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DNotI
Deutsches Notarinstitut
GUTACHTEN
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1 1 4 08
21 . 10 . 2 0 0 5
ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 5
Zwangsvollstreckungsunterwerfung wegen des Mietzinses bei einem Wohnraummietverhältnis (Bezug auf Gutachten, DNotI-Report 1999, 9)
I.
Sachverhalt
Der Vermieter beabsichtigt in privatschriftlichen (z. T. unbefristeten) Mietverträgen eine Verpflichtung aufzunehmen, wonach der Mieter vor Überlassung der Mieträume sich der sofortigen
Zwangsvollstreckung wegen seiner Verpflichtung zur Zahlung des Mietzinses unterwerfen soll.
Der Notar soll in gesonderter Urkunde die Zwangsvollstreckungsunterwerfung beurkunden.
II. Fragen
1.
Ist die Zwangsvollstreckungsunterwerfung mit Nachweisverzicht eines Mieters von
Wohnräumen wegen der Verpflichtung des Mieters zur Zahlung des Mietzinses während der Dauer des (unbefristeten) Mietverhältnisses zulässig?
2.
Spielt es dabei eine Rolle, ob die im Mietvertrag enthaltene Verpflichtung hierzu in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten oder individuell ausgehandelt ist?
III. Zur Rechtslage
1.
Unterwerfungsfähigkeit von Mietzinsansprüchen
a) Zweite Zwangsvollstreckungsnovelle von 1997
Nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO findet die Zwangsvollstreckung insbesondere aus
notariellen Urkunden statt, soweit der zu vollstreckende Anspruch einer vergleichsweise Regelung zugänglich, nicht auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist und nicht den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft.
Der nunmehrige Wortlaut des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO beruht auf der zweiten
Zwangsvollstreckungsnovelle vom 17.12.1997 (BGBl. I, 3039). Diese neue Fassung ist am 1.1.1999 in Kraft getreten. Bereits nach der alten Fassung des § 794
Abs. 1 Nr. 5 ZPO, nach der eine Zwangsvollstreckung aus notariellen Urkunden
grundsätzlich nur wegen Geldansprüchen zulässig war, war indessen anerkannt,
dass auch Ansprüche auf Mietzinszahlungen Gegenstand einer notariellen Urkunde
mit Zwangsvollstreckungsunterwerfungserklärung sein können.
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ge guta0805 r1/11408.doc
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b) Zulässigkeit der Vollstreckungsunterwerfung für Mietzins
An der Unterwerfungsfähigkeit von Ansprüchen wegen Mietzinszahlung in einer
notariellen Urkunde hat sich nach unserer Auffassung infolge des im Rahmen der
Zwangsvollstreckungsnovelle geänderten Wortlaut des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO
nichts geändert. Vollstreckbar sind danach weiterhin Geldansprüche im bisherigen
Umfang. Ausgenommen sind lediglich die Ansprüche, „die den Bestand eines
Mietverhältnisses über Wohnraum betreffen.
Nach der amtlichen Begründung zur Neufassung des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO sind
unter dem Begriff des „Bestands“ eines Mietverhältnisses zuvörderst Räumungsund Herausgabeansprüche gemeint, nicht aber Mietzinsansprüche (BT-Drs. 13/341,
S. 21; Münch, ZNotP 1998, 475, 478; Wolfsteiner, DNotZ 1999, 306, 316;
Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl. § 794 Rn. 108; Zöller/Stöber, ZPO, 25.
Aufl. 2005, § 794 Rn. 26; Musielak/Lackmann, ZPO, 3. Aufl. 2002, § 794 Rn. 32;
v. Rintelen, RNotZ 2001, 2, 4; Kollbach/Mathar, ZMR 2000, 1). Soweit ersichtlich,
vertritt lediglich Putzo (Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl. 2001, § 794 Rn. 51) eine
einschränkende Ansicht. Seiner Ansicht nach sei mit dem Begriff „Bestand“ in
§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO das gegenwärtige oder künftige Mietverhältnis als Voraussetzung des Anspruches gemeint. Beurkundungsfähig seien deshalb allein „zurückliegende Mietzinsansprüche“.
Auch wenn – soweit ersichtlich – zu der vorstehenden Frage bislang noch keinerlei
Rechtsprechung vorliegt, ist mit der herrschenden Ansicht davon auszugehen, dass
Mietzinsansprüche wie bisher mittels einer notariellen Urkunde nach § 794 Abs. 1
Nr. 5 ZPO vollstreckbar gestellt werden können. Die Einschränkung von Putzo
(Thomas/Putzo, § 794 Rn. 51), dass beurkundungsfähig lediglich „zurückliegende
Mietzinsansprüche“ seien, leuchtet nicht recht ein. In der Gesetzesbegründung heißt
es ausdrücklich und ohne Einschränkung, dass Mietzinsansprüche weiterhin vollstreckbar sein sollen. Derartige Ansprüche auf Mietzinszahlungen lassen den „Bestand des Mietverhältnisses“, wie er von der Zwangsvollstreckungsunterwerfung in
§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ausgenommen wird, unberührt.
2.
Umfang des Beurkundungserfordernisses
In unserem Gutachten DNotI-Report 1999, S. 9 ff. hatten wir uns ausführlich mit der
Frage auseinandergesetzt, ob das Beurkundungserfordernis des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO
lediglich die Vollstreckungsunterwerfung als solche erfasst oder ob der gesamte Mietvertrag zu beurkunden ist. Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass eine Beurkundung
lediglich der Zwangsvollstreckungsunterwerfung genügt. Diese muss allerdings dem
vollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitserfordernis genügen; es muss daher der vollstreckbar gestellte Anspruch aus der Urkunde selbst eindeutig bestimmt werden können
(vgl. für ein Muster einer derartigen Vereinbarung als vollstreckbarer Anwaltsvergleich
Horst, MDR 2003, 1035, 1036).
3.
Vertragliche Verkürzung der Verjährung
Wir möchten ferner darauf hinweisen, dass die Zwangsvollstreckungsunterwerfung hinsichtlich des Mietzinses dazu führt, dass nach § 197 Abs. 1 Nr. 4 BGB die Ansprüche
des Vermieters auf Zahlung des Mietzinses in 30 Jahren verjähren. Eine derart lange
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Verjährung dürfte regelmäßig nicht sachgerecht sein. Insoweit könnten die Beteiligten
in zulässiger Weise die Verlängerung der Verjährungsfrist durch die Zwangsvollstreckungsunterwerfung ausschließen und die Geltung der üblichen Verjährungsfrist vereinbaren (§ 202 BGB n. F. = § 225 BGB a. F.).
4.
Klauselkontrolle
Handelt es sich bei der abzuschließenden Vereinbarung nebst Vollstreckungsunterwerfung um einen Verbrauchervertrag i. S. d. § 310 Abs. 3 BGB oder aber um Allgemeine
Geschäftsbedingungen i. S. d. § 305 Abs. 1 S. 2 BGB, so ist darüber hinaus auch die
Klauselkontrolle der §§ 307 ff. BGB eröffnet. Der prozessuale Charakter der Unterwerfungserklärung steht der Anwendung der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB nicht
entgegen (vgl. zu § 9 ff. AGBG: BGHZ 99, 274 = MittRhNotK 1987, 74 = NJW 1987,
904; BGH DNotZ 2002, 878 = DNotI-Report 2001, 196 = NJW 2002, 138, 139; Knifka,
ZfBR 1992, 195, 197; Stein/Jonas/Münzberg, § 794 Rn. 128 m. w. N.). Daher könnte
eine Zwangsvollstreckungsunterwerfungserklärung dann unwirksam sein, wenn sie den
Vertragspartner des Verwenders wegen der mit ihr verbundenen Risiken unangemessen
benachteiligt (§§ 310 Abs. 3, 307 Abs. 1 S. 1 BGB).
Bei der Auslegung des Begriffs der „unangemessenen Benachteiligung“ sind auch
Vorgaben der dem deutschen Recht zugrunde liegenden EG-Klauselrichtlinie zu berücksichtigen. Nr. 1 q des Anhangs zu Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie über missbräuchliche
Klauseln (Richtlinie 93/13/WEG v. 05.04.1993 abgedruckt bei Ulmer/Brandner/Hensen,
AGBG, 9. Aufl. 2001, 28) sieht vor, dass Klauseln missbräuchlich sind, die darauf abzielen oder zur Folge haben,
„das dem Verbraucher die Möglichkeit, Rechtsbehelfe bei Gericht
einzulegen oder sonstige Beschwerdemittel zu ergreifen, genommen oder erschwert wird, und zwar insbesondere dadurch, dass er
ausschließlich auf ein nicht unter die rechtlichen Bestimmungen
fallendes Schiedsgerichtsverfahren verwiesen wird, die ihm zur
Verfügung stehenden Beweismittel ungebührlich eingeschränkt
werden oder die Beweislast auferlegt wird, die nach dem geltenden Recht einer anderen Vertragspartei obläge.“
Eine Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung hinsichtlich der zukünftigen Nutzungsentgelte hat zwar keine Beweislastumkehr zur Folge (vgl. BGHZ 147,
203 = DNotZ 2001, 793 = NJW 2001, 2096; BGH DNotZ 2002, 878 = DNotI-Report
2001, 196 = NJW 2002, 138, 139). Jedoch führt die Zwangsvollstreckungsunterwerfung
dazu, dass sich die Prozessrollen umkehren, da nunmehr der Mieter Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO einlegen muss und nicht umgekehrt der Vermieter einen Titel
erstreiten muss.
Teilweise wird in jüngerer Zeit vertreten, dass diese Umkehrung der Prozessrollen
ausreicht, um eine Erschwerung der Rechtsschutzmöglichkeiten i. S. d. Buchstaben 1 q
des Anhangs der EG-Klauselrichtlinie zu bejahen (vgl. Quack, Rpfleger, Studienhefte
2002, 145; ansatzweise schon Stürner, JZ 1977, 431 ff.). Die ursprünglich in Bezug auf
die Unterwerfungserklärung bei Grundschulden getroffenen Erwägungen seien auf alle
Verbraucherverträge / Formularverträge übertragbar.
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Gegen diese Auffassung spricht jedoch nach ganz h. M., dass dem Buchstaben 1 q des
Anhangs der EG-Klauselrichtlinie nicht entnommen werden kann, dass dieser einer
Verlagerung der Initiative auf den Verbraucher entgegensteht. Zudem erfasst der Buchstabe 1 q des Anhangs der EG-Klauselrichtlinie nach seinem Wortlaut nur Rechtsbehelfe oder sonstige Beschwerdemittel, die vom Verbraucher einzulegen sind, nicht dagegen die Fälle, in denen der Unternehmer ein gerichtliches Verfahren einleiten muss
(vgl. hierzu umfassend Knapp, MittBayNot 2003, 421, 424). Die auf den Schuldner
verlagerte Initiative zur Rechtsverteidigung dürfte daher keine unangemessene Folge
darstellen. Dies dürfte grundsätzlich auch dann gelten, wenn für die Klauselerteilung
auf Nachweise verzichtet wurde (Stein/Jonas/Münzberg, § 794 Rn. 128; MünchKommZPO/Wolfsteiner, 2. Aufl. 2000, § 794 Rn. 133).
Daher dürfte auch bei Vorliegen eines Verbrauchervertrages oder eines Formularvertrages eine Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung hinsichtlich des künftigen Mietzinses mit den §§ 310 Abs. 3, 307 ff. BGB vereinbar sein.