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Die Rückkehr der Götter.
Berlins verborgener Olymp
The Return of the gods. Berlin‘s hidden olympus
Die »Rückkehr der Götter« ist ein Versprechen, das
diese Ausstellung gleich in dreifacher Weise einlöst.
Der Großteil der hier gezeigten Kunstwerke der
Berliner Antikensammlung ist vor genau 50 Jahren
aus der Sowjetunion zurückgekehrt. Viele können
– nach aufwändiger Restaurierung und einer
ersten Präsentation in Brasilien – erstmalig seit
1939 dem Publikum wieder gezeigt werden.
Sie steigen damit vom verborgenen Olymp Berlins,
den reichen Depots der Antikensammlung, herab
und erzählen ihre Geschichte.
Die Griechen und Römer stellten sich ihre menschengestaltigen Götter als eine Familie von
Unsterblichen vor. Sie waren jeweils für einen
bestimmten Bereich in der Welt der Lebenden und
der Toten zuständig. Als machtvolle Instanzen
wurden sie von den Menschen in jeder nur denkbaren Situation ihres Daseins um Hilfe gebeten.
Das Bild der Götter konkretisierte sich vor allem in
zahllosen Kultbildern, die zum Teil über viele Jahr-​
hunderte verehrt und verändert wurden.
Dennoch war das Bild, das sich Griechen und Römer
von ihren Göttern machten alles andere als starr.
Weder Mythen noch Götterbilder unterlagen
der Kontrolle fest gefügter religiöser Institutionen.
Es gab zwar Priester und politischen Einfluß auf
die Kultausübung, jedoch keine heiligen Texte, die
als Dogmen unverrückbar waren. Die Mythen
bestanden in einer Vielzahl von Erzählungen mit
sich widersprechenden Varianten und ständigen
Neuschöpfungen. Diese Ausstellung will die
olympischen Götter vorstellen sowie Vielgestalt und
Wandelbarkeit des antiken Götterbildes an zahlreichen Originalen der Berliner Antikensammlung
anschaulich machen.
The “return of the gods” is a promise that this
exhibition can fulfil even three-fold. All the exhibits
from the Collection of Classical Antiquities shown
here were returned from the Soviet Union 50 years
ago. After elaborate restoration and a first presentation in Brazil, many pieces can now be shown
to the public for the first time since 1939. In this way,
they descend from Berlin’s hidden Olympus, the
rich depots of the Collection of Classical Antiquities,
to tell their story.
The Greeks and Romans envisioned their anthropomorphic gods as a family of Immortals. Each of
the gods was responsible for a specific domain in the
world of the living and the dead. People sought
the help of the gods as powerful institutions in
every conceivable situation of their lives. The image
of the gods concretized itself above all in the
countless images of worship, some of which were
venerated and altered over many centuries.
However, the image that Greeks and Romans
formed of their gods was all but a rigid one. Neither
myths nor images of gods were subject to the
control of firmly established religious institutions.
Notwithstanding the existence of priests and
political influence on the worship, there were no
sacred texts that would constitute inflexible dogmas.
The myths consisted of a series of tales with contradictory variations and constantly new creations.
This exhibition endeavours to present the Olympian
Gods and also the multifacetedness and changeability of their images in Classical Antiquity with
the help of many originals from the Collection of
Classical Antiquities of Berlin.
Zeus, Hades, Poseidon –
die Vatergottheiten
Zeus, Hades, Poseidon – The Father Gods
Zeus, von den Römern mit Juppiter gleichgesetzt,
ist der majestätische Herrscher über die Götterwelt
und Vater zahlreicher Götter und Helden. Die
meisten Kinder stammen jedoch nicht von seiner
Gattin Hera, sondern entsprangen seinen vielen
Liebschaften. Als Himmelsgott führt Zeus das Blitz­bündel als Waffe.
Poseidon war bei den Griechen der Herr über Erde,
Meere, Binnengewässer und Stürme, bei den
Römern hieß er Neptun. Als »Erderschütterer«, der
mit seinem Dreizack die Erde erzittern ließ, wurde
er für Erdbeben und Naturkatastrophen verantwortlich gemacht. Gleichzeitig verehrten ihn die
Menschen als Retter ihrer Schiffe. Poseidon ist
als Sohn des Kronos Bruder von Zeus und Hades, mit
denen er sich die Welt teilt. Amphitrite war seine
Frau, ihr gemeinsamer Sohn ist Triton – ein
Mischwesen mit menschlichem Oberkörper und
Fischschwanz.
Der Göttervater Zeus, der Unterweltsherrscher
Hades und der Meergott Poseidon sind schwer zu
unterscheiden, wenn eindeutige Attribute fehlen.
Die »Vatergottheiten« wurden alle als reif, würdeund machtvoll charakterisiert.
Zeus, for the Romans equal to Jupiter, is the majestic
ruler of all the divine world and father of numerous
gods and heroes. Most of his offspring was not
begotten with his wife Hera, but by one of his many
erotic liaisons. As a celestial god, Zeus carries a
bundle of lightning bolts as his weapon.
For the Greeks, Poseidon was the master of the Earth,
the seas, inland waters and storms; the Romans
called him Neptune. As “shaker of the Earth”,
making the Earth tremble with his trident, he was
held responsible for earthquakes and natural
disasters. At the same time people venerated him as
saviour of their ships. As a son of Kronos, Poseidon
is the brother of Zeus and Hades, with whom he
shares ruling the world. Amphitrite was his spouse,
and Triton is their son – a hybrid creature with
human upper body and the tail of a fish.
Zeus the father of the gods, Hades the ruler of the
Underworld and Poseidon, god of the seas, are
difficult to distinguish from each other when
lacking their characterising attributes. All of these
“Father-Gods” are represented as mature, dignified
and mighty.
Hera und Demeter – Die Mütter
Hera and Demeter – the mothers
Hera, bei den Römern Juno, die Schwester und
Gemahlin des Zeus, wacht als Götterkönigin über
Ehe und legitime Nachkommenschaft. Deshalb
verfolgt sie die Liebeseskapaden ihres Gemahls mit
eifersüchtiger Strenge.
Demeter (römisch Ceres) ist Göttin der fruchtbaren
Erde, des Getreides und der Agrikultur. Als Mutter
– Meter – ist sie innig verbunden mit ihrer
Tochter Kore – Mädchen – mit Namen Persephone.
Nach dem »homerischen« Demeterhymnus wird
Persephone (römisch Proserpina) von Hades
(römisch Pluto) als seine Gattin in die Unterwelt
entführt. Die verzweifelte Demeter vernachlässigt
auf der Suche nach der verschwundenen Tochter
ihre Zuständigkeiten als Göttin des Ackerbaus, was
zu Dürre führt. Erst die Rückkehr der Tochter
für zwei Drittel des Jahres lässt alles wieder wachsen und gedeihen. Ein Drittel des Jahres muss
sie jedoch bei Hades in der Unterwelt bleiben, dann
ist auch die Natur tot.
In der Regel werden Demeter und Hera als mütterliche Göttinnen, oft mit Diadem und Schleier
gezeigt. Fehlen die Ähren als spezifisches Kenn­
zeichen für Demeter, sind beide kaum zu
unterscheiden.
Hera, called Juno by the Romans, is the sister
and spouse of Zeus, and, as queen of the gods, watches
over marriage and legitimate offspring. Therefore
she pursues the amorous escapades of her husband
with jealous severity.
Demeter (the Roman Ceres) is the goddess of the
fertile earth, of grain and agriculture. As mother –
Meter – she is intimately related to her daughter
Kore – maiden – with the name Persephone.
According to the Homeric hymn to Demeter, Persephone (Roman: Proserpina) is abducted by Hades
(Roman: Pluto) and becomes his wife in the Underworld. Searching for her daughter, the desperate
Demeter neglects her responsibilities as the goddess
of agriculture and this leads to a drought. Only
the return of her daughter for two-thirds of the year
allows everything to grow and flourish again.
However, Persephone must spend one third of the
year with Hades in the Underworld, during which
time nature is dead.
As a rule, Demeter and Hera are shown as motherly
goddesses, often wearing a diadem and veil. When
the ears of cereals – a specific sign of Demeter – are
missing, it is scarcely possible to distinguish
between the two.
athena – Schutzherrin
prächtiger WErke
Athena – patroness of magnificient works
Athena war die kluge Tochter des Zeus. Vor seiner
Ehe mit Hera war Zeus mit Metis, der Göttin
der Klugheit, verheiratet. Als sie von ihm mit Athena
schwanger war, verschlang Zeus seine Frau: Ihm
war prophezeit worden, er würde von seinem
Kind gestürzt werden, das stärker sei als er. Der
Schmiedegott Hephaistos stand dann bei Athenas
Geburt zur Seite, indem er den Kopf ihres
Vaters spaltete.
Athena galt als Herrin des Kampfes, und sie wird
daher meist mit Helm, Lanze und Schild abgebildet.
Ein weiteres ihrer Kennzeichen ist die Aegis –
ein Schuppenfell mit Schlangenquasten und dem
Kopf der Gorgo Medusa im Zentrum. Athena wachte
zugleich über das Handwerk und alle kunstvollen
Tätigkeiten. Sie soll auch das Flötenspiel entdeckt
haben. Als sie sich jedoch beim Spielen in
einer Wasserspiegelung mit hässlich aufgeblähten
Wangen sah, warf sie das Instrument verärgert
von sich. Marsyas, der Begleiter der Göttin Kybele,
griff nach der Flöte und forderte später Apollon
zum musischen Wettkampf heraus.
Zahlreiche Städte stellten sich unter den Schutz
der Athena, am bekanntesten unter ihnen
Athen, wo sie auf dem Burgberg, der Akropolis,
verehrt wurde.
Athena was the wise daughter of Zeus. Before his
marriage with Hera, Zeus was wedded to Metis,
goddess of wisdom. Zeus swallowed his consort when
she was pregnant by him with Athena, because it
had been prophesied that she would bear him a child
stronger than himself who would ultimately
depose him. The blacksmith god Hephaestus played
midwife to Athena’s birth by cleaving open her
father’s skull.
Athena was the goddess of battle and thus is
represented mostly with a helmet, lance and shield.
Another of her emblems is the aegis – a goat or
snake skin with serpent tassels and the head of the
Gorgon Medusa in the centre. At the same time
Athena was the patroness of handicraft and all
artistic activities. She is also said to have invented
the flute. Playing it once beside a stream, she saw
a reflection of herself with her cheeks puffed
out, and crossly cast the instrument aside. Marsyas,
a companion of the goddess Cybele, took up the flute
and later challenged Apollo to a musical contest.
Many cities invoked the protection of Athena, the
best known being Athens, where she was worshipped
on the Acropolis.
aphrodite – die Schöne
aphrodite – the beautiful
Der Wirkungsbereich Aphrodites ist die Liebe.
Ihr Sohn ist Eros, der personifizierte Liebesgott,
und Himeros – die Liebessehnsucht – ist oft
an seiner Seite zu finden. Nicht nur Menschen
erliegen der Macht der Aphrodite, auch die Götter
sind betroffen. Aphrodite selbst ist gegen ihre
eigene Macht nicht gefeit: Sie begeht mit Ares, dem
Kriegsgott, Ehebruch und verliebt sich in sterbliche Männer wie Anchises und Adonis. In den
frühen bildlichen Darstellungen ist Aphrodite von
anderen Göttinnen nur schwer zu unterscheiden.
Seit dem 5. Jh. v. Chr. wird sie durch besonders
reiche und immer freizügigere Kleidung charakterisiert. Hauchdünne Gewänder betonen die Körperformen und bringen die Schönheit des weib-­
lichen Körpers zur Wirkung. Im 4. Jh. v. Chr. hat
Praxiteles als erster Aphrodite völlig nackt dar­gestellt. Sein Bildkonzept der Göttin fand in
hellenistischer und römischer Zeit weite Verbreitung. Venus, die römische Aphrodite, wurde als
Mutter des Aeneas – sein Vater war Anchises – zur
mythischen Ahnherrin der Familie der Julier, zu
der Caesar und Augustus gehörten.
Aphrodite is the goddess of love. Her son is Eros,
the personified love-god, at whose side Himeros –
sexual longing – is often to be found too. Not only
people succumb to the power of Aphrodite, but
gods can be affected by it as well. Neither is she
her­self immune to her own power: she commits adul-­
tery with Ares, the god of war, and falls in love
with mortal men like Anchises and Adonis.
In the early visual depictions it is difficult to distin­
guish Aphrodite from other goddesses. From the
5th century BC onwards she comes to be characterised by especially rich and ever more revealing
dress. Light and flimsy garments accentuate the
shapeliness of the figure and bring out the beauty of
the female body. Aphrodite first appears fully nude
in the 4th century BC in a sculpture by Praxiteles.
His visualisation of the goddess was widely copied in
the Hellenistic and Roman era.
Venus, the Roman equivalent of Aphrodite, was
supposed to be the mother of Aeneas – his father
was Anchises. Hence she became the mythical
ancestress of the family of the Julii, to which Caesar
and Augustus belonged.
Apollon – der immer
junge gott?
apollo – the eternally young god?
Die Zwillinge Apollon und Artemis waren Kinder
des Zeus und der Leto. Die eifersüchtige Hera
verfolgte ihre Nebenbuhlerin, bis schließlich die
kleine und unwirtliche Insel Delos Mitleid mit
der Hochschwangeren hatte und Leto dort ihre
Kinder gebären konnte.
The twins Apollo and Artemis were the children of
Zeus and Leto. Jealous Hera pursued her rival
relentlessly until finally the small and inhospitable
island of Delos took pity on Leto, then in an
advanced state of pregnancy, and allowed her to
give birth to her children there.
Apollon bewahrt die Ordnung der menschlichen
Gesellschaft. Hierzu gehören Strafe und Sühnung,
Gesundheit und Krankheit sowie die Abwehr
von Übeln. Deshalb trägt er Pfeile und Bogen, mit
denen er die Unheilstifter tötet und als Strafe
die Pest bringt. Er bewahrt die religiöse Reinheit
und das religiöse Recht und wird als Gott der
religiösen Riten und der Frömmigkeit häufig beim
Opfer dargestellt. Der Lorbeer ist dabei sein Attribut
religiöser Reinigung. Zugleich ist er Gott der
verschlüsselten Orakel, der göttlichen Weisungen
zur Verhütung oder Wiedergutmachung von Übeln.
Die Bannung des Unheils durch Lied und Tanz
fällt in seinen Bereich, besonders die Musik, und so
ist er Anführer der Musen und Meister der Leier.
Bilder des Apollon sind Idealbilder des jugendlichen
Mannes an der Schwelle zum Erwachsen-Sein, noch
ohne Bart und mit dem langen Haar des Knaben.
Die Körper entsprechen dem jeweiligen zeitgenössischen Ideal des jugendlichen Männerkörpers.
Apollo is the upholder of order in human society.
This role entails punishment and atonement,
health and sickness, and the averting of evils. The
god is therefore represented carrying a bow and
arrows with which he slays wrongdoers and sends
pestilence as divine retribution. He protects
religious purity and religious law and as the god
of ritual observances and piety he is often depicted
during sacrifice. The laurel is his attribute of
religious purification and expiation. In addition,
Apollo is the god of the cryptic oracles, divine
utterances on how to avoid harm or atone for
wrongdoing.
The use of song and dance to ward off harm also
falls within Apollo’s sphere of action, and above all
music, and hence he is the leader of the Muses
and a master of the lyre. Images of Apollo are
idealizations of a youth on the verge of manhood,
still beardless and with the long hair of an adolescent. Works depicting the god reflect prevailing
notions of the ideal youthful male body.
Artemis – Schutzherrin in
grenzsituationen des lebens
artemis – patroness of extreme situations in life
Artemis, die Göttin der Jagd und der Jäger, steht
für das »Draußen«, die vom Menschen unberührte
Natur. In alter Zeit ist sie die »Herrin der Tiere«,
der gesamten wilden Natur, und ist selbst wild und
unheimlich. Sie hegt und schützt die Jungtiere,
ist aber zugleich die Jägerin, die mit Pfeil und
Bogen ihre Beute erlegt. Das homerische Epos hat
Artemis dann zum kecken, wilden Mädchen
gemacht, zur »unbezwungenen Jungfrau«, lärmend
im Schwarm der Nymphen bei der Jagd sowie
tanzend und spielend auf den Bergen und im Wald.
Dem entspricht ihre Darstellung seit spätklassischer Zeit: als junges Mädchen, häufig bewegt im
bis zum Knie geschürzten Gewand, mit Mädchenfrisur, Köcher und Bogen, oft von einem Tier –
Hirsch, Hirschkuh oder Jagdhund – begleitet. Aber
sie ist für Mädchen oft auch eine schöngestaltige
Todbringerin: Frauen, die im Kindbett starben,
waren unmittelbare Opfer der Artemis. Aber ebenso
wie ihr Bruder Pestgott und Heilgott zugleich
war, galt Artemis auch als Geburtsgöttin. Wenn
Frauen in Wehen schrieen, hörte sie den Ruf, eilte
herbei, half und brachte Erlösung.
Artemis, the goddess of hunting and guardian
of huntsmen, stands for the outside world, for virgin
nature untouched by man. In ancient times she
is the “Mistress of the Animals”, of untamed nature
in its entirety, and is herself wild and not without
menace. She nurtures and protects young animals,
but is also a huntress who shoots her quarry with
bow and arrow. The Homeric works then transformed Artemis into a bold, wild girl of “unconquered
chastity”, hunting boisterously amid a swarm of
attendant nymphs as well as dancing and playing in
the mountains and woods. This corresponds to
how she has been customarily depicted since the late
Classical period: as a young girl with a maidenly
coiffeur, often shown in movement, dressed in a
hunting tunic that reaches down to her knees,
equip­ped with a quiver and bow, and commonly
accompanied by an animal – a stag, hind or hound.
For girls, however, Artemis was also a divine bringer
of death: women who died in childbirth were
considered her victims. But just as her brother was
both the god of healing and the god of pestilence,
so Artemis had the additional role of goddess of
childbirth. When women in labour cried out in pain,
she heard their call, and hurried to assist them in
delivery.
Der römische Garten
als eiliger hain
The Roman Garden as a sacred grove
Die Römer waren leidenschaftliche Gartenliebhaber.
Die großen Gartenanlagen römischer Landvillen
und die Hofgärten größerer Stadthäuser waren
jedoch nicht Teil eines ausschließlich privaten
Bereichs des Hauses, sondern gehörten zu den für
Gäste zugänglichen repräsentativen Räumen.
Ein begüterter Hausherr, der Besucher und Klienten empfangen musste, brauchte ein Haus mit
Atrium, Säulenhof und großer Halle. Hinsichtlich
ihres repräsentativen Charakters glichen diese
Häuser den Heiligtümern: Die dorthin geweihten
Objekte dienten nicht nur den Göttern zur Freude,
sondern waren auch Statussymbole der weihenden
Menschen. Die Ausstattung der römischen Gärten
mit Skulpturen wie in einem Heiligtum macht
diese zu sakralen Räumen, durch Begrünung und
Bewässerung werden sie zu heiligen Hainen.
Aquädukte ermöglichten im ganzen Römischen
Reich einen großzügigen Umgang mit Wasser für
die Bewässerung der Pflanzen im Garten, für
die Anlage von Springbrunnen, künstlichen Wasser­
läufen und kunstvollen Wasserspielen. Aufgefangen wurden die Fontänen eines Brunnens in
manchen Gärten von großen marmornen Schalen
oder Becken.
The Romans were passionate about gardens.
The large gardens of Roman country villas as well as
the courtyards of the bigger town-houses were,
however, not private places reserved for the family,
but instead were open to visitors and were furnished
accordingly with a view to impress. A wealthy
citizen wishing to receive visitors and clients needed
a house with an atrium, a colonnaded garden and
a large hall. In terms of their public accessibility and
impressive, dignified character, these houses
resembled sanctuaries. The objects that were dedicated to the gods there also functioned as status
symbols on the part of the donors. Displaying sculptures in Roman gardens moreover had the effect
of consecrating the spaces just as in a sanctuary; and
the vegetation and irrigation made them into
sacred groves. Aqueducts ensured that there was a
plentiful supply of water throughout the Roman
Empire that could be used in gardens for the plants
as well as for fountains and various other watergarden features. In some gardens the jets of water
from the fountains were collected in large
marble basins or pools.
Die Ausstattung des
römischen Gartens
Roman Garden Ornaments
Die im Garten von Natur umgebenen Statuen des
Weingottes Bacchus und seines Gefolges aus Satyrn,
Mänaden, Silenen und Pan wurden als Bewohner
dieses hortus angesehen. Sie führen den Betrachter
in die idyllisch-bukolische Natur, in ein ländli​­ches
Heiligtum oder an den imaginären Schauplatz
ihres wilden, auch ungezügelt sexuellen Treibens.
Die Grenzen dieser sakralen dionysischen Natursphäre markieren einzeln oder als Zaun aufgestellte
Hermenpfeiler mit dionysischen Köpfen. Den
Garten als sakralen Naturraum kennzeichnen auch
die runden oder halbmondförmigen Marmorscheiben, die in den Säulengängen rings um den Garten
hingen. Viele Skulpturen haben an den Becken
gestanden, so vielleicht auch der »Narkissos«, der
ins Wasser hineinblickt und sich ins eigene
Spiegelbild verliebt. In die bukolische Idylle eines
ländlichen Heiligtums wird der Betrachter durch
den Hirtenjungen versetzt, der sich einen Dorn
aus dem Fuß zieht.
Auch Venus, deren griechisches Pendant Aphrodite
in Gartenheiligtümern verehrt wurde, war in
römischen Gärten zu finden. Besonders beliebt
waren Figuren der »aus dem Meer aufsteigenden«
(Anadyomene) und der beim Bad oder bei der
Toilette gezeigten Göttin.
Exhibited in a garden surrounded by nature, the
statues of the god of wine Bacchus and his train of
followers made up of satyrs, maenads, sileni and
Pan were regarded as the inhabitants of the hortus.
They led the beholder into an idyllic, bucolic world,
to a rustic shrine, or to the imaginary scene of their
wild and sexually unrestrained revelry.
The bounds of this sacred Dionysian natural sphere
were marked by herms with Dionysian heads,
either set up singly or in the form of a fence. This
aspect of the garden as a sacred natural space was
also suggested by the circular or half-moon-shaped
marble discs which hung between the columns
in the colonnade enclosing the garden. Many sculptures stood alongside pools, as perhaps the Narcissus
did, who according to myth looked into the water
and fell in love with his own reflection. Visitors to
the garden were transported into the rural idyll
of a country sanctuary by the image of the shepherd
boy pulling a thorn from the sole of his foot.
Venus, whose Greek counterpart Aphrodite was worshipped in garden shrines, was also to be found
in sculpted form in the Roman garden. Especially
popular figures of the goddess were those showing
her rising from the sea (Anadyomene) and surprised
while bathing or at her toilet.
hermes, der Götterbote
Hermes, the Messenger of Gods
Hermes ist Götterbote, Gott der Wege, der Grenzen
und ihrer Überschreitung, Schutzgott der Herolde,
der Hirten, außerdem Patron der Diebe. Eine
wesentliche – grenzüberschreitende – Funktion
des Gottes ist die des Seelenführers beim Übergang
der Lebenden in die Welt der Toten.
Seine Heiligtümer sind normalerweise bescheidene
Markierungen an Toren, Straßen und Grenzen.
Für Hermes als Gott der Wege und Tore wurde ein
eigenes Bild entwickelt: ein bärtiger Kopf, meist
in altertümlichen Formen, auf einem Pfeiler (so
genannte Herme), aus dem ein Phallus herausragt.
Als Götterbote trägt Hermes Reisekleidung: einen
kurzen Mantel, einen Hut mit breiter Krempe,
der vor Sonne und Regen schützt, sowie Stiefel oder
Sandalen. Seine Schnelligkeit wird durch Flügel
angezeigt, am Hut, an den Schuhen oder den Fersen.
Als Herold trägt er außerdem den Botenstab, be-­
krönt von zwei Schlangen, die sich in Form einer 8
umeinander winden.
Das römische Äquivalent des Hermes ist Mercurius.
Er hat seinen Schwerpunkt stärker im Bereich
des Handels, der Waren und der wirtschaftlichen
Prosperität. Deshalb wird er oft zusätzlich mit
einem prall gefüllten Geldbeutel in der Hand
dargestellt.
Hermes, the messenger of the gods, is the god of
roads, boundaries and crossings. In addition he
is the patron of heralds and herdsmen, and a
guardian of thieves. One of his central, boundarycrossing roles is to guide the souls of the dead
into the after-world.
His shrines are normally only modest markings on
gates, roadways and at boundaries. As the god of
roads and gates he came to be represented typically
in the form of a bearded head, mostly rendered
in old-fashioned styles, set on a pillar (known as a
herm) from which an erect phallus protruded.
As the messenger of the gods Hermes wears a
traveller’s clothing: a short cape, a broad-brimmed
hat to shield him from the sun and the rain, as well
as boots or sandals. His speed is suggested by
wings that are attached to his hat, shoes or heels.
In addition as a herald he carries a messenger’s
staff, around the top of which two snakes are
entwined in a figure of 8.
The Roman equivalent of Hermes is Mercury. He
presides over the somewhat different sphere of
commerce, goods, and economic prosperity. He is
therefore often depicted also holding a bulging purse.
asklepios, der Heilgott
Asclepius, the Healing God
Asklepios ist der Gott der Heilung von Krankheiten.
Er ist der Sohn Apollons und einer sterblichen
Frau, also eigentlich nur ein Halbgott. Er wurde
jedoch als Gott verehrt, aber nicht unter den
anderen Göttern im Olymp gedacht. Er ist unter
den Menschen zugegen und wird auch wie ein
griechischer Bürger dargestellt: bärtig, im Mantel
und auf einen Stock gestützt. Um den Stock windet
sich bei ihm jedoch seine Schlange. Dieser Äskulapstab ist heute noch das Zeichen der Ärzte.
Asklepios hatte ausgesprochen viele, von weither
besuchte Kultstätten. Dort erlangten Kranke
durch Heilschlaf (Inkubation) Genesung. Als
Zentrum entwickelte sich Epidauros, ein weiteres
befand sich auf Kos. Die Ärzte von Kos kamen
im 5. Jh. v. Chr. zu großem Ruhm. Der bekannteste
von ihnen war Hippokrates, dessen Eid heute
noch die Ärzte schwören.
In den westlichen Teil des Römischen Reiches
gelangte Aesculapius 293 v. Chr. durch Übertragung des Kultes von Epidauros auf die Tiberinsel
in Rom.
Asclepius is the god of medicine and healing. He is
the son of Apollo and a mortal woman, and is
therefore in fact only a demigod. He was nevertheless worshipped as a god, but was not regarded
as one of the Olympian gods. His place is among the
people and he is accordingly represented in the
likeness of a Greek citizen: bearded, wearing a robe,
and leaning on a staff. Around his staff, however,
a snake is coiled. The Staff (or Rod) of Asclepius is
the traditional symbol of medicine.
Asclepius had a great many sanctuaries and they
attracted throngs of worshippers. There the sick
would seek cures through healing sleep (incubation).
A centre of his cult developed at Epidaurus, and
another was located on the island of Kos.
The physicians of Kos achieved great fame in the
5th century BC. The best known of them was Hippocrates, whose oath is still sworn by doctors today.
The cult of Asclepius reached the western part
of the Roman Empire in 293 BC when the Epidaurus
sanctuary established a shrine to Aesculapius on
Tiber Island in Rome.
das Heiligtum: weihgeschenke
the Sanctuary: votive offerings
Das Heiligtum ist der wichtigste Ort der Götterverehrung bei Griechen und Römern; hierher kam
man, um die Gottheit durch Opfergaben und mit
Weihgeschenken zu ehren und zu erfreuen. Eine
große Fülle unterschiedlichster Votive bestimmte
das Bild sakraler Stätten. Kleinere Gaben wie
Figuren von Menschen und Tieren aus Bronze und
Terrakotta wurden oft direkt im Bereich des Altars
abgelegt, großformatige Statuen, Reliefs oder
auch die unterschiedlich großen bronzenen Drei­
fuß­kessel fanden ihre Aufstellung nahezu überall
im Heiligtum. In großen griechischen Heiligtümern
wie Olympia, Delphi, Delos oder Samos dienten
darüber hinaus Schatzhäuser zur Aufbewahrung
wertvoller Weihgeschenke. Deren Thema sind
die verehrten Gottheiten, Darstellungen der Weihenden selbst, Bilder der wichtigsten Opfertiere
oder anderer Gaben wie etwa der Feldfrüchte.
Grundsätzlich konnte aber jeder Gegenstand – vom
Bronzenagel bis zum vollständigen Kriegsschiff –
als Weihgeschenk dienen.
In the Greek and Roman world, the sanctuary was
the most important place for worshipping the gods.
People would go there with votive offerings and
gifts to praise or appease a deity. An abundance of
offerings of various types would collect at such
sacred sites. Small votives like human or animal
figurines made of bronze or terracotta were
often placed near to the altar itself, whereas larger
objects like statues, reliefs and bronze tripods
of varying size could be set up on display virtually
anywhere within the grounds of the santuary.
In large Greek sanctuaries such as Olympia, Delphi,
Delos and Samos there were also treasuries where
valuable votive objects were stored. The gifts tended
to be images of the honoured deities, of the donors
themselves, or of common sacrificial animals, but
other offerings like crops were also typical. In fact it
was possible to dedicate any object to a deity –
from a bronze nail to a fully equipped battle ship.
das Heiligtum: Kultplätze
the Sanctuary: places of worship
Ein einheitliches Aussehen hatten die antiken
Kultplätze nicht – im Gegenteil: Es gab eine Fülle
unterschiedlicher Erscheinungsformen. Häufig
konzentrierte sich die Verehrung einer Gottheit in
der Frühzeit an Orten mit außergewöhnlichen
natürlichen Gegebenheiten wie an Quellen, in
Höhlen und Grotten, an Bäumen oder auf Berggipfeln. Gerade an solchen Stellen empfand man die
Anwesenheit der Götter besonders intensiv. Die
wichtigste Einrichtung eines Kultplatzes war der
Altar für die Opferhandlungen, und kleinere
sakrale Bezirke besaßen oft keine weiteren Bauten. Bei größeren Kultplätzen kamen ein oder
mehrere, in der Regel auf den Altar ausgerichtete
Tempel hinzu. Die Altäre standen also immer
außerhalb der Tempel. Im Tempel selbst waren die
Kultbilder der Götter aufgestellt. Darstellungen
einfacher Kultplätze mit ihrer Ausstattung finden
sich regelmäßig auf den in großer Zahl erhaltenen
Weihreliefs aus dem klassischen Athen. Ein Vor-­
läufer dieser Votive sind kleine bemalte Tontafeln.
Ein besonders interessanter Fundkomplex solcher
Pinakes ist aus dem Poseidon-Heiligtum von Pente­
skouphia bei Korinth nach Berlin gelangt.
The ritual sites of the ancient world showed little
consistency in terms of design: on the contrary, they
are characterised by great diversity of form.
In early times, the worship of a deity tended to be
concentrated at locations where there were unusual
features in the natural environment, i.e. springs,
caves and grottoes, trees or mountain peaks. It was
at such places that the presence of deities was sensed
most immediately. The most important feature
of a sacred site was the altar at which sacrifice was
offered; often, small-scale places of worship possessed no other structures. At larger ritual sites there
would generally be one or more temples orientated
towards the altar. Hence the altars invariably
stood outside the temple. Inside the temple the cult
images of the gods were displayed.
Depictions of simply furnished places of worship
are commonly found on votive reliefs from classical
Athens, a large quantity of which survive. A
precursor of these votives is the small, painted clay
tablet. A particularly interesting set of such
pinakes – originating from the Sanctuary of Poseidon
at Penteskouphia near Corinth – is now in Berlin.
das Heiligtum:
Waffenweihungen
the Sanctuary: the blessing of Weapons
Neben Gegenständen, die eigens als Weihungen
für die Götter angefertigt wurden, gehörten auch
Gebrauchsgeräte aller Art zu den häufig dargebrachten Gaben. Eine besondere Eigenart der
panhellenischen, von allen Griechen besuchten
Heiligtümer wie Olympia und Delphi sind die
zahlreichen Waffenweihungen (Helme, Schilde,
Beinschienen, Lanzenschuhe), die – vom Feind
erbeutet – nach siegreicher Schlacht den Göttern
zum Dank geschenkt wurden. Sie sind eindrucksvolle Zeugnisse der endlosen kriegerischen
Aus­einandersetzungen griechischer Stadtstaaten
untereinander wie auch ihrer Kämpfe mit äußeren Feinden wie den Persern, Karthagern und
Etruskern. Das Ideal des athletisch durchtrainierten, waffenfähigen Mannes, der Leib und Leben
für die Freiheit seiner Polis einsetzt, verkörpert
beispielhaft der berühmte »Speerträger« des
Polyklet von Argos, eine Statue, die mit hoher
Wahrscheinlichkeit ebenfalls ein Weihgeschenk
war. Der Berliner Torso gehört zu den besten
Kopien der römischen Kaiserzeit und gibt eine
gute Vorstellung von der überragenden künstlerischen Qualität des verlorenen Bronzeoriginals.
In addition to objects that were specially made to be
dedicated to the gods, articles of everyday use also
commonly served as votive offerings. A notable
feature of Panhellenic sanctuaries (i.e. those visited
by all Greeks) such as Olympia and Delphi is the
frequent dedication of weapons – helmets, shields,
greaves etc. – which had been captured from the
enemy and were dedicated to the gods in thanks for
victory in battle. These offerings are eloquent
testimony of the endless conflict in which the Greek
city states were engaged, both among themselves
and with enemies from overseas such as the Persians,
Carthaginians and Etruscans.
The ideal of the athletic, muscular man, trained in
armed combat and ready to risk life and limb to
defend his polis, is embodied by the famous SpearBearer of Polycleitus of Argos, a statue which was
itself in all probability a votive offering. The Berlin
Torso is one of the finest marble copies from the
Roman Imperial era and gives a good impression of
the extraordinary artistic quality of the lost bronze
original.
das Heiligtum:
Ritual, Feste, Musik
the Sanctuary: Rites, Feasts, Music
Während die architektonische Ausgestaltung eines
Heiligtums den äußeren Rahmen für den Götterkult vorgab, füllte es erst der Ritus mit inhaltlichem
Leben. Im Mittelpunkt der Kulthandlung stand
der Altar. So unterschiedlich wie diese Opfertische
aussehen konnten waren auch die Handlungen,
die an ihnen durchgeführt wurden. Sie reichten
von der Trankspende, meist Wein, die aus Schalen
über dem Altar ausgegossen wurde, über das
Verbrennen von Früchten bis hin zum Tieropfer.
Brachten Privatpersonen meist kleinere Tiere wie
Schweine oder Schafe dar, so wurden auf großen
Altären wie dem Pergamonaltar im Rahmen
öffentlicher Feste oft Rinder geopfert. Dabei verbrannten die Priester aber immer nur einen Teil
des Opfertieres, üblicherweise Knochen, Fett
und Fell, als Gabe an die Gottheit; das Fleisch
hingegen diente der Kultgemeinde als Festmahl.
Die Riten am Altar konnten durch zahlreiche
weitere Aspekte erweitert werden. An einigen Kultorten gehörten hierzu Prozessionen, Gelage,
Tänze und vor allem Musik. So gehörten zum Kult
des Dionysos der ekstatische Tanz und die schrille,
laute, rhythmische Musik von Blas- und
Schlaginstrumenten.
While the architecture of the sanctuary provided
the physical setting for the cult of a particular deity,
it was the ritual enacted there which invested
the place with meaning. Ritual practice centred on
the altar. And these practices were as many and
varied as the sacrificial altar tables on which they
were performed. The rites included libation – where
a liquid, normally wine, was poured from bowls
over the altar – the burning of agricultural produce,
and the sacrifice of an animal. Individual citizens
mostly donated small animals like pigs and sheep,
whereas cattle were often slaughtered on big
altars like the Pergamon Altar. The priests officiating
at such public ceremonies would burn only part
of the sacrificed animal, generally the bones, fat
and hide, as an offering to the gods; the meat would
then be consumed by the worshippers at a ritual
feast. The rites at the altar could be supplemented
by a variety of other activities. At some sanctuaries,
for example, there were processions, feasting,
dancing and above all music-making. The cult of
Dionysus involved ecstatic dance and shrill, noisy,
rhythmic music played on wind and percussion
instruments.
meisterwerke im heiligtum:
amazonen für ephesos
Masterworks in the Sanctuary: Amazons for Ephesus
Gerade unter den statuarischen Weihgeschenken
in den wichtigsten Heiligtümern befanden sich
Arbeiten der berühmtesten griechischen Künstler.
Die Berliner Amazone geht auf ein solches Meisterwerk zurück. Das verlorene Bronzevorbild und
wenigstens zwei weitere Amazonenstatuen, die
uns in Kopien der römischen Kaiserzeit überliefert
sind, entstanden im Rahmen eines Wettbewerbs
zwischen den berühmtesten Bildhauern der
Hoch­klassik. Zu diesen gehörten Phidias, Polyklet,
Kresilas und wohl noch zwei weitere Meister.
Als schönste galt jene Statue, die alle Beteiligten
nach ihrer eigenen als die zweibeste beurteilt
hatten. Es war die des Polyklet von Argos, die sehr
wahrscheinlich mit dem Typus der Berliner
Amazone zu verbinden ist. Vom römischen Schriftsteller Plinius dem Älteren wissen wir, daß die
aus dem erwähnten Wettbewerb hervorgegangenen
Amazonenstatuen in das Artemis-Heiligtum von
Ephesos geweiht wurden. Die Amazonen galten als
die mythischen Gründerinnen des Heiligtums. Ihre
Kämpfe gegen die Griechen sind eines der beliebtesten Themen der griechischen Kunst überhaupt.
Works by the most famous Greek artists figured
prominently among the statues dedicated at
the major sanctuaries. The Berlin Amazon is thought
to derive from one such masterpiece. The lost
bronze original, along with at least two other statues
of Amazons which have survived as copies from
the Roman Imperial era, were created as part of a
contest between the most celebrated artists of
the high Classical style. The artists involved were
Phidias, Polycleitus, Cresilas and probably two other
masters. It was agreed that the most beautiful
statue would be the one which all competing artists
judged the second best after their own. The winner
was the work by Polycleitus of Argos, which is
very probably connected with the Berlin Amazon
type. We know from the Roman author Pliny
the Elder that the statues of Amazons which resulted
from this contest were dedicated at the Sanctuary
of Artemis at Ephesus. According to myth, the
sanctuary had been founded by the Amazons. Their
conflict with the Greeks is one of the most popular
subjects in all Greek art.
dionysos und sein gefolge
dionysus and his retinue
Dionysos ist der Gott des Weins und der rauschhaften Ekstase – wörtlich »Das aus sich Heraustreten«.
Wer sich diesem Gott hingibt, muss riskieren,
seine Identität aufzugeben und »wahn­sinnig zu
sein«. Außerdem werden die Gegner des Gottes von
ihm mit Wahnsinn geschlagen. Umgeben ist
Dionysos von einem Gefolge (Thiasos), das der Macht
des Gottes erlegen ist. Es besteht aus halbwilden
Mischwesen mit Merkmalen von Mensch und Pferd,
später auch von der Ziege – den jugendlichen,
meist triebhaften Satyrn und den älteren Silenen –
sowie aus rasenden Frauen, den Mänaden, die
häufig zur Musik der Flöte und von Rhythmus­
instrumenten tanzen. Im Lauf der Zeit gesellen sich
auch der bocksbeinige und ziegengesichtige Pan
sowie der doppelgeschlecht­liche Hermaphroditos
zum Umkreis des Gottes.
Dionysus is the god of wine and delirious ecstasy –
literally “to step out of oneself”. Those who give
themselves to this god must risk losing their social
identity and becoming “possessed”. Furthermore
the god’s enemies are stricken with madness.
Dionysus is surrounded by a retinue (thiasos) that
succumbed to the spell of his power. It is composed
of half-wild hybrid creatures with the characte­
ristics of man and horse, later also of the ram, the
youthful, mostly libidinous satyrs and the older
silens, as well as frenzied women, or maenads, who
would often dance to the music of flutes and
rhythmic instruments. In the course of time the
goat-legged and goat-faced Pan and the androgynous
Hermaphrodit were added to the god’s cortege.
der gestaltwandel
des dionysos
the changing image of dionysus
Dionysos hat – wie Hermes – eine Biographie, er
ist Kind, jugendlich und alt. Seine Darstellungsform wandelt sich im Laufe der Zeit. In der frühen
Vasenmalerei wird er als reifer bärtiger Mann
gezeigt, als ruhender Pol im Sturm seines Thiasos
(Gefolges). Später wird auch er von seiner eigenen
Macht erfasst. Seit dem 4. Jh. v. Chr. erscheint
Dionysos (römisch: Bacchus) in verschiedenen
Gestalten: als verführerischer Jüngling mit nacktem Körper, der bisweilen weibliche Formen
besitzt, und »prächtigen Locken«; als von seinem
eigenen Geschenk trunkener Zecher, entweder
bärtig, alt und im Mantel oder jugendlich und
nackt; weinschwer auf ein Mitglied seines Gefolges
gestützt oder als triumphierender Gott auf einem
Wagen. Immer verbildlicht er sinnlich-genussvolle
Lebensformen. Mit sich trägt er Attribute des
Rausches: den berauschend wirkenden Efeu, als
Kranz oder um einen Stab gewunden (Thyrsos),
und den Kantharos, einen Weinbecher mit schlaufenförmigen Henkeln. Schrille, aufreizende
Musik von Schlag- und Blasinstrumenten begleitet
häufig seinen Auftritt.
Dionysus – like Hermes – has a biography: He is a
child, a youth and an old man. The way of representing him changes in the course of time. In early
vase paintings he is shown as a mature bearded
man, as a pole of calmness in the storm of his
thiasos (retinue). Later on he himself will be caught
by his own power. Starting with the 4th century BC
Dionysus (Roman: Bacchus) appears in different
guises: as a seductive youth, with a naked body that
occasionally shows feminine forms, and “magnificent curls”; as a drunken reveller, inebriated by his
own drink, and either old and with a cloak or young
and nude; heavy with wine leaning on a member
of his cortege, or as a triumphant god in a chariot.
He always represents a sensual and pleasure-seeking
way of life. He carries with him the attributes of
ecstasy: the inebriating ivy, either as a wreath or
wound around a staff (thyrsos), and the kantharos,
a wine cup with high-swung handles. Strident,
provocative music of percussion and wind instruments often accompanies his appearance.
theater als dionysoskult
theater as worship of dionysus
Das antike Theater hat seinen Ursprung im Kult
des Dionysos. An vielen griechischen Kultorten
gehörten zu seinen Festen dramatische Aufführungen. In Athen wurden seit dem 6. Jh. v. Chr. zu
den Großen oder Städtischen Dionysien im Rahmen
eines Wettkampfes zunächst Tragödien, wenig
später auch Satyrspiele und seit 486 v. Chr. Komödien aufgeführt. Fünf Komödiendichter stellten
jeweils ein neues Einzelstück, drei Tragödiendichter hingegen eine Tetralogie vor, bestehend aus
drei Tragödien und einem lustigen Satyrspiel als
Abschluß.
Schauplatz der Aufführungen war anfangs das
Heiligtum des Dionysos Lenaios auf der Athener
Agora, wo zu »Festspielzeiten« hölzerne Zuschauertribünen aufgestellt wurden. Im 5. Jh. v. Chr.
wechselte man in das neue hölzerne Theater am
Südhang der Akropolis, das eine rechteckige
Spielfläche und gerade Sitzreihen besaß. Erst mit
dem Neubau in der Mitte des 4. Jhs. v. Chr. entstand ein vollkommen aus Stein errichteter Bau
mit einer runden Orchestra und bogenförmig
darum herum angeordneten Sitzreihen. Das
Bühnengebäude (Skene) ersetzte ebenfalls einen
hölzernen Vorgängerbau.
The ancient theatre originated in the cult of Dionysus. In several Greek places of worship, dramatic
performances were part of his festivals. Starting in
the 6th century BC, first tragedies, then satyr
plays and – after 486 BC – comedies were staged
within the framework of competitions that took place
during the Great or Urban Dionysia. Each of five
comedy writers would present one new piece, while
three tragedians would present a tetralogy composed of three tragedies and one comical satyr play
in closing. The performances were first conducted
in the sanctuary of Dionysos Lenaios in the Athenian
Agora, where wooden tribunes were erected on
occasion of the “festivals”. In the 5th century BC
the location was changed to the wooden theatre on
the south slope of the Acropolis, which had a
rectangular stage and straight rows. Only with the
new construction in the middle of the 4th century BC
did a building emerge, which was constructed
entirely of stone and had a round orchestra surrounded by semicircular rows of seats. The stage
(skene) likewise replaced an earlier wooden
construction.
Charakteristika des
Griechischen Theaters
characteristics of greek theatre
Sämtliche Rollen in den Stücken, auch Frauen­
rollen, wurden auf drei – professionelle – männliche
Schauspieler verteilt, die deshalb Kostüme und
Masken tragen mussten. Ihnen stand der Chor
gegen­über, zu dem, je nach Gattung, 12–24
männliche Laiendarsteller gehörten. Die Masken
unterschieden sich ebenfalls nach Gattung und
dargestelltem Charakter. Von ihnen haben sich
zahlreiche Nachbildungen aus unterschiedlichen
Materialien oder auch als Schmuck von Sarko­
phagen erhalten. Besonders beliebt waren in der
antiken Kunst außerdem Darstellungen der
Komödie. Zu Masken mit meist übertriebenen oder
karikierenden Gesichtszügen gehörte ein an
Bauch und Gesäß gepolstertes Kostüm, das über
einem engen Trikot mit langen Ärmeln und
Hosenbeinen getragen wurde. Auf den Bereich des
Satyrspiels weist schließlich eine außergewöhn­
liche, lebensgroße Marmorskulptur; sie zeigt einen
Schauspieler in der Rolle des Papposilen, des
Vaters der Satyrn, mit zotteligem Fellkostüm und
Efeukranz auf dem Kopf.
All roles in the plays, even the female ones, were
allocated to three – professional – male actors, who
for this reason had to wear costumes and masks.
Opposite the actors was the choir, to which belonged,
depending on the genre being played, 12–24 male
amateur actors. The masks also differed according to
the genre and character represented. Numerous
reproductions of masks in different materials have
survived, also as ornaments on sarcophagi. Representations of comedy were particularly popular in
ancient art. Masks with exaggerated or caricaturised traits comprised a costume padded on the
belly and the bottom, which would be worn over a
tight tricot with long sleeves and legs. Alluding to
the field of satyr plays is an unusual and largerthan-life marble statue; it shows Papposilenos, the
father of satyrs, wearing a shaggy fur costume and
an ivy wreath on his head.
Die Götter in Brasilien
the gods in Brazil
Die Ausstellung »Die Rückkehr der Götter« ist in
enger Kooperation mit der im brasilianischen
São Paulo ansässigen Fundação Armando Alvares
Penteado (FAAP) realisiert und dort auch zuerst
gezeigt worden. Die knapp 200 Exponate wurden
aus den reichen Beständen der Berliner Antikensammlung ausgewählt und die meisten von ihnen
eigens für diesen Anlass restauriert. Nach dem
überwältigenden Publikumserfolg in São Paulo war
eine zweite Station in Niterói bei Rio de Janeiro
die spontane Konsequenz. Mit insgesamt über
300.000 Besuchern an beiden Stationen war dies
die bislang umfangreichste und erfolgreichste
Präsentation zur Kultur der klassischen Antike in
Lateinamerika.
Die Inszenierung in São Paulo unterschied sich
erheblich von der aktuellen im Pergamonmuseum.
Der größte Saal der Ausstellung war von einem
maß­stabgetreuen Nachbau des Pergamonaltars
do­mi­­niert, der zugleich als Kulisse eines idealtypischen griechischen Heiligtums diente. Ein ovaler
Säulen-Saal bildete die klassizistische Rotunde im
Berliner Alten Museum nach und stellte die
zwölf olympischen Götter als Ensemble vor. Lediglich der als Garten einer römischen Villa gestaltete
große Raum ist beiden Orten gemeinsam.
The exhibition “The Return of the Gods” was realized
in close co-operation with the Fundação Armando
Álvares Penteado (FAAP), based in São Paulo, where it
was initially shown. The approximately 200 exhibits were selected from the rich holdings of the Berlin
Collection of Classical Antiquities, and most of
them were restored specifically for this occasion. As
it was a huge success with the public in São Paulo,
the spontaneous consequence was to present the
exhibition at a second venue in Niterói near Rio de
Janeiro. With altogether more than 300.000 visitors
to both venues, this was the most extensive and
successful presentation on the culture of Classical
Antiquity in Latin America.
The setting in São Paulo differed substantially
from the current one in the Pergamon Museum. The
largest hall of the exhibition was dominated by
a life-size replica of the Pergamon Altar, which also
fulfilled the role of an ideal type of Greek sanctuary.
An oval hall with columns replicated the Classicist
rotunda in the Altes Museum in Berlin and presented the twelve Olympian gods as an ensemble. The
hall designed as the garden of a Roman villa is the
only setting that is alike in both cities.