in 10 Tagen rund um die iberische Halbinsel
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in 10 Tagen rund um die iberische Halbinsel
MopedMoped-Tour Ausgabe Nr. 8 Mai 1997 Tour d’Europe Einmal rund um die Iberische Halbinsel 1. Tag: Freitag, 16.Mai 1997 Kiedrich - Bordeaux Nach 2 Wochen Wanderurlaub auf Teneriffa sind wir vorgestern zurückgekehrt. Seit gestern bin ich Stohwitwer: mein Mautzelchen ist zur Kur nach Ungarn geflogen. Und heute geht es noch einmal Richtung Süden. Das Moped ist vorne und hinten neu besohlt. Meister Udo hat es inspiziert und fernreisetauglich gemacht und ich habe es gestern noch einmal auf Hochglanz gebracht. Ich habe geplant, durch Frankreich bis in die Pyrenäen zu fahren und dann die weitere Route vom Wetter abhängig zu machen. Morgens um 7 Uhr packe ich die Tasche in den Seitenkoffer, jede Menge Karten und den „Spanien“ Motorrad-Reiseführer von Josef Seitz ins Topcase und starte bei frischen 12°C in Richtung Süden. Für alle Fälle habe ich auch die dicke Unterwäsche dabei, man kann ja nie wissen, wie das Wetter im Hochgebirge Ende Mai aussieht. Heute morgen ist die Autobahn über Kaiserslautern nach Saarbrücken auch recht leer, allerdings ist das schön geputzte Moped bald schon zum ersten Mal naß. Kurz hinter Saarbrücken erwischt mich ein kurzer Schauer und ich muß die Regenkombi anziehen. Auf dem weiteren Weg bis Paris regnet es noch einige Male und ich behalte vorsichtshalber die Regenhaut erst einmal an. Weit vor Paris gibt es schon eine Umgehung Richtung Bordeaux, die ich zunächst verpasse, weil ich das Schild zu spät sehe. Nach einer Wende an der nächsten Ausfahrt bin ich dann aber doch wieder auf dem richtigen Weg um den berüchtigten „Periferique“ zu umgehen. Hinter Paris lockert die Bewölkung zusehends auf und bald kann ich die Regenklamotten und auch die Gore-Tex Innenjacke im Seitenkoffer verstauen. In bester Laune und bei 25°C bringt mich aber die Entfernungstafel dann doch aus der Ruhe. Da steht: Bordeaux 535 km - schluck... Ich hatte eigentlich vor, in einem Motel in Bayonne ein Zimmer vorzubestellen. Aber zunächst einmal muß ich eine französische Telefonkarte kaufen, weil das mit der Zugangsnummer der T-Card aus irgendeinem Grund nicht funktioniert und ich immer nur eine französische Ansage und dann einen lauten Piepton höre. Als ich eine französische Karte habe (die es zum Glück an der Tankstelle gibt), meldet sich unter der Reservierungsnummer der Hotelkette nur eine automatische Ansage und als ich dann endlich nach mehr als 20 Versuchen direkt in dem Hotel jemanden erreiche, bekomme ich nur noch die Auskunft, daß es bereits ausgebucht ist. Na gut. Hotels gibt’s hier genug, und obwohl das Pfingstwochenende bevorsteht wird auch noch ein Zimmer zu bekommen sein. Was mir mehr Sorgen macht, sind die 535 km. Denn von Bordeaux bis Bayonne kommen noch einmal 200 km dazu - und es ist jetzt bereits nach 14 Uhr... Ich esse in der Nachbarschaft einer holländischen Familie auf dem nächsten Rastplatz ein Magnum und beschließe, einfach weiterzufahren und mir dann bei Einbruch der Dunkelheit ein Zimmer zu suchen. Denn glücklicherweise habe ich keine Termine und es gibt auch keinen Grund unbedingt bis nach Bayonne zu fahren. Kurz vor 21 Uhr erreiche ich Bordeaux und stehe in einem Stau, als es heftig zu regnen beginnt. Die Fahrspuren sind so eng, daß man sich auch nicht vorbeimogeln kann. Außerdem wäre mir das bei dem regennassen und seitlich beschlagenen Visier auch zu gefährlich. Die Leuchtreklame des „Comfort Inn“ kommt mir da gerade recht und 160 In dieser Ausgabe 1 Tour d’Europe 2 Franc für das Zimmer sind auch ok. Die Hausdame mustert mich erst einmal von oben bis unten, gibt mir aber mit einem freundlichen Lächeln einen Zimmerschlüssel. Scheinbar kommt Ihr ungewöhnlich vor, das ich ausgerechnet hier nach einem Zimmer frage, denn in unmittelbarer Nähe gibt es noch zwei Super-Economy Hotels für 120 Franc. Allerdings haben die keine Dusche direkt im Zimmer und das ist es mir doch wert, 40 Franc mehr zu zahlen. Durch einen Anruf bei Helmut in Wiesbaden erfahre ich, daß sich die T-Card Zugangsnummer für Frankreich geändert hat (jetzt: 0-800-99-0049) und ich kann von nun an auf die heimatliche Telefonrechnung telefonieren. Das Hotelrestaurant sieht nicht besonders einladend aus. Es ist eher von der Art, die „Frischwaren“ aus der Kühltruhe zaubert. Darauf kann ich heute abend verzichten und nach der langen Etappe (fast 1300 km) bin ich auch ziemlich müde und liege um 22 Uhr im Bett. 2. Tag: Samstag, 17.Mai Bordeaux - Fuente De (Picos de Europa) Mein Nachtquartier morgens bei Zeiten zu verlassen, stellt sich als nahezu unlösbare Aufgabe heraus. Restaurant und Rezeption sind um 7 Uhr noch verschlossen und ich muß bis um 8 Uhr warten, ehe ein verschlafener Hotelangestellter auftaucht, um das Frühstückbuffet vorzubereiten. Ich zahle schnell meine Rechnung und starte ohne Frühstück. Heute ist Samstag und die Stadtautobahn von Bordeaux, auf der ich gestern abend noch im Regen gestanden habe, ist heute morgen gähnend leer. Die Strecke Richtung Bayonne, die ich nur als Landstraße kenne, ist nun 4-spurig ausgebaut. Ich verlasse Sie in Souston und erreiche 2 Stunden nach dem Aufbruch in Bordeaux Vieux Boucau an der Atlantikküste, unser Urlaubsziel von 1976. Ich erkenne den Ort nach mehr als 20 Jahren natürlich nicht mehr wieder. Nach einigen Runden durch den Ort finde ich schließlich das Restaurant, in dem es damals köstliche gegrillte Dorade gab. Heute bieten die Lokale in der unmittelbaren Nachbarschaft auf handgemalten Tafeln in bunten Lettern Döner Kebap und Pizza an. Ich mache noch einen kleinen Spaziergang über die Dünen und telefoniere vom Strandparkplatz aus mit Gabi, die sich als Kommunkationsdrehscheibe für Ungarn- und Spanienreisende zur Verfügung gestellt hat. Dann verlasse ich Vieux Boucau mit der Gewissheit, hier nicht mehr nach alten Erinnerungen suchen zu müssen. In Capreton kaufe ich im Leclerc ein Baguette, eine Paprikasalami, Schinken, Tomaten und Äpfel. Der Moped-Tour Supermarkt ist jetzt am Samstagvormittag natürlich übervoll und ich muß einige Zeit an der Kasse anstehen bis ich meine Beute (Baguette leider nur 2-geteilt) im Topcase verstauen kann. Dann geht es weiter Richtung Süden. Ich erreiche bald auf der Autobahn Richtung San Sebastian die spanische Grenze, an der es wie schon zuvor an der deutsch/französischen Grenze weder Zoll noch andere Kontrollen gibt. Leider verdunkelt sich aber der Himmel zusehends. Und als ich mich gerade wieder in die Regenkombi gezwängt habe, schüttet es auch schon kräftig. An ein Picknick ist bei diesem Wetter überhaupt nicht zu denken und so bleiben meine Köstlichkeiten zunächst einmal ins Topcase gesperrt. Ich durchquere auf der Autobahn im strömenden Regen das Baskenland, vorbei an San Sebastian und der häßlichen Industriestadt Bilbao. Die Pyrenäen, die hier den Atlantik erreichen, kann ich nur links im Dunst und durch einen Regenschleier erkennen und bald wird die Landschaft wieder flacher. Kurz vor Santander klart es dann zum Glück doch noch auf. Die Autobahn ist funkelnagelneu und als ich an einem sehr schön angelegten Picknickplatz halte scheint die Sonne aus allen Knopflöchern. Ein junges Ehepaar beäugt mich interessiert, als ich die Regenkombi über das Topcase zum Trocken ausbreite. Ich winke Ihnen zu und erhalte als Antwort ein freundliches „Olá!“ Richtig, das war’s. Hatte ich eben auf der Autobahn an der Zahlstelle noch überlegt, daß es doch außer „Buenos Dias“ noch einen kurzen Gruß gab, das war er. Ich schneide ein viel zu großes Stück vom Baguette ab und belege es reichlich mit Schinken. Diesmal habe ich das Taschenmesser glücklicherweise nicht vergessen. Irgendwann kommt ein alter Opel Kadett mit röhrendem Auspuff auf den Parkplatz gerollt. Eine ganze Gruppe junger Männer steigt aus und beugt sich über die geöffnete Motorhaube. Als sie mich bemerken, kommt einer auf mich zu und spricht mich auf spanisch an. Ich verstehe natürlich kein Wort und frage Ihn auf deutsch, französisch und englisch ob er Hilfe oder Werkzeug braucht. Er macht aber nur irgendwelche unverständlichen Gesten, winkt dann ab und geht auf ein anderes, weiter entfernt geparktes Auto zu. Ich mampfe weiter an meinem Baguette, als die ganze Horde meinen Picknicktisch umringt und durcheinander in französisch, spanisch und englisch auf mich einredet. Ein kleiner Dicker sagt schließlich „spark plug“ und deutet auf das Moped. Ich gehe mit vollen Backen kauend und sechs Spaniern im Gefolge zum Moped und sie versuchen verzweifelt eine Zündkerze zu entdecken. Ich krame aus dem Fach hinter der Sitzbank das Werkzeug hervor. Sie sind sofort begeistert und deuten auf den Moped-Tour Kerzenschlüssel mit dem sie dann auch in Richtung ihres Autos verschwinden. Allerdings kommt der kleine Dicke auch genauso schnell wieder enttäuscht zurück und bedankt sich mit zuckenden Schultern und „mucho grande....“ - zu groß. Ich packe den Rest meiner Picknicksachen wieder ein - die Paprikasalami hat sich als recht weich und knoblauchreich aber äußerst schmackhaft erwiesen. Die fünf potentiellen Automechaniker stecken immer noch die Köpfe in den Motorraum des Kadett und winken mir hinterher als ich kurz hupe - dann bin ich wieder auf der Autobahn. Im Reiseführer ist als nächstes lohnendes Ziel Santillana del mar - das Rotenburg ob der Tauber von Spanien - erwähnt. Ich hatte von Bordeaux aus versucht in einem Hotel dort, das als besonders motorradfreundlich empfohlen wurde, ein Zimmer zu reservieren. Aber auch hier hatte ich Pech. Heute am Samstag war leider nichts mehr frei. Als ich Santillana am frühen Nachmittag in schönstem Sonnenschein erreiche und in Richtung Ortszentrum abbiege, werde ich sofort von einem Uniformierten auf einen der kostenpflichtigen Touristenparkplätze dirigiert. Ich drehe eine Runde auf dem Parkplatz und habe keine Lust zwischen mehreren Busgesellschaften in einer Horde durch den Ort geschoben zu werden. Außerdem kann man im Weiterfahren von oben noch einmal sehr schön in die Gäßchen hineinschauen und bekommt auch so einen Eindruck vom dem als Vorzeigeobjekt besonders herausgeputzen historischen Ort. Das oben erwähnte Hotel liegt direkt an der Straße und macht von außen einen sehr guten Eindruck - leider ist dort heute kein Bett frei, schade. Ich studiere den Reiseführer noch einmal und finde eine interessante Adresse direkt unterhalb der Picos de Europa in Fuente De. Das sind von hier aus noch ungefähr 130 km. Ich biege also in Unquera an der Costa Verde, die ihren Namen übrigens völlig zu recht trägt, von der gut ausgebauten Küstenstraße nach links in die Berge ab. Die Felswände rechts und links der Staße werden immer höher und nach kurzer Zeit hat man den Eindruck sich in einer geschrumpften Ausgabe der Alpen zu bewegen. Bald erreiche ich auch den Abzweig nach Fuente De, das am Ende einer 25 km langen Sackgasse direkt am Fuß der Picos de Europa liegt. Da ich die gleiche Strecke morgen früh in umgekehrter Richtung zurück muß, habe ich schon Sorge, die Sackgasse könnte ein kleines Holpersträßchen sein - aber weit gefehlt. Die herrlich ausgebaute Zufahrt zur Talstation der Seilbahn in Fuente De bietet Fahrspaß pur: breit ausgebaut, kein Stäubchen auf der Fahrbahn, übersichtliche Kurven, und auf der ganzen Strecke kommen mir nur 2 Autos entgegen. In 3 Hochstimmung ob der schönen Strecke zum Tagesabschluß, die die vielen Stunden im Regen schnell vergessen läßt, komme ich am Hotel Rebeco in Fuente De an. Das Hotel liegt direkt unterhalb der Talstation der Seilbahn, die in kühnem Schwung ohne einen einzigen Pfeiler das Tal mit dem Grat kurz unterhalb des höchsten Gipfels der Picos de Europa verbindet. Rechts, etwas zurückgesetzt von der Straße, liegt hinter einem großen Parkplatz ein Parador (Paradores sind staatlich geführte Hotels mit gehobenem Standard, meist etwas teurer). Links oberhalb der Straße liegt das Hotel Rebeco vor dem ich das Moped parke um nach einem Zimmer zu fragen. Die junge Dame an der Rezeption spricht ausgezeichnet Englisch und gibt mir ein sehr schönes Zimmer mit Blick auf die Berge. Das Bad ist mit Terracotta und weißen Kacheln gefließt und die riesigen Handtücher sind so strahlend weiß, daß ich fast Hemmungen habe, sie zu benutzen. Vor dem Essen trinke ich noch ein Bier und komme mit 2 Ehepaaren aus Plymouth ins Gespräch, die hier 3 Tage mit Wandern verbringen wollen. Zum Abendessen gibt es eine leckere Fischsuppe und Filetsteak mit Roquefortsauce und einem Berg Pommes, als Dessert eine Zitronencreme. Auf Kosten des Hauses folgt ein Likör, der dem Weinlikör unseres Winzers Martin sehr ähnelt, aber - wahrscheinlich wegen des Alkohols -etwas schärfer schmeckt. Mit Ausnahme der Briten sind nur noch zwei andere Tische besetzt und wir kommen uns alle in dem großen Speisesaal etwas verloren vor. Da ich morgen auch gerne in aller Frühe aufbrechen möchte, versuche ich schon jetzt für das Zimmer zu zahlen, was sich als schwierig herausstellt. Die Telefonverbindung des Kartenlesegerätes ist nämlich seit einem Gewitter in der letzten Woche unterbrochen und die ganze Familie sucht erst einmal verzweifelt nach dem Ritsch-Ratsch-Gerät und den Belegen aus grauer Vorzeit, als es noch keine Online-Abbuchung gab. Schließlich werden die Utensilien in einer großen Holztruhe in der Rezeption gefunden und nach mehreren Versuchen exisiert dann auch ein leserlicher Abzug von meiner VISA-Karte. Da sich die Chefin aber nicht ganz sicher ist, ob sie auch die richtigen Formulare benutzt hat schreibe ich ihr für alle Fälle noch Adresse und Telefonnummer in Deutschland und die Nummer meines Reisepasses auf. Sie entschuldigt sich tausendmal für die Unannehmlichkeiten und wünscht mir dann eine gute Nacht. 3. Tag: Sonntag, 18.Mai Fuente De - Esposende (Portugal) Als ich morgens um 6 Uhr wach werde herrscht draußen absolute Stille. Während der Nacht hatte es einige heftige Böen gegeben und ich mußte die 4 klappernde Zimmertür mit einem zusammengefalteten Hausprospekt zuklemmen. Der Wind war so stark, daß ich fast aufgestanden wäre, um das Moped hinter das Haus in eine windgeschützte Ecke zu bringen. Aber jetzt herrscht bis auf ein paar zwitschernde Vögel wirklich absolute Ruhe. Es ist herrlich. Als ich durch das dunkle Haus nach unten schleiche fällt mir der große Hund ein, der hier gestern so gemütlich gelegen hat. Ich hoffe nur, daß ich nicht auf etwas Weiches trete, das mich für einen Einbrecher hält, und erreiche tatsächlich mit Helm und Taschen bepackt die Haustür, in der extra für mich heute morgen der Schlüssel von innen steckt. Während ich die Superstrecke von gestern abend in umgekehrter Richtung zurückfahre geht über dem Grat die Sonne auf und taucht die gegenüberliegenden Felswände in gelblich-rotes Morgenlicht. Vielleicht ist dieser Ort im Hochsommer nicht ganz so idyllisch wie an einem frühen Sonntagmorgen Mitte Mai, aber im Augenblick bin ich von diesem herrlichen Fleckchen Erde ganz und gar begeistert. Die N621 zurück an die Küste über den Puerto de San Glorio ist in der Karte grün markiert, aber eine mit Schlaglöchern übersäte Holperstrecke auf der ich kräftig durchgeschüttelt werde und häufiger in den Rückspiegel schaue, ob ich nicht irgendein Teil vom Moped verloren habe. Kurz hinter der Paßhöhe in 1681 Metern Höhe muß ich die Regenkombi wieder auspacken und als ich im nächsten Ort vor zwei auf der Straße liegenden Hunden eine Vollbremsung machen muß, bin ich dann wirklich wach. Den Gedanken daran, daß der eine Hund, der neben mir herläuft und mich kräftig anbellt, vielleicht auch Spaß daran hätte in ein Mopedfahrerbein zu beißen, verdränge ich schnell wieder - ganz abgesehen davon, daß ein wegen eines Hundes gestürzter Mopedfahrer morgens um sieben am Ende der Welt die unsanft geweckten Dorfbewohner auch nicht zu Begeisterungsstürmen hingerissen hätte. Wie dem auch sei, ich finde in Riaño, daß an einem großen, in meiner Karte nicht eingezeichneten Stausee liegt, eine jetzt am Sonntagmorgen geöffnete Tankstelle. Die Unterhaltung mit dem kauzigen Tankwart fällt dann aber sehr kurz aus, denn er hat sein Kassenhäuschen mit einer Zigarre vollkommen eingeräuchert und beim Unterschreiben des VISA-Beleges (in der tropfenden Regenkombi) bin ich dem Erstickungstod nahe. Die weitere Strecke wird in der Nähe der Küste dann doch noch sehr reizvoll, weil sie durch dichten grünen Laubwald und enge Schluchten abwärts führt. Bald habe ich die Hauptstraße nach Oviedo wieder erreicht und das Reisetempo wird wieder etwas höher als die zuvor häufig nötige Schrittgeschwindigkeit. Moped-Tour Vor Oviedo gerate ich auf die falsche Autobahn in Richtung Gijon und muß einen kleinen Umweg fahren. Ab und zu läßt sich auch die Sonne blicken, aber die Regenkombi behalte ich doch lieber an. Der Spaß an den gelegentlichen Aufheiterungen vergeht mir dann aber, als sich hinter Oviedo von Westen her der Himmel verdunkelt und es bald wie aus Eimern zu gießen beginnt. Ich hatte am Vorabend im Wetterbericht von Westen eine Tiefdruckfront herankommen sehen und gehofft, daß werde schon nicht so schlimm werden. Aber da hatte ich mich gründlich geirrt. Der starke Wind zerrt heftig an der Verkleidung, es ist unmöglich, schneller als 60 km/h zu fahren und die Schräglage bei Geradeausfahrt ist abenteuerlich. Auf der Straße steht das Wasser zentimeterhoch und spritzt vom Vorderrad rechts und links wie die Bugwelle eines Schnellbootes in die Höhe. Bis auf ein paar Tropfen Wasser, die sich in den Kragen verirren, bleibe ich gottseidank trocken, aber diese nicht aufhören-wollende Sintflut und der starke Wind nerven doch gewaltig. Nach mehr als 3 Stunden im strömenden Regen, inzwischen habe ich bei La Coruña eine neu gebaute Autobahn erreicht und bewege mich nicht mehr nach Westen sondern nach Süden, hellt es im Westen auf. Ein paar Minuten später strahlt auch die Sonne wieder durch die Wolken. Und als ich auf einem total leeren Rastplatz ziemlich demoralisiert anhalte um mit hängendem Kopf eine Tomate und etwas von der französischen Paprikasalami zu essen, trällern zur Aufmunterung auch die Vögel schon wieder. Den Plan, die nordwestlichste Ecke von Spanien, das Cabo Finisterre zu erreichen, gebe ich auf, und fahre weiter nach Süden. Da diese Ecke von Spanien leider in meinem Reiseführer nicht behandelt ist, gibt’s auch keine Hoteltips in der Nähe. Bleibt also nur übrig, bei Einbruch der Dunkelheit nach einem Quartier Ausschau zu halten. Über Satiago de Campostela und Pontevedra fahre ich weiter bis Vigo. Leider scheint Portugal bei spanischen Verkehrsplanern nicht zu existieren, jedenfalls gerate ich zunächst einmal in Vigo direkt in die Stadt und an der ersten Ampel steht neben mir ein abgerissener Typ und hält mir eine Plastiktüte mit stangenweise Zigaretten hin. Ich schüttle heftig den Helm und nach einem U-turn bin ich zurück auf der Autobahn. An der Zahlstelle der nächsten Ausfahrt frage ich nach dem Weg und werde auch richtig geleitet. Eine halbe Stunde später steht neben der Autobahn ein blaues Europaschild mit einem großen „P“ in der Mitte des Sternenkreises, dann bin ich in Portugal - ohne Paßkontrolle und ohne Zoll - aber mit drohenden dunklen Wolken. Die Regenkombi war nicht lange im Koffer verstaut, als sie wieder zum Einsatz kommt. Es beginnt von Neuem in Strömen zu regnen. Die Autobahn Richtung Porto geht sehr bald in eine Moped-Tour stark befahrene überflutete Landstraße über und bei einem Tankstopp frage ich den Tankwart, ob es in der Nähe ein brauchbares Hotel gibt. Seine Augen blitzen kurz auf. Hatte er eben noch mit wenig Begeisterung die Pfütze beobachtet, die sich unter mir auf dem Fußboden in seinem Kassenraum bildete, so hellt sich jetzt seine Mine merklich auf und er drückt mir einen Hausprospekt vom Hotel Suave Mar in Esposende in den nassen Handschuh. Der Ort liegt 10 Kilometer weiter, direkt am Meer und 10 Minuten später stehe ich dort an der Rezeption. Das Hotel liegt unmittelbar an der Uferpromenade und zum Glück regnet es nicht so stark, daß ich vor dem Fragen nach einem Zimmer wenigstens die Regenklamotten ausziehen kann. Ich habe natürlich keine Ahnung über den Umrechnungskurs von portugiesischen Escudos, aber der junge Mann an der Rezeption rechnet in spanische Peseten um und ich bin beruhigt. Knapp 60 Märker für ein kleines aber sehr schönes Zimmer mit Blick aufs Meer. Eine Überraschung erlebe ich allerdings, als ich in die Hoteltiefgarage fahren will. Auf ein Klingeln öffnet sich das Tor der Garage und gibt den Blick auf eine abenteuerliche Einfahrt frei. Ich schätze, es sind ungefähr 40% Gefälle über zwei Etagen zu überwinden, um die Tiefgarage zu erreichen. Die Rampe über die ich mich jetzt hinuntertaste besteht aus schräg aufgerauhtem Beton und da nützt kein ABS der Welt etwas. Das Hinterrad rutscht seitlich weg und ich bekomme fast einen Herzkasper. Irgendwie erreiche ich dann doch die Katakomben und packe entnervt das Topcase und die Koffer aus. Zu überlegen, wie ich morgen wieder da hoch komme, dazu habe ich ja eine ganze Nacht Zeit... Die Dusche fällt wegen „laukalten“ Wassers heute abend sehr spärlich aus, aber für den Schreck mit der Garageneinfahrt entschädigt das Abendessen. Weniger von der Qualität der Gerichte (ich habe schon viel bessere nach Sägemehl schmeckende Fischstäbchen gegessen, die sich nicht als Seezunge ausgegeben haben), als von der Zusammenstellung des Publikums, das sich hier zum Dinner einfindet. Kurze Zeit habe ich den Eindruck, in Thomas Mann’s „Zauberberg“ versetzt worden zu sein: vom honorigen britischen Gentleman mit angetrauter Lady bis zum angewelkten belgischen Landadel (jedenfalls aus dem distinguierten Benehmen zu schließen) findet sich eine illustre Gesellschaft ein, deren jüngste Teilnehmer die siebzig Lebensjahre um wenigstens eine Dekade überschritten haben. Ich komme mir vor, als würde ich an meinem Tischchen in der Mitte des Speisesaales ständig von einem riesigen Scheinwerfer angestrahlt, denn in diesem erlauchten Kreis bin ich heute abend der absolute Exote, was sich in pausenloser versteckter Beobachtung aus allen Richtungen 5 ausdrückt. Ich amüsiere mich aber köstlich über die gekünstelten Tischmanieren einiger Gäste. Zum Abschluß des Abendessens sind verschiedene Obstsalate, Torten und Käse auf einem riesigen Servierwagen drapiert, der vom Oberkellner unter großem Teller- und Glasgerassel quer durch den Speisesaal direkt an den Tisch zur Auswahl gebracht wird. Die Gäste, die beim Dessert angelangt sind, tun mir sehr leid, da sie für die Zeit der Auswahl noch größere Aufmerksamkeit erfahren als dieser abenteuerlich aussehende deutsche Motorradfahrer. Und wehe, einer deutet mit dem Finger auf einen Käse, dessen Namen er nicht kennt, dann geht ein verachtendes Raunen durch die Reihen... Ok, etwas übertrieben, aber der Abend ist wirklich lustig. Ich umgehe den Nachtisch durch einen hastig bestellten Kaffee - bevor mich der Dessertwagen ereilt. Danach wandere ich noch einmal durch das Hotel, das einen großen Innenhof mit einem sehr schönen Pool und auch einen Fitneßraum hat und sehe mir den Strand noch kurz an. Auf der Uferpromenade ist nachts mit Ausnahme der unvermeidlichen auspufflosen Knattermopeds glücklicherweise kein Verkehr mehr, sodaß ich in meinem engen aber sehr heimelig eingerichteten Zimmerchen sehr gut schlafe. 4. Tag: Montag, 19.Mai Esposende (Portugal) - Conil (Antonio) Diesmal ist die Rezeption früh besetzt und ich zahle schon um ½ 8 meine Rechnung. Das Abendessen taucht auf der Rechnung nicht auf und ich nehme an, daß ich als Halbpensions-Gast gezählt wurde. Heute morgen sieht die Rampe gar nicht mehr so furchteinflößend aus. Nachdem ich den Türöffner betätigt und um Schwung zu holen noch eine Runde durch die fast leere Garage gedreht habe, gebe ich beherzt Gas und sause mit Todesverachtung und weit nach vorn über den Tank gebeugt die Rampe hinauf. Ich muß gestehen, daß mir einige größere Flußkiesel vom Herzen fallen, als ich oben in der frischen portugiesischen Morgenluft ankomme. Die Straße nach Porto verläuft häufig nahe an der Küste und bietet einige schöne Ausblicke auf’s Meer. Allerdings wird der Verkehr immer dichter und ich bin froh, als ich nach einer Stunde Stopand-Go hinter Porto die Autobahn Richtung Lissabon erreiche. Die wenigen Schauer bis Lissabon sind eigentlich schon nicht mehr erwähnenswert, aber an der ersten portugiesischen Autobahnzahlstelle gibt es dann eine unangenehme Überraschung. Ich bekomme die VISA-Card mit einem „no VISA“ 6 wieder in die Hand gedrückt und die Schranke vor dem Vorderrad bleibt unbarmherzig geschlossen. Mit Händen und Füßen mache ich dem trotzdem sehr freundlichen Herrn klar, daß ich außer der VISA nur Peseten, Franc und ein paar D-Mark habe. Worauf er auf das Gebäude am Autobahnrand deutet und Daumen und Zeigefinger der rechten Hand aneinander reibt. Das ist unmißverständlich. Die Schranke öffnet sich, ich stelle das Moped auf einer Sperrfläche direkt hinter dem Zahlhäuschen ab und beginne einen Hürdenlauf über 10 Autobahnspuren und ebensoviele Leitplanken. Als ich im Büro am Autobahnrand ankomme, hat der ebenfalls sehr freundliche Herr schon einen Zettel mit dem zu zahlenden Betrag und meinem Kennzeichen in der Hand. Im Hintergrund sehe ich auf einem Monitor mein Moped stehen - Flucht zwecklos... Ich grabe durch viele Schichten in den Tiefen meiner Zwiebelbekleidung nach dem Geld (wie immer: ganz unten in der Tasche der Lederhose) und zahle in Franc. Nach der Wiederholung des Hürdenlaufes in umgekehrter Richtung brumme ich weiter. An der nächsten Ausfahrt steuere ich dann erst einmal ein Hotel IBIS an und wechsle an der Rezeption einen 100DM-Schein in Escudos, um die nächsten Überraschungen zu vermeiden. Eine halbe Stunde später überquere ich auf der „Golden Gate“ den Tejo. Glücklicherweise ist die rechte Fahrspur der Brücke asphaltiert, denn den diagonalen Stahlgittern auf den mittleren Fahrspuren bleibe ich lieber fern. Der rechte Fahrbahnrand ist aber so nahe und auch nur mit einer knöchelhohen Spielzeugleitplanke gesichert, daß man in furchteinflößender Entfernung unter sich das Wasser des Flusses sehen kann. Ein bißchen mulmig wird es einem da schon. Am gegenüberliegenden Ende der Brücke steht auf einem Sockel eine riesige Christusstatue. Ich bin so fasziniert und damit beschäftigt, mich nicht von temperamentvollen Portugiesen über den Haufen fahren zu lassen, daß ich den Hinweis auf den Aussichtspunkt an der nächsten Ausfahrt zu spät sehe. Die übernächste Ausfahrt ist 40 Kilometer entfernt und 80 Kilometer wegen des Beweisfotos erspare ich mir, zumal im Reiseführer die Brücke bei schönstem Wetter abgebildet ist. Die Sonne läßt sich heute auch ab und zu durch die Wolken blicken und die Temperaturen steigen merklich an. Als ich ein paar Stunden später Albufeira an der Algarve erreiche ist es schon knallheiß. Den Ort hatte ich mir immer als verträumtes Fischernest vorgestellt - weit gefehlt. Der historische Ortskern mit den schmucken weißen Häusern und den kleinen Gäßchen existiert wohl, und ich kurve auch mitten durch die Touristenschwärme, aber die Kulisse bilden Hotelburgen der übelsten Sorte. Am Rand der Altstadt sehe ich dann auch noch einmal die Moped-Tour beiden mit dem „WW-“Kennzeichen auf dem Motorrad. Sie verschwinden aber gerade zu Fuß in einem Hoteleingang. Als ich anhalte, stehen im Nu einige kurzbehoste Bleichhäute mit weißen Kegelclubschlapphüten um mich herum und ich suche schnellstens das Weite. Albufeira abhaken! Bald überquere ich wieder die - auch hier fast zu übersehende - Grenze nach España und am frühen Abend taucht in der sonst eher flachen Gegend hinter einer Hügelkette Sevilla auf. Der Autobahnring um die Stadt ist in meiner Richtung hoffnungslos verstopft und ich beschließe, den Ring einfach in der anderen Richtung zu fahren. Dabei gerate ich aber wegen mehrerer Baustellen und Umleitungen irgendwann doch in die Stadt und vor einer Ampel ist die Fahrt zunächst einmal zu Ende. Die futuristisch aussehenden Gebäude, die zum Teil wahrscheinlich auch anläßlich der Weltausstellung entstanden sind, heben sich deutlich von den gelblich grauen Mauern der älteren Häuser ab. Ich träume vor der roten Ampel vor mich hin, als neben mir mit elegantem Schwung eine weiße R1100GS mit einem Typ im T-Shirt hält. „Hi! Where’re you from?“ - „Germany“ - „Today???“ - „No. Today I come from Lisboa.“ „Ah! And where do you go?“ - „Cadiz! But I missed the right way...“ - „Ok, follow me!“ Die Ampel ist noch nicht ganz grün, da schießt er schon zwischen den Autoreihen hindurch und ich beeile mich, um hinterherzukommen. Ich habe keine große Lust, mich stundenlang durch die Stadt zu quälen, denn hier im Norden gibt es nicht den leisesten Hinweis auf Cadiz und ich bin für den Wegbegleiter sehr dankbar. Allerdings vergesse ich für die nächste halbe Stunde besser, was ich in der Fahrschule gelernt habe. Im Zick-Zack zwischen den Autoschlangen hindurch - egal ob fahrend oder vor der Ampel stehend - ist noch die leichteste Übung. Mein Guide achtet aber sehr schön darauf, daß die Lücken auch breit genug für den Reisedampfer mit Koffern sind. Dann geht es verkehrt herum durch einen Kreisverkehr, denn anstatt nach rechts und dann an 4 Ausfahrten vorbei durch den Kreisel zufahren, kann man ja auch viel einfacher gleich links fahren - oder? Die abenteuerliche Stadtdurchquerung endet im Süden wieder am Autobahnring, wo sich mein spanischer Kamikaze mit einem Hupkonzert verabschiedet. Ich bedanke mich bei ihm mit erhobenen Daumen und einem Winken, dann zischt er mit schleifenden Fußrasten in eine Ausfahrt und ist verschwunden. Eigentlich hatte ich ja in Sevilla eine Übernachtungsmöglichkeit suchen wollen, aber hier am Stadtrand, in der „besten“ Wohngegend vergeht mir dann doch die Lust auf ein Nachtlager. Ganz abgesehen davon, daß ich auch nicht eine einzige Hotelreklame mehr sehe. Ich halte also noch einmal an einem Rastplatz, verstaue die Moped-Tour Sonnenbrille, da sich die Sonne gerade feuerrot am Horizont verabschiedet und hoffe dann beim Weiterfahren im 50 Kilometer entfernten Jerez de la Frontera ein Hotel zu finden. Die Autobahn führt aber im weiten Bogen um Jerez herum und so beschließe ich, die 30 Kilometer nach Cadiz auch noch zu fahren. Es ist schon dunkel, als ich in der Entfernung eine orange/gelbe Lichterkette sehe und das zunächst für die Uferpromenade von Cadiz halte. Beim Näherkommen entpuppt sich die Beleuchtung allerdings als eine lange Kette von Raffinerien, die jetzt auch schon deutlich zu riechen sind und ich spare mir eine nähere Inaugenscheinnahme. Die Autobahn endet hier und ich fahre auf der Landstraße weiter nach Süden. An der nächsten Tankstelle frage ich den Tankwart nach einer Unterkunft und erhalte die Information, daß 15 Kilometer weiter direkt an der Straße ein Hotel zu finden sei. Strategisch günstig versorge ich mich aus dem Automaten mit einer kalten Dose Cerveza, die zunächst noch einmal ins Topcase wandert und mache mich dann auf den Weg nach Conil. Als ich den Tageskilometerzähler nach dem Tanken wieder auf Null stelle sehe ich auch, warum meine Konzentration jetzt doch nachläßt. Noch 20 km weiter und die Länge der heutigen Etappe würde 4-stellig. So weit kommt es allerdings nicht, denn genau in der vom Tankwart angegebenen Entfernung taucht am linken Fahrbahnrand ein Hostal auf. Ich bin recht froh, den Tankwart gefragt zu haben, denn seit der Tankstelle war ich an zwei anderen Hostals vorbeigefahren, die nicht ganz so einladend aussahen, die ich aber ohne die Information wahrscheinlich doch wegen des fortgeschrittenen Abends in Kauf genommen hätte. Es ist ½ 11, als ich das Moped vor der hell erleuchteten Veranda von „Antonio“ parke und nach einem Zimmer frage. Es gibt Momente, in denen man erschöpft und müde nach einem langen Tag eigentlich nur noch schlafen möchte. Jetzt ist ein solcher Moment, und ich denke natürlich nicht im Traum daran, daß es jetzt noch etwas zu essen geben könnte. Aber als ich an der Theke der Mini-Rezeption stehe und der kleine quirlige Wirt, der sich eben noch mit Händen und Füßen mit seinen Gästen unterhalten hat, mich erwartungsvoll anblickt, weiß ich, daß ich hier genau richtig bin! Das Zimmer soll 3500 Peseten kosten. Ich frage nach einer Garage, woraufhin ich einen anderen Schlüssel bekomme und Antonio mir bedeutet, ihm zu folgen. Wir gehen durch einen mit Bougainvillea vollständig zugerankten Torbogen seitlich in den hinteren Teil des Anwesens und Antonio zeigt mir ein Zimmer mit einer separaten kleinen Veranda, vor der man ein Eisentörchen schließen kann. „Aqui el moto!“ - und 7 deutet auf die Miniveranda. Super! Genauso hatte ich es mir gedacht. Als ich frage, ob ich noch etwas zu essen bekommen kann, schaut er mich erstaunt an: „Si, si !“ Das Moped auf die Miniveranda zu bekommen erweist sich dann wegen des engen Rangierraumes als weniger einfach und nach 2 Versuchen gebe ich auf und parke vor dem Gartentörchen. 3 Minuten später sitze ich auf der Veranda des Restaurantes und bin kurz danach mit einem kühlen Cerveza und der Speisekarte versorgt. Das Hostal sieht aus wie ein typisch spanisches Landhaus. Der Gastraum ist noch gut gefüllt mit lautstark konversierenden Gästen zwischen denen Antonio und sein Kellner herumflitzen. Ich bestelle eine Suppe mit Meeresfrüchten und einen gedünsteten Merluza. In der Speisekarte gibt’s auch eine deutsche Sektion über die ich sehr froh bin. Denn bei mehr als 20 verschiedenen Fischgerichten wäre ich doch arg ins Schleudern geraten. Die Müdigkeit ist nach dem ersten großen Schluck kühle Cervisia und einigen Tapas verflogen und ich genieße die herrlich warme Abendluft. Selbst jetzt um 23 Uhr sind das sicher nicht viel weniger als 25°C. Die Suppe mit Muscheln, Fisch und anderem Seegetier kommt in einer gigantischen Terrine, aus der ich zwei riesige Schöpflöffel auf den Teller bekomme - sie schmeckt genauso köstlich wie der anschließende Fisch. Nach Mitternacht kann ich kaum noch „Piep“ sagen und werde vom Kellner, der vorher noch ein Beweisfoto macht, und vom Chef des Hauses mit einem freundlichen „Buenas noches“ verabschiedet. - Glück gehabt. Ich bin froh, nach einer so langen Etappe ein so schönes Quartier gefunden zu haben. - In meiner Hazienda errinnere ich mich dann noch an die Bierdose im Topcase, die für die nötige Bettschwere eigentlich nicht mehr erforderlich, aber bis morgen sicher lauwarm ist, und beschließe den Abend zufrieden auf meiner kleinen Veranda. 5. Tag: Dienstag, 20.Mai, Conil - Sierra Nevada Antonio erwartet mich um 8 Uhr bereits an der Rezeption. Ich zahle für Essen und Übernachtung 5000 Peseten und verlasse das sympathische Landgasthaus mit der Gewissheit, hier sicher noch einmal herzukommen. Auf den nächsten Kilometern in der kühlen Morgenluft und unter strahlend blauem Himmel bemerke ich eine eigenartige Wandlung. War ich in den vergangenen Tagen noch, von dem Gedanken besessen die iberische Halbinsel in 2 Wochen komplett zu umrunden, rastlos von Tankstopp zu Tankstopp gehetzt und hatte mir nur wenig Zeit für die Umgebung gelassen, so ist diese Rastlosigkeit 8 jetzt plötzlich verschwunden und macht dem herrlich entspannenden Gedanken an sonnigen Urlaub und großer Zufriedenheit Platz. Sicherlich auch in der Gewissheit, den südlichsten, und damit von zu Hause am weitesten entfernten Punkt in ein paar Stunden zu erreichen, habe ich es heute morgen gar nicht mehr eilig. Ich genieße einfach nur die andalusischen Hügel mit den endlosen Getreidefeldern, über die der Wind in sanften Wellen streicht und stelle mir dazu die Melodie des Gitarrensolos im Concierto de Aranjuez vor. Den Sinn oder Unsinn, in 4 Tagen über 3500 Kilometer an den südlichsten Zipfel Spaniens zu fahren, möchte ich auch nicht weiter begründen. Als Alibi kann ich ja irgendwann einmal sagen, daß man sich für spätere Reisen einen Überblick verschaffen muß. Der wahre Antrieb war aber wohl die Möglichkeit dazu, nur durch die Dauer des Tageslichtes begrenzt, einmal absolut nichts anderes zu tun als einfach nur Motorrad zu fahren. Und allein dieses Gefühl der Unabhängigkeit und das Bewußtsein, es ganz alleine bis hierher geschafft zu haben, ist jeden einzelnen der 3500 Kilometer wert. Der Gitarrenspieler in meinem Kopf hält kurz inne, als ich auf einer Enternungstafel „Tarifa - 68 km“ lese. Die Hauptstadt der Surfer aus aller Welt mit garantierten „100% Fun“ liegt bereits an der Meerenge von Gibraltar. Ich bin also fast „ganz unten“. Vor Tarifa liegt rechts ein kilometerlanger Sandstrand mit einigen Campingplätzen, die aber jetzt Mitte Mai verwaist sind. Ein paar schillernde Typen in klapprigen VW-Bussen sieht man noch, ansonsten ist das Mekka der Surfer ausgestorben. Ich bin enttäuscht. Etwas mehr Leben herrscht in der Innenstadt von Tarifa, die ich mir kurz darauf ansehe. Hinter dem Ort führt die Straße dann bergauf und von einem Aussichtspunkt aus, der von großen Windgeneratoren umgeben ist, sehe ich zum ersten Mal auf der anderen Seite der Meerenge im Dunst den anderen Kontinent Afrika! Ich unterhalte mich mit zwei Bietigheimern, die mit Ihrer häßlich verunstalteten Cowboy-LT auch einen Fotostop eingelegt haben, dann steuere ich den in der Entfernung schon sichtbaren Felsen von Gibraltar an. Eine Stunde später, nach der Umgehung von Algeciras, bin ich auf der schmalen Landzunge, die Gibraltar mit dem Festland verbindet. Vor mir erhebt sich mehr als 300 Meter hoch und schön kitschig weiß in der Sonne der Felsen von Gibraltar - beeindruckende Grenzmarke des südlichsten Zipfels von Europa. Beeindruckend ist auch die Fahrzeugschlange vor der Grenzstation, denn der Felsen selbst liegt kurioserweise auf englischem Territorium und man muß formell aus Spanien ausreisen. Ich begnüge mich mit einem Beweisfoto „Moped mit blauem Moped-Tour Meer vor weißem Felsen“ und trete den Rückzug an, der jäh von einer Straßensperre der Guardia Civil unterbrochen wird. Der Uniformierte auf der Straße winkt die Pkws vor mir alle durch, auf mich deutet er mit dem Zeigefinger und winkt mich an den Fahrbahnrand. Der junge Polizist der mich dort in Empfang nimmt ist zwar sehr höflich, weist mich aber sehr bestimmt an, Topcase und Koffer zu öffnen. Ich bedeute ihm in Englisch, daß ich gar nicht über die Grenze gefahren bin, daß läßt ihn aber unbeeindruckt. Ich muß auch die Innentasche im rechten Koffer öffnen und er durchwühlt meine gesamte Urlaubsgarderobe. Auch unter die Sitzbank will er schauen und fühlt, ob etwas in der Polsterung versteckt ist. Ich spare mir, ihn auf das Werkzeugfach hinter der Sitzbank und auf das Fach in der Verkleidung aufmerksam zu machen, als er urplötzlich jedes Interesse an mir und dem Moped verliert und mich mit einem kurzen „Ok“ verabschiedet. Paß oder Fahrzeugpapiere sind hier scheinbar überflüssig. Da im Reiseführer als nächster sehenswerter Ort Ronda aufgeführt ist, verlasse ich nach dem unfreiwilligen Halt die Küstenstraße und fahre nach Norden in die Berge. Der Reiseführer hat wirklich nicht zuviel versprochen. Zwar wechseln wunderbare Mopedsträßchen mit furchtbaren Schlaglochpisten, aber die Aussicht von der sich langsam in die Serrania de Ronda hinaufwindenden Straße ist grandios. Ich halte dann auch einige Male und bleibe auf den großen Felsbrocken am Straßenrand sitzen um die Aussicht bis an die nun schon 40 km entfernte Küste zu genießen. In Ronda esse ich köstliche kleine scharfe Würstchen mit Weißkraut (für 200 Pts !) und als Dessert folgt dann auf dem weiteren Weg zurück zur Küste eine Straße, die man nur als absolutes Sahnestückchen bezeichnen kann. Die gesamte Strecke von Ronda nach San Pedro de Alcantara führt über mehr als 40 Kilometer ohne Ortsduchfahrten mit phantastischer Aussicht und auf brandneuer griffiger Fahrbahn hinunter zur Küste und nach einer halben Stunde Kurvenorgie auf den äußersten Profilrillen glaubt man, daß dieser Traum gar nicht mehr endet. Leider tauchen aber doch irgendwann die Hotelburgen der Costa del Sol auf. Marbella lasse ich rechts liegen und glücklicherweise gibt es auch um die Stadt mit dem Namen der grünen Eissorte eine Umgehung. Mittlerweile habe ich (trotz schlechten Gewissens) die Jacke ausgezogen und fahre in Lederhose, T-Shirt und Lederweste. In Torremolinos mache ich noch einen Abstecher an den Strand, der um diese Jahreszeit und trotz der glühenden Hitze erstaunlich leer ist, dann erreiche ich den Abzweig, auf dem nach links „Granada“ angeschrieben steht und ich verlasse die Küste am späten Nachmittag zum zweiten Mal. Die gut ausgebaute Schnellstraße führt über viele staubige Baustellen fast überall 4-spurig ständig bergauf Moped-Tour 9 und nach einer Stunde erreiche ich die riesige von hohen Bergen umgebene Hochebene auf der Granada liegt. So groß hätte ich mir die Stadt dann doch nicht vorgestellt! Ich suche verzweifelt ein markantes Gebäude über dem Stadtrand, aber die Alhambra ist absolut nicht zu entdecken. Jamon Iberico, getrockneter Schinken, ähnlich dem Bündener Fleisch, ist ausgezeichnet und auch das Pfeffersteak schmeckt sehr gut. Das Dessert ist ein Extrafoto wert, denn was der Kellner als Selection de la casa bringt, ist zweifellos die Portion für eine fünfköpfige Familie. Ich fahre den Hinweisen zur Alhambra nach und stehe bald vor der Schranke, die die Zufahrt auf mehrere große Parkplätze erst nach Ziehen eines Parkscheines freigibt. Von der Alhambra ist immer noch nichts zu sehen. Nach einer Stunde bin ich rundherum vollgefuttert und nehme mir noch eine Cervisia mit auf den Balkon. Weit unten im Tal sieht man die Lichter von Granada funkeln, es ist vollkommen still. Es ist zwar in dieser Höhe nachts recht frisch, aber nach dem Backofen an der Costa del Sol genieße ich die saubere Bergluft und schlummere bald bei geöffneter Balkontür ein. Ich frage zwei wichtig aussehende Uniformierte und erfahre, daß für Besichtigungen zwischen 9 und 17 Uhr geöffnet ist - jetzt ist es 10 nach 5. Der Reiseführer hat hier ganz in der Nähe einen Hoteltip parat, also folge ich den Hinweisen zur Sierra Nevada. Dieser Kunstort, an dem vor 2 Jahren die Ski-WM stattfinden sollte, wegen Schneemangel aber ausgefallen ist, liegt über 2000 m hoch im gleichnamigen Gebirge. Auf dem Weg in das Skigebiet soll laut Reiseführer das Hostal Desvio liegen. Ich finde das Hotel auch bald, möchte aber zunächst noch den Rest der Strecke bis in den Skiort, der von Granada ca. 30 km entfernt liegt, erkunden. Alle Skigebiete sehen im Sommer trostlos aus, und da macht auch Sierra Nevada keine Ausnahme: ein toter Retortenort mit großen und zu dieser Zeit geschlossenen Hotels umgeben von plattgewalzten Skihängen mit Resten von schmutzigen Schneefeldern. Ich kehre wieder um und finde vor „meinem“ Hotel einen Bus vor, aus dem gerade eine ganze Horde junger Leute steigt. Schluck - was nun? Hüttenromantik hatte ich mir dann doch anders als mit schnatternden Junggänsen und stampfenden Technoklängen vorgestellt. Wenige hundert Meter weiter war ich aber vorhin an einem anderen Hostal vorbeigekommen und dort frage ich jetzt nach einem Zimmer. Es stellt sich zwar bald heraus, das ich dort der einzige Gast bin, aber das Hostal und das Restaurant sind geöffnet. Auf die Frage, ob ich heißes Wasser brauche wird dies auch in 20 Minuten versprochen. Kurz nachdem ich mein Domizil für diese Nacht bezogen und auf dem zweiten Bett ein Potpourri aus Helm, Jacke, Tasche, Karten, Brillenetui, Fotoapparat, Mopedschlüssel und Wertsachen arrangiert habe, klopft es an der Tür. Der Sohn des Hauses schiebt mir lächelnd und wortlos einen Radiator ins Zimmer. Aha, die Heizung scheint außer Betrieb zu sein. Dafür ist die Aussicht vom Balkon grandios und nach einer Viertelstunde ist auch das Duschwasser angenehm temperiert. Im Restaurant sitze ich später als einziger Gast. Weil es keine kleinen Weinflaschen gibt, öffnet der Kellner kurzerhand eine 0,75 l Flasche Rioja und bedeutet mir, daß ich daraus zum Preis einer halben Flasche trinken könne soviel ich mag. Der 6. Tag: Mittwoch, 21.Mai, Sierra Nevada - S.Carles de la Rapita Um 8 Uhr am Morgen ist niemand an der Rezeption, obwohl der Sohn des Hauses das als früheste Uhrzeit genannt, dabei aber die Augen verdreht hatte. Ich will also erst einmal das Moped packen, als ich bemerke, daß das ganze Haus wie eine Festung verschlossen und verriegelt ist. Es bleibt mir nichts übrig, als an der Rezeption zu warten, bis ich „entlassen“ werde. Ein paar Minuten später kommt dann auch der junge Mann im Jogginganzug, verknittert und mit zerzausten Haaren, und läßt mich meine Rechnung bezahlen. Da die Alhambra erst um 9 öffnet, ich also noch etwas Zeit habe, fahre ich noch einmal bergauf nach Sierra Nevada und erkunde, wie weit man auf der höchsten befahrbaren Straße Europas fahren kann. Ich bin zwar sicher, den 3398 Meter hohen Pico del Veleta nicht zu erreichen, da daß letzte Stück der Strecke vor dem Gipfel nur noch aus Sand- und Schotterpiste besteht. Aber ich bin natürlich neuggierig, wie hoch man gelangen kann. Leider verhindert schon in 2600 m Höhe, oberhalb der letzten Häuser des Ortes Sierra Nevada, eine Schranke mit unmißverständlichen Hinweisen die Weiterfahrt. Und nach dem Beweisfoto sause ich die kurvenreiche Straße nach Granada wieder hinunter um zu einem der vermeintlichen Höhepunkte meines kleinen Spanienausfluges zu kommen. Die beiden Norweger, die gestern abend hier oben in der Wildnis ihr Zelt aufgestellt haben, sind noch nicht wach. Aber beim Aufstehen werden sie einen phantastischen Blick hinunter auf Granada haben. Eine halbe Stunde später, auf dem Parkplatz der Alhambra, helfe ich einem Spanier, der auf der steinernen Einfassung eines Baumes sein Auto festgefahren hat, dann stehe ich in der um diese Zeit noch kurzen Schlange vor dem Kassenhäuschen und berappe 750 Pts um die Höhepunkte maurischer Architektur zu bewundern. Das Gelände ist recht weitläufig und um die einzelnen Paläste und das Generalife zu sehen ist 10 ein größerer Marsch erforderlich. Da die Besuchszeit auf 1 Stunde begrenzt ist, bemühe ich mich auch, nicht gerade zusammen mit großen Besuchergruppen in kleinere Räume zu geraten. Das läßt sich aber nicht immer vermeiden und so besteht mein Rundgang eher daraus, mehr oder weniger durch die Paläste und Gartenanlagen geschoben zu werden und hier und da mal einen Blick zu erhaschen und ein Foto zu schießen. Die Anlage ist aber absolut sehenswert. Von großen Festungsmauern bis zu herrlichen filigranen Fresken und phantastischen Gärten gibt es alles zu bestaunen. Und trotz der Besuchermassen und den ständig durcheinandersprechenden Reiseführern, die in Japanisch, Finnisch, Englisch, Deutsch und Kisuaheli die Historie der Gebäude erläutern, habe ich die Melodie des sagenhaften Gitarrentremolos aus „Ricuerdos del Alhambra“ im Ohr. Im Generalife schaffe ich es sogar einmal, ein paar Minuten ganz alleine in einem wunderschönen Innenhof mit Wasserspielen zu sein und ich bedaure sehr, jetzt keinen Walkman mit dieser so passenden Musik dabeizuhaben. Die Besichtigungsstunde geht schnell vorbei. Die einzelnen Paläste sind auf der Eintrittskarte abgeknipst, man kann also überall auch nur einmal hineingehen. Als ich doch etwas wehmütig durch das Drehkreuz nach draußen komme, nehme ich mir noch die Zeit für einen café solo und schlendere dann zum Moped zurück. Selbst jetzt, kurz nach 10 Uhr morgens, sind die Temperaturen schon im schweißtreibenden Bereich und ich bin froh, bald wieder vom Fahrtwind gekühlt zu werden. Kurz nachdem ich in der Nähe von Guadix die Autobahn verlasse habe, um nach Süden wieder in Richtung Küste zu fahren, sehe ich erst rechts vorne an der Verkleidung einen Schatten und dann im Rückspiegel irgendetwas über die Straße fliegen. Zunächst denke ich, mit einem Vogel zusammengestoßen zu sein, aber das hätte einen Schlag an der Verkleidung geben müssen und außerdem wäre ein verletzter Vogel nicht wie ein Stück Gummi hinter mir auf der Fahrbahn herumgehüpft. Ich halte an und rutsche am staubigen Straßenrand auf Knien um das Moped herum, um der Sache auf den Grund zu gehen. An der Verkleidung ist von einem Zusammenstoß nichts zu sehen und allem Anschein nach ist das Moped auch noch vollständig. Aber links vorne an der Verkleidung sind einige schwarze Flecken, die ich mir nicht erklären kann, bis ich die Bescherung entdecke: der linke Gabelholm ist ölverschmiert und aus der Dichtung zwischen Stoßdämpfer und Standrohr quillen einige Tröpfchen Öl. Mist! Ich fahre noch einmal zurück, um trotzdem nachzusehen, was da eben auf der Straße lag, kann aber nichts finden. An der nächsten Tankstelle, die einsam 20 km von der nächsten Ortschaft entfernt liegt, halte ich an. Die Sonne Moped-Tour sengt jetzt schon erbarmungslos und mit einem Eis in der Hand inspiziere ich das Moped noch einmal gründlich und wische das Öl vom Gabelholm. Ich beschließe, erst einmal weiterzufahren, da der Udo, den ich auf jeden Fall um Rat fragen muß, jetzt um die Mittagszeit sicher nicht ans Telefon geht. Während der Fahrt kann man durch eine Öffnung in der Verkleidung direkt die undichte Stelle sehen, und ich beobachte, wie tropfenweise das Gabelöl zu Tage tritt. Ich bilde mir sogar ein, daß die Federung am Vorderrad weicher wird und rechne ständig damit, daß sich am Fahrverhalten irgendetwas dramatisch ändern könnte. Zurück an der Küste in Roquetas de Mar finde ich unmittelbar am Strand eine Telefonzelle und versuche den Udo anzurufen. Aber in Germanien nimmt niemand den Hörer ab. Im Serviceheft finde ich die Adresse einer BMW Niederlassung im 170 km entfernten Elche. Wenn ich jetzt sofort losfahre, dann könnte ich das noch bis 17 Uhr schaffen. Oder machen die vielleicht doch früher Feierabend? Ich gerate in Hektik. Schnell packe ich ein Tütchen Sand (das Mautzelchen hat hier mit Bruder und Freunden vor mehr als 25 Jahren einmal Urlaub gemacht) und brause wieder in Richtung Autobahn. Ich habe den Eindruck, als würde die Maschine vorne schon mindestens 5 cm tiefer liegen und starre abwechselnd auf den Gabelholm, die Uhr und den Kilometerzähler. Ich sehe das Motorrad schon mit ausgebauter Gabel in einem schmutzigen Hinterhof stehen und mich mit dem Gepäck zu Fuß nach einem Hotel Ausschau halten... Nach einer weiteren Stunde Hetze in Richtung Elche kehrt dann doch die Vernunft zurück. Die paar Tropfen Öl werden schon nicht so schlimm sein. Außerdem werde ich frühestens um 17 Uhr in Elche sein und bis die Werksatt gefunden ist, wird es mindestens 17:30 sein. Unterwegs halte ich noch einige Male an, um Udo zu erreichen. An einer Tankstelle steht das Telefon im einem Kassenraum in dem das Radio und ein Außenlautsprecher dermaßen laut quäkt, daß ich froh bin, hier keine Verbindung nach Deutschland zu bekommen - ich hätte sowieso kein Wort verstanden. Übrigens lassen sich öffentliche spanische Telefone per Knopfdruck auf Tonwahl umschalten, was für das Telefonieren mit der TCard natürlich sehr praktisch ist. Tatsächlich erreiche ich Elche ein paar Minuten nach fünf und fahre auch durch die Stadt, um das Industriegebiet, in dem die Werkstatt liegt, zu finden. Nach einer halben Stunde gebe ich die Suche aber erfolglos auf und brumme weiter Richtung Norden. Um halb sieben hebt beim 328sten Anrufversuch in Eisighofen jemand den Hörer ab. Ich bin beruhigt, als Udo bestätigt, daß der Verlust einiger Moped-Tour Tropfen Gabelöl harmlos ist und mir die Anweisung „Nicht d’rum kümmern, weiterfahren!“ gibt. Daraufhin bessert sich meine Laune schlagartig und ich genehmige mir noch ein Eis und ein paar Kekse, die plötzlich wieder viel besser schmecken. Und das Moped liegt plötzlich vorne auch nicht mehr 5 cm tiefer und die Vorderradfederung ist plötzlich wieder genauso straff wie seit Jahr und Tag...jaja, - die Fantasie spielt einem halt doch ab und zu einen Streich... Bis zum Ziel meiner heutigen Etappe habe ich noch reichlich Kilometer vor mir. Die Jacke, in der man hier im eigenen Saft gegart würde, habe ich längst nicht mehr an, und so brumme ich in der Abendsonne um Valencia herum. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit erreiche ich mein heutiges Ziel, den kleinen Ort San Carles de la Rapita, etwas südlich von Barcelona. Das Hotel Juanito liegt direkt am Meer und ich kann vom Balkon aus die Wellen direkt unter mir plätschern hören. Das Zimmer ist sehr geschmackvoll eingerichtet und der helle Kachelboden kühlt sehr angenehm die überhitzen Füße. Das Abendessen wird leider im Schnellverfahren serviert, weil die Küche eigentlich schon geschlossen hat. Die Fischsuppe und die Platte mit verschiedenen gegrillten Fischen schmecken aber trotzdem sehr gut. Den Pulpo lasse ich allerdings liegen. Als ich Kaffee trinke, deckt der Kellner an den anderen Tischen bereits das Frühstücksgeschirr. Auf dem Balkon trinke ich noch ein Bierchen, dann schlummere ich herrlich bei Wellengeplätscher ein. 7. Tag: Donnerstag, 22.Mai, S.Carles de la Rapita - Llavorsi (Pyrenäen) Der Tisch vom Vorabend ist schon für das üppige Frühstück vorbereitet: 4 kleine Scheiben zwiebackähnlicher Toast, Butter, Marmelade und eine riesige Tasse caffe con leche. Ich komme mit einem älteren Ehepaar am Nebentisch ins Gespräch. Die beiden kommen aus Eppstein im Taunus, sind Ornithologen und studieren die Vogelwelt im nahen Ebrodelta. Nach dem Frühstück mache ich noch einen kleinen Spaziergang um das Hotel und fotografiere „meinen“ Balkon auch von unten. Dann packe ich das Moped und starte die nächste Etappe, über deren Ziel ich mir noch nicht ganz im Klaren bin. Durch weite Reisfelder im Ebrodelta und anschließend um Barcelona herum, erreiche ich gegen Mittag die Costa Brava. Mehrmals überholt mich unterwegs eine LT mit Hamburger Kennzeichen. Die beiden winken und scheinen es eilig zu haben - nach einigen 11 Verfolgungskilometern mit 150 km/h falle ich aber wieder in meinen alten Reisetrott zurück. Bei der nächsten Zahlstelle hole ich die beiden zwar wieder ein, sehe aber dann nur noch im Spiegel, daß sie an einer Raststätte halten. Beim nächsten Tankstopp in der Nähe von Llorret de mar unterhalte ich mich mit einem Guzzi-Fahrer aus „AA-“ der hier die nächsten beiden Wochen verbringen will. Er berichtet, gestern im strömenden Regen durch Frankreich hierher gekommen zu sein und mir fällt erst jetzt auf, daß ich seit Nordportugal keinen einzigen Regentropfen mehr abbekommen habe. Ich drehe eine Runde durch die engen Gäßchen von Tossa und mache oberhalb des Ortes eine längere Pause. Die Passanten beäugen neugierig das Moped und von rheinländisch über schwäbisch bis thüringisch und sächsisch sind alle deutschen Dialekte vertreten... Die Küstenstraße in Richtung Norden ist ein Motorradfahrertraum. Ich fahre noch bis nach Palafrugell, um vom Ortsschild unseres Urlaubszieles von 1986 ein Bild zu machen. Dann verlasse ich die Küste um über Gerona und Olot in die Pyrenäen zu gelangen. Je weiter ich in die Berge komme, um so dunkler wird aber leider auch der Himmel und vor Olot bleibt mir dann nichts übrig, als mein luftiges Outfit durch Jacke und Regenkombi zu ergänzen. Und erst als ich vor dem Schaufenster eines leerstehenden Möbelhauses die Jacke anziehe, bemerke ich den furchtbaren Sonnenbrand auf den Unterarmen. Die fühlen sich an, als hätte jemand heißes Öl darübergegossen. Mmmh - wer unvernünftig ist, muß eben leiden... Zwei Kilometer später tröpfelt es dann auch ein bißchen von oben, aber der richtige Guß, der mir zur Kühlung der Arme gar nicht unrecht gewesen wäre, bleibt aus. Ich studiere noch einmal den Reiseführer und finde eine Hotelempfehlung in Llavorsi. Eigentlich wollte ich mir nur Andorra ansehen und dann wieder zur Küste, aber das Hotel ist so nett beschrieben und der Besitzer spricht angeblich sogar Deutsch, daß ich mich entschließe dorthin zu fahren, obwohl ich um nach Andorra zu kommen, dann morgen wieder 50 Kilometer auf der gleichen Straße zurückfahren muß. Vor La Seu d’Urgell lasse ich die Straße nach Andorra rechts liegen und über den sehr schönen neu ausgebauten Paß nach Sort geht es weiter bis Llavorsi. Auf der Paßhöhe stehen 6 Polizisten mit Motorrädern und Jeeps bei einem abendlichen Schwätzchen zusammen und winken mir freundlich zu. Etwas später erreiche ich über eine gut ausgebaute Straße im Tal Llavorsi. Der Ort könnte auch im österreichischen Ötztal liegen und 12 ist ein Mekka der Rafting Freunde. Überall sieht man Angebote für Rafing Touren und „Canyoning“. Das Hotel Lamoga liegt gleich links am Ortseingang und ist ganz neu renoviert. Die grauen Natursteinplatten im Eingangsbereich werden zur Zeit gerade neu verlegt, aber ansonsten erstrahlt alles in neuem Glanz. Die älteren Wirtsleute begrüßen mich sehr freundlich auf Deutsch und ich bekomme ein kleines, aber vollkommen neues Zimmer. Als ich ihnen den Reiseführer zeige, können sie sich sogar noch an Josef Seitz erinnern und schreiben sich auch gleich den Titel und die ISBN-Nr. des Buches auf. Ich bin der einzige Gast beim Abendessen und bekomme Nudelsuppe aus der großen Terrine. Danach gibt’s Kassler mit Pommes und eine bayrische Creme auf pyrenäische Art. Ich sitze noch eine Weile zusammen mit dem Wirtsehepaar vor dem Fernseher um den Wetterbericht für morgen zu sehen. Es soll noch heißer werden und die Niederschläge sollen in Richtung Südfrankreich nachlassen. Damit bin ich natürlich sehr zufrieden und nach einem Anruf bei Rainer verabschiede ich mich von meinen sehr sympathischen Gastgebern und gehe zu Bett. 8. Tag: Freitag, 23.Mai, Llavorsi - Gorges du Verdun Frühstück um 8, es gibt den üblichen Toast und Marmelade. Leider kann ich nicht mit der Kreditkarte zahlen, aber direkt nebenan ist ein Geldautomat der auch mit deutschen EC-Karten Bares herausrückt. Ich zahle 5800 Pts für Abendessen und Übernachtung und als ich mich wieder auf den Weg mache, sind die Arbeiter schon dabei, die restlichen Platten auf der Veranda zu verlegen. Über den Paß von gestern geht es wieder zurück bis zum Abzweig nach Andorra. Bei einem Fotostop auf einem einsamen Bergparkplatz funktioniert irgendwann einmal die Sprechanlage nicht mehr. Erst als ich eine halbe Stunde mit dem Schraubenzieher herumhantiert und die halbe Verkleidung abmontiert habe, fällt mir auf, daß die Zündung gar nicht eingeschaltet war... - Trottel. Die Andorraner kontrollieren bei der Einreise stichprobenartig die Pässe, mich lassen sie unbehelligt. Der ganze Zwergstaat besteht aus einem einzigen Tal, in dem es jede Menge Einkaufsmöglichkeiten gibt. Das Benzin ist um die Hälfte billiger als in Spanien und ich entdecke auch jede Menge Geschäfte mit Motorradzubehör. Da ich im Moment aber keinen Bedarf für papageienbunte Off-Road Klamotten habe, sehe ich mir die Geschäfte nur von aussen an. Beim Verlassen der Stadt verfahre ich mich dann kräftig und bemerke erst als die Straße auf dem Parkplatz vor einem Berggasthof endet, daß ich hier wohl Moped-Tour nicht nach Frankreich komme. Eine Stunde später bin ich dann aber doch kurz hinter der Paßhöhe des 2401 Meter hohen Puerto de Envalira wieder in Frankreich - auch hier ohne Kontrolle. Da ich wieder zur Küste zurück möchte, folge ich den Wegweisern Richtung Perpignan. Die Straße führt stetig bergab zur Küste und bei einem Fotostop fahren hupend die beiden Hamburger von gestern mit der LT vorbei. Ein paar Minuten weiter steht die HH-BY 24 rechts am Fahrbahnrand und ich halte zum Klönen natürlich gerne an. Die beiden sind mit dem Autoreisezug bis Narbonne und dann per Moped bis Gibraltar gefahren und haben jetzt ihren Urlaub hinter sich. Nachdem wir eine halbe Stunde geplaudert und die e-mail Adressen ausgetauscht haben mache ich noch ein Foto und verabschiede mich. Wir fahren noch eine ganze Weile hintereinander her, kurz vor Narbonne ist der Scheinwerfer im Rückspiegel dann verschwunden. Da ich heute noch bis in die Nähe des Gorge du Verdun möchte, brumme ich auf die Autobahn und im Schnellzugtempo über Montpellier bis nach Aixen-Procence. Unterwegs kaufe ich noch eine Straßenkarte von Südfrankreich, denn die habe ich natürlich zu Hause liegen lassen. Es ist schon später Nachmittag, als ich nördlich von Aix die Autobahn verlasse und über kleine Landsträßchen auf die in der Ferne schon sichtbare Bergkette mit der angeblich sehenswerten Schlucht zufahre. Die Straße schlängelt sich dann auch nach einigen Ortsdurchfahrten hoch über einem türkisfarbenen See am Hang entlang und bald kann man in die mehrere Hundert Meter tiefe Schlucht hinunterstaunen. Alles sieht natürlich ganz anders aus, als ich es mir vorgestellt habe, aber die steilen Felswände und der tief unten dahinbrausende Fluß sind ein beeindruckender Anblick. Die Schlucht wird aber nach einem Kilometer wieder breiter und ich bin, vielleicht auch wegen der Müdigkeit und der vielen Kilometer auf dem Moped, doch etwas enttäuscht - meine Erwartungen an den Grand Canyon von Verdun waren wohl doch etwas zu hoch. Da ich am Sonntag, also übermorgen, wieder zu Hause sein möchte, könnte ich mir heute abend ja eigentlich einmal ein etwas teureres Hotel gönnen. Der Hinweis auf ein Logis de France mit 3 Kaminen kommt mir dann auch gerade recht. Als ich allerdings vor der jungen Dame an der Rezeption stehe und mein „pardon, je ne parlez pas francais“ aufsage, erwidert sie nur „ce’est mal, je ne parlez pas alleman“... und schaut mich mit dem „Ääääätsch, reingefallen!“-Gesichtsausdruch an. Mmmh. Gleich wieder gehen - oder schlucken und hierbleiben. Es ist 20:30, keine Sonne mehr, gleich ist’s dunkel. - Na gut, ich frage auf Englisch nach dem Preis. 390 FF für ein Zimmer mit Balkon und Moped-Tour Blick auf den Gorsch, 260 FF für eines ohne Blick. Die Entscheidung fällt nicht schwer, aber das günstigere Zimmer ist dann eine ausgebaute Dachkammer mit einer Duschkabine in der Ecke und die junge Dame bittet mich höflich, doch das Motorrad von dem Plattenweg im Eingang zurück auf den Parkplatz zu stellen. Ich diskutiere nicht weiter mit ihr, daß für Mopeds auf Ständern ein Schotteruntergrund nicht gerade ideal ist und lasse das Moped auf den Parkplatz rollen. Auf ihren heiligen hellen Steinplatten sind dann auch deutliche Reifenspuren zu sehen - ääääätsch! Das Abendessen ist allerdings sehr gut, auch wenn ich wieder mal der letzte Gast bin und alles ein bißchen schneller geht. Ich esse eine Gemüsecremesuppe und Entrecote de poivre, zum Nachtisch gibt’s supersüße Profiterolles. Ich zahle gleich nach dem Abendessen und erwarte nicht, morgen um 6 ein Frühstück zu bekommen. So erhalte ich dann auch die geheime Geheimnummer („123456“), um die Hintertür und die Schranke des Parkplatzes zu öffnen. Es ist zwar herrlich ruhig in dieser Nacht, aber irgendwie bin ich doch sauer, nicht noch ein anderes Hotel gesucht zu haben und wehmütig denke ich an Antonios Hostal und das Hotel Rebeco zurück. 9. Tag: Samstag, 24.Mai, Gorge du Verdun - Thann (Elsaß) Morgens um kurz nach 5, die Sonne wird gleich aufgehen, stehle ich mich durch die Hintertür aus dem Haus. Das Rolltor am Parkplatz öffnet sich tatsächlich nach Drücken der Geheimnummer und ich bin froh, wieder auf der Straße zu sein. Als ich die kleine Anhöhe vom Hotel herunterrolle, geht rechts am Horizont die Sonne auf und ich mache noch 2 Kitsch-Fotos. Im nächsten Ort entdecke ich ein 2-Kamine Logis de france mit drei Mopeds davor und ärgere mich schwarz, gestern abend so vorschnell das Zimmer genommen zu haben. Um Viertel nach sieben versuche ich einige Male erfolglos in Ungarn anzurufen. Rainer hatte mir die Telefonnummer gegeben und gesagt, daß ich das Mautzelchen dort zwischen Viertel nach sieben und halb acht erreichen könne. Aber es ist zum Verzweifeln: Die Ungarin am anderen Ende der Leitung versteht kein Wort Deutsch und schleudert mir nur einen Redeschwall mit vielen Zischlauten entgegen, dann legt sie auf. Nachdem sich das 3 Mal im Abstand von 10 Minuten wiederholt, gebe ich entnervt auf. Ich fahre weiter Richtung Norden, und erst jetzt wird mir bewußt, daß ich ja schon in den Alpen bin. Auf der Karte entdecke ich die Namen einiger aus den Verkehrsnachrichten berühmter Pässe und bin schon bald ganz oben auf dem Col de Cayolle und 13 etwas später auch auf dem Col d’Izoard, der immerhin 2440 Meter hoch ist. Etwas Schnee liegt auf beiden noch, aber die Fahrbahn ist schneefrei. Ich muß zwar wegen der frostigen Temperaturen meine Goretex-Innenjacke wieder einknöpfen, aber das Panorama ist herrlich und ich sehe nicht nur während der Pausen, sondern sogar beim Fahren jede Menge Murmeltiere. Als ich gerade überlege, ob vielleicht auch schon der 2770 Meter hohe Col d’Iseran nach Val d’Isere geöffnet ist, fällt mir auf, das auf der neu gekauften Straßenkarte ja nur Südfrankreich zu sehen ist. Ich war ständig der Meinung, wenn ich den oberen Rand der Karte erreicht habe, auch in NordFrankreich zu sein, was ein großer Irrtum war. Vor mir liegt noch die ganze Schweiz und jede Menge dunkle Wolken! Ich beschließe, die Wolken rechts zu umgehen und irgendwie über Norditalien, den San Bernadino und den Bodensee Richtung Heimat zu kommen. Ich bin überrascht, wie schnell man aus den Alpen wieder heraus ist, als ich kurz vor Turin doch wieder einiges meiner Gebirgspaßkleidung ausziehe, weil ich in der drückend schwülen Luft im eigenen Saft gegart werde. Die Italiener akzeptieren keine Kreditkarten und ich rechne besser nicht nach, zu welchem Kurs der sonnenbebrillte Gigolo in dem Zahlhäuschen meine 50 Franc umgetauscht hat. Über Mailand geht’s dann im D-Zug Tempo weiter auf den San Bernardino, wo mich noch einmal ein kräftiger Schauer erwischt, und auf der anderen Seite hinunter nach Chiasso in die Schweiz. „Chaben Sie ainä Autobahnwienjettä?“ - Gute Frage - aber ich habe tatsächlich keine. Die Dame akzeptiert lächelnd eine 50 Em-Schein und gibt mir ein Fränkli zurück. Daß sie die Vignette auf die toten Mücken auf der Scheibe klebt, kann ich gerade noch verhindern. Ich bleibe dann auch auf der Autobahn, bestaune den herrlichen Comer See und das Tessin und mache auf einem schönen Rastplatz in einer Regenpause noch ein Minipicknick. Der Rest des französischen Baguettes von heute vormittag ist zwar schon etwas trocken, schmeckt aber mit Schinken belegt doch noch bestens. Das Mißgeschick mit der Tomate, die beim Hineinbeißen am falschen Ende aufplatzt und unschöne Spuren auf dem Regenkombi hinterläßt, verschweige ich besser... Das ich, um nach Deutschland zu kommen ja noch ein Stück durch Österreich muß, und dort seit einiger Zeit auch Autobahnmaut verlangt wird, wird mir erst bewußt, als ich vor dem grauberockten Grenzpolizisten stehe. - Gottseidank, er winkt mich durch. Das Gleiche tut sein Kollege bei der Einreise nach Deutschland (im Regen) und auch der Bundesgrenzschutz hat kein Interesse an mir. So erreiche ich also nach 9 Tagen und knapp 7500 Kilometern durch Frankreich, Spanien, Portugal, 14 Moped-Tour Andorra, Italien, die Schweiz und Österreich wieder deutschen Boden, ohne ein einziges Mal an der Grenze meinen Ausweis vorgezeigt zu haben. Europa ist also tatsächlich grenzenlos - einmal abgesehen davon, daß ich im Topcase ungefähr 2 Kilogramm Münzgeld in 5 verschiedenen Währungen transportiere, das keine Bank zurücktauschen wird. Als ich am Abend zuhause den Zündschlüssel nach links umdrehe und der leise brummelnde Motor zum letzten Mal auf dieser Tour verstummt, stehen genau 7994 Kilometer mehr als bei der Abfahrt auf dem Kilometerzähler - und in meinem Kopf stecken mindestens genauso viele unvergeßliche Eindrücke. In Baden-Württemberg möchte ich nicht übernachten und fahre deshalb noch am Bodensee entlang, durch den schwarzen Wald und über Freiburg bis ins Elsaß. Impressum: Es ist schon nach 22 Uhr, als ich in Thann in dem Hotel, daß uns vor 2 Jahren schon einmal beherbergt hat, zum letzten Mal das Moped entlade. Zum Abendessen gibt es Spargelcremesuppe und eine wohlschmeckende Forelle blau aus dem nahen Teich. Redaktion : Moped-Tour erscheint in unregelmäßigen Abständen im Oberen Schoß14 in 65399 Kiedrich/Rheingau. Anneliese und Stephan Meinl, Tel.: 06123/1250 e-mail: [email protected] Bisher erschienen: • 1: BMW-Tour 1994 (Spessart, Rhön, Harz) • 2: Okt..’94: Sauerland, Lahn 10. Tag: Sonntag, 25.Mai, Thann - Kiedrich • 3: Mai ‘95: Wien, Elbsandsteingebirge • 4: Juli ‘95: Norwegen Der Sonntag beginnt mit einem üppigen Frühstück: Toast, Marmelade und Cafe au lait. Ich packe gegen 9:30 Uhr das Moped für die letzte Etappe und bin kurz darauf schon hoch oben auf der Route de cretes. Das Wetter ist herrlich und die Aussicht über die Vogesen und den gegenüberliegenden Schwarzwald ist phantastisch. Ich genieße den schönen Sonntagvormittag solange, bis der Ausflugsverkehr immer stärker wird. Am Col de la Schlucht sitzen dann mittags die Sonnenhungrigen schon dicht gedrängt und ich fahre auf einem kleinen Sträßchen wieder hinunter zur Route du vin und weiter nach Norden. Am frühen Nachmittag, nach vielen Pausen, ist Straßburg erreicht und in der Abendsonne sitze ich schon an einem Picknicktisch der Raststätte „Pfälzer Weinstraße“ nördlich von Landau. Ich mampfe ein Sandwich, trinke Fanta dazu und grabe in der Erinnerung an die vergangenen 10 Tage. Schade, jetzt ist er leider fast zu Ende, der große Traum vom südlichsten Zipfel Europas. Ich bin zufrieden und auch ein bißchen traurig, daß die schöne Tour nun bald zu Ende ist. Wie gerne würde ich einfach noch einmal losfahren und noch eine Woche am Fuß der Picos de Europa oder in der Gluthitze Andalusiens, oder nur einen Abend bei Antonio verbringen - aber die sind jetzt alle schon wieder 2500 Kilometer entfernt.... • 5: Nov.’95: Besuch aus München • 6: August ‘96: BGS Tour nach Bamberg • 7: April ‘97: Mit Umschadens durch Waldhessen Das Abschiedsbild schießt der Selbstauslöser: zufriedener Mopedfahrer in der Abendsonne. Auf den Parkplatz fährt noch eine ältere RT. Die Sozia geht zur Tankstelle, er sitzt auf der Bank neben seinem Moped und winkt mir zu, als ich weiterfahre. Wenn der wüßte, wo ich gerade herkomme... • 8: Mai ’97: Tour d’Europe