impressionisten des Blauen Reiters.
Naturfreunde schätzen aber auch die außergewöhnliche Artenvielfalt. Allein unter den
Pflanzen gibt es mehr als  Arten der Roten
Liste, darunter bemerkenswerte Raritäten wie
Wanzen-Knabenkraut, Sibirische Schwertlilie
oder Karlszepter. Auch die Vogelwelt hat es in
sich:  Arten brüten hier, unter anderem Bayerns größte Populationen des Karmingimpels
und des Wachtelkönigs.
Als einer der ersten hat der Landkreis Garmisch-Partenkirchen die enorme Bedeutung
einer solchen Landschaft erkannt – nicht nur
für den Tourismus, sondern auch als Naturerbe. Mit Unterstützung des Bundesamtes für
Naturschutz hat er in einem Naturschutzgroß-
projekt mehr als  Jahre lang Flächen angekauft, um das Moor auch für nachfolgende
Generationen zu sichern. Mehr als   Hektar Fläche sind es inzwischen. Auch dank des
Einsatzes vieler Bauern wird ein Großteil der
Streuwiesen nach wie vor nach alter Sitte genutzt. Das Schöne ist: Diese einmalige Kulturlandschaft kann man unmittelbar erleben. Ein
Rundweg von  Kilometern durchquert einen
Teil des Moores, mit herrlichem Blick nicht nur
auf die Alpenkulisse.
Nicht weit davon entfernt im Landkreis Weilheim befindet sich die Grasleitener Moorlandschaft. Streuwiesen und Magerrasen,
kalkreiche und kalkarme Standorte sind dort
eng verzahnt. Hier leben zum Beispiel das
Wald-Wiesenvögelchen, kein Vogel, sondern
ein seltener Schmetterling, und der Riedteufel, ebenfalls ein auffälliger Falter. Seit vielen
Jahren kümmert sich vor allem der Arbeitskreis Heimische Orchideen um das Gebiet.
Aber auch die Grasleitener Moorlandschaft
lebt von der traditionellen Nutzung – ohne
die regelmäßige Mahd im Herbst würden die
wertvollen Flächen verbrachen und die Arten
verschwinden.
Weitere Informationen:
www.bfn.de/0203_murnauermoos.html
www.stmug.bayern.de/umwelt/naturschutz/foerderung/grossprojekte/murnauermoos.htm
www.murnau.de/de/moos-rundweg-125-km_p2
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Fakten: Naturschutzgroßvorhaben Murnauer Moos:
Projektgebietsgröße: 6 939 ha
Größe Murnauer Moos: ca. 4 200 ha
Träger: Landkreis Garmisch-Partenkirchen
Laufzeit: 1992 bis 2003
Investitionsvolumen: 17,84 Mio. €
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Eldorado am Rande der Großstadt
Zwischen München und Freising prägen
Mais- und Kartoffeläcker, Hochhäuser und
Gewerbegebiete das Bild der flachen Ebene.
Es ist kaum zu glauben: Noch im . Jahrhundert dehnten sich hier auf einer Fläche von
  Hektar – das sind fast   Fußballfelder – riesige Heideflächen aus. Heute ist
gerade einmal ein Zehntel davon erhalten geblieben. Dieses hat es aber in sich: Auf kaum
einem Flecken Bayerns drängen sich mehr
botanische Kostbarkeiten. Darunter viele
Pflanzen, die in Deutschland fast ausgestorben
sind, zum Beispiel die Finger-Küchenschelle,
die Filz-Flockenblume, die Bunte Schwertlilie oder der Stauden-Lein. Wechselkröte und
Heidelerche sind Beispiele für Tierarten, die
hier ein Refugium gefunden haben.
Die Heiden sind Relikte einer Steppen-Landschaft, die nach der Eiszeit große Teile Mitteleuropas prägte. Auch heute noch sind sie
beindruckend: Der Besuch der Fröttmaninger
Heide im Frühjahr, wenn Tausende Adonisröschen und Enziane blühen, ist ein unvergessliches Erlebnis.
Weitere Informationen:
www.heideflaechenverein.de
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Die Nähe zur Großstadt schafft natürlich Probleme. Viele Menschen wollen die Schönheit
der Heiden genießen – ob als Spaziergänger,
Jogger oder Radfahrer, mit und ohne Hund.
Manche Tierarten reagieren da empfindlich.
Um ein Nebeneinander von Mensch und
Natur zu ermöglichen, sind deshalb ein paar
Regeln nötig – ein Wegegebot gehört ebenso
dazu wie die Anleinpflicht für Hunde.
Schon sehr früh erkannten engagierte Bürger den enormen Wert dieser Kleinode. Im
Jahr  kaufte die Bayerische Botanische
Gesellschaft die ersten Grundstücke, um die
Garchinger Heide zu retten. Seit  gibt es
den Heideflächenverein, der – zusammen mit
Städten, Gemeinden und Landkreisen – unermüdlich daran arbeitet, die Heidereste zu
einem Lebensraum-Netz zu verknüpfen und
die vielfältigen Nutzungsansprüche unter
einen Hut zu bringen. Inzwischen wurden fast
 Hektar Flächen erworben oder gepachtet,
 Hektar Heiden konnten neu geschaffen
werden. Demnächst wird an der Fröttmaninger Heide das „Heidehaus“ eröffnet – ein Informations- und Umweltbildungszentrum für
Besucher, Schulklassen und Kindergärten.
Fakten: Projektgebiet: 8 800 ha
Größe der Heideflächen: 1 340 ha
Anzahl gefährdeter Arten: über 800
Anzahl Naturschutzgebiete: 6
27
Schatzsuche am Fluss
Über mehr als  Kilometer windet sich die
Amper durch das mittlere Oberbayern. Damit
ist sie der drittlängste Fluss im Bezirk. Sie wird
häufig unterschätzt. Diese Erfahrung machten
nicht nur die Unglücklichen, die vom Pfingsthochwasser  überrascht wurden. Auch
ihre Bedeutung für den Naturschutz sieht man
dem Gewässer auf den ersten Blick nicht an.
Dabei sind hier noch zahlreiche Kostbarkeiten
zu finden: zum Beispiel der Eisvogel, die Äsche
oder die Zangenlibelle. Auf Streu- und Nasswiesen leben Raritäten wie das Strohgelbe
Knabenkraut oder der Lungen-Enzian. In den
galerieartigen Auwäldern, die die Amper säumen, sind im Sommer Pirol und Laubfrosch zu
hören.
Wasserwirtschaft und Naturschutz ziehen an
einem Strang. Ihr Ziel: sie wollen dem Fluss
mehr Raum für eine natürliche Dynamik lassen und die wertvollen Lebensräume langfristig sichern. Engagiert sind auch die Landkreise Dachau, Freising und Fürstenfeldbruck
sowie die drei Landschaftspflegeverbände im
Raum. Sie arbeiten dabei eng mit Gemeinden und Naturschutzbehörden zusammen.
Im östlichen Teil geht man sogar noch einen
Schritt weiter: Im Rahmen eines Projekts zur
ländlichen Entwicklung werden Naturschutz,
Landwirtschaft, Hochwasserschutz, Regionalentwicklung und Erholungsnutzung in einem
Konzept zusammengefasst. Im äußersten Südwesten durchfließt der Fluss das Ampermoos,
ein großflächiges Niedermoorgebiet am Nordrand des Ammersees. Das Moor droht aufgrund eines niedrigen Grundwasserspiegels
auszutrocknen, weshalb Sohlschwellen in der
Amper den Wasserstand anheben sollen.
Seit  gibt es im Ampertal eine Gebietsbetreuerin, die im Auftrag der drei Landschaftspflegeverbände unterwegs ist. In zahlreichen
Führungen, Vorträgen und anderen Veranstaltungen sowie einem Wanderführer bringt sie
den Menschen die „Schätze des Ampertals“
näher.
Weitere Informationen:
www.kreis-freising.de/index.php?id=509l
www.eichenau.de/aktuell/0405ampertal.htm
28
Fakten: Länge des Flusslaufs: mehr als  km
Zuflüsse: Windach, Maisach und Glonn
Naturschutzgebiete:  mit einer Größe von  ha
NATURA -Gebiete:   ha
29
Auf dem Trockenen
Unter günstigen Umweltbedingungen dominieren häufig nur wenige, besonders
konkurrenzkräftige Arten, während auf Extremstandorten auch viele Spezialisten eine
Nische finden. Besonders reich an Pflanzen
und Tieren sind trockene, heiße Magerrasen –
hier lebt auch mancher Exot, der sonst nur in
südlichen Gefilden zuhause ist.
Solche Trockenrasen gibt es beispielsweise
am Windsberg bei Freinhausen im Landkreis
Pfaffenhofen. Nach der Eiszeit wurden hier
große Sandflächen angeweht. Das Besondere: die Windsberger Sande sind sehr basenreich, so dass hier in Bayern einzigartige
„Kalksandheiden“ mit einer ganz besonderen
Artenausstattung entstehen konnten. Mehr
als  Pflanzen- und Tierarten wurden bisher
gefunden, darunter Raritäten wie der HeideEhrenpreis oder der Kreuz-Enzian. Eine Kuriosität ist der Kreuzenzian-Ameisenbläuling.
Die Raupen dieses Falters leben zunächst am
Kreuz-Enzian und lassen sich dann von Ameisen adoptieren. Im Rahmen eines Flurbereinigungsverfahrens wurden zahlreiche Flächen
im Umfeld des Naturschutzgebietes gesichert
und zu Magerrasen entwickelt.
Weitere Informationen:
www.lebensraumlechtal.de
30
Ein weiteres gutes Beispiel für trockene
Lebensräume sind die Brennen an der Alz im
Landkreis Altötting. Brennen sind trockenheiße Schotterbänke in den Auen der Flüsse.
Auch dieses Gebiet glänzt mit vielen seltenen, an den Lebensraum angepassten Arten,
darunter die Pyramiden-Hundswurz und das
Alpen-Leinkraut. Mit Unterstützung des Bayerischen Naturschutzfonds werden die wertvollen Lebensräume gesichert.
Weit über Bayern hinaus bekannt ist schließlich das Projekt „Lebensraum Lechtal“. Auf
einer Strecke von  Kilometern zwischen
der Landesgrenze nach Österreich und der
Einmündung in die Donau haben sich alle
bayerischen Landkreise und ihre Landschaftspflegeverbände zusammengeschlossen, um
entlang des Lechs einen Verbund von Magerrasenflächen zu schaffen. Mehr als  Hektar
Lechheiden konnten hier gepflegt und entwickelt werden. Vorbildlich ist auch die Umweltbildungsarbeit: In jährlich  bis  Veranstaltungen wird mehreren Tausend Menschen die
Natur näher gebracht.
Fakten: Laufzeit der Maßnahmen am NSG Windsberg: 1993 – 1998
Erweiterung des NSG Windsberg: von 5 auf 8,2 ha
Größe des Projekts „Brennen an der Alz“: 1 100 ha
Investitionsvolumen: 1 Mio. €
Größe des Projekts „Lebensraum Lechtal“: 750 km2
Investitionsvolumen: 2,26 Mio. €
31
Innovationen im Naturschutz
„Laptop und Lederhose“ – die Verbindung
von Tradition und Moderne ist typisch bayerisch. Vor allem die Oberbayern schaffen es
immer wieder mit innovativen und kreativen
Ideen zu überraschen. Zum Beispiel in den
Loisach-Kochelsee-Mooren bei Benediktbeuern. Hier am Fuße der Berge erstrecken sich
über   Hektar ausgedehnte Nieder- und
Hochmoore, Heimat zahlreicher seltener
Pflanzen und Tiere. Mehr als  Vogelarten wurden nachgewiesen. Für Braun- und
Schwarzkehlchen sind die Moore die wichtigsten Brutgebiete Bayerns. Die Landschaft
lebt noch heute von der historischen Nutzung: Jahrhunderte lang wurden die Moore
als Streuwiesen genutzt – das Erntegut konnte nicht verfüttert, aber als Einstreu im Stall
genutzt werden. Irgendwann war dies nicht
mehr rentabel, der Aufwand zu groß. Während andernorts versucht wurde, die Pflege
der Flächen mit Förderprogrammen zu finanzieren, ging man hier einen anderen Weg. Das
Zentrum für Umwelt und Kultur entwickelte
mit drei Bio-Landwirten das Modellprojekt
„Landschaftspflegehöfe“. Die Bauern verpflichteten sich, die Streuwiesen dauerhaft zu
pflegen und bauten eigens dafür neue Ställe,
Weitere Informationen:
der Freistaat sicherte die Kooperation durch
langfristige Verträge.
Sehenswert ist auch der „Biotopverbund Eggstätt-Hemhofer Seenplatte – Seeoner Seen“.
Hinter diesem etwas sperrigen Titel verbirgt
sich ein Projekt, das in vielen Dingen neue
Wege geht. Im Fokus steht eine Seenlandschaft nördlich des Chiemsees, die nach der
letzten Eiszeit aus Resten der großen Alpengletscher entstanden ist. Hier sind mehr als
  Arten, darunter gut  gefährdete, zuhause. Besonders bemerkenswert sind einige
Relikte, die hier die Zeit seit der letzten Eiszeit
überdauert haben, wie zum Beispiel StrauchBirke, Schlankes Wollgras und Zwerglibelle. Arten wie die Sumpf-Weichwurz (eine Orchidee)
oder die Zierliche Moosjungfer (eine Libellenart) haben im Gebiet einen bayerischen Verbreitungsschwerpunkt. Die Bilanz kann sich
sehen lassen: Über  Hektar wurden durch
Ankauf und langjährige Nutzungsverträge
gesichert, mehr als  Hektar werden regelmäßig gepflegt. Deutschlandweit einmalig ist
das Teilprojekt „Wöhrmühle“: An einer Engstelle der Biotopverbundachse zwischen zwei
Naturschutzgebieten wurden die Gebäude
aufgekauft und beseitigt, der Bach und seine
Uferbereiche renaturiert.
www.zuk-bb.de
www.pan-gmbh.com/bnn/faltblatt/LoisKochelMoore.pdf
www.eiszeitseen.de
www.pan-gmbh.com/bnn/faltblatt/EggstaettSeeon.pdf
32
Fakten: Größe Projekt „Loisach-Kochelsee-Moore“: 880 ha
Träger: Zentrum für Umwelt und Kultur Benediktbeuern
Renaturierte Fläche: 150 ha
Größe der Streuwiesen im Modellprojekt Landschaftspflegehöfe: 160 ha
Größe Projekt „Biotopverbund Eggstätt-Hemhofer Seenplatte – Seeoner Seen“: 794 ha
Träger: Landkreise Rosenheim und Traunstein
33
Wildnis Alpen
Nur wenige Regionen der Erde wurden so vom
Menschen überprägt wie Mitteleuropa. Spätestens seit dem Mittelalter blieb hier kaum
ein Fleckchen Erde ungenutzt. Unberührte
Naturlandschaften gibt es am ehesten dort,
wo es dem Menschen aufgrund des Klimas
oder der Lage schwer fällt, Fuß zu fassen. Die
Alpen – Deutschlands einziges Hochgebirge
– waren von jeher nur ein Außenposten der
Zivilisation. Steile Hänge, Felsabstürze, Geröllund Schneelawinen sowie lange Winter machen den Menschen das Leben schwer. Durch
die ungeheure Dynamik entstehen zudem
immer wieder neue Lebensräume.
So kommt es, dass große Teile der bayerischen
Alpen auch jetzt noch den Charakter einer
Naturlandschaft haben. Hier gibt es sie noch:
wilde Bäche, ungestörte Bergwälder, unberührte Gipfel und Felsen. Außerdem ist das
Hochgebirge ein „hot spot“ der biologischen
Vielfalt. Auf nur sechs Prozent der Landesfläche Bayerns leben  % aller bayerischen
Pflanzen- und Tierarten. Darunter zahlreiche
echte Bayern, die weltweit nur in den bayerischen Alpen zu finden sind.
Weitere Informationen:
Im Nationalpark Berchtesgaden, dem einzigen
Nationalpark in Oberbayern, wird die Wildnis
zum Schutzgut. Auf zwei Dritteln der Fläche
bleibt die Natur sich selbst überlassen. Mehr
als   verschiedene Pflanzen- und Tierarten wurden bisher nachgewiesen – darunter
der imposante Steinbock und der königliche
Steinadler. Eingebettet ist das Schutzgebiet
in ein Biosphärenreservat, in dem Natur schonende Nutzungen Vorrang haben.
Auch sonst haben die Alpen viel Natur zu bieten. Das Isartal oberhalb des Sylvensteinspeichers beispielsweise ist die letzte verbliebene
Wildflusslandschaft Deutschlands. Auf  Kilometer Länge sucht sich die Isar ihren Weg
durch ausgedehnte Schotterbänke. Dort gibt
es zahlreiche Besonderheiten, die in Deutschland fast nur an der oberen Isar zu finden sind.
Zum Beispiel die Tamariske, die Gefleckte
Schnarrschrecke oder der Felsen-Steintäschel.
Aber auch hier gibt es Probleme. Seit vielen
Jahren wird Wasser in den Walchensee zur
Energiegewinnung abgeleitet. Wasser, das
der Isar dann fehlt. Die wilde Landschaft zieht
Erholungssuchende an, die an schönen Sonntagen die Schotterbänke förmlich belagern.
Gebietsbetreuer, Naturschützer, Fischer und
Wasserwirtschaft arbeiten an einem gemeinsamen Konzept, das tragfähige Lösungen
bringen soll.
www.brbgl.de
www.nationalpark-berchtesgaden.bayern.de
34
Fakten: Größe der Alpen: 190 900 km2
Größe der bayerischen Alpen: 4 200 km2 (2,2 % der Alpen)
Größe der oberbayerischen Alpen: 3 105 km2 (74 % der deutschen Alpen)
Größe Nationalpark Berchtesgaden: 210 km2
Anteil Schutzgebiete an den oberbayerischen Alpen: 54 %
Anzahl Arten, die in Deutschland nur in den Alpen vorkommen: über 800
35
Bergidylle von Menschen Hand
Trotz aller Widrigkeiten hat der Mensch auch
die Alpen besiedelt. Damit ist dieses Hochgebirge nicht nur eine Natur- , sondern auch eine
Kulturlandschaft. Die Almen beispielsweise,
Inbegriff älpischer Idylle, sind kein Produkt
der wilden Natur. Vielmehr sind sie dadurch
entstanden, dass der Bergwald gerodet und
danach beweidet wurde. Ohne den Einsatz
von Kunstdünger und Spritzmittel fühlen sich
hier nicht nur die Kühe wohl: Während auf intensiv genutztem Grünland im Flachland auf
einer Fläche von  Quadratmetern nicht einmal zehn Pflanzenarten zu finden sind, sind es
auf den Almen bis zu .
Die Schönheit der Berge zieht die Menschen
an. Sommers wie winters suchen Millionen
Freizeitsportler und Touristen in den Alpen
Entspannung und körperliche Herausforderung. Das bleibt nicht ohne Folgen: Vor allem
störungsempfindliche Tierarten versuchen
den Massen aus dem Weg zu gehen und werden so auf immer kleinere Lebensräume zurückgedrängt. Dass es auch anders geht, zeigt
das Projekt „Skibergsteigen umweltfreundlich“, das der Deutsche Alpenverein zusammen mit dem Landesamt für Umwelt initiiert
hat. Wildbiologen und Skifahrer geben Empfehlungen, welche Skirouten im Winter störungsarm befahren werden können.
Ebenso wichtig ist es aber, dass die althergebrachte Nutzung aufrecht erhalten werden
kann. Die Bergbauern gehen dabei mit großem Engagement an die Sache heran. Ein
Beispiel sind die Buckelwiesen bei Mittenwald – diese sehr mageren und kleinflächigen
Wiesen können häufig nur mühsam mit der
Sense gemäht werden. Auch die Ammergauer Wiesmahdhänge oder die Streuwiesen am
Samerberg bei Rosenheim würden ohne den
leidenschaftlichen Einsatz der Landwirte wohl
nicht mehr existieren.
Im
grenzüberschreitenden „Ökomodell
Achental“ südlich des Chiemsees ist man
noch weiter. Hier verfolgt man das Ziel, dass
Naturschutz, Landwirtschaft und Tourismus
Hand in Hand arbeiten, um die einmalige
Berglandschaft für Alle zu schützen. So erhalten naturverträglich produzierte Produkte das
Siegel „Qualität Achental“. Der Verbraucher
weiß dann: Hier kaufe ich ein Produkt, dass
der Natur gut tut, dem Bauern hilft und auch
noch hervorragend schmeckt.
Weitere Informationen:
www.lfu.bayern.de/natur/forschung_und_projekte/wildtiere_skilauf_gebirge/index.htm
www.pan-gmbh.com/bnn/faltblatt/Buckelwiesenneu.pdf
www.pan-gmbh.com/bnn/faltblatt/Samerberg_neu.pdf
www.oekomodell.de
36
Fakten: Fläche kartierter Biotope in den oberbayerischen Alpen: 84 833 ha
Anteil Biotopfläche an den oberbayerischen Alpen: 27 %
37
Drehkreuze des Vogelzugs
Oberbayern liegt mitten in Europa. Da ist es
kein Wunder, dass unser Bezirk auch auf dem
Vogelzug eine große Rolle spielt. Von Nord
nach Süd, von Ost nach West durchqueren
Millionen Vögel das Land, rasten oder überwintern hier.
Besonders auffällig ist das bei den Wasservögeln. Sie konzentrieren sich in großen Scharen vor allem auf den großen oberbayerischen
Seen. Schon  verpflichteten sich viele
Staaten im iranischen Ramsar dazu, solche bedeutenden Feuchtgebiete zu schützen. 
trat auch Deutschland dem Abkommen bei.
Inzwischen gibt es allein in Oberbayern sieben
Gebiete, die dieser Konvention unterliegen.
Das verpflichtet. So müssen die Bedürfnisse
der Vögel mit den berechtigten Ansprüchen
der Fischer, Jäger und Erholungssuchenden
unter einen Hut gebracht werden.
„Ruhezonenkonzepte“ sind dafür die Lösung. Vorbild ist der Chiemsee. Hier am „Bayerischen Meer“ haben sich Naturschützer,
Fischer, Jäger, Segler und Gemeinden darauf
geeinigt, bestimmte Bereiche den Vögeln und
Fischen zu überlassen. Damit haben sich alle
wichtigen Akteure zu ihrer Verantwortung
bekannt. Das Konzept bietet aber auch Chancen für den Tourismus: Beobachtungstürme
bieten Einblicke und zahlreiche Führungen
vermitteln die eindrucksvolle Natur. Auch am
Starnberger See gibt es seit Jahren eine freiwillige Vereinbarung zwischen Wassersportlern, Naturschützern und Fischern.
Ein weiteres Modell für eine erfolgreiche
Kooperation ist der Ismaninger Speichersee.
Große Teile dieses Gebietes können nicht betreten werden. Es ist deshalb das wichtigste
Rastgebiet Bayerns für mausernde Wasservögel: Im Spätsommer wechseln Enten ihr
Gefieder und können deshalb nicht fliegen.
Am Ismaninger Speichersee werden sie nicht
gestört. Der Bayerische Naturschutzfonds hat
hier vom Betreiber der Wasserkraftanlagen
ehemalige Fischteiche gepachtet. Diese werden jetzt so genutzt, wie es für die Natur und
die Vogelwelt am besten ist.
Weitere Informationen:
www.stmug.bayern.de/umwelt/naturschutz/schutzgebiete/ramsar.htm
www.lbv-starnberg.de/Service/Hintergrund/Ramsar_Konvention_Titel.htm
www.ramsar-ammersee.de
www.ramsar.org
www.chiemseeagenda.de/infomaterial.php?id=35#faltblaetter (Faltblatt Ruhezonen)
www.naturerlebnis-chiemsee.de/necs/index.html
38
Fakten: Ramsar-Gebiete in Oberbayern: 7
Flächengröße: 21 728 ha
Größtes Ramsar-Gebiet: Chiemsee (8 232 ha)
Jüngstes Ramsar-Gebiet: Wildalm (2004)
Anzahl Wasservögel in Ramsar-Gebieten: bis zu 110 000 Individuen
39
Wanderer zwischen den Welten
Schellente – Flucht aus der Kälte
Die Schellente ist eine von vielen Wasservogelarten, die ihren Winter in großen Scharen auf unseren großen Seen verbringen. Sie
brütet vor allem in der nordischen Taiga, wo
sie in Baumhöhlen ihre Jungen groß zieht,
und ernährt sich von Muscheln, Krebsen und
anderem Kleingetier, welches sie aus großer
Wassertiefe holt. Besonders auffällig ist die
Schellente im Januar, wenn die Männchen mit
seltsamen Lauten um die Weibchen werben.
Schnatterente – Gruß aus Sibirien
Auch sie gehört zu den Weitgereisten: Viele
der Schnatterenten, die in Oberbayern zu Gast
sind, haben einen langen Flug aus dem Osten
hinter sich. Wie viele andere Entenvögel wandert sie schon direkt nach der Brutzeit im Sommer zu uns. In dieser Zeit mausern die Tiere
ihr Gefieder und verlieren ihre Flugfähigkeit.
Dann brauchen sie ungestörte Rückzugsräume. Eine der wichtigsten ist der Ismaninger
Speichersee – bis zu   Schnatterenten
rasten hier.
Kolbenente – die anspruchsvolle Schöne
Noch vor wenigen Jahrzehnten war die
Kolbenente eine echte Rarität – inzwischen
verbringen mehr als   Individuen den
Winter in Oberbayern. Im Gegensatz zu den
meisten anderen Arten kommt sie aus Südwesteuropa zu uns. Die Art profitiert von der
40
deutlichen Verbesserung der Wasserqualität
vieler Stillgewässer. Dadurch haben Armleuchteralgen – ihre Hauptnahrung – so stark
zugenommen, dass inzwischen fast  % der
europäischen Kolbenenten in Süddeutschland überwintern.
Wespenbussard – der Langstreckenflieger
Äußerlich ähnelt er stark dem häufigen Mäusebussard, er hat aber ganz andere Nahrungsansprüche. Wie der Name schon verrät, ernährt
der Wespenbussard sich vor allem von Wes-
pen- und Hummelnestern. Deshalb muss er
im Herbst die oberbayerischen Gefilde verlassen und zieht dann bis in den Süden Afrikas.
Alpenstrandläufer – Besuch von der Küste
Zugegeben: gemessen an den Millionen von
Watvögeln, die während des Zuges an der
Küste zu beobachten sind, sind die oberbayerischen Zahlen eher bescheiden. Dennoch
können Arten wie der Alpenstrandläufer vor
allem auf dem Zug im Herbst und Frühjahr
regelmäßig auf trocken gefallenen Schlickflächen beobachtet werden.
Bergfink – Gast im heimischen Garten
Der Bergfink ist ein typischer Vertreter vieler
Vogelarten, deren Wanderung wenig spektakulär vonstattengeht. Millionen Vögel ziehen
in breiter Front quer durch ganz Europa und
fallen deshalb kaum auf. Der Bergfink brütet
vor allem in Nordeuropa und verbringt regelmäßig den Winter bei uns, wo er auch am
Futterhäuschen zu beobachten ist.
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Spezialeinsatz für gefährdete Arten
Einige Pflanzen- und Tierarten kommen auf
der ganzen Welt fast ausschließlich in Bayern
oder sogar nur in Oberbayern vor. Für die Erhaltung dieser „Endemiten“ besteht also eine
ganz besondere Verantwortung. In Artenhilfsprogrammen unterstützt die höhere Naturschutzbehörde der Regierung von Oberbayern deshalb Maßnahmen, die auf die
Bedürfnisse dieser und weiterer besonders
schutz- und pflegebedürftiger Arten zugeschnitten sind.
Grundlage jedes Artenhilfsprogramms ist
eine genaue Dokumentation der noch vorhandenen Bestände. Anschließend folgt ein
detailliertes Konzept, in dem dargelegt wird,
welche Maßnahmen zum Schutz der jeweiligen Art notwendig sind. Entscheidend ist
dann die Umsetzung dieser Vorschläge.
Verantwortlich ist zunächst das Bayerische
Landesamt für Umwelt, in Oberbayern werden
die Arbeiten von der höheren Naturschutzbehörde koordiniert. Natürlich braucht die Natur
auch hier viele Verbündete, Experten, die geeignete Maßnahmenvorschläge entwickeln
können, sowie Behörden, Kommunen und
Verbände, die die Konzepte dann umsetzen.
Auch freiwillige Helfer können entscheidend
sein: So hätte der Wanderfalke ohne den unermüdlichen Einsatz von mehr als   Horstbewachern in Bayern möglicherweise nicht
überlebt. In den er Jahren gab es nur
noch wenige Brutpaare, inzwischen sind es
mehr als .
Die Bestände müssen schließlich regelmäßig
überwacht werden. Beispielsweise werden
alljährlich die Kolonien einiger FledermausArten gezählt. Bei seltenen Vogelarten wie
dem Steinadler wird sogar der Bruterfolg
ermittelt.
Die Umsetzung der Artenhilfsprogramme benötigt einen langen Atem. Zwar konnten inzwischen viele Arten dauerhaft gerettet werden, die Hilfsprogramme vieler Pflanzen- und
Tierarten stehen jedoch erst am Anfang. Es
gibt also noch viel zu tun.
Weitere Informationen:
www.lfu.bayern.de/natur/fachinformationen/artenhilfsprogramme_einfuehrung/index.htm
42
43
Bayerns Ureinwohner
Arnolds Habichtskraut – Spezialist auf kargem Grund
Auch das Arnolds Habichtskraut gehört zu
den bayerischen Endemiten. Von dieser Art
gibt es nur etwa zwei Dutzend Vorkommen.
Ursprünglich besiedelte sie nur Felsen, inzwischen leben die größten Populationen
auf alten Steinbruchhalden. Die größten Gefahren, die zum Aussterben der Art führen
können, sind der Gesteinsabbau und eine
fehlende Pflege. Im Rahmen eines Artenhilfsprogramms wurden deshalb detaillierte Nutzungskonzepte entwickelt und umgesetzt.
Busch-Nelke – übersehene Schönheit
Die Busch-Nelke ist ein typischer Europäer.
Ihr Verbreitungsschwerpunkt liegt in Süddeutschland – zum Beispiel auf der Schotterebene zwischen München und Bad Tölz.
Hier besiedelt die lichthungrige Art magere,
„saure“, das heißt kalkarme Standorte. Durch
Aufforstung und intensive Landnutzung ist
die Busch-Nelke sehr selten geworden. Gezielte Schutzmaßnahmen auf den verbliebenen Lebensräumen sollen ihr jetzt helfen.
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Bayerisches Löffelkraut – weltweit einmalig
Der Name verrät – es ist nur in Bayern zuhause.
Weltweit sind nur  Vorkommen in Schwaben
und Oberbayern bekannt. Dort lebt das Bayerische Löffelkraut in offenen Quellfluren. Erst
 wurde die Art entdeckt und beschrieben.
Unmittelbar danach wurde mit einem Schutzprogramm begonnen: die wertvollen Quellbereiche wurden gesichert und freigestellt.
Sumpf-Knabenkraut – Seltenheit im Moor
An wenigen Standorten südlich des Chiemsees konnte es überleben: das SumpfKnabenkraut. Zumindest in Bayern leben
hier die letzten ihrer Art. Die Orchidee ist auf
nährstoffarme, aber regelmäßig überflutete
Niedermoore angewiesen, die noch traditionell im Herbst als Streuwiese genutzt werden.
Eine regelmäßige Pflege ihrer Lebensräume
und der Schutz vor Nährstoffeinträgen sind
für das Überleben der Art entscheidend.
45
Kostbarkeiten der Natur
Apollo – bedrohte Schönheit
Der Apollo-Falter ist einer der am stärksten
bedrohten Schmetterlinge Europas. Schuld
daran sind seine hohen Ansprüche. Die Raupen leben an Weißer Fetthenne, einer Pflanze,
die nur auf Kalkfelsen und in Steinbrüchen
wächst. In historischer Zeit wurden solche
Standorte mit Schafen und Ziegen beweidet
und offen gehalten. Als diese Nutzung vielerorts aufgegeben wurde, verschwand auch der
Apollo. Dank eines Umweltpaktes zwischen
Naturschützern, Landkreisen und Steinbruchindustrie nehmen die Bestände inzwischen
langsam wieder zu.
Zwerglibelle – Relikt der letzten Eiszeit
Auf den ersten Blick ist sie kaum zu erkennen,
auf den zweiten Blick eine filigrane Schönheit: Die Zwerglibelle lebt in und an flachen
Moortümpeln. Vermutlich ist sie während
oder kurz nach der letzten Eiszeit bei uns eingewandert und hat wärmere Perioden in den
kühlen Mooren des Alpenvorlandes überlebt.
Inzwischen ist sie in Deutschland extrem selten geworden, die meisten Fundorte liegen in
Oberbayern. Durch gezielte Schutzmaßnahmen versucht man ihr zu helfen.
46
Birkhuhn – Grenzgänger im Gebirge
Das Birkhuhn liebt großflächige, ungestörte,
halboffene Lebensräume. Die von Almen und
Latschen geprägte Zone in den Alpen ist ein
idealer Lebensraum. Der Vogel hat hier sein
letztes geschlossenes Verbreitungsgebiet in
Deutschland. Aber auch hier hat das Birkhuhn Probleme – werden Almen aufgelassen,
wachsen die Lebensräume zu und im Winter
stören Skitouren- oder Schneeschuhwanderer
die nötige Ruhe. Eine Allianz aus Naturschützern, Almbauern, Jägern und Forstleuten
arbeitet jetzt an einem übergeordneten
Schutzkonzept.
Wimperfledermaus – Rettung in letzter Minute
Bis in die Mitte des . Jahrhunderts nahmen
die Bestände der heimischen Fledermausarten
stark ab. Schuld waren vor allem Pestizide. Das
Verbot dieser Gifte und ein beispielloser Einsatz zahlreicher Helfer führten dazu, dass es
vielen Arten inzwischen wieder besser geht.
Die Wimperfledermaus ist dafür ein Beispiel.
Diese für den Mittelmeer-Raum typische Art
pflanzt sich in Deutschland fast nur im Chiemgau fort. Mitte des . Jahrhunderts war die
Art in Bayern fast ausgestorben, inzwischen
gibt es wieder  Kolonien.
47
Herausgeber:
Regierung von Oberbayern
Maximilianstraße 39, 80538 München, Tel. 089/2176-0
www.regierung.oberbayern.bayern.de
Text und Konzeption:
PAN Planungsbüro für angewandten Naturschutz GmbH –
www.pan-gmbh.com
Gestaltung:
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Fotos:
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5l, 5r, 6l, 6r, 7l, 16o, 18m, 21, 22u, 23, 24m, 27, 28m, 29, 30o, 33, 36u, 37), Holger
Duty/Fotonatur.de (S. 24o, 32o, 38u), Kurt Gansner/FotoNatur.de (S. 47o),
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Hartl (S. 28o), Günter Heidemeier (S. 17), Heinz Huber (S. 30m, 31), Alfred
Karle-Fendt (S. 20u), Rosa Kugler/Gebietsbetreuung Ampertal (S. 10r, 11r),
Klaus Leidorf (S. 32u), ­Christiane Mayr (S. 35, 36o), Norbert Meyer (S. 44o),
Sönke Morsch/FotoNatur.de (S. 40o, 40u, 41o, 41m), Stefan Ott/FotoNatur.de
(S. 15, 26o), Eberhard Pfeuffer/LBV-Archiv (S. 14u, 24u, 30u), Gerd Rossen/
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Karwendel (S. 34m), Martin Schumann (S. 7r), Cornelia Siuda (S. 8o, 22o, 45u,
46u), Ulrich Sorg (S. 32m), Herbert Stadelmann (S. 20m), Dieter Stahl/LBVArchiv (S. 18u), Heinz Stellwag (S. 1lm, 10l, 34u, 42m), Peter Strohwasser (S. 25),
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(S. 4m, 5m, 36m), Elisabeth Wölfl (S. 8u), Andreas Zahn (S. 38o), Andreas Zehm
(S. 18o, 20o, 26m, 26u, 34o, 44u, 45o), Johann Zimmermann (S. 38m)
Druck: Color-Offset GmbH, München
Stand: April 2010
© Regierung von Oberbayern, alle Rechte ­vor­behalten
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Die Broschüre wurde mit Unterstützung des Bayerischen ­Staatsministeriums
für Umwelt und Gesundheit sowie aus Mitteln der Europäischen Union
­gefördert.
Fotohinweise:
Titel: Altmühltal bei Arnsberg, Gebänderte Heidelibelle, Isartal,
Busch-Windröschen
S. 2: Frühlingswiese
S. 4: Schwalbenschwanz, Glockenblume, Torfmoos
S. 5: Tramete, artenreiche Blumenwiese, Krustenflechte
S. 6: Heilpflanze Beinwell, Würm-Aue
S. 7: Vogelflug, Wandergruppe, Mehlprimel
S. 9: Dammbau zur Hochmoor-Wiedervernässung, Nasswiesenmahd
S. 10: Buckelwiesen-Mahd am Kranzberg, Widderchen, Besprechung
S. 11: Ortstermin, Geflecktes Knabenkraut, Führung
S. 14: Brand-Knabenkraut, Wacholderheide, Libellen-Schmetterlingshaft
S. 15: Roter Scheckenfalter
S. 16: Hummel-Ragwurz, Halsbandschnäpper, Bitterling
S. 17: Donau-Auwald zwischen Neuburg und Ingolstadt
S. 18: Kleines Knabenkraut, Trollblume, Großer Brachvogel
S. 20: Sonnentau, Hochmoor-Gelbling, Große Mosaikjungfer
S. 21: Königsdorfer Filz
S. 22: renaturierte Torfabbaufläche, Wiesenpieper, Krickente
S. 23: Rosmarin-Heide auf Torfmoos-Bult
S. 24: Karmin-Gimpel, Sibirische Schwertlilie, Wald-Wiesenvögelchen
S. 25: Murnauer Moos
S. 26: Grauammer, Filz-Flockenblume, Frühlings-Adonisröschen
S. 27: Garchinger Heide
S. 28: Eisvogel, Kleine Zangenlibelle, Bleichgelbes Knabenkraut
S. 29: an der Amper
S. 30: Pyramiden-Orchis, Kreuz-Enzian, Kreuzenzian-Ameisenbläuling
S. 31: Naturschutzgebiet „Windsberger Trockenhänge“
S. 32: Schwarzkehlchen, Arbeitstreffen auf einem Landschaftspflegehof,
Eggstätt-Hemhofer Seenplatte
S. 33: Blick auf den Kochelsee und die Loisach-Kochelseemoore
S. 34: Deutsche Tamariske, Isartal westlich Sylvensteinspeichersee,
­Gefleckte Schnarrschrecke
S. 35: alpine Landschaft im Nationalpark Berchtesgaden
S. 36: Alpenaster, Rotes Kohlröschen, Frühlings-Enzian
S. 37: Alm in den Chiemgauer Alpen
S. 38: Wasservögel am Chiemsee, Vogel-Beobachtungsturm Irschener
Winkel (Chiemsee), Haubentaucher
S. 40: Schellente, Schnatterente, Kolbenente
S. 41: Wespenbussard, Alpenstrandläufer, Bergfink
S. 42: Sumpf-Gladiolen, Vogel-Azurjungfer, Wechselkröte
S. 44: Arnolds Habichtskraut, Busch-Nelke
S. 45: Bayerisches Löffelkraut, Sumpf-Knabenkraut
S. 46: Apollofalter, Zwerglibelle
S. 47: Birkhahn, Wimperfledermaus
Karte S. 19: GIS-Daten historische Moorverbreitung © Bayerisches Landes­
amt für Umwelt; Grundlage: Übersichtskarte der Moore
Bayerns –­ Stand 1914 nach der Kartengrundlage der Königlich
Bayrischen Moorkulturanstalt München