Erfahrungsbericht - Peter Eschenbacher

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Erfahrungsbericht - Peter Eschenbacher
Erfahrungsbericht - Peter Eschenbacher
Persönliches
Einleitung
- Warum Indien?
- Entscheidung für den Ort und die Universität
- Sprachliche Vorrausetzungen
Vorbereitung
- Studienplatzsuche
- Anreise
- Impfungen
- Krankenversicherung
- Visum
- Kosten und Zugang zu Geld
- Nützliche Links/ Informationen
Universität
- Studienfachauswahl
- Betreuung während des Aufenthaltes
- Kontakt zu Studierenden
- Studienbedingungen
Unterkunft
- Unterkunft/Suche
- Kosten
- Ausstattung
Stadt
- Klima
- Verkehrsmittel und Anbindung
- Sehenswertes
Eindrücke zum Leben in Indien
- Kontakte knüpfen
- Kultur, Lebensgewohnheiten
- Essen
Fazit
- Zufriedenheit
- Was habe ich dazu gelernt?
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Persönliches
Mein Name ist Peter Eschenbacher und ich studiere Wirtschaftsingenieur im fünften
Semester. Mein fünftes Semester absolvierte ich im Ausland, also das WS 2012/2013. Ich
war von 01. August bis 22. Dezember 2012 in Indien am PSG College of Advanced Studies in
Coimbatore, Tamil Nadu.
Einleitung
„Incredible India“ wirbt die Tourismusbehörde Indiens für ihr Land. „Verblüffend“ ist das
erste Wort, dass der Lonely Planet Reiseführer über Indien schreibt. In Deutschland gilt
Indien zwar als riesiger Zukunftsmarkt, aber auch als ein Land in dem das Chaos regiert.
Alle mögen Recht haben, doch trotzdem oder gerade deshalb ist Indien ein Land in dem sich
ein Studienaufenthalt definitiv lohnt.
Indien besitzt mit seinen mittlerweile mehr als 1,2 Mrd. Einwohnern und einer stark
wachsenden Mittelschicht über ein enormes Wirtschaftspotential und ist somit einer der
Zukunftsmärkte überhaupt. Ein Aufenthalt in diesem Land wird sicher von jedem
Unternehmen sehr geschätzt und kann einen klaren Wettbewerbsvorteil am Stellenmarkt
bringen. Aber Indien bietet nicht nur wirtschaftliches Potential für Firmen, auch die Kultur ist
einzigartig. So viele unterschiedliche Ethnien, Religionen und Sprachen findet man wohl
selten in einem Land vereint. Selbst wenn man eigentlich nicht wirklich kulturell interessiert
ist, kann man sich hier davor nicht verstecken, da das komplette Leben von spirituellen, wie
religiösen Ritualen beherrscht wird. Daher hebt sich Indien ganz klar von allen westlichen
Ländern ab und da es für mich persönlich wichtig war, eine komplett neue Kultur
kennenzulernen, kam nur ein Land wie Indien für mich in Frage. Anders als viele andere
asiatische Länder ist Indien zudem eine Demokratie, die zwar schwerfällig ist, in ihren
Grundzügen aber funktioniert. Dies festigte ebenso meine Entscheidung für Indien.
Außerdem brauchte ich als Dual-Student ein Land für mein Auslandssemester mit dem
meine Firma (Sandler AG) einverstanden ist. Hauptgrund für mich war aber trotz alle dem
der wirtschaftliche Bereich.
In Deutschland fiel mir die Wahl meines Studiengangs und der Hochschule zwar schwer, aber
ich hatte genügend Kriterien, die eine Wahl auf einige wenige Hochschulen beschränkte. In
Indien jedoch bestand mein einziges Kriterium darin, dass die Hochschule sowohl
wirtschaftliche, als auch technische Fakultäten haben musste. Andernfalls hätte ich als
Wirtschaftsingenieur einen meiner Bereiche vernachlässigen müssen. Dieses Kriterium
erfüllen aber sehr viele Universitäten in Indien und so hatte ich die Qual der Wahl. Ein
Gespräch mit dem International Office meiner Hochschule in Hof brachte mich aber sehr
schnell zu einer Entscheidung. Eine Partnerhochschule von Hof besaß sowohl ein Institute of
Technology, als auch eines für Management. Der Ruf dieser Hochschule ist in ganz Südindien
sehr gut und auch im Internet konnte ich Rankings finden, in denen die technischen
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Fakultäten der Universität weit oben vertreten waren. Dies alles ließ meine Wahl auf das
PSG College of Advanced Studies in Coimbatore fallen.
Für meinen Aufenthalt in Indien waren keinerlei sprachliche Fähigkeiten und deren
Nachweise vorausgesetzt. Trotzdem empfehle ich jedem vorher, je nach Studienrichtung
einen Englischkurs zu belegen, da viele neue (bei mir technische) Wörter auftauchen
werden, die das Schulenglisch einfach nicht abdeckt. Die meisten Hochschulen bieten
fachspezifische Unicert Kurse an.
Vorbereitung:
Die Studienplatzsuche lief bei mir, wie man bereits der Einleitung entnehmen kann, sehr
unkompliziert und war auch in kurzer Zeit abgeschlossen.
Flug und Anreise stellen in Indien normalerweise auch kein Problem dar, da eigentlich jede
größere Stadt einen Flughafen besitzt und man somit mit maximal einem Inlandsflug zum
gewünschten Zielort gelangt. Auch die Kosten für einen solchen halten sich in Grenzen, da
auf dem innerindischen Flugmarkt eine starke Konkurrenz herrscht.
Die Abholung vom Flughafen in Coimbatore organisierte die Hochschule für mich und ich
wurde ohne Umwege in mein neues Zuhause am Campus gebracht. Sollte die Hochschule in
Indien einen solchen „Service“ nicht anbieten ist das aber auch kein Problem, da an jedem
Flughafen Unmengen Taxis warten, die einem zu einem vorher am Prepaidschalter (diesen
auch unbedingt nutzen, da Taxifahrer ansonsten von Nicht-Indern einen zu hohen Preis
verlangen) gezahlten Preis zum gewünschten Zielort fahren. Verglichen mit deutschen
Taxiraten ist das sehr günstig.
Ganz
wichtig
für
einen
Indienaufenthalt
sind
die
gesundheitlichen
Vorbereitungsmaßnahmen! Indien hat immer noch mit ein paar medizinischen Problemen zu
kämpfen und somit sind einige Impfungen einfach unerlässlich. Dazu gehören natürlich die in
Deutschland empfohlenen Standardimpfungen, aber auch:
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Hepatitis A und B
Typhus
Japanische Enzephalitis
Tollwut
Die Kosten aller Impfungen belaufen sich auf ca. 500 Euro. Einzelne Impfungen wie Tollwut
sind sehr teuer (da insgesamt drei Impfungen benötigt werden) und nicht zu 100%
erforderlich, aber da Indien das Land mit den meisten Toten durch Tollwut weltweit ist, ist
die Impfung für Langzeitaufenthalte definitiv zu empfehlen. Grund für die hohe Zahl an
Todesopfern sind die zahlreichen Straßenhunde, die zwar während meines Aufenthaltes alle
harmlos waren, ich jedoch auch Gegenteiliges gehört habe.
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Noch wichtiger ist der Abschluss einer Auslandskrankenversicherung für Langzeitaufenthalte.
Hierbei unterscheiden sich die Kosten für die Tarife sehr stark und es lohnt sich zu
vergleichen. Insgesamt für 5 Monate muss mit mindestens 150 Euro gerechnet werden. Der
Abschluss ist aber definitiv ein Muss! Zwar sind in Indien die Arztkosten für einfache
Routinebehandlungen sehr niedrig, Operationen können allerdings ebenso wie in Europa
sehr teuer sein und sollten nur im absoluten Notfall in Indien stattfinden. Daher sollte der
Tarif definitiv einen Heimtransport nach Deutschland mit abdecken.
Um überhaupt nach Indien einreisen zu dürfen, ist ein Visum notwendig, das bei der
jeweiligen Visastelle beantragt werden muss. Für Studenten aus Bayern ist das die Cox and
Kings GmbH in München. Zur Visabeantragung braucht man ein Onlineformular, Passbilder
des Formats 5x5cm und einige andere Dokumente, je nach Grund des Aufenthaltes. Der
genaue Ablauf für die Beantragung ist sehr detailliert auf der Homepage von Cox and Kings
erklärt und auch die Visaerstellung läuft in der Regel deutlich schneller ab, als von Cox and
Kings anfangs veranschlagt wird. Die Kosten für ein Studentenvisum betragen aktuell 103,78
Euro.
Ein komplett anderes Thema, aber ebenso wichtig ist die Geldbeschaffung in Indien. Auch
darüber sollte man sich vorher Gedanken machen, da von Deutschland aus keine Rupien
umgetauscht werden können (offiziell dürfen keine Rupien aus Indien ausgeführt werden). In
Indien mangelt es nirgendwo an Geldautomaten, selbst in den kleinsten Städten ist fast
immer einer zu finden. Allerdings funktionieren diese meist nicht mit einer in Deutschland
üblichen EC Karte, sondern nur mit einer VISA oder Mastercard. Ich empfehle VISA, da ich
beides dabei hatte und die VISA bei deutlich mehr Bankautomaten funktionierte als die
Mastercard. Für jede Abhebung entstehen allerdings Kosten in von Bank zu Bank
variierender Höhe. Manche wenige Banken erheben keinerlei Gebühren, weshalb es sich als
sinnvoll erweisen kann, für die Dauer des Indienaufenthaltes bei einer solchen Bank ein
Konto zu eröffnen. Zwingend notwendig ist eine Kreditkarte nicht, da es ebenso wie an
Bankautomaten auch nicht an Wechselstuben mangelt. Die Seriosität dieser ist jedoch
manchmal stark bedenklich und man sollte aufpassen nicht gleich in den ersten Tagen von
einer solch zwielichtigen Wechselstube über den Tisch gezogen zu werden. Ansonsten ist das
Wechseln von Geld in Indien aber absolut unproblematisch und man bekommt oft sehr gute
Konditionen. Einziger Nachteil ist, dass man eine große Menge an Bargeld mit sich führen
muss, weshalb ich die Lösung mit der Kreditkarte bevorzugt habe.
Informationen sind überall im Internet zu bekommen, wobei ich die Seiten des Auswärtigen
Amtes und die von Indienaktuell am sinnvollsten hielt:
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http://www.indienaktuell.de
http://www.auswaertiges-amt.de
Das Auswärtige Amt gibt gute Tipps in Sachen Impfungen und Gesundheitsvorsorge sowie
Reisen. Man sollte sich allerdings die meisten Gefahrenhinweise nicht ganz so arg zu Herzen
nehmen.
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Ebenso gute Informationen bekommt man über die Reiseführer Lonely Planet oder Stefan
Loose oder auch deren Homepages.
Universität:
Wie bereits erwähnt studiere ich in Deutschland Wirtschaftsingenieurwesen und wollte
deshalb sowohl technische, als auch wirtschaftliche Fächer in Indien belegen. Mit Absprache
meiner Studiengangleiterin fiel die Wahl dann auf Supply Chain Management, Process
Planning and Cost Estimating, Polymer Chemistry und Design of Machine Elements. Bis es zu
dieser Entscheidung kam verging allerdings fast ein dreiviertel Jahr. Die Anfrage für die
angebotenen Fächer der Universität in Indien erfolgte Anfang August. Die Antwort kam
Mitte Januar! Die Absprache mit einer Studiengangleiterin welche Fächer für eine
Anrechnung in Hof geeignet wären war binnen einer Woche abgeschlossen. Problem war
nur, dass ich kurz darauf erfuhr, dass zwei der vier ausgewählten Fächer zu dem Zeitpunkt, in
dem ich in Indien sein werde, nicht angeboten werden. Daraufhin musste ich mich in
Kooperation mit meiner Studiengangleiterin auf zwei neue Fächer festlegen. Die Antwort, ob
diese aber dann tatsächlich in Indien angeboten werden, kam erst eine Woche vor Abreise
und nur nach wiederholtem Nachfragen von Susanne Krause. Hier sehe ich in der
Organisation noch erhebliches Verbesserungspotential auf indischer Seite.
Am ersten Tag wurde mir mein Tutor vorgestellt, der mich während meines
Studienaufenthaltes unterstützen sollte. Er erklärte mir grundsätzlich den Studienablauf und
die voraussichtlichen Prüfungstermine. Weiterhin stellte er mir meinen jeweiligen Professor
vor und zeigte mir die Räume in denen meine Vorlesungen stattfinden sollten. Den
Stundenplan hatte ich bereits in Deutschland per Mail erhalten und er änderte sich auch nur
noch geringfügig.
Die meisten organisatorischen Angelegenheiten musste ich in Zukunft allerdings selbst
regeln, da mein Tutor für manche Dinge nicht zuständig war. Organisation ist in Indien etwas
anderes als in Deutschland und es läuft auch alles komplett anders ab, aber nach einer
kurzen Eingewöhnungsphase und mit einer gewissen Hartnäckigkeit bekommt man
eigentlich immer was man möchte. Sei es Studentenausweis, Bibliothekszugang oder auch
einen Ersatztermin für eine Prüfung, weil sich zwei Prüfungen zeitlich überschnitten.
Die wichtigste Information gab mir mein Tutor gleich am ersten Tag: „Frag deine
Kommilitonen“. Die indischen Studenten halfen mir wirklich immer gerne weiter und ich
bekam auf alle meiner Fragen meist schnell eine Antwort. Die Richtigkeit der Information
war aber immer nicht so ganz einfach zu klassifizieren, da ich aus drei Quellen oft drei
verschiedene Informationen bekam. Aber auch hier ist es so, dass man mit genügend
Ausdauer und Humor ziemlich schnell eine brauchbare Auskunft bekommt. Die indischen
Studenten akzeptierten mich schnell als ein vollständiges Mitglied in ihrer Klasse und so
gingen die Kontakte auch schnell über das studentische hinaus, aber dazu mehr in
„Eindrücke zum Leben in Indien“.
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Zuallererst muss man sagen, dass studieren in Indien und studieren in Deutschland nur
bedingt vergleichbar sind. Grundsätzlich teilt sich die indische Studienzeit, genauso wie die
Deutsche, in Praktika und reine Vorlesungen auf. Die praktischen Tätigkeiten werden in
Indien Labs genannt. Diese konnte ich aufgrund der Kürze meines Aufenthaltes nicht
belegen, daher kann ich zu deren Ablauf leider nichts schreiben, lediglich zur Ausstattung der
jeweiligen Labore. Diese ist wie alles in Indien stark variabel. So gibt es teilweise nagelneue
IT-Labore mit 30 neuen Macs und im Gegensatz dazu sehen manche Chemielabore aus wie
in Deutschland vor 50 Jahren, teilweise mit fragwürdigen Sicherheitsstandards für die
Chemikalien. Die klassischen Vorlesungssäle sind zwar sehr spartanisch, reichen aber für eine
Standardvorlesung vollkommen aus. Wird allerdings mal ein Beamer benötigt, kann sich der
Beginn der Vorlesung aufgrund von Beschaffungsproblemen schon einmal verzögern. Die
wirklichen großen Unterschiede finden sich im Ablauf der Vorlesungen und der Prüfungen.
Eine indische Vorlesung ist eher mit einem deutschen Unterricht der Mittelstufe
vergleichbar, einschließlich Hefteinträgen und gelegentlichem Nachfragen des Professors, ob
auch alle zugehört haben. Die Prüfungstermine sind in der Regel fix, aber werden dann
kurzfristig trotzdem oft noch geändert, weshalb die tatsächlichen Prüfungstermine nicht
ganz so leicht zu erfahren sind. Normalerweise gibt es in Indien ein Onlineportal der
Hochschule, über das man ganz leicht seine Prüfungstermine und auch seine Noten einsehen
kann. Einen Zugang zu diesem Portal zu bekommen dauert aber laut den indischen
Studenten bis zu einem Semester, weshalb ich mir keinerlei Hoffnungen machte dort jemals
registriert zu werden. Ein krasser Unterschied ist, dass eine Prüfung eigentlich eine bestimmt
Zeit dauert, in der Realität aber die Studenten eher ein Zeitfenster haben. Das heißt sollte
man nach Ablauf der Prüfungszeit noch nicht fertig sein, kann man oft noch 5-8 Minuten
weiterschreiben, je nach Großzügigkeit der zuständigen Aufsichtsperson.
Ein großer Vorteil bei mir war die Freundlichkeit der Professoren. Diese gaben mir sogar ihre
Handynummer, so dass ich sie 24h erreichen konnte. Sobald ich Fragen zu Themengebieten
der Vorlesungen oder allgemeinen Abläufen des Semesters hatte wurde mir wirklich schnell
geholfen.
Unterkunft:
Die Suche der Unterkunft war für mich nicht notwendig, da meine Universität ein
Studentenwohnheim besaß in dem es möglich war für die Dauer meines Aufenthaltes zu
wohnen. Aus Gesprächen mit anderen Deutschen, die in Indien wohnen, ging jedoch hervor,
dass sich eine Wohnungssuche als Ausländer in Indien als schwierig herausstellen kann, da
viele Vermieter ihre Wohnung nur an Langzeitmieter vergeben und für Ausländer deutlich
überhöhte Preise verlangen. Dementsprechend ist es sinnvoll die Wohnungssuche von
einem Inder durchführen zu lassen.
Über die genauen Kosten einer Wohnung in Indien bin ich nicht informiert, mein
dreimonatiger Aufenthalt im Studentenwohnheim kostete mich inklusive Frühstück, Mittagund Abendessen 1218 Euro für drei Monate Aufenthalt, was für indische Verhältnisse für
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diesen Standard sehr viel ist. Dieser Lebensstandard ist in Indien für ca. die Hälfte des Geldes
möglich. Ich war in einem separaten Gebäude, dem Guesthouse, direkt neben dem
Wohnheim der anderen Studenten untergebracht. Das Zimmer war zwar spartanisch
eingerichtet, aber ausreichend groß und auch sauber (es gab einen Putzdienst den man
beauftragen konnte, wenn man es für sinnvoll hielt). In der gleichen Zimmergröße wohnen
die indischen Studenten meist zu dritt (dafür kostet das Zimmer auch entsprechend wenig).
In meinem Zimmer befanden sich zwei Betten, ein eingemauerter Schreibtisch und ein Bad
mit europäischer Dusche (für Indien nicht selbstverständlich) und auch ein europäisches Klo
(indisches Klo bedeutet einfach ein Loch im Boden). Die Küche in dem Gästewohnheim war
ausschließlich südindisch, es gab allerdings die Möglichkeit mit den nordindischen Studenten
in deren Mensa zu gehen, was aber gut einen Euro pro Tag kostete.
Stadt:
Die Stadt meines Studienaufenthaltes war Coimbatore. Eine Industrie- und Universitätsstadt
mit vielen internationalen Firmen und neun Universitäten oder Colleges. Die Stadt wird vom
Lonely Planet als freundlich, aber langweilig beschrieben und gilt in weiten Kreisen als
Manchester Südindiens. Sie hat im Moment ca. 1,5 Mio. Einwohner und liegt in Tamil Nadu,
dem südlichsten Bundesstaat Indiens. Coimbatore ist eine sehr reiche Stadt, da sich nicht nur
aufgrund der vielen Firmen, sondern auch wegen des angenehmen Klimas viele gut
gebildete und vermögensstärkere Inder hier niedergelassen haben. Die Millionärsdichte
Coimbatores ist hoch und die Stadt ist im Vergleich zu anderen indischen Städten sehr
sauber und auch nicht wirklich chaotisch. Zwar gibt es auch hier keine U- oder S-Bahn, was in
einer deutschen Stadt bei der Einwohnerzahl unvorstellbar wäre, allerdings ist das
Straßennetz sehr gut ausgebaut und Coimbatore hat auch Anschluss zu Zügen nach ganz
Indien. Ebenso besitzt Coimbatore einen Flughafen, von dem man zu nahezu allen Zielen in
Indien gelangen kann.
Zurück zum Klima. In Coimbatore wird es aufgrund der Höhenlage (über 700 Meter über
N.N.) selbst in den Sommermonaten nicht ganz so heiß wie in vielen anderen Städten des
Subkontinents. Weiterhin liegt es im Schatten der bis zu 2600 Meter hohen Nilgiri-Hills, was
den größten Teil des Monsuns von Coimbatore fernhält. Somit ist es im Sommer nicht zu
warm und die Monsunregenzeit verkürzt sich auf meist nur 2 Monate (September und
Oktober). Bei meinem Aufenthalt regnete es sogar nur im Oktober.
Sehenswürdigkeiten gibt es in Coimbatore selbst nicht wirklich, allerdings liegen mit der
berühmten englischen Hillstation Ooty, Seidenzentrum und Maharadscha Stadt Mysore und
den Stränden und Backwater Keralas viele Sehenswürdigkeiten nur eine halbtägige Reise
entfernt.
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Eindrücke zum Leben in Indien:
Bereits am ersten Tag meines Aufenthaltes, als ich eigentlich nur einmal den Campus
erkunden wollte, wurde ich bereits von sehr vielen Indern angesprochen und gefragt was ich
hier mache und vieles, vieles mehr. Innerhalb weniger Tage war mein Handyadressbuch
gefüllt mit Nummern von indischen Studenten, mit denen ich selbstverständlich, wie in
Deutschland auch, mehr oder weniger viel unternahm. Anschluss zu finden ist in Indien als
Deutscher sozusagen nicht nur leicht, es ist unmöglich keinen zu finden. Die
Lebensgewohnheiten der indischen Studenten unterscheiden sich definitiv zu denen
deutscher Studenten, was teilweise auch an den strengen Regeln des Wohnheims liegen
mag. So müssen beispielsweise die Jungs jeden Tag (bis auf Samstag) um spätestens 21:30
zurück im Campus sein. Die Mädels gar um 19:30 Uhr. Sehr verantwortungslos fand ich, dass
Mädchen im Studentenwohnheim nach 21:00 Uhr in ihre Zimmer gesperrt wurden, die
zudem noch durch Gitterstäbe an den Fenstern geschützt sind, welche ein Entkommen zum
Beispiel bei Feuer, gänzlich verhindern würden.
Das Alltagsleben in Indien ist vom zeitlichen Ablauf auch sehr unterschiedlich im Vergleich zu
Deutschland. Man steht zwar sehr früh auf, das Geschäftsleben beginnt allerdings meist
nicht vor 9:30 Uhr. Dafür haben die Läden meist länger geöffnet, wohingegen nach
Ladenschluss sofort das gesellschaftliche Leben auf offener Straße zum Erliegen kommt.
Nach 22:30 Uhr sieht man kaum noch jemanden. Hier ist das Abendessen der letzte Akt des
Tages. Für junge Menschen aus Europa ungewohnt öffnen Bars und Clubs bereits am späten
Nachmittag und schließen schon zwischen 22:00 und 23:00 Uhr wieder.
Die indischen Studenten sind leidenschaftliche Kinogänger und da die Eintrittspreise sehr
günstig sind, ist das ein recht netter Zeitvertreib. Das einzige was das Vergnügen etwas
dämpfen kann ist, dass viele Kinos oft nur Bollywood oder Kollywood (Tamilische
Filmindustrie mit Sitz in Chennai) Filme zeigen, dementsprechend sind diese auf Hindi oder
Tamil und der europäische Zuschauer versteht somit kein Wort.
Ebenso leidenschaftlich gehen die Inder Essen, denn auch das ist hier sehr günstig und das
Angebot ist wirklich atemberaubend. Ich hätte meine 5 Monate Aufenthalt auch nur mit
Essen zubringen können. Indisches Essen unterscheidet sich von Region zu Region.
Südindisches Essen ist meist vegetarisch und beinhaltet in irgendeiner Form Reis. Die Schärfe
ist meiner Meinung nach auch für europäische Gaumen gut aushaltbar, allerdings sind
manche Gewürze sehr ungewohnt. Man gewöhnt sich aber sehr schnell daran. Frühstück
besteht meist aus Dosa (sehen aus wie riesige Pfannkuchen, sind aber aus Linsen) und Idli
(gedämpfte Klößchen aus Reismehl). Dazu gibt es einen Linseneintopf und ein Chutney
(Gemisch aus Gemüse und verschiedene Gewürze, meist kalt serviert). Die einzig wirkliche
Umgewöhnung ist, dass man zum Frühstück bereits warm und gewürzt ist. Mittag und
Abendessen sind in Südindien sehr ähnlich. Sie bestehen meist aus viel Reis mit verschieden
Vegetarischen Eintöpfen und nur ganz selten Fleisch. An den Küsten Südindiens isst man
auch Fisch, was sich aber meist nur die reichere Bevölkerungsschicht leisten kann. Alles in
allem ist Südindien wohl das Paradies für Vegetarier.
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Das Haupthobby sowohl männlicher, als auch weiblicher indischer Teenager ist shoppen.
Jeden Samstag fuhren die Studenten in einer der beiden großen Malls in Coimbatore, um
nach Herzenslust einkaufen zu gehen. Die Studenten kamen meist aus einem etwas
wohlhabenden Teil der Bevölkerung, aber selbst bei Indern aus niedrigeren
Einkommensklassen (diese gehen dann natürlich nicht in die riesigen Malls mit allen
internationalen Marken, sondern an kleine Verkaufsstände) ist das liebste Hobby shoppen.
Fazit:
Zufriedenheit ist immer davon abhängig, zu welchem Zeitpunkt man danach gefragt wird.
Wenn ich zum Beispiel das dritte Mal hintereinander keine vernünftige Antwort darauf
bekommen habe, wann ich meinen Bibliotheksausweis bekomme, würde ich mein Studium
in Indien als nicht zufriedenstellend bezeichnen.
Jetzt, wieder in Deutschland angekommen, muss man aber ganz klar sagen, dass es
anstrengend, manchmal sogar nervenaufreibend, schwierig und langweilig war. Aber
andererseits auch wieder super interessant, lustig, leicht und entspannend. Klar ist für einen
Europäer der Ablauf eines Studiums in Indien erst auf den zweiten oder vielleicht sogar erst
den fünften Blick ersichtlich, aber sowohl die indischen Professoren, als auch die Studenten
versuchen alles, um einen diesen Blick irgendwie zu ermöglichen. Dies führt teilweise zwar
genau zum Gegenteil, aber all das macht ein Semester in Indien aus.
Diese Erfahrung mit einer völlig anderen Kultur zu kommunizieren und zu interagieren kann
ich nur jedem ans Herz legen und ich denke ich habe gelernt, dass die Welt nicht nur Europa
und die USA sind, sondern dass man seinen Blick bald gen Osten wenden muss. Und wenn es
so weit ist, bin ich gut gerüstet dafür.
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