Irisches Gigantismus-Gen aus dem 18. Jahrhundert

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Irisches Gigantismus-Gen aus dem 18. Jahrhundert
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Ärzteblatt.de vom 06.01.2011
Online
228722467
http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/44166/Irisc
hes_GigantismusGen_aus_dem_18_Jahrhundert.htm
Irisches Gigantismus-Gen aus dem 18. Jahrhundert
London - Paläogenetiker haben die genetische Ursache für den Gigantismus entdeckt, der vermutlich seit 1.500 Jahren in
Irland vereinzelt Menschen mit einer erstaunlichen Körpergröße hervorgebracht hat. Der Publikation im New England Journal
of Medicine (2011; 364: 43-50) zufolge hat eine Punktmutation im sogenannten AIP-Gen die Bildung von
Hypophysenadenomen ausgelöst.
Erstveröffentlichungsdatum 06.01.2011,
18:40 Uhr
Normalerweise führen Adenome der
Hypophyse nur zu einer Akromegalie.
Nur wenn die exzessive Bildung der
Wachstumshormone vor dem Verschluss der Hypophyse einsetzt, kann es
zum Gigantismus kommen. Die Personen erreichen dann ungewöhnliche Körpergrößen.
Auch Charles Byrne, der im 18. Jahrhundert in London als der "irische
Gigant" herumgereicht wurde und eine
Körpergröße von 2 Meter 31 erreichte,
litt an einem Hypophysenadenom. Dies
hatte der US-amerikanische Neurochirurg Henry Cushing bereits 1909 nach
der Öffnung des Schädels erkannt, der
zusammen mit dem übrigen Skelett seit
dem Tod Byrnes im Hunterian Museum
in London aufbewahrt wird. Das Indiz
war eine deutliche Vergrößerung der
Fossa hypophysialis, die auf dem Grund
der Sella turcica die Hypophyse knöchern umgibt.
Vor vier Jahren wurde entdeckt, dass
Mutationen im Gen für das "aryl hydro-
carbon receptor interacting protein"
(AIP) eine häufige Ursache von Hypophysenadenomen im frühen Lebensalter
sind. In Nordfinnland erklären sie 40
Prozent dieser Fälle (Science 2006; 312:
1228-30). Auch in vier Familien aus
Nordirland, in der mehrere Personen an
einer Akromegalie oder einem Gigantismus litten, lag eine Punktmutation im
AIP-Gen vor.
Da die Mutation bei allen Patienten an
exakt der gleichen Stelle lag, vermutete
Márta Korbonits von der London School
of Medicine and Dentistry, dass alle
Betroffenen die gleichen Vorfahren
haben. Da sie aus der gleichen Gegend
kamen wie der irische Gigant Byrne,
wendete sie sich an Joachim Burger und
Martina Unterländer vom Institut für
Anthropologie der Johannes GutenbergUniversität Mainz, die international führende Experten auf dem Gebiet der
Paläogenetik sind.
Das Begehren war eine DNA-Analyse
von Byrne. Diese konnten die Forscher
aus einem Zahn des Giganten extrahieren. Die Analyse ergab exakt die glei-
Abbildung
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che Mutation, wie sie in den vier heutigen Familien vorliegen. Um einen
Zufall auszuschließen, untersuchten die
Forscher zusätzlich die Umgebung der
Mutation. Auch hier gab es einen sehr
hohen Grad der Übereinstimmung, der
die Abstammung belegt.
Die Genetiker schätzen, dass alle Patienten in der 57. bis 66. Generation Nachfahren eines "Gründers" der Mutation
sind. Er dürfte vor 1425 bis 1650 Jahren gelebt haben. Die Forscher schätzen,
dass derzeit ungefähr 200 bis 300 Nachfahren mit der Mutation existieren könnten. Nicht alle leiden an Akromegalie
oder Gigantismus, dass die Penetranz
des Gendefekts sehr variabel ist.
Die betroffenen Personen können sich
dank der Entdeckung jetzt aber testen
lassen. Eine rechtzeitige Therapie kann
dann Gigantismus und Akromegalie vermeiden. Beide schränken die Lebenserwartung ein. Dies ist vor allem beim
Gigantismus der Fall: Byrne starb
bereits im Alter von 22 Jahren. ©
rme/aerzteblatt.de