Der Schönheitswettbewerb

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Der Schönheitswettbewerb
Der Schönheitswettbewerb
Zwei Konzerne scheiterten mit Angriffen auf Beiersdorfs Körperpflegemarke Nivea.
Unilever ist der dritte Herausforderer.
Seine Wunderwaffe heißt Dove und zielt auf die Marketinglücke.
Text: Jens Bergmann
Foto: Jan Friese, Tim Giesen (S. 20)
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WAS WIRTSCHAFT TREIBT _DOVE GEGEN NIVEA
• Elke Görsch ging es wie vielen: Der Name Dove sagte ihr kaum
etwas. Das änderte sich, als die Berlinerin aus einer Laune heraus,
wie sie erzählt, bei einem Casting mitmachte, für das in verschiedenen Ländern ältere Frauen gesucht wurden. Sie kam als
einzige Deutsche in die Endauswahl. Und ließ sich überzeugen,
für sogenannte Pro-Age-Produkte der zu Unilever gehörenden
Körperpflegemarke zu posieren. Nackt.
Die 63-Jährige mit der modischen Kurzhaarfrisur ist eine quirlige Person, die gern aus ihrem bewegten Leben erzählt. In der
DDR arbeitete die Ökonomin unter anderem als Einkäuferin
für Textilien aus dem westlichen Ausland, nach der Wende als
medizinische Assistentin, und jetzt, im Ruhestand, gibt sie Schülern im Wedding ehrenamtlich Nachhilfe. Eine Frau, die Selbstbewusstsein ausstrahlt. Und eine glaubwürdige Zeugin für die
Botschaft, die Dove seit einigen Jahren verbreitet: Frauen sollen
sich mögen dürfen, so, wie sie sind.
Als Teil dieser ebenso politisch-korrekten wie werbewirksamen Image-Kampagne ist Görsch auf dem besten Wege, prominent zu werden. Sie kokettiert zwar ein bisschen damit, dass ihr
der Rummel um ihre Person gelegentlich zu viel sei, aber in Wahrheit findet sie ihn wohl toll. Am Tag unseres Treffens hat die
Redaktion von Sabine Christiansen bei ihr angerufen, um sie als
Talk-Gast zu gewinnen. Görsch, die für ihre Auftritte von der
PR-Agentur von Unilever honoriert wird, sagt, dass sie Reklame
eigentlich nicht interessiere, die Kampagne von Dove aber prima
finde. „Endlich mal echte Menschen in der Werbung.“
Mit Werbung, die Werbeklischees konterkariert, hat Dove eine
Marketinglücke entdeckt und nicht nur bei Elke Görsch einen
Nerv getroffen. Im Unilever-Hochhaus in Hamburg gehen viele
begeisterte Briefe zu der Kampagne ein, zum Beispiel dieser:
„Dafür mein Kompliment! Ich bin selbst der Meinung, dass Frauen gerade das gewisse Etwas besitzen, wenn sie keine 20 mehr
sind. Zudem bleiben auch die ganz blutjungen nicht stehen, auch
ihre Zeit läuft mit jedem Tag.“ Die Unilever-Sprecherin Katja
Praefke kann sich nur an ein einziges Protestschreiben erinnern.
Es stamme von einem Mann, der es widerlich gefunden habe, sich
nackte alte Frauen anschauen zu müssen.
Eine blasse Marke traut sich was: wirklich mal
mit echten Menschen werben
Nicole Ehlen, die für Dove in Deutschland zuständige Produktmanagerin, freut sich, dass die Kampagne der hierzulande einst
ziemlich blassen Marke „Charakter“ und „Emotionalität“ verschafft habe. „Auf einmal war die Marke unheimlich modern. Sie
steht für selbstbewusste Frauen“, sagt die 33-Jährige. „Das ist
heute das Erste, was die Menschen mit Dove verbinden: Das ist
doch die Marke mit den normalen Frauen.“
Die Image-Politur zahlt sich aus. Laut Unilever gehört Dove
mit seinem mittlerweile rund 100 Produkte zählenden Sortiment,
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Schönheit kennt kein Alter: Elke Görsch, Model
das in vielerlei Hinsicht an das des Marktführers Nivea erinnert,
zu den am schnellsten wachsenden Körperpflegemarken. Dove
konnte seinen Anteil auf dem von Nivea (607 Millionen Euro
Jahresumsatz) dominierten deutschen Markt erheblich auf nun
rund 165 Millionen Euro Jahresumsatz steigern. Ein schöner Coup
für den in den vergangenen Jahren nicht übermäßig erfolgreichen
Mischkonzern Unilever, zu dem unter anderem Knorr, Rama und
Coral gehören.
Und ein Paradebeispiel dafür, was Marketing vermag. Dove
wurde unter anderem mit dem Marken Award 2006 für den
besten Relaunch ausgezeichnet. Das freut den Werber im Allgemeinen und Jörg Herzog, Kreativdirektor der Agentur Ogilvy &
Mather in Düsseldorf, im Besonderen. Von ihm stammt die Idee
für die Kampagne; sie hat ihm, wie er in aller Bescheidenheit
erzählt, bei seinen Kollegen den Titel „Dove-Papst“ eingetragen.
Auf den Einfall, mit echten Menschen für wahre Schönheit zu werben, ist Herzog, der früher bei einer Plattenfirma arbeitete, angesichts eines Fotos der ungeschminkten Madonna vor weißem
Hintergrund gekommen. Er ersetzte den Popstar durch mollige
Frauen mit starker Ausstrahlung („Keine Models, aber straffe Kurven“) – und schrieb Werbegeschichte.
Die Idee, in der Kosmetikbranche mal mit normalen Menschen zu werben statt mit überirdischen Schönheiten, ist nicht
neu; in etlichen Casting-Briefings steht: keine Models! Doch wenn
dann die Fotos begutachtet werden, bekommen viele Werber und
Marketingleute Angst vor ihrer Courage. Unilever Deutschland
traute sich. Was auch daran lag, dass Dove hierzulande „kein 3
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klares Profil“ hatte (Herzog), man also auch keine Rücksicht
darauf nehmen musste. Die Marke Dove beruht auf der Entwicklung pH-neutraler Seife in den USA in den fünfziger Jahren, die
sie dort ebenso bekannt machte wie Nivea die Verbindung von
Öl und Wasser zur legendären Creme. 1991 wurde Dove-Seife in
Deutschland eingeführt, weitere Pflegeprodukte folgten. Die Werbung war eher bieder und betonte, dass die Produkte zu einem
Viertel aus Feuchtigkeitsmilch bestehen. Das hinterließ bei den
Kunden keinen bleibenden Eindruck; die wenigsten konnten den
Namen Dove (auf Deutsch: Taube) korrekt aussprechen.
Bis die kalkulierte Provokation mit den molligen Models die
Marke zum Stadtgespräch machte. Sie wurde von einer groß
angelegten Studie begleitet mit dem wenig überraschenden Ergebnis, dass die meisten Frauen mit ihrem Aussehen unzufrieden
sind und sich über das von den Medien propagierte Schönheitsideal ärgern. Umso sympathischer war ihnen die ganz andere
Werbebotschaft, und sie griffen zu: Der Umsatz mit Dove-BodyLotion stieg rasant. Bei Unilever, wo man meinte, den Stein des
Weisen gefunden zu haben, war der Jubel groß. Auf die kurvigen
Models folgten welche mit Sommersprossen, mit Narben und
allerlei anderen Makeln und nun die reifen Nackten.
Image-Werbung für eine gute Sache. Für die „Initiative für
wahre Schönheit“ gewann Dove glaubwürdige Unterstützer wie
das Frankfurter Zentrum für Ess-Störungen. Und demonstriert so
unternehmerische Verantwortung, die sich von sonst üblichen,
teils abstrusen Corporate-Social-Responsibility-Aktivitäten wie
Biertrinken für den Regenwald abhebt. Nicht zuletzt verschaffte
Die Angreiferin: Nicole Ehlen von Unilever
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die Kampagne Dove Gratis-PR in vielen Medien bis hin zur legendären Oprah-Winfrey-Show.
Bei Unilever ist die Begeisterung darüber so groß, dass die
Marken-Verantwortlichen ihre Idee immer weiter variieren. So
wurde für die „Dove Aktion für mehr Selbstwertgefühl“, mit der
das Ego von Jugendlichen und Kindern gestärkt werden soll, der
Film „Body Talk“ produziert. Die DVD, die unter anderem an
Schulen vorgeführt wird, zeigt welche Tricks bei Modeaufnahmen
dafür sorgen, dass die Models perfekt aussehen. Off-Text: „In der
Modewelt heißt es: Die Kamera lügt nicht. Eigentlich müsste es
heißen: Alles ist eine Lüge.“ Ein mutiges Statement aus einem
Konzern, der andere Produkte eher klassisch bewirbt, zum Beispiel die Teenie-Marke Axe mit verführerischen Ludern, was nicht
nur Gleichstellungsbeauftragte sexistisch finden.
Der vernünftige Platzhirsch tut sich schwer im
Revierkampf: Nur nicht provozieren lassen!
Dass Sex beim Verkaufen hilft, ist bekannt, dass es mit innerer
Schönheit auch funktioniert, weiß man erst dank Dove. Die Kampagne erwies sich als so erfolgreich, dass Unilever sie zunächst in
Großbritannien und den USA und dann weltweit adaptierte – ein
seltener Fall des Reklame-Exports aus Deutschland, wie der Werber Jörg Herzog betont. Er ist gerade auf dem Weg nach New
York, wo er neue Ideen für die Kampagne vorstellen wird, über
die er noch nichts verraten will. Dove, das Unilever mittlerweile
weltweit 2,5 Milliarden Euro Umsatz im Jahr beschert, ist ein wichtiges Pfund für den Konzern und soll weiter gestärkt werden.
Bei Beiersdorf in Hamburg-Eimsbüttel, nur wenige Kilometer
von der deutschen Unilever-Zentrale entfernt, beobachtet man
den Konkurrenten genau. Zwar ist Nivea in Deutschland immer
noch der unumstrittene Platzhirsch und zudem die mit Abstand
wertvollste Körperpflegemarke der Welt mit im vergangenen Jahr
erstmals weltweit mehr als drei Milliarden Euro Umsatz. Aber die
Attacke auf dem Heimatmarkt ist ärgerlich, zumal Nivea mit den
Mitteln des Marketings nicht recht kontern kann. Provokation sei
im historisch gewachsenen Nivea-Kommunikationsmuster – wir
zeigen schöne Haut und wie man sie pflegen kann – nicht vorgesehen, sagt Klaus Brandmeyer, Gesellschafter der Brandmeyer
Markenberatung. Nivea ist die Vernünftige, die Gemäßigte, die
natürliche Pflege für die ganze Familie bietet; mit dieser Botschaft
ist die Marke groß geworden (vgl. brand eins 06/2001).
„Nivea verkauft Realität“, sagt Franziska Schmiedebach-Ullner,
Corporate Vice President Hair & Body Care bei der Beiersdorf
AG, die seit 25 Jahren in verschiedenen Funktionen im Marketing von Nivea arbeitet und die Marke so gut kennt wie kaum
jemand anders. Als gute Verkäuferin präsentiert sie erst einmal die
neuen Hautpflegeprodukte für Ältere, die den etwas sperrigen
Namen DNAge tragen und mit Folsäure der DNA der Zelle helfen sollen, sich selbst zu schützen. Nivea ist mal wieder ganz 3
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vorn, das ist die Message. Schmiedebach-Ullner erzählt, dass Beiersdorf mit Nivea for Men den Mann als Kunden überhaupt erst
entdeckt habe. Und auch die älteren Frauen: „Wir waren 1995
die Ersten, die diese Zielgruppe mit Nivea Vital angesprochen und
mit der damals 52-jährigen Susanne Schöneborn das erste weißhaarige Testimonial gezeigt haben.“
Und nun denkt Dove diese Idee konsequent weiter.
Mit alten Nackten zu werben ist für Schmiedebach-Ullner
„Effekthascherei, Provokation um der Provokation willen. Aus
so einer Ecke kommt man schwer wieder heraus.“ Ein weiteres
Problem der Dove-Kampagne sieht sie darin, dass das Produkt nur
am Rande vorkommt. „Jede moderne Frau weiß heute, dass
Schönheit nicht nur mit ihrem Aussehen zu tun hat, sondern mit
ihrer gesamten Persönlichkeit. Diese ganzheitliche Idee verkörpert
Nivea besser als Dove. Unser Ansatz – wir geben dir ein Produkt,
mit dem du besser aussehen wirst, aber nicht so wie Claudia
Schiffer – ist nach wie vor richtig.“
Kleine Pause. „Was nicht heißt, dass wir ihn nicht besser vermitteln könnten. Wir müssen unsere Kommunikation verbessern.
Sie wird aber nie provokant oder abgehoben sein.“ Beiersdorf, das
über eine der besten dermatologischen Forschungsabteilungen
verfügt, habe zu stark Innovationen wie neue Wirkstoffe in den
Vordergrund gestellt und zu wenig den Verbrauchernutzen, sagt
sie selbstkritisch. „Wir haben in der Werbung zu wenig Realität
abgebildet. Wir müssen in der Kommunikation lebensnäher,
spritziger und auch humorvoller werden. Und wir brauchen eine
einheitliche Markenaussage.“
Freche Konkurrenten, ärgerliche Warentests,
nervöse Vorstände – Nivea hat’s nicht leicht
Doves „Initiative für wahre Schönheit“ ist so eine Aussage, eine
Marketing-Klammer, die Marketingleute lieben. Was bei Beiersdorf über Jahrzehnte aus dem Ur-Produkt, der Nivea Creme, entstanden ist, hat Dove innerhalb weniger Jahre und mit viel Werbung quasi aus dem Nichts aufgebaut: eine Markenfamilie.
Das bringt die Verantwortlichen bei Beiersdorf ins Grübeln.
Schmiedebach-Ullner sagt: „Wir waren in der Entwicklung sehr
erfolgreich – kaum war die eine Innovation auf dem Markt,
haben wir schon an der nächsten gearbeitet. Und darüber vergessen zu fragen: Was ist eigentlich mit den Konsumenten los?
Zum Beispiel sind immer mehr Frauen berufstätig und haben
keine Zeit, lange vor dem Supermarktregal zu stehen oder sich
komplizierte Werbespots anzuschauen. Sie wollen Situationen
oder Bedürfnisse widergespiegelt bekommen, zu denen sie sagen
können: Genauso ist es.“
Eines dieser Bedürfnisse ist der Überdruss an immer artifiziellerer Werbung, das Dove getroffen hat. Da kann Nivea nicht
mithalten – und sollte es auch nicht versuchen, wie der Markenexperte Klaus Brandmeyer meint, der weder Beiersdorf noch Uni26
Die Etablierte: Franziska Schmiedebach-Ullner von Nivea
lever geschäftlich verbunden ist. Er empfiehlt Nivea, sich auf seine
Stärken zu besinnen. Das sieht auch Schmiedebach-Ullner so:
„Wir setzen auf einen breiten Verbrauchernutzen und Produkte,
die langfristig Bestand haben. Hinter diesen Produkten steckt viel
Forschung, deshalb sollen sie lange leben.“
Allerdings soll Beiersdorf einen Gang zulegen, sagt Schmiedebach-Ullners Chef, der Markenvorstand Pieter Nota, ein paar Tage
später bei einer Pressekonferenz in Berlin. Der gertenschlanke
Mann mit dem akkurat zurückgegelten Haar macht auch persönlich einen ungeduldigen Eindruck. Die Zeit von der Produktentwicklung bis zur Vermarktung soll von 18 auf 12 Monate verkürzt
und die interessanten Märkte in China, Russland, Indien und Brasilien sollen erobert werden, kündigt er an. Auf die Frage, ob man
in der Kommunikation angesichts der erfolgreichen Dove-Kampagne etwas ändern wolle, antwortet Nota, dass Beiersdorf nicht
daran interessiert sei, Marketing-Preise zu gewinnen.
Dann führt er einen für Nivea-Verhältnisse sehr erotischen
TV-Spot für den US-Markt vor, der für Body-Lotion wirbt und
ein junges Paar im Bett zeigt („The difference between going to
sleep and going to bed“). Und er rühmt den Erfolg der neuen
DNAge-Produkte. Als ein Journalist darauf hinweist, dass jüngst
die billige Anti-Falten-Nachtcreme von Aldi bei der Stiftung Warentest besser abschnitt als die Nivea Visage Anti-Falten Q10 Plus,
sagt Nota, dass die Maßstäbe der Warentester zu grob seien, um
die exzellenten Produkte von Beiersdorf zu würdigen. Dann vergleicht er die Warentests gar mit „Russischem Roulette“ – was er
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später wortreich zurücknimmt.
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WAS WIRTSCHAFT TREIBT _NIVEA/DOVE
Eine Marke inszeniert sich: Blick aus dem Nivea-Haus
Das Hamburger Traditionsunternehmen Beiersdorf, das in diesem Jahr seinen 125. Geburtstag feiert, steht unter Druck. Von
der Konkurrenz – allesamt multinationale Konzerne, die weit
größer sind – und von seinem Eigentümer. Nach einem Übernahmekampf im Jahr 2003, an dem sich kurzzeitig auch die Stadt
Hamburg beteiligte und für 1,1 Milliarden Euro Beiersdorf-Aktien
übernahm, um zu verhindern, dass das Unternehmen in fremde
Hände fällt, ist der Tchibo-Erbe Günter Herz Hauptaktionär. Ein
kühl kalkulierender Kaufmann, der eine klare Devise ausgegeben
hat: Wachstum.
Die große Frage für Dove: Wie weit trägt eine
Image-Kampagne? Und was kommt dann?
Dabei ist Beiersdorf noch stärker als die globalen Konzerne auf
die Kraft seiner Marken und besonders auf Nivea angewiesen, um
im Handel Preise durchzusetzen, die Wachstum aus eigener Kraft
erlauben. Bislang wurde die blau-weiße Ikone auf ihrem Heimatmarkt erst dreimal ernsthaft angegriffen. Und bislang ging Nivea,
die ihre Identität ganz wesentlich dem deutschen Körper- und
Familienkult der dreißiger Jahre verdankt, aus diesen Attacken
stets gestärkt hervor.
1969 versuchte Henkel, mit der Creme 21 in der orangefarbenen Dose Nivea Konkurrenz zu machen. Der Konzern setzte
vor allem auf den Lebensmittelhandel, wo man bereits mit Waschmitteln vertreten war, während Nivea hauptsächlich in Drogerien
verkauft wurde. Beiersdorf verzeichnete deutliche Umsatzrück28
gänge und wehrte sich unter anderem mit einer aggressiven
Werbekampagne („Seit 60 Jahren machen wir Hautcremes. Wenn
es eine bessere gäbe, würden wir sie machen“). Tatsächlich blies
Henkel nach nur einem dreiviertel Jahr die Offensive ab; die
Marke Creme 21 ist mittlerweile verkauft und ein reines Nischenprodukt. Der Warnschuss veranlasste Beiersdorf, sein Sortiment,
das damals nur aus Creme, Sonnenschutz, Babyartikel und Seife
bestand, zu erweitern. Nivea avancierte zur Dachmarke einer ganzen Reihe von Körperpflegeprodukten.
Der zweite Angriff kam vom US-Konzern Procter & Gamble,
der mit einem breiten Sortiment seiner Premium-Marke Oil of
Olaz auf den deutschen Markt drängte – doch auch sie entwickelte sich nie zu einer echten Alternative zu Nivea. Beiersdorf
verstärkte daraufhin seine im Haus gern Demokratisierung
genannte Strategie. Man entwickelte komplexere Produkte wie
Anti-Falten-Cremes – und bot sie im Vergleich zur exklusiven
Kosmetikkonkurrenz vergleichsweise billig an.
Dove, der dritte Angreifer, erweist sich als der schwierigste
Gegner. Die Marke hat sich mit einem auch in Packungs- und
Preisgestaltung Nivea-ähnlichen Sortiment etabliert – was nicht
zuletzt den Handel freut, der ungern von einem Markenartikler
abhängig ist.
Beiersdorf ist jedoch nicht untätig und demonstriert mit einem
neuen Konzept, wie hoch die Strahlkraft der Marke ist: mit dem
vor einem Jahr in bester Lage an der Hamburger Binnenalster eröffneten Nivea-Haus. Dort gibt’s das gesamte Nivea-Sortiment
und zu erschwinglichen Preisen Kosmetikbehandlungen, Hairstyling und Massagen. Nach der Demokratisierung der Kosmetik nun die Demokratisierung der Behandlung. Über den Erfolg
war das Unternehmen selbst überrascht; das Personal im NiveaHaus musste in kurzer Zeit mehr als verdoppelt werden, um dem
Andrang Herr zu werden. Das zunächst als reine Marketing-Maßnahme gedachte blau-weiße Day Spa wirft sogar Geld ab. Über
weitere Nivea-Häuser wird nachgedacht.
Klaus Brandmeyer ist überzeugt, dass nicht Nivea, sondern der
Angreifer Dove nun vor seiner größten Herausforderung steht –
gerade wegen seiner erfolgreichen Kampagne. „Die Marke ist zu
sehr von dieser Werbe-Idee dominiert und zu wenig vom Produkt.
In unserem Kulturkreis kann man auf Dauer Kaufentscheidungen
nicht mit Image-Werbung rechtfertigen.“ Wenn der Bezug zum
Produkt nicht hergestellt werde, entstehe „irgendwann auch bei
der Zielgruppe der Eindruck: Das ist Marketing. Und Marketing
ist heute – leider – ein Schimpfwort.“
Wenn die sympathische Kampagne mit den echten Menschen
ihren Charme verliert, wird es für Dove ernst – dann muss die
Marke auf der Ebene der Produkte gegen Nivea punkten. Dove
kann auch schlecht hinter die selbst postulierten Maßstäbe zurückfallen und plötzlich mit Models werben.
Elke Görsch drückt es so aus: „Die Dove-Leute haben die
Latte ganz schön hoch gelegt.“ Für sich selbst.
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