Soni Honegger und die Rio Grande - Modellbahn

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Soni Honegger und die Rio Grande - Modellbahn
Schweizer Abenteurer, Dampflokführer und Eisenbahndirektor in den USA (1. Teil)
Soni Honegger
und die Rio Grande
Die Geschichte vom Buben aus dem zürcherischen Tösstal, der auszog, um in Amerika
Dampflokführer zu werden und es dann bis zum Eisenbahndirektor brachte.
Von Roland Kink
B
ubenträume werden nur selten wahr.
Manche aber realisieren sich über
sich selbst hinaus. Etwa wenn aus
dem Hansli nicht nur ein Matrose, sondern
gleich ein Kapitän geworden ist; wenn
Fritzli statt Go-Kart-Schweizermeister Formel-1-Pilot wird. Oder wenn Ueli aus Gibswil im hintersten Tösstal statt Damplok­
führer auf der Rio Grande zu werden im
Wilden Westen gleich eine ganze Dampf­
eisenbahn übernehmen kann. «Dream
Overshooting». Hier also die wahre Geschichte von diesem Ueli.
Eine tolle Nachricht
«Die C&T Management Corporation hat
Ulrich ‹Soni› Honegger per 1. November
2008 zum General Manager der Cumbres
& Toltec Scenic Railroad ernannt». So liess
sich der Verwaltungsrat Ende August 2008
in einer Presseaussendung verlauten. War
das eine tolle Überraschung! Mein Freund
Soni drüben in New Mexico hatte es nicht,
wie schon seit Jahren erhofft, zum Chief
Mechanical Officer (etwa: Chef ZfW) geschafft, sondern gleich zum Boss der ganzen Bahn! Ich konnte es kaum glauben und
Mikado 2-8-2 K-36 #488 der Cumbres & Toltec Scenic Railroad fährt im September 2005 unter erschwerten Umständen in Sublette ein.
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Reportage
Soni Honegger im Führerstand als Dampflokführer auf der Cumbres & Toltec Scenic Railroad.
kannte. In den letzten Jahren dampfte sie
ab und zu durch die Seiten dieses Magazins. In Vorbild (etwa in «Steam & Snow»,
LOKI 1|1994, «Rocky Mountain Steam»,
LOKI 10|1998) und Modell (etwa in
«Poncha Junction», LOKI 10|1998, «Nenngrösse F», LOKI 9|2008). Und unter den
hiesigen Fans der Drei-Fuss-Schmalspurbahnen im Grenzgebiet der US-Bundes-
Fotos: Beat Jäggi
griff spontan zum Telefon. Nach dem Gespräch gleich noch einmal, um einen Flug
nach Denver zu buchen. Das musste genauer abgeklärt werden!
Die Cumbres & Toltec Railroad, die
höchstgelegene und längste SchmalspurDampfeisenbahn der USA zwischen Chama,
New Mexiko, und Antonito, Colorado, ist
den LOKI-Lesern beileibe keine Unbe-
staaten Colorado und New Mexico, den
Anhängern der Normgrössen Fn3, 0n3,
H0n3 und Nn3 war durch deren gelegentliche Besuche auch Soni Honegger ein Begriff geworden, «unser Landsmann drüben
in Chama».
Die zwei Touristenbahnen von Durango
nach Silverton und die Cumbres & Toltec
Scenic Railraod von Antonito nach Chama
sind die beiden einzigen übrig gebliebenen
Teilstrecken des ehemaligen weit verzweigten Schmalspurnetzes der Denver & Rio
Grande Western Railraod. Lange ist’s her,
als dass sie zum berühmten Colorado Narrow Gauge Circle gehörten. 1892 warb die
DRG&W mit dem Slogan «Tausend Meilen
per Zug durch die Rocky Mountains, rund
um den Circle». Heute sind die 45 Meilen
(73 km) der Durango & Silverton und die
64 Meilen (102 km) der Cumbres & Toltec
alles, was von der ehemaligen schmalspurigen Kreis-Herrlichkeit übrig geblieben
ist.
1999 kam ich das erste Mal als Reiseleiter nach Chama. Als ich das Gruppen­
ticket am Schalter abholte, meinte die
Agentin: «From Switzerland, eh?» Im ▷
Mikado 2-8-2 K-36 #484 der Cumbres & Toltec Scenic Railroad fährt im August 2005 mit mächtigem Rauchausstoss in den Cumbres-Yard ein.
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Sonis erste Güterwagen nach US-Vorbild …
Colorado Narrow Gauge Circle mit, rot eingezeichnet, den beiden Strecken D&S und C&T.
… von der Firma LGB, schön gealtert.
folgenden Small Talk sagte sie dann: «Wir
haben einen Schweizer, der bei uns in der
Werkstatt arbeitet. Sein Name ist Sunny.
Willst Du seine Telefonnummer?» Na klar
wollte ich, na klar rief ich ihn unbekannterweise sofort an, na klar trafen wir uns
dann auf ein Feierabendbier. Seither habe
ich ihn mindestens alle zwei Jahre wieder
getroffen. Und vieles hat sich geändert.
heutigen Rufnamen in Amerika, wo es
keine Umlaute gibt: Soni. Also nicht Sunny,
wie ich ursprünglich verstanden hatte.
Soni ist natürlich viel spezieller, einzigartig, und passt deshalb auch besser zu seinem Namensträger.
Früh geweckte Abenteuerlust
Ueli Honegger verbrachte die Jugendjahre
mit seinen beiden Schwestern Maia und
Verena als Sohn eines begabten Elektro­
ingenieurs und einer umtriebigen Buchhändlerin bis zur vierten Klasse in Zollikon. Vater Charly betrieb dort seine eigene
Firma, die Honegger Elektronik AG. Diese
war auf Steuerungen von Personenbeförderungssystemen spezialisiert. Charly Honegger entwickelte eine solche etwa für das
Télécanapé (ein Transportmittel, in welches die Passagiere durch das Zentrum
einer rotierenden Plattform einstiegen und
auf am Rand der Plattform befestigten Sitzen Platz nahmen) für die Expo ’64 in
Lausanne, sowie die Steuerungen für die
Monorails der Weltausstellung 1967 in
Montreal, und der Calexpo 1969 in der kalifornischen Hauptstadt Sacramento.
Die ganze Familie Honegger machte die
beiden Reisen nach Nordamerika mit, alle
vier Passagen per Schiff, jene nach und von
Kalifornien durch den Panamakanal. Die
Kinder wurden dabei von ihrer Mutter beschult. «Diese Reisen haben in mir natürlich Abenteuerlust und die Sehnsucht nach
der grossen weiten Welt, vor allem nach
Amerika, geweckt», sagt Ueli heute, und:
«darum war ich, bevor ich mich für Dampflokomotiven zu begeistern begann, ein angefressener Fan der christlichen Seefahrt».
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Wieder zu Hause, liess die Ferne den Jungen nicht mehr los. Die alten Entdecker, die
Seefahrer, fremde Länder und Völker, die
Indianer, das war seine Welt. Seine Schulhefte aus dieser Zeit strotzen von kunstvollen Weltkarten und Zeichnungen, als wären sie für Christoph Kolumbus gemacht
worden.
Inzwischen waren seine Eltern aus ihrem angestammten Berufsumfeld ausgestiegen und hatten einen Mutterkuhhof auf
der Rellstenalp, zuhinterst im Tösstal auf
1000 Meter über Meer in der Gemeinde
Bäretswil gekauft. Nun war Uelis Umfeld
noch abenteuerlicher, rund um das völlig
abgelegene Haus ein dichter Wald, ab und
zu von heulenden Nachtwinden durchzogen. Während seine Schwester der Mutter
im Haushalt zur Hand gehen musste, durfte
der Herr Sohnemann oft seine fast versponnenen Hobbies pflegen. So begann ihn
Maia mit einem kleinen Anflug von Neid
Söhni zu nennen. Das erklärt nun seinen
Der Modellbahn-Bazillus
«Schon in der 1. und 2. Klasse spielte ich
mit der LGB. Wir wohnten noch in Zollikon.
In Meilen besassen meine Eltern damals
eine Parzelle, auf der sie allerdings nie ein
Haus bauen konnten. Dafür baute mein Vater für uns dort eine Gartenbahn. In der
dritten Klasse zügelten wir dann auf die
Rellstenalp. Das Thema Meilen war damit
abgeschlossen. Dort in Gibswil waren dann
so viele neue Dinge um mich, etwa ein ganzer Wald, der erforscht werden musste,
dass die Modellbahn automatisch in den
Hintergrund rückte. Irgendwann bekam
ich aber von irgendwoher den neuen LGBKatalog in die Hände. Als Ami-Fan hatte
Soni Honeggers Elternhaus auf der Rellstenalp in Gibswil-Ried, Tösstal.
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Foto: Beat Jäggi
Reportage
Stellvertretend für die Gebirgsromantik der ehemaligen Denver & Rio Grande Western: Zug der heutigen
Cumbres & Toltec Railroad in der berühmten Phantom Curve am Cumbres Pass im August 2005.
ich damals schon ab und zu in Büchern
der beiden berühmten amerikanischen
Eisenbahnschriftsteller Lucius Beebe und
Charles Glegg geschmökert. Und ich
staunte nicht schlecht, als ich im LGB-Katalog amerikanische Güterwagen sah! Aber
leider hatte LGB dazu noch keine passenden Loks im Programm. Mir gefielen da-
mals schon die amerikanischen Eisenbahnen besser als die europäischen. Sie waren
viel funktionaler, ohne grosses Design.
Wenn man eine US-Dampflok ansieht,
dann erkennt man viel besser, wie sie
funktioniert. Wenn es einen zusätzlichen
Apparat braucht, dann mechen ihn die
Amis einfach irgendwo auf die Lok. Sie wir-
Mikado 2-8-2 K-28 #478 stand Modell für Soni Honeggers erste Selbstbaulok.
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ken dann viel urtümlicher. Nun hatte mich
der US-Railroad-Bazillus definitiv gepackt.
Das muss so in der fünften Klasse gewesen
sein, also zwei Jahre nach unserem Umzug
auf den Bauernhof.»
«Ich kaufte mir also meine ersten beiden amerikanischen LGB-Güterwagen. Sofort amerikanisierte ich sie noch mehr und
verwitterte sie stark. Nur hatte ich noch
keine Lok für sie. Ausser einer Stainz aus
einer Anfangspackung, die noch aus der
Meilemer Zeit irgendwo herum stand. Das
sah aber schrecklich aus. Genau jetzt
brachte LGB endlich auch eine US-Lok.
Aber, au Backe!: Es war wieder eine Stainz,
der man einfach einen zweiachsigen Tender, einen Kuhfänger und ein furchtbar
übertriebenes Mickey Mouse-Farbkostüm
verpasst hatte. Das konnte es ja auch nicht
sein! Wenn man die Bilder einer Rio Grande
Mikado vor Augen hatte! Die Wagen waren
toll, aber die Lok …! Inzwischen war ich
Stammkunde und -Schmökerer bei Old
Pullman in Stäfa geworden. Ich vertiefte
mich in jedes US-Eisenbahnbuch, das mir
unter die Augen kam. Und mit jedem Buch
faszinierten mich die amerikanischen
Schmalspurbahnen noch mehr. Vor allem
die Denver & Rio Grande Western! Das war
die Tollste von allen und wurde zu ‹meiner›
Bahn, meiner Lieblingsgesellschaft. Mich
beeindruckten vor allem die riesigen,
schweren Dampfloks auf den nur gut 90 cm
breiten Schienen und die oft halsbrecherischen Strecken, denen man ansah, dass sie
nach dem Motto gebaut worden waren ‹get
there first, fix it later› (etwa: ‹baue zuerst
bis zum Ziel, reparieren kannst du später›).
Doch noch immer hatten meine beiden
LGB-Boxcars keine halbwegs vernünftig
aussehende Zuglok! Also musste ich mir
selbst eine bauen. Damals war eine 0-6-2T
die grösste Dampflok im LGB-Sortiment.
Ich glaube, die war von der Zillertalbahn
oder so. Auf jeden Fall beschaffte ich ▷
Speed-Lettering-Schriftzug auf dem Tender von Soni Honeggers K-27 #454.
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Sonis Free-Lance-Mallet mit zwei LGB-Harzquerdampflok-Antrieben und …
… einem zweimotorigen Vierachstender: Lok «G 10/10».
«Ich war in der Stifti bei Signum in
Walli­sellen. Immer noch las ich jedes amerikanische Eisenbahnbuch, das ich in die
Finger kriegte. Jetzt hatte ich schon etwas
Geschick an der Drehbank und fasste darum den Beschluss, eine richtig grosse
Dampflok für meine US-Bahn zu bauen.
Dazu nahm ich wieder den Antrieb einer
Dampflok aus dem LGB-Sortiment, diesmal
von der so schön fett aussehenden Harzquer-Lok 99 6001, allerdings gleich zwei
davon, und ich machte daraus eine Art
Free-Lance-Mallet. Vier Motoren, zehn angetriebene Achsen! Damit ich sicher keine
Adhäsionsprobleme mit ihr haben würde,
drehte ich ihren Kessel gleich aus dem Vollen, und sie bekam den alten zweimotorigen Tender meiner 0-6-2. Sie hat gezogen
wie der Zuchtmuni meines Vaters.»
Lehre bei Signum
«Gut, dass wir auf unserem Hof viel Platz
hatten. Ich begann wie wild, eine Gartenbahn zu bauen. Carette um Carette Beton
wurde verbraucht; Tunnels, Berge, Schlösser, Seen entstanden und natürlich eine
gewaltige amerikanische Trestle-Brücke.
Im ersten Winter, in der ich auf meiner
Gartenbahn fahren konnte, montierte ich
meiner umgebauten 0-6-2 mit Schlepp­
tender einen Schneepflug. Die Lok verfügte
aber über zu wenig Traktion, der Schnee
blieb liegen. Das hat mir gestunken, also
baute ich einen neuen Tender. Ich beschaffte mir zwei Drehgestelle der österreichischen LGB-Diesellok und montierte
diese ohne Kuppelstangen unter meinen
neuen Tender. Nun hatte die Lok drei
Motoren und sieben Antriebsachsen. Jetzt
konnte man sie zum Schneeräumen gebrauchen!»
Soni zeigte hier schon sein Talent als
Mechaniker, das ihm erlaubte, Probleme
mit jenen Mitteln zu lösen, die in der Nähe
zur Verfügung stehen. Weitere Beispiele
dazu folgen später. Schliesslich war er ja
auch der Sohn seines Vaters.
Auswanderung in die USA
«Nach der Elektromechaniker-Lehre hatte
ich eigentlich schnell einen guten Job hier
in der Schweiz. Bei Signum wurde ich
gleich als stellvertretender Lehrlings­
instruktor eingesetzt. In der Freizeit wid-
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mete ich mich nun aber mehr den Autos im
Massstab 1:1 als der Modelleisenbahn. So
konnte ich 1983 im Alter von 22 Jahren als
Rennmechaniker wieder einmal in die USA
reisen. Allerdings nur für zwei Wochen.
Aber auf dieser Reise dachte ich fest daran,
ins Land der Freiheit auszuwandern. Denn
schon damals wie heute empfand ich die
Schweiz als eng und einengend. Für alles
gab es Regeln und Vorschriften. Und heute
gibt es noch viel mehr davon. In den USA
kannst du unkonventionelle Dinge tun,
ohne dass die Leute ständig über dich reden oder dich sogar für verrückt erklären.
Nur weil du mit einem alten Militärlast­
wagen zum Einkaufen fährst, zum Beispiel.»
1985, mit 24 ½ Jahren ging dann Soni
zusammen mit seiner Schwester Maia auf
den grossen Trip. Ihre Amerikareise dauerte ein ganzes Jahr, die beiden legten dabei quer durch die USA mehr als 100 000
Kilometer zurück. Nach einem Jahr kehrte
Maia zurück in die Schweiz, Soni blieb. Er
hatte sogar einen Job. Als Dampflokmechaniker. Das kam, wie der Zufall spielte, so:
Foto: Soni Honegger
mir eine solche, entfernte die seitlichen
Kohlenbunker und hängte ihr den Triebtender von LGB an. Dann versuchte ich, sie
möglichst amerikanisch aussehen zu lassen. Nach einem Bild der Mikado K-28
Nummer 478 der D&RGW rüstete ich sie
mit allen Details aus, die ich als Einzelteile
kaufen oder selbst herstellen konnte. Alles
wurde schwarz gespritzt. Auf den Tender
pinselte ich selbstverständlich den Schriftzug ‹Rio Grande› in speed lettering, den
typischen schräg nach vorne gestellten
Buchstaben mit den oben angehängten
Pfeilen: meine erste ‹richtige› amerikanische Lok! Mit der gewinne ich bei meinen
Freunden in Chama allerdings heute keinen Schönheitspreis mehr. Deshalb steht
sie zu Hause bei meiner Mutter in Gibswil
in unserem Kellerbistro.»
Eine von Sonis mechanischen «Jugendsünden»: Opel Rekord, umgebaut zu einem Ami-Cop-Streifenwagen.
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Reportage
Maia und Soni mussten in einer Werkstatt
in Fayettville im Bundesstatt Arkansas
neue Stossdämpfer in ihr Auto einbauen
lassen. Während sie warteten, bis der
Wagen eines anderen Kunden fertig war,
unterhielten sie sich auf Schweizerdeutsch.
Neugierig wie die Amerikaner sind, wollte
der andere Kunde wissen, welche Sprache
sie da benutzten. In der folgenden Unterhaltung stellte sich heraus, dass der Vater
des Gesprächspartners im nahen Städtchen Eureka Springs eine Touristenbahn
besass. Soni fragte, welche Loktypen er
denn habe. «Well, Shays!» war die Antwort.
Soni meinte, er kenne sich mit diesen Loks
gut aus, er habe auch einmal eine im Modell gebaut. Da wurde der Amerikaner hellhörig und lud Soni auf das kommende
Wochenende zu sich nach Hause ein. Das
hatte zur Folge, dass Maia und Soni fast
einen Monat lang in Eureka Springs hängen blieben, denn Soni wurde gleich als
Mechaniker eingesetzt und unter anderem
beauftragt, die Luftdruckbremse einer
Shay zu reparieren.
Auf Drängen von Maia musste er sich
dann schliesslich wieder von seinen geliebten Loks losreissen, jedoch mit der Versicherung, dass er jederzeit wieder zurückkommen könne, um wieder für die Eureka
Springs & Northern Arkansas Railway zu
arbeiten. So geschah es denn auch, nachdem Maia wieder in die Schweiz reiste.
Soni zog wieder nach Eureka Springs, denn
der Inhaber der Bahn war dafür besorgt,
dass er eine Green Card (Arbeitsbewilligung) erhielt.
Nun war aus dem Modellbahner ein
richtiger Eisenbahner geworden. 1992 bis
1993 heuerte er bei der Arkansas & Missouri Railraod an, wo er zum Conductor
ausgebildet wurde. In dieser Zeit entwickelte sich Soni zum Mechaniker-Universalgenie. In seinem Lieblingsfach machte er
Gebrauch von den oft zitierten unbegrenzten Möglichkeiten, den Freiheiten, wie er
es selbst nennt, in den USA: Nicht nur
Dampfloks faszinierten ihn, sondern speziell auch Raupenfahrzeuge, Trucks, Militärfahrzeuge, («wo man die Technik sieht,
wo sie nicht unter Design versteckt ist, wo
die Funktionstüchtigkeit an erster Stelle
steht»), Boote und vor allem auch Geländefahrzeuge. Sein grösster Wurf ist sicher
seine Eigenentwicklung Scorpion.
Dieses auf den ersten Blick einem
Humvee ähnliche Vehikel hat durch seine
hydraulisch regulierbare Einzelradaufhängung die Geländegängigkeit eines Menzi
Mucks. 21 Stück dieser Klettermaxe hat
Soni bis zum Verkauf der Patente und Konstruktionspläne in eigener Werkstatt gebaut, einer davon ist heute noch sein un­
alltägliches Alltagsfahrzeug. Doch auch im
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Scorpion eines Kunden in der Werkstatt von Sonis Firma G Force Choppers in Chama, New Mexico.
Sonis paramilitärische Eigenentwicklung, der Scorpion 4 x 4 als «High Mobility On & Off Road Vehicle».
Motor: Cummins 3,9 Liter Diesel.
Eisenbahnwesen konnte Soni zu dieser Zeit
weiterhin seinen Tatendrang ausleben:
Ende der Achtzigerjahre war eines der legendären Wahrzeichen der amerikanischen Eisenbahnen daran, aus dem aktiven
Dienst zu verschwinden, der Caboose.
1988 strich mit Virginia der letzte Bundesstaat die Vorschrift, dass jeder Güterzug
am Zugschluss einen Sputnik mitzuführen
hatte.
Er wurde nach und nach durch FRED
ersetzt (Flashing Rear-End Device – Blinkender Apparat am hinteren Ende). Soni
nutzte die Chance der unzähligen nun
nutzlos herumstehenden Cabooses und
zog einen blühenden Occasionshandel mit
ihnen auf. Er und sein damaliger Partner
kauften sie zum Schrottpreis, möbelten sie
auf und verkauften sie als Gartenhäuschen,
Schuppen, externe Gästezimmer und ähnliches weiter.
Trotz aller dieser Aktivitäten blieb Soni
auch noch Zeit für die Modellbahn. Inzwischen hatte er nach jeder Ferienreise in die
Schweiz einige seiner alten Modelle mit in
die neue Heimat genommen, so auch seine
beiden ersten Güterwagen von LGB. Ab
und an hatte er sich auch bereits mit ▷
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Reportage
Live Steam versucht, zum Beispiel einen
Kit von Aster zusammengebaut. Als er
1998 zum ersten Mal das grösste Live
Steam Treffen der USA, den Diamondhead
Steamup in Mississippi besuchte, war
seine alte Begeisterung für Echtdampf­
modelle mit einem Schlag wieder wach:
«Sie waren völlig cool, die heissen Loks.
Aber leider, für meinen persönlichen
Schmalspur-Geschmack, war deren erdrückende Mehrheit nach normalspurigen
Vorbildern gebaut. Alles Spur 1. So fasste
ich den Entschluss, dem für mich selbst
abzuhelfen.»
Eigene Modelle
Soni nahm also seine erste von Grund auf
bis ins letzte Detail selbst hergestellte Modelllok in Angriff. Wie hätte es anders sein
können: Eine Mikado der D&RGW, nämlich
«Mudhen» («Mistkratzerli») K-27 Nummer
454. Zu dieser Zeit waren die ersten Grossserienmodelle nach dem genauen Massstab 1:20,3 bereits auf dem Markt. Soni
hatte aber immer noch seine alten LGBGüterwagen. Deshalb entschied er sich für
ein Verkleinerungsverhältnis von 9⁄ 16 Inch
pro Fuss entsprechend 1:21,3, also zwischen 1:20,3 und 1:22,5. Damit macht
seine Lok sowohl vor LGB als auch vor
massstäblichen Spur-Fn3-Wagen einen guten Eindruck. Sie ist funkferngesteuert.
Die dafür nötigen Empfänger und Servos
sind unter einem doppelten Boden im Führerhaus unsichtbar angeordnet. Die Serie
der K-27 Maschinen umfasste bei der
DRG&W 15 Maschinen. (Zwei davon sind
als Museumsloks dem Schneidbrenner
entronnen, eine davon, Nummer 463, steht
bei der Cumbres & Toltec, die andere läuft
bei einer Museumsbahn im Bundesstaat
Michigan.)
Im Laufe der Zeit wurden die Vorbildloks einzeln und fast jede anders umgebaut. Soni legt Wert darauf, dass seine
454er bis ins kleinste Detail der Vorbild454er entspricht. (Leider also nicht genau
der Lok 463 der Cumbres & Toltec, seiner
grossen Bahn.) Er ist noch immer stolz auf
sein Werk. Zu Recht. Als er die 454er gebaut hatte, nahm er sie zu einem weiteren
Diamonhead Steamup mit, wo sie von den
Fans bestaunt wurde. Nicht nur das, sondern eine Truppe chinesischer Besucher
fotografierte sie X-mal und von allen
Seiten. Ein Jahr später kündete die Firma
Accucraft dann eine K-27 in Fn3 in Grossserie an. Man ist geneigt, gewisse Schlüsse
zu ziehen, auch wenn sie nicht bewiesen
werden können.
Die K-27 lassen Soni nicht los. Seit einigen Jahren ist eine weitere Maschine dieses Typs im Entstehen, allerdings in Spur
7 ½-Zoll.
○
28
Mudhen, Mikado
2-8-2 K-27 #463 im
Herbst 1999 bei der
Bekohlung in Chama.
Mudhen, Mikado
2-8-2 K-27 #463
im Herbst 2008
in Antonito, wo sie
zur Überfuhr nach
Chama rollbereit
gemacht wird.
Mudhen, Mikado
K-27 #454 als
Live-Steam-Modell
im Massstab 1 : 21,3.
Foto: Soni Honegger
Eine weitere K-27,
diesmal in Spur 7 1⁄2
Zoll, im Bau in Soni
Honeggers privater
Werkstatt. Hier ein
Blick auf die Details
des Rahmens.
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