Ausgabe 03/08 - Kassenärztliche Vereinigung Berlin
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Ausgabe 03/08 - Kassenärztliche Vereinigung Berlin
KVH • aktuell Informationsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen Pharmakotherapie Rationale und rationelle Pharmakotherapie in der Praxis Jhrg. 13, Nr. 3 – Oktober 2008 Hartnäckige chronische Wunden Welcher Verband hilft am besten? Neben den guten alten Binden und Kompressen gibt es längst moderne Wundauflagen, die eine bessere Heilung bei den oft undankbaren chronischen Wunden versprechen. Allerdings haben diese Mittel und Verbände auch ihren Preis. Lohnt sich ihr Einsatz auch wirklich? Die Antwort: Sie können durchaus wirtschaftlich sein und unterm Strich sogar Kosten sparen – aber nur, wenn man nicht alle Wunden über einen Kamm schert, sondern die modernen Verbandmittel auch wirklich nach differenzialtherapeutischen Erwägungen einsetzt und nicht gerade das teuerste Verbandmittel einer Gruppe verwendet. Seite 4 Der akute Hexenschuss Bewegung und Paracetamol sind die beste Therapie Bei der akuten Lumbago werden hierzulande meist NSAR verschrieben und nur selten Paracetamol. Zu Unrecht: Wie eine randomisierte Studie in 40 Praxen zeigt, kann man die nebenwirkungsträchtigen NSAR ohne Weiteres weglassen und dem Patienten statt dessen Paracetamol und Bewegung ans Herz legen. Damit ist er mindestens genauso gut bedient wie mit alleinigen oder zusätzlichen NSAR. Seite 8 Rhinosinusitis Antibiotika selten besser als Placebo Seite 14 Wie arriba dem Hausarzt die Risikoberatung erleichtert Seite 16 Praxisnahe hausärztliche Leitlinie Schwere Schmerzen effizient behandeln Vor allem bei der palliativen Behandlung muss der Hausarzt oft genug schwere Schmerzen bekämpfen. So manchem Kollegen bereitet der Umgang mit den starken Schmerzmitteln aber Kofpzerbrechen und insbesondere bei Durchbruchschmerzen schreckt so mancher davor zurück, die notwendigen Geschütze aufzufahren. Andererseits darf man sich den Griff zu Opiaten auch nicht allzu leicht machen. Hier hilft die hausärztliche Leitline Schmerz: Mit ihr ist die Auswahl des richtigen Schmerzmittels samt der geeigneten Galenik, die Steuerung der Schmerztherapie und das Handling der Nebenwirkungen kein Problem. Seite 31 Seite 2 KVH • aktuell Nr. 3 / 2008 Auf dem richtigen Weg Editorial Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Arzneimittelverordnungskosten sind für fast alle von uns ein leidiges Thema. Umso mehr sollte betont werden, wenn es Positives von dieser „Front“ zu berichten gibt. Wir Berliner Ärzte liegen mit unserer wirtschaftlichen Verordnungsweise bundesweit mit an der Spitze. Dieser Weg muss konsequent weitergegangen werden! Deshalb hat die Kassenärztliche Vereinigung Berlin gemeinsam mit den Krankenkassen in diesem Jahr eine Informationsoffensive gestartet – mit guter Resonanz. Mit Sonderpublikationen, fachgruppenspezifischen Informationsschreiben sowie Fortbildungs- und Beratungsangeboten wollen wir Sie in Ihrer wirtschaftlichen Verordnungsweise weiter unterstützen. Der Wermutstropfen ist, dass wir in der Hauptstadt dennoch regelmäßig das Ausgabenvolumen überschreiten. Dies liegt, wie übrigens eine aktuelle Versichertenbefragung der KBV bestätigt hat, zum einen daran, dass im Bundesvergleich überdurchschnittlich viele Berliner ihren Gesundheitszustand als schlecht bezeichnen und daher öfter zum Arzt gehen. Zum anderen ist die Hauptstadt für ihr hochspezialisiertes fachärztliches Versorgungsangebot bekannt, das nicht nur Patienten aus dem Umland, sondern auch aus dem Bundesgebiet anzieht. Lassen Sie uns auf dem eingeschlagenen Weg weiter Maßstäbe setzen: ¡Arriba! – „Los geht’s“. Auch in Marburg ist ¡Arriba! in vieler Munde, allerdings nicht im herkömmlichen Sinn. Mit arriba wurde in den vergangenen Jahren eine ganz andere Form der Patienten-Beratung zur kardiovaskulären Prävention entwickelt, die Ihnen in diesem Heft vorgestellt wird. Mit diesem Beratungsangebot binden Sie den Patienten stärker in die Therapie ein und lassen ihn mitentscheiden. arriba hilft Ihnen auch, in Ihrer Praxis noch konsequenter evidenzbasierte Medizin umzusetzen. Um die Prinzipien der evidenzbasierten Medizin geht es auch in der DiabetesDiskussion, die sich in diesem Heft weiter fortsetzt. Wir wollen alle das Beste für unsere Diabetes-Patienten. Aber was ist das? Die Ergebnisse der ACCORD-Studie waren unerwartet, aber auch die ADVANCE-Studie kann nicht alle offenen Fragen beantworten. Apropos Fragen: Immer häufiger sehen wir uns im Praxisalltag mit der Frage konfrontiert: Was kann ich tun, um mein Budget zu entlasten und einer Regress forderung zu entgehen? Vielleicht deckt der Beitrag „Fünf Medikamente – mehr braucht kein Patient“ oder der Artikel zur Rhinosinusitis noch Sparpotentiale auf. Behandeln Sie Erkrankungen der Nasennebenhöhlen auf dem gängigen Weg mit Antibiotika? Möglicherweise bewegt Sie der Beitrag in diesem Heft zum Umdenken; entscheiden Sie selbst, ob Sie sich der schweizerischen Methode „wait and see“ anschließen. Nicht Abwarten sollten Sie bei der Lektüre der aktuellen Ausgabe von „Pharmakotherapie“. Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen Ihre Angelika Prehn Vorstandsvorsitzende der KV Berlin Nr. 3 / 2008 KVH • aktuell Seite 3 Editorial 2 Behandlung chronischer Wunden Dr. med. Klaus Ehrenthal, Klaus Hollmann 4 Hexenschuss: Paracetamol und Bewegung sind die beste Therapie Dr. med. Alexander Liesenfeld 8 Die revidierten Hypertonie-Leitlinien Neue Hochdruck-Klassen, aber ohne „Grenzwert-Hypertonie“ Dr. med. Günter Hopf 11 Rhinosinusitis: Antibiotika nicht besser als Placebo Dr. med. Klaus Ehrenthal 14 arriba: Neue Wege der Patientenberatung Prof. Dr. med. Norbert Donner-Banzhoff, Dr. med. Attila Altiner 16 Hessens Hausärztliche Leitlinien sind im Internet ein Hit 21 Fünf Medikamente – mehr braucht kein Patient Dr. med. Dirk Mecking 22 Leserbrief und Erwiderung Paradigmenwechsel beim Diabetes – eine zu radikale Bewertung? Manche Dogmen wehren sich gegen die Realität ... Inhaltsverzeichnis 23 25 Sicherer verordnen Dr. med. Günter Hopf Komplementäre Behandlungsmethoden: Spezifische Gefahren in der Onkologie Therapie der rheumatoiden Arthritis: Hämatologische Neoplasien Neuere Psychopharmaka: Sehstörungen Opiat-Pflaster: Vorsicht bei Aut idem! Tilidin/Naloxon: Missbrauch als neue Modedroge bei Jugendlichen 28 Hausärztliche Leitlinie Schmerz Therapie von Schmerzen: Hausärztliche Schlüsselfragen Diagnostik von Schmerzen Tumorschmerzen und sonstige schwere chronische Schmerzen Die Effizienz der Schmerzbehandlung 31 33 34 35 42 Hausärztliche Leitlinie Alter, Teil 2 – die Tischversion zum Ausschneiden 43 28 28 29 29 30 Impressum Verlag: info.doc Dr. Bernhard Wiedemann und Anne Haschke-Wiedemann GbR, Pfingstbornstr. 38, 65207 Wiesbaden Herausgeber: Kassenärztliche Vereinigung Hessen, Georg-Voigt-Straße 15, 60325 Frankfurt Redaktionsstab: Dr. med. Joachim Feßler (verantw.), Dr. med. Klaus Ehrenthal, Dr. med. Margareta Frank-Doss, Dr. med. Jan Geldmacher, Dr. med. Harald Herholz, Klaus Hollmann, Dr. med. Günter Hopf, Dr. med. Wolfgang LangHeinrich, Dr. med. Alexander Liesenfeld, Renata Naumann , Karl Matthias Roth, Dr. med. Michael Viapiano, Cornelia Wachsen, Dr. med. Jutta Witzke-Gross Fax Redaktion: 069 / 79502 501 Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. med. Ferdinand Gerlach, Institut für Allgemeinmedizin der Universität Frankfurt; Prof. Dr. med. Sebastian Harder, Institut für klinische Pharmakologie der Universität Frankfurt Die von Mitgliedern der Redaktion oder des Beirats gekennzeichneten Berichte und Kommentare sind redaktionseigene Beiträge; darin zum Ausdruck gebrachte Meinungen entsprechen der Auffassung des Herausgebers. Mit anderen als redaktionseignen Signa oder mit Verfassernamen gekennzeichnete Beiträge geben die Auffassung der Verfasser wieder und decken sich nicht zwangsläufig mit der Auffassung des Herausgebers. Sie dienen der umfassenden Meinungsbildung. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in dieser Veröffentlichung berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- oder Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Wie alle anderen Wissenschaften sind Medizin und Pharmazie ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere, was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in dieser Broschüre eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autor und Herausgeber große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angaben dem Wissensstand bei Fertigstellung der Broschüre entsprechen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Herausgeber jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. KVH • aktuell Seite 4 Beiträge der Redaktion Nr. 3 / 2008 Behandlung chronischer Wunden Dr. med. Klaus Ehrenthal, Klaus Hollmann Ein Schlagwort in der Pflege lautet: Wundmanagement. Jeder versteht etwas anderes darunter und viele meinen, wenn man eine moderne Wundauflage auflegt, dann handelt es sich bereits um Wundmanagement. Andererseits haben aber auch viele Vertragsärzte wegen der Kosten Angst, moderne Wundverbände zu verwenden. Der folgende Beitrag fasst deshalb die Grundsätze der modernen Wundbehandlung unter medizinischen und wirtschaftlichen Aspekten zusammen und zeigt, was sinnvoll ist und wo man getrost sparen kann. Chronische Wunden stellen besonders bei älteren Patienten ein ernsthaftes medizinisches und gesellschaftliches Problem dar. Die Datenlage bezüglich Prävalenz und Inzidenz von chronischen Wunden ist schlecht, allerdings werden die Patienten zahlen bei steigender Lebenserwartung sicher zunehmen. Grundsätze der modernen Wundbehandlung Regelmäßig sind die Wundverhältnisse und das Dekubitusstadium zu erfassen. Gibt es Schwellungen, wie ist die Art und das Ausmaß von Belägen, wie sind der Wundgrund, der Wundrand oder Wundtaschen zu beurteilen? Grundleiden und besondere Bedingungen (z.B. Diabetes, Demenzen mit Unruhe, Druckulzera durch Immobilität, besondere Lage der Wunde, z. B. perianale und/ oder urogenitale Wunden mit chronischen Verunreinigungen, Möglichkeit der Druckentlastung durch Lagerung und viele andere Bedingungen) erfordern stets ein individuelles Vorgehen. Vor Beginn der Verbandbehandlung muss entschieden werden, ob Nekrosen und Beläge als avitales Gewebe entfernt werden müssen. Neben der ggf. mehrfach erforderlichen chirurgischen Sanierung (Skalpell, Pinzette, Schere, scharfer Löffel), können auch Hydrogele durch ihre autolytische Wirkung verwendet werden. Ohne Druckentlastung wird die Wunde nicht heilen. Konkrete Hinweise an das Pflegepersonal mit einem regelmäßigen Zeitplan für Lagerung und Bewegung, sorgfältiges Betten, regelmäßige Kontrolle der belasteten Hautareale (vor allem Rücken, Schulter, Becken, Fersen) sind wichtig. Antidekubitusmatratzen, Sitzkissen usw. unterstützen die Behandlung, ggf. helfen über der Wunde ausgeschnittene Entlastungspolster. Durch genaue Anamnese wird festgelegt, seit wann die Wunde besteht, in welcher Wundphase sich die Wunde befindet, welche Diagnostik erfolgte und welche Wundauflage bisher verwendet wurde. Tabelle 1: Einsatzgebiet verschiedener Wundauflagen Hydrogele Schwache Exsudation Hydrokolloide, Hydropolymere Normale Exsudation Für jede Wunde den richtigen Verband wählen Die Auswahl der geeigneten Wundauflage orientiert sich Schaumverbände, Hydropolymere Starke Exsudation daran, wie viel Exsudat austritt (siehe Tabelle 1). Auf Lokaltherapeutika (z.B. Povidon-Jod: Betaisodona® u.a., H2O2) sollte weitgehend verzichtet werden. Lediglich infizierte eitrige Wunden mit hoher Keimdichte und allen Infektionszeichen müssen desinfiziert werden. Bitte keine Polypragmasie, denn für das Ausprobieren vieler Behandlungsmöglichkeiten und Lokaltherapeutika gibt es keine Evaluation. Die Behandlung einer Nr. 3 / 2008 KVH • aktuell Seite 5 chronischen Wunde braucht Zeit, um über Erfolg und Misserfolg entscheiden zu können. Wichtig ist eine Dokumentation (am besten mittels Fotos), die den Therapieverlauf zeigt. Lokale Antibiotika haben sich nicht bewährt, sie wirken oft allergen und können die Granulation behindern. Salben verhindern grundsätzlich den Sekretabfluss und Farbstofflösungen färben die Wunde, so dass die Beurteilung erschwert wird. Farbstoffe können zudem zelltoxisch wirken. Eine Wundspülung kann mit isotonischer Kochsalzlösung erfolgen. Spezielle antiseptische Wundspüllösungen wie Lavasept® und Prontosan® werden zwar als geeignet angesehen, sie sind aber keine Kassenleistung (siehe weiter unten). Eine Wundspülung (cave H2O2!) ist nur bei viel Exsudat in der Reinigungsphase nötig. Ansonsten stört die Wundspülung nur die Wundruhe. Es sollte alles unterlassen werden, was die Wundgranulation, die meist von den Wundrändern ausgeht, behindern kann. Treten beim Allgemeinbefinden des Patienten keine Veränderungen wie Fieber, vermehrte Schmerzen, Kachexie auf und deutet auch die Geruchsprobe nicht auf eine Keimbesiedlung hin (E. coli riecht), dann ist eine tägliche Inspektion der Wunde mit Ablösen des Wundverbandes nicht nötig. Intervalle von drei bis zu sieben Tagen können je nach Befund sinnvoll sein. Wunde nicht zu oft inspizieren – Verband besser länger belassen Zum erfolgreichen Wundmanagement gehören auch allgemeine Maßnahmen: optimale Ernährung und optimaler Flüssigkeitsersatz zur Verhinderung von Unterernährung und Kachexie, eine Fieber- und Schmerzbekämpfung und natürlich die bestmögliche Betreuung der Grundkrankheit. Erstattungspflicht durch die gesetzlichen Krankenkassen Die Wundverbände unterliegen nicht der Apotheken- oder gar der Verschreibungspflicht, sie sind trotzdem zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig. Der Gesetzgeber formuliert im § 31 des Sozialgesetzbuches V, dass der Patient einen Anspruch auf die Versorgung mit Verbandmitteln hat. Probleme mit der Erstattungsfähigkeit gibt es bei Antiseptika (beispielsweise Octenisept®, Serasept®). Sie sind seit dem 01.01.2004 nicht mehr zu Lasten der GKV verordnungsfähig. Es gibt davon nur zwei Ausnahmen: Bei Patienten, die das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und bei Patienten mit einem Katheter – nur in diesen beiden Fällen können Antiseptika zu Lasten der Kassen verordnet werden. Wenn eine Wunde gespült werden muss, dann kann man eine isotonische Kochsalzlösung oder eine Ringerlösung als Wundspüllösung zu Lasten der GKV verordnen. Der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat formuliert, dass arzneistofffreie Injektions-/Infusions-, Träger- und Elektrolytlösungen Kassenleistung sind. Prontosan®, Lavanid® und andere so genannte „konservierte“ Wundspülungen sind dagegen nicht verordnungsfähig. Wirtschaftlichkeit Wie steht es mit der Wirtschaftlichkeit bei der Verordnung der „modernen“ Wundauflagen? Einen vollständigen Überblick über die moderne Produktpalette zu geben, ist unmöglich, so sagen selbst die Experten. Es gibt viele Firmen, die sehr ähnliche Produkte vertreiben und diese zu sehr unterschiedlichen Preisen anbieten. Der Hausarzt ist gut beraten, wenn er mit einem kleinen Sortiment arbeitet, statt sich in „Materialschlachten“ zu verrennen. Die Tabellen auf den folgenden Seiten können bei der Zusammenstellung eines solchen Sortiments Antiseptika sind nur ausnahmsweise verordnungsfähig KVH • aktuell Seite 6 Nr. 3 / 2008 helfen. Die Kosten für Wundauflagen – das muss beachtet werden – gehen in die Richtgrößenstatistiken ein. In folgende Kategorien können die Produkte unterteilt werden: – Hydrokolloide – Alginate – Hydrogele – Schaumverbände – Polymere/hydropolymere Wundauflagen – Semipermeable Folienverbände – Aktivkohle-Wundverbände – Silberhaltige Wundauflagen. „Moderne“ Wundverbandstoffe, eine Auswahl Tabelle 2: Diverse Hydrogel-Verbände und ihre Preise Hydrogel Hersteller Menge Preis € NU-GEL Johnson & Johnson 10 x 15 g 55,85 Urgo hydrogel Urgo 10 x 15 g 53,45 Varihesive Hydrogel ConvaTec 10 x 15 g 58,90 Suprasorb G Lohmann & Rauscher 10 x 20 g 76,18 Hydrogele (siehe Tabelle 2) werden bei trockenen Wunden mit Nekrosen, zum Abtragen der Nekrosen, und bei Wunden mit geringer Sekretion zum Feuchthalten der Wunde eingesetzt. Die Zusammensetzung der Produkte ist je nach Hersteller etwas unterschiedlich. Quelle: Lauer-Taxe 15.12.2007 Zu häufiger Wechsel eines Hydrokolloids ist unwirtschaftlich Hydrokolloidverbände (siehe Tabelle 3 auf der gegenüberliegenden Seite) bestehen aus Polyurethanabdeckungen, die für Gase und Wasserdampf durchlässig sind. Durch den Kontakt mit dem Wundsekret quillt der Hydrokolloidverband auf. Es entsteht eine Blase, die jeden Tag größer wird. Wenn die Blase ausläuft, muss der Verband gewechselt werden. Beim Verbandwechsel verbleibt eine Gelschicht auf der Wunde, die man nicht mit Eiter verwechseln sollte. Sie kann belassen werden, um die Wundgranulation nicht zu stören. Indikation: saubere und wenig sezierende Wunden. Sondert die Wunde zu viel Sekret ab und löst sich der Verband schon nach ein bis zwei Tagen ab, dann sollte zu einer anderen Wundauflage gewechselt werden. Einen Hydrokolloidverband zweimal oder gar mehrmals am Tag zu wechseln, entspricht nicht den Vorgaben, die der Verband erfüllen soll. Eine solche Versorgung ist unwirtschaftlich. Durch den Hydrokolloidverband soll die Wunde Ruhe zur Heilung haben. Vier bis sieben Tage kann der Verband deshalb auf der Wunde verbleiben. Der Verband muss größer als die Wunde sein und diese mindestens 1 cm nach allen Seiten überdecken. Silberhaltige Wundauflagen (siehe Tabelle 4 auf der gegenüberliegenden Seite) haben bakterizide Wirkungen bei fast allen Bakterien und Pilzen. Mit Proteinen der Keime bilden die Silberionen Komplexe, dadurch wird die Zellmembran aufgelöst und der Zelltod resultiert. Aufgrund des hohen Preises sollten sie nur gezielt eingesetzt werden, z.B. in der Palliativmedizin. Dafür muss der Pflegedienst sorgen, das darf nicht auf das Kassen-Rezept Was sollte der Pflegedienst vorhalten? Jeder Pflegedienst muss pro Verbandwechsel folgende Materialien einbringen, die die Krankenkassen nicht gesondert erstatten, die aber auch nicht verordnungsfähig sind: – Einmalhandschuhe (steril oder unsteril) – Einmalschürze – Händedesinfektionsmittel – Krankenunterlagen – sterile Einmalinstrumente KVH • aktuell Nr. 3 / 2008 Seite 7 Tabelle 3: Diverse Hydrokolloidverbände und ihre Preise Hydrokolloidverband Hersteller Stückzahl Größe (cm2) Preis € Algoplaque URGO 10 10 x 10 55,60 Algoplaque Film URGO 10 10 x 10 44,95 Askina Biofilm Transparent BRAUN 10 10 x 10 45,00 Askina Hydro BRAUN 10 10 x 10 55,00 CombiDERM ConvaTec 10 12,5 x 12,5 114,92 CombiDERM N ConvaTec 10 14 x 14 103,48 Comfeel Plus Coloplast 10 10 x 10 56,00 Comfeel Transparent Coloplast 10 10 x 10 45,00 Hydrocoll Paul Hartmann AG 10 10 x 10 56,50 Hydrocoll Thin Paul Hartmann AG 10 10 x 10 51,00 Nobacolloid Noba 5 10 x 10 27,25 Nobacolloid transparent Noba 5 10 x 10 21,95 Nuderm Johnson & Johnson 10 10 x 10 51,19 Incare Restore Hollister 5 10 x 10 22,75 Incare Restore CX spezial Hollister 5 10 x 10 22,75 Suprasorb H standard Lohmann & Rauscher 10 10 x 10 54,59 Suprasorb H dünn Lohmann & Rauscher 10 10 x 10 45,94 SureSkin II Border Medi Bayreuth 10 10 x 10 89,00 SureSkin II Thin Medi Bayreuth 10 10 x 10 69,00 Sure Skin II Standard Medi Bayreuth 5 10 x 10 49,00 Tegasorb 3M Medica 5 10 x 10 26,50 Tegasorb THIN 3M Medica 5 10 x 10 26,90 Traumasive plus Hexal 10 10 x 10 42,41 Traumasive Film Hexal 10 10 x 10 36,34 Ultec pro Covid 5 10 x 10 45,65 Ultec pro Border Covid 5 10 x 10 72,90 Varihesive E ConvaTec 10 10 x 10 55,64 Varihesive E Border ConvaTec 5 10 x 10 37,34 Quelle: Lauer-Taxe 15.12.2007 Tabelle 4: Silberhaltige Wundauflagen und ihre Preise Silberhaltige Wundauflagen Hersteller Acticoat Smith & Nephew 12 Acticoat 7 Smith & Nephew Acticoat absorbent Smith & Nephew Actisorb Silver 220 Johnson & Johnson 10 10,5 x 10,5 60,73 Aquacel Ag ConvaTec 10 10 x 10 76,12 Contreet Coloplast 5 10 x 10 33,75 Silvercell Johnson & Johnson 10 11 x 11 74,09 Quelle: Lauer-Taxe 15.12.2007 Stückzahl Größe (cm2) Preis € 10 x 10 176,50 5 10 x 12,5 176,50 5 10 x 12,5 110,20 KVH • aktuell Seite 8 Nr. 3 / 2008 Nicht empfehlenswerte Verbände Prinzipiell kann ein feuchter Wundverband auch z. B. mit in Ringer-Lösung getränkten sterilen Kompressen durchgeführt werden. Ein Nachteil ist jedoch die Gefahr der Austrocknung des Verbandes und der Wunde, da nur schwer ein kontinuierlich feuchtes Wundmilieu zu gewährleisten ist. Dies führt in der Regel zu häufigen und u. U. durch das „Kleben“ des Verbandes an der Wunde auch zu traumatischen Verbandwechseln. Die gerade frisch begonnene Granulation vom Wundrand her wird dabei wieder abgerissen und zerstört. Bedeutung für unsere Praxis Bei korrekter Anwendung kann auch ein teurer Verband unterm Strich kostengünstig sein Was folgt daraus für unsere Praxis? Die Industrie bietet mit den so genannten „modernen“ Wundverbandstoffen unterschiedliche Materialien an, die für alle Phasen der Wundheilung ein kontinuierlich feuchtes Wundmilieu gewährleisten. Je nach Wundstadium und der damit verbundenen Sekretproduktion ermöglichen sie entweder eine große Sekretaufnahme (z. B. mit Hydrokolloiden, Hydropolymeren, Schaumverbänden) oder eine Wundbefeuchtung (z. B. mit Hydrogelen). Vorteilhaft wirkt sich bei der Anwendung zudem aus, dass eine Gewebemazeration der umliegenden Haut vermieden wird, die Verbände mehrere Tage auf der Wunde verbleiben können, durch das kontinuierlich feuchte Wundmilieu ein atraumatischer Verbandwechsel ermöglicht wird und durch solche Verbände oftmals die Beweglichkeit und Sozialfähigkeit des Patienten verbessert werden kann. Nach gründlicher Wundreinigung ist eine Wundbehandlung immer individuell auf ihre Anwendbarkeit und Verträglichkeit bei dem Patienten zu prüfen, da jede Wunde, jeder Heilverlauf und jede Grundkrankheit andere Maßnahmen notwendig werden lassen kann. Bei der Berechnung der Gesamtkosten ergibt sich zudem ein Vorteil durch die Anwendung der „modernen“ Wundverbände (Verbandmaterialien, beim pflegerischem Aufwand, bei selteneren Verbandwechseln und durch kürzere Verläufe bis zur Abheilung). Interessenkonflikte: keine Für Sie gelesen Studie in 40 Praxen zeigt beim akuten Hexenschuss: Paracetamol und Bewegung sind die beste Therapie Dr. med. Alexander Liesenfeld Neben der medikamentösen Behandlung und der physikalischen Therapie geben die meisten Hausärzte leitlinienkonform Hinweise in Bezug auf Verhaltensmaßregeln bei Hessenschuss; diese sind: Bewegen ohne Belastung mit Erhalten der täglichen Aktivität Bettruhe meiden Beruhigung: Information über die gute Prognose bei akuter Lumbago. Zuvor müssen selbstverständlich schwerwiegendere Erkrankungen ausgeschlossen werden (siehe Kasten „Red Flags“ auf der gegenüberliegenden Seite). Medikamentös wird bei unkomplizierten Rückenschmerzen der LWS in vielen angelsächsischen Ländern (im Gegensatz zu Deutschland) vor den NSAR Paracetamol als Mittel der ersten Wahl gegeben. Wegen möglicher schwerwiegender Nebenwir- Nr. 3 / 2008 KVH • aktuell Seite 9 kungen beim Einsatz der NSAR (die i.m.-Injektion ist obsolet) sollte im Vergleich zu Paracetamol eine signifikant bessere Effektivität wissenschaftlich begründet sein. Ob dies tatsächlich so ist, sollte eine randomisierte kontrollierte Studie [1] in 40 australischen Praxen zeigen. Alle Patienten mit akuten, weniger als sechs Wochen andauernden Rückenschmerzen im LWS-Bereich wurden gefragt, ob sie an dieser Studie mit folgender Fragestellung mitmachen wollten: Verkürzen Diclofenac und/oder manuelle Therapie zusätzlich zu Paracetamol und Aktivität die Krankheitsdauer? Ausschlusskriterien waren: frühere Schmerzepisoden im LWS-Bereich ohne schmerzfreies Intervall von mindestens einem Monat, d.h. in den letzten vier Wochen keine Lumbago gesicherte oder vermutete Erkrankung innerhalb des Spinalkanals Nervenkompressionssyndrome (mit mindestens zwei der folgenden Symptome: muskuläre Schwäche, dermatombezogener Sensibilitätsverlust oder Hyporeflexie an der unteren Extremität) Einnahme von NSAR Chiropraktische Intervention OP im Bereich der LWS in den letzten sechs Monaten Kontraindikationen für Paracetamol, Diclofenac oder manuelle Therapie. 240 Patienten wurden in vier Gruppen randomisiert: Gruppe 1: Diclofenac und manuelle Therapie Gruppe 2: Diclofenac und „Schein-manuelle Therapie“ Gruppe 3: Placebo und manuelle Therapie Gruppe 4: Placebo und „Schein-manuelle Therapie“ Ergebnis: Diclofenac und manuelle Therapie sind nicht besser als Paracetamol Die Basistherapie bestand aus 3 x 1g Paracetamol pro Tag und Bewegung ohne Belastung. Weder Diclofenac und manuelle Therapie zusätzlich, noch Diclofenac alleine oder manuelle Therapie alleine brachten im Vergleich zu der genannten Basistherapie Die Red Flags: Hier sollten Sie hellhörig werden! Bevor Rückenschmerzen als akute unkomplizierte Lumbago behandelt werden, müssen schwerwiegendere Krankheitsbilder ausgeschlossen werden. Bei den folgenden „Red Flags“ ist daher besondere Aufmerksamkeit nötig: Das Cauda-Equina-Syndrom (Reithosenanästhesie mit oder ohne Blasen- und Mastdarmstörung) Schmerzen im Bereich mehrerer Nervenwurzeln Ausgeprägte neurologische Ausfälle, z.B. Reflexauffälligkeiten, motorische und sensible Ausfälle im Bereich eines Dermatoms Trotz konservativer Therapie stärkere, nicht bewegungsabhängige Schmerzen oder längere Persistenz der Beschwerden Bekanntes Malignom Immunsuppression Alter <20 Jahre oder >50 Jahre Schlechter Allgemeinzustand Fieber (z.B. als Hinweis auf eine Infektion, z.B. auch Tuberkulose, Abszess) Fraktur möglich, Unfall in der Vorgeschichte Intravenöser Drogenabusus HIV-Infektion Systemische Steroideinnahme bei Rheuma, Asthma oder COPD (WS-Sinterungsfraktur) Bekannte Osteoporose (WS-Sinterungsfraktur) Hinweise auf entzündlich rheumatische Erkrankungen. KVH • aktuell Seite 10 Nr. 3 / 2008 eine signifikante Verkürzung der Krankheitsdauer. Die Krankheitsdauer aller Patienten der Gruppen eins bis vier unterschied sich nur um wenige Prozent. Die mittlere Krankheitsdauer unabhängig von der Behandlung betrug zwei bis drei Wochen. Bedeutung für unsere Praxis Statt NSAR besser Paracetamol geben Paracetamol wird in Deutschland eher selten bei Hexenschuss gegeben. Die vorliegende Untersuchung zeigt jedoch eindeutig, dass Diclofenac keine Verbesserung im Vergleich zu Paracetamol alleine bewirkt. Da das Nebenwirkungsprofil von Paracetamol (außer bei Überdosierungen – siehe untenstehenden Kurzbeitrag) deutlich besser ist und auch bei Schwangeren und in der Stillzeit nach Rücksprache mit dem Gynäkologen gegeben werden kann, sollten die Ergebnisse dieser sorgfältig durchgeführten Studie zum Umdenken in unserer hausärztlichen Tätigkeit führen! Insbesondere bei älteren Patienten mit Multimedikation ist von der Gabe von NSAR abzusehen und auf das alleine genauso gut wirksame Paracetamol umzusteigen. In einem Begleitkommentar im gleichen Heft des Lancet [2] wird dieses Problem verallgemeinert. Wenn die NSAR gegenüber Paracetamol keine bessere Wirksamkeit bei Lumbago haben, kann das nebenwirkungsärmere Medikament auch bei anderen nicht entzündlichen Erkrankungen des Bewegungsapparates eingesetzt werden! Für den ärztlichen Alltag bedeutet dies, dass man auch Patienten mit anderen nicht rheumatischen muskulären, knöchernen oder Gelenkerkrankungen zunächst mit Paracetamol (ggf. intravenös) therapieren kann. Interessenkonflikte: keine Literatur: 1 Hancock MJ et al.: Assessment of diclofenac or spinal manipulative therapy, or both, in addition to recommended first-line treatment for acute low back pain: a randomised controlled trial. Lancet 2007; 370: 1638-1643. 2 Bart WK: Evidence-based management of acute low back pain. Lancet 2007; 370: 1595-1596. Anmerkung: Paracetamol kann für Patienten, die das 12. Lebensjahr vollendet haben, nur zur Behandlung schwerer und schwerster Schmerzen in Co-Medikation mit Opioiden zu Lasten der GKV verordnet werden (Arzneimittel-Richtlinien). Ansonsten kommt ein grünes Rezept in Frage. Paracetamol: Auf die Gesamtdosis kommt es an Das Nebenwirkungsprofil von Paracetamol ist günstiger als das der NSAR. Gefährlich kann allerdings die Überdosierung werden – hier drohen Leberschäden. Dies ist insofern wichtig, als Paracetamol in vielen frei verkäuflichen Präparaten enthalten ist, die Patienten sich zusätzlich besorgen und einnehmen können und denen man nicht auf Anhieb ansieht, dass sie Paracetamol enthalten. Darüber muss man ggf. mit den Patienten sprechen. Die empfohlene maximale Tagesdosis (verteilt auf vier Einzeldosen), die Apotheker beim Kauf Paracetamol-haltiger Präparate empfehlen (sollten), liegen für Jugendliche und Erwachsene bei 4000 mg. Hier der Vollständigkeit halber auch die Dosen für Kinder: Säuglinge (bis 6 Monate / bis 7 kg KG) max. 375 mg/d (Suppositorien) max. 350 mg/d (Saft) Säuglinge (bis 12 Monate / bis 10 kg KG) max. 500 mg/d Kinder (bis 3 Jahre / bis 15 kg KG) max. 750 mg/d Kinder (bis 6 Jahre / bis 22 kg KG) max. 1000 mg/d Kinder (bis 9 Jahre / bis 30 kg KG) max. 1500 mg/d Kinder (bis 12 Jahre / bis 40 kg KG) max. 2000 mg/d max. 1500 mg/d (Suppositorien) Nr. 3 / 2008 KVH • aktuell Aktualisierte Hypertonie-Leitlinien Einige Anmerkung Seite 11 Für Sie gelesen Dr. med. Günter Hopf Die neuen Leitlinien der Deutschen Hochdruckliga und der Deutschen Hypertonie Gesellschaft wurden auf dem Internationalen Hypertonie Kongress Mitte Juni 2007 in Berlin vorgestellt. Sie sind abrufbar unter www.paritaet.org./RR-Liga/Leitlinien-Therapie2007.pdf. Die Empfehlungen sind grundsätzlich nachvollziehbar und bieten Therapiekonzepte, die für Ärztinnen und Ärzte in der Praxis eine Richtschnur sein können. Insbesondere die Diskussion der Ergebnisse neuerer Studien ist überwiegend überzeugend, so dass eine Durchsicht dieser Leitlinie also durchaus empfohlen werden kann. Positive Aspekte Klassifizierung der Hypertonie Die alleinige numerische Gradeinteilung der Hypertonie wurde verlassen und eine für Patienten besser verständliche verbale Definition der einzelnen Stadien hinzugefügt (siehe Tabelle 1). Kardiovaskuläres Gesamtrisiko Tabelle 1: So wird die Blutdrucksituation klassifiziert In Abhängigkeit von vorhandenen Risiko- Kategorie Systolisch faktoren u.a. (mm Hg) Rauchen, abdominelles Übergewicht, optimal < 120 Dyslipidämie, Diabetes mellitus, neu: normal 120 - 129 C-reaktives Protein, 130 - 139 Anzeichen für Endorganschäden wie hochnormal Mikroalbuminurie, leichte Serum-Krea- Hypertonie Grad 1 (leicht) 140 - 159 tininerhöhung oder Retinablutungen, Hypertonie Grad 2 (mittelschwer) 160 - 179 Zeichen für Begleiterkrankungen wie Hypertonie Grad 3 (schwer) ≥ 180 Anstieg des Serumkreatininins über 1,5 ≥ 140 mg/dl, Proteinurie, Retinablutungen/ Isolierte systolische Hypertonie Papillenödem, wird den unterschiedlichen Hypertoniegraden ein leicht erhöhtes, mäßig erhöhtes, hohes oder sehr hohes kardiovaskuläres Risiko zugeordnet, je nachdem, ob über die folgenden zehn Jahre z.B. das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen weniger als 14 Prozent, 15 bis 20 Prozent, 20 bis 30 Prozent oder mehr als 30 Prozent entsprechend den Kriterien der Framingham-Studie beträgt. Die Höhe des systolischen und diastolischen Blutdruckes und das kardiovaskuläre Gesamtrisiko des Patienten bestimmen den Beginn einer antihypertensiven Behandlung – jedoch erst dann, wenn eine Veränderung der Lebensweise fehlgeschlagen ist. Blutdrucksenkung ist mit allen Antihypertensiva erreichbar Primär kommt es auf die Senkung des Blutdruckes an und erst in zweiter Linie auf das jeweilige Antihypertensivum. Als Ziel der Blutdrucksenkung werden allgemein Werte unter 140/90 mm Hg, bei Diabetes und Niereninsuffizienz unter 130/80 mm Hg empfohlen. Hochdrucktherapie in der Schwangerschaft Neben den Empfehlungen zur Hochdrucktherapie spezieller Patientengruppen Diastolisch (mm Hg) < 80 80 - 84 85 - 89 90 - 99 100 - 109 ≥110 < 90 KVH • aktuell Seite 12 Nr. 3 / 2008 (Diabetiker, ältere Patienten, zerebrovaskuläre Erkrankungen, Herzerkrankungen, eingeschränkte Nierenfunktion) hat die differenzierte Darstellung der unterschiedlichen Hochdruckformen in der Schwangerschaft bzw. Stillzeit und ihre Therapie überzeugt. Hochdruckformen: schwangerschaftsunabhängige arterielle Hypertonie schwangerschaftsbedingte Hypertonie ohne Proteinurie (Gestationshypertonie) schwangerschaftsbedingte Hypertonie mit Proteinurie (Präklampsie, Gestose) schwangerschaftsunabhängige Hypertonie mit erstmaliger Proteinurie nach der 20. Schwangerschaftswoche (Propfpräeklampsie, Propfgestose). Therapie: Notfallmäßig werden stationär Methyldopa oder Nifedipin eingesetzt (über 170/110 mm Hg), Substanzen zur Langzeittherapie sind weiterhin AlphaMethyldopa, mit Abstrichen Beta-1-selektive Betablocker und Kalziumantagonisten. In der Stillzeit gelten Alpha-Methyldopa und Dihydralazin als Mittel der Wahl. „Prähypertonie“ nicht berücksichtigt Industriefreundliche „Prähypertonie“ wurde eliminiert Hersteller haben sich – auch mit Hilfe medizinischer „Sprachrohre“ – ein neues Betätigungsfeld für Indikationsausweitungen (früher in Einzelfällen: Schaffung vollständig neuer Krankheitsbilder wie das angeblich Antidepressiva-bedürftige so genannte „Sissy-Syndrom“) und damit Umsatzsteigerungen ihrer Produkte einfallen lassen: „Prädiabetes, Prächolesterinämie, Prähypertonie“ sind einige der Schlagworte. In den USA wurde der Begriff „Prähypertonie“ geprägt, der den Blutdruckbereich von 120 – 139 mm Hg systolisch und 80 – 89 mm Hg diastolisch umfassen soll. Die deutschen Gesellschaften sind den amerikanischen Leitlinien nicht gefolgt und haben auch den früher verwandten Ausdruck „Grenzwerthypertonie“ nicht mehr aufgenommen. Studienkritik Die Gesellschaften kommen zu der Erkenntnis, dass randomisierte Therapiestudien in ihrer Aussagefähigkeit beschränkt sind. Sie bilden aufgrund ihrer Auswahlkriterien und oft „weichen Endpunkte“ nicht die große Mehrheit der Patienten mit unkompliziertem Bluthochdruck ab. Auch mangelt es an direkten Vergleichen von Vertretern einer Substanzgruppe untereinander. Kombinationstherapie versus Monotherapie Die positiven Ausführungen zur Monotherapie zu Beginn einer Behandlung sind zu begrüßen, da selbst bei einer Hypertonie Grad 2 und 3 noch eine Monotherapie erfolgreich sein kann (zu 25 – 40 Prozent). Leider wird die Aussage wieder relativiert, wenn danach auf das „zeitraubende Vorgehen“ und eine erhebliche „Belastung der Arzt-Patient-Beziehung“ bei einem Monotherapiebeginn hingewiesen wird. Eher kritisch zu hinterfragen Ergebnisdarstellung Die Darstellung der Studienergebnisse in Prozenten (oder noch fragwürdiger: die Angabe des relativen Risikos) ist wissenschaftliche Schönfärberei. Da es sich um Leitlinien für Fachkreise handelt, sollten absolute Zahlen und immer auch die Größe der Studienpopulation angegeben werden. Wie sinnvoll ist z.B. eine 30 Prozent Reduktion irgendeines Risikos, wenn statt 10 nur 7 von 10.000 Patienten betroffen sind? Nur zur überhöhten positiven Darstellung für einen Patienten scheinen derartig übertrieben Effektzahlen einen therapeutischen Sinn zu ergeben. Im Nr. 3 / 2008 KVH • aktuell Seite 13 Umgang mit Kollegen bleibt, insbesondere bei der Darstellung des relativen Risikos, der Geruch von Industrienähe. Reihenfolge der empfohlenen Lebensstiländerungen Ohne Zweifel gehören Rauchen und exzessives Trinken zu den wichtigsten Riskofaktoren für Erkrankungen. Körperliche Bewegung und Sport – beides führt zu einer Gewichtsreduktion – sollten in der Aufstellung dennoch höher angesiedelt werden. Insbesondere scheinen die Auswirkungen regelmäßiger körperlicher Aktivität nicht nur auf die Höhe des Blutdruckes, sondern auch auf den gesamten Körper und auf die Lebensqualität unterschätzt zu werden. Optimal sind – wie Japaner es empfehlen – jeden Tag mindestens 10.000 Schritte. Die Warnungen hinsichtlich isometrischer Kraftanstrengungen wie Gewichtheben sind wiederum zu begrüßen. Diuretikaeinsatz Diuretika werden ohne entscheidenden Hinweis auf die tägliche maximale Dosis (z.B. maximal 25 mg Chlorthalidon, besser: 12,5 mg) generell als negativ hinsichtlich des Auftretens eines Diabetes (oder mehrfach von entsprechenden Meinungsbildnern als verantwortlich für Elektrolytstörungen) dargestellt. Die hohe blutdrucksenkende Potenz von Thiaziddiuretika (vor allem als Kombinationspartner) in entsprechend niedriger Dosierung empfehlen deren Einsatz weiterhin für eine primäre Therapie. Besser gehen als Gewichte heben; optimal: 10.000 Schritte pro Tag Diuretika:niedrige Dosis entscheidend Spekulation zugunsten von AT1-Blockern Eine vermutete Überlegenheit von AT1-Blockern gegenüber anderen Antihypertensiva in der Therapie von Komplikationen bei Risikopatienten ist derzeit noch Spekulation und sollte – trotz späterer Relativierung – in Leitlinien unterbleiben, ebenso wie es aufgrund ungenügender Langzeitergebnisse noch zu früh ist, eine doppelte Blockade des Renin-Angiotensin-Systems zu empfehlen. Therapieprinzip der Wahl bei entsprechender Indikation sind ACE-Hemmer, sodass AT1-Blocker immer erst an zweiter Stelle empfohlen werden sollten. Persönliche Ergänzungen Für eine rationale und wirtschaftliche Therapie einer Hypertonie empfehlen sich: 1. Wiederholt auf erforderliche Lebenstiländerungen hinweisen 2. Eine Hypertonietherapie ist geprägt durch individuelles Vorgehen, u.a. mit der Frage: was ist einem Patienten zuzumuten? 3. Mit einer Monotherapie beginnen (im Alter und bei entsprechender Blutdruckhöhe wäre auch eine niedrig dosierte Kombinationstherapie ACE-Hemmer/ Thiaziddiuretikum sinnvoll) 4. Die natürlichen Blutdruckschwankungen erlauben eine kostengünstigere Teilung von Tabletten, daher bei einer Verordnung auf Teilbarkeit des Präparates achten. 5. Der Einsatz von Generika im preislich unteren Marktsegment erlaubt ein Ankreuzen des „Aut-simile-Feldes“, d.h. der Ausschluss eines Austausches durch den Apotheker (die Bedeutungsumkehr des Ankreuzens durch das verantwortliche Ministerium war ein genialer Schachzug, der jedoch langsam von Ärztinnen und Ärzten erkannt wird). Dies kann nur Compliance-fördernd sein. Interessenkonflikte: keine Die Leitlinien im Web: www.paritaet.org./RR-Liga/Leitlinien-Therapie2007.pdf ACE-Hemmer bleiben Mittel der Wahl Seite 14 KVH • aktuell Nr. 3 / 2008 Rhinosinusitis: Antibiotika nicht besser als Placebo Dr. med. Klaus Ehrenthal Entzündungen der Nasennebenhöhlen mit Rhinitis sind in der hausärztlichen Medizin ein häufiges Ereignis. In der Regel erwartet der Patient von seinem Hausarzt die Verordnung eines Antibiotikums, was der Arzt ihm derzeit in den meisten Fällen (in Europa in 72 bis 92 Prozent der Fälle) auch aufschreibt. Da es bisher keinerlei gesicherte Erkenntnisse gibt, ob eine Antibiotikabehandlung hierbei notwendig ist, haben Forscher des Instituts für Epidemiologie der Universität Basel eine Metaanalyse von neun randomisierten, doppelt verblindeten Studien aus allgemeinmedizinischen Behandlungen von insgesamt 2.547 erwachsenen Patienten durchgeführt [1]. Dabei sollte herausgefunden werden, ob eine Antibiose die Krankheitsrate verbessern konnte. Erkrankungsdauer spielte keine Rolle Bisher wurde in verschiedenen Leitlinien meist eine Antibiotikagabe empfohlen, wenn die Erkrankung länger als sieben bis zehn Tage dauerte. Die Ergebnisse der Schweizer Epidemiologen Young et al. konnten diese Empfehlungen bei der Analyse der 2.547 Patientendaten nicht bestätigen. Die Metaanalyse enthielt allerdings nur Daten aus allgemeinmedizinischen Praxen, HNO-fachärztliche Studien waren nicht untersucht worden, was möglicherweise hochakute Verläufe ausschloss. Von allen Patienten der neun randomisierten Studien, die wegen einer Rhinosinusitis mit Antibiotika oder Placebos behandelt worden waren, wurden die ärztlichen Behandlungsdaten analysiert und die Befunde einschließlich Rhinoskopie (bei allen Patienten) und die Verläufe verglichen. Bei der Metaanalyse ließ sich kein sicheres klinisches Unterscheidungsmerkmal für eine virale oder bakterielle Ursache der Sinusitis definieren. Es wurde festgestellt, dass trotz sorgfältiger Analyse der Falldaten keine Subgruppe identifiziert werden konnte, für die eine Antibiotikagabe eindeutig gerechtfertigt gewesen wäre. Antibiotika nur bei eitrigem Sekret sinnvoll Wenn auch ältere Patienten einen eher längeren Verlauf der Erkrankung vorwiesen, so war auch hier kein Unterschied in den Behandlungsergebnissen zwischen der Gabe von Antibiotika oder Placebos nachzuweisen. Auch Symptome einer schwereren Erkrankung (starke einseitige Schmerzen, Schmerzen beim Bücken, Zahnschmerzen, Schmerzen beim Kauen, Fieber, eitriges Nasensekret) führten durch Antibiotikagabe nicht zu einem besseren Heilverlauf als mit Placebos. Aufgrund ihrer Ergebnisse halten Young et al. auch in diesen Fällen eine Antibiotikagabe nicht für erforderlich. Sie empfehlen auch bei längeren Verläufen das abwartende Beobachten („wait and see“, siehe auch [2],[3],[4]). Allerdings hielten sie bei rascher Symptomverschlechterung (hohes Fieber, periorbitales Ödem, Erythem, intensiver Gesichtsschmerz) Antibiotikagaben für indiziert. Lediglich Patienten mit eitrigem Rachen- bzw. Nasensekret hatten unter Placebobehandlung längere Verläufe und schienen durch Antibiotika einen besseren Verlauf zu haben. Hier betrug bei einer kleinen Patientenzahl die NNT mit Antibiotika 8 (Number Needed to Treat: Zahl der zu Behandelnden, bis einer von Ihnen davon einen Nutzen hat). Für den Normalfall einer Rhinosinusitis wurde von Youg et al. eine NNT von 15 errechnet. Dies rechtfertigt nach Meinung der Basler Epidemiologen nicht die Antibiotikagabe, denn von 15 Behandelten hat nur einer einen Nutzen davon. Nr. 3 / 2008 KVH • aktuell Seite 15 Allerdings war die NNH mit 190 hoch (Number Needed to Harm: Von 190 mit Antibiotika behandelten Patienten hat nur einer einen Schaden davon). Die Möglichkeit einer unbemerkten Sensibilisierung durch Antibiotika sowie einer gefährlichen Resistenzentwicklung der Erreger wurde dabei allerdings nicht berücksichtigt. Fazit für die Praxis Klinische Zeichen, die eine bakterielle Infektion von einer viralen Infektion unterscheiden lassen würden, sind nicht sicher auszumachen. Lediglich eitriges Rachenund/oder Nasensekret ist verdächtig auf eine bakterielle Erkrankung. Die primäre Therapieoption sollte bei unkomplizierter Rhinosinusitis in symptomatischer Behandlung ohne Antibiotika bestehen. („Abwartendes Offenlassen“). Abwartendes Verhalten ohne Antibiotika ist auch bei längerer Krankheitsdauer nach sieben bis zehn Tagen weiterhin sinnvoll, da ein Unterschied im Verlauf mit Antibiotika oder Placebos nicht gesehen werden konnte. Auch bei älteren Patienten sollte wegen des hier meist längeren Verlaufs geduldig abgewartet werden. Abwarten bedeutet aber auch Verlaufskontrolle, damit bei akuter Verschlechterung durch bakterielle Invasion mit antibiotischer Therapie eingegriffen werden kann. Das meist zu Grippezeiten in überfüllten Hausarztpraxen geübte Verfahren, bei Rhinosinusitis gleich ein Antibiotikum zu verordnen und dann den Patienten sich selbst zu überlassen, sollte überdacht werden, denn die Komplikationsrate änderte sich durch die antibakterielle Behandlung in der Regel nicht wesentlich. Keine Aussage kann aus der obigen Metaanalyse zur Behandlung von Kindern und Immungeschwächten gemacht werden sowie zur Art der Behandlung von chronischen eitrigen Sinusitiden. Interessenkonflikte: keine Literatur: 1 Young J, De Sutter A, Merenstein D, van Essen GA, Kaiser L, Varonen H, Williamson J, Bucher CH: Antibiotics for Adults with clinically diagnosed acute rhinosinusitis: a meta-analysis of individual patient data. The Lancet 2008;371:908-14 2 Ehrenthal K: Besser keine Antibiotikatherapie bei Virusinfektionen. KVH aktuell Pharmakotherapie 2007;12(3):18-19 3 Ehrenthal K: „Wait and see“ bei der akuten Otitis media des Kindes. Wie sinnvoll ist eine abwartende Haltung? KVH aktuell Pharmakotherapie 2007;12(1):5-7 4 Ehrenthal K: Unkomplizierte Infektionen der unteren Atemwege. Sofort antibiotisch behandeln oder abwarten? KVH aktuell Pharmakotherapie 2006;11(2):12-14 Bedeutung für unsere Praxis Seite 16 Der Gastbeitrag KVH • aktuell Nr. 3 / 2008 arriba: Neue Wege der Patientenberatung Prof. Dr. med. Norbert Donner-Banzhoff, Dr. med. Attila Altiner Immer wieder geraten wir als Hausärzte in das gleiche Dilemma. Fachgesellschaften, Industrie und „Meinungsführer“ feuern uns an, immer mehr Menschen mit lipid- und blutdrucksenkenden Mitteln zu versorgen, um immer niedrigere Zielwerte zu erreichen. Wenn wir das jedoch ernst nehmen, sind Wirtschaftlichkeits-Prüfung und Regress kaum noch zu vermeiden. arriba will Ihnen helfen, diesen Widerspruch zu lösen, und zwar indem Sie den Patienten informieren und mitentscheiden lassen. Fast zehn Jahre Entwicklung stecken in dieser Beratungshilfe, vielfältige Erprobung in der Praxis, Hunderte von Rückmeldungen engagierter Hausärzte. Wir geben hier eine praxisbezogene Einführung (Software, druckbare Beratungshilfen und Hintergrundinformationen sind kostenfrei erhältlich unter www.arriba-hausarzt.de). Um gleich mit einem Beispiel einzusteigen: Frau Sorge, 47 Jahre alt, Hausfrau, Mutter von zwei fast erwachsenen Kindern, ist seit etwas über zehn Jahren in Ihrer hausärztlichen Betreuung. Sie neigt dazu, bei Beschwerden recht früh zu kommen, weil sie eine ernste Erkrankung ausgeschlossen wissen möchte. Sie achtet sehr auf ihre Gesundheit, ernährt sich vernünftig und geht öfter an die frische Luft. Gravierende Erkrankungen sind weder bei ihr noch in der Familie bekannt. Vor einigen Monaten hat Frau Sorge ein Plakat gesehen, das zur Cholesterinmessung aufrief. In der Apotheke ergab sich ein erhöhter Wert; ihr wurde geraten, den Hausarzt aufzusuchen. Sie haben in Ihrer Praxis folgendes Risikoprofil erstellt: Gesamt-Cholesterin: 260 mg/dL, HDL-Cholesterin: 41 mg/dL, Blutdruck: 138/64 mm Hg, Nichtraucherin. Nach mehrfacher Beratung in Bezug auf den Lebensstil (Ernährung, körperliche Bewegung) messen Sie ähnliche Cholesterin-Werte; Sie haben das Gefühl, die Sache ist ausgereizt. Frau Sorge macht sich auch deshalb Sorge, weil ein guter Freund der Familie kürzlich an einem Herzinfarkt verstorben ist. Die Frage „Muss ich jetzt cholesterinsenkende Tabletten einnehmen?“ ist bei ihr also durchaus angstbesetzt. Natürlich wäre es jetzt einfach, Frau Sorge Simvastatin aufzuschreiben. Aber Sie haben das Bauchgefühl, dass sie von dem Medikament jetzt noch nicht viel hat. arriba hilft Ihnen, dieses „Bauchgefühl“ zu untermauern, indem die Wahrscheinlichkeit künftiger Erkrankungen (Herzinfarkt, Schlaganfall) abgeschätzt und dem Patienten anschaulich gemacht wird. Das Vorgehen nach arriba lässt sich in die folgenden Schritte gliedern, wobei die Abkürzung „arriba“ hier gleichzeitig eine Erinnerungshilfe darstellt. Sie werden merken, dass im Gespräch mit dem Patienten sich jeder Schritt ganz logisch aus dem vorigen ergibt; mit der Software auf Ihrem PC oder dem Risikokalkulations-Bogen in der Hand wird Ihnen die Beratung bald ganz glatt und elegant gelingen: a ufgabe gemeinsam definieren r isiko subjektiv r isiko objektiv i nformation über Präventionsmöglichkeiten b ewertung der Möglichkeiten a bsprache über weiteres Vorgehen 1. Aufgabe gemeinsam definieren Die Anlässe für eine arriba-Beratung können sehr verschieden sein. Gut ge- Nr. 3 / 2008 KVH • aktuell Seite 17 eignet ist natürlich das abschließende Gespräch bei der Gesundheitsuntersuchung (Check ab 35), da hier die nötigen Daten komplett vorliegen und Sie in der Regel etwas mehr Zeit haben als sonst. Auch wenn Sie das Gefühl haben, Ihr Patient trägt die Behandlung nur halbherzig mit, kann dies ein geeigneter Anlass sein, die laufende Therapie zu überdenken. Die Einladung an den Patienten zum Gespräch geschieht am besten implizit. „Wir sollten das miteinander überlegen“, dazu der Hinweis auf die arriba-Software am Bildschirm, oder das Risikofaktoren-Formular (Papierversion) – dann macht eigentlich Abbildungen: jeder mit. Sie erläutern Ihrem Patienten, dass es hier nicht mehr nur um einzelne Risikofaktoren geht (außer bei extremen Abweichungen). Vielmehr geht es um das Gesamtrisiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle, also das Zusammenspiel der Abb. 1: einzelnen Risikofaktoren. 2. Risiko subjektiv Dieser zweite Schritt ist echte Hausarzt-Medizin; damit unterscheidet arriba sich von allen anderen Risikorechnern, die eben nur Risikorechner sind. Sie versuchen herauszubekommen, was Ihr Patient zum Thema weiß; unter Erkrankungen wie „Schlaganfall“ oder „Herzinfarkt“ stellen sich unsere Patienten nicht unbedingt das Gleiche vor wie wir. Aber es geht auch um die emotionalen Aspekte: wie werden diese Erkrankungen bewertet? Für wie gefährdet hält sich Ihre Patientin? Während der arriba-Beratung kommen die Ängste und Befürchtungen, aber auch die Hoffnungen und Abb. 1: Die Risikoprognose für Frau Sorge. Erfahrungen unserer Patienten mit ins Spiel. 3. Risiko objektiv Jetzt erstellen Sie die Risikoprognose für Ihren Patienten. Dazu benötigen Sie Alter und Geschlecht Ihres Patienten, systolischen Blutdruck, Gesamt- und HDL-Cholesterin. Vorzugsweise benutzen Sie dazu die arriba-Software, oder Sie drucken die Berechnungshilfen auf Papier aus. Wenn Sie die Daten eingegeben haben, erscheint in Zahlen (Prozent) und als orangefarbener Balken die Prognose für Ihren Patienten: Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall in den nächsten zehn Jahren (siehe auch Abb. 1). Übrigens hilft Ihnen arriba auch bei der Beratung in der Sekundärprävention; Sie können angeben, ob eine manifeste „arteriosklerotische Erkrankung“ vorliegt. In diesem Fall befindet sich Ihr Patient automatisch in der Hochrisiko-Gruppe. Die optische Demonstration des Risikos ist eine besondere Spezialität von arriba. Sie können dabei zwischen drei verschiedenen Darstellungen wählen: Smileys, Balken (Histogramm) und Perzentilen. Bei den letzten beiden ist jeweils -8ein Vergleich mit Durchschnittswerten der Bevölkerung möglich. Diese Berechnungen beruhen auf der Framingham-Formel, die wir auf die europäische Situation angepasst haben; außerdem haben wir den Schlaganfall als Zielerkrankung eingearbeitet. Wenn Sie arriba in diesem Sinne anwenden, So werden Sie allen Leitlinien gerecht Seite 18 KVH • aktuell Nr. 3 / 2008 tun Sie ganz nebenbei das, was sämtliche Leitlinien heute fordern: das Gesamtrisiko in den Mittelpunkt zu stellen und nicht mehr Mess-Kosmetik mit einzelnen Risikofaktoren zu betreiben. 4. Information über Präventionsmöglichkeiten Der Patient sieht sofort, was ein Medikament bewirkt Als nächstes diskutieren Sie mit Ihrem Patienten, was getan werden könnte. Dazu können Sie mit arriba verschiedene Optionen durchrechnen: Verhaltensänderungen (Rauchstopp, mehr körperliche Aktivität, Ernährungsumstellung) und die wichtigsten Medikamente (Statin, ASS, Blutdrucksenkung). Die Effekte zeigen sich sehr schön durch Smileys, die wieder lächeln, oder durch Farbveränderungen der Balken. Die Wirkung mehrerer Maßnahmen gleichzeitig lässt sich ebenfalls demonstrieren. Damit wird dem Patienten eindrucksvoll vor Augen geführt, wie viele der für die nächsten zehn Jahre prognostizierten kardiovaskulären Ereignisse sich durch die jeweilige Maßnahme verhindern lassen. Im Fall von Frau Sorge ist dies kaum relevant; sie hat mit Drei von Hundert eine so günstige Prognose für die nächsten zehn Jahre, dass sich hier präventive Effekte kaum darstellen lassen (siehe Abb. 1 auf der vorigen Seite). Sehen wir uns doch Herrn Süß an, bei dem sich ganz andere Probleme ergeben. Herr Süß, 61 Jahre alt, ist Ihnen über viele Jahre eigentlich nur aus den Erzählungen seiner Ehefrau bekannt: er geht eben nicht gerne zum Arzt. Vor einem Jahr haben Sie bei dem übergewichtigen, genussfreudigen und lebensfrohen Menschen einen Diabetes mellitus, ein niedriges HDL und einen systolischen Blutdruck von 156 mm Hg festgestellt. Seine Risikokonstellation: Raucher, Blutdruck: 156/98 mm Hg, GesamtCholesterin: 195, HDL-Cholesterin: 34 mg/dL, Diabetes mellitus (HbA1c = 7,8). Abb. 2: Hier sieht die Situation ganz anders aus als bei Frau Sorge; Herrn Süß‘ Prognose von gut 32 Prozent in den nächsten zehn Jahren (Abb. 2) lässt reichlich Spielraum für präventive Effekte. Der Rauchstopp wäre natürlich die physiologisch nächstliegende Maßnahme, sie lässt den Risikobalken um ein Drittel schrumpfen bzw. bringt die entsprechende Anzahl trauriger Smileys wieder zum Lächeln. Weiter geht es mit mehr körperlicher Aktivität (Sport), die das Risiko weiter senkt; es bleiben noch 13.5 Prozent übrig. Vielleicht kann jedoch Herr Süß Medikamente eher in sein Leben integrieren; die Gabe eines Statins, von ASS und der Blutdrucksenkung können Sie separat und in Kombination mit ihm durchrechnen und besprechen. Abb. 2: Risikoprognose für Herrn Süß arriba erlaubt Ihnen, sehr individuell und flexibel mit dem Patienten das weitere Vorgehen zu überlegen. arriba macht Ihnen keine „Vorschrift“, ab welcher Risikoschwelle behandelt werden „müsse“. Hier sollen sich Patient und Arzt zunächst einmal über ihre eigenen Wertvollstellungen Klarheit verschaffen. Allerdings wird ein Hinweis gegeben, Nr. 3 / 2008 KVH • aktuell Seite 19 von welchem Risiko an wir eine Diskussion über Interventionen durch Medikamente für sinnvoll halten. Dieses orientiert sich an der Schwelle, oberhalb derer wir durch Studien wissen, dass die positiven Effekte der Behandlung die negativen überwiegen. 5. Bewertung der Möglichkeiten Ermutigen Sie den Patienten, die Gründe für oder gegen die jeweilige präventive Option zu formulieren. Wenn es um Tabletten geht, stehen den vermiedenen Erkrankungen die Unbequemlichkeit, Nebenwirkungen und Kosten (Zuzahlungen) gegenüber. Für die meisten Menschen ist die erstmalige tägliche Tabletteneinnahme ein gewichtiger Schritt („jetzt bin ich für immer krank“). All diese Nachteile sind unmittelbar zu spüren; der Nutzen dagegen (absolute Risikoreduktion) ist abstrakt, meist in der fernen Zukunft und dazu noch ungewiss. Besonders wichtig ist das Abwägen von Vor- und Nachteilen bei Verhaltensänderungen, z.B. der Aufgabe des Rauchens oder vermehrter körperlicher Aktivität. Viele Menschen sind hier zwiespältig, und es macht keinen Sinn, diesen Zwiespalt mit forschem Auftreten Ihrerseits zu „lösen“. arriba ist nicht das Allheilmittel, Ihre Patienten zu einer gesunden Lebensweise zu bewegen, liefert aber eine Starthilfe für das Gespräch, indem es die Langzeitwirkung von Rauchstopp und mehr Sport aufzeigt. Das Schwerste Respekt und Offenheit sind die zentralen Begriffe der arriba-Philosophie. In der Gesprächsführung respektieren wir die Vorstellungen des Patienten, auch wenn diese nicht dem medizinischen Nonplusultra der Zeit entsprechen. Entsprechend stellen Sie die Alternativen, die sich bei Medikamenten und Verhaltensänderungen ergeben, gleichberechtigt und sachlich dar. Dazu gehört vor allem die Möglichkeit, eine bestimmte Behandlung nicht einzusetzen. Auch wer die Tablette X nicht nehmen will, bleibt in Ihrer hausärztlichen Betreuung. Nach ein oder zwei Jahren werden Sie die Risikofaktoren kontrollieren, die Berechnung wiederholen und neu überlegen, wie es weitergehen soll. Man kann darauf hinweisen, dass viele Dinge auch unter Ärzten umstritten sind – denken Sie nur an die diversen Cholesterin-Debatten der letzten 30 Jahre. Damit wird die Erwartung des Patienten an das ärztliche Expertentum relativiert und Raum geschaffen für seine eigene Meinung. Das ist übrigens das Schwerste an arriba. Wir haben oft eine dezidierte Meinung davon, was für unsere Patienten gut ist und was nicht. An entsprechenden Formulierungen oder der Körpersprache nimmt der Patient diese Botschaften wahr. In der arriba-Beratung versuchen wir, eine solche Beeinflussung zu minimieren und dem Patienten zu einer eigenen Entscheidung zu verhelfen. Schwierig ist dies deshalb, weil wir Ärzte geworden sind, um Menschen gesund zu machen. Dies erklärt unsere Probleme mit Patienten, die von Gesundheit oder gesundheitsförderndem Verhalten andere Vorstellungen haben als wir. Oder noch schlimmer: für die gesundheitsbewusstes Verhalten einfach keine Priorität hat. arriba geht es primär darum, diese Menschen gut zu beraten. Wenn dies gelingt, haben wir gute Arbeit geleistet – auch wenn sich der Patient dann für einen aus unserer Sicht „ungesunden“ Weg entscheidet. Er hat aber dank unserer Hilfe seine Freiheit informiert nutzen können. Wir glauben, dass eine solche Grundeinstellung von ärztlicher Seite nötig ist, um eine wirklich partnerschaftliche Beratung und Entscheidung in der Praxis realisieren zu können. Natürlich wird diese Einladung in unterschiedlichem Maße angenommen. Manche Patienten fühlen sich in einer offenen Entscheidungssituation unwohl, andere Der Patient darf durchaus erfahren, dass auch Ärzte streiten KVH • aktuell Seite 20 Nr. 3 / 2008 bringen sich aktiv ein und wollen Verantwortung übernehmen. Unsere Meinung, zu welcher dieser beiden Gruppen ein einzelner Patient gehört, muss nicht immer richtig sein. Deshalb ist es so wichtig, jeden zunächst einmal einzuladen und dann aufmerksam zu beobachten, wieweit sich Neugier oder Verunsicherung ergeben. Selbst bei einem Patienten, der Ihnen die Entscheidung ganz und gar überlässt, macht arriba eine fundierte Risikokalkulation in seinem Interesse möglich. 6. Absprache über weiteres Vorgehen Nach unseren Erfahrungen mit arriba sind Patienten eher ernüchtert oder sogar erleichtert (keine Tablette nehmen zu müssen), wenn ihnen die zu erwartenden präventiven Effekte anschaulich gemacht werden. Das gilt vor allem für die Risikokalkulation bei jüngeren Menschen. Das Ergebnis der Information à la arriba ist deshalb eher Zurückhaltung in Bezug auf Medikamente. Wenn man sieht, dass 100 Menschen eine Tablette einnehmen müssen, um drei Herzinfarkte in zehn Jahren zu verhüten, dann wartet man fast immer noch einmal zu. arriba bringt damit ein gutes Maß an Realismus und Ehrlichkeit in die Medizin. Der Patient ist beeindruckt – aber lassen Sie ihn doch mal selber denken! Auch Herr Süß ist beeindruckt von den präventiven Effekten, die Sie ihm vorrechnen. Ja, man kann sogar sagen, dass er von der Notwendigkeit überzeugt ist, etwas an seinem Leben zu ändern. Dies im Alltag umzusetzen, ist allerdings sehr schwer für ihn, da sein Leben auf ganz andere Dinge ausgerichtet war. Sie bedrängen ihn nicht, sondern vereinbaren einen Termin in vier Wochen. Als Hausaufgabe erwarten Sie von ihm einen Vorschlag, welche Maßnahme am ehesten eine Chance auf Umsetzung hätte und deshalb als erste versucht werden sollte. Zwingen Sie also Ihre Patienten nicht zu einer raschen Entscheidung. Nehmen Sie sich Zeit und gehen die möglichen Veränderung mit Geduld und langem Atem an. Ihr Vorteil als Hausarzt ist, dass all diese Erörterungen in eine verlässliche ArztPatient-Beziehung eingebaut sind. Sie beziehen den Patienten in die Entscheidung ein, lassen ihn aber nicht damit allein. So weit es irgendwie geht, tragen Sie die Entscheidung gemeinsam. Wozu der Aufwand? Mit Kochbuchmedizin hat dies nichts zu tun arriba hilft Ihnen, evidenzbasierte Medizin in der Praxis umzusetzen. Die großen Studien zur Herz-Kreislauf-Prävention, aber auch wissenschaftliche Erkenntnisse über Risikokommunikation, Gesprächsführung und Entscheidungsfindung sind berücksichtigt. Mit arriba wird hoffentlich deutlich, dass dies mit „KochbuchMedizin“ nichts zu tun hat. Sie werden sehen, dass die so geführten Gespräche ganz neue Einsichten, aber auch Offenheit und Vertrauen bringen. Die aktive Einbeziehung von Patienten geschieht nicht nur aus Nettigkeit. Viele Untersuchungen haben inzwischen nachgewiesen, dass diese Patienten informierter, zufriedener und sicherer sind. Auch die Ergebnisse der medizinischen Behandlung sind besser. Mit dem Gesamtrisiko-Ansatz schaffen wir es außerdem, gerade diejenigen zu behandeln, bei denen eine Intervention die größten Effekte hat. Hilfen für die Praxis Der Artikel soll einen Überblick über arriba geben und Ihnen vor allem Mundwasser machen. Wenn dies gelungen ist, gehen Sie zu www.arriba-hausarzt.de. Dort können Sie sich ohne Kosten und ohne Anmeldung mit arriba weiter vertraut machen. Eine Broschüre (pdf-Datei zum Herunterladen) gibt konkrete Hilfen für Gesprächsführung und Risikoberechnungen, außerdem umfassende Hintergrundinformationen und Studienbelege. Die Software ist eine Java-Applikation, die auf jedem Betriebssystem läuft. Nach der Installation sollten Sie allerdings einige Berechnungen durchführen und die Möglichkeiten erproben, bevor Sie die erste Beratung durchführen. Nr. 3 / 2008 KVH • aktuell Seite 21 Die Papierversion ist eine Alternative, erfordert allerdings ein gutes Verständnis der Zusammenhänge (z.B. absolute und relative Risikoreduktion). Auch dies ist in der Broschüre näher erläutert. Ausblick Wenn Sie arriba umsetzen, wird Ihnen auffallen, dass Sie neben der wissenschaftlichen Kompetenz Ihren Patienten durchaus auch eine emotionale Botschaft vermitteln. Etwa: Ich bemühe mich um Sie; ich berücksichtige Ihre individuelle Situation; ich gehe auf Ihre Fragen, Ängste, Ideen ein; wir tragen Verantwortung gemeinsam. Immer wieder merken Kollegen kritisch an, dass arriba doch zuviel Zeit benötige. Sobald man jedoch ein Daueranwender geworden ist, schätzt man die Zeitersparnis. Mit arriba können Sie frühzeitig klären, ob ein Patient überhaupt behandelt werden will. Und wenn er nicht behandelt werden will, entfallen das Versteckspiel und der Ärger, welche sich die Beteiligten bei der herkömmlichen Betreuung oft zumuten. Entscheidungshilfen, wie sie bei arriba verwendet werden, reduzieren nicht nur bei Ihnen, sondern auch bei Ihren Patienten Unsicherheit. Vielleicht kann arriba Ihnen auch eine Idee davon vermitteln, wie sich eine hausärztliche Betreuung im digitalen Informations-Zeitalter bewähren kann. Aus dem anfänglichen Zeitaufwand wird bald eine Zeitersparnis Prof. Dr. med. Norbert Donner-Banzhoff, M.H.Sc, Arzt für Allgemeinmedizin Abteilung für Allgemeinmedizin, Präventive und Rehabilitative Medizin Philipps-Universität Marburg, 35032 Marburg Email: [email protected] Dr. med. Attila Altiner, Arzt für Allgemeinmedizin Abteilung für Allgemeinmedizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 40225 Düsseldorf Interessenkonflikte: keine arriba kann kostenlos heruntergeladen werden von www.arriba-hausarzt.de Hessens Hausärztliche Leitlinien sind im Internet ein Hit Die hausärztlichen Leitlinien der Leitliniengruppe Hessen, die wir in unseren Heften immer wieder auszugsweise und als Tischversion abdrucken, sind auch im Internet begehrt. Spitzenreiter ist die Leitlinie orale Antikoagulation. Ihre Komplettversion wurde in den ersten acht Monaten dieses Jahres fast 34.000 Mal abgerufen. Die jeweiligen Komplettversionen sind unter www. 40000 pmvforschungsgruppe. 33953 35000 de verfügbar. Auf dieser Zugriffe Januar bis August 2008 Webseite bitte den Cur- 30000 sor in der Menü-Leiste im 23142 oberen Teil der Seite auf 25000 21780 Publikationen positionie- 20000 ren und im aufklappenden 16494 Untermenü auf Leitlinien 15000 klicken. Dann können Sie 8989 8642 8325 die gewünschte Leitlinie 10000 6968 6810 6414 auswählen und ansehgen 5000 oder als PDF-Datei herun0 terladen und auf dem eigeOAK Diabetes Alter Asthma VTE Psycho Gespräch Lipide Palliativ Schmerz nen Computer speichern. Hausärztliche Leitlinie Hessen 5620 3543 Herzins. RR 2467 KHK KVH • aktuell Seite 22 Der Gastbeitrag Nr. 3 / 2008 Fünf Medikamente – mehr braucht kein Patient Dr. Dirk Mecking Neben- und Wechselwirkungen von Medikamenten führen in Deutschlands Kliniken und Praxen jährlich zu zahlreichen Todesfällen. Ärzte sollten die Medikation regelmäßig kritisch prüfen, um die Zahl der verordneten Arzneimittel zu minimieren. Verordnungssicherheit im Praxisalltag lässt sich nicht auf den Abgleich von Interaktionen per Computer reduzieren. Sie hat viel mit der Führung des Patienten zu tun. Das kann zeit- und arbeitsaufwendig sein – sicherlich in höherem Maße als das bloße Ausstellen eines Rezeptes. 1. Nicht jeder Besuch muss mit einem Rezept enden Viele Patienten erwarten, dass der Arzt nach dem Vortragen der Beschwerden zum Rezeptblock greift, um dem „Übel“ mit einer Verordnung zu begegnen. Es mag im Praxisalltag manchmal einfacher sein, dem Patienten ein Rezept in die Hand zu geben, als mit ihm über Lebensführung, Risikoverhalten oder mögliche Hausmittel zu sprechen. 2. Medikamentenanamnese Im Alltag lästig, aber wichtig: Bei jeder Verschreibung sollten Sie die Selbstmedikation des Patienten und die Verordnungen von Kollegen erfragen, die der Patient konsultiert. So verringern Sie das Risiko unerwünschter Interaktionen. Auch die eigenen Therapieschemata sind regelmäßig auf ihre Sinnhaftigkeit zu prüfen und zu aktualisieren. 3. Mut zum Weglassen Die Compliance sinkt mit steigender Zahl der verordneten Präparate. Ausgenommen davon sind akut-interventionelle Medikationen; die dafür angesetzte Therapie sollte aber so bald wie möglich wieder auf das Nötige reduziert werden. Patienten reagieren vielfach verunsichert, wenn Sie die Zahl der Verordnungen reduzieren. Hier ist unsere ärztliche Führung gefragt. 4. Entlassmedikation prüfen Nach Entlassung aus der Klinik sind unsere Patienten mit elf bis 18 Medikamenten „versorgt“. Die Reduktion ist bitter nötig. Lassen Sie zum Beispiel den Protonenpumpen-Hemmer weg, für den die Indikation „Klinikstress“ nicht mehr gegeben ist. Damit reduzieren Sie das Neben- und Wechselwirkungspotenzial. 5. Leitlinien hinterfragen Ein simples „Abarbeiten“ von Leitlinien bei Multimorbiden führt schnell zu mehr als 20 Pillen am Tag. Mit der Therapietreue im Alltag ist es dann vorbei. Und das Risiko von Interaktionen steigt. Dem Patienten schadet man oft mehr durch die Verordnung zahlreicher Medikamente, als man ihm durch eine leitliniengerechte Therapie nutzt. Deswegen sollten Sie sich überlegen, welche Medikamente Sie weglassen können. Fazit Mehr als fünf Medikamente braucht kein Patient. Kein Patient sollte zur Therapie chronischer Erkrankungen mehr als fünf Medikamente erhalten (Ausnahmen Nr. 3 / 2008 KVH • aktuell Seite 23 wie akute Intervention und Spezialbehandlungen bestätigen die Regel). Je weniger Medikation, desto weniger Nebenwirkungen und Interaktionen – bei steigender Compliance. Überprüfen Sie kritisch Diagnose und Indikation, treffen Sie mit Ihrem Patienten Entscheidungen über notwendige Behandlung und Prioritäten, nehmen Sie sich eine Minimierung der Anzahl der verabreichten Medikamente vor. Dr. med. Dirk Mecking Vorsitzender des Gemeinsamen Ausschusses des Instituts für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein (IQN) Interessenkonflikte: keine Nachdruck aus KVNO aktuell mit freundlicher Genehmigung der KV Nordrhein Paradigmenwechsel beim Diabetes – eine zu radikale Bewertung? Leserbrief zu unserem Beitrag „Wer das HbA1c zu stark senkt, gefährdet die Patienten“ in KVH aktuell Pharmakotherapie Nr. 2 / 2008: Mit Betroffenheit haben wir den o.g. Artikel gelesen. Es ließe sich eine ganze Menge zum ideologischen Unterbau dieser Ausführungen schreiben. Wir möchten uns jedoch darauf beschränken, die völlig den Prinzipien der „Evidence based medicine (EBM)“ widersprechende Zitierung von Studienergebnissen in das richtige Licht zu rücken. 1. Es widerspricht jeder guten EBM, über noch nicht veröffentlichte Studiendaten zu spekulieren und vor allem ist es völlig unzulässig, daraus bereits allgemeingültige Schlüsse zu ziehen. Genau dies tut Herr Egidi jedoch mit den ACCORD-Ergebnissen. Darüber hinaus sind die Ergebnisse einer Studie selbstverständlich nur für die untersuchte Studienpopulation gültig. Analogschlüsse werden insbesondere ja auch durch das IQWIG und Professor Sawicki als unzulässig abgelehnt. Die Studienpopulation in ACCORD waren jedoch kardiovaskuläre Hoch- und Höchstrisikopatienten mit jahre- bis jahrzehntelangem Diabetesverlauf. Von daher ist es schon mehr als vermessen und grob unwissenschaftlich, daraus den Schluss zu ziehen, dass man 25-jährige neumanifestierte Typ-2-Diabetiker lediglich auf einen HbA1c-Wert < 8 Prozent einstellen solle, da man ihnen sonst schade. 2. Die angeführte UGDP-Studie aus den 70er Jahren (!) ist so grottenschlecht durchgeführt worden, dass man daraus letztlich überhaupt keine sinnvollen Schlüsse ziehen kann und darf. Tut man dies, wie durch Herrn Egidi geschehen, trotzdem, dann muss sofort jegliche Sulfonylharnstofftherapie (Laut DMP Nutzen belegt!) beendet werden, da diese Substanzgruppe in der UGDP das kardiale Risiko erhöht hat. 3. Die Missinterpretation der UKPDS durch Herrn Egidi disqualifiziert ihn genau genommen für jegliche ernsthafte wissenschaftliche Diskussion. Die UKPDS ist eine Studie, die Mitte der siebziger Jahre konzipiert wurde und mit der zunächst einmal damalige Therapiekonzepte überprüft werden sollten. Die Dokumentation z.B. der Begleittherapie ist z.T. erheblich lückenhaft und die Randomisierung war z.T. nicht korrekt. Welche Fragestellung wurde geprüft? Es wurde geprüft, welche Auswirkungen es hat, wenn man, koste es, was es wolle, den Nüchtern-Blutzucker senkt versus einer schlechten Nüchtern-Blutzuckereinstellung. Nicht mehr und nicht weniger. Was ist dabei herausgekommen? Kurz und knapp: Die rein nüchternblutzu- Brief an die Redaktion Seite 24 KVH • aktuell Nr. 3 / 2008 ckerfixierte Therapiestrategie ist insuffizient. Sie verhindert weder eine progrediente Verschlechterung der Gesamtstoffwechsellage noch verbessert sie wesentlich die schlechte Prognose hinsichtlich makrovaskulärer Komplikationen. Dies gilt allerdings nur für eine HbA1c-Absenkung von 7,9 auf 7 Prozent. Betrachtet man die Subgruppen, die Werte < 7 Prozent erreichen, dann ist sehr wohl auch eine deutliche Absenkung z.B. der Myokardinfarkte zu sehen. Trotz dieser letztlich insuffizienten Therapiestrategie konnten nicht nur, wie von Herrn Egidi angeführt, die Laserkoagulationen vermindert werden, es wurden auch die renalen Komplikationen und Amputationen signifikant reduziert. Und dies trotz einer letztlich insuffizienten Blutzuckertherapie! Weitere Schlüsse sind nur in höchst eingeschränktem Ausmaß möglich, da andere Parameter als der Nüchternblutzucker nicht das Interventionsziel waren. Daraus aber jetzt den kühnen Schluss abzuleiten, dass Blutzucker-Senkung keine Vorteile erbrächte, ist aus der Studie nicht ablesbar und wissenschaftlich nicht haltbar. Wenn auf die höhere Zahl an schweren Hypoglykämien als schwerwiegender Komplikation abgehoben wird, ist festszustellen, dass diese erhöhte Rate aus dem insuffizienten Therapieziel und dem daraus resultierenden Einsatz insulinotroper Medikamente bzw. Verzögerungsinsulin zur Nacht resultiert. Schlussendlich hat die UKPDS damit bewiesen, dass eine reine Nüchternblutzuckersenkung nicht ausreichend ist, um Typ-2-Diabetes von der Glukoseseite her suffizient zu behandeln. 4. Die unter „Bedeutung für unsere Praxis“ aufgeführten Punkte sind be dauerlicherweise eine Mischung aus nicht haltbaren Aussagen (HbA1c unter sieben Prozent schadet Diabetikern (EBM-Belege werden wie oben ausgeführt nicht geliefert), standespolitischem Kampfgeklingel in Fettdruck („Allerdings sollte man als Hausarzt auch überlegen....“), gelegentlichen teilweise korrekten Aussagen (Metformin senkt in Monotherapie als einziges Antidiabetikum das Myokardinfarktrisiko) und kompletten Falschaussagen (Glitazone und Doxazosin). 5. Zur Aussage, dass Doxazosin in der ALLHAT-Studie zur Übersterblichkeit geführt hat, muss man Folgendes anmerken: Diese Aussage gilt nur für Bevölkerungen, in denen der Anteil schwarzafrikanischstämmiger Bewohner bei 30 Prozent liegt (ALLHAT Anteil von Afro-Amerikanern). Das Studiendesign von ALLHAT hätte normalerweise gar keine Ethikkommission passieren dürfen. Da wurden bei z.T. langjährigen Hypertonikern vorbestehende Therapien ab- und die Studienmedikation angesetzt. Dass dies zu unerwünschten Effekten und u.U. dann bei einer Substanz auch zu einer Übersterblichkeit führen kann, leuchtet ein, entspricht aber weder unserem therapeutischen Vorgehen, noch ist es realistisch unter Praxisbedingungen. 6. Zu den Glitazonen ist anzumerken, dass es außer einer qualitativ schlechten Metaanalyse zum Rosiglitazon keine wie auch immer belastbaren Daten hinsichtlich einer Steigerung der Myokardinfarktrate gibt. Eine Zwischenauswertung der einzigen vorhandenen und noch in Gang befindlichen prospektiven und randomisierten Rosiglitazonstudie zu dieser Thematik erbrachte keinen Beleg. Für das Pioglitazon ist bei einem Hochrisikokollektiv (ProACTIV-Studie) keine Steigerung der Myokardinfarktrate nachweisbar. Insofern ist diese Aussage unter den Kriterien der EBM schlicht falsch. 7. Wenn am Schluss des Artikels die Forderung zitiert wird, dass ein Medikament nur zugelassen werden dürfe, wenn ein relevanter klinischer Nutzen bewiesen worden sei, dann ist hier zu fragen, wer definiert, was ein „klinisch relevanter Nutzen“ für den Patienten ist. Wir bestreiten aus der „Evidence des Alltags der Patientenbetreuung“ heraus, dass dies immer die von Wissenschaftlern definierten „harten Endpunkte“ Tod, Myokardinfarkt etc. sind. Es ist eine zutiefst Nr. 3 / 2008 KVH • aktuell autoritäre und undemokratische Haltung der selbsternannten Gralshüter wissenschaftlicher Medizin, dass sie definieren wollen, was für den einzelnen Patienten „klinisch relevant“ ist. Fazit: Wir würden uns wünschen, dass im Interesse einer sparsamen und wirt schaftlichen Verwendung unserer Verwaltungskostenumlage zukünftig solche Artikel mangelhafter wissenschaftlicher Qualität nicht mehr flächendeckend für teures Geld auf Hochglanzpapier in jede Praxis verschickt werden. Dr. med. Christian Klepzig, Dr. med. Gerd Nitzsche Diabetologische Schwerpunktpraxis, Offenbach Interessenkonflikte Dr. med. Christian Klepzig: Mein Bruttoeinkommen erziele ich aus 80% GKV-Einnahmen 10% PKV-Einnahmen 5% aus der Teilnahme an DMP, HZV, IV-Vertrag Diabetiva Taunus BKK, IV-Vertrag DFS AOK Hessen, IV-Vertrag Schlaganfall AOK Hessen, BEK-HA-Vertrag 5% aus Vorträgen, Studienteilnahmen (Phase 3 und 4, keine AWB!) für folgende Organisationen und Firmen: Deutscher Diabetiker Bund, Bayer, Sanofi Aventis, Lilly, MSD, Novo Nordisk, Berlin Chemie, Novartis, Glaxo Smith Kline Interessenkonflikte Dr. med. Gerd Nitzsche: Mein Bruttoeinkommen erziele ich aus: 80% GKV-Einnahmen 10% PKV-Einnahmen 2% aus der Teilnahme an DMP, HZV, IV-Vertrag DFS AOK Hessen 8% aus Vorträgen, Studienteilnahmen (Phase 3 und 4, keine AWB!) für folgende Organisationen und Firmen: Deutscher Diabetiker Bund, Bayer, Sanofi Aventis, Lilly, MSD, Novo Nordisk, Berlin Chemie, Novartis, Glaxo Smith Kline, Takeda, Boehringer Ingelheim Manche Dogmen wehren sich gegen die Realität ... Die Antwort des Autors Der Artikel, in dem die ersten an die Öffentlichkeit gelangten Ergebnisse der ACCORD-Studie vorgestellt wurden, hat ganz offensichtlich viele Diabetologen unerwartet getroffen. Das ist nachvollziehbar, haben sich doch viele Diabetologen im Glauben, ihren Patienten dadurch helfen zu können, um eine möglichst normnahe Diabetes-Einstellung bemüht. Sie leiten dies ab aus Arbeiten wie der UKPDS 35, in der beobachtet werden konnte, dass makro- wie mikrovaskuläre Komplikationen mit einer Zunahme des HbA1c kontinuierlich ansteigen, ohne dass sich ein Schwellenwert hierfür definieren ließe. Sie vergessen zugleich, dass es sich bei der UKPDS 35 um eine reine BeobachtungsStudie handelte. Die Ergebnisse solcher Studien sind nicht auf Interventions-Studien übertragbar, wie die ernüchternden Ergebnisse der UKPDS 33 dann zeigten. Aus solchen Beobachtungen entstehen offensichtlich nicht einmal durch dramatische Ergebnisse wie das der ACCORD-Studie zu erschütternde Dogmen. Zu den einzelnen Punkten: Zu 1. Der Kritik, es sei nicht zulässig, aus einer noch nicht vollständig veröffentlichten Studie die Warnung vor einer zu stark Blutzucker senkenden Therapie abzuleiten, ist entgegenzuhalten: Die inzwischen voll veröffentlichten Daten der ACCORD-Studie geben kein anderes Bild ab als die vorab veröffentlichten. Die Behandlung in dieser Untersuchung war mit einer Übersterblichkeit in der Interventionsgruppe assoziiert. In ACCORD wurde die Blutzuckersenkung sehr schnell vollzogen, das HbA1c wurde innerhalb von nur vier Monaten von 8,2 Prozent auf 6,8 Prozent gesenkt. • Bei 27,8 Prozent der Patienten kam es durch Insulinmast und GlitazonÖdeme zu einer Gewichtszunahme um mehr als zehn Kilo. Seite 25 Seite 26 KVH • aktuell Nr. 3 / 2008 • Bei 10,5 Prozent der Patienten der Interventionsgruppe wurden – Insulin nicht mitgezählt – vier oder fünf Blutzucker senkende Substanzen eingesetzt. • Unter den eingesetzten Substanzen war der Anteil von Rosiglitazon sehr hoch. Dass ausgerechnet einige Diabetologen sich von einem solchen Vorgehen abwenden, verwundert, sieht man sich die noch im April veröffentlichten Leitlinien-Empfehlungen der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) an mit einem Ziel-HbA1c < 6,5 Prozent und der großzügigen Empfehlung zur Kombination mehrerer antihyperglykämischer Substanzen. Dass sich inzwischen auch die DDG in einer aktuellen Stellungnahme im Fall eines HypoglykämieRisikos mit einem HbA1c-Ziel von 7,0 Prozent begnügt, bestätigt den Autor in seiner Position. Ebenfalls ist es erfreulich, dass es offensichtlich Diabetologen gibt, die sich vorsichtig von der doch nicht unproblematischen Substanz Rosiglitazon distanzieren (in einem anderen, hier nicht veröffentlichten Leserbrief). Auch aus der in der Zwischenzeit ebenfalls publizierten ADVANCE-Studie kann man herauslesen, dass es besser ist, das HbA1c nicht zu weit zu senken: • Der Sammelendpunkt aus makro- und mikrovaskulären Ereignissen wurde zwar durch HbA1c-Senkung auf 6,5 Prozent um 1,9 Prozent gesenkt, ohne dass es hier zu einer Zunahme der Sterblichkeit kam. Hauptsächlich geschah dies durch eine Verringerung der Rate einer neuen Nephropathie oder die Verschlechterung einer bestehenden Nephropathie. • Es ist wahrscheinlich, dass dieser Effekt nicht durch die HbA1c-Senkung, sondern durch eine stärkere Blutdrucksenkung in der Interventionsgruppe (135,5 versus 137,9 mm Hg) und durch vermehrten Einsatz von ASS zustande kam. • Es kam dabei aber zu signifikant häufigeren (2,7 Prozent versus 1,5 Prozent) und schwereren (0,7 versus 0,4 pro 100 Patientenjahre) Hypoglykämien. Absolut 2,1 Prozent mehr Patienten der Interventionsgruppe mussten stationär aufgenommen werden. • Summarisch schadet also diese HbA1c-Senkung mindestens so sehr, wie sie nützt, wobei der mögliche Nutzen eher der Begleittherapie als der Blutzucker-Senkung selbst zuzuschreiben ist. Angeblich sei das Ergebnis von ACCORD nicht auf durchschnittliche Typ-2Diabetiker zu übertragen. In ACCORD finden sich etwa 62 Jahre alte Diabetiker mit Krankheitsdauer von zehn Jahren. Ein Drittel hatte zuvor kardiovaskuläre Ereignisse erlitten, nur 14 Prozent waren Raucher, das durchschnittliche Cholesterin lag bei 183 mg/dl, der durchschnittliche Blutdruck bei 136/75 mm Hg. Gehen wir hier von Hochrisiko-Patienten aus? Zu 2. Die kritisierte UGPD-Studie wurde zitiert, um darauf hinzuweisen, dass man, wenn man es denn wahrnehmen möchte, seit 30 Jahren wissen kann: die ACCORD-Studie bringt nicht wirklich neue Ergebnisse, sondern reiht sich ein in eine Linie enttäuschend ausgegangener Untersuchungen: Die Effekte einer Blutzucker senkenden Behandlung sind, wenn überhaupt vorhanden, allenfalls marginal. Daran, dass eine Behandlung mit Sulfonylharnstoffen zu einem Anstieg des kardialen Risikos führen könnte, ließ diese Studie in der Tat denken – diese Annahme gilt seit UKPDS 33 sowie nach ADVANCE als widerlegt. Der für ACCORD zutreffende Vorwurf einer rücksichtslosen (aber bisherigen diabetologischen Leitlinien entsprechenden!) Blutzuckersenkung trifft für UKPDS nicht zu. Statt angestrebter Nüchternzucker-Werten von <110 in der Interventions- und von <270 in der Kontroll-Gruppe wurden recht nahe beieinander liegende HbA1c-Werte von 7,9 bzw. 7,0 Prozent erreicht. Eine Auswertung von Beobachtung von Subgruppen von Patienten mit stärkerer HbA1c-Senkung Nr. 3 / 2008 KVH • aktuell als auf 7,0 Prozent a posteriori ist wegen der zwangsläufigen Verzerrung dabei nicht zulässig. Zu 3. Die Behauptung, in der UKPDS seien renale Komplikationen und Amputationen signifikant reduziert worden, ist falsch. Beim Endpunkt Nierenversagen wurde das Signifikanzniveau mit einem p-Wert von 0,6, beim Endpunkt Amputation mit p-Wert 0,21 verfehlt. Mit anderen Worten: Im einen Fall ist das Ergebnis mit 60 Prozent, im anderen mit 21 Prozent nur zufällig zustande gekommen. Die UKPDS habe bewiesen, dass eine reine Nüchternblutzucker-Senkung nicht ausreichend sei. Für die gegenteilige Hypothese, dass der postprandiale Blutzucker gesenkt werden solle, gibt es jedoch keine einzige Interventions-Studie. Zu 4. Es erübrigt sich, auf diesen Punkt einzugehen, da in den emotional gefärbten Ausführungen kein sachliches Argument zu finden ist. Zu 5. Der Kritik an der ALLHAT-Studie wegen des hohen Anteils farbiger Patienten ist entgegenzuhalten: eine andere Endpunkt-Studie als diese mit über 24.000 Patienten, den Effekt eines Diuretikums mit dem von Doxazosin vergleichende, gibt es nicht. Die Patienten im Doxazosin-Arm erlitten signifikant häufiger Schlaganfälle, ischämische Ereignisse und kardiale Dekompensationen. Der Doxazosin-Arm der Studie wurde deswegen vorzeitig abgebrochen. Die prinzipielle Gleichwertigkeit verschiedener Antihypertensiva vorausgesetzt, erscheint es nicht einsichtig, worin das Problem besteht, eine antihypertensive Vormedikation abzusetzen und durch eine Studienmedikation auszutauschen. Ohne dieses Vorgehen hätte man keinen direkten Vergleich zwischen den Substanzen erhalten können. Zu 6. Die zitierte Metaanalyse zu Rosiglitazon untersuchte immerhin 42 Studien mit 28.000 Patienten. Was an der Metaanalyse schlecht sein soll, geht aus dem Leserbrief nicht hervor. In der ADOPT-Studie nahmen unter Rosiglitazon kardiovaskuläre Ereignisse im Vergleich zu Glibenclamid signifikant zu (3,4 Prozent versus 1,8 Prozent). In der DREAM-Studie steigt das Risiko einer Herzinsuffizienz im Vergleich zu Placebo signifikant (0,5 Prozent versus 0,1 Prozent). Im Übrigen zeigt auch der Blick auf die inzwischen vollständig publizierte ACCORD-Studie, dass offensichtlich doch der vermehrte Einsatz von Rosiglitazon hier für eine Zunahme der Übersterblichkeit in der Interventionsgruppe verantwortlich war. Zu 7. Wenn die zitierte Auffassung des amerikanischen Kardiologen Psaty kritisiert wird, nur Medikamente zuzulassen, für die ein klinisch relevanter Nutzen belegt sei, ist klarzustellen, dass keineswegs nur Endpunkte wie Tod oder Myokardinfarkt klinisch relevant sind – selbstverständlich zählen Lebensqualität, Freiheit von Herzinsuffizienz-Symptomen oder von vermehrten Knochenbrüchen durch ein Glitazon zu den relevanten Endpunkten. Dass die Beeinflussung von Laborwerten wie Cholesterin, HbA1c oder Blutdruck per se einen Wert habe, sei aber an dieser Stelle gerade unter dem Eindruck von Studien, die eben keinen entsprechenden Nutzen für die Patienten mit sich brachten, noch einmal entschieden bestritten. Zum Fazit: Auch hier finden sich im Brief der Kollegen Klepzig und Nitzsche leider keine Fakten, auf die man sachlich und sachgerecht eingehen könnte. Dr. med. Günther Egidi Arzt für Allgemeinmedizin Vorsitzender der Akademie für hausärztliche Fortbildung Bremen Stellvertretender Sprecher der Sektion Fortbildung der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) Interessenkonflikte: keine Seite 27 KVH • aktuell Seite 28 Sicherer verordnen Dr. med. Günter Hopf Nr. 3 / 2008 Komplementäre Behandlungsmethoden: Spezifische Gefahren in der Onkologie Im Gegensatz zu komplementären Behandlungsmethoden bei chronischen, nicht akut lebensbedrohlichen Erkrankungen wie z.B. rheumatoide Arthritis, kann eine alleinige Anwendung dieser Methoden in der Onkologie eine Heilungschance für immer verstreichen lassen. In einer Übersicht weisen deren Autoren auf folgende spezifische Risiken hin: Methode Spezifische Gefahren Akupunktur Verletzungen und Infektionen Antioxidantien Positive Wirkung ungesichert, zum Teil krebsfördernd Eigenbluttherapie Übertragung von Viren (Hepatitis B, HIV) Immunstimulantien Paradoxe Reaktionen mit Stimulation des Tumorwachstums oder Veränderung des Metastasierungsverhaltens Krebsdiäten, nicht ausgewogen Mangelernährung, Leistungsminderung und Abwehrschwäche Misteltherapie Allergischer Schock TCM (traditionelle chinesische Medizin) Undeklarierter Zusatz hochwirksamer Arzneistoffe, karzinogene Inhaltsstoffe Thymus-/Milzextrakte vom Kalb Übertragung von BSE Vitamintherapie, hochdosiert Hypervitaminosen Zelltherapie Allergischer Schock Darüber hinaus verweisen die Autoren auf Interaktionen von Phytotherapeutika mit Zytostatika (z.B. Johanniskraut, Grapefruit, Phytoestrogene generell), die die Wirkung, aber auch die unerwünschten Wirkungen wie Nephro- oder Hepatotoxizität der Zytostatika vermindern oder verstärken können. Es gibt zu denken, dass nach einer Studie im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern in Deutschland Ärzte die wesentlichen Promotoren komplementärer Heilmethoden sind. Trotz eines subjektiv eingeschätzten niedrigen Kenntnisstandes der Ärzte über die jeweiligen Methoden wird ihnen ein vergleichsweise hoher Nutzen beigemessen. Quelle: Der Internist, Sonderheft März 2008, 12 Therapie der rheumatoiden Arthritis: Hämatologische Neoplasien In einem Kommentar zu einer kanadischen Übersichtsarbeit zur medikamentösen Therapie der rheumatoiden Arthritis (RA) wird eine Überwachung der Patienten hinsichtlich maligner Erkrankungen gefordert. Obwohl bereits bei einer unbehandelten RA ein bis zu 25-fach erhöhtes Risiko besteht, ein Lymphom zu entwickeln, erhöht die Einnahme von Basistherapeutika das Risiko noch zusätzlich. Bei über 23.000 Patienten traten im Untersuchungszeitraum (20 Jahre) 346 Lymphome, 178 Leukämien und 95 multiple Myelome auf. Relative Risiken für eine hämatologische Neoplasie betrugen bei Methotrexat 1,18, Azathioprin 1,44, Cyclophosphamid 1,83 und (geringe Fallzahlen wegen der Zulassung erst 2002 sind zu bedenken!) bei Tumornekrosefaktorα-Inhibitoren 1,92. Für in Deutschland übliche weitere Basistherapeutika (Sulfasalazin, Leflunomid, Ciclosporin, D-Penicillamin) ergab sich kein erhöhtes Risiko. Tumornekrosefaktor-α-Inhibitoren (Infliximab, Etanercept, Adalimumab) sollten auch aufgrund anderer schwerer UAW (z.B. erhöhtes Infektionsrisiko, insbesondere für Mykobakteriosen) nur bei threapierefraktären schweren Verläufen der RA eingesetzt werden. Quellen: Arch Intern Med. 2008; 168: 378, zitiert in Dtsch med Wschr 2008; 133: 814; Dtsch medWschr. 2006; 131:2414 Nr. 3 / 2008 KVH • aktuell Neuere Psychopharmaka: Sehstörungen Psychopharmaka können in unterschiedlicher, arzneistoff- und dosisabhängiger Häufigkeit Sehstörungen verursachen. Anticholinerge Eigenschaften dieser Arzneistoffe führen z.B. zu Akkomodationsstörungen, Melanin-Arzneistoff-Komplexe zu Kornea- und Linsentrübungen. In einer Facharbeit einer Augenoptikerin wurden Patienten gezielt nach subjektiven Sehstörungen unter der Therapie neuerer Psychopharmaka befragt. 22 von 45 Befragten berichteten unter der Einnahme von Venlafaxin (Trevilor®), 8 von 33 unter Quetiapin, Seroquel® und 3 von 14 unter Risperidon (Risperdal®) über dosisabhängige Störungen wie z.B. verändertes Entfernungssehen, erhöhte Blendempfindlichkeit, Akkomodationsstörungen, Doppelbilder. Diese nicht repräsentative Umfrage sollte Anlass sein, auf diese, die Compliance der Patienten verringernde und die Fahrtauglichkeit beeinflussende UAW gezielt hinzuweisen. Häufigkeit und Schwere von Sehstörungen unter neueren Antidepressiva und Neuroleptika in einer klinischen Studie zu untersuchen, denn nach diesen Ergebnissen treten Sehstörungen sehr viel häufiger auf als in den jeweiligen Fachinformationen erwähnt (angegeben ist bei Venlafaxin: „häufig“ = 1:100 bis 1:10 und bei Risperdal: „selten“ = 1:10.000 bis 1:1000; in der Fachinformation von Quetiapin fehlt erstaunlicherweise jeder Hinweis auf UAW am Auge). Quelle: Diplomarbeit für Dip.-Ing. Augenoptik, Fachhochschule Jena, Fachbereich SciTec und Universitätsklinikum Mainz, Psychiatrische Klinik, 2007 Opiat-Pflaster: Vorsicht bei Aut idem! Am Beispiel von Fentanyl-haltigen transdermalen Pflastersystemen („Schmerzpflaster“) hat sich herausgestellt, dass ein Aut-idem-Austausch von Opiatpflastern nicht pauschal durchgeführt werden kann. Nach Klarstellung durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) darf ein Austausch nur vorgenommen werden, wenn die Freisetzungsrate (z.B. 50 µg/h) und die Wirkstoffmenge identisch sind. Diese Gesamtbeladungsmenge pro Pflaster variiert bei den einzelnen Präparaten z.B. mit gleicher Freisetzungsrate von 50 µg/h zwischen 5,5 mg und 11,5 mg Fentanyl, wobei der Gehalt des Originals ungefähr in der Mitte liegt. Aufgrund der Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes kann daher ein einfacher Austausch des Originales nicht vorgenommen werden, da nur Durogesic Smat® eine Beladungsmenge von 8,4 mg hat (siehe untenstehende Tabelle). Dem Vorschlag einer pharmakritischen Fachzeitschrift ist zuzustimmen, bei einer Verordnung von opiathaltigen Schmerzpflastern ein preiswertes Generikum mit hohem Gesamtgehalt an Fentanyl zu wählen. Zusätzlich ist grundsätzlich zu erwägen, das Aut-idem-Feld anzukreuzen, um einen Austausch u.a. auch aus Sicherheitsgründen von vornherein auszuschließen. In Kanada wurden kürzlich 52 Todesfälle zusammengestellt, die mit der Anwendung Fentanyl-haltiger Pflaster (seit 1992 auf dem Markt) in Zusammenhang gebracht werden, überwiegend jedoch aufgrund von Anwendungsfehlern und missbräuchlicher Anwendung. Insbesondere sollten die Pflaster vor und nach dem Gebrauch für Kinder unzugänglich aufbewahrt werden. Standard bleiben oral applizierbare Opiate, auch in retardierter Form. Bei diesen Präparaten ist ein Austausch ebenfalls nicht empfehlenswert. Die Bioäquivalenz wird mit großzügigen Grenzen von 80 bis 125 Prozent Gesamtfreisetzung im Vergleich zu 100 Prozent des Originalpräparates festgelegt. 20 bis 25 Prozent geringere oder höhere Freisetzung kann im Austausch Original gegen Generikum noch hinnehmbar sein. Es ist offensichtlich, dass beim Austausch zweier Generika untereinander im Extremfall circa 45 Prozent eines Arzneistoffes weniger oder mehr systemisch Seite 29 Sicherer verordnen Dr. med. Günter Hopf KVH • aktuell Seite 30 Sicherer verordnen Dr. med. Günter Hopf Nr. 3 / 2008 wirksam werden können – bei Arzneistoffen wie Opiaten (oder anderen Arzneistoffen mit geringer therapeutischer Breite wie z.B. Antiepileptika) ist dies wegen einer möglichen Gefährdung der Patienten nicht tolerierbar. Beladungsmengen einzelner Fentanylpflaster mit der Freisetzungsrate 50 µg/h, z.B.: Handelsname Beladung Anmerkungen Matrifen 5,5 mg Fentanyl ABZ 8,25 mg Noch sechs weitere Generika mit der gleichem Beladungsmenge, Austausch innerhalb dieser Gruppe möglich Durogesic Smat 8,4 mg Original Fentanyl Krewel 9,6 mg Noch vier weitere Generika mit der gleichen Beladungsmenge, Austausch innerhalb dieser Gruppe möglich Fentanyl 1 A-Pharma 11,56 mg Noch zwei weitere Generika mit der gleichem Beladungsmenge, Austausch innerhalb dieser Gruppe möglich Fentanyl Acino 12,0 mg Hinweise: 1 Nur das Original hat eine Beladungsmenge von 8,4 mg Fentanyl. Nur Generika mit der gleichen Beladungsmenge des Opiates Fentanyl sind austauschbar! 2 Korrekte BtM-Verschreibung: Fentanyl-“muster“pharm 50 µg/h, 5. St., enthält 8,25 mg Fentanyl (z.B. Angabe „OP“ reicht nicht aus). Quellen: www.bfarm.de, www.arzneitelegramm.de, Pharm.Ztg. 2008; 153: 2352 Tilidin/Naloxon: Missbrauch als neue Modedroge bei Jugendlichen Vorsicht, wenn plötzlich (jugendliche) Angehörige ein Rezept für die Oma abholen möchten Das Bundesgesundheitsministerium ist durch Medienberichte über den Missbrauch Tilidin/Naloxon-haltiger Arzneimittel (Valoron N®, viele Generika) besorgt. Nach Einschätzung der Kriminalpolizei haben sich diese Medikamente bei Jugendlichen zu regelrechten Modedrogen entwickelt. Aus ärztlicher Sicht ist dazu anzumerken, dass ein Auftreten von Missbrauch und Suchtverhalten bei Arzneistoffen mit Abhängigkeitspotential (hier: schwach wirksames Opioidanalgetikum) nicht verwunderlich ist. Nachdem der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft über mehrere Jahre entsprechende Fallberichte konstant in einstelliger Anzahl zugegangen sind, scheint das Problem bei der Kombination eines Opiatagonisten mit einem -antagonisten zumindest bei Erwachsenen nicht sehr bedrohlich zu sein (Verordnungszahlen zu Lasten der GKV 2006: circa 90 Millionen DDD). Zu bedenken ist allerdings, dass 1 bei oraler Gabe der Antagonist Naloxon weitgehend infolge eines First-PassEffektes inaktiviert wird, 2 auch in der Kombination mit einem Antagonisten immer mit der Möglichkeit eines Missbrauches gerechnet werden muss, 3 eine Verordnung insbesondere bei Jugendlichen nur sehr zurückhaltend gestellt werden sollte und Wiederholungsrezepte in dieser Altersgruppe nur selten indiziert sind. Dies gilt insbesondere in Großstädten, wie z.B. Berlin: nach Berichten von Apothekern soll Tilidin/Naloxan bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund sehr beliebt sein. Quellen: Schreiben des BMG vom 5.5.2008 Dtsch. Apo. Ztg. 2008; 148: 3576-78 KVH • aktuell Nr. 3 / 2008 Seite 31 Hausärztliche Leitlinie Schmerz Therapie von Schmerzen Konsentierung Version 3.00 17. Oktober 2007 Revision bis spätestens 2010 Version 3.03 vom 28.01.2008 Hausärztliche Leitlinie Schmerz Anmerkung: Therapie von Schmerzen Die Leitlinie Schmerz umfasst insgesamt 70 Seiten. Wir veröffentlichen angesichts des Umfangs nur die wichtigsten Aspekte. F. W. Bergert M. Braun K. Ehrenthal J. Feßler J. Gross K. Gundermann H. Hesse J. Hintze U. Hüttner B. Kluthe W. LangHeinrich A. Liesenfeld E. Luther R. Pchalek J. Seffrin T. Sitte A. Sterzing G. Vetter H.-J. Wolfring U. Zimmermann Konsentierung Version 3.00 In diesem Heft finden Sie neben einigen einführenden 17. Oktober 2007 Informationen die Behandlung schwerer chronischer Schmerzen. Dies ist gleichzeitig der dritte Teil der Palliabisbeiden spätestens tiv-Leitlinie;Revision die ersten Teile der Palliativ-Leitlinie finden Sie in den Heften 1 und 2/2008. 2010 Die im Text erwähnten Anhänge und Literaturstellen (Ziffern in Klammern), die hier nicht abgedruckt sind, finden Sie in der vollständigen Leitlinie. Sie ist im Internet unter www.pmvforschungsgruppe.de verfügbar. Auf dieser Version 3.03 vom 28.01.2008 Webseite bitte den Cursor in der Menü-Leiste im oberen Teil der Seite auf Publikationen positionieren und im aufklappenden Untermenü auf Leitlinien klicken. Dann können sie die gesamte Leitlinie einsehen bzw. als PDFDatei auf Ihren Computer herunterladen. Eine weitere Bezugsquelle finden Sie unter www.leitlinien.de. Dort auf Leitlinienanbieter klicken, dann Leitlinien aus dem ambulanten Bereich/vertragsärztliche Qualitätszirkel auswählen, anschließend führt der Link unten auf der Seite zu den hausärztlichen Leitlinien. F. W. Bergert M. Braun K. Ehrenthal J. Feßler J. Gross K. Gundermann H. Hesse J. Hintze U. Hüttner B. Kluthe W. LangHeinrich A. Liesenfeld E. Luther R. Pchalek J. Seffrin T. Sitte A. Sterzing G. Vetter H.-J. Wolfring U. Zimmermann Seite 32 KVH • aktuell 03 Kontext und Kooperation 04 Verantwortlichkeit 05 06 07 Therapie von Schmerzen Schmerzwahrnehmung und -erleben Hausärztliche Schlüsselfragen Ziel der Schmerztherapie Ziele der Leitlinie 08 Diagnostik von Schmerzen Besonderheiten: Schmerzanamnese, Schmerzmessung und Verlaufskontrolle 09 Beratungsursache 1: Diffuse Schmerzen bei Fieber 10 Beratungsursache 2: Schmerzen bei unkomplizierten Traumata 11 Beratungsursache 3: Schmerzen bei muskuloskelettalen Erkrankungen Arthrose nicht aktiviert 12 Arthrose aktiviert 13 Einteilung der Rückenschmerzen Yellow and red flags 14 Rückenschmerz: Therapieziele und Schnittstellen 15 Nichtradikuläres Schmerzsyndrom: Unspezifische Kreuzschmerzen und Lumbago Behandlung des akuten unspezifischen Kreuzschmerzes 16 Behandlung unspezifischer chronischer Kreuzschmerzen 17 Radikuläre Rückenschmerzen 18 Nichtviszerale Thoraxschmerzen Definierte chronisch entzündliche Erkrankungen 19 Beratungsursache 4: Abdominale/viszerale Schmerzen Abdominale Schmerzen ohne lebensbedrohliche Notfälle 20 21 22 24 25 26 27 28 29 30 Beratungsursache 5: Kopfschmerzen Klassifikation Erstdiagnose Spannungskopfschmerz Migräne Migräne bei Kindern Migräne: Therapieübersicht Migräneprophylaxe Clusterkopfschmerz Arteriitis temporalis (cranialis) Horton Analgetikakopfschmerz 31 32 33 Beratungsursache 6: Neuropathische Schmerzen Neuropathische Schmerzen allgemein Medikamentöse Therapie neuropathischer Schmerzen Zosterschmerz Trigeminusneuralgie 34 35 Nr. 3 / 2008 Polyneuropathie Nervenkompressionssyndrom Neuroborreliose 36 Beratungsursache 7: Tumorschmerzen und sonstige schwere chronische Schmerzen WHO-Stufenschema 37 Schmerzskalen Nichtopioide WHO-Stufe I 38 Opioide WHO-Stufe II 39 Opioide WHO-Stufe III 40 Nichtmedikamentöse Maßnahmen Arzneitherapie Opioidängste 41 Dosisfindung 42 43 44 45 Transdermale Therapiesysteme Behandlung der Durchbruchschmerzen Opioidbedingte Nebenwirkungen Zusatzmedikation bei starken Schmerzen 46 Hinweise Multimedikation Patienteninformationen Implementierung 47 Zusammenfassung 48 49 Literatur Zur Erarbeitung herangezogene Leitlinien Zitierte Literatur 59 Anhang Number needed to treat 62 Besonderheiten bzw. unerwünschte Arzneimittelwirkungen von NSAR 63 Schwere unerwünschte Wirkungen Relative Kontraindikationen bei NSAR 64 Notfall-Analgesie 65 Triptane 66 Evidenzkategorien 67 Informationen zur Leitliniengruppe Hessen 69 Disclaimer und Internetadressen Anmerkung: Die hier angegebenen Seitennummern beziehen sich auf die Seiten der Original-Leitlinie. Dieses Inhaltsverzeichnis soll hier zeigen, welchen Umfang die Leitlinie insgesamt hat und welche Details Sie darin erwarten können. Auf den folgenden Seiten finden Sie lediglich Auszüge aus der Leitlinie (siehe auch vorhergehende Seite). Nr. 3 / 2008 KVH • aktuell Seite 33 Therapie von Schmerzen Hausärztliche Schlüsselfragen Aus hausärztlicher Sicht stellen sich bei der Behandlung von Schmerzen folgende Herausforderungen und Probleme: Die Schwere des Schmerzes (subjektiv-objektiv) anhand der Äußerungen/Präsentation der Patienten richtig einzuschätzen. Hierbei sind auch ethnische Unterschiede in der Schmerzwahrnehmung und -verarbeitung zu berücksichtigen. Den Schmerz im Spannungsfeld zwischen psychisch und organisch richtig einordnen zu können. Keine organischen Ursachen für den Schmerz zu übersehen und andererseits durch überflüssige Untersuchungen einer möglichen Chronifizierung keinen Vorschub zu leisten. Verhinderung der Chronifizierung von Schmerzen (z. B. durch effiziente Schmerztherapie). Die soziale Bedeutung des Schmerzes (im Familiensetting, sekundärer Krankheitsgewinn, Arbeitsunfähigkeit, Präsentiersymptom) erkennen und angemessen reagieren. Klinische Differentialdiagnose bei Kopf- und Rückenschmerzen vor dem Hintergrund, dass selten gravierende Ursachen vorhanden sind. Vermittlung des Therapieregimes mit Schmerzmitteln und Sicherstellen der Adhärenz (Compliance). Opioid- und Cortisonängste auf Seiten der Patienten, aber auch auf Seiten der Behandler – mit der Gefahr einer unzureichenden Schmerzbehandlung. Erfassen der Selbstmedikation und/oder der Schmerzmittelverordnungen anderer Behandler. Adäquate Arzneimittelauswahl unter Berücksichtigung der Risiken und Interaktionen (z. B. renal, kardiovaskulär und gastrointestinal). Rechtzeitiges Erkennen und Behandeln eines Analgetika-Abusus. Chronische Schmerzpatienten zu akzeptieren. Fehler, Gefahren und Unsicherheiten Fehlen von BtM-Rezepten in vielen hausärztlichen Praxen. Bei schweren Schmerzen (insbesondere Durchbruchschmerzen) werden fälschlicherweise schwache Opioid-Analgetika (Tramadol, Tilidin) mit starken Opioiden (z. B. Morphin, Fentanyl) kombiniert. Patienten mit Herzinsuffizienz erhalten oft unreflektiert ein NSAR (Cave: Dekompensation). Häufig wird der Effekt auf die Thrombozytenaggregationshemmung durch NSAR/ASS übersehen und diese z. B. vor operativen Eingriffen nicht rechtzeitig abgesetzt. Bei gleichzeitiger Indikation von ASS und NSAR wird ASS häufig nicht 2 Stunden vor NSAR eingenommen (Wirkungsverlust von ASS bei gleichzeitiger Einnahme). Alters- und gewichtsabhängige Dosisanpassung der Schmerzmittel erfolgt unzureichend. Kombinationsanalgetika mit Koffein oder Codein kommen noch trotz Abhängigkeitspotenzial zur Anwendung. Unzureichende Komedikation und dadurch keine adäquate Schmerztherapie. Fehlende Ulkusprophylaxe unter NSAR-Gabe bei Risikopatienten. Unzureichende Umsetzung der Allgemeinmaßnahmen (Einsparung von Analgetika). Der Stellenwert der transdermalen Opioid-Applikation (Vor- und Nachteile) noch unsicher. Seite 34 KVH • aktuell Nr. 3 / 2008 Diagnostik von Schmerzen Besonderheiten: Schmerzanamnese, Schmerzmessung und Verlaufskontrolle Schmerzanamnese und Schmerzmessung Bei der Behandlung von Schmerzpatienten sollte immer nach den Erscheinungsumständen von Schmerzen und deren Stärke gefragt und entsprechend dokumentiert werden, um Schmerzcharakteristika nicht zu übersehen, von denen die Patienten nicht von sich aus berichten [146]. Eine praktikable Lösung für den ambulanten hausärztlichen Alltag ist die Verwendung der Visuellen Analog Skala [VAS] oder der 11-stufigen (0-10) NRS (Numeric Rating Scale) [34] (siehe gegenüberliegende Seite). Dabei wird der Patient gefragt: Wie stark sind Ihre Schmerzen auf einer Skala von 0 bis 10 wenn »0« bedeutet, dass Sie gar keine Schmerzen haben und »10« die stärksten Schmerzen, die Sie sich vorstellen können? Bei älteren Patienten kann auch die 5-stufige VRS (Verbale Rating Scale) benutzt werden: »Sind Ihre Schmerzen leicht, mittel, stark oder sehr stark?« (»Keine Schmerzen« würde mit »0«, »sehr stark« mit »4« dokumentiert werden usw.). Die regelmäßige Dokumentation der erhobenen Werte ist nötig, um eine Überprüfung des Therapieerfolges zu ermöglichen [35]. Das Ziel der Schmerztherapie und die Interventionsgrenze bei Durchbruchschmerzen sind mit dem Patienten zu besprechen. Um einen genaueren Überblick über den Verlauf der Schmerzen zu bekommen und um eine effektive Therapie einzuleiten, sollten weitere Fragen gestellt werden (siehe folgende Tabelle). Fragen zur Beurteilung der Schmerzen unter Therapie Lokalisation und Ausstrahlung An welcher Stelle schmerzt es? Wohin zieht der Schmerz? Qualität, Intensität, Schmerzcharakter Ist der Schmerz stumpf, brennend, stechend? Ist der Schmerz anfallsweise, kontinuierlich, intermittierend im Tagesverlauf? Wie stark sind Ihre Schmerzen, wenn Sie ruhig im Bett liegen? Wie stark sind Ihre Schmerzen bei Belastung? Wie stark sind Ihre Schmerzen maximal? Nonverbale Schmerzzeichen vorhanden? Herzfrequenz, Puls, Unruhe, RR-Anstieg, Schwitzen, Mimik, Gestik, Körperhaltung, Muskeltonus Finden sich psychische Auffälligkeiten? Depression, Schlaflosigkeit, Angst, Traurigkeit, Sorge, Vereinsamung, Aggression, Autoaggression Modulierende Faktoren Gibt es etwas, das Ihre Schmerzen verstärkt/lindert (z. B. Kälte, Wärme, Ruhe)? Medikation Wie stark reduzieren sich die Schmerzen, wenn das Medikament wirkt (Schmerzskala)? Wie lange hält die Wirkung des Medikamentes an? Begleiterscheinungen: Müdigkeit, Magenschmerzen, Übelkeit, Obstipation, Unruhe, Verwirrtheit...? Ì WHO-Stufenschema KVH • aktuell Nr. 3 / 2008 Seite 35 Tumorschmerzen und sonstige schwere chronische Schmerzen Tumorschmerzen und sonstige schwere Das WHO Stufenschema Schmerzen (s. hierzu Leitlinie Palliativversorgung) Bei der Entstehung von chronischen Schmerzen Bei der Entstehung von chronischen Schmerzen spielt die Ausbildung des Schmerzgedächtnisses spielt die Ausbildung des Schmerzgedächtnisses eine entscheidende Rolle. Sehr starke oder wieeine entscheidende Rolle. Sehr starke oder derholte Schmerzreize können auf Dauer zu einer wiederholte können zu Senkung derSchmerzreize Schmerzschwelle führenauf mitDauer der Folge, einer Senkung derReize Schmerzschwelle führen mit dass auch geringe starke Schmerzen auslösen der Folge, dass auch geringe Reize starke können. Unter Umständen kann der Patient sogar Schmerzen auslösen können. U. U. Reiz, kann allein der Schmerzen empfinden ohne aktuellen Patient sogar Schmerzen empfinden ohneEsaktueldurch spontane Aktivität von Neuronen. ist von größter undNeuauslen Reiz,Bedeutung, allein durchmöglichst spontane frühzeitig Aktivität von reichend Schmerz zu behandeln, um ronen. Eswirksam ist von den größter Bedeutung, möglichst frühzeitig und ausreichend wirksam den Schmerz zu behandeln, um einer Chronifizierung entgegen einer Chronifizierung entgegen zu wirken. zu wirken. Bei chronischen Schmerzen unterscheidet man: Bei chronischen Schmerzen unterscheidet man: Somatische Schmerzen – scharf, gut lokalisier Somatische Schmerzen – scharf, gut lokalisierbar (z. (z. B. B. KnochenKnochen- und und Periostschmerz, bar Periostschmerz, HautHautund Weichteilschmerz, Ischämieschmerz) und Weichteilschmerz, Ischämieschmerz) Viszerale Schmerzen Schmerzen –– dumpf, dumpf, schlecht Viszerale schlechtlokalilokalisierbar sierbar Neuropathische Schmerzen Schmerzen– –attackenweise attackenweise Neuropathische einschießend oderauch auchbrennender brennender Dauereinschießend oder Dauerschmerz. schmerz Stufe 3 schwere chronische Schmerzen Stufe 2 starke chronische Schmerzen Stufe 1 chronische leichte bis mittelschwere Schmerzen Nichtopioid-Analgetikum Ibuprofen retard Naproxen Diclofenac Paracetamol (nur geringe antiphlogistische Wirkung) Metamizol (zusätzlich: spasmolytische Wirkung) Nichtopioid-Analgetikum plus schwach wirkende Opioidanalgetika Tramadol, Tilidin Dihydocodein Nichtopioid-Analgetikum plus Stark wirkende oral oder subkutan applizierte Opioidanalgetika Morphin Buprenorphin Fentanyl Oxycodon Hydromorphon ggf. extra lang wirkende Darreichungsformen (Pflaster, wenn orale Therapie nicht möglich ist). Beratungsursache 7: Tumorschmerzen und Hinweis: für Patienten mit PEGsonstige schwere chronische Schmerzen Sonde sind verschiedene Morphine als Granulat erhältlich oder Ì Schmerzskalen peridurale Morphinapplikation Ì Nichtopioide WHO-Stufe I Adjuvans und Ko-Analgetika: Antiemetika, Laxanzien, Antidepressiva, Neuroleptika, Antikonvulsiva, Cortison, Lokalanästhesie Anmerkung: Als Adjuvans gelten z. B. auch: Akupunktur, TENS [37] {B, Ia}, alle physikalischen Therapieformen, psychische Führung [158] {A, Ia}. Anmerkung: Als Adjuvans gelten z. B. auch: Akupunktur, TENS [37] {B, Ia}, alle physikalischen Therapieformen, psychische Führung [158] {A, Ia}. Schmerzskalen Schmerzerfassung durch Visuelle oder Numerische Analogskala Schmerzerfassung durch Visuelle oder Numerische Analogskala 36 Hausärztliche Leitlinie »Therapie von Schmerzen« Nichtopioide WHO Stufe I Die Auswahl der Analgetika erfolgt nach der zu Grunde liegenden Schmerzursache und -intensität. Analgetika werden schrittweise gegen den Schmerz titriert, wobei die Dosis so weit gesteigert Version 3.03 I 28. Januar 2008 Diclofenac, Naproxen, Paracetamol, Metamizol. Bei viszeralen Nozizeptorschmerzen scheint die Gabe von nichtsauren, antipyretisch wirksamen Analgetika (Metamizol, Paracetamol), bei somatischen und insbesondere bei ossären Nozizeptor- KVH • aktuell Seite 36 Nichtopioide WHO Stufe I Die Auswahl der Analgetika erfolgt nach der zu Nichtopioide WHO-Stufe 1 Grunde liegenden Schmerzursache und -intensität. Die Auswahlwerden der Analgetika erfolgt nach den der Analgetika schrittweise gegen zu Grunde liegenden Schmerzursache und -inSchmerz titriert, wobei die Dosis so weit gesteigert tensität. Analgetika werden schrittweise wird bis die Schmerzen ausreichend gelindertgegen sind den Schmerz titriert, wobei die Dosis so weit (Maximaldosis und Nebenwirkungen beachten). gesteigert wird bis die Schmerzen ausreichend Nach der WHO-Stufe I werden bei leichten gelindert sind (Maximaldosis und NebenwirkunSchmerzen Nichtopioide verabreicht: Ibuprofen, gen beachten). Nach der WHO-Stufe 1 werden bei leichten Schmerzen Nichtopioide verabreicht: Nr. 3 / 2008 Diclofenac, Naproxen, Paracetamol, Metamizol. Bei viszeralen Nozizeptorschmerzen scheint die Gabe von nichtsauren, antipyretisch wirksamen Ibuprofen, Paracetamol, Analgetika Diclofenac, (Metamizol, Naproxen, Paracetamol), bei somaMetamizol. Bei viszeralen Nozizeptorschmerzen tischen und insbesondere bei ossären Nozizeptorscheint die Gabe von nichtsauren, antipyretisch schmerzen die Gabe von nichtsteroidalen Antiwirksamen Analgetika (Metamizol, Paracetamol), rheumatika (NSAR) von Vorteil zu sein [49, 50]. bei somatischen und insbesondere bei ossären Nozizeptorschmerzen die Gabe von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) von Vorteil zu sein [49, 50]. Stufe WHO – Nicht-Opioid-Analgetikum (nach(nach [8, 116, Tagesdosis nach StufeI 1nach nach WHO – Nicht-Opioid-Analgetika [8,117]; 116,Maximale 117]; Maximale Tagesdosis nach Fachinformationen). Fachinformationen) Nichtopioid Paracetamol Ibuprofen Ibuprofen retard Naproxen Diclofenac Diclofenac retard Metamizol Wirkdauer (Std.) Maximale Tagesdosis (mg/d) Beratungsursache 7: 4-6 x Tumorschmerzen 500-1000 mg 4000und p.o., rect., i.v. 4-6 auch als 1000 mg Supp. Schmerzen sonstige schwere chronische Applikation p.o., rect., i.v. p.o. p.o. p.o., rect., i.v. p.o. p.o., rect., i.v. 6-8 12 12 8-12 24 Dosierung (mg) 2-6 x 400, 1-3 x 800 2-3 x 800 Ì Opioide WHO-Stufe II 2 x 500 2-3 x 50-150 1 x 100 4-6 4-6 x 500-1000 Tumorschmerzen WHO Stufe II Opioide WHO-Stufe 2 Bei unzureichender Analgesie oder bei mäßig Bei unzureichender oder bei mäßig starken Schmerzen Analgesie wird die Therapie nach starder ken Schmerzen wird die Therapie nach der WHOWHO-Stufe II durch ein mittelstarkes Opioid wie Stufe 2 durch ein mittelstarkes Opioid wie z. B. z. B. Tramadol oder Tilidin ergänzt. Sollten TagesTramadol oder Tilidin ergänzt. Sollten Tagesdosen dosen von 600 mg bei diesen Substanzen nicht von 600 mg bei diesen Substanzen nicht ausreiausreichen, starke Opioide eingesetzt chen, solltensollten starke Opioide eingesetzt werden. werden. Bei starken tumorbedingten Schmerzen Bei starken tumorbedingten Schmerzen kommen 2400 2400 1250 150 150 4000 kommen häufig unter Umgehung der ersten beiden Stufen sofort starke Opioide in Kombination mit häufig unter Umgehung der ersten beiden Nichtopioiden zur Anwendung [212].Stufen Die sofort starke Opioide in Kombination mit NichtoKombination von schwach wirkenden Opioiden pioiden zur Anwendung [212]. Die Kombination (Stufe II) mit stark wirkenden Opioiden (Stufe von schwach wirkenden Opioiden (Stufe 2) III) ist pharmakologisch nicht sinnvoll. mit stark wirkenden Opioiden (Stufe 3) ist pharmakologisch nicht sinnvoll. 37 Hausärztliche Leitlinie »Therapie von Schmerzen« Version 3.03Maximale 28. Januar 2008 StufeII2nach nach WHO, Opioide gegen mittelstarke Schmerzen [8,117]; 116, 117]; TagesStufe WHO, Opioide gegen mittelstarke Schmerzen (nach(nach [8, 116, Maximale I Tagesdosis dosisFachinformationen) nach Fachinformationen). nach Wirkstoff Applikation Wirkdauer (Std.) Dosierung (mg) Maximale Tagesdosis (mg/d)* Dihydrocodein retard p.o. 8-12 Tramadol p.o. (Trpf.); 20 Tropfen = 50 mg 2-4 Tramadol Retard p.o. 8-12 2-3 x 100-300 400 Tilidin-Naloxon p.o. 20 Trpf. = 50 mg 2-4 bis 6 x 20-40 Trpf. 600 Tilidin-Naloxon retard p.o. 8-12 2 x 60-120 mg Beginn: 5-6 x 10 Tropfen, bis 6 x 20-40 Tropfen 2-3 x 100-200 Kps. (je 50-200 mg/d) 240 400 bzw. 160 Tropfen 600 zu dieser Tabelle: Tabelle: Die hier empfohlene maximale Tagesdosis ist ein Richtwert. Tagesdosen sollten nicht überschritten werden, es sei ** Hinweis Hinweis zu dieser Die hier empfohlene denn, es liegen besondere Umstände dafür vor. maximale Tagesdosis ist ein Richtwert. Tagesdosen sollten nicht überschritten werden, es sei denn, es liegen besondere Umstände dafür vor. KVH • aktuell Nr. 3 / 2008 Tumorschmerzen WHO Stufe III Obwohl Opioide auf vielfältige Weise invasiv und nicht-invasiv appliziert werden Opioide WHO-Stufe 3 können, gilt bis zum heutigen Tage die orale Morphingabe als StanObwohl Opioide auf vielfältige Weise invasiv und dard [100]. Diese ist häufig auch in den letzten nicht-invasiv appliziert werden können, gilt bis zum Lebenstagen noch durchführbar. Morphin ist das heutigen Tage die orale Morphingabe als Stanam häufigsten verabreichte und bevorzugt eindard [100]. Diese ist häufig auch in den letzten zusetzende starke Opioid [100]. Lebenstagen noch durchführbar. Morphin ist das wird bei Patienten mit starken TuamZunehmend häufigsten verabreichte und bevorzugt morschmerzen auch Hydromorphon verwendet einzusetzende starke Opioid [100]. Durch diewird niedrigere Plasmaeiweißbin [119]. Zunehmend bei Patienten mit starken dung sowie die geringere Kumulation aktiver verTumorschmerzen auch Hydromorphon Metabolite bei Patienten mit niedrigere Niereninsuffizienz wendet [119]. Durch die Plasmaeisind Vorteile in Bezug Nebenwirkungsweißbindung sowie auf die das geringere Kumulation spektrum denkbar [148, aktiver Metabolite bei 176]. Patienten mit Nierenin- Seite 37 Bei Schluckstörungen können Buprenorphin und Fentanyl als transdermale Systeme angewendet werden [181]. für die Dosierung sind Schmerz Richtgrößen suffizienz sind Vorteile in Bezug auf das Nereduktion und Nebenwirkungen, das bedeutet, benwirkungsspektrum denkbar [148, 176]. dass eine Maximaldosis für Opioide nicht fest Bei Schluckstörungen können Buprenorphin gelegt werden kann. und Fentanyl als transdermale Systeme angeEinige Patienten bedürfen sehr hoher wendet werden [181]. umdie eine zufriedenstellende Opioiddosen, Richtgrößen für Dosierung sind SchmerzreSchmerzreduktion zu erreichen. duktion und Nebenwirkungen; das bedeutet, dass eine Maximaldosis für Opioide nicht festgelegt werden kann. Einige Patienten bedürfen sehr hoher Opioiddosen, um eine zufriedenstellende Schmerzreduktion zu erreichen. WHO Stufe III,3,Opioide gegen starke Schmerzen (mod.(mod. nach Gammaitoni 2003 [86] und [86] Gordon WHO-Stufe Opioide gegen starke Schmerzen nach Gammaitoni 2003 und1999 Gordon [93], Nauck [116] AKdÄ [8]) 1999Klaschik, [93], Klaschik, Nauckund [116] und AKdÄ [8]). Bei nötiger Überschreitung der Höchstverschreibungs*bei nötiger der Höchstverschreibungsmenge auf dem BtM-Rezept die Deklaration »A« sowie die menge istÜberschreitung auf dem BtM-Rezept die Deklaration »A«istsowie die Dokumentation der Indikation für Dokumentation die höhere Dosis (z. B. in der Krankenakte) nötig höhere Dosis der (z. Indikation B. in derfür Krankenakte) nötig. Wirkstoff Morphin Applikation; Tagesdosis (mg) p.o., i.v., s.c., rect.; Analgetische Äquivalenz Wirkdauer (Std.) 4 1 die Anmerkung bei s.c. oder i.v. Gabe 2-3 mal stärkere 6 x 5-500 Wirkung (first-pass Effekt) Morphin retard Buprenorphin 2-3 x 10-500 8-12 1-2 x 20-500 12-24 s.l., i.v., i.m.; 6-8 1 60-70 und ț-Antagonist 3-4 x 0,2-1,2 Buprenorphin TTS t.d.; 0,8-3,2 Partieller µ-Agonist 48-96 140 µg/h (ceiling effect) Fentanyl t.m., s.c., i.v. Fentanyl TTS t.d.; 0,6-12 48-72 Oxycodon retard p.o.; 2-3 x 10-400 8-12 1,5 -2 Hydromorphon retard p.o., s.c., i.v.; 8-12 5-7,5 70-100 2-3 x 4-200 Opioid-Ängste Ängste vor dem Einsatz starker Opioide bei Paleiniger Grundsätze unbegründet. Wichtig ist die Tatsache, dass der Schmerz der physiologische Antagonist der gefürchteten opioidbedingten Atemdepression ist. Eine Atemdepression beispielsweise tritt nicht auf, solange man sich mit der Opioiddosis an dem Ausmaß der Schmerzreduktion orientiert. Lebererkrankungen haben keinen wesentlichen Einfluss auf den Metabolismus von Morphin und pulmonale Vorerkrankungen stellen keine Hausärztliche Leitliniesind »Therapie von Schmerzen« liativpatienten bei der Beachtung ggf. vorteilhaft bei Niereninsuffizienz 39 Kontraindikation für starke Opioide dar [100]. Version 3.03 einer Januar 2008 Die mögliche Entwicklung I 28.psychischen oder physischen Abhängigkeit ist bei Palliativpatienten irrelevant. Auch bei der Langzeittherapie mit Opioiden kommt es zu keiner Schädigung von Organen [100]. Wichtig: Das Auftreten von Übelkeit nach Opioidgabe ist keine »Opioidunverträglichkeit« sondern eine typische, behandelbare Nebenwirkung und kein Grund zum Absetzen der Opioidmedikation (s. u.) [40]. Seite 38 KVH • aktuell Nr. 3 / 2008 Dosisfindung bei Einleitung einer Opioidtherapie Die orale Gabe von Morphin ist nach wie vor der Goldstandard bei der Einleitung einer Therapie mit starken Opioiden [100, 232]. Während in der Klinik mit nicht-retardierten Morphinen die Dosisfindung durchgeführt wird, wird in der ambulanten Praxis aufgrund der anderen Rahmenbedingungen in der Regel mit retardierten Morphinen (zweimal tgl.) oral begonnen. Nach Abschluss der Dosisfindung mit kurzwirksamen Morphinen wird schon in der Klinik auf eine lang wirksame MorphinRetardtablette bzw. -Kapsel im Verhältnis 1:1 des Tagesbedarfs umgestellt. Hat der Patient bisher 10 mg Morphin oral alle vier Stunden erhalten, entspricht dies einer Tagesdosierung von 60 mg. Der Patient erhält demzufolge 2 x 30 mg retardiertes Morphin. Als Bedarfsmedikation für Durchbruchschmerzen erhält der Patient 1/6 der Opioid- Tagesdosis des gleichen Wirkstoffs als Lösung oder schnellfreisetzende Tablette. Diese wird bei Schmerzen, jedoch nicht häufiger als stündlich genommen. Benötigt der Patient sehr häufig eine Zusatzmedikation wird der Tagesbedarf entsprechend angepasst und die Bedarfsmedikation auf 1/6 der neuen Tagesdosis erhöht [147]. Da die Angaben zur Höhe der benötigten Bedarfsmedikation in der Literatur divergieren, kann abhängig von der schmerztherapeutischen Erfahrung des Behandelnden die notwendige Dosis (1/12 bis 1/3) im Einzelfall auch davon abweichen [167, 173] (zum Durchbruchschmerz s. u.). Bei ambulanter Behandlung wird je nach Zustand und Vorbehandlung des Patienten unmittelbar mit 2 x 10 mg bis 2 x 30 mg retardiertem Morphin begonnen. Die Verordnung einer Bedarfsmedikation mit schnell wirksamem Morphin ist jedoch ebenfalls notwendig [232]. Transdermale Therapiesysteme Ist aufgrund von Schluckstörungen eine orale Medikation nicht möglich, so können transdermale Therapiesysteme eine Alternative sein. Dabei ist zu beachten, dass stabile Plasmaspiegel erst nach 12 bis 24 Stunden erreicht werden. Nach Entfernen des Pflasters ist die Eliminationshalbwertszeit ebenso lang [181]. Für die Einstellung auf die transdermale Opioidapplikation hat sich folgendes Verfahren bewährt: Patienten können zunächst mit einem anderen Opioid der WHO-Stufe III wie Morphin eingestellt werden, und nach Erreichen einer stabilen Dosis auf das transdermale System umgestellt werden. Für Umrechnung von einer Vorbehandlung mit oralem Morphin wird für Fentanyl ein Faktor von 100:1, für Buprenorphin von 50:1 empfohlen. Von einer Tagesdosis von 60 mg Morphin sollte also auf 0,6 mg Fentanyl (25 µg/h) oder 1,2 mg Buprenorphin (52,5 µg/h) pro Tag umgestellt werden [177]. Dies gilt für Pflaster, die alle drei Tage gewechselt werden. Eine individuelle Anpassung ist erforderlich. Eine gute Hilfestellung geben Umrechnungstabellen der Hersteller. Zunehmende Schmerzspitzen am dritten Tag können Zeichen einer insgesamt nicht ausreichenden Schmerzlinderung sein [66]. In diesem Fall sollte zunächst eine Dosiserhöhung erwogen werden. Auch Patienten, die bisher nicht unter starken Schmerzattacken litten, muss eine Zusatzmedikation mit einem schnell wirksamen Opioid (z. B. oral oder subkutan appliziertes Morphin, Fentanyl-Stick) verschrieben werden, damit sie es für möglicherweise neu auftretende Schmerzattacken zur Verfügung haben. Als Bedarfsmedikation für Durchbruchschmerzen erhält der Patient wie oben dargestellt 1/6 der Opioid-Tagesdosis z. B. umgerechnet auf schnellfreisetzendes Morphin als Lösung oder Tablette (nicht häufiger als stündlich). Im klinischen Alltag scheint vor allem bei höheren transdermalen Fentanyldosen eine vorsichtigere Umrechnung auf die Bedarfsmedikation sinnvoll. Erfahrung: Transdermale Systeme wirken vor allem bei terminal Kranken und kachektischen Patienten häufig nur unzuverlässig. Daher kann bei Palliativpatienten auch immer über die subkutane Applikation der Opioide (z. B. über eine Butterflykanüle unter einer Folie etwa am Oberarm), entweder vierstündlich und bei Bedarf beziehungsweise kontinuierlich über eine Pumpe mit Bolusfunktion nachgedacht werden. KVH • aktuell Nr. 3 / 2008 Wichtige Hinweise an Patienten: Pflaster darf erst nach drei Tagen gewechselt werden, das alte Pflaster ist zu entfernen (wg. evtl. Restwirkung!), kein Heizkissen/keine Wärmeflasche auflegen, keine langen heißen Bäder, bei Fieber mit Arzt Kontakt aufnehmen. Wichtige Hinweise an den Arzt: Bei Patienten mit Opioidpflastern sollte bei Auftreten von hohem, länger anhaltendem Fieber auf retardierte Opioide umgestellt werden. Bei erstmaliger Verordnung von Opioiden Seite 39 nicht gleich mit Pflastern beginnen (s. Hinweis zur Einstellung auf transd. Opioide), da es zu Überdosierung und ggf. zu starken Nebenwirkungen kommen kann. Membranpfaster dürfen nicht geteilt werden (Intoxikationsgefahr durch Austritt des Wirkstoffes). Matrixpflaster sind technisch teilbar bei Gefahr von Dosierungsungenauigkeiten; allerdings ist die Teilung arzneimittelrechtlich nicht zugelassen und damit off-label. Patienten müssen über Wirkung und Anwendung ausführlich informiert werden, um Falschanwendung zu vermeiden. Behandlung der Durchbruchschmerzen Diese Schmerzen treten zusätzlich zum Daugruppe wegen späterem Wirkungseintritt nicht erschmerz auch unter Opioidtherapie auf und empfohlen. Schnelle Wirkung erwünscht, z. B. Morphin können wenige Minuten, aber auch länger anhalDurchbruchBei Durchbruchschmerzen Dosis Grundanalgesie überprüft und i.v., s.c.,derMorphintropfen, nichtretardierte ten [8]. AuslösendeFaktoren sind Bewegungensollte die schmerzen angepasst werden! Morphintabletten, Fentanyl-Stick (z.B. bei Umlagerung, Körperhygiene) oder auch Immerein einschnell schnellwirkendes wirksames Opioid Buprenorphin wird von der Appli sollte 1/6verwenden! der aktuellen Tagesdosis derselben Schlucken. Der Patient Leitliniengruppe späterem Wirkungseintritt nicht empfohlen. kationsart; sonst umrechnen Opioid zur Verfügung haben (beachtenwegen Sie hierzu Schnelle Wirkung erwünscht, z. B. Morphin i.v., s.c., Morphintropfen, Eine orale Wiederholung ist stündlich möglich! die untenstehende Tabelle). Bei mehrfacher Gabe ist die Grundanalgesie nichtretardiert Morphintabletten, Fentanyl-Stick anzupassen. Behandlungsgrundsätze: 1/6 der aktuellen Tagesdosis derselben Applikationsart; sonst umrechnen Bei Durchbruchschmerzen sollte die Dosis Die erforderliche gegen den mehrfacher Gabe ist die Eine orale Wiederholung ist stündlich möglich! Bei Escape-Dosis der GrundanalgesieGrundanalgesie überprüft und angepasst Durchbruchschmerz erscheint manchmal hoch anzupassen. werden! (s. Tab.), immer mit der GesamttagesEscape-Dosis gegen den deshalb Durchbruchschmerz erscheint Die erforderliche Immer ein schnell wirksames Opioid verwendosis vergleichen, ein guter Wirkungseintritt manchmal hoch (s. Tab.), deshalb immer mit der Gesamttagesdosis vergleichen, den! Buprenorphin wird von der Leitlinienbestätigt die richtige Therapie. ein guter Wirkungseintritt bestätigt die richtige Therapie. Starkwirkende Opioide gegen Durchbruchschmerz (Escape) und akute Dyspnoe [17] Medikament Applikation Wirkung nach Wirkdauer z. B. bei Tagesdosis Escape Dosis: Dosierungsintervall ggf. alle ... Minuten Morphin oral 20-60 min 4-6 h 300 mg 50 mg 60 min s.c. 15-30 min 4-5 h 120 mg 20 mg 30 min i.v. 1-5 min 4-5 h 120 mg 20 mg 5 min buccal 10-30 min 1-2 h 100 µg/h 200 µg oder mehr Sticks anwenden, bis zur Besserung Intranasal 1-2 min 1-2 h 100 µg/h 200 µg 5 min i.v. 1-2 min 1-2 h 100 µg/h 200 µg 5 min oral 15-30 min 4-5 h 16 mg 2,6 mg 60 min s.c. 15-30 min 4-5 h 12 mg 2 mg 30 min i.v. 1-5 min 4-5 h 12 mg 2 mg 5 min Fentanyl* Hydromorphon Buprenorphin Wegen der langen Wirkdauer und wegen Partialantagonismus gegen Durchbruchschmerzen von der Leitliniengruppe nicht empfohlen. *Die Leitliniengruppe empfiehlt bei einer Basistherapie mit Fentanylpflastern eine Kupierung des Durchbruchschmerzes mittels Morphin. Ì Nichtmedikamentöse Maßnahmen Ì Arzneitherapie Ì Opioidängste KVH • aktuell Seite 40 Nr. 3 / 2008 Nichtmedikamentöse Maßnahmen, Arzneitherapie Maßnahmen, die der Arzneitherapie vorangehen oder diese unterstützen Arzneitherapie Grundlage der medikamentösen Therapie ist das Stufenschema der WHO Prinzipiell zu beachten ist: Möglichst orale Einnahme (retardierte Präparate) Einnahmeschema mit festen Zeiten entwerfen Bedarfsmedikation für Durchbruchschmerzen festlegen [172] {B, III} Ì An Nebenwirkungen Therapie unerwünschter Arzneimittelwir Opioidbedingte kungen denken: Verordnung von Laxans (z. B. Lactulose 1 bis 3 Esslöffel/Tag [230] {B}) und Antiemetikum (z. B. MCP) bei Opiaten [41] {B} Unbedingt BtM-Rezepte bereithalten! Ursachenbekämpfung Psychologische Führung [58] {A, Ia} Aktivierende Pflege Ausreichende Flüssigkeitsgabe Angepasste kalorienreiche Ernährung [28] {eR} Erreichbarkeit des Arztes organisieren, um dem Patienten die Angst vor Verlassensein und Verschlimmerung zu nehmen Schmerztagebuch [82] {B, eR} Aufklärung über Wirkung der Opioide, Patientenedukation [56] {A, Ib} Beratungsursache 7: Tumorschmerzen und sonstige schwere chronische Schmerzen Opioid-Ängste Opioidbedingte Nebenwirkungen Opioidbedingte Ängste vor dem EinsatzNebenwirkungen starker Opioide bei PalliaUnter einer Therapie mit Opioiden können zahltivpatienten bei dermit Beachtung GrundUnter einersind Therapie Opioideneiniger können zahlreiche Nebenwirkungen auftreten, die eine Besätze unbegründet. reiche Nebenwirkungen auftreten, die eine Begleittherapie notwendig machen. Hierüber sollte gleittherapie notwendig sollte Wichtig ist die Tatsache,machen. dass der Hierüber Schmerz der jeder Patient Beginn der Behandlung jeder Patient vor vor dem dem Beginnder dergefürchteten Behandlung aufaufphysiologische Antagonist geklärt werden. Die häufigsten Nebenwirkungen Nebenwirkungen geklärt werden. Die häufigsten opioidbedingten Atemdepression ist. sind initiale Sedierung, Übelkeit, Erbrechen und sind initiale Sedierung, Übelkeit, Erbrechen Eine Atemdepression beispielsweise tritt nicht eine anhaltende Obstipation. Zusätzlich können und anhaltende Obstipation. Zusätzlich auf,eine solange man sich mit der Opioiddosis an Juckreiz, Schwitzen,Schwitzen, Mundtrockenheit, Harnverhalt können Juckreiz, Mundtrockenheit, dem Ausmaß der Schmerzreduktion orientiert. oder unwillkürlichen muskulären Zuckungen (MyoHarnverhalt oder unwillkürliche muskulären ZuLebererkrankungen haben keinen wesentlichen klonien, ckungens.(Myoklonien, s. Anhang) auftreten [118]. Anhang) auftreten [118]. Die meisten Einfluss auf den Metabolismus von Morphin Die meisten Nebenwirkungen treten bei TheraNebenwirkungen treten bei Therapiebeginn und und pulmonale Vorerkrankungen stellen keine piebeginn und nach Dosiserhöhungen auf. Die nach Dosiserhöhungen auf. Die initiale Sedierung Kontraindikation für starke Opioide dar [100]. initiale Sedierung lässt in der Regel nach einigen lässt in der Regel nach einigen Tagen nach und Tagen nach und und muss nicht und muss normalerweise nichtnormalerweise behandelt werden. behandelt werden. Bei anhaltender VigilanzminBei anhaltender Vigilanzminderung sollte aber eine derung sollte aber eine Reduktion der Opioiddosis, Reduktion der Opioiddosis, eventuell eine Ändeeventuell eine Änderung des Applikationsinterrung des Applikationsintervalls, die Überprüfung valls, die Überprüfung anderer Arzneimittel oder anderer Arzneimittel oder ein Opioidwechsel (Opioidrotation, s.o.) erwogen werden [40]. Die mögliche Entwicklung einer psychischen Übelkeit und Erbrechen sollten vom ersten Tag oder physischen Abhängigkeit ist bei Palliativeiner Opioidtherapie mitbehandelt beziehungsirrelevant. ein patienten Opioidwechsel (Opioidrotation, s.o.) erwogen weise verhindert werden. Auch bei der Langzeittherapie mit Opioiden werden [40]. Mittel der ersten Wahl sind z. B. Neuroleptika kommt es zu keiner Schädigung von Organen wie Haloperidol (3 x 0,3-0,5 mg/d) oder MetoÜbelkeit [100]. und Erbrechen sollten vom ersten Tag clopramid (5 x 10 mg). einer Opioidtherapie mitbehandelt beziehungsDas Auftreten von Übelkeit nach Wichtig: Darüber hinaus können selektive Serotoninweise verhindert werden. Opioidgabe ist keine »Opioidunverträgantagonisten, Antihistaminika oder lichkeit« Mittel dersondern ersten Wahl sind z. B. Steroide Neuroleptieine typische, behandelbare eingesetzt werden (s.(3 Gastrointestinale Sympka wie Haloperidol x 0,3-0,5 mg/d) oder Nebenwirkung und kein Grund zum Absetzen tome/Übelkeit und M etoclopramid (5 Erbrechen). x 10 mg). der Opioidmedikation (s. u.) [40]. Darüber hinaus können selektive Serotonin oder Steroide Dieantagonisten, Inzidenz von Antihistaminika Übelkeit und Erbrechen nimmt eingesetzt werden (s. Gastrointestinale Sympmit der Therapiedauer kontinuierlich ab. Selten betome/Übelkeit und Erbrechen). steht dieses Problem länger als eine Woche. Daher sollte von die prophylaktische Antiemesenimmt für 7Die Inzidenz Übelkeit und Erbrechen mit Therapiedauer kontinuierlich ab. Seltenoder be10 der Tage fortgeführt werden. Bei ausgeprägter steht dieses Problem länger als eine Woche. Daher langanhaltender Symptomatik kann aber neben sollte die prophylaktische Antiemese fürein 7-10 Tage der medikamentösen Therapie auch Opioidfortgeführt werden. Bei ausgeprägter wechsel in Erwägung gezogen werden. oder Beispiele für die Behandlung und Prophylaxe der opioid-induzierten Übelkeit (mod. nach Cherny [40]) Beispiele für die Behandlung und Prophylaxe der opioid-induzierten Übelkeit (mod. nach Cherny [40]) Antiemetikum Applikation Dimenhydrinat p.o., rect., i.v. Metoclopramid p.o., s.c., i.v. Haloperidol p.o., von s.c.,Schmerzen« i.v. Hausärztliche Leitlinie »Therapie Levomepromazin p.o., s.c., i.v. Ondansetron p.o., s.c., i.v. Dexamethason p.o., s.c., i.v. Darreichungsform Amp., Supp., Drg. Trpf., Tbl., Amp. Trpf., Amp. Trpf., Amp. Tbl., Amp. Amp., Tbl. Dosis [mg/d] 150-450 50 1,5 6-12 4-8 Wirkort B G, C C Version 3.03 I 40 28. Januar 2008 C, G 4-8 p.o.: oral; i.v.: intravenös; s.c.: subkutan; rect.:subkutan; rektal; Amp.:rect.: Ampullen; Tbl.: Tabletten; Dragees; Tbl.: Supp.: Zäpfchen. p.o.: oral; i.v.: intravenös; s.c.: rektal; Amp.: Drg.: Ampullen; Tabletten; Drg.: Dragees, Wirkorte:Zäpfchen; G = Gastrointestinal, C =GChemorezeptorentriggerzone, = Brechzentrum Supp: Wirkorte: = Gastrointestinal, C = B Chemorezeptorentriggerzone, B = Brechzentrum Obstipation Ballaststoffreiche Kost, ausreichende Flüssigkeitszufuhr und körperliche Aktivität sind bei der sollte vom ersten Tag einer Opioidbehandlung mit osmotisch wirksamen Laxantien wie Lactulose, Macrogol oder Natriumpicosulfat durchgeführt wer- Nr. 3 / 2008 KVH • aktuell Seite 41 Beratungsursache 7: langanhaltender Symptomatik kann aber neben ten oft Tumorschmerzen nicht durchführbar. Die Prophylaxe der und der medikamentösen Therapie auch ein Opioid- opioid-induzierten Obstipation sollte vom erssonstige chronische Schmerzen wechsel in Erwägung gezogen werden. schwere ten Tag einer Opioidbehandlung mit osmotisch Obstipation: Ballaststoffreiche Kost, ausreichende Flüssigkeitszufuhr und körperliche Aktivität sind bei der Therapie und Prophylaxe der Obstipation hilfreich, jedoch bei Palliativpatien- wirksamen Laxantien wie Lactulose, Macrogol oder Natriumpicosulfat durchgeführt werden Ì Zusatzmedikation bei starken Schmerzen (s. Gastrointestinale Symptome/Obstipation). Es empfiehlt sich, das Laxans auf dem BtMRezept mit aufzuschreiben. Zusatzmedikation Indikation Medikament Dosierung Obstipation Lactulose, Macrogol 3 x 2 EL, bzw. 2-3 x 1 Btl. Übelkeit (insbesondere bei Therapiebeginn) Metoclopramid 3 x 10 mg Tbl.; 15-30 Trpf./d evtl. Haloperidol 3 x 0,5-1 mg (1 ml = 20 Trpf. = 2 mg) Dexamethason 4-16 mg/d Loperamid (nicht sinnvoll unter Morphintherapie) z. B. 1-2 Kps. oder 4 x 2 mg Lsg./Trpf. Tinctura opii z. B. 3 x 15 Trpf. bzw. nach Wirkung Durchfälle Depression, Angst, Unterstützung der Clomipramin analgetischen Wirkung Amitriptylin Doxepin Einschießende Nervenschmerzen 3 x 25 mg 25-100 mg abends 25-100 mg abends Carbamazepin Gabapentin Bei Weichteilschwellung, Infiltrationen Prednisolon und Nervenkompressionen (z. B. Dexamethason (besonders bei Kopftumoren, Hepatomegalie, Wirbelsäulenmetastasen, HirnPleurametastasen, WS-Metastasen) ödem) bis 800 mg/d bis 1800 mg/d 15-30 mg Muskelspasmen bis 3 x 5 mg Diazepam bis 4-16 mg/d 45 KVH • aktuell Seite 42 Nr. 3 / 2008 Die Effizienz der Schmerzbehandlung Die untenstehende Tabelle zeigt, dass die NNT Die Tabelle zeigt, dass zwischen die NNT 2beim beimfolgende akuten Schmerz für NSAR und 3 liegt.Schmerz Das bedeutet, dass sich die Wirkstoffe akuten für NSAR zwischen 2 und 3 liegt. nichtbedeutet, nennenswert derdie Wirkung unterscheiden. Das dass in sich Wirkstoffe nicht nenFür die Auswahl des Präparates gelten somit die nenswert in der Wirkung unterscheiden. Für die Kriterien Interaktion, Begleiterkrankung, WirtAuswahl des Präparates gelten somit die Kriterien schaftlichkeit. Interaktion, Begleiterkrankung, Wirtschaftlichkeit. Oxford league table of analgesic efficacy: Die NNT Werte in der untenstehenden Tabelle Oxford leaguefür table analgesic efficacy die in sind berechnet denofAnteil der Patienten, randomisierten Doppelblindstudien Vergleich zu Die NNT Werte sind berechnet fürim den Anteil der Placebo überdie 4-6inh mindestens 50 Prozent weniger Patienten, randomisierten DoppelblindstuSchmerzen hatten. zu Es Placebo wurde eine Dosis dien im Vergleich übereinzelne 4-6 h mindebei leichtem bis schwerem Schmerz gegeben. Es stens 50% weniger Schmerzen hatten. Es wurde erfolgte eine orale Applikation (außer wenn anders eine einzelne Dosis bei leichtem bis schwerem angegeben); Dosis in mg. Schmerz gegeben. Es erfolgte eine orale Applikation (außer wenn anders angegeben); Dosis in mg. Oxford league table of analgesic efficacy (mod. nach [15]) Oxford league table of analgesic efficacy (mod. nach [15]) Analgesic and dose (mg) Number of Percent with patiens in at least 50% comparison pain relief Paracetamol 1000 + Codeine 60 Diclofenac 50 Naproxen 440 Ibuprofen 400 Pethidine 100 (intramuscular) Morphine 10 (intramuscular) Naproxen 550 Naproxen 220/250 Paracetamol 500 Paracetamol 1000 Paracetamol 600/650 + Codeine 60 Paracetamol 600/650 Tramadol 100 Tramadol 75 Aspirin 650 + Codeine 60* Paracetamol 300 + Codeine 30 Tramadol 50 Codeine 60 Placebo NNT Lower confidence interval Higher confidence interval 197 738 257 4703 364 946 169 183 561 2759 1123 1886 882 563 598 379 770 1305 57 63 50 56 54 50 46 58 61 46 42 38 30 32 25 26 19 15 2.2 2.3 2.3 2.4 2.9 2.9 3.0 3.1 3.5 3.8 4.2 4.6 4.8 5.3 5.3 5.7 8.3 16.7 1.7 2.0 2.0 2.3 2.3 2.6 2.2 2.2 2.2 3.4 3.4 3.9 3.8 3.9 4.1 4.0 6.0 11.0 2.9 2.7 2.9 2.6 3.9 3.6 4.8 5.2 13.3 4.4 5.3 5.5 6.1 8.2 7.4 9.8 13.0 48.0 >10,000 18 N/A N/A N/A deutschen Markt z.Markt B. als 500/30 ** auf aufdem dem deutschen z. B. verfügbar als 500/30 verfügbar 59 Hausärztliche Leitlinie »Therapie von Schmerzen« Version 3.03 I 28. Januar 2008 Tischversion Seite 3 Alter - Teil 2 KVH • aktuell Stürze häufig: ein Drittel der Menschen über 65 Jahre stürzt pro Jahr einmal und öfter alterstypisch: in der seitlichen Sturzrichtung nahezu exklusiv ein Altersphänomen Bei alten Menschen regelmäßig das Risiko für Stürze überprüfen (geriatrisches Assessment) sowie nach Stürzen oder Beinahestürzen in den letzten Monaten fragen. Ziele des Sturzrisikoassessments Indikationsstellung zu therapeutischen und präventiven Maßnahmen individuelle Therapieplanung (differenziert nach multifaktoriell bedingten Balancestörungen) Diagnostik/Instrumente Anamnese: Fragen nach Tätigkeit/Aktivität unmittelbar vor dem Sturz, nach Tageszeit Früheren Stürzen, empfundener Gangunsicherheit Nach Einschränkungen bei den Aktivitäten des täglichen Lebens Medikamentenanamnese Internistischer/neurologischer Status Geriatrisches Asessement Sturzrisiko ermitteln (Verfahren, Internetlinks s.o.) Ggf. weitere Diagnostik Sturzfolgen in 5% Frakturen, in 12 - 20% weitere schwere Verletzungen, dauerhafte Pflegebedürftigkeit Sturzangst, Verlust von Selbstvertrauen soziale und lokomotorische Reduktion / Dekonditionierung Risiken und Präventionsmaßnahmen Sturzassoziierte Merkmale und Risiken Schlechte Beleuchtung Bodenbelag, Stolperschwellen Fehlende Handläufe Ungeeignete Schuhe Positive Sturzanamnese Balance- und Gangstörung (Tandemgang/stand, Timed up & go) Kraftdefizit (Aufstehtest) Visus- und Hörminderung Erkrankungen mit Sturzrisiken wie Parkinson, Demenz, Depression, Zustand nach Apoplex, Muskelatrophie, Kachexie, Schwindel, Alkoholabusus Psychopharmaka und/oder andere sturzbegünstigende Medikamente: Trizyklische Antidepressiva, SSRI, Benzodiazepine, Antikonvulsiva; sind kausal, dosisabhängig Ungeeignete Aufbewahrung von Alltagsgegenständen Verwendung riskanter Hilfsmittel (Stuhl statt Trittleiter), unsicherer Umgang mit Hilfsmitteln Präventionsmaßnahmen Wohnraumbegehung und Anpassung der häuslichen/institutionellen Umgebung, z.B. bessere (Nacht-) Beleuchtung, Handgriffe; Anti-Rutschmatten Feste Schuhe, Stoppersocken, Gehhilfen Frakturpräventive Maßnahmen, Überprüfung der Ernährung, ausreichende Vitamin D/Kalzium-Aufnahme Balance- und Krafttraining Kontrolle von Visus und Hörvermögen Ggf. Mitbehandlung/Konsil durch Spezialisten Überprüfung / Anpassung der Medikation Beratung, präventive Hausbesuche Techniktraining Korrespondenzadresse Ausführliche Leitlinie im Internet Hausärztliche Leitlinie PMV forschungsgruppe Fax: 0221-478-6766 Email: [email protected] http:\\www.pmvforschungsgruppe.de www.pmvforschungsgruppe.de > publikationen > leitlinien www.leitlinien.de/leitlinienanbieter/deutsch/pdf/ hessenalter » Alter - Pharmakotherapie im Alter, Teil 2« Tischversion 1.0 Aug. 2008 info.doc Verlag GbR, Pfingstbornstr. 38, 65207 Wiesbaden PVSt Deutsche Post AG, Entgelt bezahlt, 68689 Tischversion Tischversion Epidemiologische Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Herz-Kreislauferkrankungen Körperliche Aktivität im Alter Mit zunehmendem Alter kommt es zu einem Verlust an der HDL- und LDL-Werte stellen jedoch nur einen von körperlicher Leistungsfähigkeit (Fitness). Für die mehreren Risikofaktoren dar. Deshalb empfiehlt sich für Fitness sind Kraft, Koordination, Ausdauer und Bewegden Hausarzt bei Vorliegen einer Dyslipidämie die Einteilung lichkeit maßgeblich. Im höheren Lebensalter nehmen in eine Risikogruppe anhand von systematischen Algovor allem Kraft und Koordination, weniger die Ausrythmen oder Scores (NCEP, PROCAM). Somit erfolgt eine dauer ab. Daher sollte man geriatrischen Patienten ein Abschätzung des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse Training empfehlen, das vor allem diese Qualitäten (10-Jahresrisiko) und darauf die Festlegung der Behandberücksichtigt. und hohen Serumcholesterinwerten. Diese bzw. die Höhe lungsstrategie mit dem Patienten. Für die Risikoeinstufung Hinweise orientiert sich die Leitliniengruppe Hessen an der folgenden des Trainings Hinblick Vor Aufnahme Einteilung der NCEP (National Anamnese Cholesterol im Education auf kardiovaskuläre Risiken, klinische UnterProgram des National Heart, Lung, and Blood Institute, suchung, EKG, ggf. Ergometrie, ggf. kleines Labor http://www.nhlbi.nih.gov/guidelines/cholesterol/index.htm): (keine GKV-Leistungen). 1. Hohes Risiko (10-Jahresrisiko über 20%): a) Bestehende Die motorische Funktionsfähigkeit lässt sich durch koronare Herzkrankheit (KHK), b) KHK-Äquivalente, c) einfache Tests beurteilen (s. geriatrisches BasisDiabetes mellitus, d) 2 oder mehr Risikofaktoren**: assessment: Aufstehen vom Stuhl, Gehen über 2. Mäßig hohes Risiko (10-Jahresrisiko 10-20%): 2 Risikoeine definierte Strecke, Treppensteigen, Gleichfaktoren* bei errechnetem Risiko**. gewichtstest: beid- und einbeinig, mit offenen und 3. Moderates Risiko (10-Jahresrisiko < 10%): 2 Risikogeschlossenen Augen aktoren* bei errechnetem Risiko**. 4.Krafttraining Niedriges Risiko: 0-1 Risikofaktor* *Risikofaktoren: Zigaretten rauchen, Erwärmung Hypertonie, niedriges Vor Belastung gewissenhafte HDL-Cholesterin unter 40mg/dl, familiäre Belastung mit (lockernde Gymnastik, leichtes Traben) vorzeitiger KHK, Alter (Männer über 45 Jahre, Frauen über Festlegung der Trainingsbelastung nach einer dem 55 Jahre); **errechnetes Risiko: Bsp. mit PROCAM Score Alter angepassten Pulsfrequenz (180 minus (s. Rückseite) oder elektronischem NCEP-Risikokalkulator Lebensalter bei physiologischer Kreislaufregulation) Anmerkung: Diabetiker ohne KHK oder KHK-Äquivalente Belastungen etwa 60% profitieren der Maximalkraft und Mit ohne zusätzliche von Risikofaktoren bei einem gegen einen- Widerstand trainieren (dies entspricht LDL<115 mg/dL laut der jetzigen Studienlage - nicht von Gewicht, nach dessen 10-maligem Heben einereinem Therapie mit einem CSE-Hemmer. Fettstoffwechselstörung Dyslipidämie Alter - Teil 2 Einhaltung von diätetischen Empfehlungen für eine „Herzgesunde Ernährung“ Zunächst ist häufig ein Krafttraining notwendig, um Nur mäßiger Konsum von Alkohol und Vermeidung von Ausdauerbelastung zu ermöglichen. Nikotin Günstige Seniorensportarten für Ausdauertraining Indikationsstellung für eine medikamentöse Therapie Spazierengehen, Walking, Wandern, Umfassende, unmittelbare medikamentöseBergwandern, Behandlung Schwimmen, Radfahren, Laufen, Joggen, Heimaller Patienten mit hohem Risiko (Gruppe 1: 10-Jahrestraining, Tischtennis, Tanzen risiko >20%) und Anstreben eines LDL von 100 mg/dl. Medikamentöse Therapie bei Patienten der Gruppe 2 und 3unter nach Anleitung individueller Entscheidung unter BerückSport sichtigung der Rücken-, LipidwerteWassergymnastik, und nach ErprobungFitnesslebensstilGymnastik, ändernder Maßnahmen. gymnastik, Entspannungstraining, Nordic-Walking, Für Patienten der Risikogruppe 4 (0-1 Golf Risikofaktor) sind Skilanglauf, Skiwandern, Tennis, lebensstilmodifizierende Maßnahmen im Allgemeinen Link http://www.richtigfitab50.de ausreichend. Je nach Risikogruppe wird ein LDL von 100 mg/dL (Gruppe Hausärztliches geriatrisches Basisassessment 1), 130 mg/dL (Gruppe 2+3) bzw. 160 mg/dL 4) und Untersuchung und Dokumentation von (Gruppe Funktionsangestrebt. Fähigkeitsstörungen mit Quantifizierung der Störung mittels standardisierter Beurteilt werden Arzneimittelauswahl: EsTestverfahren. sollten Wirkstoffe eingesetzt (Demenz) Hirnleistung vorliegen (Simvastatin, Pravastatin). Für Simvastatin (20 mg Fähigkeit zur selbstständigen Erfüllung der Kriterien 40 mg) und Pravastatin und (40 mg) ist eine Senkung sowohl Sturzgefahr werden, für die Endpunktstudien mit günstiger NNT und NNH der Aktivitäten des Lebens (ATL) unter der Gesamtmortalität als täglichen auch der kardiovaskulären Morta- Berücksichtigung des kardiopulmonalen und neurolität belegt. Bei Multimorbidität und Multimedikation sollte die und Affekte, inkl. Sehen und Hören und der Beurbesonders streng gestellt werden. der Trainierende erschöpft ist) “International Task Force for Durchgang: 8-10 Wiederholungen) Jede Übung (jenach Prevention of Coronary Heart Disease”: sollte nach 1 Minute Pause einmal bis dreimal Basis sind nichtmedikamentöse Maßnahmen, die auf eine durchgeführt werden Veränderung des Lebensstils zielen: Ein Abstand von 2-3 Tagen zur nächsten Trainingsdes normalen Körpergewichtes oder Erhalten einheit ist sinnvoll. Gewichtsreduktion bei Übergewicht Maximalbelastung vermeiden der körperlichen Aktivität Steigerung Schnellkraftübungen, z. B. Sprint und Sprung vermeiden, länger andauernde Haltebeanspruchungen vermeiden Therapieschritte muskulären der Kognition Indikation für eineGlobaleindrucks medikamentöse sowie lipidsenkende Therapie teilung auf Depression, der Nutrition und Kontinenz. Merke: Bei medikamentöser kontrollieren! Links (Assessment)Therapie: CK http://www.afgib.de (Rhabdomyolyse möglich!) (Sturzprophylaxe) http://www.betanet.de/ Keine Kombinationstherapie CSE-Hemmer + Fibrate/ Verfahren zur Funktions-/ und FähigkeitsMakrolide/Azol-Antimykotika. einschätzung: Wechselwirkungen auch mit anderen Medikamenten möglich! Barthel Index (von Leitliniengruppe empfohlen) Bei Makrolidtherapie CSE-Hemmer Nürnberger Altersinventar (NAI)pausieren! Statine vor chirurgischen Eingriffen und bei akut auftrePflegegesetzadaptiertes Basisassessment (PGBA) tenden schweren Erkrankungen vorübergehend abVerfahren zur Beurteilung derauf Sturzgefahr setzen! Auf Compliance achten, abendliche EinnahTimed up & go me des CSE-Hemmers hinweisen. Chair rising (Aufsteh-Test) Evidenzbasierte Patienteninformationen sind unter Tandemstand / Tandemgangabrufbar. www.gesundheitsinformation.de