Dominica - Globetrotter

Transcription

Dominica - Globetrotter
Wo die Karibik mit Ursprünglichkeit überrascht
Die
Regenbogeninsel
Dominica
text und Fotos: Iris Kürschner
Die Affiche tönt viel versprechend: die höchsten Vulkanberge der Karibik und regenwälder, die zu den artenreichsten der Welt gehören. Iris Kürschner und
ihr Partner besuchten die wilde, noch recht unbekannte Insel und entdeckten dabei ein kleines Paradies für Naturliebhaber.
K
aribik ist ein Zauberwort.
Türkisblaues, glasklares
Wasser in Badewannentemperatur schwappt in
sanften Wellen an den
Strand, über dem sich
Palmen im Wind wiegen. Hängematte, Strandbar, Cocktail, sich an
der Süsse tropischer Früchte laben… Allein
der Gedanke daran lässt die trüben Tage der
schweizerischen Übergangszeit vom Herbst in
den Winter erträglicher erscheinen. Die Ge-
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fühle kämpfen mit dem Verstand, der sagt: zu
touristisch, zu teuer. Karibik bleibt ein Zauberwort. Bis Dieter und ich von Dominica hören. «The nature island of the Caribbean», die
Naturinsel der Karibik wird sie genannt. Auch
um Verwechslungen mit der Dominikanischen Republik zu vermeiden. Denn, das merken wir schnell, sprechen wir von Dominica,
reagieren unsere Freunde so: «Ach, in die Dominikanische Republik wollt ihr.» Dominica
scheint so gut wie unbekannt, der einzige
deutsche Reiseführer zur Insel ist total veral-
tet, und in den aktuellen Karibikkatalogen belegt die Insel gerade mal ein paar Seiten. Das
macht uns umso neugieriger. Wir klicken uns
durch Google Earth und finden die Insel zwischen Guadeloupe und Martinique im Inselbogen der Kleinen Antillen. Der virtuelle Flug
über das Eiland gibt uns schon eine gute Vorstellung von der Topografie. Berge, die ins
Meer stürzen, nur wenige Strassen und ein
paar Ortschaften am Küstensaum.
Sanfte Annäherung. Frühmorgens bei eisiger Kälte Abflug aus Europa. Nachmittags Ankunft in Guadeloupe. Da Dominica über keinen internationalen Flughafen verfügt, muss
man über die Nachbarinsel anreisen. Eine
Schnellfähre bringt uns weiter. Berge – bis zu
1500 Meter hoch – tauchen aus dem Meer auf
und schinden, je näher wir kommen, gewaltigen Eindruck. Waitukubuli tauften die Kari-
karibik
Wasserfall-Idylle. Der Emerald Pool und seine
Umgebung sind UNESCO-Weltnaturerbe (links).
Picard Beach. Einer der schönsten Strände
Dominicas im Nordwesten bei Portsmouth. Im
Hintergrund die Hügel des Cabrits N.P. (oben).
ben, die ersten Siedler, die Insel treffend, was
sich etwa mit «Hoch ist ihre Gestalt» übersetzen lässt, während Christoph Kolumbus kein
besserer Name einfiel als der Tag seiner Entdeckung, ein Sonntag im November 1493.
Der Kontrast zwischen der zu Frankreich
gehörenden europäisch entwickelten Insel
Guadeloupe und der selbstverwalteten, englischsprachigen Insel Dominica könnte nicht
grösser sein. Dort um die Hauptstadt Pointeà-Pitre Geschäftigkeit, Autobahnen, Supermärkte, Hochhäuser – hier nichts als bewaldete
Berge und Roseau, die kleine Hauptstadt mit
engen Gassen, gesäumt von kreolischen, kunterbunten Häusern und voller farbenprächtig
gekleideter Menschen, aus deren dunklen Gesichtern weisse Zähne wie Perlen blitzen. Ein
Geruch aus Gewürzen, Früchten und salziger
Meeresbrise liegt in der Luft. Gleich hinter der
Hauptstadt beginnt der Tropenwald.
Der quirligen Stadt ziehen wir ein Quartier
etwas ausserhalb vor und quartieren uns bei
Ophelia im Roseau Valley ein. Eine kleine Ansammlung rustikaler Bungalows inmitten des
tropischen Regenwaldes. Ein Gedicht, abends
auf der hölzernen Veranda zu sitzen und dem
Grillen, Zirpen und Pfeifen zu lauschen. Die
Pfeiffrösche, so winzig klein sie auch sind, halten bei diesem Konzert die Oberhand.
Vulkaninsel. Da es kein brauchbares Kartenmaterial gibt, wollen wir die ersten Tage besser von einem Kenner der Insel eingeführt
werden. Vom Tourismusbüro lassen wir uns
einen Fahrer vermitteln. Mit Stanley Prosper
landen wir einen Volltreffer. Er wird schnell
zum Freund und begleitet uns auch auf den
ersten Trekkingrouten.
Für eine bessere Akklimatisation wählen
wir zunächst leichte Touren. Über unzählige
Serpentinen manövriert uns Stanley in den Talschluss hinauf. Es gibt unglaublich viel zu sehen, wenn man weiss, wo. Nicht alles ist gut
ausgeschildert. Stanley hält am Strassenrand,
ein Pfad führt ins Nirgendwo, und wir stehen
plötzlich an blubbernden «Hot Vents». Als ob
Kochtöpfe in den Boden eingelegt wurden und
das Wasser nun überkocht. In Schüben entlädt
sich gewaltiger Druck und lässt das Wasser immer wieder hoch spritzen. «Wenn du ein Ei
hineinlegst, ist es in fünf Minuten hart gekocht», lacht Stanley. Die Druckentladung über
solche Ventile verringert die Gefahr eines
Vulkanausbruchs. Auf Dominica gibt es acht
Vulkane. Die aktivste Zone liegt im Valley of
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Regenwald und Wellness. Am Freshwater
Desolation und am angrenzenden Boiling Lake
an den Flanken des Vulkans Morne Watt.
Die Trafalgar Falls, zwei imposante Zwillingswasserfälle – von den Einheimischen
Mama und Papa genannt – sind leicht zugänglich und dementsprechend gut besucht. Ganz
anders die Middleham Falls, wo viele schon
durch den nur einstündigen Zugang abgeschreckt werden. Als wir uns auf den Marsch
durch üppigen Tropenwald machen, knackt es
gespenstisch im Unterholz, und wir können
gerade noch das Hinterteil eines Aguti, eine
Mischung aus Meerschweinchen und Ratte, erhaschen. Leise pirschen wir uns weiter, doch
das Aguti taucht nicht mehr auf. Beruhigend
bei solchen Dschungelausflügen, zu wissen,
dass es auf Dominica keine gefährlichen Tiere
gibt. Nur wenige Nagetiere, dafür aber einen
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Die Insel erwandern. Gute Wege für kleine
Trekkings führen durch die wilde Berglandschaft.
unermesslichen Reichtum an Reptilien, Amphibien und Vögeln. Leicht lässt sich aus den
über 170 registrierten Vogelarten der typische
Ruf des Bartklarino, des Mountain Whistler,
ausmachen. Drei bis vier helle Flötentöne, die
sich immer im gleichen Rhythmus wiederholen.
Plötzlich werden sämtliche Geräusche verschluckt vom Donnern des Wasserfalls. Von
der Aussichtsplattform klettern wir über den
glitschigen Fels hinunter und wagen uns in den
vielleicht aufregendsten Whirlpool dieser Insel.
Dieter entdeckt eine kleine Grotte, in die wir
hineinkriechen. Das Spritzwasser massiert unsere Haut angenehm.
Lake oberhalb Laudat, dem höchsten Dorf im
Roseau Valley, ist Endstation der Strasse. Mystisch verhüllt Nebel den legendenumrankten
See, in dem ein einäugiges Monster leben soll,
so sagen die Einheimischen. Wir folgen einem
Pfad über Wurzelwerk, und die Bedeutung
vom Wort «Regenwald» wird körperlich spürbar, als der Sprühnebel in einen heftigen Guss
übergeht. Wohlweislich mit Regenschirmen
bewaffnet, versuchen Dieter und ich uns zu
schützen, während sich Stanley und sein Cousin Chris, der sich uns angeschlossen hat, einfach duschen lassen. Sie lachen über unser
Gebaren, denn schnell ist der Pfad ein Bach,
und unsere Regenschirme sind nur unnütze
Utensilien.
Hat man sich mit der feuchten Situation
abgefunden, fällt die Schönheit der Natur wieder ins Auge. Das rein gewaschene Grün in allen Schattierungen, aus dem die knallroten Blüten von Helikonien herausleuchten. Als wir den
Boeri Lake, einen mit Wasser gefüllten ehemaligen Krater erreichen, öffnet sich ein Wolkenfenster, und die Sonne taucht die Landschaft in
ein schillerndes Licht. Dominica zeigt uns erstmals, wieso sie auch «Regenbogeninsel» genannt wird. Klima und Vegetation werden von
den Passatwinden bestimmt, die permanent
aus Nordost wehen und schon Kolumbus von
den Kanaren zu den «Inseln über dem Wind»
trugen. An der rauen Atlantikküste Dominicas
stauen sich die Wolken, die vom Passat hochgedrückt werden, wo sie sich an den Gipfeln
abregnen und der Westküste sonniges Wetter
und eine ruhige See bescheren.
In Wotten Waven, tiefer unten im Roseau
Valley, scheint also wie üblich die Sonne. Dort
lernen wir Screw kennen. Den Spitznamen hat
man ihm zugedacht, weil ihn alle für ein bisschen verrückt halten. Zumindest damals, als er
ein Stück Urwald kaufte und grub. Er grub vier
Jahre lang, um der von ihm gefühlten Wärme
aus dem Boden nachzugehen. Seither füllen
dampfende Schwefelquellen seine fünf ausbetonierten Badepools, und gegen ein geringes
Entgeld lassen sich darin herrlich die Muskeln
entspannen. Im Preis des «Natural Spa» inbegriffen ist auch ein Früchtesnack aus den Köstlichkeiten von Screw’s Tropengarten. «Hey
man», grinst der relaxte Rastafa permanent
und lässt uns von seinem Cacaotee probieren.
Soll eine aphrodisierende Wirkung haben,
quasi das Viagra von Dominica, betont er. So
verrückt kann Screw nicht sein. In Wotten Waven ist das Wellnessfieber ausgebrochen. Es gibt
mittlerweile drei weitere Badeanlagen, aber
nirgends eine so originelle wie die von Screw.
Hexenküche. Nach einigen Tagen glauben
wir uns fit und akklimatisiert genug für eine
Tour zum Nationalpark Morne Trois Pitons
mit seinem Boiling Lake, dem zweitgrössten
kochenden Vulkansee der Welt. Mit jedem
Tag vergrössert sich unsere Gruppe. Diesmal
hat Chris noch seine Frau Cara mitgebracht.
karibik
Alleine wären sie nie auf die Idee gekommen,
zu wandern, aber mit Exoten wie uns sieht das
schon etwas anders aus.
Oberhalb von Laudat beginnt der Trail. Zunächst gehts gemächlich an der Titou Gorge
vorbei, unter dem dichten Blätterdach beeindruckender Baumriesen hindurch. Der Unterwuchs ist, ganz entgegen unserer Vorstellung
von Urwald, licht und leicht zu durchqueren.
Orchideengewächse krallen sich an Astgabeln,
Luftwurzeln spannen sich wie Harfensaiten
zum Boden. Hie und da sichten wir einen Kolibri, der seinen Schnabel in einen Blütenkelch
taucht und dann blitzschnell wieder verschwunden ist. Nach einigem Auf und Ab geht
es steil hinauf in den Nebelwald. Elfin Wood-
Karibik-Feeling. Die grünen Hügel der Westküste fallen steil ins Meer ab (oben).
Vulkangebiet. Es dampft und brodelt im Nationalpark Morne Trois Pitons (unten).
land, Elfenland. Der Beiname macht deutlich,
dass hier schnell einmal die Fantasie durchgeht.
Alles ist feucht, trieft und schmatzt. Farne, Bromelien, Philodendron umschlingen sich zu einem grünen Zauberreich. Mit dem
Morne Nichols ist der höchste Punkt
der insgesamt etwa sechsstündigen
Tour erreicht. Zu unseren Füssen liegt
das Valley of Desolation, wo die Farben
übergehen vom schillernden Gelb angeschwefelter Steine zu giftgrünen
Moosen und den rot blühenden Dolden
der Bergananas. Fauchende Fumarolen
gestalten mit ihren Dampfschwaden
das Tal der Verwüstung noch mystischer. Der kochende Kratersee ist eine
richtige Hexenküche. Die Randtemperatur liegt um die 90 Grad, die Hitze in
der Seemitte ist wohl noch grösser.
Stanley hält uns vom Abgrund fern, damit niemand in die Hölle rutscht.
Auf dem Rückweg entdecken wir
einen warmen Bach, tauchen ein und
lassen uns von einem kleinen Wasserfall den Kopf massieren. Beim weiteren
Abstieg machen sich die unzähligen
Stufen, mit denen der Pfad befestigt ist,
so richtig bemerkbar. Mit Gummibeinen lassen wir uns zum Abschluss noch
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Infos zur Insel
ins Becken der Titou Gorge fallen.
Dominica ist vulkanischen Ursprungs mit
Vom angestauten Badeteich kann
Morne
schwarzen Stränden und viel zu wenig
man durch einen engen, dunklen
Aux Diables
Cabrits N.P.
Schlund zu einem Wasserfall
flachem Terrain, um Landspekulanten anzuziePortsmouth Calibishie
schwimmen – Jacuzzi naturel. Hier
hen. Massentourismus konnte sich daher nie
hat auch schon Johnny Depp Wasetablieren. Sanfter Tourismus und ökoloMt. Diablotin N.P.
ser geschluckt. Die Dreharbeiten
gischer Umgang mit der Natur sind zum MarCoulibistrie
zum Dreiteiler «Pirates of the Cakenzeichen geworden. Anstelle von HotelDOMINIC A
Carib Territory
ribbean» haben Dominica eine geburgen gibt es familiäre Unterkünfte, anstelle
wisse Berühmtheit eingebracht
gut ausgebauter Autobahnen schmale
DOMINICA
und locken Fans zu den diversen
Schlaglochsträsschen. Statt gestylter Natur
Schauplätzen.
wilde Ursprünglichkeit, statt Unpersönlichkeit
Laudat
herzliches Interesse am fremden Gast.
Lebensfreude. Zurück in OpheDrei Nationalparks schützen die NaturdenkRoseau Morne Trois
lias Guesthouse läuft uns Ophelia,
mäler der Insel. Der Nationalpark Morne Trois
Pitons N.P.
«the Lady of Song», persönlich
Pitons wurde zum UNESCO-Weltnaturerbe
über den Weg. Dominicas beerklärt. Für die meisten zugänglich gemachten
kannteste Musikerin hat sich auch
Natursehenswürdigkeiten wird eine Eintrittsinternational einen Namen gegebühr verlangt. Am günstigsten kommt es,
wenn man sich einen Wochenpass besorgt.
macht. Zu gerne würde sie uns etInformation: Discover Dominica Authority, P.O. Box 293, Roseau, Commonwealth of Dominica,
was vorsingen, doch sie ist zu einem RadioinTel. +1767/448 20 45. Einzige deutschsprachige Vertretung: Fremdenverkehrsbüro von Dominiterview unterwegs und muss sich sputen. Eine
ca, Postfach 140223, D-70072 Stuttgart, Tel. +49/(0)711/2634 66 24, www.discoverdominica.
Stunde später, wir verspeisen gerade bei decom. Informationen über Dominica auf Deutsch auch auf www.travel2dominica.de.
zenter Radiomusik ein leckeres kreolisches
Anreise: Am günstigsten mit Air France, die von Paris aus direkt Guadeloupe anfliegt. Flugdauer
Abendessen im hauseigenen Restaurant, wird
8 Std. Weiter mit Air Guadeloupe oder per Schiff: L’Express des Iles, www.express-des-iles.com.
das Interview eingeblendet, und wir trauen
Einreise: Schweizer Bürger brauchen für
unseren Ohren nicht – Ophelia grüsst uns
die Einreise nach Dominica kein Visum.
übers Radio.
Gesundheit: Keine speziellen Impfungen
Wenn wir abends noch in die Stadt wollen,
notwendig. Die Insel ist malariafrei.
halten wir einfach einen der Minibusse an, die
Reisekosten: Das Preisniveau ist niedimmer irgendwo verkehren, und im Nu sind
wir mitten in der Szene cooler Kneipen, aus
riger als auf den teuren Nachbarinseln, gedenen Reggae und Calypso dröhnt. In den Gaszahlt wird in East Caribbean Dollar (EC).
sen herrscht reges Treiben. Die Lebensfreude,
1 CHF = ca. 2.55 EC (Stand Juli 2010).
die aus den Gesichtern strahlt, muss ein Rezept
Eine Übernachtung in einem Mittelklaszum Altwerden sein. Zumindest belegt das die
sehotel kostet zwischen CHF 70.– und
Statistik. Es gibt ungewöhnlich viele Zentena100.– pro Person.
ren, also Überhundertjährige, auf der Insel.
Klima: Beständig herrschen hohe LuftStanleys Mutter zählt da mit 84 noch zu den
feuchtigkeit und Temperaturen zwischen
Jungen. Legendär ist Ma Pampo, die 2003 im
25 und 30 Grad. Die Einheimischen witAlter von 128 Jahren starb. Wären ihre Gezeln gerne: «We have two seasons, a wet
burtsdokumente nicht einem Brand zum Opfer
and a wetter season.» Regenschauer falgefallen, würde sie als weltälteste Frau im Guilen also das ganze Jahr über, etwas weninessbuch der Rekorde stehen.
ger aber in der Trockenperiode zwischen
So klein die Insel mit 46 Kilometer Länge
Dezember und April. Die stets wehenden Passatwinde haben je nach Landschaftsprofil eine unund 26 Kilometer Breite eigentlich ist, sie lässt
terschiedliche Wirkung. Während die dem Atlantik zugewandte Ostküste rauer und regenreicher
sich keineswegs schnell besichtigen. Das merist, zeigt sich die Westküste fast immer sehr sonnig, und die See ist ruhig. Sommer und Herbst
ken wir, als wir uns ein Mietauto
ist die Zeit der Hurrikans.
nehmen. Allein um auf den serLiteratur: Der Reiseführer Lonely
pentinenreichen Strassen von der
Planet «Guadeloupe et Dominique»
Westküste zur Ostküste zu gelaninformiert am umfangreichsten (nur
gen, brauchen wir Stunden. Die
auf Französisch).
Fahrt ist abenteuerlich, nicht nur,
Der bekannteste Roman der auf
weil man sich erst an den LinksDominica geborenen Jean Rhys gibt
verkehr gewöhnen muss. Krabben
Einblick ins frühere Inselleben:
wetzen über den Asphalt, dann
«Sargassomeer», Berliner Taschenwieder liegen Steine auf der Strasbuch-Verlag.
se. Links und rechts sind die
Lesenswert ist das Abenteuer von
Schlaglochpisten von Autowracks
Lara Juliette Sanders, die ihren Karriegesäumt, was auch nicht unbedingt
rejob in München Hals über Kopf aufzur Beruhigung beiträgt. Irgendgab und einfach in ein Flugzeug stieg.
wann hat man sich an den HinderGelandet ist sie auf Dominica, wo sie
nislauf gewöhnt. Wir bummeln
sich ihren Traum, einen eigenen Film
durch Palmenalleen, an Bananenzu drehen, verwirklichen konnte. 2010
und Ananasplantagen, an Yamsfelist ihr Buch «Einfach davongeflogen»
dern vorbei, entdecken am Wegesim Hansanord-Verlag erschienen.
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karibik
rand mit Fackelingwer und Bougainvillea umsäumte Holzhäuser, imposante Feuerbäume
und dann wieder dichten Dschungel.
Zu Besuch bei den Kariben. In Hatton Gar-
den auf der Ostseite zweigt die Strasse zum
Carib Territory ab, dem letzten Refugium der
Ureinwohner. Sieben Dörfer liegen teils versteckt im Tropenwald. Entlang der Strasse
werden Korbwaren und Schnitzereien verkauft, ein Handwerk, das die Kariben fantas-
Naturdusche. Sich einmal fühlen wie Tarzan und
Jane (oben).
Fangglück. Fischer mit zwei prächtigen Exemplaren (rechts oben).
Veranda zum Meer. Hier wohnten schon die
Filmemacher von «Pirates of the Carribean» (r.)
tisch beherrschen, genauso wie die Bootsbaukunst. «Zwar sind wir Multitalente – Künstler,
Bootsbauer, Fischer und Selbstversorger zugleich –, doch viele halten sich mehr schlecht
als recht über Wasser», sagt Irvince Auguiste,
der viele Jahre Karibenhäuptling war. «Es fehlt
die Unterstützung vom Staat, es fehlt ein Krankenhaus, das Schulsystem ist dürftig und vieles
mehr.» Er zeigt uns, wie die Kariben, die sich
selbst Kalinago nennen, aus der Maniokwurzel
Cassavabrot herstellen, was aus Kokos alles
entstehen kann und wie ein Zimtbaum aussieht. Aus manchen Hütten weht Weihrauchgeruch. Das im Feuer schwelende Harz des
Gummibaums soll die Mücken vertreiben.
Irvince setzt sich stark für die Erhaltung
der Traditionen seines Volkes ein. Er organisiert Ausflüge, die Reisenden einen Einblick in
das Leben der Kariben und ihr profundes Wissen über Heilkräuter ermöglichen. Seit ein paar
Jahren gibt es auch ein Ecomuseum, um das
kulturelle Erbe für die Aussenwelt zu bewahren.
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Auf Papageienpirsch. Es schüttet wie aus Eimern. Wir flüchten an die Nordwestküste.
Strahlender Sonnenschein bei Portsmouth.
Rechts der weiten Bucht liegt die mit Trockenwald überzogene Halbinsel des Cabrits-Nationalparks und links Picard Beach, einer der
schönsten Strände der Insel. In einem der
Holzbungalows am Sandsaum quartieren wir
uns ein, nur 20 Schritte vor der Veranda liegt
die Riesenbadewanne. Pelikane fliegen vorbei,
Papaya und Sternfrüchte wachsen uns fast in
den Mund.
Die Hütten tragen Namensschilder der
Filmcrew, die während der Dreharbeiten zu «Pirates of the Caribbean» hier gehaust hat. Fast
jeder, auch Markus, der uns auf einer Bootstour
durch einen verwunschenen Mongrovenwald
schippert, weiss Anekdoten über die Dreharbeiten zum zweiten und dritten Teil des Films
zu erzählen, die das gemütliche Leben Dominicas für eine Weile auf den Kopf gestellt hatten.
Ziel unserer Flussfahrt ist eine Dschungelbar,
wo die hübsche Thora teuflisch gute Cocktails
mixt. Teufelchen, Diablotin, wird auch ein Vogel genannt, der normalerweise an der
Küste lebt, dann aber plötzlich im Landesinneren aufgetaucht ist. Seither
heisst der Vulkan südöstlich von Portsmouth Morne Diablotin, mit 1447 Metern der höchste Gipfel der Insel. Das
Gebiet zu seinen Füssen heisst Devil’s
Land und ist ein Nationalpark, welchen
wir am nächsten Tag besuchen wollen.
Die endemischen Papageienarten
Sisserou und Jaco sollen sich dort besonders gut beobachten lassen.
Mit Lambert Charles sind wir in
aller Herrgottsfrühe am Besucherzentrum verabredet. Der Vogel- und
Pflanzenkundler ist voll ausgerüstet in
regendichter Gummimontur, Fernglas-behangen, ein Stativ-Fernrohr im
Schlepptau. Wir pirschen den Syndicate-Trail entlang. Der botanische
Lehrpfad führt uns zu verschiedenen
Spähposten, wo sich die Papageien relativ leicht beobachten lassen. Wir
brauchen auch nicht lange auszuharren, schon flattert ein ganzer Schwarm
über die Baumwipfel.
50 GLOBETROTTER-MAGAZIN herbst 2010
Mangrovenfluss. Lautlos durchs Dickicht (links).
Wie ein Drache. Urtümlicher Leguan (oben).
Schönheit. Auch Vögel lieben Orchideen (rechts).
Kundiger Führer. Unterwegs mit dem Vogel- und
Pflanzenkundler Lambert Charles (unten).
Wir können beobachten, wie sich zwei Vögel zanken. Vielleicht um einen Nistplatz? Der
kleinere, frechere Jaco vertreibt den grösseren
Sisserou gerne und entwickelt sich dadurch
besser, erzählt Lambert. Wissenschaftler schätzen den Bestand zurzeit auf etwa 1100 Exemplare, während derjenige des Sisserou nur um
die 300 liegt. Dennoch hat sich, seit die Vögel
geschützt sind, ihre Zahl verdreifacht. Früher
wurden sie gejagt und wären fast ausgestorben.
Strandhotel für Leguane. Eine andere Be-
sonderheit in der Fauna Dominicas finden wir
an der Sunset Bay bei Coulibistrie. Das Ho-
telareal des Ehepaares Dutrieux ist Heimat einer vom Aussterben bedrohten endemischen
Leguanart. Die Iguana Delicatissima werden
immer mehr von einer aus Südamerika eingeführten Echsenart vertrieben. Gleichfalls setzt
ihnen der Stras­senverkehr zu. Die Sunset Bay
war ihnen von jeher Balz- und Brutstätte, und
seit dem Bau der Bungalowanlage ist eben der
Garten des Sunset Bay Clubs ihr liebstes Nest.
Als wir unseren Bungalow beziehen wollen,
wissen wir das noch nicht. Da lässt sich prompt
ein «Dinosaurier» vom Baum vor unsere Füsse
fallen, rollt nur arrogant seine Augen und
schlurft dann erhobenen Hauptes davon, während uns das Herz fast stehen bleibt. Wir gewöhnen uns aber schnell an die netten Gäste.
Die bis zu 1,20 Meter langen Reptilien flössen
zwar mächtig Respekt ein, stellen aber keine
Gefahr dar. Mit dem kalifornischen Biologe
Dr. Charles Knapp, der hier mit seinem Team
seit Jahren Stammgast ist, kommen wir ins Gespräch. «Das Strandhotel bietet den Tieren
Schutz, und die Überlebenschancen der Jungen
sind höher als anderswo. Zahlreiche Leguane
haben wir mit Sendern ausgestattet und dadurch wertvolle Erkenntnisse über ihre Lebens- und Verhaltensweise sammeln können.»
Als krönenden Abschluss unserer Reise
melden wir uns für eine Walbeobachtungstour
an. Die «Elefanten der Meere» tummeln sich
gerne in den tiefen Gewässern vor Dominica.
Wir fahren gar nicht einmal so weit raus, da
deutet der Skipper schon aufgeregt auf einen
Punkt, und in der Ferne sehen wir tatsächlich
die Wasserfontäne eines Wals. Wenig später
wälzt sich ein Leib für kurze Sekunden direkt
vor uns aus dem Wasser. Wir stieren weiter aufs
Meer, in der Hoffnung, mehr von den eindrücklichen Wesen zu sehen. Nichts passiert.
Dann aber taucht eine Gruppe von Delphinen
auf. Wie Blitze schiessen sie am Boot vorbei,
vollführen elegante Sprünge, kehren um, starten ihr Spiel von Neuem. Und am Horizont
spannt sich über Dominica ein Reigen von Regenbögen. Das Bild prägt sich uns für alle Ewigkeit ein.
[email protected]
© Globetrotter Club, Bern
karibik
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