Shoppingtourismus im internationalen Vergleich - ISG

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Shoppingtourismus im internationalen Vergleich - ISG
Shoppingtourismus
im internationalen Vergleich
Wachstumsimpulse für Tourismus
und Einzelhandel in Deutschland
Projektnummer 56/03
Bearbeitung:
ECON-CONSULT
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Beratungsgesellschaft mbH & Co. KG
EHI – EuroHandelsinstitut GmbH
Universität Trier
Fachbereich VI Geographie/Geowissenschaften
Angewandte Geographie/Fremdenverkehrsgeographie
Fertigstellung und Endredaktion:
ISG – Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik
Barbarossaplatz 2, 50674 Köln
Internet: www.ISG-Institut.de
Köln, im Juni 2005
INHALTSVERZEICHNIS
1
AUFGABENSTELLUNG UND AUFBAU DER STUDIE
3
2
BEGRIFFSBESTIMMUNGEN UND FORMEN DES SHOPPINGTOURISMUS
5
2.1 Definition und Abgrenzung
5
2.1.1
Begriffsbestimmung „Shopping“
5
2.1.2
Begriffsbestimmung „Tourismus“
7
2.1.3
Definition und Abgrenzung des Begriffs „Shoppingtourismus“
9
2.2 Systematisierung der Shoppingtourismusdestinationen
3
4
12
2.2.1
Klassische Orte des Erlebniseinkaufs
13
2.2.2
Neue Orte des Erlebniseinkaufs
17
2.2.3
Sonderform Cross-Border-Shopping
25
2.2.4
Fazit zu den verschiedenen Destinationen des Shoppingtourismus
26
QUANTITATIVE BEDEUTUNG DES SHOPPINGTOURISMUS IN DEUTSCHLAND
28
3.1 Die Ausgaben verschiedener Personengruppen an den Destinationstypen
28
3.2 Gesamtumsatz durch Shoppingtourismus
37
3.3 Umsätze im Shoppingtourismus nach Warengruppen
40
3.4 Umsätze im Shoppingtourismus durch Besucher aus dem Ausland
41
3.5 Durch Shoppingtourismus induziertes Wachstumspotenzial in regionaler Hinsicht
44
SHOPPINGTOURISTISCHE DESTINATIONEN IM INTERNATIONALEN VERGLEICH
49
4.1 Beispielhafte Gegenüberstellung von Shoppingtourismus Destinationen
49
4.1.1
Großstädte als shoppingtouristische Anziehungspunkte
49
4.1.2
Shopping-Center, Shopping-Malls und Urban Entertainment Center
56
4.1.3
Der ländliche Raum als shoppingtouristischer Anziehungspunkt
59
4.1.4
Factory-Outlet-Center
63
4.1.5
Cross-Border-Shopping
64
4.1.6
Exkurs: Die Lage in Ostdeutschland
68
4.1.7
Sonstige shoppingtouristische Destinationen
68
4.2 Nachfragestrukturen im Shoppingtourismus
71
4.3 Erfolgsfaktoren für Shoppingtourismus
83
4.3.1
Generelle Rahmenbedingungen
84
4.3.2
Art und Umfang des Angebotes
86
4.3.3
Preis
88
4.3.4
Erreichbarkeit
89
4.3.5
Infrastruktur
90
4.3.6
Bekanntheit und Marketing
92
1
5
6
7
TRENDS DER ENTWICKLUNG DES SHOPPINGTOURISMUS
96
5.1 Einzelhandelsentwicklung in Deutschland
96
5.2 Bewertung aktueller Markttrends zur Entwicklung des Tourismus in Deutschland
97
5.2.1
Trend zu mehr internationalen Reisen
97
5.2.2
Auswirkungen der EU-Osterweiterung
98
5.2.3
Japan und China als bedeutende Märkte in Asien
104
5.2.4
Deutschland als wichtigstes Reiseland der Deutschen
106
5.2.5
Zunahme der Bevölkerung über 55 Jahre in Traditionsquellmärkten
107
5.2.6
Low-Cost Carrier erschließen neue Potenziale für Destinationen
108
5.2.7
Großereignis FIFA WM Deutschland 2006
111
5.3 Entwicklungspotenzial des Marktsegmentes Shoppingtourismus
112
HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
120
6.1 Ausgangslage
120
6.2 Kooperationen und Marketing
122
6.3 Maßnahmen der Unternehmen aus dem Einzelhandel
123
6.4 Empfehlungen für die Kommunen
125
6.5 Empfehlungen auf regionaler Ebene
130
6.6 Handlungsempfehlungen an Kammern, Handelsverbände und Tourismuswirtschaft
131
6.7 Handlungsempfehlungen auf Bundesebene
133
6.8 Handlungsempfehlungen auf Länderebene
134
6.9 Empfehlungen zur EU-Osterweiterung
134
6.10 Projektvorschläge
136
ZUSAMMENFASSUNG
144
ANHANG
148
1. Methodik
149
2. Leitfadengestützte Experteninterviews
154
3. Literaturverzeichnis
158
2
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:
Merkmale von Erlebnis-Shopping und Versorgungseinkauf .................................. 6
Tabelle 2:
Freizeitaktivitäten 2002 und im Zeitvergleich in % der bundesdeutschen
Bevölkerung (Repräsentativbefragung) .................................................................. 7
Tabelle 3:
Bausteine eines Urban Entertainment Centers .................................................... 21
Tabelle 4:
Ausgaben von Shoppingtouristen in € ................................................................. 29
Tabelle 5:
Ausgaben von Tages-Einkaufskunden von weit außerhalb des üblichen
Einzugsgebietes (pro Tag).................................................................................... 31
Tabelle 6:
Ausgaben von Tagesgeschäftsreisenden (pro Tag)............................................. 32
Tabelle 7:
Ausgaben von Transitreisenden .......................................................................... 33
Tabelle 8:
Ausgaben von Kurzurlaubern in € ........................................................................ 33
Tabelle 9:
Ausgaben von Urlaubsgästen in €....................................................................... 34
Tabelle 10:
Ausgaben von übernachtenden Geschäftsreisenden in €................................... 34
Tabelle 11:
Ausgaben von Besuchern von Großstädten........................................................ 35
Tabelle 12:
Ausgaben von Besuchern im ländlichen Raum ................................................... 36
Tabelle 13:
Ausgaben von Besuchern von Orten mit regional bedeutender Einkaufsmöglichkeit ........................................................................................................... 36
Tabelle 14:
Ausgaben von Übernachtungsgästen.................................................................. 37
Tabelle 15:
Basisdaten der amtlichen Statistik für die Schätzung der Einzelhandelsumsätze......................................................................................................................38
Tabelle 16:
Hochrechnung des durch Shoppingtourismus bedingten Einzelhandelsumsatzes ...................................................................................................................39
Tabelle 17:
Schätzung der Umsatzverteilung des Shoppingtourismus auf Warengruppen ....41
Tabelle 18:
Umsatz im Einzelhandel durch ausländische Shoppingtouristen ........................ 42
Tabelle 19:
Ankünfte, Aufenthaltsdauer und Übernachtungen von Ausländern in
Deutschland 2004 ............................................................................................................... 43
Tabelle 20:
Übernachtungen von Ausländern in Deutschland in Relation zur Einwohnerzahl
der Herkunftsländer 2004 (Länder mit mindestens 0,5 Mio. Übernachtungen)... 44
Tabelle 21:
Verteilung der Übernachtungen in deutschen Regionen (2003) ......................... 48
Tabelle 22:
Vergleich der Lebenshaltungskosten in der Europäischen Union 2004 Belgien=100 ...................................................................................................................55
Tabelle 23:
Besucher und Fluggäste in europäischen Großstädten ...................................... 56
Tabelle 24:
Orte der Passantenbefragung ............................................................................. 71
Tabelle 25:
Bewertung der Attraktivität der Shoppingdestinationen insgesamt in % ............. 82
Tabelle 26:
Entwicklung der Übernachtungen von Polen in Ostdeutschland....................... 100
Tabelle 27:
Potenzialanalyse für den deutsch-polnischen und deutsch-tschechischen
Grenzbereich 2004-2007 ................................................................................... 103
Tabelle 28:
Abschätzung des Potenzials für den deutschen Einzelhandelsumsatz
durch Shoppingtourismus 2010 ......................................................................... 114
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:
Versorgungseinkauf und Erlebniseinkauf: Abstufungen ..................................... 5
Abbildung 2:
Abgrenzung der shoppingtouristischen Destinationen...................................... 11
Abbildung 3:
Formen von Mixed-Use-Centern im Überblick .................................................. 19
Abbildung 4:
Ausgaben der Befragten für Einkäufe (in €, in %)............................................. 30
Abbildung 5:
Klassifizierung von Shoppingtouristen .............................................................. 30
Abbildung 6:
Ankünfte von Übernachtungsgästen aus dem Ausland in Deutschland ........... 43
Abbildung 7:
Anteile der Übernachtungs- bzw. Tagesgäste nach Destinationstypen (in %) .. 72
Abbildung 8:
Reiseart der Befragten nach Destinationstypen (in %) ..................................... 73
Abbildung 9:
Altersstruktur der Befragten nach Destinationstypen (in %) ............................. 74
Abbildung 10: Einkommen der Befragten nach Destinationstypen (in %) ............................... 75
Abbildung 11: Herkunft der Befragten nach Destinationstypen (in %) ..................................... 77
Abbildung 12: Reiseanlass aller Befragten nach Destinationstypen (in %) ............................. 77
Abbildung 13: Reiseanlass der Tagesgäste nach Destinationstypen (in %)............................ 78
Abbildung 14: Reiseanlass der Übernachtungsgäste nach Destinationstypen (in %) ............. 79
Abbildung 15: Informationsquellen über den Besuchsort nach Destinationstypen in % .......... 80
Abbildung 16: Anreiseverkehrsmittel der Befragten nach Destinationstypen (in %)................ 81
Abbildung 17: Flughäfen in Deutschland mit „Low-Cost-Carrier“-Angebot ............................ 109
Übersichtenverzeichnis
Übersicht 1:
Modellrechnungen zu den zusätzlichen Effekten von Shoppingtourismus ....... 40
Übersicht 2:
Eckdaten zur gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des Shoppingtourismus....... 45
Übersicht 3:
Erfolgsfaktoren von Düsseldorf und Mailand .................................................... 50
Übersicht 4:
Erfolgsfaktoren von Berlin und London ............................................................. 52
Übersicht 5:
Erfolgsfaktoren von München und Paris London .............................................. 53
Übersicht 6:
Erfolgsfaktoren von Dresden und Leipzig ......................................................... 54
Übersicht 7:
Untersuchte Shopping-Center........................................................................... 56
Übersicht 8:
Bloomington: Mall of America............................................................................ 57
Übersicht 9:
Erfolgsfaktoren von Shopping-Centern und Shopping-Malls ........................... 58
Übersicht 10: Sheffield: Meadowhall UK ................................................................................. 59
Übersicht 11: Im ländlichen Raum untersuchte Destinationen des Shoppingtourismus......... 60
Übersicht 12: Erfolgsfaktoren von Idar-Oberstein und den Glasmanufakturen,
Südschweden ................................................................................................... 61
Übersicht 13: Erfolgsfaktoren von Mettlach und Roubaix ....................................................... 62
Übersicht 14: Untersuchte Outlet-Center bzw. Fabrikverkäufe ............................................... 63
Übersicht 15: Erfolgsfaktoren des DOC Zweibrücken und des DOC Parndorf ....................... 63
Übersicht 16: Untersuchte Orte mit Cross-Border-Shopping .................................................. 64
Übersicht 17: Erfolgsfaktoren des DOC Zweibrücken und des DOC Parndorf ....................... 65
Übersicht 18: Erfolgsfaktoren des FOC Roermond und des Cross-Border-Shoppings
Flensburg ........................................................................................................... 66
Übersicht 19: Erfolgsfaktoren von Maasmechelen und Frankfurt/Oder .................................. 67
Übersicht 20: Regionale Potenziale für die Zielgruppen für Shoppingtourismus in
Deutschland .................................................................................................... 115
1
AUFGABENSTELLUNG UND AUFBAU DER STUDIE
Zielsetzung der Studie und Ausgangssituation
Einkaufen ist für viele Menschen längst zu einer Freizeitbeschäftigung geworden, die keineswegs nur in der Nähe des eigenen Wohnortes durchgeführt wird. Bei vielen Tagesausflügen, Urlaubs- oder Geschäftsreisen ist heute ‘‘Shopping’‘ ein wichtiges Motiv. Bei etwa jedem siebten Anlass ist ‘‘Shopping’‘ sogar der entscheidende Auslöser für die Reise, auf diesen ‘‘harten Kern’‘ der Shoppingtouristen entfallen fast 70 % der Ausgaben aller Touristen im
Einzelhandel1. Trotz der großen ökonomischen Bedeutung von Städtereisen im Allgemeinen
und des Shoppingtourismus im Besonderen stand die Reiseform ‘‘Shoppingtourismus’‘ in
Deutschland in der Vergangenheit weder beim Einzelhandel noch im Gastgewerbe im Blickfeld.
‘‘Shoppingtourismus’‘ wird von Experten aus Einzelhandel und Tourismus als Wachstumssegment gesehen, von dem Deutschland stärker als bisher profitieren kann. Weltweit lassen
sich Beispiele für erfolgreiche strategische Marketingpolitik und sinnvolle Kooperationsstrukturen finden, nicht nur auf Ebene einzelner Unternehmen oder Kommunen, sondern auch regional oder national.
Die Rahmenbedingungen für mehr ‘‘Shoppingtourismus‘‘ in Deutschland sind jedoch genauer zu betrachten: Einerseits gibt es Wachstumsimpulse durch den Trend zu Kurzreisen und
zu Städtetourismus, den Boom der ‘‘Low-Cost-Carrier‘‘ und die Verbreitung neuer Angebotsformen (z.B. Factory-Outlet Center). Andererseits hat der Einzelhandel in Deutschland mit
Umsatzrückgang zu kämpfen, hinzu kommen städtebauliche oder landesplanerische Einschränkungen der Handlungsfreiheit, schließlich sind auch Marketingkooperationen zwischen Handel und Tourismus noch nicht allzu weit verbreitet.
Die Ausgangssituation auf dem Gebiet des Shoppingtourismus und hier vor allem des internationalen Tourismus, d.h. die Attraktivität Deutschlands als Einkaufsziel für ausländische
Touristen, lässt Defizite erkennen bzw. ungenutzte Potenziale vermuten. So stellten sich die
Effekte der Low-Cost-Carrier derzeit eher als Einbahnstraße dar: Per saldo fliegen erheblich
mehr deutsche Touristen zu ausländischen Shoppingdestinationen als Ausländer nach München, Berlin, Köln etc., man schätzt ein Verhältnis von z.Z. 80 : 20 %.
Aus diesem Grund hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit die Projektgemeinschaft ECON-Consult, EuroHandelsinstitut und Fachbereich Fremdenverkehrsgeographie
der Universität Trier beauftragt, die aktuelle Situation im Bereich des Shoppingtourismus zu
untersuchen und Empfehlungen zu entwickeln, wie die Potenziale dieses Marktes zukünftig
verstärkt ausgeschöpft werden können.
Im Einzelnen soll die Studie folgende Schwerpunkte beinhalten:
1
•
Darstellung der Entwicklungstrends des Shoppingtourismus im internationalen Vergleich.
•
Analyse der Entwicklungspotenziale und Bewertung der Strategien und Erfolgsfaktoren der verschiedenen Formen des Shoppingtourismus in Städten und Regionen
Deutschlands.
•
Vergleichende Analyse von Fallbeispielen: insbesondere unter dem Aspekt des Zusammenwirkens und der Nutzung von Synergien zwischen Handels- und Tourismusbranche.
•
Untersuchungen der Wirkungen auf die Umsatzentwicklung in Handel und Tourismus
sowie in vor- und nachgelagerten Bereichen der Volkswirtschaft.
vgl. im Detail Kapitel 3.2.
3
•
Bewertung der Rahmenbedingungen im Vergleich zu anderen Ländern.
•
Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf den grenzüberschreitenden Einkaufstourismus.
Projektablauf
Das Forschungsprojekt startete im Februar 2004, am 10. Mai 2004 wurde von den drei Projektpartnern ein Zwischenbericht vorgelegt. Dabei stand die Darstellung shoppingtouristisch relevanter Angebotsstrukturen (Destinationen) im Vordergrund. Weiterhin wurden die Ergebnisse
der bis dahin bereits durchgeführten Erhebungen und Befragungen dargestellt. Wie im Anhang
ersichtlich ist, wurde das Projekt in mehrere aufeinander aufbauende Phasen gegliedert.
Auf Basis der damit vorliegenden Informationen und unter Einbeziehung der Diskussionsergebnisse eines am 27.07.2004 im BMWA durchgeführten Workshops mit Experten aus
Handel und Tourismus wurden im weiteren Verlauf des Projektes Erfolgsfaktoren herausgearbeitet und Handlungsempfehlungen entwickelt. Hinzu kam eine aktuelle Marktanalyse, die
auch die Potenziale für einen Ausbau des Shoppingtourismus in Deutschland berücksichtigt
und einer Prognose bis 2010 zugrunde liegt.
Die Ergebnisse der Studie wurden im Rahmen eines abschließenden Workshops am 20. Januar 2005 im BMWA präsentiert. Der hier vorliegende Endbericht greift die Ergebnisse dieses Workshops auf.
Methodik
Um dem komplexen Thema gerecht zu werden, wurde von den Bearbeitern zur Erstellung
der vorliegenden Studie ein Methodenmix gewählt, der im Wesentlichen aus Literatur- und
Internetrecherchen zur Operationalisierung des Shoppingtourismus und Auswahl der näher
zu betrachtenden Destinationen, Passanteninterviews mit Shoppingtouristen und leitfadengestützten Expertengesprächen mit Vertretern der Tourismus- und Einzelhandelsbranche
besteht. Detaillierte Informationen zur methodischen Vorgehensweise finden sich im Anhang.
Die Zwischenergebnisse wurden, wie bereits erwähnt, in zwei Workshops beim Auftraggeber
mit Experten aus Handel und Tourismus diskutiert.
Der gewählte Methodenmix liefert ausreichend differenzierte Informationen und Erkenntnisse
über die bisher wenig analysierte Zielgruppe der ‘‘Shoppingtouristen‘‘, sodass auf dieser Basis die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen für die unterschiedlichen Akteure auf unterschiedlichen Ebenen möglich ist.
Aufbau der Studie
In Kapitel 1 wird zunächst die Aufgabenstellung, Zielsetzung und der Aufbau der Studie dargelegt. In Kapitel 2 erfolgt eine Begriffsbestimmung des Shoppingtourismus und eine Kategorisierung der Formen des Shoppingtourismus und seiner Destinationen.
Kapitel 3 beinhaltet eine Analyse der Relevanz des Shoppingtourismus für den Umsatz des
deutschen Einzelhandels.
Anschließend werden in Kapitel 4 ausgewählte internationale und nationale shoppingtouristische Ziele beschreibend verglichen, um Erfolgsfaktoren für Shoppingdestinationen herauszuarbeiten.
Kapitel 5 beinhaltet eine Analyse der im Bereich des Shoppingtourismus in den kommenden
Jahren zu erwartenden Entwicklungen.
In Kapitel 6 werden Handlungsempfehlungen zum Ausbau des Shoppingtourismus in
Deutschland gegeben und in Kapitel 7 werden die wichtigsten Ergebnisse der Studie zusammengefasst.
4
2 BEGRIFFSBESTIMMUNGEN UND FORMEN DES SHOPPINGTOURISMUS
2.1 Definition und Abgrenzung
Der Begriff Shoppingtourismus ist einer Reihe von Abgrenzungsschwierigkeiten unterworfen.
Diese Problematik bezieht sich sowohl auf den Begriff ‘‘Shopping‘‘, also die für diese Art des
Einkaufs typischen Ausprägungen hinsichtlich der Verhaltensmuster der Konsumenten, dem
Warenangebot und den Orten, an denen Shopping stattfindet. Aber auch der Begriff ‘‘Tourismus‘‘ gibt Anlass zur näheren Betrachtung, da er bezüglich seiner Motive und seiner Dauer abgegrenzt werden muss. Der Analyse des Marktes für Shoppingtourismus muss folglich
zunächst eine abgrenzende Begriffsdefinition vorangestellt werden.
2.1.1 Begriffsbestimmung ‘‘Shopping‘‘
In einer Untersuchung über den Zusammenhang von Freizeit und Einzelhandel am Beispiel
der Stadt Edmonton, Kanada, und der West Edmonton Megamall aus dem Jahr 1998 beschreibt GERHARD2 ‘‘... den Versorgungskonsum als den Erwerb lebensnotwendiger Güter,
bei dem die Kaufentscheidung aufgrund von rationalen Entscheidungsprozessen erfolgt.
Beim Erlebniseinkauf steht dagegen der Vergnügungsaspekt im Vordergrund, Einkaufengehen ist also eine Freizeitbeschäftigung, die dem Kaufenden Spaß bereitet, ohne versorgungsrelevanten Notwendigkeiten zu unterliegen.‘‘
Abbildung 1: Versorgungseinkauf und Erlebniseinkauf: Abstufungen
Versorgungseinkauf
(functional activity)
quartermastering
Erlebniseinkauf
(leisure activity)
technical
expressive
recreational
Quelle: GERHARD 1998, S. 27
Die Unterscheidung dieser zwei verschiedenen Einkaufsarten kommt im Englischen durch
die beiden Vokabeln purchasing und shopping zum Ausdruck, die im Deutschen praktisch
unterschiedslos mit Einkaufengehen übersetzt werden. Purchasing meint umgangssprachlich
jedoch die Erledigung von notwendigen Besorgungen, während unter shopping ein eher freizeitorientiertes Schlendern im Einkaufszentrum oder der Innenstadt verstanden wird3.
Erweiterungen erfährt der Begriff Shopping in Form von ‘‘going shopping‘‘ als Gegensatz zu
‘‘doing the shopping‘‘4 oder als ‘‘pleasurable shopping‘‘5. Die Übergänge sind dabei fließend,
wie aus Abbildung 1 hervorgeht. Zudem ist es bislang noch nicht gelungen, eine stringente
Abgrenzung der beiden Dimensionen des Einkaufens zu erarbeiten. GERHARD stellt die
Dimensionen des Erlebniseinkaufs und des Versorgungseinkaufs in ihren unterschiedlichen
Ausprägungen tabellarisch gegenüber:
2
3
4
5
vgl. GERHARD 1998, S. 27.
vgl. GERHARD 1998, S. 27.
vgl. BOWLBY 1997, S. 102 f.
vgl. LEHTONEN/MÄENPÄÄ 1997, S. 143.
5
Tabelle 1: Merkmale von Erlebnis-Shopping und Versorgungseinkauf
Erlebnis-Shopping
Versorgungseinkauf
Zeit konsumierend/zeitaufwändig
zeiteffizient
zielloses Schlendern durch eine größere Zahl von
gezieltes Aufsuchen von Läden
Läden
keine geplanten Einkäufe, spontanes, impulsives
geplante Einkäufe
Kaufverhalten (Impulskäufe)
relativ hohes Ausgabenvolumen (Vorratsnicht unbedingt hohes Ausgabenvolumen
einkäufe)
Kauf von Waren, die begehrt, aber nicht unbeKauf von Gebrauchs- und Verbrauchsgütern (z.B.
dingt gebraucht werden
Lebensmittel, technische Geräte)
Abwesenheit von Zwängen/Verpflichtungen
Notwendigkeit
häufig in Begleitung von Verwandten oder Bekannten
häufig allein
Hohe Erlebnis- und Vergnügungskomponente
-
verbunden mit einem Imbiss/Kaffee
-
Einkauf für sich selbst, nicht andere (Ausnahme:
Geschenke)
verbunden mit bestimmten Einzelhandelsbranchen (Souvenirs, Kleidung, etc.)
Einkauf insbesondere für andere (z.B. Familie)
eher verbunden mit Lebensmitteln, technischen
Geräten und Ähnlichem
geringe Preisorientierung
starke Preisorientierung
Attraktive Umgebung ausschlaggebend (Einkaufszentrum, Altstadt)
autoorientierte Lage, nicht unbedingt attraktive
Umgebung
Atmosphäre nicht wichtig, zum Teil LagerhallenCharakter
Atmosphäre wichtig
Quelle: GERHARD 1998, S. 31
Aus der obenstehenden Übersicht geht hervor, dass die Merkmalsunterschiede fließend sind
und es sich bei Einkaufsgängen häufig um eine Kombination verschiedener Motive handelt.
Deutlich kommt bei dieser Gegenüberstellung jedoch zum Vorschein, dass der Erlebniseinkauf über die Funktion der Bedarfsdeckung hinausgeht und als eine Art ‘‘Freizeitbeschäftigung‘‘ eingestuft werden kann. Nach B.A.T.6 ergibt eine Studie zum Freizeitverhalten der
Deutschen, dass ‘‘Einkaufsbummel‘‘ von bis zu 30 % der Bevölkerung als Lieblingsbeschäftigung unter den Freizeitaktivitäten genannt wird, ebenso wie ‘‘Essen gehen‘‘ oder ‘‘mit
Freunden etwas erleben‘‘. Die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs wird hingegen
meist als Last angesehen und aufgrund von Zeitknappheit und Bequemlichkeit (convenience) möglichst im Rahmen eines wöchentlichen Großeinkaufs (one-stop-shopping) erledigt.
Der Bereich des Erlebnis-Shopping zeichnet sich also primär durch Elemente aus, die mit einem tradierten Versorgungsverständnis nur noch wenig gemein haben, sondern eindeutig
Freizeitcharakter aufweisen7.
Besonders das Merkmal ‘‘Preisorientierung‘‘ ist differenziert zu betrachten. Während GERHARD8 den Erlebniseinkauf mit einer geringen Preisorientierung charakterisiert, zeigt die
Praxis der erfolgreichen Shoppingtourismusdestinationen im In- und Ausland, dass gerade
das Gefühl, ein vermeintliches Schnäppchen gemacht zu haben, wesentlich zum Einkaufserlebnis beiträgt, für verschiedene Ausprägungen sogar eine der maßgeblichen Komponenten
6
7
8
B.A.T. Freizeit-Forschungsinstitut 2003, S. 10.
vgl. QUACK 2001, S. 29.
vgl. GERHARD 1998, S. 31.
6
ist. Diesen Aspekt bringt KREILKAMP9 auf die einfache Formel: ‘‘Das Erlebnis beim Einkauf
darf nicht nur darin bestehen, clever bei den Ausgaben zu sein!‘‘ In diesem Statement kommt
anders als in der Übersicht von GERHARD die Bedeutung der Preisgestaltung für das Shoppingerlebnis deutlich zum Ausdruck.
Tabelle 2: Freizeitaktivitäten 2002 und im Zeitvergleich in % der bundesdeutschen
Bevölkerung (Repräsentativbefragung)
...aktiv sein, Unternehmungen machen
Fahrrad fahren
Einkaufsbummel machen
wandern, spazieren gehen
mit dem Auto / Motorrad /
Moped herumfahren
Essen gehen
mit Tieren beschäftigen*
baden gehen
selbst Sport treiben
Tagesausflug machen
tanzen gehen
bei Sportveranstaltungen
zuschauen
auf Flohmärkte / Basare gehen
Wochenendfahrt (mit mind. einer
Übernachtung) machen
Freizeitpark besuchen
un Zoo / Tierpark gehen
1993
1995
1997
1999
2000
2001
2002
32
33
32
33
33
33
32
31
29
32
31
30
31
33
33
32
36
32
33
33
33
24
22
20
19
20
27
30
26
10
22
17
20
13
26
12
27
18
19
11
25
12
35
17
18
11
25
11
27
16
18
10
28
11
23
17
17
10
28
22
22
18
19
11
27
23
21
21
19
12
11
12
10
9
11
12
11
9
11
9
10
12
11
10
7
7
8
7
8
8
7
5
5
-
7
4
-
6
4
-
5
5
-
6
5
-
6
4
2
5
4
3
Camping / Caravaning
Quelle: B.A.T. Freizeit-Forschungsinstitut 2003, S. 10.
2.1.2
Begriffsbestimmung ‘‘Tourismus‘‘
Zur näheren Definition des Shoppingtourismus soll der Begriff ‘‘Tourismus‘‘ selbst fassbar
gemacht werden. Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts, also seitdem immer breiter werdende Bevölkerungsschichten am Fremdenverkehr teilnehmen, wird im deutschsprachigen
Raum versucht, diesen definitorisch einzugrenzen. Die Definitionen orientieren sich dabei an
den konstitutiven Elementen des Fremdenverkehrs. Diese sind:
•
Der Ortswechsel von Personen vom gewöhnlichen Aufenthaltsort zu einem fremden
Aufenthaltsort mit einem entsprechenden Verkehrsmittel.
•
Der vorübergehende Aufenthalt an einem fremden Aufenthaltsort.
•
Die Motive des Ortswechsels.10
In einer vergleichenden Analyse der Abgrenzungsversuche kategorisiert FREYER11 folgende
Tourismusbegriffe:
9
10
11
vgl. KREILKAMP 2002, S. 8.
vgl. FREYER 1998, S. 2.
vgl. FREYER 1998, S. 4.
7
•
Weiter Tourismusbegriff: ‘‘Tourismus umfasst alle Erscheinungen, die mit dem Verlassen des gewöhnlichen Aufenthaltsortes und dem Aufenthalt am anderen Ort verbunden sind‘‘.
•
Engere Tourismusbegriffe: ‘‘Sie grenzen Tourismus vor allem hinsichtlich der
Zeit/Reisedauer, des Ortes/der Entfernung und der Motive des Ortswechsels und der
wissenschaftlichen Schwerpunktsetzung ein‘‘.
•
Touristischer Kernbereich: ‘‘Bei allen Tourismusdefinitionen ist die – mindestens –
mehrtägige Urlaubs- und Erholungsreise enthalten (touristischer Kernbereich). Uneinigkeit besteht vor allem, ob z.B. Geschäftsreisen (Motiv), Tagesreisen (Zeit), Ausflugsreiseverkehr (Entfernung), Studien- und Arbeitsaufenthalte (nicht vorübergehend)
usw. zum Tourismus zu rechnen sind‘‘.
Weitgehend anerkannt unter den Bestimmungen des weiten Tourismusbegriffs ist die Definition des Fremdenverkehrs nach KASPAR12: ‘‘Fremdenverkehr ist die Gesamtheit aller Beziehungen und Erscheinungen, die sich aus der Reise und dem Aufenthalt von Personen ergeben, für die der Aufenthaltsort weder hauptsächlicher noch dauernder Wohnort noch Arbeitsort ist’‘.
Der Begriff ‘‘Fremdenverkehr‘‘ ist hier gleichzusetzen mit dem Begriff ‘‘Tourismus‘‘.
Geschäftstourismus ist in KASPARs Verständnis als Motiv nicht ausgenommen;
Berufspendler sind jedoch nicht dem Tourismus zuzurechnen. Lediglich der Charakter des
Tourismus als zeitlich begrenzter Aufenthaltsortswechsel kommt in seiner Definition zum
Tragen und erlaubt so die weitere Betrachtung und Kategorisierung aller hiermit
verbundenen Phänomene wie etwa dem erlebnisorientierten Einkauf, der während der
Beteiligung am Tourismus stattfindet.
Diese Definition soll folglich zur weiteren Festlegung des Begriffs ‘‘Shoppingtourismus‘‘ herangezogen werden, zumal die Welt-Tourismus-Organisation WTO eine vergleichbare definitorische Grundlage als Basis ihrer statistischen Erhebungen nutzt:
‘‘Tourism comprises the activities of persons travelling to and staying in places outside their
usual environment for not more than one consecutive year for leisure, business and other
purposes”13.
KASPARs Definition erlaubt neben dem Fremdenverkehr mit Übernachtungsaufenthalt auch
den hinsichtlich der Betrachtung des Shoppingtourismus hochgradig relevanten Tagesbesuchsverkehr (ohne Übernachtung) mit einzubeziehen, der in manchen Definitionsversuchen nicht dem Tourismus, sondern dem Freizeitverkehr zugeschrieben wird. Die sinkenden
Preise im Flugmarkt erlauben es aber heute, Tagesausflüge nicht nur ins benachbarte Ausland, sondern beispielsweise auch von Deutschland nach Italien durchzuführen. Es lässt sich
also zunehmend eine Konvergenz von Freizeit und Tourismus beobachten, durch die in der
Folge strikte definitorische Abgrenzungen zwischen Freizeit und Tourismus aufgebrochen
werden.
Eine hohe Bedeutung bei der Betrachtung des erlebnisorientierten Einkaufs als Freizeitbeschäftigung oder touristische Aktivität besitzt der Tagesbesuchsverkehr. Er differenziert sich nach HARRER et al.14 in Tagesausflugsverkehr und Tagesgeschäftsreiseverkehr:
Als Tagesausflug ist jedes Verlassen des Wohnumfeldes zu bezeichnen, mit dem keine
Übernachtung verbunden ist und das nicht als Fahrt von oder zur Schule, zum Arbeitsplatz
zur Berufsausübung vorgenommen wird, nicht als Einkaufsfahrt zur Deckung des täglichen
Bedarfs dient (z.B. Lebensmittel) und nicht einer gewissen Routine oder Regelmäßigkeit un12
13
14
vgl. KASPAR 1975, S. 18.
vgl. WTO 2004, o.S.
vgl. HARRER et al. 1995, S. 2 f.
8
terliegt (z.B. regelmäßige Vereinsaktivitäten im Nachbarort, tägliche Krankenhausbesuche,
Arztbesuche, Behördengänge, Gottesdienstbesuche).
Als Tagesgeschäftsreise zählen alle Ortsveränderungen, die – zur Wahrnehmung geschäftlicher Aufgaben – über die Gemeindegrenze, in der sich der ständige Arbeitsplatz des Betroffenen befindet, hinausführen. Hierunter fallen jedoch nicht die Fahrten zum ständigen oder
wechselnden Arbeitsplatz (z.B. Montage) sowie Fahrten innerhalb der Arbeitsplatzgemeinde.
Bei der Operationalisierung des Begriffs ‘‘Shoppingtourismus‘‘ werden daher von uns
Übernachtungstourismus und Tagesbesucherverkehr gleichermaßen berücksichtigt und im
nachfolgenden Kapitel wird Shoppingtourismus als das freizeit- und erlebnisorientierte Einkaufen verstanden, welches bei der Beteiligung am Fremdenverkehr mit Übernachtungsaufenthalt oder beim Tagesbesuchsverkehr ohne Übernachtung stattfindet. Allerdings
rechnen wir Tagesausflugsverkehr nur dann zum Shoppingtourismus, wenn dieser eine Distanz von mehr als 60 Minuten bzw. 100 km zum Wohnort aufweist. D.h., der Wochenendausflug von Köln ins Phantasialand und die dort dann getätigten Einkäufe werden nicht unter
Shoppingtourismus subsummiert (vgl. hierzu auch Kapitel 5.1).
2.1.3
Definition und Abgrenzung des Begriffs ‘‘Shoppingtourismus‘‘
Die Differenzierung des Begriffs Shopping als Erlebnis- bzw. freizeitorientierten Einkauf vom
Versorgungseinkauf einerseits sowie die für die verschiedenen Orte des Freizeiteinkaufs
festgestellten Merkmale und die im Rahmen der Typologisierung von Konsumenten festgestellten Merkmale des Freizeit- bzw. touristischen Konsums andererseits lassen als Ergebnis
ein differenziertes Bild vom Shoppingtourismus entstehen. Das Phänomen Shoppingtourismus kann basierend auf KASPARs Definition des Tourismus (s.o.) wie folgt beschrieben
werden:
‘‘Shoppingtourismus ist die Gesamtheit aller Beziehungen und Erscheinungen, die sich
aus den während der Reise und dem Aufenthalt von Personen, für die der Aufenthaltsort
weder hauptsächlicher noch dauernder Wohnort noch Arbeitsort ist, vorgenommenen Aktivitäten zum Zweck des erlebnis- bzw. freizeitorientierten Einkaufs von Gütern des nichtalltäglichen Gebrauchs ergeben.‘‘
Hierunter fallen also jene Einkaufsaktivitäten, die mit einem Ortswechsel des Konsumenten
verbunden sind und nicht Versorgungszwängen unterliegen, sondern vielmehr eine Erlebnisund Freizeitkomponente beinhalten.
Wie einführend dargestellt, ist diese Erlebnis- und Freizeitkomponente allerdings schwer zu
fassen. So kann einerseits der Einkauf von Gütern zu einem auf individuellen Einschätzungen beruhenden niedrigen Preis einen wesentlichen Erlebnisfaktor darstellen und als wichtige Shoppingkomponente Reisetätigkeit generieren. Andererseits lässt sich Versorgungseinkauf nicht immer scharf vom Shoppingtourismus trennen, da er in vielen Fällen ebenfalls mit
einem Ortswechsel verbunden ist und in Zentren führt.
Ähnlich problematisch verhält es sich auch mit dem ‘‘kleinen Grenzverkehr‘‘ zu Einkaufszwecken (Cross-Border-Shopping), sofern er einer Regelmäßigkeit unterliegt und ausschließlich durch Disparitäten im Preisniveau ausgelöst wird, wie in Kapitel 4.1 beschrieben.
Betrachtet man oben genannte Definition als enges Verständnis vom Shoppingtourismus,
das der weiteren Operationalisierung dienen soll, so sind diese Formen weitgehend auszuschließen. Beinhaltet der ‘‘kleine Grenzverkehr‘‘ jedoch eine freizeitorientierte Komponente
und unterliegt keiner versorgungsnotwendigen Regelmäßigkeit, so kann diese Form des
grenzüberschreitenden Tourismus durchaus zum Shoppingtourismus hinzugerechnet werden.
9
Shoppingtouristen können folglich alle Arten von Touristen sein, die während ihrer Reise Aktivitäten zum Zweck des Erlebniseinkaufs unternehmen; hier kommen sowohl Geschäftstouristen als auch Kurtouristen wie Tagestouristen und Urlaubsreisende als Zielgruppen in
Frage.
Es ist festzuhalten, dass Shoppingtourismus hauptsächlich im Rahmen eines touristischen
Motivbündels stattfindet. Insbesondere die Formen Kulturtourismus und Geschäftstourismus
sind unter motivationalen Aspekten besonders relevant, während hinsichtlich der Dauer sowohl Shoppingtourismus im Rahmen einer Urlaubsreise im engeren Sinne mit vier oder mehr
Tagen als auch auf Kurzurlaubsreisen, Wochenendreisen und als Tagesreisen stattfindet.
Hinsichtlich des konstitutiven Kriteriums Zielort steht besonders der Städtetourismus in enger
Verbindung zum Shoppingtourismus.
Entsprechend gliedern sich die Nachfrager dieser Tourismusform im Wesentlichen in folgende, sich hinsichtlich ihrer konstitutiven Kriterien teilweise überschneidenden Gruppen:
•
Shoppingtouristen im engeren Sinne, deren ausschließliches oder hauptsächliches
Motiv das erlebnisorientierte Einkaufen ist und in
•
Shoppingtouristen im weiteren Sinne, deren Einkaufserlebnis im Rahmen eines
komplexen touristischen Motiv- und Aktivitätsbündels stattfindet. Diese sind:
-
Kulturtouristen, die im Rahmen ihrer kulturtouristisch motivierten Reise ebenfalls
Shoppingaktivitäten durchführen.
-
Geschäftsreisende aus dem In- und Ausland, die in freien Zeiten während ihrer
Geschäftsreise shoppen.
-
Städtetouristen, deren Motivbündel neben Kultur-, Event- und Besichtigungstourismus auch das Shoppingmotiv umfasst.
-
Urlaubsreisende, die während ihres Urlaubsaufenthalts (mindestens 4 Übernachtungen) Shoppingaktivitäten am Zielort durchführen oder vom Urlaubsort Ausflüge zu Shoppingdestinationen unternehmen.
-
Kurzurlaubsreisende und Wochenendreisende, deren Reise größtenteils in Städte
führt und in deren städtetouristischem Motivbündel das Shopping eine große Rolle
spielt.
-
Tagesreisende, die entweder freizeit- oder geschäftlich motiviert eine Tagesreise
unternehmen und während dieser Reise am Erlebniseinkauf teilnehmen.
Weiterhin kann unterschieden werden in Shoppingtouristen, die ihre Einkäufe gezielt bzw.
geplant und solche, die Einkäufe spontan tätigen. Allerdings kommen diese unterschiedlichen Verhaltensweisen in der Praxis oft zeitnah und nebeneinander vor, sodass dieses Kriterium der weiteren Operationalisierung des Shoppingtourismus nicht dienlich ist.
Zur zielgruppengenauen Ansprache von Shoppingtouristen muss allerdings ein schärferes
Bild der Nachfragestrukturen gezeichnet werden. Hierzu trägt die im Rahmen des Gutachtens durchgeführte Passantenbefragung (vgl. Kapitel 4.2) bei.
Im nachfolgenden Abschnitt soll zunächst das Augenmerk auf die Angebotsstrukturen im internationalen Shoppingtourismus gelegt werden. Auch hier kann zunächst zwischen Destinationen, deren wesentlicher Attraktivitätsfaktor das Einkaufsangebot ist und hauptsächlich die
Shoppingtouristen im engeren Sinne anziehen und Destinationen, deren Einkaufsangebot
ein wichtiger Bestandteil des Gesamtangebotes ist und somit hauptsächlich Shoppingtouristen im weiteren Sinne ansprechen, unterschieden werden.
Weiterhin ist es zur Kategorisierung von shoppingtouristischen Destinationen sinnvoll, zu
bestimmen, ob diese Ziele ihre shoppingtouristische Attraktivität aufgrund der gegebenen
Voraussetzungen besitzen, oder ob sie speziell zur Attraktion von Shoppingtouristen geplant
10
wurden. In Anlehnung an FRANCKs15 Bestimmung der ‘‘Neuen Orte des Erlebniskonsums‘‘ sollen die Ziele anhand ihrer shoppingtouristischen Tradition in neue Orte des Erlebniseinkaufs und in klassische Orte des Erlebniseinkaufs eingeteilt werden, wie Abbildung
2 aufzeigt.
Abbildung 2: Abgrenzung der shoppingtouristischen Destinationen
Shoppingtourismus
im engeren Sinn
Neue Orte des
Shoppingtourismus
Klassische Orte des
Shoppingtourismus
Shopping Malls
Factory Outlet Center
Tourist Shopping Village
Shopping Center
Cross-Border-Shopping
Shoppingtourismus
im weiteren Sinn
Brand Land/
Flagship Store
U E C/U E D
ThemeparkShopping
Cities (Innenstädte)
Ländlicher Raum
Quelle: Universität Trier, Fachbereich Fremdenverkehrsgeographie
Überschneidungen der Kategorien sind durchaus möglich und verschiedene shoppingtouristisch relevante Destinationen können nicht eindeutig einem bestimmten Typus zugeordnet
werden.
Die oben vorgenommene Erläuterung der unterschiedlichen Definitionen von Shoppingtourismus lässt erkennen, dass es im Prinzip zwei Hauptgruppen von Shoppingtouristen gibt,
deren Anteile in den einzelnen Destinationen auch unterschiedlich ausfallen:
•
Der Shoppingtourist im engeren Sinne, der die Reise in erster Linie wegen des Einkaufs
unternimmt bzw. der Tages- oder auch Übernachtungsreisen nutzt, um das Erlebnis Einkaufen mit anderen Interessen zu kombinieren. Der Anteil dieser Gruppe an allen Shoppingtouristen beträgt zwar nur rd. 17 % (vgl. hierzu im Detail Kapitel 4.2 und 5.1). Diese
tätigen aber knapp 70 % aller Ausgaben im Einzelhandel im Rahmen von Shoppingtourismus in Deutschland, durchschnittlich pro Kopf und Ankunft 87 €.
•
Die zweite Gruppe von Einkaufstouristen ist dadurch gekennzeichnet, dass Shopping
nicht das Ziel der Reise ist und meist auch die Ausgaben für Einkäufe vergleichsweise
gering sind, ca. 7 € pro Ankunft. Auf diese Gruppe entfällt ein Anteil von rd. 30 % des
15
vgl. FRANCK 2000, S. 29 ff.
11
Shoppingtourismus. Ein typisches Beispiel sind hier zwei- oder dreitägige Busreisen in
landschaftlich attraktive Gebiete, z.B. Spreewald, Schwarzwald etc. Diese Gruppe ist für
die Gastronomie und das Beherbergungsgewerbe wesentlich interessanter als für den
Einzelhandel.
Nicht zur eigentlichen Gruppe der Shoppingtouristen gehören nach unserer Definition die
Tagesausflügler mit Wohnsitz in Deutschland, die sich im näheren Umfeld ihres Wohnortes
bewegen – unter 100 km bzw. unter einer Stunde Distanz –, die selbstverständlich auch einkaufen gehen. Dabei handelt es sich um jährlich rd. 2,7 Mrd. Personentage. Diese geben zusammen jährlich rd. 39 Mrd. € im Einzelhandel während ihrer Ausflüge aus.16
Im Rahmen der Ausführungen in der vorliegenden Studie werden nur die beiden ersten
Gruppen als Shoppingtouristen definiert, und zwar wird im Wesentlichen folgende Unterscheidung vorgenommen:
Shoppingtouristen im engeren Sinn
Shoppingtouristen im weiteren Sinn
Reise wird in erster Linie wegen des geplanten
Einkaufs unternommen
Unterteilung nach:
Shopping ist nicht primär Ziel der Reise
Unterteilung nach:
• Übernachtungsgästen aus In- und Ausland
• Übernachtungsgästen aus In- und Ausland
• Tagesreisenden aus In- und Ausland
• Tagesreisenden aus In- und Ausland
2.2 Systematisierung der Shoppingtourismusdestinationen
Versuche, die verschiedenen Schauplätze des Erlebniseinkaufs zu typisieren und in einer
Übersicht kompakt darzustellen, sind von FRANCK17 und von BRITTNER18 unternommen
worden. Ansatz dieser Typisierungen ist es, die neueren Orte des Erlebniskonsums, die
‘‘Mixed Use Centers‘‘, wie Urban Entertainment Center, Brand Lands oder auch Themenhotels systematisch abzugrenzen. Jedoch sind diese Typisierungsansätze noch um die Innenstädte als klassische Bühnen des freizeitorientierten Einkaufs zu komplettieren. Ebenso findet touristisches Shopping auch in ländlichen Räumen statt, sofern die entsprechende Region als soziokulturelles Ausstattungsmerkmal ein für Besucher attraktives Warenangebot vorhält. Neben den modernen und viel diskutierten Standorten des Erlebniseinkaufs müssen
folglich auch diese klassischen Destinationen betrachtet werden.
Eine touristische Destination ist nicht nur Zielgebiet eines Reisenden, sondern vielmehr ein
geographischer Raum, der sämtliche für einen touristischen Aufenthalt notwendigen Einrichtungen für Beherbergung, Verpflegung, Unterhaltung und Beschäftigung vorhält und als strategische Geschäftseinheit bzw. Wettbewerbseinheit geführt werden muss19, wobei die Größe
und die Ausstattung einer Destination von den Bedürfnissen des Gastes bestimmt werden.
Eine touristische Destination kann daher ebenso eine Stadt, eine Region als auch ein Feriengroßprojekt oder ein multifunktionales Erlebniszentrum sein.
Die Vielfältigkeit der shoppingtouristischen Ziele erlaubt es zunächst, in klassische shoppingtouristische Destinationen und in neue Orte des Erlebniskonsums zu differenzieren. Ebenso
soll hier die Sonderform des grenzüberschreitenden Einkaufstourismus (Cross-BorderShopping) beschrieben werden.
16
17
18
19
Quelle: Vertrauliche Auskunft des Deutschen Tourismusverbandes e.V.
vgl. FRANCK 2000, S. 29 ff.
vgl. BRITTNER 2003, S. 418.
vgl. BIEGER 2002, S. 56.
12
2.2.1
Klassische Orte des Erlebniseinkaufs
Innenstädte
Innenstädte sind aus ihrer Funktion als Einzelhandelsagglomerationen heraus die klassischen Shopping-Ziele. 31,5 % der Städtereisenden messen dem Schaufensterbummel eine
sehr große Bedeutung bei, nur für 8,4 % ist der Schaufensterbummel unwichtig. Damit hat
das Einkaufserlebnis in etwa den gleichen Rang wie Stadtrundfahrten oder Museumsbesuche20.
Als Einzelhandelsagglomeration wird die Konzentration mehrerer Einzelhandelsunternehmen an einem Standort zur Präsentation eines vielfältigen Angebots für ein bestimmtes
Einzugsgebiet bezeichnet. Weiter kann die räumliche Konzentration mehrerer konkurrierender Unternehmen an einem Standort – durch das vielfältige Angebot auf engem Raum erhöht sich das Absatzpotenzial jedes einzelnen Betriebes (branchengleiche Agglomeration) –
von der branchenungleichen Agglomeration abgegrenzt werden, wobei die anziehende Wirkung ökonomisch verschiedenartiger Güter eine Erhöhung der Absatzmöglichkeiten jedes
Einzelunternehmens bewirkt21.
Innenstädte als Erlebnisräume und als traditionelle Orte des Erlebniseinkaufs stehen zunehmend unter Druck, denn was das Freizeiterlebnis aus einem Guss angeht, können Urban
Entertainment Centers den gewachsenen Innenstädten durchaus Konkurrenz machen. Gegenüber diesen und ähnlichen Orten des Erlebniseinkaufs wie Factory-Outlet-Centers oder
Themenparks haben deutsche Innenstädte erhebliche Nachteile:
•
Die Interessenlagen innerhalb der Städte sind vielfältig, eingefahren
und kontrovers,
•
die bauliche Struktur und die Verkehrssituation der Innenstädte sind nur
schwer umzugestalten,
•
die Denkmalpflege nimmt großen Einfluss22,
•
Touristen, die die Innenstadt besuchen, zahlen keinen Eintritt.
Im Zusammenhang mit dem vergleichsweise geringen Planungsgrad und den begrenzten
Steuerungsmöglichkeiten hinsichtlich der Markenführung, Zielgruppenorientierung und dem
Qualitätsniveau der Shoppingangebote spricht KREILKAMP23 von einer ‘‘Patchworkstadt‘‘
und fordert die Städte auf, sich durch eine integrierte Destinationsentwicklung zu ganzheitlichen Städten zu wandeln, die ganzheitlich geplante Angebote mit klarer Zielgruppenorientierung und hohem Qualitätsniveau vorhalten. Denn schließlich haben die europäischen
Innenstädte mit ihrer charakteristischen Urbanität durchaus Qualitäten, die sich nicht ohne
weiteres auf der ‘‘grünen Wiese‘‘ nachbauen lassen.
Die Qualitäten der Innenstädte liegen nach ROMEISS-STRACKE24 vor allem in der Kunst
der Inszenierung. Stadtbaukunst ist schon immer – über das funktionale Bauen hinaus – eine Kunst gewesen, der es darum ging, Gebäude, Fassaden, Straßen und Plätze so zu gestalten und im Raum anzuordnen, dass sie ein schönes Erlebnis für die Besucher und Bewohner bieten. Auch wenn die Denkmalpflege die Expansion des Einzelhandels hin und wieder behindert, so ist doch gerade der Erhalt der historischen Bausubstanz ein wesentliches
Alleinstellungsmerkmal der Altstädte z.B. im Wettbewerb mit den Urban Entertainment Centern um Shoppingtouristen.
20
21
22
23
24
vgl. KREILKAMP 2002, o.S.
vgl. BÄR 2000, S. 4.
vgl. ROMEISS-STRACKE 2000, S. 80 f.
vgl. KREILKAMP 2003, S. 34.
vgl. ROMEISS-STRACKE 2000, S. 81.
13
Kleinere Städte und ländlicher Raum mit endogenem shoppingtouristischem Potenzial
Erlebniseinkaufen kann auch in kleineren Städten bzw. im ländlichen Raum unabhängig von
der Versorgungsfunktion und Zentralität des entsprechenden Standortes wesentlich zur touristischen Wertschöpfung beitragen. Besonders an jenen Standorten, an welchen die Herstellung von traditionellen, regionstypischen Produkten oder der Handel mit entsprechenden
Waren zu den primären bzw. ursprünglichen Ausstattungsfaktoren des Standorts für den
Tourismus gezählt werden können, lassen sich shoppingtouristische Umsätze generieren.
Ursprüngliche Ausstattungsfaktoren sind jene Faktoren, die nicht speziell für den Tourismus
entwickelt wurden, aber als Ressourcen bzw. als endogenes Potenzial die Entwicklung hin
zum Fremdenverkehrsort oder zur Fremdenverkehrsregion begünstigen25.
Basis für die Entwicklung eines Raumes zur touristischen Destination ist das Zusammenfallen hoher landschaftlicher Attraktivität mit einem geeigneten Infrastrukturangebot und
gebietstypischen soziokulturellen Faktoren. Die Industrie- oder Handwerkskultur eines
Standorts ist z.B. ein solcher soziokultureller Ausstattungsfaktor. Seiner Attraktivität entsprechend kann er entweder Angebotsabrundung oder zusammen mit der natürlichen Ausstattung und der Infrastrukturausstattung gleichgewichtig attraktivitätsbegründend sein26. Eine
Angebotsabrundung stellt beispielsweise im Erzgebirge/Sachsen die Produktion und der
Verkauf von traditioneller Handwerkskunst dar.
Auch traditionelle landwirtschaftliche Produkte zählen zum endogenen touristischen Potenzial einer Region und können shoppingtouristische Umsätze im primären Wirtschaftssektor
generieren. Direktverkauf von landwirtschaftlichen Produkten an Touristen trägt als Zusatzeinkommen zur Existenzsicherung der Erzeuger bei und leistet einen wichtigen Beitrag
zum Erhalt der Kulturlandschaft. Die wiederum ist ausschlaggebend für die touristische Attraktivität des ländlichen Raumes und wirkt identitätsstiftend auf die Bevölkerung. Die deutschen Weinbauregionen beispielsweise sind stark auf touristischen Einkauf der Weinbauerzeugnisse angewiesen. Deutsche Winzer verkaufen rund 29 % ihrer Weine direkt an Konsumenten und so stellen Weinfeste, Weinproben, Weinseminare und Weinkellerbesichtigungen für die Winzer eine wichtige Gelegenheit dar, ihre Weine einem breiten Publikum anzubieten. Weinfeste finden zunehmend während den Saisonzeiten des Tages- und Übernachtungstourismus statt und ziehen erhebliche Gästezahlen an, wie beispielsweise der Bad
Dürkheimer Wurstmarkt mit ca. 500.000 bis 600.000 Besuchern27. Dass es sich bei den Besuchern der Weinfeste hauptsächlich um Touristen handelt, belegt eine Erhebung zu den
Weinfesten in Bernkastel und in Cochem aus dem Jahr 1996. Rund 58 % bzw. 79 % der Besucher lebten mehr als 40 Kilometer vom Veranstaltungsort entfernt, das Cochemer Weinfest
zog sogar 50 % seiner Besucher aus mehr als 150 Kilometer Entfernung an. Allerdings finden ¼ der Weinfeste im Gebiet der Mosel statt28, die anderen deutschen Weinanbaugebiete,
insbesondere Saale-Unstrut und Sachsen, die sich dank hochwertiger Produkte am Weinmarkt positionieren konnten, haben hinsichtlich der touristischen Direktvermarktung noch
Nachholbedarf.
Ähnlich wie die Weinfeste sind auch die Weihnachtsmärkte Veranstaltungen, die primär für
die einheimische Bevölkerung aus Stadt und Region veranstaltet wurden, sich aber punktuell
zu bedeutenden touristischen Attraktionen mit hohen Einzelhandelsausgaben entwickelt haben. So realisieren die Weihnachtsmärkte von Aachen und Nürnberg rund 1,5 Mio. bzw.
2,5 Mio. Besucher pro Jahr, wobei der Nürnberger Christkindlmarkt sogar zu einem maßgeblichen Imageträger wurde. Besucher des Christkindlmarktes geben lediglich 12 % ihres Bud-
25
26
27
28
vgl. FREYER 1995, S. 178.
vgl. UTTHOFF 1988, S. 9.
vgl. BECKER, Chr. 1997, S. 65.
vgl. BECKER, Chr. 1997, S. 63.
14
gets auf dem Markt selbst aus, der überwiegende Anteil wird dem Einzelhandel und der
Gastronomie vor Ort zugeführt29.
Unter besonderen Bedingungen können regionale und lokale Industrie- und Handwerkstraditionen wesentlich zur touristischen Attraktivität einer Destination beitragen. So
wird in der Stadt Idar-Oberstein, wo traditionell das Branchencluster um die Edelsteinverarbeitung angesiedelt ist, dieses Thema durch den Direktverkauf von Edelsteinschmuck,
dem Deutschen Edelsteinmuseum und anderen Einrichtungen bewusst touristisch in Wert
gesetzt. Eine Untersuchung aus dem Jahr 1984 ermittelte für Idar-Oberstein die höchsten
Tagesausgaben von Ausflugsgästen in ganz Rheinland-Pfalz, was unmittelbar auf den Verkauf von Edelsteinprodukten zurückzuführen ist. 80 % der Ausgaben von Tagesgästen wurden im Bereich Schmuck und Edelsteine getätigt30. Durch die Deutsche Edelsteinstraße wird
das Thema in den strukturschwachen Hunsrück-Nahe-Raum getragen.
Auch Industrietourismus muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden, denn er findet
nicht nur in urbanen industriellen Zentren statt, sondern kann auch in ländlichen oder altindustriellen Räumen eine große Bedeutung besitzen. Zu unterscheiden ist der Industrierelikttourismus vom Industrietourismus zu produzierenden Betrieben. Eine hohe industrietouristische Attraktivität besitzt die Herstellung bekannter Konsumprodukte, Luxusartikel oder
der Besuch spektakulärer Produktionsverfahren und Produktpräsentationen am Standort des
Herstellers, wie z.B. die gläserne Manufaktur von Volkswagen am Standort Dresden. Hauptmotiv der Firmen ist es, bei den potenziellen Konsumenten ein positives Image von der eigenen Marke zu erzeugen. Der von Betriebsbesichtigungen erhoffte Marketing- und PublicityAspekt scheint den hohen Personal-, Zeit- und Kostenaufwand zu rechtfertigen31. Die Möglichkeit des verbilligten Fabrikverkaufs wird ebenfalls als eine der Hauptattraktionen der produzierenden Betriebe betrachtet, obwohl gerade dieser Aspekt vonseiten des Facheinzelhandels stark kritisiert wird.
Die moderne Unternehmenspräsentation des Keramikherstellers Villeroy & Boch in Mettlach
an der Saar generiert jährlich rund 75.000 Besucher; hiervon planen ca. 79 % einen Einkauf
in den vier firmeneigenen Outlet-Stores, die sich in der Fußgängerzone von Mettlach verteilen. Die internationale Bedeutung dieses shoppingtouristischen Angebots wird durch den Anteil von 15 % an Besuchern aus dem europäischen Ausland verdeutlicht.32
Wird wie in diesem Beispiel eine Firmenpräsentation im Sinne des Brand-Land-Ansatzes
verstanden und um Outlet-Shopping erweitert, so ist der Shoppingtourismus durchaus in der
Lage, in strukturschwachen bzw. gering verdichteten Räumen Einkommensbeiträge zu leisten. Allerdings muss hierfür das endogene Potenzial an Industrie- bzw. Handwerkskultur
marktgerecht unter Beteiligung aller Akteure (Kommunen, Tourismusorganisationen, Hersteller) aufbereitet werden. Konsens ist mit dem Fachhandel darüber zu erzielen, dass ein
Brand-Land mit angeschlossenem Fabrikverkauf als Instrument der Kundenbindung an die
entsprechende Marke betrachtet werden muss und somit dem Facheinzelhandel eher nützt
als schadet.
Shopping-Center
Die Fachliteratur bietet eine Vielzahl von Definitionen zum Begriff des Shopping-Center, die
sich aus der jeweiligen Entwicklungsstufe ergeben. So steht in der Definition nach GASSER
aus dem Jahr 1960 noch der periphere Charakter eines Shopping-Centers im Vordergrund:
‘‘Shopping-Center: auf private Initiative hin entstandenes, nicht integriertes Zentrum.‘‘ Und im
29
30
31
32
mündliche Mitteilung ZINK.
vgl. BECKER H.-A. 1984, S. 106.
vgl. SCHRÖDER 2003, S. 215 f.
vgl. KUNZLER 2003, S. 37.
15
Unterschied zum Einkaufszentrum: ‘‘Einkaufszentrum: im Rahmen einer behördlich geplanten
Vorstadtsiedlung gebautes integriertes Detailhandelszentrum‘‘ 33.
Diese Abgrenzung ist sicherlich unter den Aspekten der in den vorherigen Abschnitten aufgeführten Merkmale der Urban Entertainment Centers heute nicht mehr zu halten; ein modernes Verständnis von einem Shopping-Center hat BÄR34: ‘‘Unter einem Einkaufszentrum
(Shopping-Center) versteht man eine einheitliche geplante, erbaute und verwaltete Standortagglomeration von Einzelhandels- und Dienstleistungsunternehmen, deren Aufbau und Gestaltung darauf ausgerichtet ist, die Kunden zum Shopping und dabei zu Erlebniskäufen zu
animieren, und deren Funktion darin besteht, jedem Besucher ein individuelles Einkaufserlebnis zu verschaffen und eine optimale Transformation des Einkaufsverhaltens in Freizeitverhalten herzustellen‘‘35.
MEIER36 unterscheidet fünf Generationen bzw. Typen von Einkaufszentren in Deutschland:
1. Generation (1964-1974): Ebenerdige, offene Großprojekte auf der grünen Wiese mit monofunktionaler, auf den Verkauf von Waren ausgelegter Nutzung. Erstes Zentrum dieser
Art ist das 1964 entstandene Rhein-Taunus-Center bei Frankfurt/Main.
2. Generation (1970-1980): Mehrgeschossige Objekte in innerstädtischen Lagen mit multifunktionaler Nutzung. Neben Kauf- und Warenhäusern sind auch Büros, Wohnungen,
Praxen etc. in überdachte Ladenstraßen integriert.
3. Generation (1980-1990): Innenstädtische Passagen und Einkaufsgalerien, bei denen zunehmend Bedeutung auf eine anspruchsvolle Architektur und freundliche Innenraumgestaltung gelegt wird.
4. Generation (1985-1995): Hauptmerkmal ist die Revitalisierung schon vorhandener Center
zum Erhalt bzw. zur Steigerung der Attraktivität. Auch zählen umgestaltete Bahnhöfe, wie
der Hauptbahnhof Leipzig, zu dieser Generation.
5. Generation (seit 1990): Hierfür sind Fachmarktzentren charakteristisch. Diese vereinen
verschiedene Fachmärkte unter einem Dach, Hauptanliegen ist es, die Verbindung von
Einkaufen, Freizeitgestaltung und Erlebnis zu schaffen.
Insbesondere in der Beschreibung der 5. Generation von Shopping-Centern nach MEIER
kommt deutlich die Notwendigkeit zum Vorschein, dass der maßgebliche Erfolgsfaktor für ein
modernes Einkaufszentrum die Verbindung von Einkauf, Freizeit und Erlebnis ist, denn ‘‘die
Verbindung von Freizeit und Einkauf schafft Synergien!‘‘37.
Eine Definition anhand der charakteristischen Merkmale hat das EuroHandelsinstitut entwickelt38:
‘‘Shopping-Center sind aufgrund zentraler Planung errichtete großflächige Versorgungseinrichtungen, die kurz-, mittel- und langfristigen Bedarf decken. Sie sind charakterisiert durch
die räumliche Konzentration von Gastronomie-, Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben
unterschiedlicher Größe, eine Vielzahl von Fachgeschäften unterschiedlicher Branchen, in
der Regel in Kombination mit einem oder mehreren dominanten Anbietern (Warenhaus/
Kaufhaus/SB-Warenhaus), ein großzügig bemessenes Angebot an Pkw-Stellplätzen, zentrales Management bzw. Verwaltung, die Wahrnehmung bestimmter Funktionen durch alle Mieter (bspw. Werbung) und verfügen über eine Mietfläche inklusive Nebenfläche von mindestens 10.000 qm.‘‘
33
34
35
36
37
38
vgl. GASSER 1960, in: BECK 1978, S. 20.
vgl. BÄR 2000, S. 6.
BÄR 2000, S. 6 in Anlehnung an HAUBL 1996.
vgl. MEIER 2003, S. 67.
KREILKAMP 2003, S. 28.
EHI 1997, in: MEIER 2003, S. 66.
16
2.2.2
Neue Orte des Erlebniseinkaufs
Shopping Malls
‘‘Die Shopping Mall ist nicht einfach ein Einkaufszentrum, sondern eine Mischung aus diversen mittleren und kleineren Dienstleistungsbetrieben: Geschäfte, Boutiquen, Restaurants,
Bistros, Kinos, Bräunungsstudios und Fitness Centers‘‘39.
In der englischen Originalübersetzung bedeutet Mall Promenade, ist also ein ‘‘besonderer
‚Spazierweg’ mit spezifischer gestalterischer und sozialer Prägung. Promenieren verbindet
sich assoziativ mit einer besonderen Umgebung, mit gewisser Feierlichkeit. Mall ist damit
auch schon von der Wortbedeutung wesentlich mehr als ein ‚Passagen-Kaufhaus mit zusätzlichen Dienstleistungen’‘‘40.
Im Laufe der langjährigen Entwicklung der Shopping Malls, die sich aus den bereits in den
20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstandenen Shopping-Centern in den USA
entwickelt haben, ergeben sich folgende Typen:
•
Strip Commercial Center (Aneinanderreihung von Läden entlang einer Hauptstraße,
im Zeitablauf mit zunehmender Orientierung auf Autokunden). Es fehlt zunächst noch
das einheitliche Management der Läden. Die Standorte sind weitgehend städtebaulich
integriert.
•
Roadside Franchises gleichen den Commercial Strip Centers in der Art des Angebotes, die einzelnen Geschäfte sind aber räumlich um einen Parkplatz herum gruppiert.
Die auf einem architektonischen Minimalniveau geschaffenen Läden sind häufig von
drei Seiten erreichbar.
•
Shopping Villages gehen mehr von dem Entwicklungsmodell der traditionellen Stadt
aus. Die Anordnung und das Layout der Geschäfte basieren auf kleinstädtischen oder
dörflichen Strukturen. Shopping Villages orientieren sich standörtlich vor allem an Vorstädten oder an Ausfallstraßen.
•
Pedestrial Malls entstanden in Amerika seit Anfang der 1950er-Jahre. In funktionaler
Hinsicht zeichnen sich diese Anlagen vor allem durch einen zentralen Fußgängerbereich sowie durch eine gegenüber den Vorgängertypen deutlich angehobene Funktionskomplexität aus.
•
Eine relativ neue Entwicklung sind so genannte ‘‘Mega-Malls‘‘, die sich von den vorgenannten Typen vor allem durch ihre Größe und Komplexität sowie durch die Integration
von kommerziellen Freizeiteinrichtungen unterscheiden.
Ein Grundelement aller neueren Planungen sind Plätze und Platzzonen, die wetterunabhängig genutzt werden können, die so genannten ‘‘Plazas‘‘: ‘‘Beim Plaza-Center gehen
von einem zentralen Platz mehrere, etwas kürzere Malls aus, während beim Cluster-Center
die Einzelhandels- und Dienstleistungsunternehmen um einen Mittelpunkt herum angeordnet
sind, wobei die Ladenfronten auch vor- und zurückgesetzt sein können [...]‘‘41. Für die Gestaltung dieser Plätze wird erheblicher Aufwand betrieben, was sich in der Materialwahl
(Marmor, Granit), der Beleuchtung, in der Möblierung (Brunnen, Bänke) und den ergänzenden Kunst- und Kulturangeboten dokumentiert (Skulpturen, Klavierspieler usw.)42.
Gleich mehrfach taucht dieses Element in dem oft zitierten Beispiel für eine Mega-Mall, der
‘‘Mall of America‘‘ in Bloomington, Minnesota, auf, welche seit 1992 in Betrieb ist und in 520
Einzelhandelsgeschäften, 50 Restaurants, sechs integrierten Indoor-Vergnügungsparks und
39
40
41
42
VESTER 1996, S. 58.
HATZFELD 1998, S. 34.
BÄR 2000, S. 25.
vgl. HATZFELD 1998, S. 34.
17
weiteren Einrichtungen insgesamt 11.000 Angestellte beschäftigt. HAUBL43 stellt fest: ‘‘Wen
es in dieses Einkaufszentrum lockt, der bringt Zeit mit. Auswärtige nehmen Urlaub, um es zu
besuchen; viele von ihnen buchen eine Mall-Pauschalreise mit Hotel und Busverbindung.
Längst gehört diese schier grenzenlose Warenwelt zu den Top-Touristenattraktionen der
USA. [...] Der Großteil der Besucher kommt, um sich zu unterhalten.‘‘
Was im Einzelnen diese und ähnliche Malls – wie die mit 900 Einzelhändlern noch größere
West Edmonton Mall – so erfolgreich macht, beschreibt VESTER44 aus sozialpsychologischer Sicht wie folgt: ‘‘Der soziale Raum (der Mall) bringt auch besondere, vielleicht postmoderne Formen des Verhaltens und der Kommunikation hervor – speziell des Konsumierens
und Kommunizierens, eine Bühne für die Präsentation und Dramatisierung des Selbst. (...)
Der Besuch der Shopping Mall soll zum Erlebnis werden. In ihr soll der Konsument zwar
auch konsumieren, doch soll er sich in der Mall auch aufhalten. Den Akt des Konsumierens
soll er nicht vollziehen, sondern genussvoll erleben. Der Konsument wird nicht auf die Rolle
des Verbrauchers reduziert, der nach einem ökonomischen Kalkül entscheidet, sondern wird
als Hedonist angesprochen. (...) Simple Konsumtätigkeiten erstrahlen in neuem Glanz, werden ästhetisiert und zu Erlebniswelten stilisiert. Das Gewöhnliche wird verzaubert, und die so
erstellten Zauberwelten werden dann selbst zu touristischen Attraktionen. [...] Für den deutschen Verbraucher, der nach wie vor in das zeitliche Korsett überreglementierter Ladenöffnungszeiten, in die räumliche Enge und architektonische Ödnis phantasieloser Kaufhäuser
und Einkaufscenters gezwungen wird, mag daher die Shopping Mall eine attraktive touristische Destination darstellen.‘‘
Diese Einschätzung ergänzt BÄR45 für die amerikanischen Malls: ‘‘Freizeiteinrichtungen im
unmittelbaren Umfeld der Centers strahlen nicht nur eine große Attraktivität aus, von der die
Zentren profitieren, sondern garantieren auch, dass die Centers zum Teil über die Geschäftszeiten hinaus aufgesucht werden, was natürlich eine zusätzliche Identifikation der Besucher mit den Einkaufszentren schafft. In den USA wird dieses Konzept so intensiv verfolgt,
dass man in einem der gigantischen Shopping Centers zunächst kaum etwas von deren Geschäften wahrnimmt, sondern sich die Aufmerksamkeit auf den integrierten überdachten
Vergnügungspark konzentriert.‘‘ Der Autor kommt zu dem Schluss, dass die Einkaufszentren
selbst zu Freizeiteinrichtungen werden müssen, um den Ansprüchen ihrer Besucher gerecht
zu werden.46
Seit Mitte der 1990er-Jahre setzt sich diese Erkenntnis auch in Deutschland durch. Zur Eröffnung des CentrO in Oberhausen wurde kommuniziert: ‘‘Wir verwirklichen eine in Deutschland noch nicht bekannte Einkaufs- und Erlebnisphilosophie. Die Kunden sollen von mehrsprachigen, multimedialen Kundenleitsystemen gesteuert in verschiedene Warenwelten mit
Fachgeschäftscharakter eintauchen‘‘47.
Urban Entertainment Center (UEC)/Urban Entertainment Destinations
Unter Urban Entertainment Center werden im Allgemeinen großflächige Einkaufszentren mit
angeschlossenen Freizeit- und Vergnügungsparks verstanden, die regionale oder sogar
überregionale Bedeutung anstreben. Die Hälfte der Fläche eines Urban Entertainment Centers ist normalerweise für Unterhaltung geplant, im Gegensatz zum reinen Verkauf. Aber wie
ein Einkaufszentrum hat es einen Mix von Läden, Themenrestaurants und Unterhaltungsaktivitäten48. Das Einkaufen gerät – wie der Name bereits nahe legt – in diesen Zentren im
Grunde zur Nebensache, während das Freizeitvergnügen und die Unterhaltung im Vorder43
44
45
46
47
48
vgl. HAUBL 1996, S. 199.
vgl. VESTER 1996, S. 60 ff.
BÄR 2000, S. 74.
BÄR 2000, S. 82.
Sprecher des Kaufhof-Vorstandes in Frankfurter Rundschau, 05.09.1996, in: MÜLLER/HENNINGS 1998, S.
10.
vgl. MÖSEL 2002, S. 28.
18
grund stehen49. Allerdings bilden diese kombinierten Großprojekte des Handels und der
Freizeit in Deutschland eine sehr inhomogene Gruppe und die Bezeichnung ‘‘Urban Entertainment Center‘‘ wird allgemein äußerst unpräzise, im Sinne eines Modebegriffs, verwendet50.
Abbildung 3 bietet einen synoptischen Überblick über diese verschiedenen Arten von MixedUse-Centern:
Abbildung 3: Formen von Mixed-Use-Centern im Überblick
E R L E B N IS W E L T E N / M IX E D -U S E -C E N T E R
F E R IE N G R O SSPR O JEK TE
(m it Ü b erna chtungsk a p azitä ten)
F E R IE N -F R E IZ E IT G R O S S P R O JE K T E
A L S M ISC H F O R M
(m it Ü b ernachtung sk ap a zitä te n)
F erien pa rk der 1 .-4 . G enera tio n
(u.a. C enter P arcs, SunParks, G ran
D orad o P ark s, Land F lees ensee)
F erienclu b
(u .a. C lub M ed , C lu b R obinson )
UEC
(m it H otel, z. B . C entrO .
E rlebn is-/T hem enh otel
O berh au sen )
(u .a. W elln ess-H otels w ie R ogn erB ad B lum au )
F reizeitthem enp ark
(u .a. E u rop a-P a rk R u st
„ N eu e S tä dte“
m it Th em enh otel)
(u.a. „C eleb ration “ v on D isn ey)
T hem atischer
F erienzentrum
T hem en park
F eriend orf
(u.a. E u ro-D isn ey,
A p artho tel
D isneyland )
H otelp ark
A p pa rtem en tha us
F erienw o hn an lag e
F am ilienferien dorf
F am ilien erho lun gsheim
F R E IZ E IT G R O SSPR O JEK TE
(o hn e Ü b erna chtungsk a p azitäten)
T hem e np ar ks
F reizeitth em enp ark
(u .a. Ph an tasialan d, H olida y
Park, H an sa-Park , H eid e-Park )
T h em a tisch er T h em enp ark
(u.a. E u ro-D isn ey, D isn eyland )
F ilm stud io -P ark
(u .a. B a va ria F ilm stud iotou rs,
F ilm erleb nisp ark B ab elsb erg )
M a ritim er T h em enp ark
(u .a. S ea-life-P a rks)
S afa ri-P ark
B ra nd -P ark/-L a nd
(u.a. R avensbu rg er Sp ieleland ,
L eg oland , A utostad t W olfsbu rg )
Sk i-S ch nee-P a rk s
(u .a. In d o or-Sk i-A n lag e B ottrop )
U rb an E ntertainm en t
C en ter (U E C )
Sho pp ing -Z en tren
In fo ta inm ent-C enter
E du tainm ent-C enter
M useen
M ultip lex -K in os
M usical-C enter
Spa ßb äd e r
E rlebn isg astron om ie
E xp ositio ne n
W eltau sstellung en
M essen
Spo rta renen/
V era nsta ltu ng szen tren
Quelle: BRITTNER 2003, S. 418
Außerdem ist der Begriff Urban Entertainment Center für viele der umgesetzten und geplanten Projekte hinsichtlich seiner Standortaussage irreführend, da es sich vielfach um periphere Standorte außerhalb der Innenstadt handelt. Nach FRANCK51 zeigt sich, dass nur wenige Projekte einem Urban Entertainment Center i. e. S. entsprechen. Die sog. Urban Entertainment Center reichen vom Mega Shopping Center mit Multiplex-Kino, Food Court und
Spiel-Center bis hin zum Freizeit-Center mit angeschlossenem Fachmarkt-Center. Die Kategorie Urban Entertainment Center besteht nach STEINECKE52 aus Shopping Center, Gastronomiebetrieben, Kunstausstellung, Arena (Veranstaltungshalle), Freizeitpark und MultiplexKino.
Unabhängig von der Standortaussage weist STEINECKE den Urban Entertainment Center
die übergeordnete Bezeichnung ‘‘Mixed-Use-Center‘‘ zu; unter denselben Begriff fallen auch
Freizeitparks, Ferienparks, Brand Lands, Themenhotels/-restaurants, Musical-Center und Infotainment Center.
49
50
51
52
vgl. BAIER 2001, S. 7.
vgl. MÖSEL 2002, S. 2.
FRANCK 2000, S. 28.
STEINECKE 2000, S. 19.
19
Mischformen obiger Angebote sind grundsätzlich möglich. Zentrale Merkmale dieser neuen
Formen sind:
•
Das Grundprinzip der Multifunktionalität, d.h. die Schaffung einer Mischung unterschiedlicher Angebotselemente aus den genannten Bereichen, die jeweils verschiedene Schwerpunkte haben können.
•
Die stark ausgeprägte Freizeitorientierung in Verbindung mit einer Betonung des Erlebnischarakters.
•
Die Convenience, d.h. die aufgrund der einheitlichen Steuerung und Vernetzung der
Einzelangebote gegebene Möglichkeit der bequemen Inanspruchnahme der jeweiligen
Elemente.53
FRANCK nennt als Schlüsselkomponenten der UEC die Bereiche ‘‘Entertainment & Kultur‘‘, ‘‘Food & Beverages‘‘, ‘‘Thematisierter Handel & Merchandising‘‘ sowie als zusätzliche Angebotsoptionen ein adäquates Angebot an ‘‘Hotels/Übernachtungsmöglichkeiten‘‘ und
an zusätzlichen Attraktionen, wie in der nachfolgenden Tabelle beispielhaft dargestellt.
Die Komponente ‘‘Entertainment & Kultur‘‘ kann noch differenziert werden in eine Grundkomponente, die primär die architektonische Gestaltung (einschließlich öffentlicher Flächen
und Ladenpassagen) mit thematischen Gestaltungselementen meint und, darauf aufbauend
und jeweils abgestimmt, einzelne unterhaltungsorientierte Angebote wie Kinos, Diskotheken
etc. Die gastronomischen Angebote dienen aus Anbietersicht in erster Linie der Verlängerung der Aufenthaltsdauer der Besucher54 und können differenziert werden in Food Courts,
Themen- und Erlebnisgastronomie und Impulse Dining (kleine Stände, die den Besucher
zum spontanen Verzehr verführen sollen, z.B. Saftbars, Würstchenbuden)55.
Grundlegendes Ziel eines Urban Entertainment Centers ist die Schaffung eines überregionalen Bedeutungsüberschusses im Bereich der angebotenen Komponenten nicht nur im
Bereich der klassischen Versorgung, sondern auch im Sinne einer touristischen Destination,
wobei Beherbergungskapazitäten nicht in jedem Fall Element eines Urban Entertainment
Centers sind. Es sind verschiedene Schwerpunkte im Center möglich. FRANCK56 unterscheidet Einzelhandelsorientierte UECs, Abendunterhaltungszentren, Mediale und HighTech-Unterhaltungszentren sowie thematisierte und unterhaltungsorientierte Großhotels mit
ergänzenden Freizeiteinrichtungen.
Der Bedeutungsüberschuss eines UECs basiert hierbei auf dem jeweiligen Schwerpunkt in
Verbindung mit den weiteren Schlüsselkomponenten: die Einzigartigkeit der Anlage ergibt
sich aus ihrer Kombination mit ergänzenden Elementen, die zentral gesteuert, vermarktet
und gemanagt werden57. Zielebenen in Urban Entertainment Center sind folglich: ‘‘Hohe Anziehungskraft, hohe Marktdurchdringung, hohe Verweildauer, Ausgleich von Nachfrageschwankungen, hohe Ausgabebereitschaft, Kostensynergien, Synergien durch Nutzungsmix,
Alleinstellungscharakter im Einzugsgebiet‘‘58.
Der Begriff ‘‘Urban Entertainment Destination‘‘ wird häufig synonym zum voran beschriebenen UEC verwandt. Nach ROOST59 handelt es sich bei den Urban Entertainment Destinations jedoch um eine seit Mitte der 1990er-Jahre insbesondere in Nordamerika entstehende
Agglomerationskategorie, die sich aus der rasant zunehmenden unterhaltungs- und tourismusorientierten Stadterneuerung ergibt. Sie ziele darauf ab, ein Stück Stadt so zu gestalten,
53
54
55
56
57
58
59
vgl. QUACK 2001, S. 30, nach: STEINECKE 2000.
vgl. REIFF 1998, S. 21-30.
vgl. QUACK 2001, S. 31, nach REIFF 1998.
FRANCK 1999, S. 91 ff.
vgl. QUACK 2001, S. 33.
QUACK 2001, S. 34, nach REIFF 1998.
ROOST 2000, S. 14.
20
dass sich dort eine urbane Erlebnisatmosphäre mit der Beschaulichkeit und sozialen Homogenität der Sub-Urbs verbindet. In solchen als Urban Entertainment Destinations bezeichneten Vergnügungszielen für Touristen und Vorortbewohner können die Besucher in abgesicherten Räumen eine neuartige inszenierte Form städtischen Abwechslungsreichtums konsumieren, ohne dabei mit den Problemen der Städte konfrontiert zu werden. Die wachsenden sozialen Spannungen verstärken das Verlangen der Wohlhabenden nach Aus- und Abgrenzung von den Verlierern der Entwicklung und fördern so langfristig den Bau von gesicherten künstlichen Erlebniswelten.
Tabelle 3: Bausteine eines Urban Entertainment Centers
UEC
Zusätzliche Angebotsoptionen
Hotel/
Übernachtung
Schlüsselkomponenten
Entertainment
& Kultur
- Multiplex-Kino
- Musical Theater
- Disco
- ‘‘Cirque du
Soleil‘‘
- Cinetropolis
- Varieté/
Kabarett
- Special Events
- Theater
- IMAX-Kino…
Quelle: FRANCK 2000, S. 37.
Food &
Beverages
- Erlebnis- und
Themengastronomie
- Fast Food
- ‘‘Food Courts‘‘
- Internet Café
...
Thematisierter Handel &
Merchandising
- Gimmicks
- ‘‘Festival Retail‘‘
- ‘‘Speciality Stores”
- ‘‘Concept Stores”
- ‘‘Memorabilia”
- Freizeithandel
- Unterhaltungsbezogener Bedarf
- Interaktives
Shopping...
Zusätzliche
Angebotsoptionen
Zusätzliche
Attraktionen
- Bowling
- Games & Arcades
- Family Entertainment Center
- Fitness & Wellness
Center
- Billard, Dart,
Snooker
- Museum
- Kongresshaus
- Ausstellung
Prominentes Beispiel hierfür ist das von der Walt Disney Company federführend geleitete
Times Square Redevelopment Project, einem bedeutenden unterhaltungs- und konsumorientierten Stadterneuerungsprojekt, bei dem aus einem verrufenen Rotlichtviertel innerhalb
kürzester Zeit ein Familienausflugsziel wurde. Ebenso auffällig sind die Engagements weiterer Medienkonzerne im Städtebau: Mit dem ‘‘Universal CityWalk‘‘ wurde von den Universal
Studios ein künstliches Stadtteilzentrum bestehend aus Gastronomie, Shopping- und Vergnügungseinrichtungen auf dem Firmengelände in Hollywood, Los Angeles, geschaffen. Anders als die Studios und der entsprechende Themenpark ist dieses Zentrum ohne Einschränkungen zugänglich. Das Sony-Center in Berlin beinhaltet einen 4.000 qm großen
überdachten öffentlichen Platz, um den sich Multiplex- und IMAX-Kinos, Erlebnisgastronomie, Einzelhandel, Büros und Apartments gliedern60.
Vergleichbar mit den UEC weist ROOST61 den Urban Entertainment Destinations die Komponenten unterhaltungsorientierter Einzelhandel, Themenrestaurants, High-Tech-Unterhaltungszentren und Kinogroßkomplexe zu.
Tatsächlich sind die Begriffsbestimmungen jedoch fließend. So kann beispielsweise das
CentrO Oberhausen als UEC wie auch als Urban Entertainment Destination bezeichnet werden. Wenn Einkaufszentren nicht nur citytypische Aufgaben wahrnehmen, sondern auch den
Anspruch erheben, den gleichen Rang oder die gleiche Bedeutung wie Innenstädte zu besitzen, greift der Einzelhandel prägend in die Stadtentwicklung ein. Die Innenstadt, die sich
durch Vielfalt und gewachsene Strukturen auszeichnet, wird ersetzt durch geplante, private
60
61
vgl. FRANCK 2000, S. 38 f.
ROOST 2000, S. 22.
21
Einrichtungen. Daher werden die Einkaufszentren in der Literatur zum Teil als die ‘‘neuen Innenstädte‘‘62, als ‘‘Nachfolger des traditionellen Marktplatzes‘‘, als ‘‘Wiedergeburt der Städte
im suburbanen Kontext‘‘ oder als ‘‘Ersatz für fehlende Cities‘‘63 bezeichnet: Das neue Einkaufszentrum in Oberhausen ist die ‘‘Neue Mitte Oberhausen‘‘ und der Center-Manager fungiert als ‘‘Bürgermeister‘‘ der ‘‘Stadt in der Stadt‘‘64.
Brand Lands/Flagship Stores
Brand Lands bzw. Corporate Lands sind neuere Orte des Erlebnisshopping, die vielfach aus
dem Werksbesichtigungstourismus hervorgegangen sind, wie die ‘‘Autostadt Volkswagen‘‘ in
Wolfsburg oder die Swarowski-Kristallwelten in Wattens/Tirol als Ausdruck des Selbstverständnisses des Unternehmens als Erlebniswelt konzipiert wurden.
Nach STEINECKE65 sind die charakteristischen Elemente eines Brand Lands die Komponenten Firmenmuseum, Einzelhandelsgeschäft, Kunstgalerie, Events und Besucherinformation. Allerdings besitzen sie nur dann Relevanz für den Shoppingtourismus, wenn die
Werksbesichtigung auch mit einem Einkauf verknüpft werden kann, was allerdings nicht bei
jedem Brand Land der Fall ist, so besteht bei den Brand Lands der Automobilindustrie i.d.R.
nur die Möglichkeit, den beim Händler gekauften Wagen im Werk selbst abzuholen.
Eine Variante sind Brand Lands wie beispielsweise jene der Firma Nike, den ‘‘NikeTowns‘‘.
Hierbei handelt es sich um Shopping-Center, in denen ausschließlich die eigene Produktpalette genutzt wird, um durch die Verbindung von Unterhaltung, Präsentation und Verkauf die
Kunden enger an die Marke zu binden und eine Beziehung zu den Produkten zu schaffen66.
Hier wird nicht der Produktionsprozess gezeigt, sondern ein idealtypisch eingerichteter Verkaufsladen für die eigenen Produkte präsentiert. Diese Geschäfte mit Vorbildcharakter werden im anglo-amerikanischen Sprachgebrauch auch als ‘‘Flagship-Stores‘‘ bezeichnet und
finden sich vorwiegend in 1a-Lagen von Metropolen. Sie tragen dort zur touristischen Attraktivität des Standortes bei, wie z.B. der Flagship-Store der Firma Sony, der im Sony-Center
am Potsdamer Platz in Berlin ausschließlich die Neuheiten der unterhaltungselektronischen
Produktpalette der Firma präsentiert und auch zum Verkauf anbietet.
Factory-Outlet Center (FOC)
Unter Factory-Outlet Center bzw. Factory-Outlet Malls versteht VOGELS67 den großflächigen Zusammenschluss vieler Hersteller mit einer Gesamtverkaufsfläche über 3.000 m².
Mieter der Flächen sind Hersteller von hochwertigen Marken- und Designerwaren, die ca.
30 % bis 40 % unter dem üblichen Ladenverkaufspreis angeboten werden – das Angebot
von Premiummarken (A-Marken) ist wesentliches Kriterium für die Kundenattraktivität und
damit auch für eine weiträumige Ausstrahlung der gesamten Anlage. Aber nur wenigen
Betreibern in Europa gelingt es, eine Anlage nahezu ausschließlich mit Herstellern von AMarken zu besetzen; deswegen gehören meist auch B- und C-Marken zum Angebot. Etwa
60 % sind internationale Marken, die je nach Möglichkeit durch nationale oder regionale
Marken ergänzt werden. Auch bieten die leistungsfähigen Betreiber von FOCs den Kunden
Service- und Beratungsdienstleistungen an, die zumindest mit dem Facheinzelhandel vergleichbar sind.68
62
63
64
65
66
67
68
GERHARD 1998, S. 71 ff., nach JACKSON 1996.
GERHARD 1998, S. 71 ff., nach HUPPERT 1996.
GERHARD 1998, S. 71 ff., nach ECE 1996.
STEINECKE 2000, S. 20.
vgl. MEINICKE 2000, S. 201.
VOGELS 1999, S. 12 f.
vgl. VOGELS 1999, S. 12 f.
22
Charakteristisch hierbei ist, dass die Hersteller eigene Ladeneinheiten in den Centern mieten
und betreiben, wobei die Gestaltung analog zu Shopping-Centern erfolgt, d.h. durch eine
einheitliche Architektur, ausreichendes Pkw-Stellplatzangebot sowie die Verbindung mit
Gastronomie und Freizeiteinrichtungen charakterisiert wird. Die Waren können somit entsprechend attraktiv präsentiert werden. Das Sortiment besteht aus Auslaufmodellen, Produktionsüberhängen etc., aber auch aus Sonderanfertigungen und Musterkollektionen. Die Koordination, Organisation und das Marketing werden durch ein Center-Management gewährleistet.
Bezüglich der Sortimentsstrukturen weisen Factory-Outlet Center folgende typische Merkmale auf: 60 % bis 70 % sind Bekleidungssortimente, hinzu kommen 10 % bis 20 % Schuhe
und Lederwaren. Außerdem werden Glas/Porzellan/Keramik, Haushaltswaren und Heimtextilien verkauft, hingegen werden mit Ausnahme von Parfüm und anderen Drogeriewaren Sortimente aus dem kurzfristigen Bedarfsbereich nicht angeboten.
Eine Sonderform der Factory-Outlets ist der Off-Price-Store. Hier erfolgt der Verkauf durch
Dritte, d.h. er ist eigentlich klassischer Einzelhandel und die Ware ist bis zum Verkauf Eigentum des Betreibers. Das Sortiment besteht auch hier aus Produktionsüberhängen, Auslaufmodellen usw., zum Teil aber auch aus regulärer Ware, wobei Ware mehrerer Hersteller
bzw. verschiedener Marken zum Verkauf gelangt. Dieses Verkaufskonzept bedingt einen
häufigen Sortimentwechsel und eine eingeschränkte Verfügbarkeit der Waren hinsichtlich
beispielsweise unterschiedlicher Größen usw. Neben den typologisch reinen Formen können
auch Mischformen auftreten, v.a. was Off-Price-Stores in Factory-Outlet-Centern betrifft69.
Das weltweit größte FOC war 1999 das ‘‘Sawgrass Mills‘‘ in Sunrise/Florida mit 270 Markenund Discountläden und ist damit die zweitgrößte Touristenattraktion Floridas hinter DisneyWorld, Orlando. Heute besitzt Sawgrass Mills bereits 400 ‘‘retail outlets‘‘70. Nach VOGELS71
sind solche Dimensionen allerdings in Europa (mittelfristig) nicht zu erwarten. Hier liegen die
Verkaufsflächen bei 5.000 m² bis 20.000 m² und beherbergen bis zu maximal 100 Ladeneinheiten. In Deutschland markiert das Designer Outlet Center in Zweibrücken mit einer bis
2005 geplanten Nettoverkaufsfläche von 21.000 m² den oberen Bereich; momentan finden
sich dort 55 Shops mit insgesamt 700 Angestellten und 1,2 Millionen Besuchern (2003) auf
11.000 m² Nettoverkaufsfläche72 (vgl. auch Kapitel 4.1.3).
Aus dem speziellen Warensegment der Factory-Outlet Center ergeben sich folgende Unterschiede zu großflächigen Einkaufszentren:
Es fehlen die ‘‘klassischen‘‘ Ankerbetriebe, welche selbst das Merkmal der Großflächigkeit
erfüllen und Sortimente aus dem kurzfristigen Bedarf führen. Unter Ankerbetrieben in Factory-Outlets werden vielmehr Shops von besonders bekannten oder absoluten PremiumMarken verstanden. Ebenso existiert kein Betriebstypenmix, sondern eine Agglomeration
mehrerer herstellerbetriebener Ladengeschäfte. Entsprechend dem Betriebstypenmix ist
auch der Branchenmix unvollständig. Es fehlen konsumnahe Dienstleistungen wie z.B.
Schlüsseldienst, Schuhreparaturservice, Reinigung oder Reisebüro. Weiterhin gibt es keine
Sortiments-Abstaffelung in den Preislagen wie auch des qualitativen Angebots, eine Aufteilung nach Zielgruppen innerhalb des Zentrums ist nur in extrem großen FOCs wie etwa dem
Sawgrass Mills möglich. Die räumliche Ausstrahlung und die Marktdurchdringung des FOC
basiert auf einer Kombination aus Marken-Vielfalt und Erlebnis-Discount; der Autor bezeichnet dies als ‘‘Schnäppchencharakter‘‘ bzw. ‘‘Preiserotik‘‘73.
Die spezifischen Standortanforderungen von FOC sind daher:
69
70
71
72
73
vgl. VOGELS 1999, S. 13.
vgl. sawgrassmillsmall.com vom 19.02.04.
vgl. VOGELS 1999, S. 21.
vgl. www.zweibrueckenoutlet.com/ news/ new_erfolg.html vom 19.02.04.
vgl. VOGELS 1999, S. 22 f.
23
•
Direkte Auseinandersetzung mit dem Facheinzelhandel in größeren Städten bzw. Agglomerationen soll vermieden werden. Deswegen werden von Investoren kleinere und
mittlere Städte im weiteren Umkreis von Ballungsräumen bevorzugt, wobei von diesen
Standorten aus die Potenziale aus größeren Distanzen erschlossen werden sollen.
Gewerbegebiete werden bevorzugt, Innenstadtlagen kommen dagegen kaum in Betracht. Oft werden leer stehende Fabrikhallen zu Verkaufsräumen umgebaut oder wie
im Falle Zweibrücken Konversionsobjekte genutzt.
•
Sehr gute verkehrliche Erreichbarkeit wegen des großen Einzugsgebiets ist Voraussetzung; in zumutbarer Entfernung muss ein ausreichendes Bevölkerungspotenzial erschließbar sein (Einzugsgebiet von bis zu 90 Pkw-Fahrminuten, in Einzelfällen bis zu
120 Pkw-Fahrminuten) und vor Ort ein ausreichendes, weitgehend ebenerdiges Stellplatzangebot vorhanden sein74.
•
Die Lage des FOC soll die Nutzung des touristischen Potenzials bestehender Freizeiteinrichtungen am Standort bzw. Abschöpfung der Touristenströme auf den Verkehrsachsen in die Feriengebiete ermöglichen. Aus diesem Grund suchen FOCs die
Nähe stark frequentierter touristischer Einrichtungen (z.B. Freizeitparks, siehe das Beispiel Disneyland Paris)75 und können somit dem Themenpark-Shopping zugerechnet
werden.
Themenpark-Shopping
Nach JANSEN-VERBEKE76 verlangen zurückgehende Besucherzahlen und zunehmende
Konkurrenz bei Freizeit- und Themenparks nach einer Erweiterung der Produktpalette. Die
Strategie, sich durch in enger thematischer Verbindung mit dem Park stehende Einzelhandelsgeschäfte zusätzliche Zielgruppen zu erschließen, wird zunehmend auf ein weites Einzelhandelsspektrum mit allerlei Waren ausgeweitet. Allerdings liegen die hauptsächlichen
Gründe für den Besuch eines Themenparks in den meisten Fällen nicht wirklich im Wahrnehmen der Shoppingangebote. Also müssen Marketingtechniken entwickelt werden, die
den Impulseinkauf im Themenpark anregen. Hierzu gehören besondere thematisch ausgerichtete Märkte und Marktplätze, Events, ‘‘curiosity shops‘‘ und aggressive Verkaufstechniken.
Im Disneyland Paris beispielsweise stehen im Park selbst und im angegliederten Veranstaltungs-, Gastronomie- und Shoppingcentrum ‘‘Disney-Village‘‘ zahlreiche Shoppingmöglichkeiten in Form von Boutiquen zur Verfügung. Die Bandbreite der angebotenen Artikel reicht
hier über Disney-Souvenirs wie Spielzeug und Schmuck über Photoausrüstungen bis zu
Kleidung und Accessoires für Erwachsene der gehobenen Disney-Modelinie. Ebenso steht
ein spezieller Shopping-Service den Übernachtungsgästen zur Verfügung, der die eingekauften Waren direkt aus dem Park in das Hotelzimmer befördert. Den Schulterschluss zum
Shopping hat Disneyland Paris mit dem in unmittelbarer Nähe gelegenen und ebenfalls von
Disney betriebenen ‘‘La Vallee Outlet Shopping Village‘‘, einem Factory-Outlet Center, vollzogen. Hierdurch bekommt am Standort Disneyland Paris das Themepark-Shopping eine
besonders gewichtige Stellung.
Tourist Shopping Villages
Tourist Shopping Villages können als Kleinstädte bzw. Gemeinden verstanden werden, die
ihre touristische Anziehungskraft hauptsächlich aus dem Einzelhandel schöpfen, oft in einer
gefälligen Umgebung mit historischem Ambiente oder natürlicher Anziehungskraft. Diese
Tourist Shopping Villages finden sich entlang touristischer Routen, innerhalb Tourismusdes74
75
76
vgl. VOGELS 1999, S. 25.
vgl. VOGELS 1999, S. 23 f.
vgl. JANSEN-VERBEKE 2000, S. 209.
24
tinationen und in der Nähe von großstädtischen Zentren. Sie unterscheiden sich allerdings
durch ihre Kleinstrukturiertheit, ihren spezialisierten Einzelhandel und ihre ausgeprägte, typische Atmosphäre von großstädtischen Einkaufszentren.
Tourist Shopping-Villages können als Bestandteil des Phänomens Freizeit-Einkauf verstanden und mit dem Erhalt des kulturellen Erbes und der Entwicklungsplanung von Kleinstädten
in Verbindung gebracht werden77. Das Tourist Shopping Village ‘‘Pelican Village‘‘ auf der Karibikinsel Barbados wurde 1999 am Rande der Hauptstadt Bridgetown errichtet und ist vorwiegend für den Bedarf der Tagesgäste von den im benachbarten Tiefseehafen anlandenden Kreuzfahrtschiffen konzipiert. Die Ladeneinheiten sind im landestypischen Kolonialstil errichtet. Neben Gütern des üblichen touristischen Bedarfs, wie Sonnenbrillen, T-Shirts u.Ä.
wird im Pelican Village besonderen Wert auf lokale Produkte, wie Töpferwaren, Zigarren,
Holzschnitzereien, geflochtene Strohhüte, -matten und -körbe und ähnliche Handwerkserzeugnisse gelegt. An einige Ladeneinheiten sind die entsprechenden Werkstätten angeschlossen, die auch besichtigt werden können78.
Allerdings werden als Shopping-Villages auch reine Factory-Outlet Center bezeichnet, deren
Ladeneinheiten in Form von oft idealisierten ländlichen oder altstädtischen europäischen
Wohn- und Handelshäusern gestaltet sind und so den Eindruck eines Stadt- bzw. Dorfkerns
erwecken sollen.
2.2.3
Sonderform Cross-Border-Shopping
Eine Sonderform bzw. einen Grenzbereich des Erlebniseinkaufs stellt im wahrsten Sinne des
Wortes das Cross-Border-Shopping dar. ‘‘Shopping tourism in border areas is a well-known
pattern all over the world and the tourist flows are changing, in intensity and in direction, according to the price fluctuation in the neighboring countries”79. Hier geht der Autor von einer
nüchternen Betrachtung der Faktoren, die zum Cross-Border-Shopping führen, aus: dem
Preisgefälle zwischen benachbarten Ländern. Dass aber genau dieser Aspekt für den Konsumententyp des ‘‘Smart Shoppers‘‘ auch Erlebniseinkauf bedeuten kann und für eben jene
Gruppen spezifische Angebote geschaffen werden, stellt KÖPPEN80 hinsichtlich des Einkaufstourismus im Grenzraum Deutschland, Österreich, Osteuropa fest: ‘‘Angebot und
Preisgestaltung sind [...] nicht an den Wünschen der ortsansässigen Bevölkerung orientiert,
sondern auf deutsche und österreichische Einkaufstouristen ausgerichtet. Hauptanreiz für
die Kunden ist das aus dem Wohlstandgefälle resultierende günstige Preisniveau. Qualität
der Ware, reichhaltige Auswahl und andere Aspekte sind von geringerer Bedeutung‘‘81. Der
Autor spricht am Beispiel vom nordböhmischen Cross-Border-Shopping von einem ‘‘schiefen Grenzhandel‘‘: Während für die Einkaufsfahrten der Deutschen ins Nachbarland die
Jagd nach vermeintlichen Schnäppchen in Form von gefälschten Markentextilien ausschlaggebend ist, fahren tschechische Bürger zum Einkauf hochwertiger Waren des mittelfristigen
Bedarfs, Luxusgütern und von gebrauchten Kraftfahrzeugen nach Deutschland82.
Versorgungseinkauf und Erlebnisshopping kann also beim Cross-Border-Shopping je nach
Richtung des Reisestroms gleichzeitig auftreten. Dies ist in vielen Grenzregionen zu beobachten, so auch beispielsweise an der deutsch-luxemburgischen Grenze, die von deutschen Fahrzeug-Haltern kurzfristig überquert wird, um in Luxemburg billiger zu tanken sowie
Rauchwaren und Kaffee günstiger einzukaufen, was einem reinen Versorgungseinkauf entspricht; während luxemburgische Kunden in Deutschland vor allem das vielfältige Angebot
77
78
79
80
81
82
vgl. JANSEN-VERBEKE 2000, S. 209.
vgl. BARBADOS TOURISM AUTHORITY 2004, o.S.
JANSEN-VERBEKE 1990, in: THIMOTHY/BUTLER 1995, S. 21.
KÖPPEN 2000, S. 19.
KÖPPEN 2000, S. 19.
vgl. KÖPPEN 2000, S. 28 f.
25
an Textilien und Lederwaren schätzen und hier bis zu einem Tag lang shoppingtouristisch
unterwegs sind. Für den Shoppingtourismus, der von Kanadiern an der kanadisch/USamerikanischen Grenze ausgelöst wird, stellen TIMOTHY und BUTTLER83 fest, dass der
Hauptgrund zwar ökonomischer Natur ist, aber aus Sicht des Touristen durchaus den Charakter eines Tagesausflugs mit der Familie haben kann und entsprechenden Saisonalitäten,
wie den Schulferienzeiten, unterworfen ist. Entsprechend profitieren tourismusnahe Branchen, wie Gastronomie, Kinos oder Museen vom grenzüberschreitenden Shoppingtourismus.
Entlang der deutschen Westgrenzen – insbesondere zu Belgien und den Niederlanden – hat
sich in jüngster Zeit eine Kombination von Cross-Border-Tourismus sowie Factory-OutletCentern entwickelt. Aufgrund der restriktiven Genehmigungshaltung deutscher Kommunen
bei FOC sind die Betriebe – nach vergeblichen Ansiedlungsversuchen – nach Belgien bzw.
in die Niederlande gegangen. Von dort aus werden deutsche Kunden ‘‘abgeworben‘‘, 56 %
der Kunden kommen aus dem benachbarten Ruhrgebiet bzw. aus dem Großraum Köln, Aachen, Bonn (vgl. hierzu Kapitel 4.1.5).
2.2.4
Fazit zu den verschiedenen Destinationen des Shoppingtourismus
Die oben vorgenommene Beschreibung der shoppingtouristischen Destinationen und Ausprägungen macht deutlich, welchen hohen Stellenwert das freizeitorientierte Einkaufen in der
postmodernen Gesellschaft genießt und wie hoch differenziert sich die Standorte darstellen,
an denen dieser Freizeitbeschäftigung nachgegangen werden kann. Das Reisen besitzt unter den Freizeitbeschäftigungen ebenfalls einen hohen Stellenwert und so ist es nur logisch,
dass überall dort, wo touristischer Verkehr entsteht – Geschäftstourismus eingeschlossen –,
auch touristisches Einkaufen stattfindet und entsprechende Möglichkeiten geschaffen werden müssen.
Andererseits können Shoppingangebote, wie anhand der Beispiele der nordamerikanischen
Shopping Malls und der Factory-Outlet Center aufgezeigt, auch dazu geeignet sein, selbstständig touristische Nachfrage zu generieren. So sind grundsätzlich für den Standort
Deutschland nahezu alle aufgeführten Shoppingdestinationen bereits vorhanden oder zumindest denkbar, bis auf die gigantischen nordamerikanischen Shopping Malls, welche aus
raumordnerischen Gründen in Deutschland in der Größe der aufgeführten Beispiele kaum
realisierbar, geschweige denn wünschenswert wären.
Ebenso spielt das Themenpark-Shopping mangels entsprechender Größenverhältnisse der
deutschen Themenparks auch nur eine untergeordnete Rolle, es werden hauptsächlich themenparkspezifische Souvenirs verkauft. Ein prominenter Versuch, Themenpark und Shoppingcenter miteinander zu verknüpfen, ist jüngst gescheitert. So musste das ambitionierte
und insgesamt rund 600 Mio. € teuere Themenpark-Shopping-Projekt ‘‘Space-Park Bremen‘‘
nach nur 7 Monaten Öffnungszeit wieder geschlossen werden, für die 120 Shops mit 44.000
qm Verkaufsfläche wurde kein einziger Mieter gefunden und von den zur Amortisation des
Themenparks notwendigen 4.500 Besuchern pro Tag wurden schätzungsweise nur 10 % erreicht84.
Tourist Shopping Villages in der beschriebenen Form sind in Deutschland ebenso nicht zu
finden, wären aber im Hinblick auf die Erschließung neuer Zielgruppen im IncomingTourismus als Instrument der zielgruppengenauen Ansprache von Shoppingtouristen einer
näheren Betrachtung zu unterziehen.
In Deutschland finden sich hauptsächlich folgende Typen von Shoppingdestinationen bzw.
Ausprägungen des Shoppingtourismus (auf die Kundenprofile sowie Stärken und Schwächen dieser verschiedenen deutschen Destinationen wird im Kapitel 4.1 im Detail eingegangen):
83
84
TIMOTHY und BUTTLER 1995, S. 17 ff.
vgl. DIE TAGESZEITUNG vom 25.09.2004; SCHRÖDER, 2004, o.S.
26
•
Innenstädte: Die deutschen Innenstädte, seien es Metropolen oder kleinere Städte mit
historischem Stadtkern, sind die klassischen deutschen Shoppingdestinationen.
•
Ländlicher Raum mit shoppingtouristischem Potenzial: Regionen, in denen eine
jahrzehntelange touristische Tradition besteht, verstehen es, regionale Produkte als
Teil des endogenen touristischen Potenzials in Wert zu setzen. Bei Städten und Regionen, die erst seit der Wiedervereinigung ‘‘auf dem touristischen Markt‘‘ sind, ist noch
Nachholbedarf festzustellen.
•
Shopping-Center: Shopping-Center existieren in verschiedenen Formen in der Bundesrepublik seit Ende der 1950er Jahre, moderne Planungen – auch in Ostdeutschland – beziehen verstärkt den Freizeitcharakter des Einkaufens mit ein.
•
Shopping Malls: Kein deutsches Shopping-Center besitzt die Dimensionen der in den
Beispielen aufgeführten nordamerikanischen Malls, dennoch kann aufgrund seiner
funktionalen Gliederung beispielsweise das CentrO Oberhausen in seinem Kern als
Shopping Mall betrachtet werden.
•
Urban Entertainment Center/Urban Entertainment Destination: Als städtebauliche
Großprojekte, die dem Urban Entertainment Destination folgen, können in Deutschland
beispielsweise der Potsdamer Platz in Berlin oder die Neue Mitte in Oberhausen verstanden werden.
•
Brand Lands/Flagship Stores: Verschiedene Brand Lands wie das Stollwerck Schokoladenmuseum in Köln, die gläserne Manufaktur von Volkswagen in Dresden und
zahlreiche andere Unternehmen verfolgen mit ihrer Selbstdarstellung am Firmensitz
den Brand Land-Ansatz und besitzen touristische Attraktivität. Flagship-Stores sind an
diese Brand Lands angegliedert oder tragen, wie im Sony-Center am Potsdamer Platz
oder wie der Flagship-Store der Uhrenmanufaktur Glashütte Original in Frankfurt a.M.,
zur Attraktivität des jeweiligen Standorts bei.
•
Factory-Outlet Center: Die FOC Zweibrücken und Wertheim sind die beiden einzigen
reinen, nach amerikanischem Vorbild geführten Factory-Outlet Center in Deutschland.
Die Verkaufsform des Factory-Outlet findet jedoch an einigen weiteren Standorten statt
und generiert dort mitunter hohe touristische Umsätze, wie beispielsweise in Metzingen, wo u.a. der Werksverkauf der Bekleidungsmarke Boss angesiedelt ist.
•
Cross-Border-Shopping: Grenzverkehr zu Einkaufszwecken findet nach Deutschland
sowohl ohne Freizeitkomponente (z.B. regelmäßiger Lebensmitteleinkauf von Dänen in
Deutschland) als auch mit Freizeitkomponente (z.B. gelegentliches Bekleidungs- und
Lederwarenshopping von Polen in Deutschland) statt.
27
3 QUANTITATIVE BEDEUTUNG DES SHOPPINGTOURISMUS IN DEUTSCHLAND
Dem ‘‘Shoppingtourismus‘‘ – also dem Einkaufen als Freizeitbeschäftigung auf Reisen bzw.
das gezielte Aufsuchen vom Wohnort weiter entfernter Einkaufsstädte (mindestens 60 Minuten bzw. 100 km Distanz) – kann ein nicht unerhebliches Umsatzpotenzial für den Einzelhandel zugeschrieben werden. Darüber hinaus wirkt Shoppingtourismus v.a. auch in den
Wirtschaftszweigen Unterbringung und Gastronomie, dem Verkehrsgewerbe und im Dienstleistungssektor umsatzsteigernd.
Unter Maßgabe der in Kapitel 2.1 vorgenommenen Definition von Shoppingtourismus im engeren und weiteren Sinne, wobei jeweils nochmals zwischen Übernachtungsgästen und Tagesreisenden differenziert wird, soll im Folgenden berechnet werden, in welcher Größenordnung sich der auf Shoppingtourismus zurückzuführende Einzelhandelsumsatz im Jahr 2004
in Deutschland bewegt hat.
Für diese Schätzung werden – neben den Ergebnissen unserer Passantenbefragungen an
Shoppingdestinationen – vor allem die Ergebnisse einer Studie des deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr (dwif) aus dem Jahr 2002 zu Übernachtungsgästen sowie eine aktuelle Untersuchung des Deutschen Tourismusverbandes e.V. zu
Tagesreisen herangezogen.85
Zunächst sollen die Ergebnisse der bei knapp 2.000 Passanten in ausgewählten Shoppingdestinationen durchgeführten Befragung zum Ausgabeverhalten erläutert werden (zur Auswahl der Orte vgl. Kapitel 4.1). Diese bilden einen wichtigen Stützpfeiler für die ausschließliche Hochrechnung der durch Shoppingtourismus induzierten Einzelhandelsumsätze.
3.1 Die Ausgaben verschiedener Personengruppen an den Destinationstypen
Die von uns erfassten Gesamtausgaben der Besucher umfassen alle Ausgaben, die von den
Befragten im Rahmen ihrer Reise aufgewendet wurden. Die Gesamtausgaben teilen sich auf
die ‘‘touristischen‘‘ Ausgaben und solche für den Einkauf auf. Die ‘‘touristischen‘‘ Ausgaben
gliedern sich in Ausgaben für Anreise, Unterkunft und Gastronomie sowie Ausgaben für das
besuchte kulturelle Programm (v.a. Eintritte) und sonstige Dienstleistungen (z.B. Frisörbesuch).
Alle Angaben der Besucher über ihre Einkäufe beziehen sich auf den Erhebungstag, während dies bei den ‘‘touristischen‘‘ Ausgaben nicht für alle Ausgabearten der Fall ist. So sind
die Aufwendungen der Übernachtungsgäste für die Anreise nicht gezwungenermaßen am
Erhebungstag angefallen. Die im Folgenden festgestellten relativen Beziehungen zwischen
den Ausgabegrößen und -höhen sind in allen Destinationstypen anzutreffen.
Im Durchschnitt über alle Befragungsorte gibt ein Besucher ‘‘touristische‘‘ Ausgaben für
die Reise von insgesamt rund 85 € an, für Einkäufe werden rd. 67 € am Tag verausgabt.
Unter den touristischen Ausgaben nimmt die Anreise den größten Teil ein (65 € im Durchschnitt aller Befragten). Für Hotel und Gastronomie sind im Schnitt etwa 17 € und für kulturelle Ausgaben ca. 2 € durchschnittlich zu veranschlagen. Sonstige Dienstleistungen werden durchschnittlich für 0,43 € in Anspruch genommen, auf ‘‘sonstige Ausgaben‘‘ entfallen
weitere 0,71 €.
85
Die Studie des dwif präsentiert auf der Grundlage einer umfangreichen Befragung (19.000 Interviews) von
Übernachtungsgästen in Deutschland aus dem Zeitraum Dezember 2000 bis Dezember 2001 das Ausgabeverhalten von Touristen, die in Deutschland übernachten. Zu den Ausgabeposten zählen insbesondere Ausgaben für Einkäufe im Einzelhandel. Die Studie des Deutschen Tourismusverbandes berechnet die Ausgaben von Tagesreisen im Einzelhandel, durchschnittlich 14,70 €, und die Zahl der Tagesreisen von Einwohnern aus Deutschland, insgesamt 3,2 Mrd. im Jahr.
28
Tabelle 4: Ausgaben von Shoppingtouristen in €
Tagesbesucher
in €
Übernachtungsgäste
in €
insgesamt
in €
71,83
62,29
66,85
26,24
3,69
0,20
0,41
0,29
102,20
30,10
0,65
3,60
1,09
65,01
17,15
0,43
2,05
0,71
30,83
137,64
85,36
Summe Ausgaben für Einkauf
am Befragungstag
Anreise/Transfer
Unterbringung/Gastronomie
Sonst. Dienstl.
Kultur
Sonst. Ausgaben
Summe ‘‘touristische‘‘ Ausgaben
für Reise
Quelle: ECON-Consult Passantenbefragung.
Bei den Ausgaben für Shopping (Durchschnitt 67 € je Tag) unterscheiden sich Tages- und
Übernachtungsgäste: Während die Ersteren rd. 71 € für Einkäufe aufwenden, sind es bei
den Übernachtungsgästen rd. 62 €.
Dieser Unterschied erklärt sich nicht zuletzt daraus, dass bei den Tagesgästen das Shoppingmotiv deutlich stärker ausgeprägt ist als bei den Übernachtungsgästen (vgl. Tabelle 4).
Weiterhin sind große Unterschiede zwischen den durchschnittlichen Ausgaben der Besucher
mit Wohnsitz in Deutschland und denen aus dem Ausland zu erkennen. Die Summe der
‘‘touristischen‘‘ Ausgaben liegt für einen Besucher aus dem Ausland mit durchschnittlich
255 € am höchsten im Vergleich zu allen anderen Besuchergruppen. Hierin schlagen v.a. die
Anreise (191 €) und Unterbringung sowie die Gastronomie (26 €) zu Buche.
Gäste aus dem Ausland geben für Einkäufe durchschnittlich 69 € pro Tag aus, deutsche Besucher 67 €.
Shoppingtouristen an den untersuchten Standorten konzentrieren ihre Ausgaben (vgl. Tabelle 4) im Wesentlichen auf drei Warengruppen:
1. Bekleidung mit einem Anteil von 44 % an allen Käufen (durchschnittlich pro Tag und pro
Person 29 €)
2. Schuhe/Lederwaren, auf die ein Anteil von 16 % entfällt (durchschnittlich pro Tag und pro
Person 11 €)
3. Nahrungs- und Genussmittel mit einem Anteil von 14 % (durchschnittlich pro Tag und pro
Person 9 €)
An vierter Stelle folgen Glas, Porzellan, Haushaltswaren (6 % / 4 €), gefolgt von Unterhaltungselektronik (5 % / 3 €) sowie Uhren und Schmuckwaren (5 % / 3 €). Auf alle anderen
Warengruppen entfallen zusammengenommen nur rund 10 % der Ausgaben.
Interessant ist auch das Ausgabeverhalten der verschiedenen Gruppen von Shoppingtouristen. Hierüber lässt sich die Bedeutung abschätzen, die Shoppingtourismus für die verschiedenen Regionen und Wirtschaftsbereiche, insbesondere Handel, Beherbergung, Transport
und Gastronomie, hat. Dazu wird die Unterteilung der Shoppingtouristen in Tages- und
Übernachtungsgäste weiter aufgefächert.
Die Personengruppen, für die im Folgenden das Ausgabeverhalten und die Ausgabebeträge
näher beleuchtet werden, sind in Abbildung 4 aufgeführt.
29
Abbildung 4: Ausgaben der Befragten für Einkäufe (in €, in %)
Summe Einkauf
67
Bekleidung
11
Nahrungs- und Genussmittel
Glas, Porzellan, Haushaltswaren
Unterhaltungselektronik
Uhren / Schmuck
44 %
29
Schuhe / Lederwaren
16 %
14 %
9
4
100 %
7%
3 5%
3
5%
Bücher / Zeitschriften 2 3 %
Spielwaren / Sportartikel 2 3 %
Parfümerie / Drogeriebedarf / Arzneimittel 2 3 %
Souvenirs 1 2 %
Sonstige Dinge 1 2 %
Quelle: ECON-Consult Passantenbefragung.
Die Gruppe der Tagesgäste wird unterschieden in ‘‘Einkaufskunden von weit außerhalb des
üblichen Einzugsgebiets‘‘, Tagesgeschäftsreisende und Transitreisende. Die Aufenthaltsdauer der letzten Gruppe ist relativ kurz und die betreffenden Personen hatten nicht die Absicht den Ort zu besuchen. Sie halten sich nur auf, um weiter zu reisen. Geschäftsreisende
sind in beiden Kategorien zu finden, Urlaubsgäste werden danach unterschieden, wie lange
sie sich am Ort aufhalten. Kurzurlauber (z.B. Wochenendtouristen) übernachten maximal 3
Nächte, Erholungsurlauber bleiben mindestens 4 Nächte am Reiseziel.
Abbildung 5: Klassifizierung von Shoppingtouristen
Tagesbesucher
Übernachtungsgäste
1. Einkaufskunden von weit außerhalb des
üblichen Einzugsgebiets
2. Tagesgeschäftsreisende
1. Kurzurlauber
(1-3 Übernachtungen)
2. Urlaubsgäste
(ab 4 Übernachtungen)
3. Geschäftsreisende
3. Transitreisende
Quelle: Arbeitsgemeinschaft der Institute.
Tages-Einkaufskunden von weit außerhalb des üblichen Einzugsgebiets
Die Abgrenzung von Einzugsgebieten des Einzelhandels kann nicht pauschal erfolgen. Vielmehr ist es erforderlich, lokale und regionale Gegebenheiten zu berücksichtigen, insbesondere die Siedlungsstrukturen im Umland und das Wettbewerbsumfeld. Die Einschätzung, ob
ein Kunde mit einer Pkw-Zeitdistanz von einer Stunde noch zum Einzugsgebiet eines Ein-
30
kaufsziels zu rechnen ist, hängt entscheidend auch von der Attraktivität des Standorts selbst
ab. Wie im Rahmen der methodischen Erläuterungen dargestellt wurde, sollen hier definitionsgemäß nur Kunden betrachtet werden, deren Anfahrt entweder länger als eine Stunde
gedauert hat oder die aus dem Ausland stammen.
Der weitaus größte Teil der angetroffenen Tages-Einkaufskunden von außerhalb des üblichen Einzugsgebiets stammt erwartungsgemäß aus Deutschland. Ob aus Deutschland
oder aus dem angrenzenden Ausland – die Anreise erfolgt fast ausschließlich mit dem Pkw,
dabei kommt nur ein kleiner Teil der Kunden allein –, üblich ist die Einkaufsfahrt zu zweit,
aber auch größere Gruppen (Familien) sind anzutreffen. Die weitaus meisten dieser Kunden,
vor allem wenn sie aus dem Ausland kommen, verfügen über ein überdurchschnittliches
Haushaltseinkommen.
Tabelle 5: Ausgaben von Tages-Einkaufskunden von weit außerhalb des üblichen
Einzugsgebietes (pro Tag)
Ausgaben
insgesamt
Zielregion
Großstadt
Einkauf
Touristische Ausgaben
Gesamtausgaben
Ort mit regional bedeutenEinkauf
der Einkaufsorientierung
Touristische Ausgaben
Gesamtausgaben
Ländlicher Raum
Einkauf
Touristische Ausgaben
Gesamtausgaben
insgesamt
Summe Einkauf
Summe touristische Ausgaben
Gesamtausgaben
73,12
22,04
95,16
Shoppingtouristen
i.e.S.
99,62
19,15
118,77
Shoppingtouristen
i.w.S.
30,63
26,68
57,30
77,79
84,92
42,92
21,65
99,44
92,79
22,31
115,10
77,27
22,01
99,28
21,85
106,77
104,94
21,00
125,94
94,49
20,55
115,04
20,68
63,60
50,25
26,90
77,15
34,99
25,60
60,59
Quelle: ECON-Consult Passantenbefragung.
Im Durchschnitt aller Destinationstypen gibt ein Tagesgast rd. 99 € aus. Für Shoppingtouristen
im engen Sinne beträgt dieser Wert 115 €, für die anderen Gruppen 61 €.
Betrachtet man ausschließlich die Ausgaben für Einkäufe (im Einzelhandel), ergeben sich für
die Tages-Einkaufskunden folgende Beträge:
Zielregion
Großstadt
Ort mit regional bedeutender Einkaufsorientierung
Ländlicher Raum
insgesamt
Ausgaben
insgesamt
73,12
77,79
92,79
77,27
Shoppingtouristen
i.e.S.
99,62
84,92
104,94
94,49
Shoppingtouristen
i.w.S.
30,63
42,92
50,25
34,99
Quelle: ECON-Consult Passantenbefragung.
Insgesamt gibt diese Gruppe somit am Tag rd. 77 € für Einkäufe aus. Wobei die Personen,
die als Reiseanlass Shopping angegeben haben, mit 94 € fast 3mal soviel kaufen wie Touristen, deren Reiseanlass in anderen Gründen besteht.
31
Auf den ersten Blick überraschend ist die Tatsache, dass nicht in den Großstädten die
höchsten Beträge ausgegeben werden, sondern in den eher ländlich strukturierten Shoppingdestinationen unserer Stichprobe. Diese Tatsache ist vor allem auf die Besonderheiten
der hier analysierten beiden Städte Idar-Oberstein und Mettlach (Schmuck sowie hochwertiges Porzellan) zurückzuführen.
Tagesgeschäftsreisende
Dieser Gruppe sind alle Personen zuzuordnen, bei denen geschäftliche Gründe ausschlaggebend für die Tagesreise sind.
Die weitaus meisten Tagesgeschäftsreisenden sind allein unterwegs, fast ausschließlich
zwischen 26 und 60 Jahre alt und verfügen über ein mittleres oder gehobenes Einkommen.
In vielen Fällen handelt es sich um regelmäßige Besucher mit relativ hoher Verweildauer.
Die Anreise erfolgt üblicherweise mit dem Pkw, häufig aber auch mit dem Flugzeug oder mit
der Bahn.
Tabelle 6: Ausgaben von Tagesgeschäftsreisenden (pro Tag)
Zielregion
Großstadt
Ort mit regional bedeutender Einkaufsorientierung
Ländlicher Raum
insgesamt
Einkauf
Touristische Ausgaben
Gesamtausgaben
Einkauf
Touristische Ausgaben
Gesamtausgaben
Einkauf
Touristische Ausgaben
Gesamtausgaben
Summe Einkauf
Summe touristische Ausgaben
Gesamtausgaben
Ausgaben €
64,76
134,65
199,41
143,33
3,33
146,67
31,67
26,50
58,17
61,34
108,63
169,97
Quelle: ECON-Consult Passantenbefragung.
Tagesgeschäftsreisende aus Deutschland geben den Befragungen zufolge rd. 61 € pro Kopf
und Besuch im Einzelhandel aus. Die Gesamtausgaben am Ort belaufen sich auf 170 €. Der
Ertrag für die Bereiche Gastronomie, Unterbringung und Transport ist also höher als der für
den Einzelhandel. Dieses Bild bestätigt sich an allen Destinationen. Lediglich an Orten, die
eine regional bedeutende Einkaufsmöglichkeit bieten, entfallen die Ausgaben der Geschäftsreisenden fast ausschließlich auf den Einzelhandel.
Transitreisende
Als Transitreisende werden alle Personen mit Wohnsitz im Ausland abgegrenzt, die sich
nach eigenen Angaben ‘‘auf der Durchreise‘‘ befinden. Die Reiseanlässe sind bei dieser
Gruppe sehr unterschiedlich, häufig sind es aber geschäftliche Gründe und Urlaub. In den
weitaus meisten Fällen sind Transitreisende männlich und reisen allein oder zu zweit. Die
Verweildauer in den Einkaufsbereichen ist meist sehr kurz.
Nach den durchgeführten Befragungen geben Transitreisende rd. 57 € pro Kopf im Einzelhandel aus. Die sonstigen Ausgaben fallen nicht nur am Befragungsort an, sind also für die
vorliegende Studie nicht interpretierbar. Im Vergleich der Destinationstypen profitiert der
Handel v.a. im ländlichen Raum und an Orten mit regional bedeutender Einkaufsmöglichkeit.
32
Die Transitreisenden halten – auf der Durchreise – an diesen Orten an, um gezielt Einkäufe
zu tätigen und sich kurzzeitig zu erholen und zu entspannen.
Tabelle 7: Ausgaben von Transitreisenden
Zielregion
Großstadt
Ort mit regional bedeutender Einkaufsorientierung
Ländlicher Raum
insgesamt
Einkauf am Befragungstag
Touristische Ausgaben
Einkauf am Befragungstag
Touristische Ausgaben
Einkauf am Befragungstag
Touristische Ausgaben
Einkauf am Befragungstag
Summe touristische Ausgaben
Ausgaben €
45,58
51,85
99,78
22,01
74,36
22,75
56,70
45,67
Quelle: ECON-Consult Passantenbefragung.
Kurzurlauber (1-3 Übernachtungen)
Zu dieser Teilgruppe zählen Personen, die einen Kurzurlaub mit bis zu drei Übernachtungen
verbringen und dabei nicht aus geschäftlichen Gründen unterwegs sind. Insofern handelt es
sich um typische ‘‘Städtetouristen‘‘.
Vor allem ausländische Kurzurlauber besuchen die betrachtete Stadt zum ersten Mal. Dabei
sind die Reiseanlässe vielfältig und meistens eine Kombination aus Kultur/Freizeit, Einkaufen
und dem Besuch von Bekannten oder Verwandten.
Während deutsche Kurzurlauber vor allem mit dem Pkw anreisen, ist die Mehrheit der ausländischen Kurzurlauber mit dem Flugzeug oder der Bahn gekommen. Üblich ist Kurzurlaub
zu zweit. Kurzurlauber verfügen meist über ein mittleres Haushaltseinkommen. Die Verweildauer am Besuchsort ist tendenziell hoch.
Insgesamt geben Kurzurlauber für die Reise, Unterbringung sowie Verpflegung ca. 122 €
aus. Am Erhebungstag haben diese Kurzurlauber zusätzlich für rd. 65 € eingekauft.
Während Kurzurlauber aus Deutschland im Durchschnitt rd. 61 € im Einzelhandel ausgeben,
liegt der Betrag bei ausländischen Kurzurlaubern mit rd. 79 € höher. Dieses Bild zeigt sich an
allen Destinationstypen, mit Ausnahme des ländlichen Raumes. Hier geben ausländische
Kurzurlauber weniger Geld im Einzelhandel aus als deutsche Kurzurlauber.
Tabelle 8: Ausgaben von Kurzurlaubern in €
Zielregion
Großstadt
Ort mit regional bedeutender Einkaufsorientierung
Ländlicher Raum
insgesamt
Einkauf am Befragungstag
Touristische Ausgaben
Einkauf am Befragungstag
Touristische Ausgaben
Einkauf am Befragungstag
Touristische Ausgaben
Summe Einkauf
Summe touristische Ausgaben
insgesamt Inländer Ausländer
66,53
58,43
88,58
153,74
84,76
341,32
62,89
57,30
98,70
60,43
65,04
100,53
65,17
122,15
48,55
68,91
89,53
61,41
80,04
136,50
42,47
164,60
79,16
278,83
Quelle: ECON-Consult Passantenbefragung.
Urlaubsgäste (ab 4 Übernachtungen)
Vorherrschendes Reisemotiv bei dieser Gruppe von Shoppingtouristen sind Kultur und Freizeit, der Besuch von Freunden oder Verwandten und Einkaufen, zumeist in Kombination. Vor
33
allem deutsche Urlaubsgäste sind durchschnittlich älter als die meisten anderen Typen von
Shoppingtouristen, ausländische Urlauber eingeschlossen.
Tabelle 9: Ausgaben von Urlaubsgästen in €
Zielregion
Großstadt
Einkauf am Befragungstag
Touristische Ausgaben
Ort mit regional bedeutender
Einkauf am Befragungstag
Einkaufsorientierung
Touristische Ausgaben
Ländlicher Raum
Einkauf am Befragungstag
Touristische Ausgaben
insgesamt
Summe Einkauf
Summe touristische Ausgaben
Inländer
67,98
79,87
Ausländer
65,42
340,99
72,00
71,77
74,33
41,41
45,53
102,24
60,99
165,54
42,02
43,74
91,81
61,28
75,65
35,33
50,87
133,53
60,55
296,59
insgesamt
66,68
212,04
Quelle: ECON-Consult Passantenbefragung.
Diese Gruppe gibt durchschnittlich für die Reise (einschl. Übernachtung, Verpflegung, Eintrittspreise etc.) 166 € pro Person aus. Am Befragungstag wurde von diesen Personen für rd.
61 € eingekauft. In- und Ausländer unterscheiden sich bei den Shoppingausgaben nicht, und
dies gilt an allen Destinationen.
Übernachtende Geschäftsreisende
Während deutsche Geschäftsreisende mit zumindest einer Übernachtung mit dem Pkw, dem
Flugzeug oder der Bahn angereist sind, dominiert bei den Ausländern in dieser Gruppe eindeutig die Anreise mit dem Flugzeug. In beiden Fällen handelt es sich zum weit überwiegenden Teil um Männer mittleren Alters (26 bis 60 Jahre) mit gehobenem Einkommen.
Tabelle 10: Ausgaben von übernachtenden Geschäftsreisenden in €
Zielregion
Großstadt
Ort mit regional bedeutender Einkaufsorientierung
Ländlicher Raum
insgesamt
Einkauf am Befragungstag
Touristische Ausgaben
Einkauf am Befragungstag
Touristische Ausgaben
Einkauf am Befragungstag
Touristische Ausgaben
Summe Einkauf
Summe touristische Ausgaben
insgesamt
65,02
214,95
70,00
72,00
33,50
137,90
55,76
231,10
Quelle: ECON-Consult Passantenbefragung.
Mit durchschnittlichen Einzelhandelsausgaben pro Kopf von rd. 55 € am Tag erreichen Geschäftsreisende, die im Rahmen ihrer Geschäftsreise mindestens einmal übernachten, ein
ähnliches Niveau wie Tagesgeschäftsreisende (61 € Ausgaben im Einzelhandel).
Ausgaben nach Tages- und Übernachtungsgästen
In allen drei untersuchten Zieltypen zeigt sich zunächst, dass Tagesgäste pro Tag weitaus
höhere Shoppingausgaben tätigen als Übernachtungsgäste. Dies ist allerdings vor allem auf
das Untersuchungsverfahren zurückzuführen, das die Ausgaben am Tag der Befragung erfasst hat und darauf verzichtet hat, retrospektiv oder sogar für die Zukunft geplante Ausgaben zu erheben. Daher wurde nachstehend für die drei Zieltypen eine Hochrechnung auf
Gesamtausgaben je Aufenthalt vorgenommen, und zwar wurde der durchschnittliche Ausgabenbetrag mit der Zahl der Aufenthaltstage gewichtet. Es ergibt sich das folgende Bild:
34
•
Insgesamt geben die Tagesgäste für Shopping jeweils knapp 80 € je Tag aus.
•
Bei den Übernachtungsgästen ergibt sich ein Ausgabenvolumen im Einzelhandel vor
Ort von ca. 215 € (durchschnittlich 62 € pro Tag).
Zur Rolle der Großstädte
Großstädte ziehen v.a. jüngere Touristen an. Der Anteil der Tages- und Übernachtungsgäste
hält sich die Waage. Mit einem Anteil von 25 % an allen Gästen haben die Großstädte den
größten Anteil ausländischer Besucher. Shoppingtouristen im engen Sinne, also Touristen,
die Shoppen als Reiseanlass angeben, sind vielfach anzutreffen. Im Gegensatz zu den anderen Destinationstypen werden Großstädte aber aus sehr unterschiedlichen Motivationen
heraus besucht. Hier liegt Handlungspotenzial, um insbesondere kultur- oder anderweitig interessierte Touristen zu Einkäufen in den Innenstädten zu bewegen.
Alle untersuchten Großstadt-Destinationen weisen stark unterschiedliche Zielgruppenansprachen auf, was auf ausgeprägte Alleinstellungsmerkmale schließen lässt. Dieses klar definierte ‘‘Gesicht‘‘ einer Stadt fördert tendenziell die Besuche von außerhalb des sonst üblichen Einzugsgebiets und damit Shoppingtourismus im Besonderen.
Bei Betrachtung der Ausgabenstruktur der Befragten fällt auf, dass die gesamten täglichen
Shoppingausgaben der Befragten in den Großstädten am geringsten im Vergleich zu allen
anderen Destinationstypen sind. Hier liegen die Ausgaben bei durchschnittlich rund 66 €,
darunter je Tag 68 € für Tagesbesucher und 65 € für Gäste, die mindestens eine Nacht bleiben. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Zum einen finden Reisen in Großstädte, wie erwähnt,
unter einem komplexen Motivbündel statt, d.h. Einkaufen gehen ist im Durchschnitt der Befragten in den Großstädten relativ weniger wichtig. Zum Anderen liegen die Ausgaben für
Unterkunft, Anreise und Gastronomie im Vergleich zu den anderen Destinationstypen relativ
hoch. Die Ausgaben für diese Dinge verdrängen die Ausgaben für Einkäufe – bei einem gegebenen Budget – tendenziell.
Tabelle 11: Ausgaben von Besuchern von Großstädten
in €
Übernachtungsgäste
in €
68,01
65,13
66,27
29,30
3,13
0,40
0,58
0,35
33,76
133,59
32,13
0,97
2,53
1,54
170,77
86,94
19,20
0,71
1,66
1,04
109,54
Tagesbesucher
Summe Ausgaben für Einkauf am
Befragungstag
Anreise/Transfer
Unterbringung/Gastronomie
Sonst. Dienstl.
Kultur
Sonst. Ausgaben
Summe ‘‘touristische‘‘ Ausgaben
insgesamt
in €
Quelle: ECON-Consult Passantenbefragung.
Die an Destinationen im ländlichen Raum angetroffenen Personen weisen ein vergleichsweise hohes Alter und hohe Einkommen auf. Im ländlichen Raum wurde also ein großer Teil der
sog. ‘‘best ager‘‘ (s.u.) befragt. Die Reisegründe richten sich sehr stark nach den individuellen Merkmalen der jeweiligen Destination. Im klassischen ländlichen Raum mit rein endogenem Shoppingpotenzial bieten die Landschaft und das gewachsene kulturelle Angebot des
Reiseziels ausreichend Anlass für Erholungsbesuche, die zum Shopping genutzt werden.
Das Beispiel der Stadt Mettlach zeigt, wie das eigene shoppingtouristische Potenzial ausgenutzt werden kann. Der angegliederte Fabrikverkauf zieht viele Shoppingtouristen im engen
Sinne an, die Umsätze im Handel steigen entsprechend.
35
Ein Blick auf die Ausgabenstruktur der Besucher im ländlichen Raum zeigt, dass relativ viel
Geld für Einkäufe aufgewendet wird. Insbesondere bei den Übernachtungsgästen ist dies auf
die relativ geringen Ausgaben für Anreise, Gastronomie, Unterbringung und andere Posten
zurückzuführen. Sowohl die Ausgaben für die Anreise in eine Kleinstadt im ländlichen Raum
als auch an einen Ort mit regional bedeutender Einkaufsmöglichkeit sind durchschnittlich
vergleichsweise gering. Die Ausgaben für die Anreise liegen im Schnitt im ländlichen Raum
bei etwa 26 €, an den Orten mit regional bedeutender Einkaufsmöglichkeit bei 43 €.
Insgesamt geben die von uns im ländlichen Raum befragten Shoppingtouristen die höchsten
Beträge für Einkäufe aus, und zwar durchschnittlich 75 € am Tag, darunter 82 € durch Tagesbesucher und 63 € durch Übernachtungsgäste.
Tabelle 12: Ausgaben von Besuchern im ländlichen Raum
Summe Ausgaben für Einkauf am
Befragungstag
Anreise/Transfer
Unterbringung/Gastronomie
Sonst. Dienstl.
Kultur
Sonst. Ausgaben
Summe ‘‘touristische‘‘ Ausgaben
Tagesbesucher
in €
Übernachtungsgäste
in €
insgesamt
in €
81,67
17,11
4,09
0,00
0,09
0,10
22,35
63,31
41,02
18,27
0,00
0,88
0,06
64,28
74,92
26,33
9,17
0,00
0,37
0,09
37,94
Quelle: ECON-Consult Passantenbefragung.
Die Orte mit regional bedeutender Einkaufsmöglichkeit zeigen sich – die Besucherstruktur
betreffend – am uneinheitlichsten. Die Shopping-Mall in Oberhausen zieht eher jüngere Besucher an, während insbesondere in Zweibrücken überwiegend ältere Personen angetroffen
wurden. Sowohl das dortige Outlet-Center, wie auch die reine Einkaufsfunktion des CentrO
in Oberhausen sorgen dafür, dass der Hauptreisegrund der angetroffenen Personen im
‘‘Shopping‘‘ zu finden ist. Nur Metzingen lässt Touristen auch aus anderen Gründen anreisen. Die Konzentration eines Ortes auf Shopping und ein entsprechendes Auftreten nach
außen ziehen entsprechende Besuchergruppen an.
Tabelle 13: Ausgaben von Besuchern von Orten mit regional bedeutender
Einkaufsmöglichkeit
Summe Ausgaben für Einkauf am
Befragungstag
Anreise/Transfer
Unterbringung/Gastronomie
Sonst. Dienstl.
Kultur
Sonst. Ausgaben
Summe ‘‘touristische‘‘ Ausgaben
Tagesbesucher
Übernachtungsgäste
insgesamt
in €
in €
in €
86,66
58,62
68,71
17,80
5,86
0,11
0,74
0,05
24,56
57,59
31,94
0,30
7,97
0,86
98,65
43,13
22,47
0,23
5,44
0,56
71,82
Quelle: ECON-Consult Passantenbefragung.
36
Tagesbesucher in diesem Zielregionentyp geben mit 87 € den höchsten Tagesbetrag von allen drei Destinationen aus. Übernachtungsgäste, die hier aber quantitativ eher von nachrangiger Bedeutung sind, bilden in diesen Destinationen bezüglich der Ausgaben pro Tag für
Shopping das Schlusslicht, und zwar mit durchschnittlich 59 €.
Bei Tagesbesuchern entfällt ein Spitzenwert von fast 80 % aller Ausgaben auf den Bereich
Shopping.
3.2
Gesamtumsatz durch Shoppingtourismus
Tabelle 14 stellt die Ergebnisse über die Ausgaben von Übernachtungsgästen der vorliegenden Untersuchungen denen der Studie des dwif gegenüber.
Tabelle 14: Ausgaben von Übernachtungsgästen
Ausgaben von Übernachtungsgästen
Studie dwif 2002 (Werte für 2001)
Ausgaben von Shoppingtourismus
(Übernachtungsgäste - ECONPassantenbefragung) (Werte für 2004)
in €
62,29
Einkauf am Befragungstag
Einkauf pro Tag
in €
9,20
lokaler Transport
2,10
102,20
Unterbringung/Gastronomie
63,30
30,10
sonstige Dienstleistungen
14,20
0,65
sonstige Dienstleistungen
4,50
3,60
Kultur
84,10
137,64
Freizeit/Unterhaltung
Summe ‘‘touristische‘‘ Ausgaben
Anreise/Transfer
Hotel/Gastronomie
Summe ‘‘touristische‘‘ Ausgaben
Quellen: dwif 2001; ECON-Passantenbefragung 2004
Der Grund für den höheren Ausgabebetrag für Einkäufe in der Passantenbefragung der vorliegenden Studie liegt im relativ hohen Anteil solcher Touristen, die mit dem festen Ziel ‘‘einkaufen zu gehen‘‘ an den Untersuchungsort gefahren sind. Die höheren Ausgaben für Einkäufe liegen nicht zuletzt in der Auswahl der Untersuchungsorte begründet. Die Ausgabewerte für Einkäufe der vorliegenden Studie wurden an solchen Orten erhoben, die verstärkt
von Shoppingtouristen besucht werden. Das Untersuchungsinteresse der Studie des dwif
war die Abbildung der Ausgaben von Übernachtungsgästen im regional-repräsentativen
Durchschnitt. Somit wird es möglich, bei der Hochrechnung des durch Shoppingtourismus
durch Übernachtungsgäste generierten Einzelhandelsumsatzes zwischen Shoppingtouristen
im engeren Sinn und im weiteren Sinn zu unterscheiden.
Während die Shoppingausgaben von Übernachtungsgästen vergleichsweise einfach zu ermitteln waren, da zusätzlich zu deren Ausgaben im Einzelhandel amtliche Daten zur Zahl der
Übernachtungen vorliegen, stellte sich die Situation bei den Tagesgästen bzw. Tagereisenden schwieriger dar, und zwar sowohl was die Gesamtzahl dieser Reisen angeht als auch
bezüglich der Ausgaben von Tagesreisenden, die nicht zu den Shoppingtouristen im engeren Sinne zählen. Für Tagesreisende mit Shoppingmotiv liegen dagegen aus der Passantenbefragung hinreichende Informationen zum Ausgabeverhalten vor. Um diese Datenlücke
zu schließen, haben wir auf eine kürzlich durchgeführte Studie des Deutschen Tourismusverbandes zurückgegriffen, die zu dem Befund kommt, dass es jährlich in Deutschland rund
3,2 Mrd. Tagesreisen gibt (von Deutschen) und dabei 47 Mrd. € im Einzelhandel ausgegeben werden. Diese Tagesreisen schließen aber auch solche im nahen Wohnumfeld ein
– z.B. von Köln ins Phantasialand –, die nicht wirklich zum Shoppingtourismus zu zählen
sind.
Die relevanten amtlichen Statistiken für die Schätzung des durch Shoppingtourismus induzierten Einzelhandelsumsatzes sind:
37
•
Die Ankunfts- und Übernachtungsstatistik des Statistischen Bundesamtes aus 2004.
•
Die Einzelhandelsstatistik des Statistischen Bundesamtes des Jahres 2004.
Die Tabelle 15 listet die für die Schätzung maßgeblichen Rahmendaten auf.
Tabelle 15: Basisdaten der amtlichen Statistik für die Schätzung der Einzelhandelsumsätze
2001
2004
Zahl Ankünfte (Mio.)
112,845
116,411
... darunter mit ständigem Wohnsitz außerhalb der BRD (Mio.)
17,860
(15,8 %)
20,137
(17,3 %)
Übernachtungen pro Ankunft
3,08
2,91
Umsatz im Einzelhandel i.e.S. (Mrd. €)
379
368
Quelle: Statistisches Bundesamt, ‘‘Tourismus. Ergebnisse der monatlichen Beherbergungsstatistik. Dezember
und Jahr 2004‘‘, Wiesbaden 2005. Handelsverband BAG, ‘‘Monatlicher statistischer Informationsdienst‘‘, Januar
2002 und 2004.
Bei der Schätzung der Relevanz des Shoppingtourismus für den Einzelhandelsumsatz im
Jahr 2004 wurde von folgenden Annahmen bzw. Datengrundlagen ausgegangen:
1. Der Einzelhandelsumsatz i.e.S. (d.h. ohne Kfz- und Brennstoffhandel, Tankstellen und
Apotheken) betrug 2004 368 Mrd. € (lt. Statistischem Dienst des Handelsverbandes
BAG).
2. Die Zahl der Ankünfte von Übernachtungsgästen lag 2004 nach den Erhebungen des
Statistischen Bundesamtes bei 116,411 Mio.
3. Diese Übernachtungsgäste haben hochgerechnet (mit den Befragungsergebnissen von
dwif aus dem Jahre 2001) insgesamt rd. 3,3 Mrd. € für Shopping ausgegeben.
4. Insgesamt erfolgten im Jahr 2004 rd. 3,2 Mrd. Tagesausflüge von Einwohnern aus
Deutschland (Personentage) nach den Berechnungen des Deutschen Tourismusverbandes.
-
Von diesen 3,2 Mrd. Tagesausflügen entfielen 500 Mio. (rd. 15 %) auf solche, die im
größeren Radius des Wohnortes erfolgten (mindestens 60 Minuten Pkw-Fahrzeitdistanz). Weitere 50 Millionen Tagesausflügler sind aus dem Ausland angereist.
-
2,7 Mrd. Tagesausflüge (in Deutschland) fanden im näheren Umfeld des Wohnortes
statt und werden daher nicht unter Shoppingtourismus subsummiert.86
Die wesentlichen Annahmen zu den Ausgaben der Shoppingtouristen sind:
1. Übernachtende Shoppingtouristen im engeren Sinne, also solche, die mit dem Ziel Einkaufen ihre Reise antreten, geben lt. der Passantenbefragung durchschnittlich 124 € pro
Ankunft aus.
2. Shoppingtouristen i.e.S., die nur einen Tag reisen, geben nach den Berechnungen aus
der Passantenbefragung durchschnittlich 79 € aus.
3. Die sonstigen Übernachtungsgäste geben durchschnittlich pro Ankunft 11,65 € für Einkäufe aus (Berechnung von ECON auf Basis der Befragungsergebnisse dwif 2001).
4. Tagesausflügler, die nicht in erster Linie reisen, um einzukaufen, aber eine größere Distanz zum Wohnort fahren, geben pro Tag 5,75 € aus (berechnet als gewogener Durch86
Nach Berechnungen des Deutschen Tourismusverbandes tätigen die Tagesreisenden zusammen rd. 47 Mrd.
€ Ausgaben im Einzelhandel, dies sind 12,8 % des Einzelhandelsumsatzes im engeren Sinne.
38
schnitt der Angaben des Deutschen Tourismusverbands sowie der Ergebnisse der Passantenbefragung bei Shoppingtouristen i.e.S. auf Tagesausflug).
Diese Berechnungsmethode führt zu dem Ergebnis, dass der Anteil des Shoppingtourismus
am Einzelhandelsumsatz (i.e.S.) 2004 rd. 3,4 % bzw. ca. 12,5 Mrd. € betragen hat (vgl. die
folgende Tabelle).
Tabelle 16: Hochrechnung des durch Shoppingtourismus bedingten Einzelhandelsumsatzes
Ausgaben für Einkäufe im Anteil in Anteil am EHEinzelhandel
%
Umsatz i.e.S.
1. Übernachtungsgäste 2004
Zahl der Übernachtungsgäste
116.411.000 pro Kopf
insgesamt
darunter Shoppingtouristen i.e.S.
15%
17.461.650
124,00
2.165.244.600
65,3%
0,6%
darunter andere Touristen
85%
98.949.350
11,65
1.152.759.928
34,7%
0,3%
3.318.004.528
26,5%
0,9%
Summe Übernachtungsgäste
2. Tagesgäste 2004
Zahl der Tagesgäste
550.000.000 pro Kopf
insgesamt
darunter Shoppingtouristen i.e.S.
15%
82.500.000
79,00
6.517.500.000
70,8%
1,8%
darunter andere Touristen
85%
467.500.000
5,75
2.688.125.000
29,2%
0,7%
9.205.625.000
73,5%
2,5%
Summe Tagesgäste
Gesamtsumme
darunter Shoppingtouristen i.e.S.
666.411.000
12.523.629.528 100,0%
3,4%
99.961.650
8.682.744.600
69,3%
2,4%
darunter andere Touristen
566.449.350
Quelle: ECON-Consult, eigene Berechnungen.
3.840.884.928
30,7%
1,0%
Rechnet man die Tagesausflüge im engeren Umkreis des Wohnortes hinzu, ergibt sich ein
gesamter Anteil am Einzelhandelsumsatz von Shoppingtouristen im engeren Sinn (Ziel der
Reise Einkauf), von Tagesgästen im weiteren Wohnumfeld (100 km bzw. 60 Minuten Distanz) sowie von solchen im Nahbereich des Wohnortes von zusammen ca. 14 %.
Eine zentrale Frage, die sich im Zusammenhang mit der Feststellung ergibt, dass durch
Shoppingtourismus ein Umsatz im Einzelhandel von rd. 12,5 Mrd. € erzielt wurde, ist die, ob
und in welchem Umfang dadurch Mehrausgaben im Einzelhandel entstanden sind, also nicht
nur eine reine Umsatzverlagerung zwischen Standorten stattgefunden hat.
Belastbare empirische Informationen liegen zu diesem Sachverhalt nicht vor. Diese waren
auch im Zuge der während des Projekts durchgeführten Passantenbefragung nicht zu erheben, da man diese vor die hypothetische Situation hätte stellen müssen, ob sie diesen Einkauf früher oder später an ihrem Wohnort getätigt hätten. Derartige Fragen führen erfahrungsgemäß in den meisten Fällen nicht zu validen Ergebnissen.
Wir haben uns daher entschieden, verschiedene Szenarien zu berechnen, um diese den
Ausgaben von Shoppingtouristen aus dem Ausland gegenüberzustellen (vgl. hierzu im Detail
auch das folgende Kapitel), um zu ermitteln, wie sich per saldo die Relevanz dieser beiden
Gruppen für zusätzliche Umsatzpotenziale im Einzelhandel darstellt. Die Ergebnisse dieser
Berechnungen sind in der folgenden Übersicht dargestellt.
Die Übersicht zeigt, dass bei einer Erhöhung eines gegebenen Einzelhandelsumsatzes von x
um:
39
-
10 %: deutscher Shoppingtourismus einen zusätzlichen Effekt von 0,9 Mrd. € pro Jahr
auslösen würde. In diesem Fall wäre der Shoppingtourismus durch Ausländer (2,5 Mrd.
€) um das 2,8-fache höher.
-
15 %: der shoppingtouristische Umsatz aus Deutschland mit einem Saldo von 1,3 Mrd. €
etwa halb so groß wäre wie der von Ausländern verursachte.
-
30 %: sich die Effekte von Deutschen und Ausländern etwa die Waage halten.
-
50 %: inländischer Shoppingtourismus zu 6,7 Mrd. € im Wesentlichen nur auf regionaler
Verlagerung, aber 3,3 Mrd. € auf einem Zusatzeffekt beruhen und in diesem Fall das effektive Zusatzvolumen der Touristen aus dem Inland um rd. ein Drittel höher ist als das
aus dem Ausland.
-
Würde hingegen der Shoppingtourismus durch Inländer eine Verdoppelung der Konsumausgaben bewirken, entfielen zwei Drittel der Ausgaben im Handel durch Shoppingtouristen auf Inländer und ein Drittel auf Ausländer.
Übersicht 1: Modellrechnungen zu den zusätzlichen Effekten von Shoppingtourismus
Gesamtumsatz durch Shoppingtouristen 2004
- darunter durch Reisende aus dem Ausland
Umsatz durch Shoppingtouristen aus Deutschland
Zusätzlicher EH-Umsatz durch Shoppingtourismus bei einem
Zusatzeffekt von
10 %
15 %
20 %
30 %
40 %
50 %
60 %
70 %
80 %
90 %
100 %
12,5 Mrd. €
2,5 Mrd. €
10,0 Mrd. €
0,9 Mrd. €
1,3 Mrd. €
1,7 Mrd. €
2,3 Mrd. €
2,9 Mrd. €
3,3 Mrd. €
3,8 Mrd. €
4,1 Mrd. €
4,4 Mrd. €
4,7 Mrd. €
5,0 Mrd. €
Quelle: eigene Berechnungen, vgl. Tabellen 16 und 18.
Wie ausgeführt, liegen keine belastbaren Informationen vor, wie hoch dieser Effekt tatsächlich ist. Die Modellrechnung zeigt aber eindrucksvoll, dass selbst bei sehr optimistischen
bzw. hohen Annahmen zum positiven Saldo der shoppingtouristischen Aktivitäten durch Inländer Ausländer auf jeden Fall ein weitaus höheres Gewicht haben als es dieser Anteil an
den Gesamtausgaben im Shoppingtourismus von 20 % zunächst vermuten lässt (zur Situation bei Ausländern vgl. im Detail Kapitel 3.4).
3.3 Umsätze im Shoppingtourismus nach Warengruppen
Auf Shoppingtourismus ist 2004 ein Einzelhandelsumsatz von rd. 12,5 Mrd. € entfallen. Wie
sich dieser auf einzelne Warengruppen verteilt, soll im Folgenden analysiert werden.
Für diese Berechnung liegen ausschließlich Informationen aus der Passantenbefragung, die
von ECON-Consult im Rahmen dieser Untersuchung bei 2.000 Shoppingtouristen durchgeführt wurde, vor. Da sich diese aber von Grundgesamtheit aller Übernachtungsgäste und
Tagesausflüger (mehr als 60 Minuten bzw. 100 km Distanz zum Wohnort) unterscheiden,
kann die in Kapitel 3.2 erläuterte Verteilung der Einkäufe auf Warengruppen nicht 1:1 übernommen werden. Daher wurde folgende Schätzung vorgenommen:
40
Tabelle 17: Schätzung der Umsatzverteilung des Shoppingtourismus auf Warengruppen
Passantenbefragung in %
Schätzwert
in %
Schätzwert Umsatz
in Mio. €
NUG
14
7
875
Bekleidung
44
49
6.125
Schuhe, Lederwaren
16
20
2.500
5
5
625
16
14
Elektro, Unterhaltungselektronik
Glas, Porzellan, Haushaltswaren,
Möbel, persönl. Bedarf
Uhren, Schmuck
Summe
1.750
5
5
100
100
625
12.500
Quelle: ECON-Consult, eigene Berechnungen.
3.4
Umsätze im Shoppingtourismus durch Besucher aus dem Ausland
Im Rahmen der vorliegenden Studie sind, wie oben bereits ausführlich beschrieben, die
Ausgaben von ausländischen Touristen von Interesse, da deren Ausgaben in jedem Fall
Kaufkraftzufluss bedeuten. Für die Berechnung dieser Ausgaben wurde wie folgt vorgegangen:
•
Im Jahr 2004 wurden laut amtlicher Statistik 20,137 Mio. Ankünfte von ausländischen
Gästen in Deutschland gezählt.87
•
Laut der Studie des dwif liegen die Ausgaben im Einzelhandel für ausländische Touristen generell etwa 30 % über denen eines durchschnittlichen Touristen. Damit verausgabte ein übernachtender Tourist aus dem Ausland im Schnitt etwa 37,39 € im Einzelhandel. Ein ausländischer Tagesgast gab durchschnittlich immerhin noch rd. 19,00 €
für Einkäufe aus.
•
Die Ausgabenbeträge der Shoppingtouristen im engen Sinne betrugen 2004 nach den
Ergebnissen der Passantenbefragung bei ausländischen Tages- und Übernachtungsgästen jeweils rd. 115 €.
•
Das Verhältnis von ausländischen Tages- zu ausländischen Übernachtungsgästen wird
bundesweit auf 1:2,5 geschätzt. Auf jeden ausländischen Übernachtungsgast kommen
etwa 2,5 Tagesgäste aus dem Ausland nach Deutschland gereist.
•
Die Anteile von Shoppingtouristen im engen Sinne wird bei den ausländischen Übernachtungsgästen auf 5 % und bei den ausländischen Tagesbesuchern auf 15 % geschätzt.
Aus diesen Werten errechnet sich ein Beitrag ausländischer Touristen zum Bruttojahresumsatz des deutschen Einzelhandels von etwa 2,5 Mrd. €, dies sind fast 0,7 %. Die ausländischen Shoppingtouristen im engeren Sinne hatten hieran einen Anteil von knapp 40 %. Sie
gaben etwa 0,976 Mrd. € für Einkäufe aus und trugen 2004 damit 0,27 % zum Bruttoumsatz
des deutschen Einzelhandels bei. Im Jahr 2004 sind somit nach den Ergebnissen dieser Berechnungen 20 % des Shoppingtourismusumsatzes in Deutschland auf Personen entfallen,
die aus dem Ausland angereist sind. Dieser Anteilswert unterschätzt jedoch die reale Bedeutung des Shoppingtourismus durch Ausländer, da diese Ausgaben im Gegensatz zu den
deutschen Shoppingtouristen in jedem Fall Zusatzeinnahmen für den Einzelhandel in
Deutschland bedeuten.
87
Quelle: Statistisches Bundesamt, ‘‘Tourismus. Ergebnisse der monatlichen Beherbergungsstatistik. Dezember und Jahr 2004‘‘, Wiesbaden 2005.
41
Tabelle 18: Umsatz im Einzelhandel durch ausländische Shoppingtouristen
Jahresbruttoumsatz im
Einzelhandel in Mrd. €
Anteil am Jahresbruttoumsatz des Einzelhandels in %
Ausländische Übernachtungsgäste
0,830
0,23
... davon: Shoppingtouristen i.e.S.
0,115
0,03
Ausländische Tagesgäste
1,669
0,45
... davon: Shoppingtouristen i.e.S.
0,861
0,23
Ausländer Insgesamt
2,499
0,68
... davon: Shoppingtouristen i.e.S.
0,976
0,27
Quelle: ECON-Consult, eigene Berechnungen
Der hohe Ausgabenanteil der ausländischen Tagesgäste an den Gesamtausgaben von aus
dem Ausland anreisenden Shoppingtouristen – rd. zwei Drittel –, zeigt, dass der von Kunden
aus dem Ausland verursachte shoppingtouristische Umsatz zu einem großen Teil auf grenznahe Versorgungskäufe im Rahmen von Tagesausflügen und ‘‘Erlebniseinkäufen‘‘ zurückzuführen ist.
Auf der anderen Seite ist die Bedeutung von Übernachtungsgästen mit Wohnsitz im Ausland
für den Einzelhandelsumsatz in Deutschland mit rd. 0,83 Mrd. € (noch) vergleichsweise gering. Auch ist bei dieser Gruppe – wie bereits erläutert – in den meisten Fällen Einkaufen
(‘‘Shopping‘‘) nicht das dominierende Reisemotiv. Dennoch ist sie für die Entwicklung des
Shoppingtourismus in Deutschland von besonderer Bedeutung, da ein großer Teil der Übernachtungsgäste aus Ländern mit erheblichen Wachstumspotenzialen, an denen Deutschland
über Shoppingtourismus partizipieren kann, kommt und deren Ausgaben auf jeden Fall zusätzliche Einnahmen bedeuten.
Ausländische Übernachtungsgäste stellen keine homogene Zielgruppe dar. Wichtiges Differenzierungsmerkmal ist vor allem die regionale Herkunft der Gäste. Wie in der nachfolgenden Tabelle dargestellt, stellen Gäste aus europäischen Ländern den weitaus größten
Teil des Gesamtaufkommens dar, darunter vor allem Gäste aus den Niederlanden, Großbritannien, der Schweiz, Italien, Österreich und Frankreich.
Unter den neuen EU-Mitgliedern sind vor allem Polen und Tschechien für ein hohes Gästeaufkommen verantwortlich, hinzu kommt aus Osteuropa auch Russland. Obwohl die Tendenz aus den osteuropäischen Ländern in letzter Zeit stark steigend war, ist die Bedeutung
dieser Touristen immer noch relativ gering. So sind z.B. im Jahr 2004 in Deutschland rd. 2,9
Millionen Ankünfte aus den vergleichbar kleinen Niederlanden, dagegen nur 0,37 Millionen
aus Polen gezählt wurden, das eine mehrfach größere Einwohnerzahl hat (vgl. Tabelle 19).
Weiterhin stellen Amerika und Asien einen Großteil der Gäste aus anderen Kontinenten. Mit
Abstand wichtigstes Herkunftsland sind darunter die USA, gefolgt von Japan und China. Alle
anderen Länder, insbesondere auch afrikanische Staaten, fallen deutlich dahinter zurück und
stellen nur einen im Verhältnis kleinen Anteil am Übernachtungsaufkommen ausländischer
Gäste.
Deutschland hat in den vergangenen Jahren von der Wiederbelebung des Tourismus nach
dem 11. September 2001 erheblich profitiert. Abbildung 5 zeigt, dass zwischen 2001 und
2004 die Zahl der Ankünfte von Ausländern um fast 13 % gestiegen ist, im Vergleich zu 1995
ergibt sich sogar ein Zuwachs um rd. ein Drittel. Zurückzuführen ist diese Entwicklung – vor
allem kurzfristig – auch auf die EU-Osterweiterung, die 2004 zu einem erneuten Anstieg der
ausländischen Übernachtungsgäste geführt hat.
Die positive Gesamtentwicklung des ausländischen Tourismus hat mit dazu beigetragen,
dass Shoppingtourismus verstärkt von Ausländern getragen wird (aktueller Anteil ca. 20 %).
42
Tabelle 19: Ankünfte, Aufenthaltsdauer und Übernachtungen von Ausländern in Deutschland 2004
Ankünfte
in Mio.
Herkunftsland
Aufenthaltsdauer
in Tagen
Übernachtungen
in Mio.
Europa
Darunter
- Niederlande
- Großbritannien
- Schweiz
- Italien
- Frankreich
- Österreich
- Schweden
- Belgien
- Dänemark
- Spanien
- Polen
- Russische Föderation
- Norwegen
- Tschechien
- Finnland
- Ungarn
- Baltische Staaten
Amerika
Darunter
- USA
- Kanada
Asien
Darunter
- Japan
- China inkl. Hongkong
- Arabische Golfstaaten
- Israel
14,806
2,3
33,602
2,884
1,788
1,417
1,189
0,996
0,920
0,815
0,786
0,785
0,561
0,369
0,293
0,266
0,232
0,215
0,172
0,114
2,337
2,8
2,1
2,1
2,1
2,0
2,1
1,7
2,5
2,0
2,2
2,6
2,8
1,8
2,4
1,9
2,4
2,6
2,3
8,021
3,767
2,926
2,476
1,964
1,899
1,374
1,941
1,582
1,216
0,952
0,822
0,484
0,550
0,407
0,415
0,265
5,306
1,926
0,191
2,337
2,2
2,1
2,3
4,321
0,409
4,355
0,715
0,387
0,160
0,112
1,8
2,2
3,1
2,6
1,286
0,789
0,512
0,297
Ausland zusammen
20,137
2,3
45,374
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 6, Reihe 7.1, Dezember und Jahr 2004.
Abbildung 6: Ankünfte von Übernachtungsgästen aus dem Ausland in Deutschland
45.374
42.642
38.201
34.708
15.931
1992
14.347
1993
34.785
14.490
1994
35.462
14.838
1995
35.349
15.152
1996
36.354
15.836
1997
37.250
16.509
1998
Ankünfte
38.664
17.121
1999
18.992
2000
Übernachtungen
40.786
17.860
2001
40.624
17.959
2002
41.699
18.392
2003
20.137
2004
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 6, Reihe 7.1, Dezember und Jahr 2004.
43
Tabelle 20: Übernachtungen von Ausländern in Deutschland in Relation zur Einwohnerzahl der Herkunftsländer 2004 (Länder mit mindestens 0,5 Mio. Übernachtungen)
Herkunftsland
Übernachtungen
in Mio.
29,185
Einwohnerzahl
in Mio.
297,919
EU-15
(außer Deutschland)
Darunter
- Niederlande
8,021
16,151
- Dänemark
1,583
5,384
- Österreich
1,899
8,188
- Belgien
1,941
10,289
- Schweden
1,374
8,878
- Großbritannien
3,768
60,295
- Italien
2,477
57,998
- Frankreich
1,965
60,181
- Spanien
1,216
40,218
sonstige Länder
- Schweiz
2,926
7,319
- Tschechien
0,551
10,249
- Polen
0,953
38,623
- USA
4,321
290,343
- Japan
1,286
127,215
- Russland
0,823
144,526
- China inkl. Hongkong
0,789
1.294,370
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 6, Reihe 7.1, Dezember und Jahr 2004.
3.5
Übernachtungen je
1.000 Ew.
10
50
29
23
19
15
6
4
3
3
40
5
2
1
1
1
<1
Durch Shoppingtourismus induziertes Wachstumspotenzial in regionaler Hinsicht
Bislang bezogen sich die Ausführungen auf die ‘‘Shopping-Komponente‘‘ des Shoppingtourismus, also auf das Wachstumspotenzial für den deutschen Einzelhandel insgesamt. Shoppingtourismus wird aber auch in anderen Wirtschaftszweigen nachfragewirksam, wie z.B. in
der Hotellerie und Gastronomie, dem Verkehrsgewerbe und auch dem Dienstleistungsgewerbe. Teilweise sind diese sogar die Voraussetzung für Shoppingtourismus, z.B. durch
Wellnessangebote im Übernachtungsgewerbe oder ein herausragendes gastronomisches
Angebot. Als Beispiel für Letzteres ist z.B. das kleine Baiersbronn im Schwarzwald zu nennen (6 Sterne im Michelin), das sich shoppingtouristisch auch auf das gesamte Umland – vor
allem Baden-Baden – auswirkt.
Eine Ableitung der Bedeutung des touristischen Einkaufs sowie sonstiger Ausgaben für
wichtige Großstädte und ausgewählte Fremdenverkehrsregionen lässt sich einerseits auf
Basis der durch das Deutsche Wirtschaftswissenschaftliche Institut für Fremdenverkehr
(dwif) erhobenen Daten für die Ausgaben der Übernachtungsgäste in Deutschland tätigen.
Andererseits kann – allerdings mit Einschränkungen – auch die Erhebung zur Struktur und
zur wirtschaftlichen Bedeutung des Tagesausflugs- und Tagesgeschäftsreiseverkehrs in der
Bundesrepublik Deutschland desselben Instituts herangezogen werden. Die Einschränkungen bestehen dahingehend, dass die Datenerhebung bereits 11 Jahre zurückliegt und die
Daten nicht auf Ebene der Fremdenverkehrsgebiete vorliegen. Das Hauptproblem der über
ein Jahrzehnt zurückliegenden Erhebung kann durch eine Inflationsbereinigung nur ungenügend korrigiert werden. Schließlich waren einzelne Segmente der tagestouristischen Ausgaben – wie beispielsweise die Transportkosten durch Benzinpreissteigerungen zwischen 1993
und 2004 um ca. 80 % – erheblichen Veränderungen unterworfen88.
88
Zwischenzeitlich liegen zwar die Eckdaten einer Wiederholungsuntersuchung desselben Instituts aus dem
Jahre 2004 vor, vgl. hierzu Kapitel 4.1 (Information des Deutschen Tourismusverbandes), diese Vorabinfor-
44
Der Tagesausflugsverkehr spielt im touristischen Gesamtaufkommen Deutschlands eine
immer größere Rolle und ist für den Shoppingtourismus auch bedeutender als der Übernachtungsverkehr. Die wichtigsten Eckdaten sind:
Übersicht 2: Eckdaten zur gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des Shoppingtourismus
Übernachtungsgäste
Zahl 1993
Zahl 2004
88 Mio.
116 Mio.
Tagestouristen
Tagesreisende
(über 100 km und bzw. 60 Minu- (unter 100 km und bzw. 60 Minuten zum Wohnort)
ten zum Wohnort)
2003
430 Mio.
1993
1.720 Mio.
2004
550 Mio.
2004
2.700 Mio.
Gesamtausgaben
1993
2004
30,5 Mrd. €
1993
2004
14,7 Mrd. €
1993
2004
38,9 €1)
77,0 Mrd.
Ausgaben für Shopping
1993
2004
3,318 Mrd. €
1993
2004
9,2 Mrd. €
1993
2004
6,5 Mrd. €1)
39,5 Mrd. €
Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der Angaben des Deutschen Tourismusverbandes, der von ECON
durchgeführten Passantenbefragung sowie der dwif-Studien aus den Jahren 1993 und 2001
1)
einschl. Tagestouristen
Zusammenfassend lässt Übersicht 2 erkennen:
•
Im Jahr 2004 sind Shoppingausgaben der Übernachtungsgäste sowie der Tagestouristen (Shoppingtouristen i.e.S sowie i.w.S.) von 12,5 Mrd. € angefallen, dem standen 30
Mrd. € Ausgaben in der Gastronomie, dem Übernachtungsgewerbe, für Verkehr etc.
gegenüber. D.h., die gesamte wirtschaftliche Bedeutung von Shoppingtourismus ist fast
3-mal so hoch wie die Ausgaben im Handel.
•
In den vergangenen 10 Jahren hat sich der Umfang des Shoppingtourismus erheblich
ausgeweitet: Die Zahl der Übernachtungsgäste ist um knapp ein Drittel gestiegen, die
der Tagesshoppingtouristen schätzungsweise um fast 30 %.
Wie bereits erwähnt, liegen derzeit die neuen Daten des Deutschen Tourismusverbandes für
Tagesreisende (einschl. Tagesshoppingtouristen) noch nicht detailliert genug vor, um damit
weitergehende Berechnungen durchführen zu können. Daher soll im Folgenden zunächst
anhand der bekannten aktuellen Informationen über Übernachtungsgäste an Beispielregionen ermittelt werden, welche regionalen Effekte durch Shoppingtourismus auftreten.
Indikator für die wirtschaftliche Bedeutung des Shoppingtourismus ist die regionale Wertschöpfung, die durch shoppingtouristische Ausgaben entsteht. Der Wertschöpfungsprozess
kann in verschiedene Stufen eingeteilt werden. Die direkte Wertschöpfung entsteht, wenn
der Tourist direkt Leistungen oder Güter beim Unternehmen nachfragt und somit direkte Wirkungen erzielt (1. Wertschöpfungsstufe). Für eine Tourismusregion oder Stadt ist eine lange
Kette von intraregionalen Verflechtungen wertschöpfungsrelevant; deshalb bezeichnet die
indirekte Wertschöpfung (2. Wertschöpfungsstufe) des Tourismus jene Wertschöpfung, welche durch die von der Tourismusnachfrage ausgelösten Vorlieferverflechtungen entsteht. Im
Jahr 2002 wurden entsprechende durchschnittliche regionale Wertschöpfungsquoten89 tou-
89
mation differenziert aber nicht räumlich, nicht nach der Distanz der Tagesreise und nicht nach verschiedenen
Ausgabenpositionen. Bekannt ist, dass es 2004 rd. 3,2 Mrd. Tagesreisen von Einwohnern aus Deutschland
innerhalb von Deutschland gegeben hat, die insgesamt 90 Mrd. € verausgabt haben, darunter 47 Mrd. € im
Einzelhandel.
Die durchschnittliche regionale Wertschöpfungsquote bezeichnet den Anteil der Ausgaben der Gäste, der
unmittelbar zu Löhnen, Gehältern und zu Gewinnen, also zu Einkommen wird. Je höher die Importverluste
durch Zulieferungen von außerhalb der Region zur Erstellung der von Touristen nachgefragten Güter und
Dienstleistungen sind, desto geringer wird die regionale Wertschöpfungsquote. Je nach Ausgabenstruktur der
45
ristischer Ausgaben auf Basis der Bundesländer vom dwif ermittelt. Diese Quoten werden für
die nachfolgenden Berechnungen herangezogen.
Zur exemplarischen Ableitung der wirtschaftlichen Effekte wurden die Kreise und kreisfreien
Städte auf ihre Fremdenverkehrsintensität90 hin überprüft und den Kategorien ‘‘Großstädte
mit über 1 Mio. Übernachtungen‘‘, ‘‘Großstädte mit weniger als 1 Mio. Übernachtungen‘‘,
‘‘sonstige Gebiete mit besonders hoher Fremdenverkehrsintensität‘‘ (über 400 % vom Bundesdurchschnitt), ‘‘sonstige Gebiete mit hoher Fremdenverkehrsintensität‘‘ (über 100 % vom
Bundesdurchschnitt) und ‘‘sonstige Gebiete mit unterdurchschnittlicher Fremdenverkehrsintensität‘‘ (unter 100 % vom Bundesdurchschnitt) zugeordnet. Die Fremdenverkehrsintensität
ist ein wichtiger Indikator für die regional- und lokalwirtschaftliche Bedeutung des Tourismus
insgesamt in ländlich und klein- bis mittelstädtisch strukturierten Regionen.
Die nachfolgenden Beispiele dienen der Verdeutlichung, in welchen Größenordnungen sich
die touristische Einkommenswirkung und der durch Tourismus generierte Umsatz im Einzelhandel in für den Deutschlandtourismus typischen Regionen abspielen:
•
Als Beispiel für eine Großstadt mit über 1 Mio. Übernachtungen und hoher Tourismusintensität ist Berlin zu nennen. Berlin generiert rund 11,3 Mio. Gästeübernachtungen
pro Jahr. Bei durchschnittlichen Tagesausgaben pro Kopf von 183,30 €91 ergibt sich
hieraus ein touristischer Bruttoumsatz von 2.077 Mio. €. Unter der Annahme einer vom
dwif errechneten regionalen Wertschöpfungsquote von 35,78 % in der 1. Wertschöpfungsstufe und von pauschal 30 % in der 2. Wertschöpfungsstufe (bei einem angenommenen ‘‘durchschnittlichen‘‘ Mehrwertsteuersatz92 von 14,7 % für Berlin) ergibt sich
eine Gesamteinkommenswirkung durch übernachtungstouristische Umsätze von ca.
842 Mio. €. Die Umsätze im Einkauf lassen sich lediglich bis in die erste Umsatzstufe
nachvollziehen. Bei einer vom dwif ermittelten Wertschöpfung von 22,5 % für Einkäufe93 und einem Anteil von 37,90 € für Einzelhandelseinkäufe ergeben sich 82 Mio. €
Wertschöpfung durch Touristen im Einzelhandel der Stadt.
•
Die Stadt Saarbrücken mit 350.000 Einwohnern dient als Beispiel für eine Großstadt,
bei der der Übernachtungstourismus eine untergeordnete Rolle spielt. Bei 484.000
Übernachtungen wird ein touristischer Umsatz von 46 Mio. € generiert, aus dem nach
Abzug der Vorleistungen eine Einkommenswirksamkeit von 25 Mio. € entsteht. Von
den Pro-Kopf-Ausgaben in Höhe von 96,10 €94 fließen lediglich 5,20 € in den Wareneinkauf. Von dem im Einzelhandel hierdurch umgesetzten 3 Mio. € verbleiben als Einkommen in der 1. Wertschöpfungsstufe 490.000 € in der Stadt.
•
Eine sehr hohe Fremdenverkehrsintensität weist der Kreis Rügen auf und soll daher
beispielhaft für Fremdenverkehrsregionen stehen, bei denen der Tourismus wesentlich
zur regionalen Wertschöpfung beiträgt. Bei 77.000 Einwohnern finden 5,1 Mio. Übernachtungen statt, was einem Fremdenverkehrsindex von 68.000 entspricht. Der Bruttoumsatz von 355 Mio. € wird mit 169 Mio. € einkommenswirksam. Bei lediglich 70 € Ta-
90
91
92
93
94
Übernachtungsgäste ergeben sich für die einzelnen Bundesländer unterschiedliche durchschnittliche Wertschöpfungsquoten, hierbei handelt es sich um pauschalierte Durchschnittswerte. Sind die Ausgaben für Einkäufe von größerer Bedeutung, liegt der Durchschnittswert auf Grund der niedrigen Wertschöpfungsquote für
diesen Bereich verhältnismäßig niedrig. Haben demgegenüber die Ausgaben für Dienstleistungen ein stärkeres Gewicht, kehrt sich diese Situation um (vgl. HARRER et al. 2002, S. 145).
Die Fremdenverkehrsintensität bezeichnet den Index der Fremdenübernachtungen pro 1.000 Einwohner der
Wohnbevölkerung.
Quelle: HARRER et al. 2002, S. 86.
Zur Berechnung der durch Übernachtungsgäste generierten Nettoumsätze wurden ‘‘durchschnittliche‘‘ Mehrwertsteuersätze herangezogen, die vom dwif auf Basis der im Jahr 2002 erfragten regionalspezifischen Ausgabenstruktur und der Bedeutung verschiedener Betriebsarten für die touristischen Ausgaben gebildet wurden (vgl. HARRER et al. 2002, S. 139).
Quelle: HARRER et al. 2002, S. 144.
a.a.O., S. 91.
46
gesausgaben95, wovon 6,30 € in den Einzelhandel fließen, ergibt sich eine Einkommenswirksamkeit in der 1. Wertschöpfungsstufe des Handels von 6,2 Mio. €.
•
Ein ergänzender, aber wichtiger Wirtschaftsfaktor ist der Tourismus in Gebieten, die einen überdurchschnittlichen Fremdenverkehrsindex aufweisen, wie im Beispiel Landkreis Sächsische Schweiz mit einem FVI von 9.200 bei 146.000 Einwohnern und 1,35
Mio. Übernachtungen. Auch hier sind die Pro-Kopf-Ausgaben mit 78,30 €96 wesentlich
geringer als in den Großstädten. Die gesamttouristische Einkommenswirkung liegt bei
50 Mio. €, die Einkommenswirksamkeit der 1. Umsatzstufe im Handel lediglich bei
1,07 Mio. €, da nur 4,10 € pro Kopf im Handel ausgegeben werden.
Bezieht man die Gesamteinkommenswirkungen des Übernachtungstourismus (einschl. der
von diesen Gästen getätigten Einzelhandelsausgaben) auf die Bevölkerungszahl, ergibt sich
folgende relative Bedeutung von Übernachtungstourismus, auf den rd. zwei Drittel der Tourismusausgaben entfallen:
•
Berlin
•
Saarbrücken
•
Rügen
•
Sächsische Schweiz
249 €
71 €
2.195 €
342 €
Dieses Beispiel verdeutlicht, dass einerseits Metropolen und Großstädte hinsichtlich der
Ausgabenintensität von Übernachtungsgästen, mit den speziellen (ländlichen) Tourismusregionen ‘‘nicht mithalten‘‘ können, hier sind vor allem Angebote für Tagestouristen erforderlich. Andererseits wird klar, wie sich die Potenzialausschöpfung z.B. zwischen Berlin und
Saarbrücken unterscheidet.
Insbesondere kleinere ‘‘Großstädte‘‘ haben noch Nachholbedarf, und zwar sowohl bezogen
auf die Gesamtausgaben als auch beim Anteil, der in den Handel fließt.
Beim Beispiel Saarbrücken wird ersichtlich, dass der touristische Einkauf eine untergeordnete Rolle spielt und mit geeigneten Marketinginstrumenten noch ausgebaut werden muss, da
hier aufgrund der zentralörtlichen Stellung und dem damit verbundenen breiten Einzelhandelsangebot durchaus Potenzial vorhanden ist.
Ähnlich sieht es bei Regionen mit sehr hoher Fremdenverkehrsintensität aus. Auch wenn in
diesen Regionen der Tourismus bereits wesentlich zur regionalen Wertschöpfung beiträgt,
könnte der Anteil des Handels an den touristischen Umsätzen noch deutlich gestärkt werden.
Unausgeschöpfte Potenziale gibt es in Regionen, in denen der Tourismus ergänzender wichtiger Wirtschaftsfaktor ist, wie im Beispiel Sächsische Schweiz festgestellt. In diesen Regionen ist genau zu überprüfen, mit welchen Mitteln shoppingtouristische Wertschöpfung angeregt werden kann. Besonders die Möglichkeiten zur Vermarktung regionsspezifischer Produkte müssen hier geprüft werden.
95
96
a.a.O., S. 88.
a.a.O., S. 92.
47
Tabelle 21: Verteilung der Übernachtungen in deutschen Regionen (2003)
Großstädte mit mind.
1 Mio. Übernachtungen
Darunter
Berlin
München
Hamburg
Frankfurt
Köln
Dresden
Düsseldorf
Hannover
Stuttgart
Nürnberg
Leipzig
Bremen
Rostock
Wiesbaden
Bonn
Münster
Sonstige Großstädte97
Sonstige Gebiete mit sehr hoher
Fremdenverkehrsintensität98
Sonstige Gebiete
Übernachtungen
in Mio.
Einwohnerzahl
in Mio.
Übernachtungen je
1.000 Ew.
49,363
12,607
3.916
11,345
7,595
4,770
4,296
3,258
2,492
2,389
2,388
2,180
1,890
1,433
1,084
1,079
1,064
1,055
1,045
8,772
3,384
1,202
1,710
0,643
0,962
0,477
0,569
0,516
0,583
0,487
0,493
0,540
0,200
0,271
0,304
0,266
3,154
3.352
6.320
2.789
6.684
3.386
5.229
4.198
4.623
3.738
3.880
2.908
2.008
5.397
3.935
3.471
3.927
2.781
90,656
4,101
22.107
166,336
62,478
2.662
Quelle: Statistisches Bundesamt, Sonderauszählung Großstadttourismus 2003 vom 1.2.2005.
97
98
Nach Übernachtungen absteigend sortiert sind dies auf den Rängen 1 bis 20 folgende Städte: Essen, Freiburg, Lübeck, Heidelberg, Mannheim, Aachen, Potsdam, Kassel, Karlsruhe, Regensburg, Würzburg, Dortmund, Erfurt, Bielefeld, Augsburg, Saarbrücken, Darmstadt, Bochum, Offenbach, Chemnitz.
Über 400 % vom Bundesdurchschnitt, d.h. mehr als 15.309 Übernachtungen je 1.000 Einwohner; nach Übernachtungen je 1.000 Einwohner (Fremdenverkehrsintensität) absteigend sortiert sind dies folgende (Land-)
Kreise: Rügen, Nordfriesland, Oberallgäu, Wittmund, Garmisch-Partenkirchen, Ostvorpommern, Ostholstein,
Regen, Berchtesgadener Land, Passau, Miesbach, Freyung-Grafenau, Daun, Bad Kissingen, Bad Doberan,
Waldeck-Frankenberg, Müritz, Goslar, Aurich, Ostallgäu, Cochem-Zell, Traunstein, Nordvorpommern, Lindau,
Breisgau-Hochschwarzwald, Freudenstadt, Bernkastel-Wittlich, Cham. Soltau-Fallingbostel, Friesland, Osterode/Harz, Baden-Baden (Stadt), Hochsauerlandkreis.
48
4
SHOPPINGTOURISTISCHE DESTINATIONEN IM INTERNATIONALEN VERGLEICH
In diesem Kapitel soll analysiert werden, wie sich die oben beschriebenen Destinationen des
Shoppingtourismus in Deutschland darstellen und welche Stärken und Schwächen diese im
Vergleich zu Zielen im Ausland haben.
Will man Erfolgsfaktoren für Standorte des Shoppingtourismus definieren, muss man sich
zunächst vor Augen halten, dass der Shoppingtourist im engen Sinn nur eine Minderheit (rd.
ein Siebtel aller Shoppingtouristen) darstellt, für mehr als 80 % der Shoppingtouristen ist der
Einkauf nur ein Motiv unter vielen für die Reise (vgl. Kapitel 4.2). Daher bedarf es neben anderer Unterscheidungskriterien für Shoppingtouristen, wie z.B. Alter und Einkommen, vor allem der Differenzierung nach diesem vorrangigen Reiseanlass. Es liegt auf der Hand, dass
der Besucher eines Factory-Outlet-Centers Stärken und Schwächen seines Reiseziels anders bewertet als ein Kulturtourist in Dresden.
Weiterhin ist bei einer Stärken- und Schwächen-Analyse zu berücksichtigen, dass auch Orte,
die dem gleichen Destinationstyp angehören, teilweise nur bedingt miteinander verglichen
werden können. Es liegt auf der Hand, dass bei einem Vergleich der Attraktivität von Großstädten für Shoppingtouristen ein Vergleich von New York mit Köln eher problematisch wäre,
vor allem was Aspekte wie Bekanntheitsgrad, Anbindung an den internationalen Flugverkehr
etc. angeht. In den folgenden Kapiteln werden daher im Wesentlichen solche Destinationen
miteinander verglichen, die ‘‘in der gleichen Liga’‘ spielen. Nur beim Vorliegen ähnlicher Voraussetzungen und vergleichbarer Handlungsalternativen haben so genannte ‘‘Best-PracticeBeispiele’‘ auch tatsächlich Beispielcharakter.
4.1
Beispielhafte Gegenüberstellung von Shoppingtourismus-Destinationen
In diesem Kapitel sollen deutsche und (vergleichbare) internationale Destinationen des
Shoppingtourismus gegenübergestellt werden, um zu ermitteln, wo Stärken und Schwächen
deutscher Ziele liegen. Dies geschieht differenziert nach den in den oben stehenden Übersichten zu den Erfolgsfaktoren von Shoppingtouristen unterschiedenen Kategorien.
4.1.1 Großstädte als shoppingtouristische Anziehungspunkte
Deutsche Großstädte werden – wie oben erläutert – in den meisten Fällen von Touristen
nicht in erster Linie aus dem Grund ‘‘Einkaufen’‘ gehen besucht. Ihre Attraktivität resultiert
aus anderen – nicht weniger wichtigen – Faktoren, wie z.B. kulturelle Bedeutung (Dresden),
internationale Bekanntheit, Großveranstaltungen, attraktives Hinterland (z.B. München mit
dem Oktoberfest und Oberbayern). Eine Ausnahme stellt u.a. Düsseldorf dar, das sich als
‘‘Modestadt’‘ versteht und vermarktet.
In der folgenden Übersicht werden daher zunächst Düsseldorf und Mailand gegenübergestellt, um für diesen Typ von Destination Stärken und Schwächen herauszuarbeiten.
Der Vergleich zwischen Mailand und Düsseldorf zeigt, dass man die Frage nach Stärken und
Schwächen nicht darauf reduzieren kann, was Mailand ‘‘besser macht’‘ als Düsseldorf. Das
städtebauliche, historische und damit auch kulturelle Umfeld lässt sich nicht kopieren. Auch
hat Düsseldorf nur einen geringen Einfluss auf das Angebot von Low-Cost-Carriern, kann
zwar hier von Köln profitieren, internationale Verbindungen (Übersee) sind in Düsseldorf
aber unterrepräsentiert.
Düsseldorf zieht zwar eine ‘‘gehobene’‘ Klientel an, ist – vor allem außerhalb der Messezeiten – bzgl. der Besucherstruktur aber nicht mit Mailand zu vergleichen.
Hausgemacht sind jedoch die offensichtlichen Defizite im Bereich der Vermarktung. Die Läden der Modedesigner sind nicht hinreichend konzentriert, die Modestadt Düsseldorf wird
eher ohne den Handel vermarktet. Dass Mode nicht nur auf oder im Umfeld Messen verkauft
49
wird, hat sich in den Werbemaßnahmen im Stadtmarketing bisher nur unzureichend niedergeschlagen.
Übersicht 3: Erfolgsfaktoren von Mailand und Düsseldorf
Mailand
Düsseldorf
Das strategische Viereck der Mode, das weltweit für
seinen Luxus und die Raffinesse seiner Geschäfte berühmt ist, liegt zwischen der Via Monte Napoleone, der
Via Manzoni, der Via della Spiga und dem Corso Venetia. In diesen Straßen und den Nebenstraßen findet
man die stärkste Konzentration sowohl von italienischen als auch ausländischen Boutiquen für Schmuck,
Bekleidung, Antiquitäten; im Grunde alles, was man in
Mailand an schönen und luxuriösen Dingen kaufen
kann.
Bekannt ist Düsseldorf v.a. für den rheinischen Karneval und als Messestadt. Insbesondere die zwei großen
Modemessen IGEDO und CPD tragen zu dem Ruf als
Modestadt bei. Dieser Punkt hat unmittelbare shoppingtouristische Relevanz.
• Das kulturelle Angebot Düsseldorfs legt
Schwerpunkt auf die Aufführung von Musicals.
den
• Der Ruf als Modestadt Düsseldorfs ist eher auf ‘‘Insiderkreise’‘ beschränkt.
• Schwerpunkte der touristischen Marketingstrategie • Einigen Modedesigner unterhalten Läden.
bilden die historische Architektur und das kulturelle • Der Düsseldorfer Flughafen wird nicht von LowAngebot der Stadt.
Cost-Carriern angeflogen.
• Mailand hat über Jahrzehnte ein Image als Stadt der • Der Flughafen ist zwar der drittgrößte in DeutschMode aufgebaut.
land. Flugverbindungen bestehen im Wesentlichen
aber nur zu europäischen Großstädten.
• Was in diesen Schaufenstern ausliegt, ist für die exklusivsten Käuferschichten bestimmt, wer in Mailand • Internationaler Tourismus mit dem Pkw oder Reiseeinkauft, ‘‘gehört dazu’‘.
bus ist v.a. aus den Benelux-Ländern und Frankreich zu verzeichnen. Auch das UK tritt als Her• In den Schaufenstern werden die Produkte in der inkunftsland von Touristen im Pkw/Reisebus in Ernovativsten Art, in der man Ware ausstellen kann,
scheinung.
präsentiert.
• Schöpfer der Haute Couture entwickeln besondere • Verantwortlich für das Stadtmarketing in Düsseldorf
ist die ‘‘Düsseldorf Marketing und Tourismus
Präsentationen für die Schaufensterdekoration, diese
GmbH’‘. Shopping wird ausdrücklich thematisiert
hat Vorbildcharakter für andere große europäische,
und ist sehr eng mit dem Begriff ‘‘Mode’‘ verknüpft.
nordamerikanische und japanische Präsentationen.
Geworben wird für Shopping in Verbindung mit den
• In der Via Sant’ Andrea finden sich auf engstem
Messen IGEDO und CPD.
Raum die bekanntesten Modenamen – italienisch
•
Eine Kooperation mit dem Einzelhandel existiert
und international.
nicht.
• Die Laubengänge zum Corso Vittorio Emanuele II
•
Die Düsseldorf Welcome Card bietet keine shopsetzen einen besonderen städtebaulichen Akzent.
pingtouristisch relevanten Vergünstigungen. ‘‘ShopHier findet man Kinos und eine unendliche Reihe von
ping’‘ ist kein Thema des Stadtmarketings.
Geschäften.
• Mailand ist bevorzugte Destination von Low-CostCarriern.
• Der Flughafen verfügt über umfassende internationale Verbindungen.
• Die Besucher sind quer über Europa verteilt, auch
aus den USA und Asien kommen nennenswerte Zahlen.
• Die Stadt Mailand wird zentral vermarktet, es bestehen Kooperationen zwischen den relevanten Institutionen des Handels, des Tourismus und den öffentlichen Stellen der Stadt.
• Der gewachsene Bekanntheitsgrad der shoppingtouristischen Destinationen wird ausgenutzt und das Bild
der Stadt Mailand als Ziel für Einkaufstouren unterstrichen. Dies betrifft sowohl den Einzelhandel der
Innenstadt, wie auch dort verortete Factory-Outlet
Center.
50
In der nächsten Gegenüberstellung sollen die fünf Städte Berlin, München und Dresden sowie Paris und London verglichen werden. Bei allen diesen Städten handelt es sich um Großstädte mit internationalem Bekanntheitsgrad.
Berlin (vgl. Übersicht 4), das gezielt auf Shoppingtourismus setzt, diesen auch gemeinsam
mit den Tourismusorganisationen, dem Handel, den Wirtschaftsverbänden usw. vermarktet,
kann ohne Frage zu den europäischen Städten gezählt werden. Hervorzuheben sind die
‘‘Sonderaktionen’‘(z.B. Lange Nacht des Shoppings).
Berlin profitiert – wie London – von seiner Geschichte, wobei in Berlin vor allem die jüngeren
Ereignisse von Relevanz sind, die auch zu einem stark steigenden Besucherstrom geführt
haben.
Im Vergleich zu London hat Berlin einen unübersehbaren shoppingtouristischen Vorteil, und
zwar – mit Ausnahme von Bekleidung – das Preisniveau. Dieses Preisgefälle zum UK könnten auch andere deutsche Großstädte, vor allem Köln und Düsseldorf, nutzen, die von Großbritannien aus durch den Kanaltunnel angereist werden. Z.B. könnten entsprechende Pauschalangebote entwickelt werden. Ähnliche Potenziale bestehen wegen der Low-Cost-Carrier.
Das Preisniveau, nicht nur in Berlin im Vergleich zu Großbritannien, sondern Deutschlands
generell, ist eine der entscheidenden Stärken für den internationalen Shoppingtourismus
nach Deutschland (vgl. Tabelle 22), allerdings gilt dies nicht für die Preise für Bekleidung und
Schuhe, die zu den wichtigsten shoppingtouristischen Warengruppen gehören. Vergleicht
man das Preisniveau in Deutschland mit dem wichtiger Nachbarländer in Westeuropa, ergibt
sich folgendes Bild:
•
•
•
•
•
Bei Bekleidung, der wesentlichen Komponente des Shoppingtourismus, erreichte
Deutschland 2004 einen Indexwert von 90 (Belgien=100), die Niederlande dagegen von
76, Dänemark von 87 und das UK von 63. Nur in Frankreich (91) und Italien (89) liegen
die Preise auf deutschem Niveau.
Bei den Kosten für Hotellerie und Gastronomie hat Deutschland dagegen einen klaren
Standortvorteil (101), vor allem im Vergleich zum UK (125), den Niederlanden (124) und
Dänemark (114). Frankreich und Italien weisen in dieser Rubrik wieder ein ähnliches
Preisgefüge auf wie Deutschland.
Auch bei den Kosten für Transport und Verkehr steht Deutschland (110) klar vor Ländern
wie Dänemark (164), den Niederlanden (122) und dem UK (118). Deutlich billiger ist
Transport im Wesentlichen nur in Italien (96).
Für Liebhaber von Alkoholika und Tabak ist Deutschland geradezu ein Preisparadies (92
Punkte) – wenn man von den osteuropäischen Nachbarländern absieht.
Auch bei den sonstigen Ausgaben – Dienstleistungen, Schmuck, Elektroartikel usw. – ist
Deutschland vergleichsweise gut positioniert (107 Punkte). Keines der o.g. Länder mit
Ausnahme von Frankreich (ebenfalls 107 Punkte) kommt an diesen Wert heran. Die Niederlande erreichen 122, Dänemark sogar 166 Punkte.
Die nächste Gegenüberstellung von zwei Shoppingtourismusdestinationen befasst sich mit
München und Paris. Zwar ist Paris schon allein wegen seiner Größe ‘‘bedeutender’‘ als München. Parameter wie z.B. internationales Flugdrehkreuz, bedeutendes Kulturangebot (Konzerte, Schlösser) und Stadtparks sowie Großereignisse führen dazu, dass diese beiden
Städte durchaus vergleichbar sind. Wie sich die Stärken/Schwächen jeweils darstellen, geht
aus der folgenden Übersicht hervor.
München setzt wie Berlin eindeutig auf die Ansprache von Shoppingtouristen, hervorzuheben ist u.a., dass das Internetportal der Stadt das einzige der deutschen Großstädte ist, das
Shopping direkt anspricht und die Angebote beschreibt. Wie Paris auch, baut München auf
seinem internationalen Ruf als Kulturstadt und ‘‘instrumentalisiert’‘ diesen bei seiner gezielten Werbung für Shoppingtouristen. Auffallend ist in München die starke Vernetzung der Ak51
teure sowie die Einbeziehung von Großereignissen und die enge Kooperation mit der auch
überregional bedeutenden Süddeutschen Zeitung. In Paris ist vor allem noch die hohe Bedeutung von Pauschalreisen bei der touristischen Vermarktung hervorzuheben.
Übersicht 4: Erfolgsfaktoren von Berlin und London
Berlin
London
Die Außenwahrnehmung der Stadt ist geprägt von der London zeichnet sich durch seine Geschichte, den Sitz des
britischen Königshauses und eine lebendige kulturelle VielHistorie, insbesondere der jüngsten Zeitgeschichte.
falt aus.
• Die gute Erreichbarkeit für internationalen Tourismus
ergibt sich durch drei internationale Flughäfen (Schöne- • London ist dem Typus der Städte zuzuordnen, dessen
(shopping-)touristisches Potenzial gewachsen ist.
feld, Tegel, Tempelhof).
• Die Lage im Raum befördert internationalen Tourismus • London ist bekannt für eine Vielzahl international bekannter Sportveranstaltungen, wie den London-Cityv.a. aus Polen, der Tschechischen Republik und der
Marathon. Hinzu treten mehrere international bekannte
Slowakei sowie den baltischen und skandinavischen
Sportvereine.
Staaten.
• Das kulturelle Angebot Berlins ist sowohl in der Tiefe, • Die Verkehrsinfrastruktur Londons entspricht der einer
Weltmetropole. Die touristisch größte Bedeutung hat der
wie in der Breite weit gefächert. So fanden 2004 etwa
Flug- und Reisebusverkehr in Kombination mit dem öf9.000 Bühnenvorstellungen statt.
fentlichen Personennahverkehr.
• In Berlin ist der Handel in eine städtische TourismusMarketing GmbH (BTM) integriert. Das KaDeWe ist Ge- • Die Lage im Raum der Stadt London ist vergleichsweise
schlecht, um internationalen Pkw-Tourismus anzuziesellschafter bei der BTM und kofinanziert die Leistunhen. Eine Fahrt mit der Fähre ist bei der Anreise mit dem
gen. Zielsetzung des KaDeWe ist explizit Werbung im
Pkw unausweichlich. Zudem ist die Verkehrslage in der
Ausland, um den eigenen Bekanntheitsgrad beizubeInnenstadt als eher nicht Pkw-geeignet zu bezeichnen.
halten und zu steigern.
• Alle relevanten Bereiche, Stadtmarketing, Handel und • Dafür existiert ein ausgebauter öffentlicher Personennahverkehr.
Tourismus werden von professionellen privaten und öffentlichen Institutionen betreut.
• London macht Shoppingtourismus zu einem wichtigen
Bestandteil seines Auftritts nach außen. Insbesondere
• In Berlin wurde 2002 erstmals ein ‘‘Runder Tisch TouWochenendreisen in Kombination mit Reisen im Lowrismus’‘ ins Leben gerufen, angesiedelt beim RegierenCost-Carrier-Flug werden mit Shopping verknüpft angeden Bürgermeister. Diesem Runden Tisch gehören neboten.
ben den Vertretern der Tourismusverbände auch Vertreter des Einzelhandels an. Gemeinsam will man Ber- • An diesen Aktionen beteiligen sich auch einige Handelslin als ‘‘Deutschlands Hauptstadt der Waren- und Kaufunternehmen.
häuser und Shopping-Center’‘ etablieren.
• Der Handel ist in London keiner gesetzlichen Reglemen• Im Rahmen der Marketingaktivitäten wird insbesondere
tierung unterworfen. Im freien Wettbewerb um die Öffmit dem Preisverhältnis an den Berliner Standorten genungszeiten haben sich Zeiten von 9 bis 19 Uhr (Mo. –
worben. Mit diesem als Hauptanreiz, präsentierte sich
Fr.) und 9 bis 16 Uhr (Sa. und So.) herausgebildet.
Berlin mit einer Kampagne im Jahr 2003 in London.
• Diese Öffnungszeiten – insbesondere der verkaufsoffe• Es gab merkliche Resonanz in der britischen Presse
ne Sonntag – haben hohe Bedeutung für das Ausschöpund auch die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) in
fen des shoppingtouristischen Potenzials der WochenLondon konnte ein erhöhtes Interesse an Berlin verendreisen.
zeichnen.
• London wird professionell vermarktet. Neben einer A• November 2004 fand zum 9. Mal die ‘‘Lange Nacht des
gentur, die London zentral nach außen vertritt, existieren
Shoppings’‘ in Berlin statt. Zweimal im Jahr werden unfür einige Stadtteile eigene Vermarktungsfirmen. London
ter diesem Motto die Öffnungszeiten des Berliner Hanerhält innerhalb der Marketingstrategie ein klares Gedels lokal auf 24 Uhr erweitert. Insgesamt nahmen etwa
sicht als ‘‘Shoppinghauptstadt der Welt’‘.
350 Geschäfte, Kaufhäuser, Restaurants und Kinos teil,
es kamen ca. 600.000 Besucher. Teil des Marketing- • Es existieren Kooperationen zwischen einigen Handelsunternehmen und Tourismusstellen und auch der ‘‘Lonkonzepts ist ein Gutscheinheft für Dienstleistungen, Zudon Pass’‘ bietet sowohl Vergünstigungen für kulturelle
gaben und Rabatte.
Angebote und Angebote in der Gastronomie, als auch
• ‘‘WinterZauber Berlin’‘ ist eine von der BTM aufgelegte
beim Einkaufen.
Marketingkampagne, welche in der Vorweihnachtszeit
die Shoppingtouristen ansprechen soll. Dabei wird
‘‘Shopping’‘ immer in Kombination mit anderen Reisemotiven gesehen (Weihnachtsmärkte, Einkaufszonen,
kulturelle Veranstaltungen und spezielle Offerten).
• Gut aufgenommen wurde der 2004 in Zusammenarbeit
zwischen BTM und IHK erstellte Shoppingguide. Der
Guide wird in den Sprachen Deutsch, Englisch, Russisch, Polnisch angeboten, geplant sind Japanisch und
Chinesisch.
52
Übersicht 5: Erfolgsfaktoren von München und Paris
München
Paris
Das ‘‘Bild’‘ der Stadt ist geprägt sowohl von Hochkultur
(Museen, Konzerte) als von volkstümlich-bayrischer Kultur. International bedeutendste Veranstaltung in München
ist das Oktoberfest. Dieses ‘‘gewachsene’‘ Image wird zunehmend durch das Image einer ‘‘Medienstadt’‘ ergänzt.
Paris bildet das politische und wirtschaftliche Zentrum
Frankreichs. Der Großraum der Hauptstadt des Landes
zählt ungefähr 11 Mio. Einwohner, von denen ungefähr
2,1 Mio. in der Innenstadt leben. Jährlich reisen schätzungsweise 25 Mio. Touristen in die Stadt.
•
•
•
Die Lage im Raum der Stadt München generiert inter- •
nationalen Tourismus v.a. aus Österreich und der
Schweiz, Italien, Ungarn und der Tschechischen Republik.
•
Der Flughafen verfügt über internationale Flugverbindungen (etwa 200 interkontinentale Flüge pro Woche),
wird allerdings von Low-Cost-Carriern vergleichsweise
wenig frequentiert. Hier existieren allerdings Mün•
chen-spezifische Angebote.
Die Messen in München werden jährlich von ca.
2 Mio. Menschen besucht. Der Schwerpunkt liegt auf
Fachmessen für Investitionsgüter und neue Technolo- •
gien (etwa 40 pro Jahr).
•
Die Stadt München operiert mit direktem Marketing für
Shoppingtourismus.
•
Das Stadtmarketing für München wird von der Portal
München GmbH & Co. KG organisiert. Als starker
Partner des Städtemarketing tritt die Messe München
International (MMI) in Erscheinung. Die MMI besitzt
insgesamt vier Tochtergesellschaften im Ausland und
zusätzlich 75 Auslandsvertretungen für 97 Länder.
•
•
•
Paris tritt sowohl als Stadt mit kulturell breit gefächertem Angebot, wie als Stadt mit luxusbetontem Image
auf.
Zu diesen – eher gewachsenen – Komponenten tritt
die öffentliche Vermarktung der Stadt als ‘‘Grüne
Hauptstadt Europas’‘ mit mehr als 400 Parks und Gärten in der Stadt und im Umland.
Die Verkehrsinfrastruktur, insbesondere die nationalen
Autobahnen, sind in Frankreich ebenfalls zentral an der
Hauptstadt ausgerichtet.
Pkw- und Reisebus-Tourismus sowie Tourismus mit
dem Zug wird überwiegend aus Belgien und Luxemburg, den Niederlanden sowie Großbritannien und
Deutschland angezogen.
•
In der touristischen Vermarktung fällt Paris v.a. durch
ein breites Angebot an Pauschalreisen auf, die häufig
unter Mottos, wie ‘‘Besuche die Stadt der Liebe’‘ oder
‘‘... die Stadt der Mode’‘, stehen. Hierüber wird aktiv
das gewachsene touristische Potenzial Paris' ausgenutzt.
•
In München wurde zudem im November 2003 mit der
‘‘City-Partner München e.V.’‘ die einzige bekannte rein
privatwirtschaftlich finanzierte Innenstadt-Initiative in
Deutschland gegründet. Erklärtes Ziel ist es, die Stadt
professioneller zu vermarkten und dabei Synergieef- •
fekte aus Großereignissen wie der Bundesgartenschau 2005 oder der Fußballweltmeisterschaft 2006
zu nutzen.
•
Das kulturelle Angebot reicht von historischen Orten
über 160 Museen, 200 Kunstgalerien, 100 Theater und
650 Kinos bis zu traditionell vermarkteten gastronomischen Angeboten.
Trotz der privaten Trägerschaft besteht eine enge Zusammenarbeit mit dem Fremdenverkehrsamt der
Stadt München. Hinzu kommt eine Verknüpfung mit
dem umfangreichen Shoppingportal der Stadt im In- •
ternet.
Das Internetportal der Stadt München ist das einzige
der Internetportale der hier besprochenen deutschen •
Städte, welches das Thema ‘‘Shopping’‘ direkt anspricht und Angebote beschreibt und offeriert.
•
Ein weiteres shoppingtouristisch relevantes Produkt
ist ein zweisprachiger (deutsch/englisch) Shoppingguide unter dem Motto ‘‘Shopover in München’‘.
•
Die Süddeutsche Zeitung verteilt zusätzlich viermal
jährlich im Raum Südbayern ein eigenes Supplement
unter dem Titel ‘‘München erleben’‘.
•
Die Destination Deutschland wird vor allem im Ausland sehr stark unter dem kulturellen Aspekt gesehen.
Von diesem Image wendet sich München – als d i e
international relevante Shoppingdestination neben
Berlin – zurzeit etwas ab. In Kooperation mit der Lufthansa soll München als Shoppingdestination für die
Märkte Indien und Japan beworben werden. Nicht nur
Bier, Oktoberfest und Kultur, sondern mehr Altstadt,
Innenstadt und Shopping lautet die Devise.
Allein unter der Postleitzahl 75000 finden sich 15 Restaurants im Reiseführer ‘‘Michelin’‘, von denen zwei einen Stern erhalten haben.
Zum kulturellen Angebot treten internationale Sportveranstaltungen (Tour de France, internationales Tennisturnier, Marathonlauf, internationale Sportvereine) und
internationale Messen.
Allein 17 Mode-Fachmessen haben sich in Paris unter
dem Begriff ‘‘Paris Capital de la Création’‘ zusammengeschlossen.
Die Öffnungszeiten in Paris zeigen ein eher breit gefächertes Bild. Üblich ist die Kernzeit 9 bis 19 Uhr von
Montag bis Samstag. Kaufhäuser haben überwiegend
bis 20 oder 22 Uhr geöffnet. In definierten Zeiträumen
des Jahres (Adventszeit, Schlussverkauf) ist die Öffnung an Sonntagen erlaubt. Hinzu treten lokale Sonderregelungen. So ist im Marais-Viertel und auf den
Champs-Élysées an 365 Tagen im Jahr geöffnet, überwiegend bis 24 Uhr.
53
Abschließend soll im Kontext der Diskussion von Erfolgsfaktoren für Shoppingtourismus in
Großstädten auf den Raum Dresden/Leipzig/Chemnitz eingegangen werden. Die Region
Dresden/Leipzig/Chemnitz ist die einzige in den neuen Bundesländern, in der Touristen im
nennenswerten Umfang einkaufen. Nach einer Untersuchung des Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr aus dem Jahre 2002 geben hier Touristen je
Tag durchschnittlich 34,30 € für Einkäufe aus, in den anderen Regionen Ostdeutschlands erreicht dieser Wert maximal gerade einmal rd. 10,00 €.1
Übersicht 6: Erfolgsfaktoren von Dresden und Leipzig
Dresden
Leipzig
Dresden und Leipzig sind überdurchschnittlich beliebte Reiseziele. Dresden hat mit 7,9 Millionen Besuchern 2004 nach
Berlin, München und Hamburg die vierthöchste Anzahl touristischer Gäste in Deutschland. In Dresden übernachten jährlich etwa 2,8 Millionen Menschen, in Leipzig etwa 1,6 Millionen. Der Tourismus in Sachsen ist im nationalen Rahmen
stark ausgeprägt und wird durch die Infrastruktur (dichtes Straßennetz, einen leistungsstarken ÖPNV, ein noch relativ
dichtes Eisenbahnnetz sowie Unterkunftsmöglichkeiten und Gastronomie) positiv beeinflusst. Im internationalen Tourismus sind noch Marktreserven zu erschließen. Leipzig und Dresden bilden sich in der Region mehr und mehr zu deren
Zentren heraus. Dresden ist vor allem durch die internationale Bedeutung in der Kunst, Leipzig durch die Messen und
den Sport Anziehungspunkt.2 Die Städte und Regionen im Raum Dresden/Leipzig/Chemnitz verfügen einerseits über
sehr attraktive städtische (kulturelle) Angebote, andererseits ist das Umland/die Region auch touristisch hochinteressant. Zu diesen touristischen Magneten zählen insbesondere:
• Dresden: Zwinger, Kulturlandschaft Dresdner Elbtal, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Architektur, Parks, Grünanlagen und Stadtlandschaft, Gläserne Manufaktur.
• Leipzig: Messe, Architektur, Kunstsammlungen, Kultur, Parks und Grünanlagen, Wälder, Sportveranstaltungen.
• Sächsische Schweiz (Klettersport, Wanderungen, Wassersport u. a.), Erzgebirge (Wintersport, Wanderungen, technische Denkmäler u. a.), Vogtland (Wintersport, Wanderungen u. a.), Zittauer Gebirge (Wintersport, Wanderungen u.
a.), Sächsisches Elbland (Städtetourismus, Weinbau), Oberlausitz (Städtetourismus, Wanderungen).
• Chemnitz (Architektur, Shopping), Görlitz (Architektur, Shopping), Bautzen (Architektur, historische Stätten), Freiberg
(Architektur, technische Denkmäler des Bergbaus), Meißen (Architektur, historische Stätten), Zwickau (Architektur,
technische Denkmäler).
In jüngerer Zeit bildeten sich weitere Schwerpunkte im Tourismus heraus:
• Neuseenland südlich von Leipzig (Wassersport, Wanderungen), Sächsisches Hügelland (Architektur, historische Stätten), Dübener Heide und Wermsdorfer Heide (Wassersport, Wanderungen).
• Silberstraße: verläuft von Zwickau über das Westerzgebirge und Osterzgebirge nach Freiberg und Dresden, Sächsische Weinstraße: verläuft von Pirna über Dresden und Meißen nach Diesbar-Seußlitz, Mitteldeutsche Straße der
Braunkohle (Industriearchäologie, technische Denkmäler der Braunkohlengewinnung und -veredelung), Jakobsweg
(Via Regia) von Görlitz nach Eisenach (innerhalb Sachsens über Bautzen, Kloster St. Marienstern, Kamenz, Königsbrück, Großenhain, Strehla, Wurzen und Leipzig), Deutsche Alleenstraße.
• Dresden hat zahlreiche verkaufsoffene Sonntage und • Leipzig: Über die Internetpräsenz der Stadt
(http://www.leipzig.de) gelangt man zum Unterportal der
tourismustaugliche Veranstaltungen. Diese werden auf
Leipzig Tourismus Service GmbH. Mit Tourismus werdem Internetportal der Stadt (http://www.dresden.de)
den vor allem Gastronomie und Kultur in Verbindung
auch beworben.
gebracht.
• Über die Präsentation ‘‘Tourismus’‘ ist eine Verlinkung
‘‘Shopping und Gastronomie’‘ zu finden, wo die wichtigs- • Ihrer Bedeutung als Johann-Sebastian-Bach-Stadt trägt
Leipzig durch entsprechende Events (v.a. barocke Kunst
ten Einkaufsstätten (Straßen, Passagen) knapp beund klassische Musik) Rechnung.
schrieben werden.
• Es wird aber weder hier noch über das Stadtmarketing • Dem Shopping ist im Tourismus-Portal nur eine Kleinstrubrik gewidmet; sie beinhaltet eine sehr allgemein ge(http://www.citymanagement-dresden.de) eine organihaltene Kurzbeschreibung der Einkaufsmöglichkeiten
sierte Verbindung zwischen Einzelhandel und Tourismus
sowie einen Link zur gemeinsamen Internetseite der
gepflegt; derzeit erfolgt keine systematische Berücksichsächsischen Weihnachtsmärkte.
tigung von Shopping-Tourismus im Stadtmarketing.
• Auf dem Portal der Marketing Leipzig GmbH
(http://www.leipziger-freiheit.de) finden die Themen Tourismus und/oder Shopping keine Berücksichtigung.
1
2
Quelle: Harrer, Bernhard; Scherr, Sylvia: ‘‘Ausgaben der Übernachtungsgäste in Deutschland’‘, dwif Schriftreihe Nr. 49/2002.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Tourismus_in_Sachsen.
54
Der Großraum Leipzig/Dresden/Chemnitz ist ein herausragendes Beispiel dafür, dass Shoppingtourismus auch ohne eine entsprechende Strategie bzw. Marketingmaßnahmen nennenswerte Erfolge erzielen kann. Voraussetzung ist allerdings das Bestehen herausragender
sonstiger Angebote bzw. Strukturen. Dresden profitiert dabei vor allem von seinem kulturellen Erbe. Es würde daher auch wenig Sinn machen, die Region als Shoppingdestination gezielt zu vermarkten, Shopping ist hier vielmehr ein positives und erfolgreiches ‘‘Abfallprodukt’‘. Dennoch ist zu konstatieren, dass die Ausgaben von Touristen im Einzelhandel spürbar gesteigert werden könnten, wenn die Einkaufsmöglichkeiten intensiver kommuniziert
werden würden.
Tabelle 22: Vergleich der Lebenshaltungskosten in der Europäischen Union 2004 - Belgien=100
Alkoholische
Getränke,
Tabak
Tschechische Republik
Bekleidung
und Schuhe
Verkehr
Freizeit und
Kultur
VerschiedeHotels,
ne Waren
Cafés und
und DienstRestaurants
leistungen
78
72
82
85
93
91
131
87
164
113
144
166
92
90
110
97
101
107
Estland
104
82
77
91
69
76
Griechenland
111
101
92
112
94
77
81
96
102
97
95
78
101
91
106
101
102
115
Dänemark
Deutschland
Spanien
Frankreich
Irland
176
60
123
109
127
108
Italien
101
89
96
115
102
110
Zypern
169
83
109
123
120
89
Lettland
92
65
77
91
79
85
Litauen
99
83
80
93
73
94
Ungarn
79
87
80
81
68
62
Malta
149
80
106
105
96
106
Niederlande
108
76
122
75
124
122
Österreich
104
91
115
109
92
92
Polen
116
58
82
79
83
77
Portugal
94
80
107
92
96
84
Slowenien
91
96
84
102
82
81
Slowakei
88
78
88
93
87
101
Finnland
149
95
127
128
115
101
Schweden
145
84
118
102
109
87
Vereinigtes Königreich
138
63
118
108
125
117
Belgien
100
100
100
100
100
100
Quelle: EUROSTAT 2005.
Die folgende Tabelle 23 stellt für die hier beschriebenen Großstädte die Besucherzahlen sowie die Fluggastzahlen gegenüber. Daraus wird nochmals ersichtlich, wie ‘‘erfolgreich’‘ diese
Städte bei der Ansprache von (Shopping-)Touristen sind. Vor allem die weit auseinander
klaffenden Werte von München und Berlin auf der einen und Düsseldorf/Köln auf der anderen Seite zeigen - auch wenn man die unterschiedlichen Einwohnerzahlen dieser Städte mitberücksichtigt -, welche Bedeutung die beschriebenen Vermarktungsstrategien von München
55
und Berlin haben dürften. Allerdings ist dies nur ein Faktor unter vielen, wie vor allem das
Beispiel Dresden zeigt.
Tabelle 23: Besucher und Fluggäste in europäischen Großstädten
Destinationen
Paris
London
Berlin
Mailand
München
Düsseldorf
Köln
Besucher pro Jahr
(Mio. Personen)
25,0
14,3
13,0
11,0
7,2
1,1
1,6
Dresden und Leipzig
Fluggäste 2004
(Mio. Passagiere)
48,2
93,2
14,3
20,1
26,8
15,3
8,3
4,4
3,7
Quelle: EHI Köln 2004; STAR (statistics on tourism & research) 2003; ATCB, Department Marketing and Development
2004; Betreibergesellschaften der Flughäfen; London: Heathrow und Gatwick 2003; Paris: Orly und CDG 2003.
4.1.2 Shopping-Center, Shopping-Malls und Urban Entertainment Center
In Deutschland ist die Anzahl der großflächigen Shopping-Center über 10.000 qm Mietfläche
in den letzten 15 Jahren stark gestiegen. Auch bedingt durch den Nachholbedarf in Folge der
Wiedervereinigung hatte sich die Gesamtzahl zu Beginn der 90er Jahre mehr als verdoppelt.
Erst um die Jahrtausendwende zeichnete sich wieder ein Trend zu weniger Neueröffnungen
pro Jahr und zu kleineren Centern mit innerstädtischen Standorten ab.
Shopping-Malls und Urban Entertainment Center legen innerhalb des Einkaufserlebnisses
den Schwerpunkt noch stärker auf Unterhaltung als Shopping-Center. Unter shoppingtouristischer Perspektive bieten sie damit eher einen Reisegrund an, als dies Shopping-Center
tun, deren Funktion eher den Versorgungseinkäufen zugerechnet werden kann (vgl. oben
Kapitel 2.2.2.).
Den Shopping-Centern kommt allerdings im Zusammenhang mit anderen Destinationstypen
und – in Deutschland – im Bereich des Cross-Border-Shopping eine shoppingtouristisch relevante Bedeutung zu. So können sie in einem gegebenen touristischen Umfeld das Reiseerlebnis um ein Einkaufserlebnis erweitern. Als eigenständige shoppingtouristische Destination
spielen Shopping-Center dagegen eine geringe Rolle.
Für die hier vorliegende Analyse wurden die folgenden Shopping-Malls und Urban Entertainment Center näher beschrieben.
Übersicht 7: Untersuchte Shopping-Center
Destinationen
Besucher pro Jahr
(Mio. Personen)
Mall of America, Minnesota
25,0
CentrO, Oberhausen
22,0
Birmingham, Bullring
k.A.
Meadow Hall, Sheffield
20,0
Quelle: EHI Köln, 2004.
Es sollen zunächst zwei Urban Entertainment Center einander gegenübergestellt werden.
Die ‘‘Neue Mitte Oberhausen’‘ und das ‘‘Bullring-Center’‘ in Birmingham sind jeweils als die
national größten Einrichtungen ihrer Art anzusehen (vgl. die Übersicht auf der folgenden Seite).
56
Beide Center wurden in Regionen errichtet, die zuvor von strukturellen wirtschaftlichen Problemen gekennzeichnet waren, und zeigen besonders deutlich, wie große Einzelhandelsstandorte genutzt werden können, um regionale Strukturen zu revitalisieren.
Mittlerweile besitzen beide Einkaufs- und Unterhaltungszentren auch internationalen Ruf und
weisen durchaus Relevanz als touristische Destination auf.
Alle Beispiele in diesem Abschnitt zeichnen sich zudem durch ein professionelles privates
Management aus. Hierin ist ein Grundvorteil dieser Einrichtungsformen zu sehen, anders als
der Einzelhandel in Großstädten oder im ländlichen Raum ist eine Vernetzung der einzelnen
Mieter/Geschäfte mehr oder minder automatisch gegeben und wird von den Betreibern der
Center auch aktiv gestaltet.
Damit ist u.a. ein gemeinsamer Auftritt nach außen sichergestellt, das Management/die
Betreiber kalkulieren darüber hinaus die Kosten für Events und andere Maßnahmen zur
Kundenansprache mit ein. Zudem sind die Kooperationsmöglichkeiten mit dem Stadtmarketing/Stadttourismus einfacher, da die Interessen bei den Betreibern gebündelt werden können und nicht – wie z.B. in den Innenstädten – mühsam die einzelnen Händler, Gastronomen
und Dienstleister ‘‘unter einen Hut’‘ gebracht werden müssen.
Es verwundert somit nicht, dass in Oberhausen die in shoppingtouristischer Hinsicht so wichtigen Kooperationen zwischen Einzelhandel und touristischen Einrichtungen vergleichsweise
gut funktionieren. Nicht zuletzt die Entwicklung der Übernachtungszahlen in Oberhausen
zeigt deutlich, dass die ‘‘Neue Mitte’‘ touristische Relevanz besitzt und erfolgreich vermarktet
wird.
Im Anschluss an die vergleichende Gegenüberstellung der beiden großen Urban Entertainment Center sollen nun noch zwei internationale Beispiele angeführt werden, wie künstlich
geschaffene Einkaufsattraktionen den Rang einer touristischen Destination einnehmen können. Die ‘‘Mall of America’‘ ist eine der größten – rein shoppingtouristischen – Reisedestinationen der Welt. Aufgrund der regional einzigartigen Voraussetzungen kann sie allerdings
nicht als Beispiel für deutsche shoppingtouristische Destinationen dienen.
Übersicht 8: Bloomington: Mall of America
Bloomington: Mall of America
Die ‘‘Mall of America’‘ in der Stadt Bloomington im Bundesstaat Minnesota zieht alljährlich mehr als
25 Millionen Besucher an (größter Einzelhandels- und Entertainment-Komplex der USA).
Die Besucher können unter 520 verschiedenen Einzelhandelsgeschäften auswählen, wobei alle national bekannten Warenhausunternehmen wie Bloomingdale’s, Macy’s, Nordstrom und Sear’s darunter
vertreten sind.
Zu den Entertainmentbereichen gehören neben einem Großraumkino auch ein Aquarium und mehrere große Unterhaltungsparks.
Vierzig Prozent aller Besucher sind Kunden, die außerhalb eines 150-Meilen-Radius vom Zentrum
entfernt wohnen, also als Shoppingtouristen aufgefasst werden können.
Im Fünf-Meilen-Umkreis gibt es über 30 Hotels, die alle eine Shuttle-Bus-Verbindung zum Center anbieten.
Zu den Besuchern aus dem Ausland zählt ‘‘The Mall of America’‘ vor allem Touristen aus Kanada,
Großbritannien, Japan, Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden; die ‘‘Mall of America’‘ ist
montags bis samstags von 10 Uhr morgens bis 21 Uhr 30 geöffnet, sonntags bis 19 Uhr.
Außerdem ist das Center bekannt für seine über 300 jährlich stattfindenden feierlichen Anlässe und
Special Events.
57
Übersicht 9: Erfolgsfaktoren von Shopping-Centern und Shopping-Malls
Oberhausen/CentrO
Birmingham/Bullring-Center
Neben den Potsdamer Platz Arkaden in Berlin gilt das CentrO in
Oberhausen in Deutschland als ein Pendant zu amerikanischen
Shopping-Malls. Sieben verschiedene Themenbereiche gliedern das
Einkaufszentrum in Oberhausen. Die ‘‘Neue Mitte Oberhausen’‘, die
auf einer lange Zeit ungenutzten Brachfläche eines ehemaligen Stahlwerks entstand, beinhaltet heute neben einer Vielzahl von Restaurants einen Familien-Freizeitpark, ein Multiplex-Kino, das Theatro
CentrO und das ‘‘Sea Life Center’‘ (größtes Meerwasser-Aquarium
Deutschlands).
Bei Bullring galt es, ‘‘den Einzelhandel von Birmingham
neu zu definieren’‘: Bis zum Jahr 2002 nahm Birmingham - obwohl zweitgrößte Stadt des Landes – im britischen Retail Ranking Report nur den 15. Rang ein.
Nach zweieinhalb Jahren Bauzeit wurde im September
2003 im Zentrum von Birmingham das neue Einkaufszentrum eröffnet. Aktuell gilt es als das größte in Großbritannien. Bullring besticht vor allem durch seine außergewöhnliche Architektur und die Lage. In dem früher
eher vernachlässigten und marode wirkenden BullringCenter wurde das Einzelhandelsangebot um rund
40 Prozent erweitert; die Stadt Birmingham bekam hierdurch ein neues Erscheinungsbild und zählt heute zu
den wichtigsten europäischen Einzelhandelsdestinationen.
• Das CentrO verfügt über 70.000 qm Nettoverkaufsfläche und 200
Einzelhandelsgeschäfte.
• Die neue Mitte Oberhausen hat direkten Anschluss an die Autobahnen A2, A3, A42, A40 und A560. Im Umkreis von 2,5 Kilometern liegen zwölf Autobahnanschlüsse. Im Einzugsgebiet leben
mehr als 30 Mio. Menschen. In das Projekt wurde ca. 1 Mrd. € investiert. Die bis dahin touristisch nahezu bedeutungslose Stadt
gründete im April 1997 eine eigene Tourismus GmbH.
• Seit 1999 besteht zwischen dem CityO.-Management e.V., der Interessenvereinigung der Einzelhändler der Innenstadt von AltOberhausen und der Tourismus & Marketing Oberhausen GmbH
ein Kooperationsvertrag mit der Zielsetzung, Synergieeffekte besser zu nutzen.
• Tourismusabteilung und Citymanagement sind heute räumlich unter einem Dach organisiert.
• Der Ausbau der Hotelkapazitäten weist seit 1996 eine hohe Dynamik auf. Die Zahl der Betten wurde von 600 Betten (1996) auf
1.500 (2003) erhöht. Die Zahl der ausländischen Ankünfte und
3
Übernachtungen steigt stetig.
• Bedeutend sind die Entwicklungen in den Monaten November und
Dezember: Hier konnte 2003 die Zahl der Übernachtungen um jeweils 9 %, bei Ausländern sogar um 21 bzw. 38 % gesteigert werden. Die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten wird hauptsächlich
für den Anstieg des Reisebusaufkommens in der Vorweihnachts4
zeit um 17 % als Begründung genannt.
• Der Anteil der Geschäftsreisenden ist zwar wegen der BabcockInsolvenz von 97 % auf rd. 65-70 % zurückgegangen. Der Rückgang der Übernachtungszahlen im Geschäftsreisesegment konnte
zum Teil durch eine deutliche Steigerung um 14 Prozent bei den
Übernachtungen von ausländischen Gästen von 2002 bis 2003
5
aufgefangen werden. Hauptquellgebiete im Ausland sind die
Beneluxstaaten
(insbesondere
die
Niederlande)
und
Großbritannien.
• In
diesen Ländern findet auch eine gemeinsame Werbung der Tourismus & Marketing Oberhausen GmbH und des CentrO Oberhausen statt.
• Heute finden sich unter dem Dach der Tourismus & Marketing Oberhausen GmbH die Tourismusabteilung, das CityO.-Management
6
und die Stadtwerbung . Die CentrO Management-Gesellschaft als
Vermieter aller Einzelhandelsgeschäfte im CentrO schloss 1999 einen Kooperationsvertrag mit der Tourismus & Marketing Oberhausen GmbH. Gemäß dem Kooperationsvertrag wird das Tourismusmarketing personell und finanziell indirekt von den Einzelhändlern im CentrO unterstützt. Hierbei geht es um eine gemeinsame
PR- und Öffentlichkeitsarbeit, ausgewählte Marketingmaßnahmen
in wichtigen Quellgebieten, die Erschließung neuer Kundenpotenziale sowie die Präsentation des CentrO auf in- und ausländischen
7
Fachmessen und in Reiseveranstalterkatalogen.
3
4
5
6
7
Das Einzelhandelsangebot lag bis dahin deutlich unter
dem Niveau von Leeds, Manchester, Glasgow oder
Newcastle. Im Einzugsgebiet von Birmingham (45 Minuten Anfahrtzeit) leben 4,3 Mio. Menschen.
• Bullring-Center hat eine Gesamtfläche von 110.000
qm. Unter den rund 150 Shops und gastronomischen
Einrichtungen zählen die Warenhäuser Selfridges
und Debenhams zu den Magnetbetrieben.
• Den Besuchern des Centers stehen über 2.300
Parkplätze zur Verfügung, darüber hinaus kann es
über alle öffentlichen Verkehrsmittel sehr bequem erreicht werden.
• Für die Revitalisierung von Bullring, das von den
beiden Projektentwicklungsgesellschaften Hammerson Group und Land Securities betrieben wird, wurde insgesamt eine Investitionssumme von über
500 Mio. £ aufgebracht.
• Um den negativen Ruf als schmutzige und unsichere
Stadt zu bekämpfen, mussten enorme Anstrengungen unternommen werden, um verloren gegangene
Kundenströme wieder zurückzugewinnen und neue
Verbraucher auf die Stadt aufmerksam zu machen.
Hierzu wurde ein sehr umfangreiches PR-Programm
entwickelt, das vor allem die folgenden Punkte beinhaltete:
− Durchführung einer Grand Opening Show für das
neue Einkaufszentrum in Großbritannien, zu der
mehr als 200.000 Besucher am Eröffnungstag
kamen.
− Positionierung von Bullring in Kooperation mit der
Stadt Birmingham als moderne, europäische Einzelhandelslandschaft.
− Aufbau eines starken Markennamens mit Betonung auf Qualität, Atmosphäre und dem Außergewöhnlichen.
− Zurückgewinnung von Verbrauchern und Hinzugewinnung neuer Kundenströme.
− Nicht weit vom Bullring-Komplex entfernt liegt die
Messe von Birmingham. So kann eine nicht geringe Zahl von Messebesuchern als zusätzliches Besucherpotenzial angesprochen werden.
Quelle: LDS NRW 2004.
ITB-Pressekonferenz, Tourismusentwicklung in Oberhausen 2003, 11.03.2004.
Quelle: LDS NRW 2004.
Experteninterview mit Axel Biermann, Tourismus & Marketing Oberhausen GmbH am 10.02.2004.
Experteninterview mit Michael Grundmann, CentrO Management am 12.02.2004.
58
Übersicht 10: Sheffield: Meadowhall UK
England/Sheffield: Meadowhall
Die 1990 eröffnete ‘‘Meadowhall’‘ ist mit einer Gesamtverkaufsfläche von etwa 72.000 qm einer der
erfolgreichsten Einkaufsorte Englands. Hierzu tragen auch die fünf größten Magnetbetriebe bei, von
denen drei ( Marks & Spencer, Debenhams und Sainsbury’s Savacenter) Verkaufsflächen von mehr
als 10.000 qm aufweisen. Insgesamt werden in der Meadowhall rd. 270 Geschäfte, 26 Restaurants
und ein Großraumkino betrieben.
Das Objekt setzt sich aus fünf verschiedenen Bereichen zusammen, die jeweils an einem eigenen Logo, differierender Architektur und einem spezifischen Branchenmix erkannt werden können.
‘‘Meadowhall’‘ liegt an der Autobahn M1 mit direkter Anbindung an die Autobahnkreuze Sheffield-Nord
und -Süd. Es gibt Umsteigebahnhöfe für Bus, Bahn und ‘‘Supertram’‘; der Busparkplatz ist für 300
Busse ausgelegt. Eine interne zweispurige Ringstraße führt zu mehr als 10.000 Parkplätzen. Der gesamte Verkehr wird über ein städtisches Computersystem gesteuert.
Führende englische Einzelhändler haben Meadowhall zum Einkaufszentrum Nr. 1 gewählt.
Shopping-Malls bieten prinzipiell die Möglichkeit des Erlebniseinkaufens, sind aber aufgrund
ihrer Größe und des hieraus resultierenden Einzugsgebiets in Deutschland kaum anzutreffen. Eine Ausnahme bildet das CentrO in Oberhausen, das professionell und auch im Hinblick auf Tourismus vermarktet wird. Das Konzept der Shopping-Mall ist amerikanisch geprägt und profitiert dort und in anderen Ländern von extrem großen bebauungsfreien Flächen im Land. Shopping-Malls wie die Mall of America sind in Deutschland sicherlich nicht
umsetzbar, auch und v.a., da sie kaum mit der regionalen Raumordnungsplanung in Einklang zu bringen wären.
Einkaufszentren sind dagegen in Deutschland weit verbreitet. Sie sind in der Regel keine
speziellen shoppingtouristischen Ziele, können allerdings als Ergänzung im schon vorhandenen shoppingtouristischen Angebot dienen. Besonders interessant sind sie für Deutschland
im Bereich des Cross-Border-Shopping.
4.1.3 Der ländliche Raum als shoppingtouristischer Anziehungspunkt
Der ländliche Raum hat mehrere Möglichkeiten am shoppingtouristischen Potenzial zu partizipieren:
•
Entweder die betreffende Gebietseinheit verfügt über ein endogenes gewachsenes
Shoppingangebot, das in der Regel durch attraktive Infrastruktur (z.B. reizvolle Landschaft, Hotellerie und Gastronomie, Erholung, Kultur etc.) unterstützt wird. In diesen Fällen ist Einkaufstourismus gewissermaßen ein ‘‘Abfallprodukt’‘ der im Vordergrund stehenden Reiseziele der Touristen, das allerdings bezüglich seiner Attraktivität und damit
der zu erzielenden Handelsumsätze erheblich gesteigert werden kann. Diese Situation
trifft vor allem auf die beschriebenen Ziele Idar-Oberstein und Mettlach zu;
•
oder aber das Shoppingpotenzial wird erst über die Bildung entsprechender Einrichtungen geschaffen. In diesen Fällen steht tatsächlich die Akquisition von Einkaufskunden
aus weiter entfernten Regionen im Vordergrund. Die infrastrukturellen Bedingungen bilden dann eher den erforderlichen Rahmen für den Erfolg als Shoppingdestination.
Der erste Fall – wenn ein endogenes shoppingtouristisches Potenzial vorhanden ist –
verlangt intensive und auf den Gebietstyp abgestimmte Marketingbemühungen. Auch hierbei
spielen Kooperationsformen – etwa zwischen verschiedenen Gebieten, soweit dies wegen
der geografischen Lage möglich ist, oder zwischen dem Handel, der Gastronomie und den
touristisch verantwortlichen Stellen – eine wichtige Rolle. Herausragende Bedeutung kommt
59
dem Handeln der kommunalen Gebietskörperschaften zu. Sie in die Kooperationen zu integrieren, birgt weiteres Potenzial für den Erfolg der Marketingbemühungen.
Weitere Abhängigkeiten entstehen aus der großen Abhängigkeit der ländlichen Gegenden
von der Verkehrsinfrastruktur. Die Attraktivität vieler Reiseziele für Kurzzeittouristen steht
und fällt mit der Zeitdauer, die für die An- und Abreise aufgewendet werden muss.
Insbesondere entsteht hier die Chance, durch ein integriertes Politikkonzept Wachstumspotenziale erst zu ermöglichen. In Gegenden, die in den Politikbereichen vergleichsweise unterentwickelt sind, kann ein ‘‘Hand-in-Hand-Gehen’‘ von Infrastruktur-, Tourismus- und kommunaler Politik Wachstumspotenziale für größere Gebietseinheiten bedeuten.
Shoppingtourismus impliziert eine enge Zusammenarbeit von Teilen des sekundären und
tertiären Sektors. Bestehende industrielle Wirtschaftseinheiten erhalten durch den Handel im
Rahmen von Shoppingtourismus die Möglichkeit, ihr Bestehen zu sichern. Zu denken ist
hierbei v.a. an das Handwerk, aber auch regional alleinstehende industrielle Fertigung wird
über die Einkäufe von Shoppingtouristen abgesichert.
Gleichzeitig wird durch den hohen Dienstleistungsanteil im Shoppingtourismus die Entwicklung des tertiären Sektors gefördert. V.a. in industriellen Konversionsgebieten kann Shoppingtourismus die regional unterentwickelten Wirtschaftssektoren unterstützen und so eine
selbstgetragene Entwicklung befördern.
Eine integrierte Politik – z.B. für ostdeutsche Gebiete – würde hierfür eine enge Zusammenarbeit zwischen den kommunalen Gebietskörperschaften, den – tourismuspolitisch verantwortlichen – Landesstellen und den infrastrukturpolitisch verantwortlichen Stellen auf Bundesebene verlangen.
Insbesondere auf Landes- und kommunaler Ebene muss abgewogen werden, ob nicht in einigen Fällen die Pläne und Regelungen der Landes- und Raumplanung hinter die wirtschaftlichen Interessen und Ansprüchen die aus Shoppingtourismus erwachsen, gestellt werden
können, um die regionale Entwicklung nicht zu erschweren.
Gerade im Fall der ostdeutschen Länder (Sächsische Schweiz, Erzgebirge) fällt – angesichts
der demografischen und wirtschaftlichen Entwicklung in vielen ostdeutschen Regionen – eine Kosten-Nutzen-Analyse langfristig positiv für Investitionsvorhaben im shoppingtouristischen Bereich aus, auch wenn prinzipiell berechtigte Bedenken bzgl. der negativen Beeinflussung der Landschaft dem kurzfristig entgegenstehen.
Zunächst sollen daher im Folgenden shoppingtouristische Destinationen mit endogenem Potenzial beschrieben werden, um Stärken und Schwächen herauszuarbeiten, anschließend
wird dann auf Factory-Outlet-Center und Cross-Border-Shopping eingegangen. Die Regionen mit endogenen Potenzialen, die für die Bewertung ausgewählt wurden, sind:
Übersicht 11: Im ländlichen Raum untersuchte Destinationen des Shoppingtourismus
Destinationen
Besucher pro Jahr
(Mio. Personen)
Idar-Oberstein
k.A.
Glasmanufakturen, Südschweden
1,0
Mettlach
0,7
Roubaix, Frankreich
k.A.
Zunächst werden Idar-Oberstein sowie die Glasmanufakturen in Südschweden gegenübergestellt. Beiden Destinationen ist gemeinsam, dass diese einerseits im ländlichen Raum liegen und andererseits im Wesentlichen über ein zentrales Produkt verfügen, über das die
Region ein eindeutiges und z.T. auch einmaliges Profil erhält.
60
Übersicht 12: Erfolgsfaktoren von Idar-Oberstein und den Glasmanufakturen, Südschweden
Idar-Oberstein
Glasmanufakturen, Südschweden
Die Stadt Idar-Oberstein zählt 35.464 Einwohner und
ist ein vollausgestattetes Mittelzentrum im Bundesland
Rheinland-Pfalz. Idar-Oberstein ist umgeben von den
Oberzentren Mainz, Koblenz, Trier, Saarbrücken und
Kaiserslautern.
Die Region Småland im Süden Schwedens ist in erster
Linie wegen ihrer vielen Glashütten bekannt. Hochburgen sind die Städte Gislaved, Gnosjö, Vaggeryd, Värnamo und Jönköping.
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•
•
Idar-Oberstein ist ein Verbindungsglied in einer • Die Glashütten sind an allen Wochentagen geöffnet,
die Glasbläserei werktags von 9 bis 15 Uhr.
Kette von Wirtschaftsräumen, die Frankreich mit
dem Rhein-Main-Gebiet verbindet. Auf der Linie
Hambach in Elsass-Lothringen über Saarbrücken, • Durch die regionale Kooperation verschiedener Manufakturen entsteht in Småland ein hohes shoppingIdar-Oberstein und Mainz wird die Anbindung an
touristisches Potenzial.
Frankfurt am Main hergestellt. Die Großregion
Saar-Lor-Lux-Trier liegt in direkter Angrenzung.
• Durch die über Jahrhunderte ständig weiterentwickelte handwerkliche Glaskunst und die Qualität des
Die Autobahn A66 und mehrere Bundesstraßen
Glases ist Glas aus Südschweden heute weltbeverbinden die Stadt mit der Umgebung.
rühmt. Auch aus den USA und Japan sind Liebhaber
Der nächste Flughafen liegt 30 km entfernt (Frankdieser Glaskunst regelmäßig in Småland anzutreffurt-Hahn) und wird von einem Low-Cost-Carrier
fen.
als Ankerflughafen benutzt. Die nächsten Flughäfen in Saarbrücken, Luxemburg und Frankfurt/Main • In Süd-Småland zwischen Växjö und Nybro liegen
insgesamt 14 Glashütten dicht beieinander.
sind mindestens 90 km von der Stadt entfernt.
Idar-Oberstein liegt an der Bahnstrecke zwischen • Das touristische Angebot reicht von Werksbesichtiden beiden Landeshauptstädten Saarbrücken und
gungen mit angeschlossener Einkaufsmöglichkeit
Mainz mit direkter Weiterführung nach Frankbis zu gastronomischen Angeboten, direkt in den
furt/Flughafen und Hauptbahnhof. Der Bahnhof
Glashütten.
Idar-Oberstein liegt zentral im Stadtteil Oberstein.
• Seit Frühjahr 2004 bietet das ‘‘Glasreich’‘ den ‘‘GlasDas endogene Shoppingpotenzial wird durch Edelriket Pass’‘ an – eine Vorteilskarte mit vielen Versteine und entsprechende Weiterverarbeitung zu
günstigungen zum Jahrespreis von rd. 10 €, die in
Schmuck erzeugt.
allen 14 Glashütten vorgelegt werden kann. Alle
Insbesondere das kulturelle Potenzial der Stadt
Glas-Shops gewähren bei einem Einkauf für über
verbindet sich nahtlos mit dem Hauptprodukt. So
55 € einen Rabatt in Höhe von zehn Prozent; auexistiert ein Edelsteinmuseum; ein Stadttheater
ßerdem gibt es speziell den Passinhabern vorbehalund verschiedene ehemalige Edelsteinminen köntene Sonderangebote.
nen besichtigt werden.
• Mit über 1 Mio. Besuchern jährlich gehört das GlasJährlich gastiert die Messe INTEGEM in Idarreich zu Schwedens größten touristischen AttraktioOberstein, eine internationale Fachmesse für Edelnen.
steine, Edelsteinschmuck und Edelsteinobjekte.
Das gastronomische Angebot umfasst 15 im • Die Region Småland wird zentral national und international vermarktet, wobei der Schwerpunkt der
Michelin erwähnte Restaurants. Eines erhält drei
Marketingstrategie neben der Glaskunst auf die
Sterne, drei der Restaurants erhalten einen Stern.
landschaftlichen Gegebenheiten der Region konDie touristischen Angebote zielen ebenfalls auf das
zentriert ist.
Hauptprodukt Edelsteine ab. Es wird eine entsprechende Gästeführung und eine ‘‘Entdeckungsreise’‘ angeboten.
Das touristische Marketing wird zentral von der
Naheland-Tourismus Agentur übernommen. Hinzu
tritt der ‘‘Alles rund um die Edelsteine/Stadtmarketing Idar-Oberstein e.V.’‘.
• Das touristische Marketing ist zu großen Teilen auf
das Hauptprodukt der Stadt, Edelsteine, ausgerichtet, d.h. es beinhaltet zentral das Thema Shopping.
In beiden Regionen wird bei den Marketingaktivitäten insbesondere auf das dort typische unverwechselbare Produkt und das damit verbundene Image gesetzt. Es besteht eine unmittelbare Assoziation des Ortes/der Region mit diesem Produkt.
61
Die von uns auch in Idar-Oberstein durchgeführte Passantenbefragung ergab, das dieses
Angebot bevorzugt ältere Touristen mit einem etwas über dem Durchschnitt liegenden Einkommen anzieht (vgl. Kap. 4.2). Allerdings, dies gilt auch für alle anderen Shoppingtourismus-Standorte, an denen wir Erhebungen durchgeführt haben, sind diese Strukturen - Alter,
Einkommen etc. - nicht so stark ausgeprägt, als dass von einer dominierenden Clusterbildung gesprochen werden könnte, die eine eindeutige Ausrichtung auf ein bestimmtes Kundensegment rechtfertigen würde.
Die nächsten beiden Standorte, die gegenübergestellt werden sollen, sind Mettlach und
Roubaix.
Übersicht 13: Erfolgsfaktoren von Mettlach und Roubaix
Mettlach
Roubaix
Die Stadt Mettlach liegt im Landkreis Merzig-Wadern
im Saarland, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Luxemburg und Frankreich. Die Ortschaften des Landkreises gruppieren sich im international bekannten
Dreiländereck
Frankreich/Luxemburg/Deutschland.
Mettlach zählt rd. 7.000 Einwohner.
Roubaix hat etwa 97.000 Einwohner und liegt im Zentrum des Ballungsraums Lille/Tourcoing, in dem etwa 1
Mio. Menschen leben.
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Die Stadt Mettlach hat Anschluss an die Autobahnen A5 und A8 sowie an verschiedene Bundesstraßen. Der Flughafen Saarbrücken-Ensheim liegt
in etwa 50 km Entfernung.
Mettlach wird im Jahr von ca. 44.000 Übernachtungsgästen besucht, die insgesamt rd. 220.000
Übernachtungen ausmachen.
Zu den Übernachtungsgästen kommen noch etwa
500.000 Tagesbesucher im Jahr.
Das gewachsene touristische Potenzial Mettlachs
beschränkt sich auf die Landschaft und die Lage in
unmittelbarer Nähe zum Dreiländereck.
Das shoppingtouristische Potenzial der Stadt Mettlach besteht in der Keramikverarbeitung. So ist das
weltweit bekannte Unternehmen ‘‘Villeroy & Boch’‘
in der Stadt angesiedelt und bietet die eigenen
Produkte in verschiedenen Läden an.
Das kulturelle Angebot besteht in einem Keramikmuseum und vom Unternehmen angebotenen
Werksführungen und verschiedenen Angeboten,
die unmittelbar mit der landschaftlichen Umgebung
zusammenhängen (Angebote von Rad- und Wandertouren, Aussichtspunkt ‘‘Cloef’‘, Saarfähre ‘‘Welles’‘).
Das gastronomische Angebot ist als eher eingeschränkt zu bezeichnen. Der Michelin führt keine
Sterne für die 15 im Ort gelegenen Restaurants.
Shoppingtouristisches Potenzial erwächst in Mettlach zusätzlich aus dem – in Deutschland und den
Nachbarländern einzigartigen – Ladenverkauf der
Marke ‘‘Land’s End’‘. Dieser stößt bei Personen auf
reges Interesse, die als Shoppingtouristen bezeichnet werden können, da ihr Wohnsitz weit außerhalb des – relativ großen – Einzugsgebiets des
Ladenverkaufs liegt.
•
Roubaix ist über drei Autobahnen erreichbar. Der
nahe gelegene Flughafen Lille zählte im Jahr 2002
923.100 Passagiere. Ein Bahnhof mit überregionalem Zugverkehr befindet sich direkt im Stadtzentrum.
•
Das kulturelle Angebot der Stadt ist breit gefächert.
Es reicht von einem überregional bekannten Geschichtsmuseum und einem Handwerksmuseum bis
hin zu Theatern und sonstigen Veranstaltungen. Zu
nennen sind v.a. Modeschauen.
•
Auf der historisch gewachsenen Handwerksstruktur
der Stadt fußend, findet sich in Roubaix ein breites
Angebot des Einzelhandels. Etwa 160 Handwerksverkäufe und größere Einzelhandelsniederlassungen werden in Roubaix gezählt.
•
Die Öffnungszeiten bewegen sich von Montag bis
Freitag von 9.00 bis 19.00 Uhr. Vereinzelte Sonntage im Jahr sind ebenfalls verkaufsoffen.
•
Der Tourismus nach Roubaix wird zentral vermarktet. Ein ‘‘City-Pass’‘ bietet neben kostenlosem
Transport im öffentlichen Nahverkehr freien oder
ermäßigten Eintritt zu Museen, Theatern u.Ä. und
darüber hinaus preisreduzierte Einkaufsmöglichkeiten in ausgewählten Einzelhandelsgeschäften.
‘‘Steuerfreies’‘ Einkaufen für nicht-europäische Gäste wird sowohl von den Tourismusstellen, wie vom
Einzelhandel aktiv unterstützt. Ab 175 € Gesamteinkaufswert innerhalb eines Geschäftes erhält der Besucher (aus dem Nicht-EU-Raum) die gezahlte
Mehrwertsteuer bei Abreise erstattet.
•
Insbesondere der Internetauftritt der Stadt bzw. der
Umgebung von Roubaix ist ausführlich und umfangreich.
Das touristische Marketing ist in das zentrale Marketing des Saarlandtourismus integriert.
62
4.1.4 Factory-Outlet-Center
Die zweite - oben genannte - Möglichkeit für Regionen des ländlichen Raumes, die nicht
über endogene Potenziale verfügen – wie z.B. Idar-Oberstein mit Edelsteinen und Mettlach
mit Keramik –, Shoppingtourismus zu generieren, besteht vor allem in der Etablierung von
Factory-Outlet-Centern.
Die folgende Übersicht zeigt, welche Standorte hier näher untersucht werden sollen:
Übersicht 14: Untersuchte Outlet-Center bzw. Fabrikverkäufe
Destinationen
Designer Outlet Bicester Village
DOC Zweibrücken
Besucher pro Jahr
(Mio. Personen)
2,5
1,2
Fabrikverkauf Metzingen
k.A.
Designer Outlet Parndorf
1,6
Quelle: EHI Köln, 2004.
Die üblichen Standorte von FOC sind der ländliche Raum. Allerdings werden die FOC räumlich so platziert, dass Einkaufskunden aus Agglomerationsräumen diese schnell und bequem
erreichen können. FOC oder Designer-Outlet-Center sind in Deutschland aufgrund der restriktiven Genehmigungspraxis eher die Ausnahme, es existieren derzeit weniger als eine
Hand voll. Wie nachstehend im Zusammenhang mit der Beschreibung von Cross-BorderShopping noch zu zeigen sein wird, resultieren daraus – vor allem in den Niederlanden und
Belgien – ‘‘Konkurrenzangebote’‘, d.h. im benachbarten Ausland errichten die international agierenden Betreiber von FOC solche Center, um Kunden aus Deutschland gezielt abzuziehen.
Übersicht 15: Erfolgsfaktoren des DOC Zweibrücken und des DOC Parndorf
Zweibrücken
Parndorf, Österreich
Die Stadt Zweibrücken liegt in der Grenzregion der Die Stadt Parndorf hatte im Jahr 2001 3.218 Einwohner
Bundesländer Saarland und Rheinland-Pfalz, in der und ist Teil der Gemeinde Neusiedl am See.
Nähe zur Grenze nach Frankreich.
• Die Stadt verfügt über kein endogenes ShoppingpoDie Stadt zählt rd. 38.000 Einwohner.
tenzial und wird hier daher als Beispiel für eine
gänzlich künstlich geschaffene shoppingtouristische
• In Zweibrücken findet sich Deutschlands größtes
Destination im ländlichen Raum angeführt.
Designer-Outlet-Center mit 55 Shops, 700 Ange•
Mit der Eröffnung des Designer Outlet Parndorf
stellten und 1,2 Millionen Besuchern (2003) auf
führte McArthurGlen 1998 das Factory-Outlet Cen11.000 m² Nettoverkaufsfläche.
ter-Konzept in Österreich ein.
• Das Outlet-Center Zweibrücken ist montags bis
samstags von 10.00 bis 19.00 Uhr geöffnet. Das • Das Designer Outlet Parndorf liegt nur 30 Minuten
von Wien und 15 Minuten vom Flughafen Wien –
Center bietet (unregelmäßige) Sonntagsöffnungen
mit 14,8 Mio. Fluggästen in 2004 – entfernt.
von 13.00 bis 18.00 an.
•
Es beherbergt etwa 90 Geschäfte und ist von Mon• Die Stadt besitzt einen unmittelbaren Autobahnantag bis Freitag von 9.30 bis 19.00 und samstags von
schluss an die A8, ein regionaler Flughafen zählte
9.00 bis 18.00 Uhr geöffnet.
im Jahr 2002 rd. 26.000 Passagiere. Seine touristische Bedeutung ist als gering einzuschätzen.
• Parndorf verfügt über eine direkte Autobahnanbindung. Eine Zugverbindung besteht von Wien aus. Den
• Zweibrücken, selbst in einer Weinregion gelegen,
Kunden stehen über 1.700 Parkplätze zur Verfügung.
bietet mit dem Kulturpark ‘‘Europas Rosengarten’‘
keine
kulturellen
Einrichtungen,
denen • Es überwiegt Marketing für den nationalen Markt
überregionale Bedeutung beigemessen werden
(nationales Radio, Printmedien), welches auskann.touristische Potenzial liegt auf Erholungsreisen.
schließlich vom Betreiber des Designer-Outlet• Das
Centers betrieben wird.
Das Marketing für den städtischen Tourismus übernehmen das Kultur- und das Verkehrsamt der Stadt. • Zielland für Marketing im Ausland ist v.a. Ungarn.
• Beworben werden überwiegend Pauschalangebote
Beworben wird das Center insbesondere in Kombizum Einkaufen, welche in Verbindung mit dem landnation mit Angeboten zu Erholungsurlauben im Burschaftlichen Umfeld der Stadt angeboten werden.
genland.
63
•
•
Zweibrücken bietet für Gäste eine ‘‘Bonuskarte’‘ •
an, mit der – über ein Punktesystem – Rabatte
beim Einkauf in den beteiligten Geschäften in der
Stadt bzw. im Outlet-Center realisiert werden können.
•
Zweibrücken ist ein Beispiel für ein Reiseziel, dessen touristisches Potenzial überwiegend im shoppingtouristischen Bereich liegt. Andere herausragende Attraktionen existieren kaum.
•
Das Center zieht jährlich rund 1,6 Mio. Besucher an,
wobei sehr viele auch aus dem benachbarten Ausland kommen. Dabei überwiegen die Besuche aus
Deutschland, Ungarn und der Slowakei.
Die Gemeinde Neusiedl am See meldet für das Jahr
2002 insgesamt 362.606 Ankünfte von Übernachtungsgästen, der Anteil der ausländischen Gäste
beträgt ca. 30 %.
Wie viele der Übernachtungsgäste tatsächlich im
FOC von Parndorf einkaufen gehen, ist nicht rekonstruierbar. Allerdings deutet die Nähe der Stadt
Parndorf zu Gemeinden, die viele Übernachtungsgäste aufweisen (Wien, Neusiedl), und die intensive
überregionale Werbung des FOC darauf hin, dass
die Zahl der Wien-Touristen, die in Parndorf einkaufen, vergleichsweise hoch liegt.
Da es im weiten Umkreis von Zweibrücken in Deutschland kein weiteres FOC gibt, die Konsumenten dieses Angebot aber suchen (siehe hierzu unten das Beispiel Roermond in den
Niederlanden), hat Zweibrücken gewissermaßen eine Monopolstellung, was wohl einer der
zentralen Erfolgsfaktoren ist. Dies gilt auch für Parndorf.
FOC sind ohne jeden Zweifel Kundenmagneten, auch in Deutschland, wo diese allerdings so
gut wie nicht vorkommen. Shoppingtouristisch sind FOC Erfolgsmodelle, bisher haben sich
jedoch die Hoffnungen, dass damit auch Zusatzeffekte für die Innenstädte im näheren Umkreis verbunden sind, nicht erfüllt, vielmehr sind bislang eher Kannibalisierungseffekte eingetreten.
4.1.5 Cross-Border-Shopping
Cross-Border-Shopping ist unter gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten vor allem interessant, da dies zu zusätzlichen Kaufkraftzuflüssen führen kann. Cross-Border-Shopping impliziert allerdings immer auch eine Konkurrenzsituation, in der es auch zu unerwünschten Abflüssen von Kaufkraft kommen kann.
In Kapitel 2.2.3 wurde erläutert, dass Cross-Border-Shopping in Europa und in Deutschland
vor allem aus Preis-, Steuer- und Wohlfahrtsgefällen resultiert. Dies gilt z.B. für die Destinationen Luxemburg oder Sachsen/Tschechien.
Neu ist hingegen eine Entwicklung, die darin besteht, dass wegen der restriktiven Genehmigungspraxis für Factory-Outlet-Center in Deutschland die ausländischen Nachbarn Deutschland mit solchen Angeboten verstärkt ‘‘einkreisen’‘. Daher sollen nachstehend beide Typen
des Cross-Border-Tourismus untersucht werden. Im Einzelnen werden folgende Destinationen bewertet:
Übersicht 16: Untersuchte Orte mit Cross-Border-Shopping
Destinationen
Besucher pro Jahr
(Mio. Personen)
Designer Outlet Roermond, Niederlande
3,2
Maasmechelen Village, Belgien
1,4
Flensburg
k.A.
Frankfurt/Oder
k.A.
Quelle: EHI Köln, 2004.
64
Übersicht 17: Erfolgsfaktoren des DOC Metzingen und des DOC Bicester Village
Metzingen
Bicester: Designer-Outlet Bicester Village,
England
Die Kreisstadt Metzingen hat rund 21.000 Einwohner
und liegt zwischen dem Ballungsraum Stuttgart und
dem des Oberzentrums Reutlingen/Tübingen. Im Jahr
2003 wurden in Metzingen insgesamt 61.785 Übernachtungen und 4.489 ausländische Gästeankünfte
gezählt.
Das bereits seit 1995 bestehende Designer-Outlet Bicester Village gilt als das erste themenspezifisch gebaute und strategisch platzierte Outlet Village für Premiummarken in Großbritannien. Schon bald nach der
Eröffnung entwickelte sich das Village zu einem beliebten Einkaufs- und Ausflugsziel.
•
•
•
Metzingen liegt in unmittelbarer Nähe zu drei Bun- •
desstraßen, verfügt allerdings über keine direkte
Autobahnanbindung. Der nächste Flughafen ist der
•
Flughafen Stuttgart.
Endogenes Shoppingpotenzial resultiert in Metzingen – wenn man überhaupt von einem solchen Potenzial sprechen kann – v.a. aus der Landwirtschaft. Es wird begleitet durch entsprechende kul- •
turelle Angebote, wie ein Weinbau- und ein Obstbaumuseum, sowie verschiedene Veranstaltungen,
denen allerdings keine überregionale Bedeutung
•
zugesprochen werden kann.
Die zentrale shoppingtouristische Destination in
Metzingen ist der örtliche Fabrikverkauf mit etwa
40 Outlets verschiedener Marken. Diese Zahl hat
sich in den letzten Jahren stetig erhöht. Die Öffnungszeiten entsprechen den bundesdeutschen
Regelungen. Verkaufsoffene Sonntage werden al- •
lerdings nicht regelmäßig angeboten.
•
Das Stadtmarketing liegt in den Händen des örtli- •
chen Gewerbe-, Handels- und Verkehrsvereins,
der unter dem Titel ‘‘Metzingen bewegt’‘ firmiert.
Die Tourist-Regio-Card des Landkreises Reutlingen bietet Ermäßigungen bei verschiedenen Einrichtungen, Veranstaltungen, touristischen Sehenswürdigkeiten, Kultur, Sport und Erholung in
den Landkreisen Reutlingen, Tübingen und Zollernalb.
•
Metzingen ist ein Beispiel für den Fall einer shoppingtouristischen Destination, in der eine regional
bedeutende shoppingtouristische Destination wirtschaftliche Tätigkeit im primären Sektor absichert
oder zumindest unterstützt. Gleichzeitig profitieren
das Beherbergungsgewerbe und der Einzelhandel
der Stadt vom Besucheraufkommen, das durch das
Outlet-Center generiert wird.
•
Die Attraktivität und Anziehungskraft resultiert aus
den dort ansässigen bekannten Designerlabels und
auch der permanenten Berichterstattung in den
Medien.
•
Im Gegensatz zu FOC auf der grünen Wiese sind
in Metzingen die ‘‘Kannibalisierungseffekte’‘ eher
gering.
Im Einzugsgebiet von 120 Minuten Fahrzeit leben
21,3 Millionen Menschen.
Bicester Village verfügt über eine direkte Autobahnanbindung und ist von London in etwa 60 Minuten
(22 Millionen Touristen jährlich) und in 45 Minuten
von Birmingham aus zu erreichen.
Das Center ist täglich (inkl. sonntags) von 10.00 bis
18.00 Uhr geöffnet, samstags liegen die Öffnungszeiten zwischen 9.30 und 19.00 Uhr.
Bicester Village liegt in der Region mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen Englands und im Zentrum
der wichtigsten Fremdenverkehrsregion Englands;
Sehenswürdigkeiten wie Stratford-upon-Avon, Oxford und die Cotswolds befinden sich in der nahen
Umgebung.
Besucher aus dem Ausland machen 40 Prozent der
Kundschaft aus.
Durch gezielte Marketingmaßnahmen in Zusammenarbeit mit Reisebüros und -veranstaltern hat Bicester Village einen sehr hohen Bekanntheitsgrad
als internationales Touristenziel erreicht und zählt
heute zu den wichtigsten Attraktionen Südenglands.
65
Übersicht 18: Erfolgsfaktoren des FOC Roermond und des Cross-Border-Shopping
Flensburg
Niederlande: FOC Roermond
Flensburg
Im November 2001 wurde von McArthurGlen in den Niederlanden das Outlet Center Roermond eröffnet; der britische FOC-Betreiber hatte zuvor vergeblich versucht,
Standorte in Deutschland zu entwickeln.
•
•
•
Die Stadt Flensburg liegt unmittelbar an der deutschdänischen Grenze und besitzt eine Brückenfunktion
zum skandinavischen Raum. Die historische Altstadt
wurde komplett saniert und ist eines der HerausstelDas Beispiel Roermond zeigt deutlich, dass die Um- lungsmerkmale im Rahmen der touristischen Attraktigehungsstrategie offenbar aufgeht. So konnte im vität der Stadt.
Rahmen von Pkw-Kennzeichen-Erfassungen nach- • Die Stadt mit rd. 85.000 Einwohnern ist bekannt
gewiesen werden, dass in Roermond durchschnittfür ihre Jahrhunderte alte Spirituosenindustrie, die
lich rd. 56 % der Kunden aus Deutschland stammen.
auch Hauptziel von skandinavischen ShoppingAn den Wochenenden wird dabei nicht nur eine deuttouristen ist.
lich höhere Besucherfrequenz erreicht, sondern auch • Damit ist der Hauptgrund für das grenzüberschreiein noch höherer deutscher Kundenanteil; vor allem
tende Einkaufen der ausländischen Besucher der
an den verkaufsoffenen Sonntagen liegt der Anteil
Stadt im Preisunterschied zwischen Spirituosen zu
der deutschen Kundschaft bei fast 70 %.
suchen. Der überwiegende Anteil der Besucher
Bis zum Sommer 2005 soll das Outlet Roermond
nach eigenen Angaben um 40 neue Outlet Shops •
bzw. 10.000 qm auf dann mehr als 110 Geschäfte/Restaurants und eine Gesamtfläche von 28.000
qm erweitert und damit zum größten Anbieter dieses
Typs in Deutschland und den Niederlanden werden.
•
Bei vorsichtiger Schätzung kann davon ausgegangen werden, dass ein Objekt dieser Größe einen
Umsatz von rd. 100 Mio. € im Jahr erzielt, sodass
der allein mit deutschen Kunden getätigte Anteil dar- •
an bei rd. 50-70 Mio. € im Jahr liegen dürfte. Dabei
liegt die Zahl der Besucher bei 3,2 Mio. im Jahr.
•
Zu den Erfolgsfaktoren zählt sicherlich das mit über
20 Mio. Menschen im 90-Minuten-Radius sehr große •
Einzugsgebiet – immerhin erreichen 8,1 Mio. Menschen Roermond in maximal einer Stunde Fahrtzeit.
Das Center ist über die N 280 bequem zu erreichen
und bietet den Besuchern 2.000 Parkplätze.
•
Zu den Attraktionen in der Umgebung gehören die
gern besuchte Provinz von Limburg, das Maas Wassersport- und Erholungsgebiet, die vielfältigen Museen und Schlösser von Roermond und die historische •
Altstadt von Falkenburg.
•
Das Outlet Center Roermond ist täglich (inkl. Sonntag) geöffnet; Kernöffnungszeit ist von 10 bis 18 Uhr,
donnerstags bis 20 Uhr.
•
In deutschen Tageszeitungen wird massiv Printwerbung betrieben, darüber hinaus erfolgt Radiowerbung.
•
Das FOC Roermond liegt in fußläufiger Entfernung
(ehemaliges Kasernengelände) zur attraktiven historischen Altstatt Roermonds, d.h. es unterscheidet
sich von vielen anderen Centern dadurch, dass es
nicht weit außerhalb auf der ‘‘grünen Wiese’‘ errichtet
wurde.
reist aus Dänemark an.
Die Verkehrsinfrastruktur Flensburgs ist gut ausgebaut. Insbesondere die Gäste aus skandinavischen Ländern können Flensburg, hauptsächlich
mit dem Pkw, leicht erreichen.
Das kulturelle Angebot Flensburgs speist sich
auch aus der Lage am Meer mit entsprechenden
sportlichen Angeboten wie Segeln, Surfen u.Ä.
Das gastronomische Angebot ist breit gefächert.
Flensburg ist geprägt durch die deutsch-dänische
Geschichte, die sich auch in der relativ großen
dänischen Minderheit der Stadt widerspiegelt.
Das Stadtmarketing in Flensburg übernimmt die
private Tourismus & Stadtmarketing GmbH.
Shopping ist kein integraler Bestandteil des Marketingkonzepts der Stadt. Vielmehr ergibt sich die
shoppingtouristische Attraktivität der Stadt einseitig aus dem relativ preisgünstigen Angebot von
Spirituosen für die Besucher aus den skandinavischen Ländern.
Das shoppingtouristische Potenzial der Stadt ist
entsprechend in Gänze auf die gewachsene industrielle Struktur und die in den skandinavischen
Ländern und Deutschland unterschiedliche Besteuerung von Spirituosen zurückzuführen. Dies
dokumentiert sich auch im Werbeverhalten des
Landes Schleswig-Holstein. Im Bereich ‘‘Shopping’‘-Vermarktung findet Flensburg keine Erwähnung.
Deutschland verfügt im Prinzip nicht über – mit Roermond vergleichbare – Cross-BorderShopping Destinationen. Vermutlich wäre das FOC in Roermond auch im benachbarten
Mönchengladbach oder Viersen genauso erfolgreich. Cross-Border-Shopping in Deutschland
66
im größeren Stil findet vor allem wegen Preisunterschieden, wie z.B. Im Falle von Flensburg,
statt, das von den prohibitiven Alkoholpreisen in Skandinavien profitiert – wie übrigens auch
die Hafenstädte im Baltikum.
Als kleines Positivbeispiel kann aber Frankfurt/Oder mit seinem ‘‘Spitzkrug Multicenter’‘ erwähnt werden, das von seiner Nähe zu Polen und Tschechien profitiert. Allerdings verliert
der Frankfurter Raum auch durch Cross-Border-Tourismus ins benachbarte Polen, wobei es
sich aber im Wesentlichen um Schnäppchen-Shopping handelt.
Nachstehend werden die Beispiele Frankfurt/Oder und Maasmechelen (Belgien) aufgelistet,
wobei sich auch diese – wie auch bei Roermond und Flensburg – im Prinzip nicht vergleichen lassen. Maasmechelen ist ein FOC nach dem Muster von Roermond und zielt ebenfalls
auf deutsche Kunden.
Übersicht 19: Erfolgsfaktoren von Maasmechelen und Frankfurt/Oder
Belgien: Maasmechelen Village
Frankfurt/Oder
Das im Oktober 2001 eröffnete Outlet-Village wurde
von Anfang an stark frequentiert und zählte 2003 bereits rund 1,5 Mio. Besucher. Es ist ebenso wie das in
unmittelbarer Nähe betriebene M2-Shopping-Center
und der ‘‘Fashionpoint’‘ – ein großflächiger Modemarkt
– Teil von ‘‘Maasmechelen Leisure Valley’‘.
Die Stadt Frankfurt/Oder liegt unmittelbar an der
deutsch-polnischen Grenze. Mit rd. 66.000 Einwohnern
ist sie die viertgrößte Stadt des Bundeslandes Brandenburg.
•
•
•
•
•
•
‘‘Maasmechelen Leisure Valley’‘ kann als Beispiel
für ein gelungenes Stadtmarketingkonzept betrachtet werden. Gemeinsam realisierte Projekte sind
unter anderem der Einsatz eines kostenlosen Shuttle-Busses zwischen dem Outlet Village und dem
Stadtzentrum von Maasmechelen, Anzeigenkampagnen und Straßenbeschilderungen sowie gemeinsame öffentliche Veranstaltungen.
Zum Einzugsgebiet zählt das Maasmechelen Village Personen, die im Umkreis von 150 bis 200 km
wohnen; dies sind u. a. auch Verbraucher aus
Kortrijk an der westbelgischen Küste und holländische Verbraucher vornehmlich aus der Region
Limburg.
Anhand der Autokennzeichen lässt sich belegen,
dass auch aus Deutschland Verbraucher aus den
Großräumen Dortmund, Düsseldorf, Köln/Bonn,
Mönchengladbach und insbesondere aus Aachen
kommen. Das Outlet Village ist leicht über die Autobahn A 4/A 76 zu erreichen.
Eine zusätzliche Tourismus-Attraktion ist auch die
nur etwa 20 Minuten entfernt liegende Stadt Maastricht, die als älteste Stadt der Niederlande sehr
viele Besucher zählt.
Werbung nimmt einen großen Stellenwert ein: In
Belgien wird regelmäßig in fünf, in Deutschland in
vier und in den Niederlanden in zwei Tageszeitungen inseriert; darüber hinaus wird in allen drei Ländern massiv Radiowerbung eingesetzt.
Ein weiterer großer Standortvorteil ist die Öffnung
von Maasmechelen Village an 15 Sonntagen im
Jahr: An diesen Wochenenden werden samstags
und sonntags 60 bis 70 % aller Wochenkunden gezählt.
•
Frankfurt/Oder befindet sich unter shoppingtouristischer Sicht in Konkurrenz zur Stadt Slubice in Polen.
•
In Frankfurt/Oder ist eine große Anzahl von Kunden
festzustellen, die sich u.a. für hochwertige Textilien
interessieren. In Frankfurt/Oder existieren allerdings
keine Versuche, dieses Potenzial gezielt auszuschöpfen.
•
Im – aus deutscher Sicht – Tiefpreissegment existiert in Slubice ein sog. ‘‘Polenmarkt’‘. Unter dieser
Firmierung werden insbesondere Textilien, Bekleidung, Schuhe und Lederwaren verkauft und auch
unter Beteiligung des Einzelhandels grenzüberschreitend als ‘‘Schnäppchenmöglichkeit’‘ vermarktet.
•
Das größte Besucherpotenzial liegt in unmittelbarer
Nähe der Stadt, in Polen und der Tschechischen
Republik. Frankfurt/Oder besitzt keinen direkten Autobahnanschluss, ist aber über drei Bundesstraßen
– insbesondere aus Richtung Polen – gut mit dem
Pkw erreichbar.
•
Das kulturelle Angebot der Stadt bietet sowohl ein
Theater wie ein Symphonieorchester und gründet
auf der Tatsache, dass Frankfurt/Oder Geburtsstadt
von Heinrich Kleist ist. Dieses Potenzial ist aber
überregional eher von untergeordneter Bedeutung.
•
Das Stadtmarketing für Frankfurt/Oder obliegt dem
Tourismusverein Frankfurt/Oder. Shopping wird allerdings nicht ausdrücklich als touristische Attraktion
thematisiert.
•
Shoppingtouristisch relevant ist ebenfalls das
‘‘Spitzkrug Multicenter’‘ in Frankfurt/Oder. Dieses
Shopping-Center mit etwa 3,8 Mio. Besuchern pro
Jahr birgt hohes shoppingtouristisches Potenzial.
67
Angesichts der Tatsache, dass Deutschland als vergleichbar ‘‘billiges’‘ Reise- und Einkaufsland gilt, überrascht es, dass Cross-Border-Shopping vielfach einer Einbahnstraße ins Ausland gleicht. Dies gilt sowohl für die Einkaufsregionen im grenznahen Bereich wie für die
Low-Cost-Carrier, bei denen 80 % des Potenzials als ‘‘Outgoing’‘ geschätzt werden.
4.1.6 Exkurs: Die Lage in Ostdeutschland
Die dynamische Entwicklung des Dienstleistungssektors nach der deutschen Vereinigung
hat sich zu einem großen Teil außerhalb der Städte abgespielt. Mit Blick auf Einkaufsvielfalt
und Entwicklung der Einkaufsfunktion von Destinationen haben Ost- und Westdeutschland
sich tendenziell in unterschiedliche Richtungen entwickelt: In Westdeutschland ist die Einkaufsvielfalt durch eine relativ große Angebotsvielfalt gekennzeichnet und wird zu einem wesentlichen Element der räumlichen Funktionskonzentration, die mit Urbanität gleichgesetzt
wird.
Dagegen ist in Ostdeutschland die Einkaufsfunktion der Kernstädte in starkem Maße an die
Peripherie der Städte ausgelagert worden. Die ostdeutschen Städte, deren Stadtkerne unter
dem sozialistischen System in der alten DDR vernachlässigt wurden und teilweise dem Verfall nahe waren, sind besonders betroffen von der Suburbanisierung von Handel und Dienstleistungen. Der umfassende Strukturwandel, der seit 1990 in der ostdeutschen Wirtschaft
stattfindet, weist auch eine ausgeprägte regionale Dimension auf. Der Aufbau neuer Wirtschaftsstrukturen hat bislang schwerpunktmäßig im Umland von Städten und ländlichen Regionen, nicht aber in den Kernstädten selbst stattgefunden.8
Der Modernitätsgrad der Verkehrsinfrastruktur weist nur noch geringe Abweichungen zwischen Ost- und Westdeutschland auf. Obwohl die neuen Bundesländer innerhalb der Europäischen Union lange Zeit eine Randlage einnahmen, ist ihre Erreichbarkeit (Kombination
aus Lage und Güte der Verkehrsanbindung) auf der Straße, der Schiene und bei kombinierter Verkehrsmittelbenutzung im europäischen Maßstab recht günstig und erheblich
vorteilhafter als in den anderen Ziel-1-Regionen, insbesondere in Griechenland, Irland,
Portugal und Spanien.9
Vor allem in der Region ‘‘Sachsendreieck’‘ (Chemnitz, Dresden und Leipzig) besteht derzeit
schon großes shoppingtouristisches Potenzial, welches allerdings aktuell nicht gezielt ausgeschöpft wird.
Ähnliches gilt für die touristisch attraktiven Regionen Ostdeutschlands (Ostsee, Insel Rügen,
Sächsische Schweiz etc.), hier ist die Attraktivität des Handels – wegen der
oben beschriebenen Entwicklungen nach der Wende – noch vielfach eingeschränkt.
4.1.7 Sonstige shoppingtouristische Destinationen
Nachstehend werden noch einige ergänzende Beispiele für Aktivitäten im Bereich des Shoppingtourismus beschrieben.
Erlebnisreise Paris
Der Reiseveranstalter France-Ecotours bietet ein außergewöhnliches Touren-Programm an:
•
Die Entdeckung des 14. Arrondissements – eines Stadtviertels von Paris, das wegen
seines regen Kunst- und Kulturlebens berühmt ist; hierzu gehören die zahlreichen
Kunstausstellungen, die berühmten Katakomben von Paris, der Park Montsouris, die
Grabmäler von Sartre und Baudelaire etc.
8
vgl. Franz, Peter, Raimar Richert und Manfred Weilepp (1996): Suburbanisierung von Handel und Dienstleistungen in Ostdeutschland – Auswirkungen auf die Innenstädte und Maßnahmen der Gegensteuerung.
Quelle: ifo-schnelldienst 1-2/98. Vgl. Vergleich zu quantitativen Angaben zur Infrastrukturausstattung: J. Riedel, F. Scharr a.a.O., S. 31 ff.
9
68
•
Bei der Erlebnistour ‘‘Paris der Frauen’‘ geht es vor allem um die Geschichte weiblicher
Persönlichkeiten, die ihre jeweilige Epoche geprägt haben.
•
Bei der Erlebnistour ‘‘Im Herzen von Paris’‘ begibt sich France-Ecotours in die von
Kunsthandwerken umsäumten Straßen und Gassen mit einem Blick in die kleinen, florierenden unterschiedlichen Lädchen.
Die Städtetouren von France-Ecotours werden das ganze Jahr über für jeweils maximal 15
Teilnehmer angeboten. Ähnliche Besichtigungstouren wie nach Paris bietet das Unternehmen auch nach Carcassonne – mit den Angebotsschwerpunkten Schlossbesichtigung,
Weinanbaugebiet und kulinarische Genüsse – und nach Grasse an, wo neben dem reichhaltigen Angebot von Parfums auch Konditoreien und Süßwarenanbieter auf dem Programm
stehen.
Brand Lands und Flagship-Stores
Als neue Orte des Shoppingtourismus gelten außerdem Brand Lands und Flagship-Stores.
Beispielsweise verfolgt L’Oreal am Firmensitz in Paris mit der Selbstdarstellung des Unternehmens den Brand Lands-Ansatz. Hier kann man die Firmengeschichte des weltweit führenden Kosmetikunternehmens nachverfolgen.
L’Oreal ist zwischenzeitig abgesehen von USA und Kanada in 22 europäischen und asiatischen Ländern tätig. In Deutschland hat L’Oreal seinen zehnten Flagship-Store in Potsdam
eröffnet; einer der größten L’Oreal Flagship-Stores befindet sich in Los Angeles.
Themenpark-Shopping: Edmonton Mall
Die ‘‘West Edmonton Mall’‘ ist das größte Einkaufs- und Vergnügungszentrum der Welt mit
mehr als 800 Läden, 110 Schnellrestaurants und weiteren gastronomischen Einrichtungen
sowie sieben Themenparks unter einem Dach. ‘‘West Edmonton Mall’‘ ist nahezu eine Stadt
für sich, in der man alles findet, einschließlich des größten Innenwasserparks der Welt.
Zu den Attraktionen der ‘‘West Edmonton Mall’‘ gehören u.a. eine täglich stattfindende Delphin-Show, eine interaktive Meeresausstellung mit einer Vielzahl exotischer Meerestiere, ein
zwei Hektar großer Wasserpark mit Strand und eine Eislaufbahn in NHL-Größe; darüber hinaus gibt es Kinos, U-Boote in künstlichen Ozeanen, einen 18-Loch-Minigolfplatz, ein Casino
im Las Vegas-Stil, ein Hotel und vieles mehr.
Die ‘‘West Edmonton Mall’‘ wurde in vier Bauphasen entwickelt, da die Entwickler - die Triple
Five Group of Companies - immer weitere Ideen zu den Themen Handel und Entertainment
in das Objekt einbrachten.
Zu den wichtigsten Magnetmietern gehören auch heute noch die seit Anfang an bestehenden großflächigen Warenhäuser Eaton’s, Sear’s und The Bay.
Die ‘‘West Edmonton Mall’‘ ist an allen Wochentagen geöffnet; den Besuchern stehen über
20.000 gebührenfreie Parkplätze zur Verfügung; für die Touristen werden spezielle Touren
organisiert, die durch die einzelnen Bereiche der Mall führen.
Dubai Shopping Festival
Dubai ist mit rd. 850.000 Einwohnern die größte Stadt der Vereinigten Arabischen Emirate.
Dubai hat sich mit seinen einzigartigen Luxus-Hotels (z.B. das Burj Al Arab Hotel und Jumeirah Beach Hotel) und den exklusiven Geschäften weltweit als Luxus-Shopping-Destination
im arabischen Raum positioniert. Diese Positionierung wird gestärkt durch das ‘‘Dubai Shopping Festival’‘, das an 30 Tagen mit einer Vielzahl von Events, speziellen Angeboten und
Verlosungen rund ums Shopping den ausländischen Gast nach Dubai lockt und heute weltweit zu den herausragenden shoppingtouristischen Events zählt. Im ersten Jahr 1996 konnten 1,5 Mio. Besucher gezählt werden, 1999 waren es bereits 2,4 Millionen bei einem Um69
satz von 1,12 Mrd. US$. Im Januar 2004 fand das ‘‘Dubai Shopping Festival’‘ zum 9. Mal
statt. Dabei wurden 3,1 Mio. Besucher gezählt, die einen Umsatz von 1,58 Mrd. US$ realisierten.10
Während des Festivals wird jede Kooperationsmöglichkeit zwischen Einzelhandel und touristischen Leistungsträgern genutzt. Die staatseigene Fluglinie ‘‘Emirates’‘ und viele andere
Fluggesellschaften mit Sitz in Dubai bieten während dieser Zeit günstigere Flugtarife an. 300
Hotels und 130 Appartementanlagen bieten zum Festival ebenfalls Sonderpreise an wie rd.
2.300 Facheinzelhändler für Gold, Parfüm, Haute Couture, Unterhaltungselektronik, Kunsthandwerk und Textilien.
Während des Festivals findet eine Vielzahl von Events statt, wobei das Spektrum von Straßenaufführungen über Kinderunterhaltung, nächtliche Feuerwerke, internationale Modeaufführungen bis hin zu Filmfestivals reicht. Größtes Event ist jedoch der Dubai World Cup, der
mit einem Preisgeld von 12 Mio. Dollar das höchstdotierte Pferderennen der Welt ist.
Damit die Gäste auch wirklich ein ‘‘Rundum-Sorglos-Paket’‘ vorfinden, erhalten alle Besucher kostenlose Berechtigungsscheine für eine medizinische Behandlung während ihres
Aufenthalts.11
Um das Thema ‘‘Shoppingtourismus’‘ weiter zu fokussieren, wurde erstmals im Sommer
1998 von der Regierung das ‘‘Dubai Summer Surprise’‘ (DSS) vorgestellt. Ähnlich wie beim
Dubai Shopping Festival findet hierbei vor allem für Familien eine Vielzahl von Veranstaltungen statt. Der Hochsommer ist aufgrund der großen Hitze in Dubai für Badeferien wenig geeignet, sämtliche Aktivitäten finden in geschlossenen klimatisierten Räumen statt. Im Vordergrund des DSS stehen dann vor allem die 28 klimatisierten Shopping Malls in Dubai.12
Shopping in Thailand
Die Tourism Authority of Thailand (TAT) hat im Rahmen ihres Marketingplans 2004 ein neues Branding für die 76 Provinzen des Landes entwickelt, um eine optimale internationale
Vermarktung zu gewährleisten und die Position des Landes als ‘‘Tourism Capital of Asia’‘
auszubauen.
Als Branding wird dabei die Verknüpfung von Produkten, Dienstleistungen oder Personen
(Personenmarken) mit einer Marke (Markendefinition) verstanden.
Die Regionen werden entsprechend ihren touristischen Merkmalen in die fünf Gruppen
‘‘Strand und Meer’‘, ‘‘Natur und Wälder’‘, ‘‘Geschichte und Kultur’‘, ‘‘Special Interest’‘ und
‘‘Kunsthandwerk’‘ unterteilt und entsprechend beworben.
Die Schwerpunkte des shoppingtouristischen Angebots liegen auf den Produktgruppen
‘‘Trees & Reeds’‘ (Holz- und Schilfrohrprodukte, Flechtwaren), ‘‘Metals’‘ (Metallverarbeitung),
‘‘Earthenware’‘ (Töpferwaren), ‘‘Silk & Cotton’‘ (Seide und Baumwolle), ‘‘Gems & Jewelery’‘
(Edelsteine und Schmuck). Von der Thailändischen Tourismusbehörde TAT und dem Thailändischen Schmuck- und Edelsteinhandelsverband TGJTA wurde 1997 der ‘‘Jewel Fest
Club’‘ ins Leben gerufen – ein Zusammenschluss von Schmuckhändlern und -produzenten,
die sich zu gemeinsamen Qualitäts- und Preisstandards sowie zu umfangreichen Garantieleistungen verpflichtet haben.
Ergänzt wird der Marketingschwerpunkt ‘‘Kunsthandwerk’‘ von der staatlich geförderten Initiative ‘‘One Tambon one Product’‘ (OTOP). Dieses Kunsthandwerksprojekt hat es sich seit
1999 zur Aufgabe gemacht, traditionelle Handwerkskunst in kleineren Gemeinden Thailands
zu fördern und gleichzeitig Arbeiten aufstrebender junger Künstler zu unterstützen.
10
11
12
Quelle: www.mydsf.ae.
Quelle: www.asiatraveltips.com.
Quelle: www.mydsf.com/aboutdss.
70
‘‘Tambon’‘ bedeutet so viel wie Gemeinschaft oder Dorf. Das Projekt vertreibt attraktive Produkte von Badeölen und Wellness-Produkten über Schmuck sowie Kräuter und Gewürze bis
hin zu kunstvollen Handarbeiten, die u. a. im exklusiven ‘‘Chidlom’‘-Kaufhaus in Bangkoks
Innenstadt angeboten werden.
Die thailändischen Strukturen in Einzelhandel und Tourismus sind nicht auf Deutschland zu
übertragen, dennoch zeigt dieses Beispiel, wie durch konzentrierte gemeinsame Anstrengungen von Handel und Tourismus der Konsum angeregt und die Aufmerksamkeit der einkaufenden Touristen auf qualitativ hochwertige Produkte gerichtet wird.
4.2
Nachfragestrukturen im Shoppingtourismus
Nach der Darstellung der grundsätzlich für Shoppingtourismus relevanten Einzelhandelsstandorte und ausgewählter Beispiele sollen im Rahmen dieses Kapitels Erkenntnisse über
die in Deutschland anzutreffenden ‘‘Shoppingtouristen’‘ und ihr Einkaufsverhalten wiedergegeben werden. Diese basieren auf den Ergebnissen der von ECON-Consult durchgeführten
Passantenbefragungen.
Zwischen Anfang März und Ende April 2004 wurden an 18 shoppingtouristischen Destinationen in Deutschland insgesamt 1.928 Passanten nach ihren Einschätzungen des Befragungsortes, ihrem Einkaufs- und Reiseverhalten sowie soziodemografischen Merkmalen befragt,
und zwar an folgenden Destinationen:
Tabelle 24: Orte der Passantenbefragung
Düsseldorf Königsallee Düsseldorf Innenstadt
Köln Schildergasse
Köln Hohestraße
Berlin Ku'damm
Berlin KaDeWe
Oberhausen CentrO
Oberhausen
Köln Innenstadt
Berlin Potsdamer Platz
Berlin Unter den Linden
Zweibrücken
Idar-Oberstein
Mettlach
München-Stachus
München Einkaufszent- München Briennerstr./
rum am Flughafen
Feldherrnhalle
Metzingen
In die Befragungen wurden nur Personen einbezogen, die als ‘‘Shoppingtouristen’‘ eingestuft
werden konnten. Diese Einstufung folgt der Definition des ‘‘Shopping-Touristen im weiteren
Sinne’‘ (s.o. Kapitel 2.1.3), d.h. sein oder ihr Wohnort lag außerhalb des üblichen Einzugsgebietes des Befragungsortes (60 Minuten oder 100 km) oder die befragte Person kam aus
dem Ausland. Die Zielsetzung, unter der die Reise jeweils stand und über die sich die Shoppingtouristen im engen Sinne identifizieren lassen, wurde in der Befragung erhoben. Hierauf
wird weiter unten eingegangen.
Die 18 Destinationen befinden sich an 9 verschiedenen Reise- bzw. ‘‘Shoppingzielen’‘.13
Für den Fortgang der Darstellung werden die in die Passantenbefragung einbezogenen Reiseziele zu drei Destinationstypen aggregiert:
13
Es wird im Folgenden auf eine Berücksichtigung der Ergebnisse für den Flughafen München verzichtet, da
eine Vorauswertung der Daten ergab, dass es sich bei diesem Befragungsort in jeder Hinsicht – im Vergleich
zu den anderen Befragungsorten – um einen Sonderfall handelt. Die Berücksichtigung der Ergebnisse der
Befragung am Flughafen München würde die Ergebnisse einer Durchschnittsbetrachtung unzulässig stark
beeinflussen.
71
1. Der Destinationstyp Innenstadt einer Großstadt. Hier finden sich die Innenstädte von Berlin, Düsseldorf, Köln und München.
2. Die Gruppe der Orte mit ‘‘regional bedeutender Einkaufsmöglichkeit’‘: Hierunter fallen alle
Befragungsorte, die durch eine Einrichtung auffallen, deren Funktion überwiegend dem
Einkauf dient. Dies meint die Befragungsorte Oberhausen (CentrO Shopping-Mall), Metzingen (Fabrikverkauf) und Zweibrücken (Factory Outlet Center).
3. Der ländliche Raum: Hierunter fallen alle Befragungsorte, die maximal die Größe einer
Kleinstadt zeigen, gleichzeitig aber über ein ‘‘endogenes Shoppingpotenzial’‘ (s.o.) verfügen. Dies beinhaltet Mettlach und Idar-Oberstein.
Diese Abgrenzung der Befragungsorte folgt den vorgestellten Typen der shoppingtouristischen Destinationen aus Kapitel 2.2. Auf die Besonderheiten der Reiseziele innerhalb der
Destinationstyp-Gruppen wird gesondert eingegangen, um so einen bestmöglichen Abgleich
der Nachfragestrukturen und der Besucher-’‘Typen’‘ an den Reisezielen aus dem vorangehenden Kapitel zu erreichen.
Es soll zunächst auf Eigenschaften der Befragten (Alter, Geschlecht, Einkommen usw.) an
den verschiedenen Befragungsorten eingegangen werden, um so ‘‘den’‘ typischen Besucher
der verschiedenen Destinationen vorstellen zu können. Dabei werden neben soziodemografischen Eigenschaften der Befragten auch deren Reiseverhalten, ihr Einkaufs- und Ausgabeverhalten sowie die Einschätzung der Befragten über die Attraktivität ihres Reiseziels thematisiert. Ziel der Darstellung der Passantenbefragung ist ein Abgleich der regionalen Nachfragestruktur mit der ortsspezifischen Angebotsstruktur verschiedener Destinationstypen und
Reiseziele.
Das Reiseverhalten ist eine zentrale Bestimmungsgröße, die den ‘‘typischen’‘ Besucher der
verschiedenen Destinationstypen beschreibt. Die Besucher der verschiedenen Destinationstypen unterscheiden sich erheblich, je nachdem ob sie den Ort nur einen Tag aufsuchen
(Tagesgäste) oder aber mehrere Tage dort verbringen und übernachten (Übernachtungsgäste). Im Durchschnitt über alle Befragungsorte überwiegen die Tagesgäste. Sie stellen einen Anteil von etwa 54 % aller Befragten in allen Destinationen, während die restlichen 46 %
der Befragten an allen Befragungsorten angaben, eine längere Reise zu unternehmen und
auch zu übernachten.
Abbildung 7: Anteile der Übernachtungs- bzw. Tagesgäste nach Destinationstypen (in %)
Großstadt
45
55
Ort mit regional
bedeutender
Einkaufsmöglichkeit
ländlicher Raum
70
31
36
alle Destinationstypen
64
53
Tagesbesucher
47
Übernachtungsgast
Quelle: ECON-Passantenbefragung 2004.
72
Anzumerken ist dabei, dass die von ECON-Consult im Rahmen dieser Untersuchung durchgeführten Passantenbefragungen an Destinationen stattfanden, an denen Übernachtungsgäste und auch Shoppingtouristen besonders häufig anzutreffen sind, zudem wurden großstädtische Regionen – bezogen auf die Gesamtzahl der Touristen in Deutschland – in der
Stichprobe over sampled. D.h., es wurden vermehrt Einkaufstouristen im engeren Sinne erfasst. Dies war beabsichtigt, da diese Gruppe – wie bereits erwähnt – aufgrund ihrer hohen
Pro-Kopf-Ausgaben besonders relevant ist. Eine nach Destinationen differenzierte Auswertung der Befragungsergebnisse zeigt, dass insgesamt das Verhältnis von Tages- zu Übernachtungsgästen ca. 33 % zu 67 % beträgt.
Die Betrachtung dieser Anteilswerte in den drei Gruppen ‘‘Großstädte’‘, ‘‘Orte mit regional
bedeutender Einkaufsmöglichkeit’‘ und ‘‘ländlicher Raum’‘ zeigt, dass sich die Destinationen
in den Anteilen der Tagesgäste erheblich unterscheiden. So sind Tagesgäste überwiegend
an Orten mit regional bedeutender Einkaufsmöglichkeit (Oberhausen, Metzingen und Zweibrücken) anzutreffen. Hier stellen Übernachtungsgäste weniger als ein Drittel der Befragten.
Anders verhält es sich im ‘‘ländlichen Raum’‘ (Idar-Oberstein und Mettlach), wo der Anteil
der Tagesgäste an allen befragten Personen bei etwas mehr als einem Drittel (36 %) aller
Befragten liegt. Gut zwei Drittel der Befragten halten sich an den Orten des ‘‘ländlichen
Raumes’‘ länger als einen Tag auf.
Die Großstädte zeigen dagegen ein relativ ausgeglichenes Bild. 45 % der befragten Personen bleiben lediglich einen Tag in Berlin, Düsseldorf, Köln oder München, die restlichen 55
% bleiben über Nacht. Die Besucherstruktur der verschiedenen Destinationen bzw. Destinationstypen soll nun anhand weiterer soziodemografischer Eigenschaften näher beschrieben
werden:
Geschlecht
Insgesamt waren von den Befragten:
•
57 % der Touristen Männer und
•
43 % der an der Befragung Beteiligten Frauen.
Das Übergewicht von Männern ist an allen Destinationen zu beobachten. Auch die Tagesund Übernachtungsgäste zeigen ein ähnliches Geschlechterverhältnis.
Abbildung 8: Reiseart der Befragten nach Destinationstypen (in %)
Großstadt
37
7
Ort mit regional
bedeutender
Einkaufsmöglichkeit
ländlicher Raum
61
30
alle Destinationstypen
Tagesausflug von zu Hause
26
20
11
6
44
auf der Durchreise
17
39
10
Kurzurlaub
Urlaub
6
5
5
2 3
20
3 1
24
14
Geschäftsreise
Sonstiges
5
3
Quelle: ECON-Passantenbefragung 2004.
73
Altersstruktur
Die Altersstruktur der Befragten zeigt dagegen regionale Unterschiede. Im Durchschnitt aller
Destinationen waren
•
17 % der Befragten zwischen 16 und 25 Jahren,
•
jeweils etwa ein Drittel der Befragten zwischen 26 und 40 bzw.
40 und 60 Jahren alt.
•
Die Gruppe der über 60–Jährigen stellte im Durchschnitt über alle Befragungsorte etwa
14 % der angesprochenen Touristen.
Regionale Abweichungen der Altersstruktur ergeben sich bei Betrachtung der drei Destinationstypen (Großstädte, ländlicher Raum, ländliche Orte mit regional bedeutender Einkaufsmöglichkeit): So waren in Großstädten wesentlich häufiger junge Menschen unter 25 Jahren
anzutreffen (in Düsseldorf, Köln und München jeweils etwa ein Viertel der Befragten).
Der ‘‘ländliche Raum’‘ – repräsentiert durch Idar-Oberstein und Mettlach – dagegen zeichnet
sich insgesamt durch ein Übergewicht älterer Besucher aus. Allerdings sind auch an diesen
Destinationen Jüngere durchaus anzutreffen, z.B. mit einem Anteil von 15 % (Idar-Oberstein)
bzw. 20 % (Mettlach).
Abbildung 9: Altersstruktur der Befragten nach Destinationstypen (in %)
Großstadt
Ort mit regional
bedeutender
Einkaufsmöglichkeit
20
35
15
ländlicher Raum
16
alle Destinationstypen
17
41
30
13
31
13
37
36
16-25 J.
33
26-40 J.
17
33
41-60 J.
14
> 60 J.
Quelle: ECON-Passantenbefragung 2004.
In der Gruppe der Orte mit ‘‘regional bedeutender Einkaufsmöglichkeit’‘ sind drei Orte zusammengefasst, die bzgl. der Altersstruktur der Befragten erhebliche Unterschiede zeigen.
Zweibrücken weist ein deutliches Übergewicht der älteren Touristen auf. Demgegenüber
sind in Oberhausen überwiegend jüngere Touristen anzutreffen.
Eine ähnlich junge Altersstruktur zeigt Metzingen. Hier allerdings liegt das Gewicht auf der
Altersgruppe der zwischen 16 und 40 Jährigen.
74
Insgesamt gesehen variiert die Altersstruktur zwar zwischen den Destinationen, es lässt sich
aber keine eindeutige Polarisierung feststellen, die es ratsam erscheinen lassen würde, sich
auf spezifische Altersgruppen zu konzentrieren.
Einkommen
Ebenfalls erhebliche regionale Disparitäten zeigen sich in der Betrachtung des Einkommens
der befragten Personen. Die Touristen wurden nach ihrem monatlich verfügbaren Haushaltseinkommen befragt.
Im Durchschnitt über alle Befragungsorte verfügen
•
11 % der Befragten über ein Einkommen von unter 1.000 €.
•
28 % der Befragten geben ein verfügbares Haushaltseinkommen zwischen 1.000 € und
2.000 €,
•
32 % der Befragten ein verfügbares Haushaltseinkommen von 2.000 € bis 3.000 € an.
•
Rund 29 % der Befragten verfügen mit ihrem Haushalt monatlich über mehr als
3.000 €.
Abbildung 10: Einkommen der Befragten nach Destinationstypen (in %)
Großstadt
14
26
Ort mit regional
bedeutender
Einkaufsmöglichkeit
9
ländlicher Raum
9
32
11
28
alle Destinationstypen
unter 1.000 €
29
1.000 bis 2.000 €
30
31
35
28
32
27
32
2.000 bis 3.000 €
29
mehr als 3.000 €
Quelle: ECON-Passantenbefragung 2004.
Wie schon bei Betrachtung der Altersstruktur zeigen die Großstädte auch bzgl. der verfügbaren Einkommen der Befragten Besonderheiten. Düsseldorf und Köln weisen mit jeweils etwa
18 % der Befragten mit einem Haushaltseinkommen von unter 1.000 € den vergleichsweise
höchsten Anteil der untersten Einkommensklasse in der Gruppe aller Befragungsorte auf.
In Köln gibt der überwiegende Teil (etwa 65 %) der Befragten ein verfügbares Haushaltsnettoeinkommen von zwischen 1.000 € und 3.000 € an. Die Gruppe der besonders Einkommensstarken ist in Köln unterrepräsentiert.
Anders in Düsseldorf: Hier liegt der Anteil der unteren Einkommensklasse (unter 1.000 €)
zwar ebenfalls über dem Durchschnitt aller Befragungsorte (etwa 18 % der Befragten). Die
überwiegende Mehrheit (47 %) der in Düsseldorf Befragten gibt allerdings ein monatliches
Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 3.000 € an.
75
In München sind keine bemerkenswerten Abweichungen von der durchschnittlichen Einkommensstruktur aller Befragungsorte festzustellen. Dagegen weist Berlin einen unterdurchschnittlichen Anteil der Einkommensklasse unter 1.000 € (10 % der Befragten) und einen überdurchschnittlichen Anteil der Einkommensklasse über 3.000 € (39 % der Befragten)
aus.
In der Gruppe der Orte mit ‘‘regional besonderer Einkaufsorientierung’‘ finden sich Oberhausen (mit dem CentrO), Zweibrücken (Designer-Outlet) und Metzingen (Fabrikverkauf). Oberhausen ist im Vergleich zum Durchschnitt über alle Befragungsorte bzgl. der verfügbaren
Nettoeinkommen der Befragten relativ unauffällig. Lediglich die Gruppe der ‘‘Geringverdiener’‘ (Haushaltsnettoeinkommen unter 1.000 €) ist mit 14 % der in Oberhausen Befragten
gegenüber 11 % im Durchschnitt über alle Befragungsorte leicht überrepräsentiert.
Anders in Zweibrücken und Metzingen: Hier ist die Gruppe der Befragten, die über ein Haushaltsnettoeinkommen von weniger als 1.000 € verfügen, mit 4 % (Zweibrücken) bzw. 6 %
(Metzingen) stark unterrepräsentiert (im Durchschnitt aller Destinationen verfügen 11 %
über weniger als 1.000 € im Monat). Gleiches gilt in Zweibrücken für die Gruppe der einkommensstarken Haushalte, die von lediglich 19 % der Befragten repräsentiert wurden
(28 % im Durchschnitt). In Zweibrücken geben dagegen 77 % der Befragten ein Haushaltsnettoeinkommen zwischen 1.000 € und 3.000 € an. In Metzingen verfügen die Befragten
über vergleichsweise viel Einkommen. 73 % der Befragten haben ein Einkommen von mehr
als 2.000 € im Monat, knapp 40 % sogar mehr als 3.000 €.
Mettlach und Idar-Oberstein zählen zur Gruppe des ‘‘ländlichen Raumes’‘ mit endogenem
Shopping-Potenzial. Mettlach zeigt – ähnlich Metzingen – im Vergleich zu den anderen Destinationen auffallende Einkommensstrukturen auf. Etwa 53 % der Befragten geben an, über
ein monatliches Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 3.000 € zu verfügen.
Der überwiegende Teil der Befragten in Idar-Oberstein gibt ein verfügbares Haushaltseinkommen zwischen 2.000 € und 3.000 € im Monat an. Immerhin noch etwa 20 % verfügen
über mehr als 3.000 €. Die beiden anderen Einkommensklassen (unter 1.000 € und zwischen 1.000 € und 2.000 € monatliches Haushaltsnettoeinkommen) stellen zusammen etwa
40 % der Befragten. Diese Einkommensstruktur ist sowohl bei den Tages- wie bei den Übernachtungsgästen in Idar-Oberstein ähnlich.
Wie auch bei der Altersstruktur bestehen beim Einkommen keine eindeutigen Zuordnungen
zu einzelnen Destinationstypen, die es sinnvoll erscheinen lassen, das Angebot – von spezifischen regionalen Besonderheiten abgesehen – auf einzelne Kaufkrafttypen auszurichten.
So sind z.B. in Großstädten (vgl. Abbildung 9) sowohl Besucher mit geringen als auch solche
mit überdurchschnittlichen Einkommen überrepräsentiert. Im ländlichen Raum und in Orten
mit überregionaler Einkaufsbedeutung dominieren dagegen die mittleren Einkommensklassen.
Herkunft
In der Gesamtheit der Befragten hat die große Mehrheit der Besucher (reichlich 80 % der
Befragten) ihren Wohnsitz in Deutschland, nur jeder fünfte Besucher reist aus dem Ausland an. Betrachtet man die einzelnen Destinationen, an denen Befragungen durchgeführt
wurden, zeigt sich, dass die Großstädte eher ausländische Besucher anziehen als die Kleinstädte.
In den Großstädten (Köln, Düsseldorf, Berlin und München) waren 24 % der Befragten aus dem
Ausland angereist. An den Orten mit ‘‘regional bedeutender Einkaufsmöglichkeit’‘ (Oberhausen,
Metzingen und Zweibrücken) und im ‘‘ländlichen Raum’‘ (Idar-Oberstein und Mettlach) haben
lediglich 15 % der Befragten ihren Wohnsitz im Ausland. Dabei profitieren alle Orte in Grenznähe
von den Besuchern aus dem unmittelbar benachbarten Ausland (z.B. München: Österreich und
Schweiz, Düsseldorf: Niederlande, Metzingen: Frankreich, Mettlach: Luxemburg).
76
Entsprechendes zeigt sich in der Herkunft der ausländischen Besucher: Der weit überwiegende Teil der ausländischen Befragten kommt aus Europa, darunter vor allem aus Ländern,
die sich eine Grenze mit Deutschland teilen, wie den Niederlanden, aus Frankreich, Österreich und der Schweiz. Grundsätzlich spiegelt diese Zusammensetzung die Struktur der in
Deutschland registrierten Übernachtungen von Ausländern wider.
Abbildung 11: Herkunft der Befragten nach Destinationstypen (in %)
Großstadt
24
76
Ort mit regional
bedeutender
Einkaufsmöglichkeit
85
15
ländlicher Raum
85
15
alle Destinationstypen
20
80
Besucher aus Deutschland
Besucher aus dem Ausland
Quelle: ECON-Passantenbefragung 2004.
Reiseanlass
Die Passanten wurden auch nach dem Anlass ihrer Reise gefragt. Betrachtet man die Angaben
über alle Destinationen hinweg im Durchschnitt, dominiert der Reiseanlass ‘‘Shopping/Einkaufen’‘ mit 38 % der Angaben, gefolgt von ‘‘geschäftliche(n) Gründe(n)’‘ (17 % der Angaben).
Wichtiger Reiseanlass ist mit 12 % der Antworten auch der Besuch von Freunden und Bekannten.
Abbildung 12: Reiseanlass aller Befragten nach Destinationstypen (in %)
Großstadt
Ort mit regional
bedeutender
Einkaufsmöglichkeit
9
38
9
Kultur
geschäftliche Gründe
5
30
22
Shopping/Einkaufen
Freunde/Bekannte besuchen
8
3
Freizeitangebote
Sonstiges
15
16
24
3
59
4
ländlicher Raum
alle Destinationstypen
8
25
9
1
8
8
13
11
8
17
12
11
11
14
eine spezielle Veranstaltung
Quelle: ECON-Passantenbefragung 2004.
77
Ein kulturelles Interesse am Befragungsort (9 % der Antworten), die Freizeitangebote (8 %
der Antworten) oder den Besuch einer bestimmten Veranstaltung (knapp 2 % der Angaben)
geben nur relativ wenige Besucher als Grund ihrer Reise an.
Der mit 38 % der Antworten relativ häufig genannte Grund ‘‘Shopping/Einkaufen’‘ wird überwiegend von den Destinationen mit ‘‘regional bedeutender Einkaufsmöglichkeit’‘ getragen. Hier liegt der Anteil der Antworten ‘‘Shopping/Einkaufen’‘ bei fast 60 %. Die restlichen
Reiseanlässe spielen mit Anteilswerten zwischen 5 % und 9 % kaum eine Rolle.
In den Großstädten wird die Reisemotivation von drei Gründen dominiert: ‘‘Shopping/Einkaufen’‘ und ‘‘geschäftliche Gründe’‘ haben jeweils einen Anteil von etwa einem Viertel an
allen Antworten. Weiterer wichtiger Anlass für die Reise in die Großstadt ist der Besuch von
Freunden und Bekannten mit einem Anteil von 16 % an allen Antworten. Das Feld der kulturellen Motivation und der Freizeitgestaltung (jeweils etwa 10 % der Antworten) spielt für die
Besucher der Großstädte eine nicht unerhebliche Rolle.
Ein kulturelles Interesse haben die Besucher der Orte im ‘‘ländlichen Raum’‘ (23 % der
Antworten auf die Frage ‘‘Was ist ihr Reiseanlass?’‘ lauten ‘‘Kultur’‘). Die Freizeitgestaltung
liegt mit reichlich 13 % der Antworten ebenfalls relativ (im Vergleich zu den Werten der anderen Destinationen) hoch. Wichtigster Reisegrund ist allerdings auch hier ‘‘Shopping/Einkaufen’‘ mit rund 30 % der Nennungen. Der Besuch von Freunden und Bekannten bzw. geschäftliche Gründe spielen mit jeweils etwa 10 % der Nennungen eine – im ‘‘ländlichen
Raum’‘ – relativ unbedeutende Rolle für die Reise.
Wird der Anlass der Reise getrennt nach Tages- und Übernachtungsgästen betrachtet, zeigt
sich, für welchen ‘‘Gasttypus’‘ Einkaufen bzw. Shopping das wichtigste Motiv ist. Bei Tagesgästen hat die Reisemotivation ‘‘Shopping’‘ – betrachtet im Durchschnitt aller Destinationen
– mit annähernd 60 % den höchsten Anteil an allen Reisegründen. ‘‘Geschäftliche Gründe’‘
spielen – als zweitwichtigster Reisegrund – mit 13 % Anteil an allen Antworten schon eine
untergeordnete Rolle. Gleiches gilt für die kulturell motivierte Reise und die Freizeitgestaltung (jeweils deutlich unter 10 % der Nennungen).
Abbildung 13: Reiseanlass der Tagesgäste nach Destinationstypen (in %)
Großstadt
Ort mit regional
bedeutender
Einkaufsmöglichkeit
10
7
8
alle Destinationstypen
5
63
6
58
Shopping/Einkaufen
Freunde/Bekannte besuchen
Freizeitangebote
Sonstiges
11
9
18
2
72
3
ländlicher Raum
Kultur
geschäftliche Gründe
7
44
2
12
1
13
0
7
7
6
7
3
9
11
eine spezielle Veranstaltung
Quelle: ECON-Passantenbefragung 2004.
Bei den Übernachtungsgästen hingegen dominieren die Reisemotive ‘‘geschäftliche Gründe’‘ und der Besuch von Freunden oder Bekannten (21 % bzw. 20 % der Antworten im
Durchschnitt aller Destinationen). Allerdings besitzen sowohl der Grund ‘‘Shopping/Einkau78
fen’‘ (15 % aller Antworten im Durchschnitt aller Destinationen), wie auch ‘‘Kultur’‘ (14 % aller
Antworten im Durchschnitt aller Destinationen) eine relativ hohe Bedeutung als Reiseanlass
für Übernachtungsgäste.
Abbildung 14: Reiseanlass der Übernachtungsgäste nach Destinationstypen (in %)
Großstadt
9
Ort mit regional
bedeutender
Einkaufsmöglichkeit
8
Kultur
geschäftliche Gründe
14
14
10
Shopping/Einkaufen
Freunde/Bekannte besuchen
11
9
11
32
9
1
13
5
18
22
29
4
28
ländlicher Raum
alle Destinationstypen
8
10
21
Freizeitangebote
Sonstiges
22
19
12
16
10
20
17
eine spezielle Veranstaltung
Quelle: ECON-Passantenbefragung 2004.
Das Bild der Reisemotivation der Übernachtungsgäste wird zudem stark von den Übernachtungsgästen der Großstädte beeinflusst. Bei den Übernachtungsgästen in den Großstädten liegen die Anteile der Reisegründe ‘‘geschäftlich’‘ und ‘‘Besuch von Freunden und
Bekannten’‘ mit 30 % bzw. 23 % Anteil an allen Gründen relativ hoch, während die anderen
Gründe (Shopping, Kultur, Freizeitgestaltung) mit jeweils unter 10 % der Antworten unterdurchschnittlich vertreten sind.
Anders sieht dies in den Orten des ‘‘ländlichen Raumes’‘ aus. Für die Übernachtungsgäste in Idar-Oberstein und Mettlach spielt die ‘‘Kultur’‘ des Reiseziels eine wichtige Rolle. Ein
gutes Drittel der Antworten auf die Frage nach dem Anlass für die Reise lautet ‘‘Kultur’‘. Die
Freizeitgestaltung steht mit 20 % der Antworten für die Übernachtungsgäste im ‘‘ländlichen
Raum’‘ an zweiter Stelle, gefolgt vom Besuch von Freunden und Bekannten mit 16 % der
Nennungen.
An den Orten mit ‘‘regional bedeutender Einkaufsmöglichkeit’‘ spielt das Motiv ‘‘Shopping/Einkaufen’‘ auch für Übernachtungsgäste mit durchschnittlich einem Drittel der Antworten aller Übernachtungsgäste die wichtigste Rolle, gefolgt vom Besuch von Freunden
und Bekannten (18 % der Antworten) und dem ‘‘Freizeitangebot’‘ mit einem Anteil von reichlich 15 % an allen Antworten.
D.h., im Wesentlichen überwiegen mit Ausnahme der Orte/Ziele mit überregionaler Einkaufsbedeutung, was auf die dort existierenden speziellen Angebote zurückzuführen ist –
z.B. CentrO in Oberhausen –, an allen anderen Shoppingdestinationen andere Gründe für
die Reise. Das Shoppingangebot ist hier zwar wichtig, ohne andere attraktive Angebote aber
allein als Magnet nicht ausreichend.
Informationsquellen
Auf die Frage, über welches Medium die Besucher auf ihr Reiseziel aufmerksam geworden
sind, gibt eine große Mehrheit (62 % aller Befragten im Durchschnitt aller Befragungsorte)
79
an, über ‘‘Mund-zu-Mund-Propaganda’‘, also durch ‘‘Freunde und Bekannte’‘ auf den Befragungsort aufmerksam gemacht worden zu sein.
Gefolgt wird diese Art der Informationsgewinnung von Printmedien, wie Zeitungen, Zeitschriften und Büchern (18 % der Befragten im Durchschnitt aller Befragungsorte), dem Fernsehen
und Radio (9 %), dem Internet (7 %) und Einrichtungen zur Touristeninformation (4 %). Reisemessen spielen keine Rolle (0,3 % aller Befragten).
Das überragende Ergebnis der ‘‘Freunde und Bekannten’‘ besitzt sowohl für Tages- wie für
Übernachtungsgäste und an allen Befragungsorten Gültigkeit. Allerdings existieren einige
Abweichungen vom Durchschnittswert aller Befragungsorte, auf die hier näher eingegangen
werden soll:
Abbildung 15: Informationsquellen über den Besuchsort nach Destinationstypen in %
Großstadt
Ort mit regional
bedeutender
Einkaufsmöglichkeit
ländlicher Raum
9
69
9
44
alle Destinationstypen
62
Freunde/Bekannte
Reisemesse
Fernsehen
Touristen Information
10
4
8
67
9
Internet
Bücher/Literatur
7
9
5
13
6
03 2
11
6
24
9
1 4
0 4
5
Zeitung/Zeitschrift
Quelle: ECON-Passantenbefragung 2004.
Betrachtet man die Ergebnisse nach Destinationstypen untergliedert, so zeigt sich der ‘‘ländliche Raum’‘ mit 44 % Anteil für ‘‘durch Freunde und Bekannte’‘ an allen Antworten unterdurchschnittlich im Hinblick auf die Art, wie die Besucher auf ihr Reiseziel aufmerksam wurden.
Die Durchschnittswerte über beide ‘‘Gästetypen’‘ (Übernachtungs- und Tagesgäste) für die
Großstädte und die Orte mit regional bedeutender Einkaufsmöglichkeit weisen keine
bemerkenswerten Abweichungen von der Durchschnittsverteilung über alle Befragungsorte
aus. Erst bei der Unterscheidung zwischen Tages- und Übernachtungsgäste zeigen sich Unterschiede. So werden die Tagesgäste in Großstädten und Orten mit regional bedeutender
Einkaufsmöglichkeit eher als Übernachtungsgäste durch Medien wie Fernsehen, Radio, Internet und Printmedien auf ihr Reiseziel aufmerksam.
Insgesamt ist die Nutzung des Internets als Bestandteil Destinations-Marketing v.a. für die
Destinationen im ländlichen Raum und Orte mit regional bedeutender Einkaufsmöglichkeit
nicht zu unterschätzen, offenbar aber noch vergleichsweise unterentwickelt, da bisher erst
knapp 7 % der Befragten durch dieses Medium auf das Ziel aufmerksam wurden. Dabei steigen die Zugangsquoten der deutschen Bevölkerung zum Internet stark an – dies insbesondere bei der älteren Bevölkerung über 50 Jahren.
80
Vor allem der ländliche Raum profitiert von Berichten der Print- und elektronischen Medien.
Anzufügen ist, dass in diesem Zusammenhang vor allem das gemeinsame Auftreten von
Städten/Gemeinden einzelner Regionen Erfolg versprechend ist.
Verkehrsmittelwahl
Die Wahl des Verkehrsmittels für die Anreise zeigt erhebliche Unterschiede zwischen den
verschiedenen Destinationstypen. Sie ist überwiegend von der Entfernung des Wohnortes
zum Reiseziel, der Aufenthaltsdauer und dem Angebot am Reiseziel bestimmt.
Im Durchschnitt über alle Befragungsorte reist die überwiegende Mehrheit mit dem Pkw an,
und zwar zwei Drittel der Befragten (68 %). An zweiter Stelle folgt die Bahn (16 % aller Befragten). Auf Gäste, die mit dem Flugzeug anreisen, entfielen in den untersuchten Shoppingdestinationen rund 10 % der Befragten.
Busreisende spielen dagegen eine geringere Rolle (etwa 3 % aller Befragten). D.h., für diesen Typ von Reisenden spielt derzeit Shoppingtourismus (im engeren Sinn) keine wichtige
Rolle.
Abbildung 16: Anreiseverkehrsmittel der Befragten nach Destinationstypen (in %)
Großstadt
53
15
Ort mit regional
bedeutender
Einkaufsmöglichkeit
25
1
91
ländlicher Raum
61
alle Destinationstypen
Pkw
Sonstiges
03 4
11
68
Flugzeug
Fahrrad
102 1 4 1
Reisebus
6
10
Nahverkehr
20
03 2
16
1
1
Fernverkehr Bahn
Quelle: ECON-Passantenbefragung 2004.
Bei regional differenzierter Betrachtung fallen zunächst die 90 % der Befragten an Orten mit
regional bedeutender Einkaufsmöglichkeit ins Auge, die diese Orte mit dem Pkw anfahren.
An diesen Orten ist auch der Anteil der Tagesgäste relativ hoch und der Anlass der Reise mit
‘‘Shoppen gehen’‘ ebenfalls.
Liegt der Anteil der Übernachtungsgäste regional höher, wie z.B. in Orten des ländlichen
Raumes und in Großstädten, nimmt der Anteil der Personen, die mit dem Pkw anreisen, ab
und entsprechend steigen die Anteile der Verkehrsmittel ‘‘Flugzeug’‘ (15 % in Großstädten,
11 % im ländlichen Raum) und ‘‘Fernverkehr mit der Bahn’‘ (25 % in Großstädten und 20 %
im ländlichen Raum).
Attraktivitätsbewertung der Destinationstypen
Bislang wurde die Zielgruppenstruktur für ‘‘Shoppingtouristen’‘ eingehend diskutiert und aufgezeigt, wie sich das Ausgabeverhalten einzelner Personengruppen unterscheidet. Abschließend soll nun für die Destinationstypen zusammenfassend aufgezeigt werden, ob und
81
welche Zusammenhänge zwischen der Attraktivität einer Destination und den Ausgaben der
Befragten für Anreise, Unterkunft, Verpflegung etc. auf der einen und für Einkäufe auf der
anderen Seite bestehen.
Tabelle 25: Bewertung der Attraktivität der Shoppingdestinationen insgesamt in %
Sehr gut
gut
nicht gut
Einkaufsmöglichkeiten
37,0
49,1
13,9
Erreichbarkeit
31,1
51,3
17,5
Sauberkeit
26,1
58,4
15,4
gastronomisches Angebot
29,4
47,6
23,0
kulturelles Angebot
39,0
48,8
12,1
Ladenöffnungszeiten
21,5
63,1
15,5
besondere Veranstaltungen
37,2
49,6
13,2
Besucherinformation
15,4
60,2
24,4
5,0
38,5
56,4
24,4
63,6
12,0
Preisniveau
Attraktivität insgesamt
Quelle: ECON-Passantenbefragung 2004.
Tabelle 25 zeigt die Ergebnisse der Bewertung der einzelnen Elemente durch die Befragten
als Anteilswerte der jeweiligen Bewertung (‘‘sehr gut’‘, ‘‘gut’‘, ‘‘nicht gut’‘) an allen Bewertungsangaben im Durchschnitt aller Befragungsorte.14 Die Unterpunkte, die mit
‘‘Shoppingtourismus’‘ unmittelbar in Verbindung stehen, wurden typografisch ‘‘fett’‘
hervorgehoben.
Zunächst fällt auf, dass mit Ausnahme des Preisniveaus die Urteile zur ‘‘Qualität’‘ der Destinationen außerordentlich positiv sind. Gewisse Schwächen – im Durchschnitt aller Ziele –
bestehen bei der Besucherinformation sowie beim gastronomischen Angebot.
Erstaunlich ist die Feststellung, dass sich die Klagen über die Ladenöffnungszeiten in Grenzen halten. Aber auch dies ist logisch, da die Shoppingtouristen während der normalen Öffnungszeiten befragt werden mussten, ansonsten wäre niemand – z.B. im CentrO in Oberhausen oder in einem FOC – anzutreffen gewesen.
Die Rolle der Öffnungszeiten für Shoppingtouristen kann allerdings im Rahmen der Analyse
der Bewertungen der Befragten nur wenig beleuchtet werden. Während der Befragung waren schließlich alle Läden in der Umgebung geöffnet. Der Vergleich mit internationalen Destinationen hat gezeigt, dass sich die deutschen Öffnungszeiten unter der Woche durchaus in
einem international üblichen Rahmen bewegen. Das Umsatzpotenzial von zusätzlich geöffneten Sonntagen kann im Rahmen dieser Studie nicht geschätzt werden. Allerdings dürften
gerade Kurzurlauber in Städten, aber auch Reisende an Sonntagen geöffnete Geschäfte begrüßen. In Deutschland ist daher die Sonntagsöffnung – zumindest an einigen Tagen im Jahr
– unter shoppingtouristischer Perspektive zu begrüßen und der Umfang der üblichen Kontingentierung der möglichen Sonntagsöffnungen kritisch zu betrachten. Dies gilt auch und v.a.
im Zusammenhang mit regionalen oder gar nationalen Großereignissen, die regelmäßig eine
große Zahl ausländischer Touristen anziehen.
Zusammenfassend können aus den Bewertungen der Attraktivität durch die Befragten folgende Schlüsse gezogen werden:
14
Die Werte der Befragten, die keine Angaben gemacht haben, z.B. weil diese die örtliche Gastronomie nicht
frequentiert haben, wurden aus der Prozentuierung herausgenommen.
82
•
Alle drei analysierten Standorttypen (Großstädte, ländlicher Raum und Orte mit regional bedeutender Einkaufsmöglichkeit) unterscheiden sich bezüglich ihrer Stärken und
Schwächen, wie sie die befragten Shoppingtouristen gesehen haben, nur marginal.
•
Beim Gesamtwert für die drei Destinationstypen rangieren der ländliche Raum mit einem Indexwert von 59 % sowie Großstädte mit einem Wert von 57 etwas vor den Orten
mit überregional bedeutender Einkaufsmöglichkeit (54 Punkte).15
•
Die Schwächen der Orte mit regional bedeutender Einkaufsmöglichkeit resultieren dabei aus dem gastronomischen Angebot, aus einem teilweise beschränkten Warenangebot sowie nicht immer optimalen Besucherinformationen. Positiv schlagen hier die
angebotenen ‘‘Events’‘ zu Buche.
4.3
Erfolgsfaktoren für Shoppingtourismus
Die beispielhafte Darstellung von Shoppingtourismus-Destinationen hat das breite Spektrum
der grundsätzlich möglichen bzw. in Deutschland relevanten Ausprägungen und Beispiele für
erfolgreiche Zusammenarbeit aufgezeigt. Entsprechend vielfältig sind die Gründe für den
kommerziellen Erfolg der unterschiedlichen Standorttypen. Insofern ist es schwierig, allgemein gültige Faktoren zu identifizieren oder einen eindeutigen funktionalen Zusammenhang
zwischen einzelnen Faktoren und Ergebnisgrößen (z.B. Umsatz) herzustellen. Dennoch sollen nachfolgend diejenigen Erfolgsfaktoren dargestellt und erläutert werden, denen grundsätzlich ein positiver Einfluss auf messbare Zielgrößen unterstellt werden darf.
Im Rahmen der Untersuchung konnten sechs Hauptgruppen von Erfolgsfaktoren herausgearbeitet werden, und zwar:
•
Generelle Rahmenbedingungen
•
Art und Umfang des Angebotes
•
Preis
•
Erreichbarkeit
•
Infrastruktur (kulturelles Angebot, Gastronomie, Events etc.).
•
Marketing
•
Kopperation
Für das vorliegende Gutachten sind vor allem solche Faktoren von Relevanz, die im Sinne
einer Förderung des Shoppingtourismus beeinflusst oder gezielt gefördert bzw. ausgebaut
werden können. Andere Rahmenbedingungen wie attraktive Landschaft, historische Gebäude aber auch z.B. die Ziele, die der nahe liegende Flughafen bedient, sind in der Regel überhaupt nicht beeinflussbar, können aber entsprechend vermarktet werden, weil sie z.B.
imagebildend sind.
Möglicherweise können in vielen Fällen schwierige standortspezifische Rahmenbedingungen
durch geeignete Marketingaktivitäten kompensiert werden. Umgekehrt ist allerdings nicht
unbedingt davon auszugehen, dass ein Standort oder eine Region allein durch günstige
Rahmenbedingungen dauerhaften Erfolg als shoppingtouristische Destination haben wird
und damit gewissermaßen zum ‘‘Selbstläufer’‘ werden kann.
Daher ist es notwendig diese Faktoren weiter zu unterscheiden, und zwar dahingehend, ob
diese gezielt verändert, verstärkt oder gefördert werden, wie z.B. Parkplatzangebot, Ansiedlung von FOC, Durchführung von Veranstaltungen, Marketing etc., oder ob z.B. im Rahmen
der Verkehrspolitik bestehende Spielräume - soweit möglich - genutzt werden oder ob diese
positiven und negativen Faktoren entweder gezielt vermarktet oder auch nur einfach hinge15
Der Indexwert wurde als Summe der ‘‘Sehr gut’‘– und 50 % der ‘‘Gut’‘–Meldeanteile berechnet.
83
nommen werden müssen. Weiterhin ist zu unterscheiden, wer für entsprechende Faktoren
verbessernde Aktivitäten zuständig ist: die Unternehmen und Investoren, Städte, Gemeinden
bzw. Regionen oder Bund und Land? Diese Frage stellt sich z.B. im Zusammenhang mit Ladenöffnungszeiten.
4.3.1 Generelle Rahmenbedingungen
Politische Stabilität und innere Sicherheit
Sicherlich ist davon auszugehen, dass eine funktionierende staatliche Ordnung und eine aus
Sicht der Marktteilnehmer attraktive Wirtschaftsverfassung eine Grundvoraussetzung für das
Gedeihen von Handel und Tourismus darstellen. Zwar zeigen die zuvor beschriebenen Beispiele, dass erfolgreiche Shoppingtourismus-Destinationen offenbar unter sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen entstehen können, dennoch dürften Investitionsentscheidungen
von Anbietern und Einkaufsentscheidungen ihrer Kunden nur zugunsten von Standorten fallen, die ein Mindestmaß an Handlungsfreiheit, Stabilität und Sicherheit garantieren können.
Für die hier betrachteten internationalen Beispiele aus Europa, Nordamerika und Asien sind
diese Mindestvoraussetzungen wohl gegeben. Dennoch haben die Terroranschläge der vergangenen Jahre – z.B. in New York, Bali, Djerba oder Madrid – gezeigt, dass touristische
Märkte weltweit sensibel auf eine vorübergehende Beeinträchtigung der Sicherheitslage in
einzelnen Ländern oder Regionen reagieren können.
Hinzu kommt, dass auch Maßnahmen einzelner Staaten oder Institutionen zur Vorbeugung
von terroristischen Angriffen selbst möglicherweise schon dämpfend auf die shoppingtouristische Nachfrage aus dem Ausland wirken können. Hierzu zählen beispielsweise verschärfte
Einreisebedingungen für Angehörige bestimmter Staaten, aufwändige Sicherheitskontrollen
an Flughäfen und restriktive Ein- oder Ausfuhrregelungen für einzelne Güter.
Innerhalb eines Landes wirkt sich die subjektiv vom Shoppingtouristen wahrgenommene Sicherheit vor allem auf die Wahl des Einkaufsortes und der Tageszeit des Einkaufs aus. Städte oder Gebiete, die als unsicher gelten, werden tendenziell ebenso gemieden wie Bereiche,
in denen Symptome der Verwahrlosung des öffentlichen Raumes offensichtlich sind. Hierzu
zählen beispielsweise Verunreinigungen oder Zerstörungen an Einrichtungen oder Gebäuden, gewaltbereite Personen, Diebstahldelikte und Drogenhandel.
Auch wenn die objektive Sicherheitslage in hohem Maße als standortspezifisch einzustufen
ist, wirken sich kritische Berichterstattung in den Medien oder regelmäßige eigene Erfahrungen mit entsprechenden Problemsituationen negativ auf das Gesamtimage eines Landes
aus. Umgekehrt formuliert profitieren Standorte – Länder, Regionen oder einzelne Städte –
als Shoppingtourismus-Destinationen von einem positiven Sicherheitsimage (z.B. Singapur).
Die Bedingungen Stabilität und innere Sicherheit sind in Deutschland weitestgehend erfüllt,
die deutschen Großstädte gelten z.T. sogar als sicherer als vergleichbare im (europäischen)
Ausland. Allerdings soll nicht verschwiegen werden, dass Ostdeutschland teilweise hier noch
ein Imageproblem hat: die fremdenfeindlichen und rassistischen Übergriffe, die zwar deutlich
zurückgegangen sind, haben vor allem in der ausländischen Presse ein nachhaltiges Echo
gefunden. Die Entwicklung des Tourismus in der Region Dresden zeigt aber, dass – auch
durch das Agieren der Sicherheitsbehörden – solche Negativbilder auch wieder abgebaut
werden können. Sicherheit ist zwar in erster Linie Aufgabe der Länder und des Bundes, das
Sicherheitsbefinden der (Shopping-)Touristen kann aber auch an (zentralen) Standorten
durch private Sicherheitsdienste erhöht werden.
Raumordnung und Landesplanung
Wesentlich für die Möglichkeit zur Entwicklung von Einzelhandelsstandorten sind auch die
gesetzlichen Rahmenbedingungen, die bei der Genehmigung von großflächigem Einzelhan-
84
del16 zu berücksichtigen sind. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, inwieweit vor allem
die in Kap. 2.2.2 beschriebenen ‘‘Neuen Orte des Erlebniseinkaufs’‘ wie z.B. Urban Entertainment Center oder Factory Outlet Center restriktiv gehandhabt werden.
Das in Deutschland der Raumordnung und Landesplanung zugrunde liegende Zentrale-OrteKonzept (nach W. Christaller) sieht ein Netz von zentralen Orten unterschiedlicher Hierarchiestufen vor, denen - vereinfacht gesagt - ein ihrer jeweiligen Hierarchiestufe entsprechendes Einzugsgebiet zugestanden wird (‘‘Kongruenzgebot’‘). Weiterhin hat die Entwicklung
städtebaulich und siedlungsstrukturell integrierter Standorte (v.a. Innenstädte) Vorrang vor
Standorten auf der ‘‘grünen Wiese’‘ (‘‘Integrationsgebot’‘). Schließlich werden an die ‘‘Verträglichkeit’‘ neuer Planvorhaben für die ‘‘gewachsenen Strukturen’‘ relativ strenge Maßstäbe
angelegt (‘‘Beeinträchtigungsverbot’‘).
Zusammengefasst dienen die auf Bundes-, Landes- und Regionalebene der kommunalen Planungshoheit vorgeschalteten gesetzlichen Regelungen zunächst der Sicherung vorhandener
Strukturen und damit auch der Attraktivitätserhaltung der traditionell kompakten Einkaufsinnenstädte. Auf der anderen Seite zeigt sich aber vor allem in polyzentrischen Verdichtungsräumen (z.B. Ruhrgebiet) eine zunehmende Diskrepanz zwischen den Zielsetzungen der Planung auf der einen und den Marktpotenzialen nicht zulässiger Standorte auf der anderen Seite.
Die Auswirkungen der in Europa teilweise recht unterschiedlichen Rahmenbedingungen für
die Genehmigung überregional bedeutsamer Einzelhandelsstandorte lassen sich beispielhaft
an den tatsächlichen Einzugsgebieten grenznaher Factory-Outlet Center im Raum Roermond/Aachen/Liège beobachten: Während in Deutschland mehrere Standorte in der Region
(z.B. Grevenbroich, Hückelhoven) letztlich mit Verweis auf ihre Unvereinbarkeit mit den
Grundsätzen der Raumordnung und Landesplanung verworfen wurden, konnten entsprechende Planungen in Roermond (Niederlande) und Maasmechelen (Belgien) realisiert werden. Ein bedeutsamer Anteil deutscher Kunden etwa in Roermond weist auf Kaufkraftabflüsse in signifikanter Größenordnung durch Shoppingtourismus hin.
Der grundsätzlich positive Einfluss von weniger restriktiven Vorgaben für die Genehmigung
großflächiger Einzelhandelsbetriebe, darunter insbesondere auch Shopping-Center, FactoryOutlet Center etc., auf Umsätze mit Zielgruppen, die im Rahmen dieser Untersuchung als
‘‘Shoppingtouristen’‘ beschrieben werden, wurde zuvor aufgezeigt.
Für die nächsten Jahre ist aber kaum davon auszugehen, dass die wesentlichen Ziele der
Raumordnung und Landesplanung in einer Weise modifiziert werden, dass es zur kurz- oder
mittelfristigen Realisierung neuer Standorte mit erheblichem Potenzial für Shoppingtourismus
kommen kann, die bisher nicht genehmigungsfähig waren.
Ausnahmen können dennoch wenige Fälle von Planvorhaben darstellen, denen eine shoppingtouristische Relevanz grundsätzlich zuzusprechen ist, darunter beispielsweise das Factory-Outlet Center Ingolstadt (Eröffnung 2005), die Erweiterung des CentrO Oberhausen und
die Hafen-City Hamburg. Dabei sollte aber nicht übersehen werden, dass vor allem ausländische Besucher effektive Umsatzzuwächse generieren.
Zusammenfassend ist daher nach Einschätzung der Gutachter nicht davon auszugehen,
dass es zu nennenswerten Zusatzumsätzen wegen zusätzlicher Verkaufsflächen kommt, die
Ergebnis einer gelockerten Rahmensetzung durch Raumordnung und Landesplanung sind.
Diese Bedingungen sind im europäischen Ausland – wie die Beispiele der FOC bzw. Shopping-Center in Roermond, Maasmechelen, Pandorf und Bicester zeigen – eindeutig besser.
16
Als ‘‘großflächig’‘ können in Anlehnung an die in Deutschland formulierte Vermutungsregel nach
§ 11 Abs. 3 BauNVO Einzelhandelsbetriebe bezeichnet werden, deren Bruttogeschossfläche mindestens
1.200 qm beträgt, was einer Verkaufsfläche von rd. 700-800 qm entspricht.
85
Gesetzlicher Rahmen für Ladenöffnungszeiten
Touristen können nur dann als Shoppingtouristen in Erscheinung treten, wenn sie in der Lage sind, im Rahmen ihres Besuchs Einkaufsangebote wahrzunehmen. Dabei spielt auch eine Rolle, inwieweit Einzelhandelsbetriebe ihre Öffnungszeiten an die Besuchszeiten ihrer
Kunden anpassen können.
Den auf lokaler Ebene durch die Unternehmen selbst überlassenen Detailregelungen vorgeschaltet sind die gesetzlich geregelten Zeiträume, in denen Ladenlokale zum Verkauf geöffnet sein dürfen. Da vor allem städtetouristisch motivierte Kurzreisen im Schwerpunkt an Wochenenden stattfinden, ist davon auszugehen, dass Standorte mit weitreichenden Möglichkeiten zur Durchführung verkaufsoffener Sonntage einen spürbaren Vorteil bei der Ausnutzung shoppingtouristischer Potenziale haben. Dies belegen u.a. die hohen Frequenzen deutscher Besucher in den FOC im grenznahen Ausland zu Deutschland.
Hinzuweisen ist aber auch auf die Tatsache, dass vielfach in kleinen und mittleren Städten,
die shoppingtouristisches Potenzial aufweisen – z.B. Kurstädte –, der örtliche Einzelhandel
noch nicht einmal die gesetzlichen Ladenöffnungszeiten ausnutzt. Wenn hier teilweise unter
der Woche die Läden bereits um 18:00 Uhr schließen oder am Samstag um 14:00 Uhr die
Innenstädte verwaist sind, dann fehlt es im Handel an der erforderlichen Orientierung an
Shoppingtourismus. Längere Öffnungszeiten werden sich aber nur ‘‘rechnen’‘, wenn in diesen Orten - zumindest in den Zentren - die wichtigsten Läden auch tatsächlich geöffnet haben, Insellösungen wirken hier nicht.
Ein Standortnachteil Deutschlands beim Shoppingtourismus besteht im hier weitestgehend
verbotenen Sonntagsverkauf. Unter der Woche (einschl. Samstag), dies zeigen die Vergleiche mit dem Ausland, ist Deutschland durchaus konkurrenzfähig. Wichtige Nachbarländer
wie z.B. die Niederlande, Belgien, Frankreich, Italien, aber auch das UK sind bei den Sonntagsöffnungen wesentlich liberaler. Der zunehmende Kurzreisetourismus, der sich am Wochenende konzentriert, kann daher in Deutschland shoppingtouristisch nicht in vollem Umfang ‘‘mitgenommen’‘ werden.
Daher stehen die Gutachter dem diskutierten Vorschlag, die Ladenöffnungszeiten - einschl.
Sonderveranstaltungen an Sonn- und Feiertagen – in die Verantwortung der Bundesländer
zu überführen, positiv gegenüber. Diese können wesentlich besser – auf die regionalen Besonderheiten zugeschnittene – Regelungen erlassen, als es das starre Korsett des derzeit
geltenden Ladenschlussgesetzes jemals können wird. Vor allem in grenznahen Bereichen ist
eine Aufweichung des Öffnungsverbots am Sonntag erforderlich, da ansonsten sogar Kaufkraftabflüsse drohen.
4.3.2 Art und Umfang des Angebotes
Shoppingtouristen erwarten attraktive Einkaufsangebote und können die vorgefundenen
Strukturen z.T. auch im internationalen Vergleich bewerten. Für sie besteht keine Notwendigkeit, Einkäufe im Rahmen ihres Tagesausflugs oder ihrer Übernachtung durchzuführen.
Sie sind aber offenbar grundsätzlich bereit und in der Lage, erhebliche Einkaufsbeträge auszugeben, wenn ihre Erwartungen erfüllt werden.
Grundvoraussetzung für eine überörtliche Vermarktung eines Ortes als Shoppingdestination
ist ein räumlich konzentrierter Einkaufsbereich mit klarem Sortimentsprofil. Dazu gehören in
erster Linie Anbieter international bekannter Marken, wobei die Bekanntheit des Anbieters
selbst mit wenigen prominenten Ausnahmen eine eher untergeordnete Rolle spielt. So können einzelne Kaufhäuser wie z.B. Harrod’s in London, das KaDeWe in Berlin oder SATURN
in Köln einen gewissen Kultstatus für sich beanspruchen.
86
Neben der räumlichen Konzentration spielt auch die Dimension des Einzelhandelsangebots
eine Rolle. So muss nach der Analyse vorgefundener ‘‘Best-Practice’‘-Beispiele davon ausgegangen werden, dass es – je nach Destinationstyp – Mindestgrößen für die insgesamt angebotene Verkaufsfläche gibt, bei deren Unterschreitung eine deutlich über das übliche Einzugsgebiet hinausgehende Ausstrahlung nicht zustande kommt. Als Orientierungswerte für
diese Untergrenzen können etwa folgende Größenordnungen angegeben werden:
•
Der Haupteinkaufsbereich (i.d. Regel Fußgängerzone) einer traditionellen Innenstadt
benötigt mindestens rd. 20.000 qm Verkaufläche, darunter mehrere ‘‘Magnetbetriebe’‘ –
etwa Kauf- und Warenhäuser oder große Fachgeschäfte. Oberzentrale Citys wie Berlin,
Hamburg, München oder Düsseldorf verfügen nicht selten über mehrere, teils nicht
unmittelbar zusammenhängende Einkaufszonen mit jeweils deutlich über 100.000 qm
Verkaufsfläche.
•
Shoppingcenter, deren Standorte nicht in derartige Haupteinkaufsbereiche integriert
sind, benötigen ebenfalls mindestens rd. 20.000 qm Verkaufsfläche, um eine deutlich
überregionale Ausstrahlung zu entwickeln. Sonderformen wie Factory-Outlet Center
benötigen mindestens rd. 10.000 qm Verkaufsfläche.
Entscheidend für die Herausbildung eines klaren Profils sind Sortimentsschwerpunkte bei
‘‘zentrenrelevanten Sortimenten’‘ wie – vor allem – Bekleidung/Schuhe/Lederwaren/Sport,
Unterhaltungselektronik, Glas/Porzellan/Keramik oder Uhren/Schmuck. Dabei ist ein
Schwerpunkt auf gehobenen oder besonders prestigeträchtigen Marken von großer Bedeutung. Alternativ können auch regional- oder landestypische Produkte ohne überregional bekannte Marken zu einer Profilierung genutzt werden.
Neben den shoppingtouristischen Destinationen im engeren Sinne, also solchen Orten, die
im Wesentlichen mit ihren Einkaufsmöglichkeiten werben, dürfen allerdings vor allem die
Klein- und Mittelstädte in landschaftlich reizvollen Regionen oder mit bedeutenden kulturellen
Angeboten nicht übersehen werden, wo Käufe der Reisenden im örtlichen Handel gewissermaßen ein ‘‘Abfallprodukt’‘ darstellen. Wenn es z.B. am Samstag regnet, gehen diese
Touristen nicht wandern, sondern – wenn das Angebot attraktiv ist – auch in die Innenstadt
zum Einkaufen. Hier kommt es neben – wie oben bereits angedeutet – ‘‘vernünftigen’‘
Ladenöffnungszeiten vor allem auf einen breit gefächerten Angebotsmix (Bekleidung,
Schuhe, Leder, Schmuck, Parfümerie), kombiniert mit regionaltypischen gastronomischen
Angeboten sowie Veranstaltungen, wie z.B. Weinmessen, Verkaufsschauen etc., an.
Die Attraktivität des Angebots ist eine der Variablen, die den Erfolg von Shoppingtourismus
ausmachen, die weitgehend frei zu gestalten ist. Dies ist in erster Linie Aufgabe des Handels
und der Investoren. In den Innenstädten sind aber auch die Vermieter zu nennen, die durch
sehr hohe Mietforderungen teilweise mit dazu beigetragen haben, ‘‘Ramschmeilen’‘ entstehen zu lassen, die die ‘‘guten’‘ Kunden abschrecken. Auch Leerstände tragen nicht zur Attraktivität bei.
Die Rolle des Staates (v.a. Kommunen) bei der Gestaltung der Attraktivität des Angebots ist
begrenzt, allerdings bestehen Steuerungsmöglichkeiten bei den oben genannten Genehmigungsverfahren, die Investitionen in verschiedene attraktive Vertriebsformen entweder begünstigen oder auch verhindern.
Was die Art und die Attraktivität des Kaufangebots betrifft, sind die deutschen Destinationen
– abgesehen von bestimmten Vermarktungsformen wie z.B. FOC – international wettbewerbsfähig.
87
4.3.3 Preis
Shoppingtouristen im engeren Sinne fragen in erster Linie Konsumgüter des nicht-täglichen
Bedarfs nach und sind besonders am preisgünstigen Kauf von Markenartikeln interessiert. In
vielen Fällen handelt es sich dabei um internationale Marken, bei denen Produktqualität und
–design standardisiert sind, sodass ein direkter Vergleich von Verkaufspreisen möglich wird.
Begünstigt wird die Preistransparenz zusätzlich durch eine gemeinsame Währung (etwa im
‘‘Euro-Raum’‘) und durch das Internet. Vor diesem Hintergrund ist es von großer Bedeutung
für die Attraktivität einer Shoppingtourismus-Destination, dass sie für eine ausreichende Zahl
von Produkten signifikante Preisvorteile bieten kann.
Sofern Herkunftsländer von Kunden und Zielländer keine gemeinsame Währung (bzw. feste
Wechselkurse) haben, ist das Preisniveau Schwankungen unterworfen, die aus Sicht des
Shoppingtouristen als Risiko eingestuft werden und sich damit nachteilig auswirken können.
Derzeit verfügt Deutschland – zumindest was den €-Raum und den ehemaligen Ostblock betrifft – hinsichtlich des Preisniveaus über eindeutige Standortvorteile.
Hinzu kommt eine bei vielen Währungen festzustellende Differenz zwischen Wechselkursen
und sog. Kaufkraftparitäten, also dem jeweiligen Preisniveau für einen repräsentativen Warenkorb.17 Auch wenn eine Übertragbarkeit dieses Warenkorbes auf touristisch relevante Güter nur bedingt möglich ist, lassen sich zum Teil erhebliche Preisvorteile beim Einkauf in anderen Ländern feststellen.
Schließlich ist aber auch das Preisniveau eines Landes für sonstige touristisch relevante
Dienstleistungen oder Produkte eine wichtige Rahmenbedingung für Shoppingtourismus
(z.B. Hotel, Gastronomie, Benzin).
Dass bei den meisten Shoppingtouristen tatsächlich der Preis von ausschlaggebender Bedeutung ist, wird eindrucksvoll durch die Passantenbefragungen bestätigt: Während alle anderen zur Bewertung vorgegebenen Kriterien der Attraktivität des Standorts als sehr gut oder
gut klassifiziert wurden (vgl. Tabelle 25), erreichte das Preisniveau nur Anteile von 5 % für
‘‘sehr gut’‘ und 39 % für ‘‘gut’‘, wohingegen 56 % die Preise als nicht sonderlich attraktiv bewerteten.
Allerdings wäre es falsch, Shoppingtouristen pauschal als ‘‘Schnäppchenjäger’‘ zu klassifizieren. Ausgehend von den Ergebnissen der Passantenbefragung und auch den Zielgruppen, die z.B. Städte wie Mailand, Düsseldorf, London etc. anziehen, ist rd. ein Viertel der
Shoppingtouristen der gegenteiligen Gruppe zuzurechnen. D.h., diese verfügt über ein relativ
hohes Einkommen, für diese ist Shopping Vergnügen und diese Gruppe ist bereit, bei interessanten Angeboten auch ‘‘tiefer in die Tasche zu greifen’‘. Diese Gruppe ist übrigens - wie
z.B. die Verteilung der Shoppingtouristen auf Orte gezeigt hat (vgl. Kap. 4.2) - an allen shoppingtouristisch relevanten Destinationen mehr oder minder im gleichen Umfang anzutreffen.
Hervorzuheben ist auch der Befund, dass Ausländer, die im Rahmen der Passantenbefragung interviewt wurden, das Preisniveau (in Deutschland) erkennbar besser als die Deutschen beurteilt haben, und zwar per saldo um 8 Prozentpunkte. Dies deckt sich mit dem in
Kapitel 3.2 beschriebenen Befund, dass Deutschland mit Ausnahme der Warengruppe Bekleidung und Schuhe – abgesehen von Osteuropa – zu den preiswertesten europäischen
Ländern zählt.
Erneut möchten wir in diesem Zusammenhang auch auf die Gruppe der Shoppingtouristen
im weiteren Sinne hinweisen, auf diese entfallen (ohne Ausländer) immerhin 18 % des
17
So berechnet in Deutschland das Statistische Bundesamt für einen repräsentativen Warenkorb mit rund 200
ausgewählten Waren und Dienstleistungen der privaten Lebenshaltung ohne Wohnungsmiete (Grundmiete)
sog. ‘‘Verbrauchergeldparitäten’‘, die jeweils mit den von der Deutschen Bundesbank berechneten Devisenmittelwerten verglichen werden.
88
Shoppingtourismusumsatzes in Deutschland. Diese Gruppe reist nicht wegen des (billigen)
Einkaufs und reagiert ebenfalls auf attraktive Angebote.
Ein Standortnachteil für Shoppingtourismus ist in dem vergleichbar hohen Preisniveau für
Bekleidung und Schuhe in Deutschland zu sehen.
Die Preisattraktivität wird – dies ist eine Binsenweisheit – vom Handel gesteuert. Angesichts
der geringen Umsatzrenditen im Einzelhandel sind jedoch auch Mietkosten sowie Gebühren,
Grund- und Gewerbesteuern der Kommunen etc. von nicht zu vernachlässigender Bedeutung. D.h., die Kommunen können hier – zwar im begrenzten Umfang – mit dazu beitragen,
dass Investoren angezogen werden oder bleiben und nicht an andere Standorte ausweichen.
4.3.4 Erreichbarkeit
Eine wichtige Grundvoraussetzung für Umsatzpotenziale im Shoppingtourismus ist die geografische Lage zu wichtigen Verkehrsachsen oder touristischen Zielgebieten.
Gerade für ausländische Reisegruppen (insbesondere US-Amerikaner, Chinesen und Japaner) hängt das Einkaufsverhalten wesentlich auch von ihren Reiserouten innerhalb Europas
ab. Die größten Umsätze im Tax-Free-Shopping werden von Global Refund in Frankfurt
ausgewiesen. Frankfurt ist internationales Drehkreuz gerade für Flüge in den Fernen Osten
und die USA. An zweiter Stelle beim Tax-Free-Shopping steht Köln, vor Berlin und Hamburg.
Köln ist aufgrund der geografischen Lage fest in den europäischen Reiserouten, LondonAmsterdam-Köln und weiter Richtung Süden, verankert. Mit der EU-Osterweiterung werden
mittelfristig zusätzliche europäische Reiserouten entwickelt werden.
Als zentrale Voraussetzung für Shoppingtourismus im engeren Sinne ist das Vorhandensein einer leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur anzusehen. Wenn davon ausgegangen
werden darf, dass die Zeitdistanz zum Erreichen eines Einkaufsziels maßgeblich für die Bereitschaft ist, dort Geld auszugeben, wird das Umsatzpotenzial einer ShoppingtourismusDestination wesentlich durch die Anzahl der Personen bestimmt, die das Einkaufsziel innerhalb einer aus ihrer Sicht angemessenen Zeit erreichen können. Hieraus ergeben sich Konsequenzen für die einzelnen beim Erreichen des Ziels genutzten Verkehrsmittel:
•
Eine leistungsfähige Anbindung an das internationale Autobahnnetz spielt vor allem
für Tagesbesucher von außerhalb des üblichen Einzugsgebietes eine Rolle, hinzu
kommt ein modernes Parkleitsystem und eine ausreichende Anzahl von PkwStellplätzen in unmittelbarer Nähe zu den Einkaufsbereichen. Wichtig ist schließlich
auch die Möglichkeit, mit Reisebussen zum Ein- und Ausstieg der Passagiere an die
Shoppingzonen heranzufahren und während der übrigen Zeit geeignete Busparkplätze
aufzusuchen.
•
Ein internationaler Flughafen ermöglicht Besuchern von weit außerhalb die zeitnahe
Anreise und ist eine unbedingte Voraussetzung für Besucher aus anderen Kontinenten.
Die räumliche Nähe zu einem Flughafen begünstigt die Nutzung shoppingtouristischer
Potenziale von Tagesgeschäftsreisen und Kurzurlaubern, während für Urlaubsgäste mit
einer höheren Übernachtungszahl die Lage an typischen Reiserouten oder Zwischenstationen von Bedeutung ist.
•
Einen damit in Zusammenhang stehenden Erfolgsfaktor stellen ‘‘Low-Cost-Carrier’‘
(‘‘Billigflieger’‘) dar, die in einigen Fällen zu einem zuletzt stark gewachsenen Besucheraufkommen an Flughäfen geführt haben, die zuvor nicht für zivile Zwecke genutzt
wurden oder relativ bedeutungslos waren. Zurzeit gehen von diesen Angeboten jedoch
aus deutscher Sicht betrachtet – wie bereits erwähnt – eher negative Effekte aus, da
diese Linien zu etwa 80 % genutzt werden, um ins Ausland (zum Einkaufen) zu fliegen,
nur etwa 20 % der Fluggäste kommen aus dem Ausland nach Deutschland.
89
•
Ergänzend ist für viele potenzielle Shoppingtouristen die Anreisemöglichkeit mit der Eisenbahn von großer Bedeutung. Dabei muss der Fernbahnhof entweder in räumlicher
Nähe zum Einkaufsbereich liegen oder über eine attraktive ÖPNV-Verbindung (UBahn, S-Bahn, Straßenbahn) angebunden und kurzfristig erreichbar sein.
Auch im Zusammenhang mit der Erreichbarkeit muss die Gruppe der Shoppingtouristen im
weiteren Sinne betrachtet werden. Diese unternehmen ihre Reise aus anderen Motiven, u.a.
um sich zu erholen oder interessante Kulturdenkmäler zu besichtigen. Bei diesen Shoppingtouristen (Anteil am shoppingtouristischen Umsatz 31 %) spielt die Verkehrsanbindung häufig keine Rolle, wie das Beispiel Rügen (vgl. Kapitel 3.2) zeigt.
Was die Leistungsfähigkeit der Verkehrsanbindung betrifft, liegen die Handlungspotenziale
vor allem beim Bund und bei den Ländern. Hiermit sind vor allem die Autobahn- und Bahnanbindung und auch die (überregionalen) Flughäfen angesprochen. So haben z.B. Dresden
und das Umland sowohl vom Ausbau des Flughafens als auch von den massiven Investitionen in den Autobahnausbau in Sachsen (auch nach Tschechien) profitiert.
Was die Destinationen, die die jeweiligen Flughäfen bedienen, betrifft, sind die staatlichen
Einflussmöglichkeiten hingegen beschränkt. Low-Cost-Carrier z.B. wechseln ihre Ziele relativ
rasch, reagieren sehr empfindlich auf die Gestaltung der Start- und Landegebühren. Gerade
bei neuen Flughäfen im ländlichen Raum, die teilweise auch in kommunaler Betreiberschaft
sind, bestehen Möglichkeiten der Kommunen und/oder der Länder, attraktive Angebote zu
unterbreiten. Allerdings reagiert die Wettbewerbsbehörde der EU-Kommission auf Subventionen in diesem Zusammenhang äußerst sensibel, wie das Beispiel von Ryanair gezeigt hat.
Die Entscheidungen über Nachtflugverbote liegen ebenfalls im staatlichen Kompetenzbereich. Dies betrifft vor allem die Chancen der großen Flughäfen mit Überseeanbindungen,
aber auch die Low-Cost-Carrier. Insgesamt ist diese Größe jedoch für den Shoppingtourismus von eher nachrangiger Bedeutung.
Soweit die Innenstädte Ziele von Shoppingtouristen sind, haben die Kommunen einen entscheidenden Einfluss auf die Parkmöglichkeiten im oder in unmittelbarer Nähe zum Zentrum.
Zwei Drittel aller Shoppingtouristen reisen mit dem eigenen Pkw an, wer diese Gruppe in die
Innenstädte holen will, darf nicht mit ‘‘schikanösen’‘ Verkehrsregelungen abschrecken. Die
Erfolge von FOC und anderen Alternativen, die ein umfangreiches Parkangebot bereithalten,
sind auch auf die Parkprobleme in den Innenstädten zurückzuführen.
Die Erreichbarkeit der deutschen Shoppingtourismusdestinationen, auch der Innenstädte, ist
im internationalen Vergleich überwiegend als überdurchschnittlich zu bewerten. Das (kostenlose) engmaschige Autobahnnetz, die Flughäfen, Hochgeschwindigkeitszüge und selbst die
Benzinpreise sind Standortvorteile.
4.3.5 Infrastruktur
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Shoppingtourismus liegt in der ‘‘historischen Kraft’‘ einer
Stadt, also der Anziehungskraft ihres Stadtbildes und ihrer Bausubstanz. Städte mit prägnanten Bauwerken und – im Idealfall – unzerstörten Altstadtensembles oder in Einzelfällen auch
architektonisch anspruchsvollen Neuentwicklungen ganzer Stadtteile (z.B. Medienhafen
Düsseldorf) bieten eine geeignete Kulisse für Einzelhandelsangebote, die von Städtetouristen im Rahmen ihres Besuchs wahrgenommen werden.
Nur 14 % aller Shoppingtouristen (i.w.S.) reisen in erster Linie, um einzukaufen. Nur an den
speziellen shoppingtouristischen Destinationen (FOC, Fabrikverkauf etc.) sind knapp 30 %
der Kunden wegen des Einkaufs unterwegs. Schon aus diesen Daten ergibt sich, dass die
Rahmenbedingungen bzw. die gesamte Infrastruktur an einem Ort von entscheidender Bedeutung sind (vgl. auch Kap.4.2). Zu diesen Rahmenbedingungen zählen vor allem:
90
•
•
•
•
Image einer Stadt/Region
kulturelles Angebot
Freizeitangebot
Hotellerie und Gastronomie
Das Image einer Region ‘‘München – die Stadt des Oktoberfests’‘, ‘‘Berlin – die Stadt des
Mauerfalls an der Grenze von West und Ost’‘, ‘‘Dresden – die Stadt der Schlösser’‘, ‘‘IdarOberstein – die Edelsteinstadt’‘ etc. ist in der Regel über lange Jahre, wenn nicht Jahrhunderte, gewachsen, es lässt sich kaum verändern, allerdings kann darauf aufgebaut werden,
um Shoppingtourismus zu erzeugen, wie die Beispiele Berlin und München zeigen (vgl. Kap.
4.1.1).
Immerhin 14 % aller Shoppingtouristen sind wegen des kulturellen Angebots unterwegs.
Auch dieses ist von den Kommunen und Ländern nur bedingt zu beeinflussen. Eine Kopie
des Kölner Doms in Oberhausen macht wenig Sinn, der Dresdner Zwinger ist ebenfalls einmalig. D.h., soweit die Attraktivität einer Region auf historischen Gebäuden etc. beruht, stellen diese für die jeweilige Stadt/Region eine hervorragende Ausgangssituation dar. Regionen, die nicht entsprechend ausgestattet sind, müssen Alternativen suchen (siehe unten).
Maßgeblich für die Attraktivität sind auch kulturelle Angebote. Dazu zählen in besonderem
Maße Museen und Sonderausstellungen, aber auch Veranstaltungen wie Musicals, Konzerte
oder Festspiele. Abgesehen von den Häusern mit Weltgeltung bestehen hier für die Kommunen und zum Teil auch für die Länder durchaus Handlungsoptionen. Beispiele sind z.B. das
Schleswig-Holstein Musik Festival oder die Musicallandschaft in Hamburg. Hier sind in erster
Linie private Aktivitäten, aber auch solche in Public-Private-Partnership gefragt.
Hinzu kommen Sportveranstaltungen, Volksfeste und außergewöhnlich profilierte oder große
Märkte. Bei diesen Angeboten ist ebenfalls eine enge Kooperation von Kommunen, dem
Handel, Vereinen etc. erforderlich.
Ein großer Teil der durch Shoppingtourismus ausgelösten Umsatzleistung wird durch Übernachtungsgäste erbracht. Voraussetzung für hohe Übernachtungszahlen sind zunächst
quantitativ und qualitativ ausreichende Beherbergungskapazitäten. Dabei sind vor allem größere Anbieter mit gehobenem Standard an attraktiven Standorten im Nahbereich der Einkaufszonen von entscheidender Bedeutung.
Ergänzend stellen gehobene Gastronomieangebote eine wichtige Voraussetzung für die
Gewinnung von Shoppingtouristen dar. Sie bieten die Möglichkeit zur Abrundung des Einkaufsbummels und tragen damit entscheidend zur Verlängerung der Verweildauer bei. Auch
in diesem Fall geht es nicht in erster Linie um die quantitative Ausstattung, sondern um das
von den führenden Betreibern angebotene Niveau. Außergewöhnliche Standorte, etwa in
historischen Gebäuden oder an zentralen Plätzen, tragen besonders zur Profilierung bei.
Begünstigend auf die Herausbildung einer shoppingtouristisch relevanten Destination wirkt
sich auch die Rolle einer Stadt oder Region als Wirtschaftszentrum aus – messbar etwa an
der Zahl höher qualifizierter Arbeitsplätze in Relation zur Bevölkerung oder der Anzahl von
Unternehmenssitzen bzw. Konzernzentralen. Zunächst ergibt sich aus einer solchen Konzentration ein meist deutlich höheres Kaufkraftniveau der Bevölkerung (Beispiel München,
Frankfurt, Düsseldorf), das zu einer höheren lokalen bzw. regionalen Nachfrage nach Einkaufsangeboten führt, die – wie zuvor beschrieben – per se eine wichtige Voraussetzung für
Shoppingtourismus durch Besucher von weit außerhalb sind. Es ist davon auszugehen, dass
sich die entsprechenden Angebotsstrukturen und Sortimentsniveaus auf diesem Wege herausbilden und einen Standort als Nebeneffekt in die Lage versetzen, zusätzliche Umsätze
durch Shoppingtouristen zu generieren.
91
Eine hohe Bedeutung als Wirtschaftsstandort führt weiterhin zu einer größeren Zahl von Geschäftsreisenden, die als Tagesbesucher oder Übernachtungsgäste in Erscheinung treten.
Hierdurch wird wiederum die Qualität der touristisch relevanten Infrastruktur (v.a. Hotellerie,
Gastronomie) positiv beeinflusst.
D.h., auch die Rolle der Wirtschaftsförderung bzw. die Ansiedlungspolitik einer Stadt ist bei
der Generierung von Shoppingtourismus zu beachten. So profitieren z.B. Leipzig und Dresden auch shoppingtouristisch von den dort erfolgten erfolgreichen Großansiedlungen (BMW,
VW, Porsche, Infineon, AMD).
Schließlich sind zahlreiche Wirtschaftszentren auch bedeutende Messestandorte, die vor allem bei internationalen Leitmessen eine große Zahl zusätzlicher Geschäftsreisender aus
dem In- und Ausland anziehen. Aber auch eine nicht immer ausschließlich mit der grundsätzlichen Bedeutung einer Stadt oder Region als Wirtschaftsstandort zusammenhängende hohe
Zahl an Kongressen und Tagungen kann als wichtiger Erfolgsfaktor für die Realisierung
shoppingtouristischer Umsätze angesehen werden.
Es konnte aufgezeigt werden, dass die Infrastrukturfaktoren bzw. die Rahmenbedingungen
teilweise eng miteinander verflochten sind. Shoppingtouristisch erfolgreiche (städtische)
Standorte zeichnen sich dadurch aus, dass es zu einer Vernetzung der Aktivitäten auf kulturellem Gebiet, des Messewesens, des Kulturangebots etc. kommt.
Ob andere Länder ihre Infrastrukturstärken besser als Deutschland nutzen, kann pauschal
nicht beantwortet werden. Entscheidend sind hier die städtischen und/oder regionalen Vermarktungsstrategien. Wie oben anhand der Beispiele beschrieben wurde, finden sich in
Deutschland sowohl Destinationen, die sich sehr geschickt verkaufen, als auch solche, die
ihre Stärken nicht oder nur in einem geringen Umfang nutzen, um Shoppingtourismus zu generieren.
4.3.6 Bekanntheit und Marketing
Die zuletzt angesprochene Vernetzung der Aktivitäten muss auch für die Marketingmaßnahmen gelten, dies zeigen die untersuchten Beispiele eindeutig. Wenn z.B. das Messemarketing nicht mit dem Einzelhandel kooperiert, sind die Erfolgsaussichten, insbesondere für
Shoppingtourismus, gering.
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, über die Planung und Umsetzung geeigneter Marketingmaßnahmen Einfluss auf den Erfolg einer Destination bei der Realisierung von shoppingtouristischen Umsätzen zu nehmen. Insofern liegt es nahe, aus der Praxis abgeleitete ‘‘Erfolgsfaktoren’‘ unmittelbar zur Formulierung von Handlungsempfehlungen zu nutzen, was im
Rahmen dieser Untersuchung im Kapitel 6 erfolgen soll.
Dennoch sollen an dieser Stelle die aus Sicht der Autoren wesentlichen Komponenten erfolgreicher Marketingmaßnahmen kurz skizziert werden.
•
Zunächst zeichnen sich erfolgreiche Beispiele durch das Vorhandensein einer langfristigen Strategie aus, zu der ein touristisches Leitbild gehört, das Einkaufen als wesentliches Motiv neben Kultur, geschäftlichen oder privaten Motiven versteht und entsprechend herausstellt.
•
Eine erfolgreiche Positionierung – vor allem kleinerer Standorte und ländlicher Regionen – setzt Alleinstellungsmerkmale voraus, die beispielsweise über bekannte Produkte oder einzigartige touristische Attraktionen geschaffen werden können.
•
Eine signifikante Werbewirkung bei Kunden von außerhalb des üblichen Einzugsgebietes kann offenbar nur über ein ausreichend hohes Marketingbudget und - damit einhergehend - einen hohen Professionalisierungsgrad erreicht werden. Dazu zählen der
konsequente Aufbau von Marken über ein durchgängiges Corporate Design, eine
92
grundsätzlich auch internationale Zielgruppenansprache und die regelmäßige Durchführung attraktivitätssteigernder Events.
•
Schließlich scheint ein konsequent hohes Serviceniveau für den Erfolg einer Shoppingtourismus-Destination noch wichtiger als für lediglich auf lokale oder regionale
Kundschaft ausgerichtete Einkaufsorte. Hierzu zählt zunächst das möglichst weitgehende Ausnutzen der gesetzlich zulässigen Ladenöffnungszeiten, insbesondere auch
an Sonn- und Feiertagen, soweit diese durch lokale Vereinbarungen oder Ausnahmeregelungen etwa für Fremdenverkehrsorte gestattet ist. Hinzu kommt fachlich qualifiziertes Personal mit Fremdsprachenkenntnissen (Englisch und ggf. regional relevante
Sprachen wie Französisch oder Polnisch) und hoher Beratungskompetenz. Die Akzeptanz von Kreditkarten und relevanten Fremdwährungen sind weitere Beispiele für serviceseitige Erfolgsfaktoren.
•
Aus dem hohen Anspruch an die Qualität des Einzelhandelsangebots ergibt sich auch
das Erfordernis einer professionellen und angemessenen Gestaltung der Ladenlokale,
einer transparenten Preisauszeichnung sowie eines ansprechenden und gepflegten
Gesamteindrucks der Einkaufszonen.
In fast allen Fällen kann das erforderliche Marketingniveau nur dann systematisch sichergestellt werden, wenn Einzelhandels-, Gastronomie- und Dienstleistungsunternehmen in einer
geeigneten Organisationsstruktur kooperieren. Dabei wurden traditionelle Werbe- oder Interessengemeinschaften mittlerweile in den meisten Fällen durch Stadt- und Citymarketingorganisationen ersetzt, die sich durch eine breitere Mitgliederbasis und ein daraus resultierendes höheres Budget auszeichnen.
Kooperation beim Marketing
Lokale Kooperationen zwischen Handel und Tourismus haben bereits zu Anfang des 20.
Jahrhunderts eine wichtige Rolle gespielt. Initiator und Mitbegründer der damals entstandenen Fremdenverkehrsverbände waren vielfach die vor Ort ansässigen großen Kaufhäuser. In
vielen Fällen wurden die ehemaligen Fremdenverkehrsverbände und -ämter inzwischen
durch Tourismus-Marketing-Gesellschaften ersetzt, die in der Regel kommunale Tochtergesellschaften sind, an denen private Unternehmen oder Organisationen ebenfalls Anteile halten. Voraussetzung ist eine geeignete Rechtsform, üblicherweise eine GmbH.
Die Tourismusorganisationen aller deutschen Metropolen bemühen sich seit vielen Jahren
auf vielfältige Weise um eine verstärkte Kooperation mit dem örtlichen Einzelhandel. Als
größtes Manko erweist sich vielerorts immer noch die fehlende Kommunikation zwischen
den für den Tourismus verantwortlichen Personen und den Interessensvertretungen der Einzelhändler. Wie bereits in Kapitel 4.1 beschrieben wurde, ist das Marketing und dabei insbesondere die Komponente ‘‘Shopping’‘ in der Außendarstellung eine zentrale Voraussetzung
für den Erfolg bei der Akquise von Shoppingtouristen.
In einigen Städten wie z.B. Bielefeld, Oberhausen und München findet eine enge Kooperation zwischen den Tourismusorganisationen der Städte und dem jeweiligen City-Management
statt. In der Regel konnte eine Arbeitsteilung gefunden werden, bei der sich die touristischen
Organisationen um das Außenmarketing und das City Management um das Innenmarketing
kümmert.
Ziel des Außenmarketing ist die gemeinsame Darstellung aller Akteure nach außen hin, insbesondere die Vermittlung des gemeinsamen Leitziels unter Berücksichtigung möglicher
Formen zur Einbindung des Umlands in das Angebot der Destination. Grundlegende Erfolgsvoraussetzung hierfür ist ein funktionierendes Innenmarketing (=Binnenmarketing).
Zentrale Aufgabe des Innenmarketing ist es, Interessenkonflikte zwischen den beteiligten Akteuren zu bewältigen und die Akteure in ein gemeinsames Konzept – z.B. eine Dachmarke –
93
zu integrieren.18 Unter ‘‘Innenmarketing’‘ versteht man im Tourismus z.B. das Marketing von
Vertriebskanälen gegenüber den Primärproduzenten vor Ort, z.B. in Form von Weiterbildungs- und Informationsveranstaltungen eines regionalen Tourismusverbandes für die Tourismus-Mitarbeiter im Verbandsgebiet. Es bildet gemeinsam mit dem Destinationsmanagement die Wissensbasis für die zukunftsfähige Information und Kommunikation in Destinationen. Über das Innenmarketing wird der Grundstein für das Außenmarketing gelegt.19
In vielen Städten und Regionen haben Workshops für den Einzelhandel stattgefunden, in
denen die Tourismusorganisation ihre Kenntnisse über Auslandsmärkte an die Einzelhändler
weitergab. Nicht immer haben derartige Workshops aber beim Einzelhandel das gewünschte
Interesse hervorgerufen. Ein großes Problem liegt – nach den Ergebnissen der Expertengespräche – auch in der Heterogenität des Einzelhandels, vor allem seiner unterschiedlichen
Zielgruppen und Vermarktungsstrategien.
Als positives Beispiel können die Weihnachtsmärkte genannt werden, wo bereits seit vielen
Jahren eine enge Zusammenarbeit besteht. In der Vorweihnachtszeit gibt es unterschiedliche Arten von Kooperationen zwischen Einzelhandel, Tourismusorganisation, kommunalen
Ordnungsämtern, Energieversorgern, Marktkaufleuten etc.
Für den Einzelhandel macht diese Zusammenarbeit vor allem deshalb Sinn, da das Weihnachtsgeschäft in vielen Branchen weit überdurchschnittlich zum Jahresumsatz beiträgt. Eine Rolle spielt aber auch ein gewisser Anpassungsdruck, wenn sich Wettbewerber ebenfalls
an gemeinsamen Aktivitäten beteiligen.
Erforderlich sind integrierte Maßnahmen von Handel, Kultur, Gastronomie und Freizeiteinrichtungen, gestärkt durch professionelles gemeinsames Management und Marketing. Eine
erfolgreiche Destinationspolitik erfordert die verbindliche Umsetzung zukunftsweisender
Zentrenkonzepte zur Entwicklung von Freizeit- und Einzelhandelsstandorten in Abstimmung
mit den Nachbargemeinden. Eine Schlüsselposition hat der Handel inne: Er ist im besonderen Maße in die Entscheidungen einzubinden und benötigt ausreichend Gestaltungsfreiraum,
um die Innenstädte durch Shopping-Events zu beleben und deren Attraktivität für Touristen
zu steigern.
Bedeutung moderner Informationstechnologien (E-Business).
Elektronische Medien können Zeitstrukturen und Flächennutzung von Angebot, Nachfrage
und Logistik im Einzelhandel ebenso wie das öffentliche Verwaltungshandeln beeinflussen.
Deutsche Destinationen haben bei der Nutzung des E-Business großen Aufholbedarf. Damit
verbunden ist ein dynamisches Potenzial mit Blick auf den möglichen Abbau bürokratischer
Strukturen sowie den Aufbau und die Entwicklung neuer Kundenservices. Ein breiter Erfahrungsaustausch über die Verwaltungsmodernisierung durch E-Government bietet sich daher
an. Die effiziente Vermarktung von Destinationen gebietet Wirtschaft, Politik und Verwaltung
die Nutzung der neuen Technik und Ausschöpfung ihrer Potenziale. Händler und
Dienstleister sind in internetgestützte Standortinitiativen, Regionalportale und MultimediaKioske einzubeziehen.
Wie bereits erwähnt, weisen die deutschen Destinationen bezüglich ihrer Darstellung als
Shoppingziele in den Internetauftritten der Städte teilweise noch deutliche Defizite auf.
Zusammenarbeit auf regionaler Ebene
Regionale Zusammenarbeit ergibt sich meistens dann, wenn traditionelle Fertigungsstätten
vorhanden sind, an deren Produkten seit vielen Jahren überregionales Interesse besteht.
18
19
Zu den am Destinationsmarketing beteiligten Akteuren zählen auch die Akteure aus tourismusfernen Branchen. Vgl. Albowitz, Jens (2001): Nachhaltiger Tourismus – Grundlagen und Chancen für eine Mittelstadt.
Vortrag auf dem Agenda 21-Forum, Oldenburg, am 23.08.2001, S. 7.
vgl. z.B. Linkenbach, Renate (2003): Innenmarketing im Tourismus. Ein Leitfaden für die Praxis. Hinweise im
Internet unter: http://linkenbach.ostfriesland-eins.de.
94
So sind beispielsweise traditionsreiche und hochwertige Produkte bekannter Porzellanmanufakturen auf dem US-amerikanischen Markt stark gefragt. In der sächsischen Stadt Meißen
hat sich daraus eine Symbiose aus der Porzellanmanufaktur und den Tourismusverantwortlichen ergeben. Gemeinsam wird in den USA und vor Ort für das Produkt und die Region geworben. Ähnliches gilt auch für ‘‘Dresdner Stollen’‘, ‘‘Nürnberger Lebkuchen’‘, zahlreiche weitere Handwerksprodukte oder kulinarische Spezialitäten. Sind die Produkte infolge intensiver
Bewerbung auf dem amerikanischen Markt bekannt, kann auch in den Verkaufsniederlassungen mit zahlreichen amerikanischen Kunden gerechnet werden.
Bei den teilweise bereits seit vielen Jahren bestehenden Kooperationen handelt es sich fast
ausschließlich um Kooperationen zwischen Tourismusverantwortlichen und Herstellerfirmen,
deren Interesse in der Positionierung ihrer Marke im Ausland und der Erschließung neuer
Absatzmärkte liegt.
Permanente, effektive regionale Kooperationen zwischen Tourismus und Handel sind weitaus seltener und finden in Deutschland oftmals nur in künstlich geschaffenen Einkaufswelten
wie Factory-Outlet-Centern und an Flughäfen statt.
95
5 TRENDS DER ENTWICKLUNG DES SHOPPINGTOURISMUS
Die Ausgangssituation für Shoppingtourismus in Deutschland wurde in den vorangegangenen Kapiteln dargestellt. Daher stellt sich nun die Frage, welche Entwicklungen zu erwarten
sind, die Einfluss auf die Dimension und die Struktur des Marktsegments nehmen könnten.
So sollen in den nachfolgenden Ausführungen solche Aspekte betrachtet werden, von denen
Experten aus Handel und Tourismus nachhaltige Auswirkungen auf den Shoppingtourismus
erwarten.
5.1
Einzelhandelsentwicklung in Deutschland
Mit Blick auf den hohen Anteil, den deutsche Kunden zum Gesamtaufkommen des shoppingtouristischen Einzelhandelsumsatzes beitragen, und zwar rd. 80 %, muss eine Prognose des
Marktsegments Shoppingtourismus auch die aktuelle Situation und die absehbaren Entwicklungen in Deutschland berücksichtigen. Die Stimmung deutscher Konsumenten ist nach wie
vor schlecht, Besserung ist kurzfristig eher nicht in Sicht.
Die GfK (Nürnberg) geht von einer anhaltenden, möglicherweise noch zunehmenden Skepsis der Deutschen hinsichtlich der Entwicklung der Konjunktur, ihres persönlichen Einkommens und letztlich ihrer Anschaffungsneigung aus. Damit stimmt sie mit den mäßigen Erwartungen der Konjunkturforscher an das Wirtschaftswachstum in Deutschland im Jahr 2005
überein.99 Die jüngste auf nur noch 0,7 % reduzierte Wachstumsprognose für das Jahr 2005
der Gemeinschaftsdiagnose der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute vom 26.
April dieses Jahres unterstreicht diese eher skeptische Einschätzung, zumindest was das
laufende und das kommende Jahr angeht.
Insbesondere infolge der gestiegenen Energiepreise ist bei den deutschen Verbrauchern
kaum ‘‘mit einer positiven Entwicklung der Bereitschaft, in naher Zukunft größere Anschaffungen zu tätigen, (...) zu rechnen.‘‘ Allerdings zeichnet sich ab, dass sich das Konsumklima
durch eine etwas sinkende Sparneigung stabilisiert.
Zusammengefasst lassen sich folgende Tendenzen absehen:100
•
Die Konsumbereitschaft der Deutschen und damit die zu erwartenden Verbrauchsausgaben im Einzelhandel werden – ausgehend von einer Phase der Stagnation – möglicherweise ab 2006 wieder ein leichtes Wachstum in einer Größenordnung von rd. 1 bis
2 % (real) im Jahr erreichen.
•
Die Verkaufsflächen werden – wie bereits in den vergangenen Jahren – noch weiter
zunehmen, sodass die Flächenleistungen (Umsatz je qm Verkaufsfläche) der vorhandenen Angebotsstrukturen sinken werden und weiterhin mit Marktaustritten, Leerstandssituationen und sinkenden Mieten zu rechnen ist.
•
Es ist aufgrund der vorliegenden Planungen davon auszugehen, dass deutliche Zuwächse im Bereich der Shopping-Center eintreten werden, mit denen Deutschland bisher im europäischen Maßstab nur unterdurchschnittlich ausgestattet ist. Hinzu kommt
weiteres Wachstum bei Fachmärkten und Fachmarktagglomerationen.
•
Bezüglich der Bevölkerungsentwicklung ist insbesondere auf regionale Unterschiede zu
verweisen. Vor allem in ‘‘altindustrialisierten‘‘ Regionen wie dem Ruhrgebiet sowie
ländlichen Räumen mit geringer wirtschaftlicher Dynamik ist bereits bis 2020 mit einem
starken Rückgang der Bevölkerung um teilweise bis zu 25 % zu rechnen, während
Randgebiete der Metropolen (v.a. Berlin) deutliche Zuwächse durch Wanderungsgewinne gegenüber diesen Städten erwarten dürfen.
99
Quelle: Pressemeldung der GfK vom 27.10.2004 ‘‘Konsumklima: Verunsicherung steigt leicht‘‘.
In Anlehnung an den Marktbericht 15 ‘‘Handelsimmobilien – Entwicklungen, Prognosen, Trends im Einzelhandel‘‘ der Westdeutschen ImmobilienBank, Oktober 2004.
100
96
•
Die Alterung der Bevölkerung lässt längerfristig eine verstärkte Nachfrage nach den
Warengruppen Gesundheit und Freizeit erwarten101.
D.h., die generellen Rahmenbedingungen für den Handel in Deutschland sind derzeit und
wohl auch noch für ein oder zwei Jahre als eher ungünstig zu bewerten. Da der Anteil der
shoppingtouristischen Einkäufe, die von Inländern getätigt werden (rd. 80 %), außerordentlich hoch ist, sich aber das Konsumklima in Deutschland nach allen Prognosen – wenn überhaupt – nur langsam erholen wird, sind von dieser Seite auf absehbare Zeit nur wenig Impulse zu erwarten. Wir gehen davon aus, dass kurz- und mittelfristig in erster Linie Shoppingtouristen aus dem Ausland potenzialerhöhend wirken werden.
Weiterhin zeigen die beschriebenen Beispiele (vgl. Kapitel 2.2.3 und 4.1.5), dass derzeit
Cross-Border-Tourismus eher zu Lasten der deutschen Standorte geht: Exemplarisch lässt
sich dies an den Fällen Roermond in den Niederlanden und Maasmechelen in Belgien belegen. Auch die relativ neuen Effekte der Low-Cost-Airlines weisen derzeit wohl eher noch negative Vorzeichen aus, da (noch) mehr Deutsche ins Ausland zum Einkaufen fliegen als Ausländer nach Deutschland. Hier bestehen aber, wie später noch zu zeigen sein wird, durchaus
Möglichkeiten den Saldo ins Positive umzukehren.
Deutlich positiv sind dagegen die Vorzeichen bei den ausländischen Übernachtungsgästen.
Hier ist geradezu ein Boom zu verzeichnen, der auch zukünftig verstärkt Handelsumsätze
generieren dürfte.
5.2
Bewertung
Deutschland
aktueller
Markttrends
zur
Entwicklung
des
Tourismus
in
Zur Einschätzung der zukünftigen Entwicklung des zuvor dargestellten Marktsegments
Shoppingtourismus soll nachfolgend auf die von der DZT formulierten ‘‘Erfolgsfaktoren für
den Deutschland-Tourismus‘‘ eingegangen und ihre Relevanz bewertet werden.
5.2.1
Trend zu mehr internationalen Reisen
2004 konnte die Zahl der ausländischen Ankünfte um 9,5 % und die Zahl der Übernachtungen um 2,9 % gegenüber 2003 gesteigert werden.
Wie in Kapitel 2.1.2 dargestellt, werden rd. drei Viertel des Deutschland-Incoming in WestEuropa generiert und hier insbesondere aus den Niederlanden, aus Großbritannien, aus der
Schweiz, aus Italien sowie aus Österreich.
Besonders starke Zuwächse bei den Ankünften zwischen 2003 bis 2004 zeigen Spanien
(+ 18,6 %), die Schweiz (+ 11,4 %) und Polen (+ 13,7 %) sowie Frankreich (+ 10 %).102
Insgesamt zeigen die Stadtstaaten den höchsten Anteil an Ausländerübernachtungen. Die
Flächenstaaten in den alten Bundesländern liegen bis auf Niedersachsen alle zwischen 10
und 19 % Anteil Übernachtungen von Ausländern an allen Übernachtungen. Die Flächenstaaten unter den neuen Bundesländern weisen hingegen einen ausgesprochen niedrigen
Anteil an ausländischen Übernachtungen auf.
Die führenden Destinationen für ausländische Gäste sind München, Frankfurt und Düsseldorf mit jeweils einem Anteil von ca. 41 % Übernachtungen von Ausländern. Bei beiden
Letztgenannten hat die Drehkreuzfunktion der internationalen Flughäfen einen entscheidenden Einfluss auf die Übernachtungszahlen. Überdies wird jede dritte Übernachtung von aus-
101
102
Zehnte Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung bis 2050, Variante 5 (‘‘Wanderungssaldo 200.000 pro
Jahr / mittlere Lebenserwartung‘‘).
Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 6, Reihe 7.1, Dezember und Jahr 2004.
97
ländischen Gästen in Deutschland in den Mitgliedsstädten der Werbegemeinschaft der ‘‘Magic Cities‘‘ gezählt.103
Auch die bisherigen Reiseströme von den westlichen EU-Nachbarländern (vor allem Niederlande) in die östlichen Bundesländer werden langfristig durch weitere attraktive Urlaubsregionen in den neuen EU-Mitgliedstaaten noch verstärkt. Der Area-Manager der DZT für die
Benelux-Staaten – Rijkart Kettelhake – rechnet mit wachsenden Reiseströmen aus den Niederlanden in Richtung Osten, verbunden mit einer längeren Reisedauer, hervorgerufen auch
durch einen Zwischenstopp im Transitland. Dies geht seiner Ansicht nach jedoch nicht zu
Lasten bewährter Reisegebiete in den neuen Bundesländern, vielmehr wird die erhöhte Reisehäufigkeit der Niederländer insgesamt zu zusätzlichem Wachstum führen.
Für die Reiseströme aus Skandinavien Richtung Süden ist Deutschland längst ein beliebtes
Transitland.
Schlussfolgerungen für Shoppingtourismus
•
Der Incoming-Tourismus, der zwar auf den ersten Blick nur 20 % der Shoppingtourismusumsätze generiert, hat tatsächlich eine weitaus größere Bedeutung, da beim Einkaufstouristen aus dem Inland nicht das gesamte Einkaufsvolumen zusätzlich ist (vgl.
hierzu auch Kapitel 5.1). Daher hat die Steigerung der ausländischen Ankünfte und
Übernachtungen insbesondere Relevanz für Shoppingtourismus. Dies zeigt auch die
Schätzung des durch Shoppingtourismus verursachten Einzelhandelsumsatzes (vgl. Kapitel 3.4).
•
Für 2003 hatte sich ein Sonderboom aus Westeuropa ergeben, wohingegen die Märkte
in Nordamerika und Asien einen Wachstumsrückgang von jeweils etwa einem Prozent zu
verzeichnen hatten, hauptsächlich bedingt durch SARS und Reisezurückhaltung der USAmerikaner seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Gerade die USA und
Asien sind als Quellmärkte für den Shoppingtourismus besonders interessant, da aus
diesen Ländern zum überwiegenden Anteil pauschalisierte Städterundreisen angeboten
werden. Die Situation in 2004 zeigt, wie schnell sich touristische Märkte von
exogenen Schocks erholen. Allerdings ging diese Erholung nicht zu Lasten der Ankünfte
von Touristen in Deutschland. Die in Kapitel 3.4 erwähnten hohen Zuwachsraten im Jahr
2004 bei den Ankünften von Ausländern sind somit vermutlich nicht auf Ausweichreaktionen, sondern einen insgesamt aus deutscher Sicht positiven Trend zurückzuführen.
•
Vom ausländischen Reiseverkehr profitieren hauptsächlich die Mitgliedsstädte aus der
Werbegemeinschaft der ‘‘Magic Cities‘‘. Aber auch bei anderen Städten, z.B. im grenznahen Bereich (Freiburg), oder mit hoher touristischer Attraktivität kombiniert mit gewachsenen Länderbeziehungen (z.B. Heidelberg, Wiesbaden/US-Army), ist der Anteil
der ausländischen Gäste und Übernachtungen überdurchschnittlich.
•
Der große Marktanteil der westeuropäischen Staaten am Incoming nach Deutschland
stellt voraussichtlich einen Stabilitätsfaktor dar, weil das aus ihnen zu erwartende Besucheraufkommen weniger von stabilen Wechselkursen oder Sicherheitsrisiken durch
Krankheiten, Terroranschläge oder Kriegshandlungen abhängt. Die relative räumliche
Nähe und die Integration im Rahmen der Europäischen Union lassen für die Zukunft eher
steigende, denn abnehmende Besucheranzahlen erwarten.
5.2.2 Auswirkungen der EU-Osterweiterung
Deutschland, bisher ein Randstaat, liegt seit dem 1. Mai 2004 in der Mitte der EU, sodass
der Personen- und Warenverkehr innerhalb der EU der 25 – ob geschäftlich oder privat – in
103
Eigene Berechnungen auf Basis der Statistischen Landesämter.
98
stärkerem Maße als bisher das Territorium der Bundesrepublik Deutschland durchquert. Dies
gilt insbesondere auch für Touristen, sowohl Urlauber als auch Geschäftsreisende, sowie für
Tagesreisende wie Übernachtungsgäste.
In den beiden östlich an Deutschland angrenzenden EU-Staaten Polen und Tschechien leben 38,2 bzw. 10,2 Mio. Menschen (Stand 2003). Die durch den EU-Beitritt stark vereinfacht
fließenden Personen- und Warenströme mit den östlichen Nachbarn führen zu einer wachsenden Verflechtung mit diesen Ländern; dies gilt insbesondere für Deutschland und seine
Verflechtung mit Polen und Tschechien.
Das Interesse am Nachbarland Deutschland ist sehr groß und wird infolge der dynamischen
Wirtschaftsentwicklung, steigender Kaufkraft und zunehmender Mobilität dieser Länder in
den nächsten Jahren noch weiter wachsen.
Was die Potenziale der östlichen EU-Beitrittsländer für Shoppingtourismus betrifft, ist zwischen den Komponenten ‘‘Städtetourismus‘‘ und ‘‘Einkaufstourismus‘‘ zu unterscheiden.
Städtetourismus
Ein Besuch deutscher und insbesondere ostdeutscher Innenstädte (Berlin, Dresden) und bekannter, traditionell touristischer Regionen (z.B. Rheintal, Alpen) in Form von Übernachtungstourismus ist sicherlich für einen breiten Kreis von Besuchern aus östlichen EUBeitrittsstaaten interessant, zum einen, weil man diese Städte und Regionen kennen lernen
möchte, zum anderen auch wegen der großen Bedeutung des Besuchsmotivs ‘‘Shopping‘‘.
Hier spielen das Einkommen und die Mobilität der Zielgruppe eine besondere Rolle.
Bei Besuchern, die unter anderem bereit sind, Zeit für Reisen und nicht unerhebliche Kosten
für Übernachtungen in Kauf zu nehmen, ist zu vermuten, dass sie wie Städtetouristen anderer Nationalitäten nur gezielt durch einen attraktiven Gesamtmix von touristischen Angeboten, allgemeiner städtischer Attraktivität des Zielortes sowie ein gutes Einzelhandelsangebot gewonnen werden können. Hier werden sich Städtetouristen aus östlichen Anrainerstaaten insofern von Shoppingtouristen aus Japan, USA oder Westeuropa unterscheiden,
als dass, entsprechend der noch geringeren Kaufkraft, kurz- bis mittelfristig niedrigpreisige
Angebote in der Beherbergung bei touristischen Dienstleistungen nachgefragt werden und
eine geringere Ausgabenhöhe beim Shopping zu erwarten ist. Die Ausgabenstruktur bezüglich der nachgefragten Waren und Dienstleistungen wird aber insofern vergleichbar sein, als
dass Bekleidung und Schuhe bzw. Lederwaren an der Spitze der nachgefragten Warengruppen stehen werden. Preiswerte – nicht billige – Pauschalangebote, gerade für die sich in den
osteuropäischen Ländern verstärkt entwickelnde Mittelschicht, die sich sowohl auf kultur- als
auch shoppingtouristisch interessante Regionen beziehen, können diesen Trend weiter forcieren.
Einkaufstourismus
Speziell für Ostdeutschland und den erweiterten Grenzraum inklusive Berlin spielt vermutlich
der Tagestourismus eine wesentlich größere Rolle. Abweichend zur Motivation des klassischen Shoppingtouristen spielt hier bei den Besuchern und Gästen die Deckung des kurz-,
mittel- und langfristigen Bedarfs die entscheidende Rolle. Entsprechend werden Innenstädte
und Einkaufsstätten aufgesucht, die die Kriterien gute Erreichbarkeit, den gewünschten
Branchenmix, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und modernes Vertriebstypenangebot
bieten.
Bisher festzustellende Effekte beim Städtetourismus
Was Polen anbetrifft, ist Deutschland nach wie vor Reiseland Nr. 1. Im Jahr 2004 wurden rd.
952.000 polnische Übernachtungen in Deutschland gezählt. Damit liegt der Anteil polnischer
Besucher an der Gesamtheit aller Übernachtungsgäste in Deutschland bislang aber bei unter
einem Prozent und ist somit als sehr gering einzustufen.
99
Tabelle 26: Entwicklung der Übernachtungen von Polen in Ostdeutschland
Berlin (gesamt)
Brandenburg
Jahr
insgesamt
Polen
Anteil Polen/
Gesamt
Index
insgesamt
Polen
Anteil Polen/
Gesamt
Index
1997
7.988
40,5
0,5 %
100
7.312
82,1
1,12 %
Übernachtungen – in Tausend
1998
1999
2000
8.268
9.477
11.412
40,3
41,1
48,4
0,48 %
99,5
7.343
64,1
0,87 %
0,43 %
101,5
7.856
67,7
0,86 %
0,40 %
119,5
8.386
58,0
0,69 %
2001
11.345
51,5
0,45 %
127,2
8.828
70,6
0,80 %
2004
13.260
62,0
0,46%
153,1
9.257
76,0
0,80 %
100
78,1
82,5
70,6
86,0
92,5
MecklenburgVorpommern
insgesamt
11.579
13.280
15.615
18.250
19.759
24.394
20,1
18,0
16,2
18,4
18,5
19,0
Sachsen
Polen
Anteil Polen/
Gesamt
Index
insgesamt
Polen
Anteil Polen/
Gesamt
Index
0,17 %
100
12.559
55,5
0,44 %
0,14 %
89,6
12.801
34,6
0,27 %
0,10 %
80,6
14.785
36,6
0,25 %
0,10 %
91,5
14.573
38,2
0,26 %
0,09 %
92,0
14.537
42,5
0,29 %
0,05 %
94,5
15.232
50,0
0,32 %
100
62,3
65,9
68,8
76,6
90,1
SachsenAnhalt
insgesamt
5.063
5.118
5.397
5.440
5.552
5.874
33,2
18,0 %
14,9
18,7
17,8
19,0
Thüringen
Polen
Anteil Polen/
Gesamt
Index
insgesamt
Polen
Anteil Polen/
Gesamt
Index
0,66 %
100
7.327
20,9
0,29 %
100
0,35 %
54,2
7.744
20,0
0,26 %
95,7
0,27 %
44,9
8.658
22,0
0,25 %
105,6
0,34 %
56,3
8.935
16,9
0,19 %
80,9
0,32 %
53,6
8.785
26,4
0,30 %
126,3
0,32 %
57,2
8.537
29,0
0,34 %
138,8
Quelle: Auskunft der Statistischen Landesämter der jeweiligen Bundesländer. Darstellung BTE. Einschätzung EHI für 2004.
Der Index bezieht sich auf das Jahr 1997.
Laut DTZ werden Auslandsreisen aus Osteuropa in westeuropäische Regionen voraussichtlich von 31 Mio. im Jahr 2000 auf 47 Mio. im Jahr 2010 ansteigen. Der Anstieg der Reisen
nach Deutschland wird von 5,6 Mio. auf rd. 9 Mio. veranschlagt.
Bei Deutschlandreisen aus Osteuropa104 stand Polen 2000 mit 2,82 Mio. Reisenden an erster Stelle, gefolgt von Tschechien mit 1,1 Mio. Reisenden. Mehr als 50 % des Übernachtungsvolumens aus Polen entfallen auf die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und
Nordrhein-Westfalen. Der größte Wachstumsmarkt des polnischen Tourismus liegt jedoch in
den neuen Bundesländern, vor allem in Brandenburg.
104
DSSW-Materialien – Transnationale Kooperation im polnisch-deutschen (Wirtschafts-)Raum, Deutsches Seminar für Städtebau und Wirtschaft e.V., 2003, S. 14.
100
•
Wichtigstes Reisemotiv ist laut DSSW (Deutsches Seminar für Städtebau und Wirtschaft)
nach wie vor der Besuch bei Verwandten und Bekannten (58 %); an zweiter Stelle stehen
die geschäftlichen Gründe (22 %) und an dritter Stelle die klassischen Urlaubsreisen
(13 %)105.
•
Die Anreisen erfolgen meistens mit dem Pkw (71 %), zu 22 % mit dem Bus und zu 4 %
mit der Bahn106.
•
Die DSSW-Befragung ergab darüber hinaus, dass bei den Deutschlandreisenden aus
Polen ein hoher Grad der Zufriedenheit besteht (90 %); 68 % wollen in den nächsten
drei Jahren wieder nach Deutschland fahren107.
•
Rund 45 % aller touristischen Umsätze in Deutschland entstehen in Städten; Dresden,
Leipzig und Rostock erzielten schon 2001 mehr als eine Million gewerbliche Übernachtungen108.
•
Bei den Übernachtungen der polnischen Gäste nehmen die Städte Leipzig, Dresden,
Frankfurt/Oder, Dessau, Magdeburg, Wismar, Halle (Saale), Weimar, Greifswald, Zwickau (alle über 1.500 Übernachtungen) unter den ostdeutschen Städten die vorderen
Ränge ein109.
•
48 % der Urlaubsreisen der Polen führten 2001 in deutsche Städte zu Events bzw. Stadtveranstaltungen.110
•
Beim Städtereiseangebot polnischer Reiseveranstalter liegen für Deutschland Berlin,
München und Dresden ganz weit vorn111.
Bisher festzustellende Effekte beim grenznahen ‘‘Einkaufstourismus‘‘
Seit dem 1. Mai 2004 fließt mehr Kaufkraft als bisher aus den neuen EU-Nachbarländern Polen und Tschechien nach Deutschland, allerdings auch in umgekehrter Richtung. Es gibt offenbar großes Interesse der Bewohner aus den Nachbarstaaten, weil man zunächst davon
ausgeht, in Deutschland günstiger und besser einkaufen zu können. Nach einer ersten Phase hoher Frequenz, teilweise durch ‘‘Neugierbesuche‘‘ verursacht, lässt das Interesse wieder
nach. Genauso bleibt abzuwarten, wie sich der Einkaufstourismus im grenznahen Bereich
zukünftig entwickelt.
•
In Polen leben rund 38 Mio. Einwohner; davon haben die fünf ‘‘Wojewodschaften‘‘ der
polnischen Grenzregion einen Anteil von 8,4 %; hier leben demnach rd. 3,2
Mio. Einwohner.
•
In der Tschechischen Republik leben rd. 10,2 Mio. Einwohner, davon etwa 0,4 Mio. in
Usti nad Labem, Liberec, Decin und den zwischenliegenden Bereichen. Der für Shoppingtourismus relevante Bevölkerungsanteil beträgt somit rund 3,9 %. Diese Grenzregion
ist vergleichsweise dünn besiedelt.
•
Die Ausgaben für den privaten Verbrauch liegen heute in Deutschland bei 14.991 €, in
Polen bei 3.388 € und in Tschechien bei 3.738 € pro Jahr. Somit liegt das Verhältnis der
Ausgaben im privaten Verbrauch von Deutschland zu Polen bei 5:1 und zur Tschechischen Republik bei 4:1. Diese Kaufkraftunterschiede wirken sich zunächst limitierend auf
das shoppingtouristische Potenzial aus.
105
ebd., S. 18.
ebd., S. 18.
ebd., S. 19.
ebd., S. 19.
ebd., S. 22.
ebd., S. 20.
ebd., S. 24.
106
107
108
109
110
111
101
•
Allerdings ist das Wachstum in den Anrainerstaaten dynamischer als in Deutschland und
dem Rest der EU-15 Staaten. So sank die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts in
den 15 alten EU-Staaten real von 1,0 auf 0,7 %, in Deutschland real von 0,2 auf minus
0,1 %. Wachstum ist hingegen in der Tschechischen Republik zu verzeichnen mit einem
Anstieg der Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts von real 2,0 auf 2,9 % und in Polen sogar mit einem Anstieg von 1,4 auf real 3,3 %.
•
Befragungen bei Centermanagern der Shopping-Center im grenznahen Bereich und von
Vertretern grenznaher Städte ergeben, dass immer mehr Kunden aus Polen und Tschechien nach Deutschland kommen, um hochwertige Artikel einzukaufen, insbesondere
technische Produkte und Markengeräte, die im eigenen Land vergleichsweise teurer
sind. Gerade in den grenznahen Shopping-Centern finden sie ein sehr breites und tiefes
Angebot ‘‘unter einem Dach‘‘ vor.
•
Umsätze mit polnischen Kunden lagen 2001 bei 53,6 Mio. € und dürften gegenwärtig bei
rund 60 Mio. € liegen; davon wird gut die Hälfte in SB-Warenhäusern getätigt.
•
Hauptmotive für Einkäufe von Polen in Deutschland sind offenbar das preiswerte Angebot, die gute Qualität der Produkte und die große Auswahl. Dabei werden vor allem die
Warengruppen Nahrungs- und Genussmittel, Mode und Sportartikel und Haushaltsgroßgeräte/(Unterhaltungs-)Elektronik nachgefragt.
•
Bevorzugte Betriebstypen sind Supermärkte, Discounter, Fachgeschäfte, Großmärkte
und Boutiquen. Da die Innenstadtlage bei den polnischen und tschechischen Verbrauchern beliebt ist, sollten die genannten Betriebstypen in Innenstädten oder am unmittelbaren Rand der Innenstadt ansässig sein.
•
Vor allem bei den polnischen Kundinnen steht die Mode im Vordergrund. So erzielen die
Anbieter H & M, New Yorker, Orsay und Xanaka in Frankfurt/Oder einen verhältnismäßig
großen Teil ihrer Umsätze mit polnischer Kundschaft.
•
Aufgrund der geographischen Lage nimmt der Umsatz mit polnischen Kunden speziell in
den so genannten Zwillingsstädten eine besondere Rolle ein: Frankfurt/Oder mit einem
Umsatzanteil von rd. 8,5 % (u.a. ‘‘Spitzkrug-Multi-Center‘‘), Görlitz mit einem Umsatzanteil von rd. 15 % (u.a. Karstadt) sowie Schwedt mit einem Umsatzanteil von rd. 3 – 5 %
(v.a. Oder-Center).
•
Viele Einzelhandels- und Dienstleistungsanbieter haben sich inzwischen auf polnische
Kundschaft eingestellt, so lassen sich etwa folgende ‘‘Best-Practice-Beispiele‘‘ nennen:
Hotel Bon Apart Görlitz (6 von 18 Mitarbeitern polnischer Herkunft)
Messe Leipzig: Ermäßigung für Messebesucher aus Mittel- und Osteuropa
IHK Frankfurt/Oder – Ratgeber für deutsche Geschäftsleute zur Überwindung kultureller Unterschiede
Tierpark Ückermünde – Vergünstigungen für Schulklassen aus dem grenznahen polnischen Raum
City Park Hotel Frankfurt/Oder – Tagungshotel für polnisch-deutsche Tagungen
•
Neben dem ‘‘Spitzkrug-Multi-Center‘‘ in Frankfurt/Oder und dem ‘‘Oder-Center‘‘ in
Schwedt gibt es weitere Einzelhandelsbetriebe, die offenbar deutliche Umsatzzuwächse
durch polnische Kunden erzielt haben, darunter Karstadt Sport, ProMarkt und Schuhhof
(Frankfurt/Oder) sowie Karstadt und H & M in Görlitz. Alle diese Betriebe fielen durch eine Vielzahl von Aktivitäten auf, den polnischen bzw. tschechischen Kunden anzusprechen. Maßnahmen waren beispielsweise polnischsprachige Aushilfen, die Verteilung polnischer Werbematerialien an den Grenzübergängen, die Möglichkeit zur Bezahlung in
Zloty, Sprachkurse für Mitarbeiter sowie eine zweisprachige Beschilderung.
102
Zurzeit muss die bislang relativ geringe Kaufkraft polnischer Einkaufskunden – wie bereits
angemerkt – als Entwicklungshemmnis angesehen werden, was jedoch nicht auf alle Kunden aus Polen zutrifft. So verfügen etwa Inhaber größerer Dienstleistungsbetriebe, Ärzte und
Zahnärzte bereits über erheblich höhere Kaufkraft und zeigen ein entsprechendes Einkaufsverhalten. Einkaufstourismus findet bisher zum überwiegenden Teil im deutsch-polnischen
Grenzraum statt – für weiter entfernt liegende deutsche Städte ist die Nachfrage seitens polnischer Kunden bisher kaum relevant.
Polnische Touristen sind allerdings prinzipiell an westdeutschen Städten mit touristischen
Highlights interessiert; Städte, die sich entsprechend profilieren, dürfen also in absehbarer
Zukunft mit wachsenden Besucherströmen aus Polen rechnen. Bei den touristischen Akteuren ist bisher ein gering ausgeprägtes Bewusstsein für die im polnischen und tschechischen
Tourismusmarkt liegenden Potenziale festzustellen. Ebenso bestehen immer noch Vorurteile
und Vorbehalte im Einzelhandel gegenüber polnischen und tschechischen Kunden.
Zum Teil behindern der Mangel an Informationsmaterialien in polnischer und tschechischer
Sprache und die auf deutscher Seite meist geringe Bereitschaft zur Überwindung der
Sprachbarriere einen weiteren Ausbau der Geschäftsbeziehungen. Entsprechende Marketingstrategien von Tourismus und Handel, die ‘‘Shopping‘‘ als Bestandteil des Reiseerlebnisses vermitteln, würden das Interesse der Polen an den genannten Produktgruppen (s.o.:
Schuhe, Lederwaren, Elektronik) zielgerichtet ansprechen und so helfen, das Kaufkraftpotenzial auszunutzen.
Die nachfolgende Tabelle versucht mittels standortanalytischer Vorgehensweise darzustellen, wie viel Kaufkraft zurzeit aus dem Grenzbereich der beiden östlichen Anrainerstaaten
nach Deutschland abfließt und mit welchem zusätzlichen Umsatzpotenzial bis 2007 gerechnet werden könnte. Voraussetzung für diesen Kaufkraftfluss zwischen 2004 und 2007 von
Ost nach West in Höhe von 54,8 Mio. € wären natürlich neben dem unterstellten Wachstum
der Verbrauchsausgaben nicht unerhebliche Anstrengungen auf deutscher Seite, was das
shoppingtouristische Marketing anbetrifft. Ein Kaufkraftfluss im grenznahen Gebiet von Ost
nach West in Höhe von rd.135 Mio. € – berechnet auf das Jahr 2007 – scheint durchaus realistisch, betrachtet man die zuvor beschriebenen großen Verkaufsflächen im grenznahen
deutschen Bereich.
Tabelle 27: Potenzialanalyse für den deutsch-polnischen und deutsch-tschechischen
Grenzbereich 2004-2007
Einwohner
EW im Grenzbereich
(ca. 50 km)
Kaufkraft (%)
(bezogen auf Deutschland)
SB-Warenhaus-relevante Ausgaben
pro Person u. Jahr (€)
Verbrauchsvolumen 2004
im grenznahen Bereich (Mio. €)
Verbrauchsvolumen 2007
im grenznahen Bereich (Mio. €)
Umsatzerwartung 2004 (Mio. €)
bei Marktanteil 3 %
Umsatzerwartung 2007 (Mio. €)
bei Marktanteil 4 %
Umsatzpotenzial (Mio. €)
Polen
38,2
3,2
Tschechien
10,2
0,4
Gesamt
48,4
3,6
22,6
24,9
•
814
896
•
2.605
358
2.963
2.955
78,1
414
10,8
3.369
88,9
118,2
16,5
134,7
40,1
5,7
45,8
Anmerkung: Ansatz für durchschnittliches jährliches Wachstum: Polen 4,3 %, Tschechien 5,0 %.
Quelle: eigene Darstellung.
103
Schlussfolgerungen für Shoppingtourismus
•
Chancen für eine Zunahme des Shoppingtourismus liegen insbesondere in der dynamischen Wirtschaftsentwicklung in Polen und in der Tschechischen Republik. Für Polen prognostiziert die Deutsche Bank für die nächsten Jahre ein hohes Wachstum. Voraussetzung für eine positive wirtschaftliche Entwicklung ist eine hohe Mobilität. Hier zu
nennen sind das gut ausgebaute Straßennetz auf deutscher Seite, insbesondere aber
eine Vielzahl in Entstehung befindlicher Verkehrswege in Polen (u.a. Autobahnen).
•
Das in Polen und Tschechien dynamisch wachsende Bruttoinlandsprodukt pro Kopf
signalisiert gleichzeitig steigende Kaufkraft. Die Einzelhandelsumsätze sollen jährlich in
Polen um 4,3 %, in Tschechien um 5,0 % ansteigen. Die Ausgaben der Polen und
Tschechen im Einzelhandel steigen also. Hier gilt es, die Chancen einer Partizipation
an den Ausgaben über Shoppingtourismus zu nutzen.
•
Die deutschen Modemarken haben in Osteuropa ein ähnlich positives Image wie deutsche Autos. Sie genießen einen besonders guten Ruf hinsichtlich Qualität, Zuverlässigkeit und Wertarbeit, was einen Standortvorteil Deutschlands gegenüber anderen westeuropäischen Ländern darstellt.
•
Eine Vielzahl entstandener Kooperationen im grenznahen Bereich führt zu ständig
wachsender Verflechtung zwischen Deutschland und Polen/Tschechien, wodurch zusätzliche Synergieeffekte eintreten werden.
•
Die geplante Euro-Einführung in Polen und später in Tschechien wird zusätzliche Entwicklungspotenziale generieren.
•
Eine rasche Entwicklung des Low-Cost-Carrier-Angebots in Polen und Tschechien für
Zielorte in Deutschland wird Reisezeit und Reisekosten weiter reduzieren und damit
Städte- und Urlaubstourismus forcieren.
•
Das Aufkommen an ‘‘echten‘‘ Shoppingtouristen aus den östlichen EU-Beitrittsländern
ist gegenwärtig als noch sehr gering einzuschätzen; mit steigender Kaufkraft und
wachsender Mobilität dieser Länder liegen hier aber mittelfristig nicht unerhebliche
Entwicklungspotenziale.
•
Allerdings bestehen auch erheblich Risiken, sollte Polen und Tschechien – ähnlich wie
die Niederlande und Belgien – den großen Betreibern von Factory-Outlet-Centern die
Genehmigung erteilen, solche Center im Grenzbereich zu Deutschland zu errichten,
sind erhebliche Kaufkraftabflüsse zu erwarten.
5.2.3 Japan und China als bedeutende Märkte in Asien
In Asien entsteht neben dem traditionellen Herkunftsland Japan mit China ein zweiter wichtiger Quellmarkt. Die Übernachtungen aus China konnten 2003 und 2004 weiter gesteigert
werden und haben sich seit 1994 verdoppelt. Das mittelfristige Ziel der Übernachtungen aus
China liegt bei 1 Mio. bis 2009112. 2004 lagen die Übernachtungen von Besuchern aus China
und Hongkong bei 789.429.
Gemessen am Übernachtungsvolumen ist Japan für Deutschland weiterhin der wichtigste
Quellmarkt Asiens. Die Übernachtungen aus Japan liegen seit 1994 bei rd. 1,2 Mio. jährlich.
Hohe Wachstumsraten, wenn auch auf weitaus geringerem Niveau, verzeichnen Südkorea
(+ rd. 110 %, seit 1994 auf 280.847 Übernachtungen in 2004) und Taiwan (+ rd. 50 %, im
Zeitraum 1994/2004)113. Dies entspricht einem Marktanteil am gesamten Incoming von
rd. 10 %.
112
113
DZT Market Research 2004.
Statistisches Bundesamt, Beherbergungsstatistik 1994-2003.
104
Deutschland hatte als erster EU-Staat eine Absichtserklärung mit der Volksrepublik China
unterzeichnet und erhielt im Gegenzug den ‘‘Approved Destination Status‘‘ (ADS) von der
chinesischen Regierung zugebilligt. Dieser Status ebnet chinesischen Reisegruppen den
Weg nach Europa. Seit dem 15. Februar 2003 begannen Gruppenreisen chinesischer
Staatsbürger nach Deutschland auf der Basis eines entsprechenden Memorandums, das
zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft und der Staatlichen Tourismusverwaltung
der Volksrepublik China (CNTA) am 1. Juli 2002 geschlossen wurde.
Am 12. Februar 2004 haben auch die Europäische Gemeinschaft und die Staatliche Tourismusverwaltung der Volksrepublik China in Peking ein ‘‘Memorandum of Understanding‘‘ unterzeichnet, das Reisen chinesischer Touristengruppen nach Europa erleichtert.
Das Memorandum zwischen der Europäischen Gemeinschaft und CNTA ist am 1. Mai 2004
in Kraft getreten. Im Art. 7 des Memorandums ist festgelegt, dass ab In-Kraft-Treten der Vereinbarung ähnliche Vereinbarungen oder sonstige Übereinkünfte zwischen China und einem
Mitgliedstaat nicht mehr angewandt werden. Das bedeutet, dass die Reisen chinesischer
Touristengruppen nach Deutschland nunmehr auf der Grundlage des Memorandums zwischen der Europäischen Gemeinschaft und CNTA vom 12. Februar 2004 erfolgen und das
deutsch-chinesische Memorandum of Understanding vom 1. Juli 2002 nicht mehr angewandt
wird.
Die zwischen der Europäischen Gemeinschaft und CNTA unterzeichnete Vereinbarung gilt
für 12 EU-Mitgliedstaaten, denen China den Status eines ‘‘zugelassenen Reiseziels‘‘ (ADS)
zuerkannt hat. Dänemark, Irland und das Vereinigte Königreich sind an dieser Vereinbarung
nicht beteiligt, handeln zurzeit aber ähnliche bilaterale Übereinkünfte mit der Volksrepublik
China aus. Die Vereinbarung regelt das Verfahren zur Beantragung eines Touristenvisums.114
Die Zahl der Reisezielländer für Chinesen hat sich ständig erhöht. Zurzeit gibt es etwa 30
Länder, in die Chinesen reisen dürfen, darunter 12 EU-Staaten und 8 afrikanische Staaten.
Es ist zu erwarten, dass Chinesen in absehbarer Zukunft in die ganze Welt reisen dürfen.115
Schlussfolgerungen für Shoppingtourismus
•
Der asiatische Markt ist für den Shoppingtourismus von sehr hohem Interesse. Der
Marktanteil Asiens am Incoming-Tourismus nach Deutschland lag 2004 bei rd. 10 %
(zum Vergleich: USA 12 %). Nach jahrzehntelanger stark eingeschränkter Reisetätigkeit haben insbesondere die Chinesen einen hohen Nachholbedarf.
•
Durch das am 1. Mai 2004 in Kraft getretene ‘‘Memorandum of Understanding‘‘ sind die
Formalitäten für Auslandsreisen der Chinesen stark vereinfacht worden. Die Palette der
europäischen Zielländer hat sich stark vergrößert. Da asiatische Zielgruppen hauptsächlich an Rundreisen interessiert sind, die durch mehrere europäische Länder führen, wirkt sich die Öffnung weiterer europäischer Staaten für das China-Incoming positiv auf die Gesamtnachfrage aus China und somit auch positiv für den Tourismusstandort Deutschland aus.116
•
Die Reisen von Chinesen sind hochgradig pauschalisiert und von einem reinen Städtetourismus bzw. Besichtigungstourismus geprägt. Wichtige Pauschal-Elemente sind:
Besuche von Lebens- und Wirkungsstätten kommunistischer Führer (in Deutschland
insbesondere Trier mit dem Geburtshaus von Karl Marx) sowie internationale Desig-
114
115
116
Amtsblatt der EU Nr. L 83/14 vom 20.03.2004.
Botschaft der Volksrepublik China, Berlin: China trägt zur Entwicklung des internationalen Tourismus bei,
Statement vom 27.04.2004.
vgl. Universität Trier (2004): Kurzgutachten zum Thema ‘‘Zukunftstrends im Tourismus – eine Konzeptstudie‘‘
für den Deutschen Bundestag, vorgelegt dem Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB), S. 28 f.
105
nermoden und andere High-End Markenware, insbesondere auch in der Betriebsform
Factory/Designer-Outlet. So haben chinesische Reisegruppen im Rahmen ihres TrierBesuchs auch das Designer-Outlet in Zweibrücken im Programm.
•
Chinas Auslandstourismus ist von schnellem Entwicklungstempo, starker Wachstumstendenz und einem sehr großen Potenzial geprägt. Im Jahre 2000 hat die Zahl der chinesischen Ausreisenden bereits 10 Mio. Personen überschritten117.
•
Chinas Wirtschaft hat sich in den letzten Jahren stets positiv entwickelt. Das Wachstum
des BIP stieg von 7,3 % in 2001 auf prognostizierte 8,2 % in 2005. Das Pro-Kopf-BIP
überschritt zum ersten Mal die Schwelle von 1.000 US-Dollar118. Dies bedeutet einen
wachsenden Wohlstand breiter Bevölkerungsteile.
•
Aus diesen Gründen stellt das Incoming-Segment Asien eine langfristig wichtige Zielgruppe im Rahmen von Shoppingtourismus dar. Gerade weil sich eine zunehmende
Zahl von Ländern um das Interesse und die Kaufkraft aus Asien bemühen, gilt es sich
frühzeitig zu positionieren. Eine Erhöhung der Gesamtzahl an Übernachtungen aus
dieser Region, etwa eine mittelfristige Steigerung von rd. 3,7 Mio. auf rd. 5 Mio. Übernachtungen, würde – aufgrund der pauschalisierten Reisen der asiatischen Gäste – regionalspezifisch zu spürbaren Umsatzsteigerungen führen. Das Gesamtvolumen spielt
in Relation zum gesamten Marktsegment Shoppingtourismus noch eine eher geringe
Rolle, ist aber für Ziele, die für diese Gruppen von besonderem Interesse sind, hochgradig relevant.
•
Zusätzlich zu den wachsenden Quellmärkten – allen voran China – ergeben sich auch
bei etablierten Teilsegmenten Marktchancen. So setzt die DZT 2005/2006 im Themenjahr ‘‘Deutschland in Japan‘‘ neue Impulse mit einer intensivierten Marketing- und Vertriebsarbeit. Mit dem Auftritt Deutschlands während der EXPO vom 25. März bis 25.
September 2005 als Startschuss und sich anschließenden, differenzierten Marketingmaßnahmen kann das Japan-Incoming weiter gestärkt werden.
5.2.4 Deutschland als wichtigstes Reiseland der Deutschen
Deutschland konnte 2003 seinen Marktanteil bei allen Urlaubsreisen der Deutschen um 2 %
auf rd. 60 % steigern. Die Zahl der Reisen der deutschen Wohnbevölkerung entwickelte sich
in 2003 leicht positiv (+1 %). Die Urlaubsreisen nahmen um 1 % zu, die Zahl Kurzurlaube
(1-3 Nächte) erhöhte sich um 17 %, während längere Urlaubsreisen deutlich rückläufig waren (-13 %). Das Geschäftsreisesegment entwickelte sich positiv (+2 %), Reisen zu Verwandten und Freunden stagnierten auf Vorjahresniveau.
Eine Exklusivumfrage der DZT, ‘‘Gründe für den Deutschland-Tourismus‘‘, zeigt, dass
Deutschland für 64,2 % der Befragten noch viele unentdeckte und unbekannte Regionen mit
attraktiven Angeboten an deutschen Küsten (52 %), in den deutschen Alpen (34 %), in den
Mittelgebirgen (33 %) oder in Städten (23 %) hat.119 Insofern es gelingt, deutsche Reisegebiete gegenüber ausländischen zu positionieren und so den Deutschlandtourismus der Deutschen auf Kosten des Auslandstourismus zu stärken, kann sonst ins Ausland abfließende
Kaufkraft in Deutschland gehalten werden.
Schlussfolgerungen für Shoppingtourismus
•
117
118
119
Der inländische Städtetourismus wird aufgrund des starken Trends zu Kurzurlaubsreisen ein zukunftsfähiges Wachstumssegment.
Botschaft der Volksrepublik China, Berlin: China trägt zur Entwicklung des internationalen Tourismus bei,
Statement vom 27.04.2004.
Handelsblatt, 11.05.2004.
DZT 2004, ITB Pressekonferenz 14.03.2004.
106
•
Der Austausch von Städtetouristen zwischen den einzelnen deutschen Metropolen und
deren Einzugsgebieten wird sich durch die schnellen Bahnverbindungen und preiswerte Flugreisen im ‘‘Low-Cost-Carrier‘‘-Bereich weiter verstärken.
•
Es wird auf innerdeutscher, touristischer Ebene zu einem noch stärkeren Wettbewerb
unter den Metropolen kommen. Erstmalige nationale und internationale Groß-Marketingkampagnen wie ‘‘Winterzauber Berlin‘‘ zeigen den erhöhten Konkurrenzkampf auch
gerade unter den deutschen Städten um inländische Touristen und eine kaufkräftige
Klientel. Hier partizipiert der Einzelhandel bereits am shoppingtouristischen Aufkommen.
•
Die Erkenntnis, dass gerade das Mittelgebirge mit 33 % und die deutschen Küsten mit
52 % für viele noch unbekannte Regionen mit attraktiven Angeboten darstellen, bietet
vor allem für die ostdeutschen Mittelgebirge und Küstenlandschaften gute Wachstumschancen.
•
Potenziale für den Shoppingtourismus ergeben sich dabei im Bereich des Kunsthandwerks und der Manufakturen (z.B. im Erzgebirge), aber auch im Städte- (Sachsendreieck) und Küstentourismus (Mecklenburg-Vorpommern). Entsprechende Maßnahmen,
die das shoppingtouristische Potenzial bestehender Destinationen in diesen Regionen
weiter befördern, sollten frühzeitig und leicht wahrnehmbar kommuniziert werden. Der
Ausbau von Zahl und Umfang shoppingtouristischer Destinationen in Ostdeutschland
sollte, wie bereits erläutert, häufiger in Erwägung gezogen werden.
5.2.5 Zunahme der Bevölkerung über 55 Jahre in Traditionsquellmärkten
Bei der Bevölkerungsgruppe über 55 Jahre (sog. ‘‘Best Ager‘‘), wird ein Wachstum in allen
traditionellen Quellmärkten Deutschlands prognostiziert. Dabei nehmen die USA mit 53 %
des gesamten Wachstums in dieser Zielgruppe den Hauptanteil ein. Bei den wichtigsten von
der DZT betrachteten internationalen touristischen Märkten wird die Gruppe der ‘‘Best Ager‘‘
bis 2020 um 70 Mio. Menschen zunehmen und ein Reisevolumen von 31,1 Mio. internationalen Reisen induzieren.
Es ergeben sich besondere Wachstumspotenziale in diesem Bereich aus den Märkten Großbritannien, Frankreich und USA. Hier prognostiziert eine Studie der ‘‘International Tourism
Consulting Group‘‘ (IPK) aus dem Jahr 2003 Zuwächse zwischen 4 und 5 %. Für Deutschland wurde ein Wachstumspotenzial von knapp 9 % ermittelt. Demgegenüber steht ein Absinken der Bevölkerung in allen Märkten bei den 35 -bis 54-Jährigen (um 3 Mio.) und den 15bis 34-Jährigen um 6 Mio. Personen.120
Im innerdeutschen Reiseverkehr ist davon auszugehen, dass die über 55-Jährigen mit einem
Wachstumspotenzial von 8,9 % verstärkt deutsche Städte-Ziele aufsuchen werden. Mit einem Zuwachs von 2 % liegt der Marktanteil der innerdeutschen Urlaubsreisen ab einer
Übernachtung in 2003 bei 60 Prozent.121
Die Generation der ‘‘Best Ager‘‘ zeichnet sich aus durch:
•
hohes verfügbares Einkommen,
•
viel verfügbare Zeit und
•
Unabhängigkeit der Nachfrage von saisonalen Schwankungen.
Die speziellen Interessen dieser Gruppe finden sich bei der DZT zum Beispiel im Rahmen
der Produktlinie ‘‘Städte-/Eventtourismus‘‘ mit dem Schwerpunkt Kultur und dem Themenschwerpunkt ‘‘Lebendige Städte‘‘ wieder.
120
121
ETM 2003, IPK International.
Deutscher Reisemonitor 2003.
107
Schlussfolgerungen für Shoppingtourismus
•
Die ‘‘Best Ager‘‘ als Zielgruppe der über 55-Jährigen stellen für den Städte-/EventTourismus und damit gleichermaßen für den Shoppingtourismus ein wichtiges Wachstumssegment bei den internationalen Reisearten dar. Es gilt hier, ältere Besucher aus
dem Ausland zu (shopping-)touristischen Reisen nach Deutschland zu bewegen und
gleichzeitig Deutschland als interessantes Reiseziel deutscher Touristen zu bestätigen.
•
Im Hinblick auf das hohe Wachstumspotenzial dieser Zielgruppe in den Quellmärkten
Großbritannien, Frankreich und Italien werden die deutschen Metropolen und touristisch-kulturell relevante Städte, insbesondere die ‘‘Historic Highlights of Germany‘‘, profitieren, vor allem bei einer Zunahme der Fluganbindungen durch ‘‘Low-Cost Carrier‘‘.
Hieraus bieten sich sehr gute Chancen für den Shoppingtourismus.
•
Von der bevorzugten Reiseart der über 55-Jährigen – ‘‘Sonne und Strandurlaub‘‘ – wird
der Bereich des Shoppingtourismus allerdings voraussichtlich kaum profitieren, da hier
die ‘‘sonnensicheren‘‘ Reiseziele im Vordergrund stehen, deren Erreichbarkeit ebenfalls
durch den ‘‘Low-Cost Carrier‘‘-Boom verbessert wurde.
•
Der Boom der ‘‘Best Ager‘‘ wird zeitlich begrenzt sein. Waren die vergangenen Jahrzehnte durch eine kontinuierliche Verkürzung der Lebensarbeitszeit bei gleichzeitig
steigender Lebenserwartung gekennzeichnet, wird in Zukunft die Lebensarbeitszeit der
gestiegenen Lebenserwartung folgen müssen. Das Alter als verdienter Ruhestand nach
einem für zunehmend mehr Menschen unsicheren und häufig unterbrochenen Verlauf
des Berufslebens verschiebt sich weiter nach hinten.122
5.2.6 Low-Cost Carrier erschließen neue Potenziale für Destinationen
Das Modell der Billigfluggesellschaften stammt aus den USA und wurde dort 1971 von
Southwest Airlines ins Leben gerufen. In Europa gehören EasyJet und Ryanair zu den erfolgreichsten Billigfluglinien, die mit der Deregulierung im Flugverkehr ihre Passagierzahlen
enorm steigern konnten. Seit Ryanair im Februar 2002 rd. 100 km von Frankfurt am Main
entfernt mit ‘‘Frankfurt-Hahn‘‘ eine Basis eröffnet hat und im Herbst 2002 mit Germanwings
und HLX zwei deutsche ‘‘Low-Cost Carrier‘‘ (LCC) vom Flughafen Köln-Bonn gestartet sind,
boomen die LCC auch in Deutschland. Der Marktanteil liegt mittlerweile schon bei
rd. 20 %.123
Trotz Wachstums sind aber bereits erste Sättigungstendenzen erkennbar, die sich auch in
einer zunehmenden Konsolidierung der Anbieterstrukturen zeigen. So musste zuletzt der
niederländische Anbieter V-Bird kurzfristig seinen Geschäftsbetrieb einstellen.
Zunehmend spielt der LCC-Markt auch für den Städtetourismus eine Rolle. Auch wenn die
Prognosen über Marktpotenziale des Low-Cost-Segments stark variieren, wird ein jährliches
Wachstum von rd. 20 % als durchaus realistisch eingeschätzt. Auf längere Sicht werden die
LCC einen stabilen Marktanteil erreichen.
Das erweiterte Angebot im Low-Cost-Segment zu deutschen und europäischen Zielen wuchs
2003 um 112 % und hatte mit 13,8 Mio. Fluggästen einen Anteil am Gesamtpassagieraufkommen von 9,8 %. Die Münchener Monitor Group rechnet für 2004 mit einem Zuwachs um
39 % auf 22 Mio. Passagiere.124 Langfristig gesehen wird ein Marktanteil von knapp einem
Drittel für wahrscheinlich gehalten.125
122
123
124
125
J. Mundt: Tourismusforschung vor neuen Herausforderungen: der Focus auf die beste Generation, Vortrag
anlässlich des Tourismussymposiums der Messe München am 17.02.2004.
vgl. Institut für Verkehrswissenschaft, Universität zu Köln 2003, S.60 ff.
Harenberg Aktuell 2005, S. 322.
Ralf Teckentrup, in FVW International, 25/04, S. 56.
108
Europaweit lagen die Passagierzahlen der Niedrigpreis-Airlines bei 39 Mio. in 2002 und
47 Mio. in 2003.126
Die Anzahl der LCC und deren Streckennetz im europäischen Flugverkehr sind allerdings
jeweils nur Momentaufnahmen, da die Gesellschaften sehr schnell auf Marktsignale reagieren. Sie eröffnen und schließen neue Strecken in sehr kurzen Zeitabständen.
Zurzeit werden 25 deutsche Flughäfen von LCC bedient. Den Hauptanteil nehmen dabei
neun ‘‘Magic Cities‘‘ ein. Mit Lübeck, Bremen, Münster/Osnabrück und Erfurt sind ebenfalls
vier ‘‘Historic Highlights of Germany‘‘ dabei, aber auch touristisch relevante Städte mit vergleichsweise hohem Geschäftsreiseanteil wie Leipzig/Halle, Nürnberg, Baden-Baden und
Friedrichshafen.
Abbildung 17: Flughäfen in Deutschland mit ‘‘Low-Cost Carrier‘‘-Angebot
Quelle: eigene Darstellung (ECON-Consult)
Mittel- bis langfristig gesehen werden sich die Geschäftsmodelle von Netzcarriern, LCC und
Charterfluggesellschaften einander annähern, um im Wettbewerb bestehen zu können. Dies
impliziert ein Absinken der hohen Wachstumsrate der LCC. Insgesamt wird eine Marktbereinigung stattfinden. Die Kostenvorteile der Billigflieger gegenüber den Netzcarriern werden
auf bis zu 60 % je Flugkilometer und Sitz beziffert. Laut Airline-Experten gehören die Flughafengebühren zu den wesentlichen Preisunterschieden.127
Marktforschungen der Lufthansa belegen eine wachsende Preissensibilität der Kunden von
Fluggesellschaften. Während im Jahr 2000 der Kaufentscheid zu 31 % vom Preis abhing,
waren es 2003 schon 42 %. Zugleich sank die Anziehungskraft von Produkt- und Vielfliegerprogrammen von 24 auf 11 %. Die Marke ist nur noch für 16 statt 18 % der Kunden von
126
127
Hamburg Tourismus GmbH, Monitoring Newsletter Oktober 2004.
Lutz Schmidt, FVW International, 25/04, S. 55.
109
Bedeutung. Nur die Qualität des Flugplans hat auch heute noch große Wirkung auf die Kaufentscheidung (31 %).
Das veränderte Verbraucherverhalten äußert sich auch darin, dass nicht mehr die Destination den Kauf eines Flugtickets bestimmt, sondern der Ticket-Preis. Dadurch kommt es vor allem zwischen Charterfluggesellschaften und LCC zu verstärktem Wettbewerb. Dies und die
zunehmende Beeinflussung der Kaufentscheidung für ein Ticket rein über den Preis, kann
geeignet sein, dass die jeweiligen Flughäfen sowie Städte und Regionen in eine hohe Abhängigkeit von LCC geraten. Nicht selten fordern LCC inzwischen ‘‘Betriebskostenzuschüsse‘‘ seitens des Flughafen-Managements, um Flugstrecken zu Dumping-Preisen anbieten zu
können.
Die Flughäfen sind aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht in der Lage, neue Dienste auf
Dauer zu subventionieren. Sie sind hierzu auch zu Lasten ihrer etablierten Kunden nicht bereit. Die Flughäfen weisen ferner darauf hin, dass sie Wirtschaftsunternehmen sind, bei denen sich Betriebskostenzuschüsse, etwa entsprechend der bislang von Gesellschaften wie
Ryanair erwarteten Größenordnung, verbieten. Diese Prämisse wird auch von den öffentlichen Eigentümern der Flughäfen verfolgt.128
Laut Aussage des Vize-Präsidenten von Ryanair, Michael Cawley, liegen dem ‘‘Lowest Cost
Carrier‘‘ bessere Angebote von Flughäfen vor als je zuvor. So gibt es bei den 16 neuen Ryanair-Jets, die im Saldo bis März 2005 nach und ab Deutschland fliegen werden, zunächst
noch nicht einmal eine fest geplante Route. Die Routen hängen laut Cawley einzig und allein
vom Entgegenkommen der Airport-Manager ab. Über den Preis könne nahezu jede Route
erfolgreich sein. Routen mit zu geringer Auslastung stehen jedoch auch umgehend wieder
zur Disposition. Cawley propagiert eine weitere Absenkung des Flugpreises auf einen
Durchschnittspreis von 35 Euro.129
Die angeführten schnellen Reaktionszeiten der LCC im Öffnen und Schließen neuer Strecken verhindern eine zumindest mittelfristige Planungssicherheit für die lokalen Leistungsträger. Dies fällt insbesondere dann ins Gewicht, wenn der Flughafenstandort des LCC
nur über eine geringe Relevanz im Freizeit- und Geschäftsreiseverkehr verfügt und damit
andere LCC die Strecken nicht oder nur mit hohen ‘‘Betriebskostenzuschüssen‘‘ übernehmen.
Schlussfolgerungen für Shoppingtourismus
•
Die hohen Wachstumsraten der Low-Cost Carrier bedeuten, gerade in Zeiten konjunktureller Schwäche, für den deutschen Städtetourismus ein zusätzliches Marktsegment
mit hohem Wachstumspotenzial. Dazu bedarf es jedoch verstärkter Bemühungen, den
Incoming-Tourismus über die LCC weiter zu fördern. Derzeitige Schätzungen von
durchschnittlich 80 % Outgoing zu 20 % Incoming bedeuten im Bereich des Einzelhandels zunächst einen Kaufkraftabfluss für die jeweilige Stadt bzw. Region.
•
Der für die nächsten Jahre erwartete Fokus der LCC auf die osteuropäischen Märkte
bietet gute Chancen für den Shoppingtourismus in Deutschland. Voraussetzung sind
aber gezielte Marketingmaßnahmen in den europäischen Quellgebieten sowie in Regionen, die gegenwärtig durch den deutlich dominanten Outgoing-Anteil im Saldo Kaufkraftabflüsse zu verzeichnen haben.
•
Vom Wachstum der LCC werden besonders die deutschen Metropolen und touristisch
relevante Großstädte profitieren. Nur diesen wird es auch möglich sein, langfristig einen Kaufkraftzufluss für den Einzelhandel zu generieren, auch da ihre Abhängigkeit
vom Umstrukturierungsverhalten der LCC geringer ist.
128
129
Pressemitteilung Flughafen Dresden (24/02), 28.6.2002.
Lutz Schmidt, FVW International, 25/04, S. 56.
110
•
Der Flughafen Köln-Bonn hat mit dem Geschäftsfeld der LCC seit Herbst 2002 ganz
gezielt eine strategische Neuausrichtung des Flughafens vorangetrieben und ist heute
Marktführer in diesem Bereich. Als Köln Ende 2002 den Flugbetrieb mit den ersten
LCC aufnahm, wurden 12 europäische Ziele angeflogen. Im Sommerflugplan 2004 waren es bereits 55 europäische Ziele.
•
Die Ergebnisse einer Studie aus dem Jahr 2003/2004, die das Institut für Verkehrswissenschaft an der Universität Köln im Auftrag des Köln/Bonner Flughafens sowie der Industrie- und Handelskammern Köln und Bonn/Rhein-Sieg zu den Auswirkungen der
‘‘Billigflieger‘‘ auf den Wirtschaftsraum Köln/Bonn durchgeführt hat, belegen eine Erhöhung der regionalen Wertschöpfung um 772 Mio. € und eine Erhöhung des Einkommens in der Region um rund 400 Mio. €.
•
Im Jahr 2003 kamen etwa zwei Fünftel (42 %) der Incoming-Passagiere mit Low-Cost
Carriern aus Deutschland selbst, der Rest zum weit überwiegenden Teil aus westeuropäischen Ländern, darunter Spanien, Portugal (14 %), Italien (11 %), die Schweiz
(10 %), Österreich (8 %) sowie Frankreich und Großbritannien (je 7 %). Rund 12 % der
Passagiere geben an, die Reise nur wegen des günstigen Fluges unternommen zu haben, die weitaus meisten hätten die Reise auch sonst durchgeführt.130 Immerhin 30 %
geben an, wegen der günstigen Ticketpreise am Zielort der Reise höhere Ausgaben zu
tätigen. Im Durchschnitt geben LCC-Passagiere je Übernachtung bei privat motivierten
Reisen rd. 40 € aus, bei Geschäftsreisen rd. 90 €, davon rd. 22 % für ‘‘Shopping‘‘.131
•
Die IHK Köln sieht für die ortsansässigen Unternehmen durch die LCC ein Einsparpotenzial von 150 Mio. €, woraus sich in konjunkturell schwierigen Zeiten zusätzliche
Wettbewerbsvorteile bieten.
•
Ein weiteres Beispiel ist Hamburg: Die Stadt konnte im ersten Halbjahr 2004 die Übernachtungen aus Österreich um 9 % und aus der Schweiz um 20 % steigern. Dies wird
hauptsächlich auf die LCC-Anbindungen nach Klagenfurt, Wien und Zürich zurückgeführt.132
5.2.7 Großereignis FIFA WM Deutschland 2006
Die FIFA WM Deutschland 2006 stellt eine herausragende Chance für den DeutschlandTourismus dar.
Basierend auf den Erfahrungen früherer sportlicher Großereignisse erwartet die DZT schon
ab 2004 Umsatzsteigerungen im Gastgewerbe und in der Hotellerie aufgrund der WM. Der
offizielle Kartenverkauf begann am 1. Februar 2005. Insgesamt stehen 3,2 Mio. Eintrittskarten zur Verfügung. Es wird davon ausgegangen, dass rd. 1 Mio. Tickets von ausländischen
Besuchern erworben werden.
Berechnungen der DZT Market Research gehen von 1,72 Übernachtungen pro Ticket aus.
Für das Gesamtjahr 2006 rechnet die DZT mit einem zusätzlichen Wachstumsschub aller
Übernachtungen um 1,7 %. Damit werden für das Jahr 2006 zusätzliche 4,8 bis 5,2 Mio.
Übernachtungen erwartet.133
In Anbetracht der Vergleichszahlen aus Japan und Südkorea (Fußball-Weltmeisterschaft
2002) und Australien (Olympia 2000) können ebenfalls nachhaltige Wirkungen aufgrund der
WM für die Incentive-, Kongress- und Eventbranche (MICE) erwartet werden.
130
131
132
133
vgl. Institut für Verkehrswissenschaft, Universität zu Köln 2003, S. 36.
vgl. Institut für Verkehrswissenschaft, Universität zu Köln, S. 42 f.
Hamburg Tourismus GmbH, Monitoring Newsletter Oktober 2004.
DZT Market Research, ITB Pressekonferenz 2004.
111
Die zwölf Austragungsorte der WM sind Hamburg, Hannover, Berlin, Gelsenkirchen, Dortmund, Leipzig, Köln, Frankfurt, Nürnberg, Stuttgart, München und Kaiserslautern. Das Eröffnungsspiel und ein Halbfinal-Spiel werden in München stattfinden, das zweite Halbfinale wird
in Dortmund und das Finale in Berlin stattfinden. Das ‘‘kleine Finale‘‘ wird in Stuttgart ausgetragen. Nach dem offiziellen Spielplan für die FIFA WM 2006 werden in acht Stadien jeweils
fünf Spiele ausgetragen, in den vier größten Stadien (Berlin, Dortmund, München, Stuttgart)
zusätzlich ein sechstes.
Schlussfolgerungen für Shoppingtourismus
•
Aufgrund der Anzahl der WM-Stadien und der ausgetragenen Spiele werden, neben
den Final-Städten, vor allem das Bundesland Nordrhein-Westfalen und insbesondere
das Ruhrgebiet als Region profitieren.
•
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass während der Weltmeisterschaft zunächst
das Gastgewerbe und die Hotellerie profitieren werden. Es ist aber auch hier davon
auszugehen, dass etwa ein Drittel der Ausgaben der Touristen im Einzelhandel verbleiben wird.134
•
Von diesem Kaufkraftzufluss wird gerade das Umland der WM-Städte profitieren. Ausgehend von der Sitzplatz-Kapazität der WM-Stadien, der Zahl der Spiele und der Bettenkapazität der WM-Städte lassen sich folgende Berechnungen aufstellen: In Nordrhein-Westfalen werden mit Köln, Gelsenkirchen und Dortmund 16 Spiele ausgetragen
werden. Bei einem durchschnittlichen Ticketverkauf von 44.000 Tickets pro Spiel ergeben sich 704.000 Tickets. Davon werden – unter der Voraussetzung, dass knapp ein
Drittel aller verkauften Tickets zum Incoming Bereich gehören – ca. 235.000 Tickets
von ausländischen WM-Besuchern erworben. Dies entspricht einem statistischen Mittel
von knapp 14.700 Übernachtungsgästen im Incoming pro Spiel.
•
Die derzeitige Bettenkapazität in Dortmund liegt jedoch bei ca. 5.600 Betten, in Köln bei
ca. 25.000 Betten (2004) und in Gelsenkirchen bei ca. 1.700. Von der eingeschränkten
Bettenkapazität in Gelsenkirchen und Dortmund erhoffen sich weitere Großstädte im
Ruhrgebiet, Düsseldorf und vor allem das Sauerland, positive wirtschaftliche Effekte im
Bereich der Tourismusindustrie und des Einzelhandels. In Stuttgart werden aufgrund
der eingeschränkten Bettenkapazität von 14.500 (2004) ebenfalls viele WM-Gäste auch
in den umliegenden Städten und im Schwarzwald erwartet.135
•
Ein wesentlicher Teil der öffentlichen Aufmerksamkeit auf Deutschland als WM-Standort konzentriert sich in der nationalen und internationalen Vorberichterstattung, die
längst begonnen hat. Deutsche Destinationen müssen also kurzfristig entsprechende
Aktivitäten zeigen, um im Zusammenhang mit der WM wahrgenommen zu werden,
nicht erst in der kurzen Periode der Veranstaltung. Ein Beispiel hierfür ist die Kampagne ‘‘Fußball-Land Bayern‘‘ für das Jahr 2004.
5.3
Entwicklungspotenzial des Marktsegments Shoppingtourismus
Wie zuvor dargestellt, hängt das Volumen des durch Shoppingtourismus generierten Anteils
am Einzelhandelsumsatz in Deutschland von generellen und standortspezifischen Rahmenbedingungen sowie der Intensität und der Qualität entsprechender Marketingaktivitäten ab.
Es konnte gezeigt werden, dass das gegenwärtige Umsatzvolumen im Einzelhandel durch
Tourismus rd. 12,524 Mrd. € im Jahr beträgt. Rund 70 % davon – oder 8,7 Mrd. € - werden
134
135
nach dwif-Angaben.
Eigene Berechnungen, auf Basis von LDS Beherbergungsstatistik 08/2004; DZT Market Research nach NBT
und Fifa-Angaben.
112
durch Shoppingtouristen im engeren Sinne verursacht. Ein nicht unerheblicher Teil (20 %)
wird zudem durch Kunden aus dem Ausland verausgabt.
Nach Auswertung der beschriebenen Quellen und nicht zuletzt auch nach den mit verschiedenen Experten aus Einzelhandel und Tourismus geführten Gesprächen, ist davon auszugehen, dass die Potenziale für Deutschland mit dem erreichten Volumen noch keinesfalls
ausgeschöpft sind. Bei steigenden Ankunfts- und Übernachtungszahlen, insbesondere aus
den Regionen Asien und Osteuropa, ist eine Zunahme des shoppingtouristisch induzierten
Umsatzes zu erwarten. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass sich die Betonung
von Shoppingtourismus als Reisegrund bzw. -inhalt positiv auf die durchschnittlichen Ausgabebeträge im Einzelhandel auswirkt. Es soll im Folgenden abgeschätzt werden, welche Dimension das Wachstumssegment Shoppingtourismus in einem langfristigen Prognosezeitraum für den Einzelhandel erreichen kann.
Eine wesentliche Rolle für das Ergebnis einer solchen Schätzung spielen Annahmen über
die Entwicklung der relevanten Einflussgrößen, wie sie im Kapitel 5.2 beschrieben werden.
Die prognostizierten Umsatzzuwächse im Einzelhandel ergeben sich aus der Betrachtung
der Entwicklung der Besucherzahlen auf der einen und der Entwicklung der Ausgabebeträge
pro Besucher auf der anderen Seite. Es wurde dabei unterstellt, dass das Potenzial auf beiden Seiten nicht ausgeschöpft ist, dies aber in den nächsten Jahren geschieht. So kann die
Entwicklung der gesamten touristischen Einzelhandelsumsätze angegeben werden, die sich
auf die Steigerung der shoppingtouristischen Ausgaben im Einzelhandel und die Entwicklung
der Besucherzahlen zurückführen lässt.
Dabei werden die Annahmen über die Entwicklung der Besucherzahlen durch die oben angeführten Darlegungen gestützt. Die Entwicklung der Ausgabebeträge pro Besucher stützt
sich auf die großen Unterschiede der Ausgabebeträge eines durchschnittlichen Touristen
und denen von Shoppingtouristen im engeren Sinne. Es wird davon ausgegangen, dass die
durchschnittlichen Ausgabebeträge an die Ausgabebeträge der Shoppingtouristen i.e.S. herangeführt werden können.
Bei einer zusammenfassenden Würdigung der in Deutschland relevanten Erfolgsfaktoren
und der Entwicklungstrends im Einzelhandel und im Tourismus kommen wir zur nachfolgend
dargestellten Einschätzung für die einzelnen Zielgruppen und die touristischen Umsätze im
Einzelhandel bis Ende des Jahrzehnts. Dabei wird zunächst ein Gesamtüberblick gegeben,
daran anschließend wird auf die einzelnen Zielgruppen des Shoppingtourismus im Speziellen eingegangen. Diese Prognose bzw. Abschätzung der zu erwartenden Entwicklungen wird
jeweils für eine untere und eine obere Variante vorgenommen.
Die untere Variante ist eher pessimistisch, die obere optimistisch. Im Durchschnitt aller Zielgruppen des Shoppingtourismus rechnen wir mit einem Ergebnis, das ca. in der Mitte der
beiden Szenarien liegt. Dies würde bedeuten, dass von 2004 bis 2010 die durch Shoppingtourismus ausgelösten Einzelhandelsumsätze von 12,5 Mrd. € p.a. um 20 % auf rd. 15 Mrd.
€ ansteigen.
In der unteren Variante ergibt sich ein Plus von rd. 15 % bzw. 1,9 Mrd. €, in der oberen von
25 % bzw. 3 Mrd. €. Hinter diesen ‘‘runden‘‘ Werten verbergen sich allerdings höchst unterschiedliche Veränderungsraten bei den unterschiedlichen Zielgruppen des Shoppingtourismus.
Der weitaus größte Teil des Umsatzplus’ wird nach den vorangegangenen Überlegungen
aus einer Umsatzsteigerung durch die Ausgaben von Übernachtungsgästen im Einzelhandel resultieren. Die oben präsentierten Zuwächse im Einzelhandelsumsatz durch deutsche
und ausländische (Kurz-)Urlauber summieren sich zu Zuwächsen um 0,8 bis 1,3 Mrd. € bis
2010. Der Umsatz im Einzelhandel durch Übernachtungsgäste läge 2010 bei 4,13 bis
4,6 Mrd. €.
113
Tabelle 28: Abschätzung des Potenzials für den deutschen Einzelhandelsumsatz
durch Shoppingtourismus 2010
Teilsegment
Touristischer
EH-Umsatz
2004
(Mrd. €)
Touristischer
EH-Umsatz
2010
(Mrd. €)
Tagesgäste insgesamt (Einkaufskunden von weit außerhalb des Einzugsgebietes)
9,2
10,3 – 11,0
... davon: deutsche Tagesreisende
7,5
8,1 – 8,6
... davon: Tagesbesucher aus dem Ausland
1,7
2,2 – 2,4
Übernachtungsgäste insgesamt
3,3
4,1 – 4,6
... davon: deutsche Übernachtungsgäste
2,5
3,0 – 3,4
... davon: Übernachtungsgäste aus dem Ausland
0,8
1,1 – 1,2
12,5
14,4 – 15,6
Summe
Quelle: Arbeitsgemeinschaft der Forschungsinstitute.
Für die Tagesgäste liegen die Steigerungsraten insgesamt zwischen 8 und 15 %. Im Jahr
2010 läge der durch Tagesgäste verursachte Einzelhandelsumsatz in Deutschland
zwischen 10,3 und 11,0 Mrd. €.
Die so wichtigen Einzelhandelsumsätze durch Ausländer haben – insbesondere durch die
Zunahme des Besucheraufkommens – entscheidenden Anteil an den Umsatzsteigerungsraten.
Aufgrund der vorhandenen Angebotsstrukturen und der empirisch ermittelten Einkaufsgewohnheiten von Shoppingtouristen in Deutschland ist zunächst davon auszugehen, dass
sich die Realisierung dieser Wachstumspotenziale im Schwerpunkt an Standorten vollziehen
wird, die auch bisher bereits überproportional vom Shoppingtourismus profitieren. Wie zuvor
dargestellt, zählen dazu insbesondere die Haupteinkaufsbereiche der Metropolen, exponierte
Sonderstandorte wie Factory-Outlet Center und Brand Lands sowie (städte-)touristisch besonders relevante Städte und Regionen.
Unter Berücksichtigung der in Kapitel 5.2 dargestellten Markttrends ist aber auch davon auszugehen, dass es für einige Regionen – wenn auch meist auf zunächst niedriger Basis – gute oder sehr gute Chancen für ein dynamisches Wachstum des Marktsegments Shoppingtourismus bzw. einzelner Teilsegmente gibt.
Einen entsprechenden Überblick vermittelt die nachfolgende Übersicht.
Einkaufskunden von weit außerhalb des üblichen Einzugsgebietes innerhalb Deutschlands
Wie zuvor dargestellt, resultieren etwa drei Viertel (rd. 9,2 Mrd. €) des im Rahmen dieser Untersuchung unter dem Begriff ‘‘Shoppingtourismus‘‘ zusammengefassten Umsatzanteils des
Einzelhandels (rd. 12,5 Mrd. €) aus Einkäufen von inländischen Shoppingtouristen. Überdurchschnittlich häufig konnte die wichtige Gruppe der Tages-Shoppingtouristen i.e.S. bei
Hersteller-Direktverkaufszentren (Mettlach, Metzingen), Factory-Outlet Centern (Zweibrücken, Wertheim) und bei überregionalen Shopping-Malls (CentrO Oberhausen), aber auch in
Citys mit hoher touristischer Relevanz (Berlin) nachgewiesen werden. Die Gruppe der Tages-Shoppingtouristen i.e.S. gibt pro Kopf etwa 80 € im Einzelhandel aus (rd. 74 € mehr als
andere Tagesgäste) und induziert damit einen Einzelhandelsumsatz von ca. 6,5 Mrd. €.
Aufgrund der höheren Ausgaben der Shoppingtouristen i.e.S. kann davon ausgegangen
werden, dass der von Shoppingtouristen i.e.S. beim Einkaufen erlebter Zusatznutzen (deutli-
114
cher Preisvorteil, sehr große Auswahl, touristische Attraktion) diese Gruppe zu ihren ungewöhnlich weiten Tageseinkaufsfahrten motiviert. Das Herausstellen dieses Zusatznutzens für
alle Tagesreisende dürfte den durchschnittlich im Einzelhandel verausgabten Betrag pro Tagesreisenden ansteigen lassen. Zudem wird von einer weiteren leichten Ausweitung der Tagesreisen von Deutschen in Deutschland bis 2010 ausgegangen.
Niedersachsen
+
+
+
Bremen
+
++
Nordrhein-Westfalen
+
++
+
+
Hessen
Rheinland-Pfalz
+
+
+
+
+
+
Baden-Württemberg
+
+
Bayern
+
++
Saarland
+
Berlin
++
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Thüringen
+
++
+
++
+
+
+
++
+
++
++
+
+
++
+
+
++
+
+
++
++
+
++
+
+
+
+
++
+
+
+
+
Brandenburg
MecklenburgVorpommern
+
+
++
Übernachtungsgäste aus dem
Ausland
++
Bundesland
Schleswig-Holstein
Hamburg
Tagesbesucher aus dem Ausland
Urlauber aus Deutschland
++
+
+
Teilsegment
Einkaufskunden von weit außerhalb des Einzugsgebietes
Kurzurlauber (‘‘Städtetouristen‘‘)
aus Deutschland
Geschäftsreisende aus Deutschland
Übersicht 19: Regionale Potenziale für die Zielgruppen für Shoppingtourismus in Deutschland
+
++
++
+
+
+
+
+
+
+
+
Wichtige Destinationen
Kiel, Flensburg, Lübeck
City
Hannover, Oldenburg, Göttingen, Lüneburg, Wolfsburg
(AutoCity), Osnabrück
City
Köln, Düsseldorf, Bonn, Aachen, Münster, Bielefeld,
CentrO
Oberhausen
Frankfurt, Wiesbaden
Trier, Zweibrücken, Mainz
Stuttgart, Karlsruhe, Ulm,
Freiburg, Heidelberg, Konstanz, Metzingen, Wertheim
Village
München, Nürnberg, Würzburg, Regensburg, Erlangen,
Bamberg, Passau
Saarbrücken, Mettlach
Mitte (City-Ost), Kurfürstendamm (City-West)
Potsdam, Frankfurt/Oder
Rostock, Stralsund, Schwerin, Rügen
Dresden, Leipzig, Görlitz,
Erzgebirge
Magdeburg
Erfurt, Weimar
Quelle: ECON-Consult 2004: ++ sehr gute Chancen, + gute Chancen
Aus den angeführten Zusammenhängen leiten die Autoren ab, dass sich das Gesamtvolumen des Einzelhandelsumsatzes durch deutsche Tagesreisende – bei einer mäßigen Ausweitung relevanter Angebotsflächen (v.a. von Shoppingcentern und Factory-Outlet Centern),
115
der gleichzeitigen kooperativen Bewerbung der shoppingtouristischen Destinationen und einer daraus zu erwartenden Erhöhung der räumlichen Reichweite bei der Einkaufsorientierung – von gegenwärtig rd. 7,5 Mrd. € im Jahr 2004 bis 2010 um 8 bis 15 % erhöht. Somit
kann bis 2010 ein Wert in der Größenordnung von rund 8,1 bis 8,6 Mrd. € erwartet werden.
Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang, dass die getätigten Einkäufe zumindest
teilweise aus dem hierfür eingeplanten Kaufkraftbudget erfolgen.
Umsätze deutscher Tagesreisender an shoppingtouristischen Destinationen gehen daher
zum Teil mit Umsatzverlusten an Standorten einher, die dem Wohnort der Touristen näher
liegen. Die angegebene Erhöhung der Umsätze durch die gesamte Tagestourismus-Komponente des Shoppingtourismus kann daher nur dann erreicht werden, wenn auch Rückgänge bei ‘‘normalen‘‘ Einzelhandelsumsätzen in Kauf genommen werden (zur Frage des Kaufkraftabflusses vgl. auch Kapitel 5.1).
Selbst wenn also die Bereitschaft zu weiten Einkaufsfahrten etwa infolge zusätzlicher Angebote an Shoppingcentern oder Factory-Outlet Centern in Deutschland zunimmt, dürfte sich
das Umsatzvolumen für Deutschland insgesamt auf jeden Fall unterhalb der genannten Marge von 8,1 bis 8,6 Mrd. € erhöhen.
Anders sind diese Zusammenhänge für ausländische Tagestouristen zu bewerten. Die Ausgaben dieser Personengruppe generieren im deutschen Einzelhandel einen ‘‘echten‘‘ Mehrwert.
Tagesbesucher aus dem Ausland
Mit einem Anteil am Einzelhandelsumsatz von rd. 1,7 Mrd. € stellt diese Gruppe eine ausgesprochen wichtige Komponente des Marktsegments Shoppingtourismus dar. Ausländische
Tages-Shoppingtouristen im engeren Sinne leisteten mit 0,86 Mrd. € einen nicht unerheblichen Beitrag zum Umsatz des deutschen Einzelhandels. Die Bedeutung dieser Beträge für
den Einzelhandel kann unter dem Gesichtspunkt, dass Tagesbesucher aus dem Ausland
Umsatzverlagerungen zu Gunsten in Deutschland gelegener Standorte induzieren, nicht
hoch genug eingeschätzt werden. Hinzu kommt, dass der mit durchschnittlich rd. 115 € angesetzte Pro-Kopf-Ausgabebetrag von ausländischen Tages-Shoppingtouristen i.e.S. im Einzelhandel vergleichsweise hoch liegt.
Es ist davon auszugehen, dass die Potenziale für Einkaufsfahrten der ausländischen Tagesgäste – insbesondere in (ostdeutschen) Grenzregionen (vgl. Kapitel 4.1.5) – noch keinesfalls
ausgeschöpft sind. Ein hoher Anteil ausländischer Kunden an grenznahen Standorten mit
attraktiven Angeboten an Bekleidung, Schuhen oder Elektronik (z.B. Einkaufszentrum LAGO
in Konstanz) belegt dies eindrucksvoll.
Die Entwicklung des Gesamtvolumens wird also wesentlich davon abhängen, inwieweit es
durch attraktive Angebote in Grenznähe zu Wettbewerbsvorteilen auf deutscher Seite
kommt, wie dies für das Designer Outlet Center Zweibrücken beobachtet werden kann. Dort
kommen bereits über 10 % der Gäste aus Frankreich.
Bei vorsichtiger Wertung dieser Überlegungen scheint dennoch eine Steigerung des Umsatzvolumens mit ausländischen Tagesbesuchern erreichbar, dabei könnte sich der gegenwärtige Wert von rd. 1,7 Mrd. € auf rd. 2,1 bis 2,4 Mrd. € bis 2010 erhöhen (Steigerungsraten von 30 – 40 %). Mit Ansteigen der Kaufkraft der Kunden aus Polen, der Tschechischen
Republik und anderen osteuropäischen Staaten und einer ansteigenden Zahl von Tagesreisen aus diesen Regionen nach Deutschland wird dieser Betrag mittelfristig – also nach 2010
– weiter ansteigen. Die hier unterstellten bundesweit durchschnittlichen Steigerungsraten
des Einzelhandelsumsatzes durch ausländische Tagesgäste von 30 – 40 % dürften in ostdeutschen Regionen bis 2020 höher liegen.
116
Übernachtungsgäste aus Deutschland
Für die Übernachtungsgäste ergab sich nach den Berechnungen auf Basis der durchgeführten Befragungen ein Einzelhandelsumsatz von insgesamt rd. 3,3 Mrd. € im Jahr, wovon etwa
2,5 Mrd. € auf deutsche Übernachtungsgäste entfällt. Auch für diese Gruppe von Touristen
lag der Pro-Kopf-Ausgabebetrag der Shoppingtouristen i.e.S. deutlich über dem eines durchschnittlichen Touristen. Bei einer Konzentration der Anstrengungen und kooperativen Vermarktungsstrategien, wodurch ‘‘Shoppingtourismus‘‘ als solcher ausgeweitet werden kann,
sollte also eine Steigerung des durchschnittlichen Ausgabebetrages möglich sein. Insgesamt
gehen wir davon aus, dass sich die Einzelhandelsausgaben der deutschen Übernachtungsgäste von den genannten 2,5 Mrd. € auf 3,0 bis 3,4 Mrd. € bzw. 20 – 35 % erhöhen wird.
Das Potenzial der Zunahme des Umsatzes im Einzelhandel ist allerdings für drei Gruppen
von Übernachtungsgästen in Deutschland sehr unterschiedlich gelagert. Im Folgenden werden die Gruppen der Kurz- und Erholungsurlauber sowie der übernachtenden Geschäftsreisenden unterschieden.
Gruppe Kurzurlauber aus Deutschland
Shopping ist insbesondere bei Kurzurlaubern als Reiseanlass zwar anderen Motiven (v.a.
Kultur) untergeordnet, spielt aber dennoch eine sehr wichtige Rolle. Immerhin konnte ein
mittlerer Einkaufsbetrag von rd. 65 € pro Kopf ermittelt werden.
Begünstigend auf das Segment der Kurzurlauber wirkt sich zunächst der generelle Trend zu
Kurz- und Städtereisen aus, der ein zunehmendes Besucheraufkommen erwarten lässt. Hinzu kommt, dass sich infolge der tendenziellen Liberalisierung der Öffnungszeiten vor allem
am Samstag die Möglichkeit eröffnet, Einkäufe in Kombination mit Kultur- oder Freizeitaktivitäten zu realisieren.
Allerdings ist davon auszugehen, dass die Steigerungen zum erheblichen Teil Standorte
betreffen werden, die auch heute schon traditionelle Städtereiseziele sind. Insofern dürfte
sich eine starke räumliche Differenzierung ergeben, bei der sich der weit überwiegende Teil
möglicher Umsatzsteigerungen in zentralen Einkaufszonen relativ weniger Städte ergeben
wird. Dabei ist durchaus denkbar, dass städtetouristisch relevante ostdeutsche Städte wie
v.a. Dresden und Leipzig überdurchschnittlich profitieren.
Erholungsurlauber aus Deutschland
Auch wenn längere Urlaubsreisen in Deutschland zuletzt deutlich rückläufig waren, muss
dies nicht zwingend zu einem Verzicht auf einen oder sogar mehrere Einkaufstouren im
Rahmen des Urlaubs136 führen. Wie bereits bei der Beschreibung der Zielgruppen dargestellt, führt offenbar nur ein relativ kleiner Teil der Urlaubsgäste einen regelrechten ‘‘Shopping-Bummel‘‘ durch, wobei dann aber – wie die Befragungen ergaben – Einkaufsbeträge
zustande kommen, die weit über den statistischen Pro-Kopf-Ausgaben der Übernachtungsgäste (nach dwif) liegen.
Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus erreichbar, dass auch Urlaubern in relativ
großstadtfernen Feriengebieten Anreize zu einer solchen Einkaufstagestour geboten werden. Die meisten Urlaubsgäste sind mit dem Pkw unterwegs und entsprechend mobil. Vielfach fehlt ihnen nur die Information über entsprechende Einkaufsziele. In besonderer Weise
könnten von einer Steigerung auch ländliche Räume profitieren, die regionale Besonderheiten bieten können oder in der Nähe attraktiver historischer Kleinstädte liegen. Damit ergeben
sich auch Chancen für Feriengebiete an der Ostsee, in Sachsen und in Thüringen.
136
Im Unterschied zum Kurzurlaub (1 – 3 Übernachtungen) wird mit ‚Urlaub’ der längerfristige Tourismus bezeichnet (ab 4 Übernachtungen).
117
Geschäftsreisende aus Deutschland
Typischerweise handelt es sich bei Geschäftsreisenden um allein reisende Männer mittleren
Alters. Die Prognose für dieses Teilsegment hängt in erster Linie vom zukünftigen Geschäftsreiseaufkommen ab, das wiederum Konsequenz unterschiedlichster Einflussfaktoren
ist. Ausgehend von der aktuellen ‘‘Wirtschaftsstärke‘‘ einzelner Teilräume konzentriert sich
die Nachfrage auf Schwerpunktregionen wie Stuttgart, Frankfurt, München, Düsseldorf und
Hamburg.137
Die zuletzt feststellbare Dynamik lässt aber auch für weitere Bundesländer, darunter insbesondere Sachsen, Chancen erwarten.138 Es zeigt sich etwa am dargestellten ‘‘BestPractice‘‘-Beispiel München (vgl. Kap. 4.1.1), dass zunehmend eine gezielte Ansprache von
Messe- und Kongressbesuchern im Rahmen des Stadtmarketing erfolgt und auf diesem Wege Umsatzsteigerungen möglich werden.
Übernachtungsgäste aus dem Ausland
Wie im Rahmen von Kapitel 5.1 dargestellt, induzieren die Ausgabebeträge dieser viel beachteten Teilgruppe rd. 830 Mio. € Einzelhandelsumsatz.
Auf Basis der von der DZT erwarteten Entwicklungen der Übernachtungszahlen lassen sich
Überlegungen anstellen, die die Erweiterung des Incoming nach Deutschland betreffen:
•
Steigt beispielsweise die Übernachtungsintensität von Ausländern in den neuen Bundesländern infolge geeigneter Maßnahmen auf das Niveau der alten Bundesländer, so
ergäbe sich ein Zuwachs von rd. 4,3 Mio. Übernachtungen bei gegenwärtig rund 276
Mio. Übernachtungen insgesamt.
•
Bei einem Anstieg der Übernachtungen aus Polen und Tschechien in Deutschland auf
ein Niveau, das gegenwärtig von den westlichen Nachbarn Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Schweiz, Österreich und Dänemark – in Relation zu ihrer jeweiligen Bevölkerung – erreicht wird, ergäbe sich ein Zuwachs von rd. 5,5 Mio. Übernachtungen.
•
Würden sich die Übernachtungen chinesischer Besucher – wie vom DZT bis 2009
prognostiziert – von gegenwärtig rd. 0,6 Mio. Übernachtungen auf rd. 1 Mio. Übernachtungen nahezu verdoppeln, so läge das Niveau bezogen auf die chinesische Bevölkerung damit noch nicht einmal bei 10 % des gegenwärtigen japanischen Niveaus bezogen auf die japanische Bevölkerung.
Diese Überlegungen zeigen, dass für eine Vorhersage der Entwicklung bis 2010 eine Reihe
von z.T. spekulativen Annahmen getroffen werden muss. Im Rahmen dieser Untersuchung
soll daher zurückhaltend davon ausgegangen werden, dass eine Steigerung des Übernachtungsaufkommens durch Ausländer um max. rd. 20 % bis 2010 grundsätzlich möglich sein
sollte.
Weiteres Wachstumspotenzial liegt in den Ausgabebeträgen im Einzelhandel der ausländischen Übernachtungsgäste. Die Unterschiede zwischen den Ausgabebeträgen von ‘‘normalen‘‘ Übernachtungsgästen aus dem Ausland (etwa 37 € pro Ankunft) und den im Rahmen
der Befragungen ermittelten Pro-Kopf-Ausgaben ausländischer Shoppingtouristen i.e.S. von
rd. 115 € je Ankunft im Durchschnitt deuten das Wachstumspotenzial, das aus den Ausgabebeträgen dieser Touristengruppe erwächst, bereits an.
137
138
Nach dem ‘‘Niveauranking‘‘ der Wirtschaftswoche, Nr. 34/2004 liegen die Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen unter den Flächenstaaten auf den ersten Rängen, bei den Stadtstaaten liegt Hamburg deutlich vorn.
So liegt Sachsen nach dem ‘‘Dynamikranking‘‘ der Wirtschaftswoche, Nr. 34/2004 bundesweit auf Rang 1,
weil es im Zeitraum 2001/2003 unter anderem das stärkste Wachstum des Bruttoinlandsprodukts, den höchsten Investitionsanteil und den höchsten Anteil an Beschäftigten mit hoher Qualifikation hatte.
118
D.h., es ist nicht unrealistisch davon auszugehen, dass das Gesamtvolumen des durch ausländische Übernachtungsgäste verursachten Einzelhandelsumsatzes unter diesen Prämissen um 0,3 bis 0,4 Mrd. € auf dann rd. 1,1 bis 1,2 Mrd. € gesteigert werden kann.
Trotz dieses relativ geringen Volumens sollte nicht übersehen werden, dass mögliche Umsatzsteigerungen voraussichtlich stark auf besonders relevante Destinationen (v.a. Fußgängerzonen in Metropolen) konzentriert werden und damit lokal und auf der Ebene einzelner
Betriebe durchaus eine entscheidende Größenordnung erreichen können. Dies gilt mittelfristig v.a. für die ostdeutschen Länder, vorausgesetzt das Wachstum der Pro-Kopf-Einkommen
und das Interesse der Touristen aus den hier entscheidenden Staaten Polen und der Tschechischen Republik hält an bzw. kann noch gesteigert werden.
119
6
HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
6.1 Ausgangslage
Ein Interesse des Einzelhandels an touristischen Zielgruppen ist derzeit vor allem an Stanorten
festzustellen, an denen Shoppingtourismus ein hohes Volumen erreicht, an anderen Standorten jedoch noch entwicklungsbedürftig. Dies wird u.a. mit dem angeblich geringen Anteil des
Einzelhandelsumsatzes, der durch ausländische Gäste zustande kommt, begründet. Diese Unterstellung ist zwar grundsätzlich richtig, bedarf aber einer kritischen Hinterfragung:
•
Auf Shoppingtouristen aus dem Ausland entfallen zwar derzeit (2004) ‘‘nur‘‘ 2,5 Mrd. €
des Einzelhandelsumsatzes i.e.S., dies sind 0,7 %. Bei dieser Zielgruppe war aber in
letzter Zeit ein starker Anstieg zu beobachten und voraussichtlich wird dieser Trend auch
in Zukunft anhalten. Zwischen 1999 und 2004 nahmen die Ankünfte ausländischer Gäste
im deutschen Beherbergungsgewerbe um 18 % und seit 1995 sogar um 36 % zu (vgl.
hierzu im Detail Kap. 3.4). Die Gutachter schätzen, dass bis zum Jahre 2010 der shoppingtouristische Umsatz von Ausländern um gut eine Mrd. € bzw. 40 % steigen wird.
•
Shoppingtourismus ist nicht nur Tourismus aus dem Ausland. Deutsche Shoppingtouristen geben (2004) rd. 10 Mrd. € im Einzelhandel aus, das entspricht einem Anteil am Einzelhandelsumsatz um weitere 2,7 % (vgl. Kap. 3.2). Nur wenn man unterstellt, innerdeutscher Einkaufstourismus hätte keinen Einfluss auf den Gesamtumsatz des Handels, d.h.
die Einkäufe werden nur von einem Ort zum anderen verlagert, kann man zu dem Ergebnis kommen, für den Handel insgesamt handele es sich dabei um ein Nullsummenspiel. Die Gutachter sind aber der Meinung, dass zumindest ein Teil dieser 10 Mrd. zusätzliche Käufe bedeuten (vgl. Kap. 3.2). Auch in diesem Segment rechnen wir zukünftig
mit Ausweitungen, und zwar um rd. 20 % (vgl. Kap. 5.3).
•
Für ganze Regionen und Standorte ist Shoppingtourismus zwischenzeitlich zu einem
Hauptstandbein der wirtschaftlichen Entwicklung geworden, man denke in diesem Zusammenhang z.B. an Metzingen oder Idar-Oberstein (vgl. Kap. 4.1). Für die dortigen Akteure ist Einkaufstourismus durchaus ein Thema.
•
Großstädte wie z.B. Berlin und München vermarkten sich zwischenzeitlich gezielt als
Einkaufsstädte, und dies nicht nur bei Ausländern (vgl. Kap. 4.1).
•
Auch dürfen die vielen Tagesreisenden, die sich in größerer Distanz zu ihrem Wohnort
bewegen und dort auch einkaufen, nicht vergessen werden. Shoppingtouristen im engeren Sinne unternehmen in Deutschland jährlich (2005) rund 500 Millionen dieser Reisen
und geben dabei 6,5 Mrd. € im Einzelhandel aus (vgl. Kap. 3.2).
•
Last but not least ist zu konstatieren, dass Shoppingtourismus aus Deutschland ins benachbarte Ausland in Deutschland zu massiven Kaufkraftabflüssen führt, was z.B. für das
FOC im niederländischen Roermond festgestellt werden konnte (vgl. Kap. 4.1.5).
Nach Meinung der Gutachter zeigen diese Argumente, dass Shoppingtourismus auch für
Deutschland ein ernst zu nehmendes Thema ist, das man nicht London, Mailand, New York
oder Singapur überlassen sollte. Allerdings ist das Thema bisher noch nicht bis zu den meisten Verantwortlichen, einschließlich vieler Einzelhändler, vorgedrungen.
Die Analysen in den voranstehenden Kapiteln haben gezeigt, dass hinsichtlich der ungenutzten Potenziale im Einkaufstourismus vor allem folgende Schwachstellen existieren:
•
Der Handel hat vielfach die Bedeutung von Einkaufstouristen aus dem In- und Ausland
noch nicht erkannt. Daher sollten die Akteure vor Ort stärker auf die Potenziale des
Shoppingtourismus hingewiesen werden.
•
Die Kooperation zwischen Tourismusverbänden und -organisationen auf örtlicher, regionaler aber auch Bundesebene ist stark verbesserungsbedürftig. Orte – im In- und Aus-
120
land – wo diese Kooperation funktioniert, beweisen, dass sich dies auch shoppingtouristisch auszahlt (vgl. Kap. 4.1).
•
Generell ist der Vernetzungsgedanke nur schwach ausgeprägt. Kooperationen z.B. zwischen örtlichen Messeorganisationen, Kulturmanagern, Reiseveranstaltern und dem
Handel sind noch zu selten zu finden.
•
Deutschland vermarktet sich im Ausland vor allem als ‘‘Kulturland‘‘. Dass hier auch attraktive Produkte hergestellt und verkauft werden, wird kaum kommuniziert.
•
Die Namen deutscher Handelsunternehmen sind – im Gegensatz z.B. zu Großbritannien
und den USA – im Ausland eher unbekannt, Ausnahmen wie das KaDeWe bestätigen
eher diese Regel.
•
Die Ladenöffnungszeiten sind was die Tage Montag bis Samstag angeht in Deutschland
durchaus konkurrenzfähig; andere wichtige Shoppingdestinationen haben hier vielfach
auch keine ‘‘bessere‘‘ Lage (vgl. Kap. 4.3.3).
•
Teilweise nutzen die deutschen Einzelhändler die bestehenden Möglichkeiten zur Ladenöffnung noch nicht einmal aus. Kurorte mit 30.000 und mehr Einwohnern, in denen
samstags in der Innenstadt bereits um 14.oo Uhr die ‘‘Bürgersteige hochgeklappt‘‘, sprich
die Geschäfte geschlossen werden, sind keine Seltenheit.
•
Die Ladenöffnungszeitregelungen am Sonntag sind dagegen ein echtes Handicap. Tagesgäste und Kurzurlauber sind vor allem am Wochenende unterwegs. Im benachbarten
Ausland sind diese Regelungen wesentlich liberaler; dies führt nicht nur zu ausbleibenden Einkaufstouristen, sondern – was wahrscheinlich noch schwerer wiegt – zu Kaufkraftabflüssen ins Ausland (vgl. Kap. 4.1.5).
•
Schließlich trifft auch auf die Lage im Shoppingtourismus der Begriff der ‘‘Dienstleistungswüste‘‘ Deutschland zu. Mangelnde Sprachkenntnisse des Verkaufspersonals, fehlender Verpackungs- und Versandservice, das nicht Akzeptieren von Kreditkarten (vor allem solcher, die Kunden aus Übersee nutzen) sind hierfür nur einige Beispiele.
Allerdings gelten diese Mängel nicht durchgehend für alle Destinationstypen von Shoppingtourismus. Vor allem die Analysen in Kapitel 4 haben gezeigt, dass Servicemängel, mangelnde Kooperation und Vernetzung bzw. Verknüpfung von Veranstaltungen mit Einzelhandelsaktivitäten vor allem dort auftreten, wo der Einzelhändler auch ‘‘Einzelkämpfer‘‘ ist. In
den professionell gemanagten FOC oder Shopping-Centern bzw. -Malls, sind wesentlich
vernetztere und koordiniertere Strukturen festzustellen (vgl. Kap. 4.1.2).
Eine Verbesserung der Situation ist nur zu erwarten, wenn Handel und Tourismuswirtschaft
gemeinsam aktiv werden. Der Handel hat hier eine Bringschuld, solange bei einzelnen Akteuren die Meinung gegeben ist, Shoppingtourismus führe nur zu einer Umsatzverlagerung
zwischen Regionen, werden tief greifende Veränderungen nicht zu erwarten sein. Einkaufstourismus ist fast immer auch ein ‘‘Abfallprodukt‘‘ von Tourismus generell. Gerade bei Übernachtungsgästen übertreffen die Ausgaben für Hotel, Gastronomie, Dienstleistungen und
Verkehr die für Einkäufe (vgl. Kap. 3.2). Diese anderen Branchen sind also weniger stark auf
den Handel angewiesen wie der z.B. auf die Gastronomie, Musicalveranstaltungen etc.
Aus den zuvor dargestellten Analyseergebnissen resultiert eine Vielzahl von Empfehlungen,
die an unterschiedliche Akteure und Leistungsträger auf verschiedenen Handlungs- und Bezugsebenen gerichtet werden können. Dabei muss berücksichtigt werden, dass es sich beim
Umgang mit Tourismus und insbesondere bei der Förderung von Shoppingtourismus um eine Querschnittsaufgabe handelt, an der sehr viele Akteure beteiligt sind. Ganzheitliche und
kooperative Zusammenarbeit ist besonders Erfolg versprechend. Im Folgenden werden die
abgeleiteten Handlungsempfehlungen systematisch dargestellt und – darauf aufbauend – ein
Prioritätenkatalog erarbeitet. Bei den Handlungsebenen und Leistungsträgern liegt der
Schwerpunkt auf:
121
•
Unternehmen: Leistungsträger aus der Handelsbranche bilden die Basis der shoppingtouristischen Attraktivität Deutschlands und einen Hauptansatzpunkt für die Inwertsetzung des shoppingtouristischen Potenzials. Neben Einzelhändlern zählen zu dieser Akteursgruppe auch touristische Dienstleister und Hersteller, die über Direktverkauf und
moderne Shoppingkonzepte ihre Produkte vermarkten.
•
Kommunen: Der lokale Angebotsmix verleiht einer Stadt die entsprechende touristische
Attraktivität. Kommunen sind gefordert, die von Leistungsträgern bereitgestellten Teilangebote mit dem endogenen touristischen Potenzial zu verbinden, um so ein attraktives
touristisches Angebot auf dem Markt zu präsentieren. Auf kommunaler Ebene sind die
Leistungsträger aus Einzelhandel und Tourismus besonders aufgefordert, zusammenzuarbeiten.
•
Regionen: Das touristische Thema ‘‘Shopping‘‘ kann nicht nur auf lokaler Ebene behandelt werden, sondern soll durch geeignete Maßnahmen in den Raum übertragen und von
den Regionalvermarktern als Vermarktungschance begriffen werden.
•
Kammern/Verbände: Kammern und Verbände der Einzelhandels- und Tourismusbranche sind geeignete Institutionen, um die Idee der shoppingtouristischen Destination
Deutschland in ihre Arbeit zu integrieren und nach innen und außen zu kommunizieren.
•
Staatliche Ebene: Gesetzliche Rahmenbedingungen sowie Einflussnahme auf die Vermarktung der Destination Deutschland im Ausland tragen zur Bedeutung der Handlungsempfehlungen auf dieser Ebene bei.
In den folgenden Abschnitten soll daher analysiert und beschrieben werden, welche Aufgaben sich für die verschiedenen Marktbeteiligten und auch den Staat ergeben.
6.2 Kooperationen und Marketing
Shoppingtourismus verlangt nach ganzheitlichen, integrativen Ansätzen, um die mittelfristig
guten Wachstumschancen der betreffenden Märkte (v.a. des Einzelhandels) zu nutzen. Im
Hinblick auf ganzheitliche Kooperationen, insbesondere unter Beteiligung des Handels, ist
das zentrale Anliegen, die Verankerung von ‘‘Shopping‘‘ als integraler Bestandteil des Tourismus in Deutschland. Es geht um das Herausstellen von ‘‘Shoppingtourismus‘‘ als eigenen
touristischen Vermarktungsgegenstand. Die Betonung der Wichtigkeit von Kooperationen
und ganzheitlichen Marketingstrategien und die Schaffung von Grundlagen für kooperatives
Handeln der Partner ist Grundvoraussetzung zur Ausschöpfung der bestehenden Potenziale
für jede beteiligte Seite. Hier liegt Handlungspotenzial für Institutionen auf Bundesebene.
Die Handlungsfelder zur Vermarktung von Shoppingtourismus bewegen sich dabei in den
Bereichen des Innen- und des Außenmarketing, die voneinander abhängen und sich gegenseitig beeinflussen. Im Bereich des Außenmarketing (Ausland, wie Inland) von Shoppingtourismus bietet die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) hervorragende Strukturen und viel
Erfahrung. Im Mittelpunkt des Interesses sollten zunächst Anstrengungen im Innenmarketing, also das Vermarkten der Idee innerhalb beteiligter und zu beteiligender Institutionen,
stehen.
Das Innenmarketing – insbesondere die Förderung der Bildung von kooperativen Strukturen
und hier v.a. die Einbindung des Einzelhandels – ist Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Außenmarketing. Daher sollte – im Sinne einer Initialzündung für Shoppingtourismus
auf Bundesebene – auch das Innenmarketing bei der DZT liegen. Als unabhängige Organisation ist die DZT geeignet, den Prozess des Innenmarketing zu steuern, auf das Außenmarketing zu reflektieren und die Zusammenarbeit der Beteiligten (v.a. Tourismus, Handel)
moderierend zu begleiten. Zuvorderst geht es darum, den Einzelhandel in das ‘‘touristische
Boot zu holen‘‘.
122
Zurzeit differieren die Sichtweisen der Akteure auf das Potenzial von Engagement im Bereich des Shoppingtourismus noch recht stark. Daher sollte zunächst klar werden, dass
Shoppingtourismus Potenzial bietet, welches in kooperativen Verbünden zwischen Tourismus, Handel und Stadt- bzw. regionalem Marketing erschließbar ist. Im Anschluss an die
Klärung der gemeinsamen Anliegen gilt es, Konzepte umzusetzen, die die Kooperation versinnbildlichen und insbesondere den Einzelhandel einbinden können. Ein solches Konzept
wird in Kapitel 6.10 unter dem Titel ‘‘Shopping in Deutschland‘‘ als Dachmarkenstrategie
vorgestellt, welches v.a. die inhaltlichen Ansatzpunkte für das Innenmarketing verdeutlichen
soll.
6.3 Maßnahmen der Unternehmen aus dem Einzelhandel
Im Gegensatz zu Tourismusdestinationen in den USA, bei denen von Anfang an Kaufhäuser
wie ‘‘Saks Fifth Avenue‘‘, ‘‘Macy’s‘‘, ‘‘Bloomingdales‘‘ an Marketing-Kampagnen beteiligt waren, ist in Deutschland bis auf die Kaufhof Warenhaus AG keine deutsche Warenhauskette
im nationalen Tourismus involviert und dementsprechend im Ausland weitgehend unbekannt.
Amerikanische und englische Kaufhausketten sind hingegen heute international bekannt und
haben zum Image wichtiger Shoppingdestination beigetragen.
Packages mit Shopping-Komponenten
Interessante touristische Angebotspakete (‘‘Packages‘‘) in Verbindung mit Shopping bieten
die Möglichkeit, einen Mehrwert zu einem reinen Städtebesuch zu generieren. Shopping wird
Teil des Reiseerlebnisses. Für ‘‘Packages‘‘ ist vor allem die Kreativität der Einzelhandelsunternehmen gefragt. Dies betrifft u.a. die Frage, welche zusätzlichen Anreize – neben der reinen Zurschaustellung der Ware – sie ihren potenziellen Kunden anbieten möchten. Die Warenhauskonzerne und die großen Textilunternehmen haben – aufgrund ihrer umfangreichen
Vertriebsmöglichkeiten – die logistischen Voraussetzungen dafür. Die Schritte zur gemeinsamen Erstellung von shoppingtouristischen Packages können folgendermaßen gestaltet
werden:
•
In gemeinsamen Workshops zwischen relevanten Einzelhändlern und den Tourismusorganisationen vor Ort werden die Vertriebskanäle und Maßnahmen identifiziert, die für
beide Seiten Erfolg versprechend sind.
•
Eine Aufgabenteilung kann z.B. darin liegen, dass die örtliche Tourismusorganisation
neben der Akquisition potenzieller Kunden durch den Einzelhandel die Personalleistungen übernimmt, etwa durch Bereitstellung ihres Call-Centers, durch Ausarbeitung von
gezielten ‘‘Shopping and More‘‘-Programmen, Besucherbetreuung, Nachfassaktionen
usw.
•
Die Einzelhandelsunternehmen sollten regelmäßig historische Begebenheiten, berühmte Kunden usw. in ihren Stammhäusern oder Filialen thematisieren und auf diese Weise einen Bezug zu kulturellen Angeboten der betreffenden Destination leisten. So werden Einkaufen und andere Stadtthemen zusammengebracht.
•
Unter Beteiligung mehrerer Einzelhandelsunternehmen kann die örtliche Tourismusorganisation eine ‘‘Shopping-Tour‘‘ gestalten, die wie andere Stadtrundgänge direkt als
touristische Attraktion angeboten wird. Die Beteiligung der Einzelhandelsunternehmen
weckt das Interesse der Kunden und verspricht ein positives Image.
Kundenbindungsprogramme und standortübergreifende Angebote
Eine besondere Möglichkeit der Promotion bieten auch Kundenbindungskarten der Warenhauskonzerne und Einzelhandelsunternehmen.
Im Rahmen dieser Programme – etwa der Payback-Karte, der P&C Karte, der
Sinn Leffers Fashion Card, des Happy-Digits-Programms oder anderer – können Kunden
ganz gezielt auf Firmenfilialen in anderen Städten aufmerksam gemacht werden, kombiniert
123
beispielsweise mit einer besonderen Aktion der jeweiligen Filiale und einem Übernachtungsangebot. Für die jeweiligen Arrangements könnte die örtliche Tourismus-Zentrale verantwortlich zeichnen. Da gemäß den Erhebungen auf Reisen in gelöster Atmosphäre ein höherer
Konsum getätigt wird, wird sich dies auf den Umsatz der einzelnen Filialen auswirken.
Ergänzend könnten deutsche Warenhauskonzerne und Einzelhandelsunternehmen, die sich
verstärkt auch im europäischen Ausland niederlassen, über Direct Mailings Kunden aus Polen und Tschechien direkt ansprechen und gezielt auch deutsche Häuser bewerben.
Provisionsmodelle für Kooperationspartner ausbauen
Provisionsmodelle zwischen Einzelhandel und örtlicher Tourismusorganisation oder Incoming-Veranstalter, wie sie in der Türkei und dem Nahen und Fernen Osten praktiziert werden, gibt es hierzulande noch nicht. Im Tourismus sind Provisionen für Vermittlungsleistungen seit jeher üblich. So werden auch Hotelzimmerreservierungen seitens der Veranstalter mit rund 10 % Provisionsgebühr honoriert.
Die Möglichkeit der Einflussnahme durch den Einzelhandel auf die Incoming-Veranstalter
bzw. die lokalen Tourismusorganisationen und deren Sightseeing Programm wird bisher
kaum genutzt; vorstellbar wäre folgende Vorgehensweise:
•
Ausländische Reisegruppen – insbesondere Chinesen und Japaner – könnten im
Rahmen ihrer Sightseeing-Tour ganz gezielt in große Kaufhäuser oder in die Geschäfte
der Luxusartikelhersteller geführt werden.
•
Gegen eine umsatzabhängige Provision für den Veranstalter oder einen speziellen Ansprechpartner etwa einer ausländischen Reisegruppe bestünde dann für das Einzelhandelsunternehmen die Möglichkeit, direkt Einfluss auf die Shoppingaktivitäten ausländischer Touristen zu nehmen.
Akzeptanz von Kreditkarten steigern
In vielen deutschen Einzelhandelsgeschäften werden unter Verweis auf die hohen Gebühren
keine Kreditkarten akzeptiert. Gerade ausländische Gäste, allen voran US-Amerikaner sind
jedoch an die Möglichkeit gewohnt, nahezu jeden Einkauf mit Kreditkarten zu bezahlen, sodass die geringe Akzeptanz auf Unverständnis stößt und die Ausgabenbereitschaft hemmt.
Hinzu kommt, dass meist andere Kartenanbieter oder -systeme nachgefragt werden, als in
Deutschland verbreitet sind.
Verbesserung der Dienstleistungsqualität im Einzelhandel
Servicestandards, die der internationale Gast aus anderen Ländern kennt, müssen auch für
den Einzelhandel in Deutschland gelten und führen so zur Verbesserung der Convenience,
welche ein entscheidender Faktor für das Einkaufserlebnis ist. Vor allem vielfach mangelnde
Sprachkenntnisse im Umgang mit ausländischen Shoppingtouristen und das oftmals nicht
ausreichende Detailwissen über die Waren, z.B. in Bezug auf Hosen-Größen, Nachfragen
nach Zollbestimmungen, Kompatibilität oder von technischen Details muss verbessert werden.
Auch wird ein Mangel an Serviceleistungen beklagt, die für den Shoppingtouristen erheblichen Zusatznutzen stiften könnten, hierzu zählen Liefer-, Einpack-, Begleit- und Informationsservice, die bereits erwähnte mangelnde Kreditkartenakzeptanz, fehlende Darstellung
von Garantiebestimmung in verschiedenen Sprachen und die Kennzeichnung der Mode mit
länderspezifischen Konfektionsgrößen. Auch haben Kunden vor allem aus dem asiatischen
Raum ein sehr spezielles Einkaufsverhalten, auf das oft unzureichend eingegangen werden
kann:
•
So wünschen sich asiatische Kunden gerne die Verpackung der gekauften Waren zu
Geschenken für die Daheimgebliebenen und tendieren häufig dazu, dass innerhalb
124
der Reisegruppe jeder dieselbe Ware kauft, wobei wegen des dicht gedrängten Besuchsprogramms oft nicht sehr viel Zeit zum Einkauf bleibt.
•
Besonders chinesische Gäste, da sie oft über keinerlei fremdsprachliche Kenntnisse
verfügen, fühlen sich in Kaufhäusern mitunter hilflos und müssen entsprechend beraten und begleitet werden.
•
Ebenso muss das Verkaufspersonal auf kulturelle Besonderheiten Rücksicht nehmen; hierzu zählt beispielsweise, dass Menschen buddhistischer Religion nicht am
Kopf berührt werden möchten, da dort der Sitz der Seele sei, was im Umgang mit Kindern besonders zu beachten ist.
Diese Auflistung wäre um zahlreiche weitere Beispiele zu ergänzen. Touristiker können hier
Hilfestellung mit ihrem Fachwissen über ausländische Zielgruppen leisten.
Ladenöffnungszeiten
Es wurde bereits mehrfach erwähnt: Das Problem der Ladenöffnungszeiten stellt sich in
Deutschland unter der Woche nicht. Der deutsche Einzelhandel kann hier im internationalen
Wettbewerb mithalten. Allerdings nutzt dieser den gegebenen Spielraum an vielen shoppingtouristischen Standorten noch nicht einmal voll aus. Auch hier wird eine Kooperation des örtlichen Handels notwendig sein, die meisten Geschäfte werden nur länger offenhalten, wenn
auch die Nachbargeschäfte zugänglich sind, da sich ansonsten Kunden nicht in größerer
Zahl in die Innenstädte bewegen werden.
6.4 Empfehlungen für die Kommunen
Die Aufgabe der Kommunen ist, für die Rahmenbedingungen zu sorgen, die eine Zusammenarbeit aller am Shoppingtourismus partizipierenden Akteure ermöglicht. Sie sind allerdings mit der Schwierigkeit konfrontiert, Partner mit oft extrem unterschiedlicher Perspektive
zu koordinieren. So scheint das Verständnis von Einzelhandel und Tourismusverantwortlichen füreinander in vielen Städten unabhängig von ihrer Größe bisher noch nicht hinreichend vorhanden zu sein. Die in der Vergangenheit oftmals auf Initiative der Tourismusverantwortlichen durchgeführten Gesprächsrunden beider Gruppen sind nicht selten an Kompetenzstreitigkeiten gescheitert, sodass erhoffte Synergien ausgeblieben sind.
Kommune als Moderator
Insofern muss die Moderation der gemeinsamen Arbeit am shoppingtouristischen Leistungsspektrum bei einer übergeordneten Instanz, etwa der/m (Ober-) Bürgermeister/-in liegen. In
regelmäßigen Abständen sollten auf Initiative der Stadtspitze Vertreter von Industrie- und
Handelskammer, Einzelhandelsverband, Wirtschaftsförderung und lokaler oder regionaler
Tourismusorganisation zur Identifikation lokaler Synergiepotenziale und zur Verabredung
gemeinsamer Marketingmaßnahmen zusammentreffen. Das Beispiel des ‘‘Runden Tisches‘‘ in Berlin kann dabei als Vorbild auch für kleinere Städte gelten.
Kontinuierliche Thematisierung shoppingtouristischer Highlights
Viele kulturelle Events, die nur dank der Unterstützung des Bundes und der Länder durchführbar werden, sind von ihrem Zeitrahmen her zu eng gesetzt, um eine nachhaltige Wirkung
auf den übernachtenden Tourismus – z.B. die Fußballweltmeisterschaft 2006 – zu erzielen.
Die Ausschreibungen und Festlegung, z.B. der jeweiligen Kulturhauptstadt, dauern um ein
Vielfaches länger als das eigentliche ‘‘Großevent‘‘ mit nur 12 Monaten Dauer. Dieser Zeitraum ist zu kurz, um eine langfristige Vermarktung mit entsprechendem Return-OnInvestment erzielen zu können. Vielfach sind die ehemaligen Kulturhauptstädte nur für eine
Saison in den Reisekatalogen der Veranstalter vertreten, um danach allenfalls noch in den
Randbereichen Erwähnung zu finden. Damit kann sich eine Stadt nicht längerfristig im Markt
positionieren.
125
Denkbar wäre allerdings, mehrjährige Projekte bzw. wiederkehrende Ereignisse mit konkretem Bezug auf das Thema ‘‘Shopping‘‘ zu konzipieren bzw. kulturelle Veranstaltungen, Weinfeste, Sportereignisse auch unter Shoppingaspekten zu vermarkten und damit eine entsprechende langfristige Imagebildung zu unterstützen, denn das Thema Shopping eignet sich
zu einer längerfristigen Marktbearbeitung des städtetouristischen Segments. Da, wie eingangs der Studie beschrieben, das Shoppingangebot ein wichtiger Baustein im städtetouristischen Angebotsmix ist, muss bei der Vermarktung kultureller Highlights und Events auch
immer dieser Baustein mitberücksichtigt werden.
Einkaufsvorteile in Gästekarten integrieren
Die in den letzten Jahren verbreiteten ‘‘Gästekarten‘‘ einzelner Städte, wie z.B. die ‘‘Bamberg
Card‘‘ oder die ‘‘Düsseldorf Welcome Card‘‘ beinhalten Reduktionen und Exklusivangebote
zumeist städtischer Akteure. Nur in wenigen Fällen sind bisher Einzelhandelsangebote darin
enthalten.
Auf vielfältige Weise könnten damit auch Touristen zusätzliche Kaufanreize geboten werden.
Entsprechend der mittlerweile weit verbreiteten ‘‘Payback-Card‘‘ könnten dabei auch Bonussysteme integriert werden. Möglich sind auch Kombinationslösungen mehrerer Gästekarten,
den so genannten ‘‘Welcome-Cards‘‘, bei den Einzelhandelsangeboten aller deutschen
Städte, die über ein signifikantes Aufkommen aus wichtigen Quellmärkten verfügen oder in
Zukunft verfügen werden.
Nach Wegfall des Rabattgesetzes kann der Einzelhandel auch ergänzend Rabatt- oder Gutscheinhefte mit Preisreduktionen oder anderen Aktionen herausgeben und damit ebenfalls
Mehrfacheinkäufe und insgesamt höhere Ausgaben anreizen. So können beispielsweise bei
Einkäufen ab einer bestimmten Summe Merchandising-Produkte hinzugegeben werden.
Besonders bei grundsätzlich kaufinteressierten Besuchergruppen – z.B. Besuchern aus
Asien – könnte ein Bonussystem damit eine noch größere Attraktivität gewinnen. Die ‘‘Shopping-Destination‘‘ Deutschland könnte damit gegenüber den anderen im Rahmen von Europa-Rundreisen besuchten europäischen Ländern aus Sicht von Besuchern aus Japan oder
China einen Wettbewerbsvorteil aufbauen. Auf diese Weise ließe sich auch die Nutzung des
Tax-Refund-Systems technisch vereinfachen.
Gemeinsame Aktivitäten im Stadtmarketing, Beispiel: ‘‘Ab in die Mitte‘‘
Gerade bei Stadtmarketing-Initiativen wie ‘‘Ab in die Mitte‘‘ erscheint eine Zusammenarbeit
mit den Tourismusverantwortlichen äußerst sinnvoll, um marketingstrategische Aspekte miteinander abzusprechen und zu koordinieren:
•
•
Die City-Offensive ‘‘Ab in die Mitte‘‘ wurde 1998 in Nordrhein-Westfalen ins Leben
gerufen und fördert seit nunmehr sechs Jahren kreative Bündnisse und innovative
Kulturveranstaltungen,
um
gewachsene
Stadtzentren
zu
erhalten
und
weiterzuentwickeln.
Initiatoren und Sponsoren der City-Offensive, darunter die Unternehmen Karstadt,
Kaufhof und Douglas, der Handelsverband BAG, der Städtetag, der Einzelhandelsverband, die Bild-Zeitung und das Städtebauministerium sehen die City-Offensive durchaus als Experimentierfeld um neue Sponsoringkonzepte zu erproben, innovative Public
Private Partnerships anzuregen und zu etablieren und kreative Formen der Bürgerbeteiligung zu entwickeln.
Mittlerweile wurde das ‘‘Ab in die Mitte‘‘-Konzept auf weitere Bundesländer ausgedehnt.
Da die City-Offensive von allen Beteiligten ein hohes persönliches und finanzielles Engagement erfordert, sind die Zeiträume zwischen der Bekanntmachung der Gewinner der Wettbewerbsbeiträge und der Durchführung der Projekte relativ kurz bemessen. Vielfach beziehen sich Aktionen nur auf ein verlängertes Wochenende, sodass kaum die Möglichkeit besteht, Marketing und Vertriebskanäle so zu installieren, dass auch eine hohe Zahl auswärti-
126
ger Besucher von dem Spektakel profitieren und damit auch der Einzelhandel nachhaltige
Vorteile hat.
So liegt z.B. der Redaktionsschluss für die Informationsbroschüren der touristischen Destinationen üblicherweise im November. Bis zu diesem Zeitpunkt sollten die Gewinner des nächsten Jahres mit den jeweiligen Projekten bereits feststehen. Zum anderen findet der weitaus
größte Teil der touristischen Publikumsmessen im Frühjahr statt. Auf diesen Messen könnten
die Aktionen von ‘‘Ab in die Mitte‘‘ bereits einem breiten Publikum vorgestellt werden. Dies ist
aber aufgrund des bisherigen Zeitablaufs nur schwerlich möglich.
Gemeinsame Ziele entwickeln und umsetzen
Aufgrund der hohen Grundkosten zur Etablierung und zur Aufrechterhaltung organisatorischer Voraussetzungen für Stadtmarketing unterbleibt deren Schaffung – vor allem in kleineren Städten – oft ganz oder wird auf wenig wirkungsvolle Minimalstrukturen reduziert.
In anderen Fällen wurden von den Städten zwar größere Investitionen getätigt und entsprechende touristische Angebote vorgehalten, aufgrund knapper Budgets gibt es aber dann nur
stark begrenzte Möglichkeiten, diese zu bewerben. Tourismusförderung als freiwillige Leistung fällt vielfach Sparzwängen der Kommunen zum Opfer.
•
Umso wichtiger ist vor diesem Hintergrund der Zusammenschluss vor allem der Unternehmen zu Interessengemeinschaften und Marketing-Kooperationen auf lokaler Ebene,
ebenso die Mitgliedschaft in den jeweiligen übergeordneten Tourismusverbänden bzw.
sonstigen relevanten Fachverbänden (z.B. BCSD – Bundesvereinigung City- und
Stadtmarketing in Deutschland).
•
Für die großen Metropolen erscheint zusätzlich die Einrichtung einer Koordinierungsstelle für alle Bereiche sinnvoll, die für die Akquisition von Besuchern oder Investoren
zuständig sind. Stadtmarketing, Wirtschaftsförderung, Tourismusorganisation, Kulturamt und ggf. weitere Instanzen sollten gemeinsame Ziele definieren und ihre Marketingaktivitäten bündeln. So propagiert die Berlin Tourismus Marketing GmbH für 2005
das Thema ‘‘Architektur des Neuen Berlin‘‘, während die Kulturstelle der Stadt im selben Jahr ‘‘60 Jahre Kriegsende‘‘ thematisiert.
Aus diesen Ansprüchen an die intrakommunale Kooperation der verschiedenen Interessenträger leitet sich die Forderung nach der Integration von Organisationsstrukturen innerhalb
der Kommune ab:
Integration von Organisationsstrukturen innerhalb der Kommune
Die voran beschriebenen, gemeinsam von Handel und Tourismus zu bearbeitenden Maßnahmen zur Verbesserung der shoppingtouristischen Attraktivität einer Kommune, lassen
sich durch Ausnutzung von Synergieeffekten idealerweise integriert in einer Interessen übergreifenden Organisationsstruktur durchführen:
•
Tourismusförderung, Stadtmarketing und City-Management sollten sowohl organisatorisch als auch räumlich unter einem Dach angesiedelt sein, um Synergieeffekte
nutzen und Kommunikationsdefiziten vorbeugen zu können. Idealerweise sollte auch
die Pressestelle (bzw. die Stadtwerbung) diesem Verbund angehören. Dies gewährleistet langfristig ebenfalls eine Personalkostenreduzierung, da bestimmte Stellen wie Grafiker, EDV-Fachleute usw. für mehrere Bereiche zuständig wären.
•
Die Bündelung der oben genannten Institutionen soll zu einer Stadtmarketing GmbH
erfolgen, deren Gesellschafter die entsprechenden Interessengruppen vertreten. Diese
sind: Verkehrs- und Kurverein, örtliche Werbegemeinschaften und Verbände des Handels, örtliche Zusammenschlüsse von Hoteliers und Gastronomen sowie die Kommune
selbst.
127
•
Das durch Synergien geschaffene Einsparungspotenzial soll in das Marketingbudget
überführt werden. Der Tourismusmarkt ist ein Käufermarkt. Nur wem es gelingt, durch
zielgerichtetes Marketing – sei es durch eigene Anstrengungen oder durch Beteiligung
an den Aktivitäten der Regionalvermarktungsstellen – Aufmerksamkeit zu erzeugen,
wird erfolgreich sein.
•
Die Aufgaben der Stadtmarketing GmbH sind:
Tourismusförderung: Erstellung von Pauschalangeboten und Angebotsbausteinen; Betrieb von örtlichen bzw. Beteiligung an regionalen Reservierungssystemen;
Erstellen von Gastgeberverzeichnissen; Gästebetreuung (z.B. Stadtführungen) und
Information. Erstellung und Verkauf von Merchandising-Produkten.
Stadtmarketing: Konzeption und Durchführung von imagebildenden und verkaufsfördernden Events, Gestaltung von Imagekampagnen (z.B. Festspielwochen usw.);
Akquise und Betreuung von Investoren; konzeptionelle Beteiligung an städtischen
Infrastrukturmaßnahmen (z.B. Besucherleitsysteme).
City-Management: Ansprechpartner für Einzelhandel, Hotellerie und Gastronomie;
Entwicklung von gemeinsamen Handlungskonzepten und Marketingstrategien auf
betrieblicher Ebene (z.B. chinesischsprachige Beschilderung der Ladenlokale der
Innenstadt, ‘‘Verkaufsoffene Nacht‘‘ usw.).
Die Städte sollten sich durch eine Integration ihrer Organisationsstrukturen zu Destinationen
wandeln, die ganzheitlich geplante Angebote mit klarer Zielgruppenorientierung und hohem
Qualitätsniveau vorhalten. Die Kooperation von Tourist-Information, City-Management,
Stadtmarketing, Kulturämtern etc. ist die wesentliche Voraussetzung für eine effiziente Vermarktung von Einkaufstourismus. Die Beispiele in Kapitel 4 haben gezeigt, dass dort, wo
dieser integrative Ansatz gefahren wird, sich auch die entsprechenden Erfolge einstellen. Wir
möchten allerdings nochmals wiederholen: Wenn der Handel seine erwähnte ‘‘Bringschuld‘‘
nicht einlöst, helfen auch die besten Vermarktungsstrategien nicht viel.
Internationalisierung von Besucherleitsystemen
Für auswärtige Besucher einer Stadt spielen Erreichbarkeit und Mobilität vor Ort eine sehr
große Rolle. Im Gegensatz zu Ortskundigen sind Auswärtige, vor allem nicht Deutsch sprechende Gäste, auf ein hohes Maß an Transparenz angewiesen, wenn sie sich in der für sie
fremden Umgebung orientieren und zurechtfinden müssen.
Zwar verfügen die meisten Städte mit hohem Besucheraufkommen mittlerweile über Parkleitsysteme, Fußgängerleitsysteme und Hotel-Routen, in vielen Fällen sind diese Systeme
aber nur ungenügend auf neue Besuchergruppen eingestellt. So besteht vielfach erheblicher
Nachholbedarf bei mehrsprachigen Informationen, Wegweisern und anderen Orientierungshilfen. Vorbildlich sind dabei die auf international verständliche Piktogramme aufgebauten
Besucherleitsysteme in Flughäfen.
Akzente setzen gegen zu starke Vereinheitlichung des Angebotes
Die Kritik an der zunehmenden Filialisierung deutscher Innenstädte greift zu kurz: Entscheidend ist der konsistente und profilierte Gesamteindruck, den ein Einkaufsziel hinterlässt. Dazu zählt zunächst ein signifikant hohes Angebot an relevanten Marken, vor allem in den Bereichen Bekleidung, Schuhe, Sport, Elektronik, Hausrat und persönliche Accessoires (u.a.
Uhren, Schmuck, Lederwaren).
•
Unabhängig davon, ob Markenartikel von Einzelhandelsunternehmen, Franchisenehmern oder überregionalen Filialisten angeboten werden, sollten sie als ‘‘Pflichtprogramm‘‘ des Standortes begriffen und über geeignete Kommunikationsmittel (Shopping-Guide etc.) gezeigt werden. Ein hoher Besatz an High-End- und mittleren Marken
wird als vorteilhaft für den Shoppingtourismus betrachtet.
128
•
Ein in vielen deutschen Städten zu beobachtender zunehmender Besatz an discountorientierten ‘‘Low-End-Filialisten‘‘ führt tendenziell zu einer Abnahme der Attraktivität für
Shopping-Touristen. Folge eines solchen ‘‘Trading-down-Effektes‘‘ ist die Aufgabe der
Unverwechselbarkeit der einzelnen Städte. Hinzu kommt die dann fehlende Bindung
der meist abhängig von der jeweiligen Zentrale arbeitenden Verantwortlichen an die
Stadt und die daraus resultierende mangelnde Bereitschaft zur Beteiligung an Marketingaktivitäten für den Standort.
•
Es sollte das Ziel der lokalen Wirtschaftsförderung sein, die örtliche Einzelhandelsstruktur zusätzlich über eine Reihe ortsspezifischer Angebote aufzuwerten, bei denen es
weniger auf die quantitative Bedeutung (Verkaufsfläche, Umsatzvolumen) ankommt,
als vielmehr auf die Einmaligkeit und den Sympathiewert. So kann sich München – abgesehen von anderen Attraktionen – nicht zuletzt über die lokale Spezialität ‘‘ehemalige
Hoflieferanten‘‘ profilieren.
Nicht wenige Städte können aus ihrer Historie ähnliche Alleinstellungsmerkmale ableiten und
sollten dies mit Blick auf touristische Zielgruppen verstärkt tun.
Ausbau themenbezogener Kooperationen auf interkommunaler Ebene
Den themenbezogenen Kooperationen wird eine große Bedeutung im Hinblick auf die immer
differenzierter werdenden Motive des Reisenden beigemessen. Um Streuverluste einzuschränken, Synergiepotenziale auszuschöpfen und als internationale Marke im Tourismus
auftreten zu können, sind aufgrund der eingeschränkten finanziellen Mittel thematische Kooperationen erforderlich (vgl. hierzu im Detail Kap. 4.3.6).
Internationale Städtepartnerschaften stärker nutzen
Internationale Kooperationen finden häufig nur in Grenzstädten und dort nur in geringem
Umfang statt. Über die internationalen Städtepartnerschaften erfolgt ein Austausch im
wirtschaftlichen, kulturellen und verwaltungstechnischen Bereich. Die Verantwortlichen erkennen aber zunehmend auch die touristische Bedeutung der Städtepartnerschaften. Die
Stadt Nürnberg betreut im Amt für internationale Beziehungen 14 Städtepartnerschaften,
darunter Krakau, Prag, Glasgow, Venedig und Atlanta. Gegenseitig stellt man die touristischen Attraktionen in den Vordergrund, zudem stellt die Stadt Nürnberg während des Christkindlmarkts ihren Städtepartnern Stände zur Ausgabe von touristischen Werbematerialien
und Verkauf regionaler Produkte zur Verfügung. Dies geht einher mit dem Besuch der jeweiligen touristischen Delegation in Nürnberg, die entsprechend in ihrer eigenen Stadt für die
Tourismusdestination Nürnberg werben.
Zahlreiche Städte in Deutschland haben internationale Partnerschaften begründet und könnten sich in diesem Kreis besonders intensiv als lohnenswertes Städteziel für Kurzurlaub mit
Schwerpunkt auf Kultur und Shopping präsentieren. Soweit eine direkte Flugverbindung –
idealerweise über Low Cost Carrier – besteht, könnten entsprechende ‘‘Vorzugspakete‘‘ konzipiert und angeboten werden.
Kaufkraftabflüsse durch ‘‘Low Cost Carrier‘‘-Outgoing gezielt reduzieren
Ein teilweiser Kaufkraftabfluss der eigenen Bevölkerung findet sich im Zuge der Etablierung
von Low-Cost Carriern. Dieser Kaufkraftabfluss ist je nach Standort, Anzahl der Low-Cost
Carrier und deren Zielen im europäischen Ausland sehr unterschiedlich.
Insgesamt herrscht jedoch ein Konsens darüber, dass durch Zunahme der LCC ein Zusammenschluss von Handel und Tourismus notwendig ist, um dann mit effizienten Marketingmaßnahmen einen Kaufkraftzufluss aus dem Ausland in die Shoppingdestinationen Deutschlands zu generieren. Derzeit ist in Deutschland aber noch die gegenteilige Lage zu beobachten: man schätzt, dass 80 % der Kunden von deutschen LCC Abflughäfen ins Ausland und
dann wieder zurückfliegen, der Anteil des Incoming daher nur bei ca. 20 % liegt.
129
Es ist allerdings zu bedenken, dass langfristig das realistische Preis-Leistungs-Verständnis
der Kunden durch die LCC verloren gehen kann. Für diese ist es nicht einzusehen, warum
der Return-Flug 29 € pro Person kostet, die Stadtrundfahrt im Zielgebiet aber mit 26 € zu
Buche schlägt.1
Deutsche Städte, die zwar von einem LCC angeflogen werden, aber keine touristisch herausragende Stellung innehaben, sollten sich als ‘‘Tor zur Region‘‘ vermarkten. Wenn die
Vorteile der LCC auch an Standorten wie den Flughäfen Dortmund und Niederrhein genutzt
werden sollen, muss sich eine Region allerdings gemeinsam präsentieren.
Soweit Vorschläge und kritische Anmerkungen, die wahrscheinlich grundsätzlich konsensfähig sind. Nachstehend möchten wird auf Probleme auf der kommunalen Ebene eingehen, wo
Lösungsansätze wohl eher umstritten sind.
Derzeit werden bei der Entwicklung von Einzelhandelsstandorten die gesetzlichen Rahmenbedingungen bei der Genehmigung von großflächigem Einzelhandel eher restriktiv gehandhabt2. Häufig sogar unter tätiger Mithilfe des örtlichen alteingesessenen Einzelhandels.
Die ‘‘Neuen Orte des Erlebniseinkaufs‘‘ wie z.B. Urban Entertainment Center oder Factory
Outlet bieten, wie in Kapitel 4.1 gezeigt wurde, erhebliche Potenziale für Shoppingtourismus,
werden aber von den Kommunen nur in Ausnahmefällen, um nicht von Einzelfällen zu sprechen, genehmigt. Die Gutachter halten hier eine vorsichtige Lockerung für erforderlich. Es
sollten Konzepte entwickelt werden, die neuen Formen so zu gestalten, dass diese nicht dazu führen, dass wie gerechtfertigter Weise argumentiert wird, die benachbarten Innenstädte
veröden. So ist es z.B. in Roermond (Niederlande) gelungen, das dortige FOC eben nicht auf
der grünen Wiese anzusiedeln, sondern in fußläufiger Entfernung zum historischen Zentrum
der Stadt. Auch das CentrO Oberhausen weist Merkmale einer solchen Integration auf.
Ein weiteres leidiges Thema ist die Parkplatzsituation in den Innenstädten, dazu muss man
wissen, dass 68 % aller Shoppingtouristen i.e.S. mit dem Pkw anreisen. In den Großstädten
immerhin mehr als die Hälfte (53 %) (vgl. Kap. 4.2). In der Konkurrenzsituation zu den Einkaufs- und Shoppingcentern auf der grünen Wiese haben hier die Innenstädte eher schlechte Karten. Wenn noch Restriktionen für den Pkw-Verkehr dazukommen, besteht die Gefahr
der Abwanderung der Kunden. Minimal-Anforderungen sind hier ausreichende Parkplatzkapazitäten und zwar zu nicht prohibitiven Preisen.
6.5 Empfehlungen auf regionaler Ebene
Neben den touristisch relevanten Highlights einer Region sind für die Aufenthaltsqualität und
die Aufenthaltsdauer von Touristen attraktive, komplementäre Angebote aus Kultur, Freizeit,
Gastronomie, Einzelhandel etc. unentbehrlich.
In diesem Zusammenhang wird die Bedeutung des Einzelhandels für den Touristen jedoch
häufig unterschätzt. Wie bereits dargelegt, zählt das ‘‘Shopping‘‘ zu den beliebtesten Tätigkeiten bei Kurzreisen. Der weitaus größte Teil entfällt im statistischen Durchschnitt auf Bekleidung, mit Abstand gefolgt von Schuhen/Lederwaren, Nahrungs- und (regionalen) Genussmitteln, Unterhaltungselektronik und Uhren/Schmuck.3
In diesen Bereichen sind vielfach gerade die regionalspezifischen Produkte auch als Souvenirs und Geschenkartikel gefragt, wobei das Ambiente – z.B. Altstädte, Traditionsmärkte,
Museumsshops – die Kaufentscheidung mitbeeinflusst.
1
2
3
Experteninterview mit Markus HALLWIG, TUI, am 12.03.2004.
Als ‘‘großflächig‘‘ können in Anlehnung an die in Deutschland formulierte Vermutungsregel nach
§ 11 Abs. 3 BauNVO Einzelhandelsbetriebe bezeichnet werden, deren Bruttogeschossfläche mindestens
1.200 qm beträgt, was einer Verkaufsfläche von rd. 700-800 qm entspricht.
Quelle: eigene Erhebungen (ECON-Consult).
130
Promotion regionalspezifischer Erzeugnisse
In vielen Regionen sind diese Angebote nicht ohne weiteres auffindbar. Zudem gibt es noch
zu wenig touristisch relevante regionalspezifische Produkte, gleichzeitig geraten einige in
Vergessenheit.
Hier empfiehlt sich, auf regionaler bzw. überregionaler Ebene einen Arbeitskreis ‘‘tourismusorientierter Einzelhandel‘‘ ins Leben zu rufen, wobei kulturwirtschaftliche und regionalspezifische Erzeugnisse im Vordergrund stehen sollten. Dies gilt insbesondere für die östlichen Bundesländer, wie z.B. Sachsen mit dem Erzgebirge, wo das traditionelle Handwerk
bzw. Kunstgewerbe einen hohen Stellenwert im In- und Ausland genießt, deren Außenwahrnehmung aber aufgrund der relativ jungen Vermarktungsaktivitäten noch an Bedeutung gewinnen kann.
Kernthemen des Arbeitskreises sollten sein:
•
Die Vernetzung von Akteuren aus kulturwirtschaftlichem und regionalspezifischem Einzelhandel mit Akteuren aus Tourismus und Marketing.
•
Aufbau einer (über-)regionalen Produktpalette mit identitätsstiftenden und typischen
Erzeugnissen aus der Region und über die Region sowie Vertrieb der Produkte (Regionalia, regionale Qualitätsprodukte, Souvenirs).
•
Auswahl und Vermarktung bereits existierender Produkte, Auflistung wünschenswerter
Produkte und deren Vertrieb.
•
Identifikation und Stärkung von Produktionsstrukturen für tourismusrelevante Produkte,
die an traditionelle, regionale Kompetenzen anknüpfen.
Touristische Straßen mit Shoppingbezug einrichten
Insgesamt gibt es in Deutschland über 150 Ferienstraßen und -routen, die entweder landschaftsbezogen oder themenbezogen sind. Die Mehrzahl der Routen führen entlang historischer Trassen, die schon in früheren Jahrhunderten als Handels- und Heerstraßen genutzt
wurden. Die älteste Ferienstraße wurde im Jahr 1927 gegründet – die Deutsche Alpenstraße. Die Ferienstraßen sind für den Individualtourismus entsprechend beschildert. Unter dem
Gesichtspunkt der Auslandswerbung wurde 1950 die ‘‘Romantische Straße‘‘ gegründet, bis
heute im Ausland die bekannteste deutsche Ferienstraße. Eine ‘‘Shoppingstraße‘‘, die sich
auf altes textiles Handwerk bzw. Produktionsstätten bezieht, kombiniert mit internationalen
Designermoden, außergewöhnlichen Shopping-Malls und Fabrikverkauf, gibt es bisher nicht
(vgl. hierzu im Detail Kap. 6.10).
6.6 Handlungsempfehlungen an Kammern und Verbände des Handels und der
Tourismuswirtschaft
Wie bereits erwähnt, zeigt der Handel teilweise nur geringes Interesse an Einkaufstourismus.
Gerade im Hinblick auf die demographische Entwicklung der deutschen Bevölkerung, dem
Trend zu Kurzurlaubsreisen und dem Wachstumspotenzial etwa bei Städtereisen sollten die
Einzelhandelsverbände daher ihren Mitgliedern Umfang und Ausmaß der durch Tourismus
erzielten Einnahmen und die möglichen Steigerungen verdeutlichen. Dabei sollte das Augenmerk nicht nur auf den ausländischen, sondern auch auf den inländischen Gast gelegt
werden.
Solange vom HDE keine oder nur geringe Initiativen erfolgen, sollten die touristischen Dachverbände in diese ‘‘Lücke‘‘ treten und Inhalte, Maßnahmen und Kooperationsmöglichkeiten
an die Mitglieder auf den nachgelagerten Ebenen kommunizieren:
•
In den Fachbereichen des DTV - Deutschen Tourismusverbandes (Bonn) wurden in
jüngster Zeit Initiativen und Projekte zum Thema ‘‘Shoppingtourismus‘‘ gestartet. Dabei
kommt es auch zu einer Vernetzung der verschiedenen Fachbereiche. Eine Schlüssel-
131
rolle sollte dabei nach Einschätzung der Gutachter der Fachbereich für Kultur- und Eventtourismus einnehmen.
•
Die DZT - Deutsche Zentrale für Tourismus (Frankfurt) ist in den letzten Jahren zu
einem der wichtigsten Vermarktungsorgane für den Deutschlandtourismus insgesamt
geworden. Diese Kompetenzen sollten verstärkt genutzt werden, um das Thema
‘‘Shoppingtourismus‘‘ weiter zu positionieren. So sollte das Gespräch mit großen Einzelhandelsunternehmen und auch den entsprechenden Verbänden auf nationaler bzw.
Länderebene gesucht werden, um im Inlandsmarketing den Shoppingaspekt im Rahmen der Städtereisen mehr in den Vordergrund zu stellen.
•
Gleiches gilt für das Auslandsmarketing. Auch wenn für die meisten Auslandsmärkte
Deutschland auch in absehbarer Zeit hauptsächlich als Städtereiseziel präsent und
Shopping nur ein Motiv von mehreren sein wird, ist es im Zuge der Internationalisierung
der Unternehmen, der EU-Osterweiterung, und der wachsenden Märkte aus China und
Japan notwendig, Zielgruppen auch konkret unter dem Aspekt Shoppingtourismus zu
bearbeiten. Dabei sollte das Thema ‘‘Shoppingtourismus‘‘ nicht nur als Themenjahr angelegt sein, vielmehr sollte Deutschland langfristig als ‘‘Shoppingdestination mit sehr
gutem Preis-Leistungs-Verhältnis im Europäischen Kontext‘‘, wie im – an späterer Stelle beschriebenen – Dachmarkenkonzept dargestellt, vermarktet werden.
Cross-Marketing ausbauen
Neben dem Einzelhandel sollten auch weitere Partner im Cross-Marketing-Bereich identifiziert und kontaktiert werden. Diese können Herstellerfirmen oder Industrieunternehmen sein.
Im Cross-Marketing sind noch längst nicht alle Potenziale ausgeschöpft. Die nationale Tourismusorganisation für Kanada, die Canadian Tourism Commission hat z.B. in ihrer Deutschland-Repräsentanz, eigenes Personal rein für die Entwicklung von Cross-MarketingProjekten eingesetzt. Bei verschiedenen Marketingmaßnahmen für Kanada in Deutschland
waren z.B. der Outdoor Bekleider ‘‘Jack Wolfskin‘‘, Hersteller von Wohnmobilen oder LachsProduzenten involviert. Hier bieten sich exportorientierte Unternehmen der deutschen Automobilindustrie oder der Konsumgüterbranche an. Dass dieser Vorschlag nicht bloße Fiktion
ist, zeigt beispielsweise die Beliebtheit von organisierten Autobahnfahrten mit OberklassePkw deutscher Hersteller bei chinesischen Gästen oder die starke Nachfrage nach bayerischem Weißbier in Großbritannien.
Shoppingguide für Deutschland auflegen
Für viele Nicht-EU-Märkte gibt es zwar in der jeweiligen Landessprache Shoppingguides der
Firma ‘‘Global Refund, Tax free shopping‘‘, die in Zusammenarbeit mit der DZT entstanden
sind. Jedoch erscheint es sinnvoll eine eigene hochwertige Broschüre der Shoppingdestination Deutschland zu entwickeln, die sich nicht so sehr den Tax-Free-Produkten widmet,
sondern vor allem auf Preis- und Qualitätsvergleiche im europäischen Kontext, auf die spezifischen Einzelhandelsstrukturen in Deutschland, auf Alleinstellungsmerkmale der jeweiligen
Städte im Shoppingbereich etc. eingeht. Bestimmte Handwerksprodukte und regionale Nahrungs- und Genussmittel sollten ebenso vorgestellt werden wie die neueren Formen des Einkaufens im Bereich der Factory-/Designer-Outlets, der Brand Lands oder der Urban Entertainment Destinations. In Abschnitt 6 dieses Kapitels wird näher erläutert, wie sich die Erstellung des Shopping-Guides in eine ganzheitliche Konzeption für den Standort Deutschland
überführen lässt.
Vermarktung der Weihnachts- und Ostermärkte im Rahmen des Shoppingtourismus
Die Vermarktung Deutschlands unter Einkaufsaspekten wird von der DZT bisher nur zur
Weihnachtszeit und neuerdings auch vermehrt zur Osterzeit getätigt. Hierzu wurde eine
Broschüre insbesondere für die Auslandsmärkte entwickelt. Um neben der Weihnachtszeit
eine zweite Saison ins Spiel zu bringen, werden auch die Ostermärkte als Reisemotiv vermehrt aufgebaut. Weihnachts- und Ostermärkte finden zumeist in verschiedenen Städten
132
statt, wobei die Ostermärkte noch weniger verbreitet sind. In Sachsen, Hessen und Bayern
bzw. anderen eher katholisch geprägten Regionen sind Ostermärkte durchaus schon sehr
populär. Im Rahmen dieser beiden Saisonzeiten sollte das Hauptaugenmerk der DZT nicht
nur auf den Märkten selbst liegen, sondern es sollte auch der örtliche Einzelhandel mit einbezogen werden.
6.7 Handlungsempfehlungen auf Bundesebene
Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten
Das Beispiel des Designer-Outlet Roermond illustriert deutlich, dass Shoppingtourismus
stärker auf das Wochenende angewiesen ist als andere Formen des Einkaufs. Wenn die
damit vorhandenen Umsatzpotenziale realisiert werden sollen, müssen die Öffnungszeiten
entsprechend weiter liberalisiert werden.
Erlebniseinkauf hat als Freizeitaktivität bei den Deutschen einen höheren Stellenwert als ‘‘ins
Kino gehen‘‘ oder ‘‘Schwimmen gehen‘‘. Während Kinos, Schwimmbäder, Freizeitparks oder
Museen aber selbstverständlich sonntags geöffnet sind und dort zu diesen Zeiten erheblicher
touristischer Konsum stattfindet, bleibt das Shoppingvergnügen auf die Wochentage und den
Samstag beschränkt. Insbesondere in touristischen Zentren und Großstädten ließe sich
durch Sonntagsshopping zusätzlicher Konsum anregen, da rund 2/3 der Kurzurlaubsreisen
in Großstädte führen und der städtetouristische Motivkomplex stark mit dem Shoppingthema
verknüpft ist. Ebenso werden rund 60 % der Tagesausflüge an Samstagen oder Sonntagen
unternommen.
An modernen Verkehrsknotenpunkten wie dem Flughafen München oder dem Hauptbahnhof
Leipzig sind vollwertige Shoppingmöglichkeiten auch an Wochenenden verfügbar, ohne dass
eine Beeinträchtigung benachbarter Versorgungsstandorte und Zentren erkennbar ist.
Viele Vertreter aus dem Einzelhandel fordern weitergehende Schritte zur Liberalisierung des
gesetzlichen Ladenschlusses, der gerade in Großstädten mit hoher touristischer Relevanz
als kontraproduktiv betrachtet wird. Gerade im Hinblick auf die Erschließung ausländischer
Märkte, bei denen vielfach der Reisende in Gruppen unterwegs ist und ein straffes Sightseeing-Programm zu absolvieren hat, kollidieren Öffnungszeiten der Geschäfte vor allem am
Sonntag mit den Kaufinteressen der ausländischen Gäste. Kaufkräftige Gäste aus USA, Japan und vermehrt auch aus China sind im Rahmen ihrer typischerweise 10-tägigen Gruppenrundreise durch Europa oftmals am Wochenende in einer deutschen Großstadt, können aber
zum Umsatz beim Einzelhandel nichts beitragen. Die Gutachter unterstützen daher den Vorschlag, die Regelungen der Ladenöffnungszeiten generell den Ländern zu überlassen und
auch verstärkt Verkäufe an Sonntagen zuzulassen.
Um Verwerfungen in der Region zu vermeiden, die sich ergeben könnten, wenn nur einzelne
Destinationen an Sonntagen geöffnet sein dürfen, bietet es sich dann an, z.B. an einer bestimmten Zahl von Sonntagen – beispielsweise 20 – generell im Land die Läden öffnen zu
dürfen.
In grenznahen Regionen werden sogar weitergehende Liberalisierungen erforderlich sein,
wenn man Kaufkraftabfluss ins Ausland vermeiden will. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann
auch in Polen oder Tschechien FOC an der Grenze zu Deutschland platziert werden.
Nutzung der Förderprogramme
Der Bund – insbesondere das BMWA – fördert die wirtschaftliche Entwicklung, Existenzgründungen, Investitionen der Privatwirtschaft, die Auslandsmessebeteiligung, Qualifizierungsmaßnahmen (im Rahmen des SGB III), Beratungsmaßnahmen u.a.m. mit zum Teil
nicht unerheblichen Mitteln. Grundsätzlich sollten diese Maßnahmen dahingehend überprüft
werden, wie diese für den Ausbau des Shoppingtourismus positiv genutzt werden können.
Warum sollten sich z.B. nicht kleine und mittlere Einzelhändler einer Stadt zusammenschließen können und gemeinsam bezüglich der Erfordernisse im Shoppingtourismus beraten las133
sen. Auch im Bereich der Auslandsmesseförderung sind Ansätze denkbar, z.B. wenn sich
große deutsche Einzelhändler weltweit auf Messen präsentieren und Deutschland als Einkaufsland vorstellen.
Vereinfachung des Tax-Free-Systems
Das gegenwärtig praktizierte Tax-Free-System sollte einfacher zu nutzen sein. Bisher ist es
zu kompliziert, da erst Formulare ausgefüllt werden müssen. Zudem sind Tax-Free-RefundStellen in den Flughäfen nicht in jedem Terminal vorhanden, sodass im Zweifelsfall ein Umweg zum eigenen Abflugterminal in Kauf genommen werden muss, der mit dem zeitweiligen
Lösen von der Reisegruppe verbunden ist, was wiederum zu Verunsicherung der Gäste führen kann.
Generell liegen die Aufgaben des Bundes bei der Förderung des Shoppingtourismus im Moderationsprozess. Er kann erheblich dazu beitragen, Einzelhandels- und Tourismusverbände
bzw. -organisationen an einen Tisch zu bringen und das erforderliche koordinierte Vorgehen
anzustoßen.
6.8 Handlungsempfehlungen auf Länderebene
Auch den Ländern kommt bei der Förderung des Shoppingtourismus eine wichtige Bedeutung zu. Sind sie doch für die erwähnten Beschränkungen bei der Genehmigung von neuen
Einzelhandelskonzepten wie Shoppingcentern und FOC als Richtliniengeber mit verantwortlich. Daher geht auch an diese der Rat der Gutachter, die bisherige überwiegend restriktive
Haltung durch eine flexiblere Vorgehensweise zu ersetzen, die dazu beiträgt, die hier bestehenden Marktpotenziale stärker auszuschöpfen.
Generell ist die Rolle der Länder nicht hoch genug einzuschätzen, da diese wesentlich einfacher als der Bund auf die regionalen Akteure zugehen und deren Arbeit koordinierend begleiten können.
Weiterhin könnten die Länder im Rahmen ihrer Wirtschaftsförderprogramme – wie auch der
Bund – gezielte Projekte unterstützen. Finanzierungsmöglichkeiten bestehen hier im Kontext
der GA- und EFRE-Förderung.
Schließlich haben wir bei der Erstellung dieses Gutachtens feststellen müssen, dass der Informations- und Datenstand zum Thema ‘‘Shoppingtourismus‘‘ äußerst begrenzt ist. Die Länder könnten sowohl entsprechende Studiengänge, die auf die Vernetzung von Shopping,
Tourismus, Stadtplanung etc. abzielen, einführen als auch solche Lehrstühle einrichten.
6.9 Empfehlungen zur EU-Osterweiterung
Gemeinsame Aufgabe von Wirtschaft, Politik und Verwaltung ist es, den Standort Deutschland zu sichern, die eigene Kaufkraft in Deutschland zu binden und gegebenenfalls Kaufkraft
aus den östlichen Nachbarländern nach Deutschland zu ziehen. Handel ist Wandel, und so
wird sich die wirtschaftliche Struktur den neuen Gegebenheiten anpassen, das heißt, die Absatzstruktur wird sich im grenznahen Bereich in jedem Fall ändern. Wie und in welchem Maße sich diese Änderungen vollziehen werden, hängt zum Teil mit den natürlichen Grenzen,
sprich im nördlichen Bereich der Oder, im südlichen Bereich der Neiße, zusammen bzw.
auch mit den Übergängen (Brücken, Fähren etc.) und der Kreativität der Händler, insbesondere aber mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland, Polen und Tschechien.
In diesem Prozess der Veränderungen kommen auf den Handel aber auch auf Bund und
Länder Aufgaben zu, die mit der Schaffung gleicher Voraussetzungen zusammenhängen:
•
Ein wesentliches Problem ist, dass sich viele deutsche Einzelhändler schwer tun, den
Zloty zu akzeptieren, da er immer noch als schwache Währung gilt.
134
•
Außerdem besteht für den Handel die Herausforderung, dass in Tschechien sowie in Polen die Geschäfte rund um die Uhr geöffnet haben können, was so in Deutschland nicht
möglich ist und zu Wettbewerbsnachteilen führt.
•
Ein weiteres Problem sind die so genannten ‘‘Vietnamesenmärkte‘‘ in Tschechien direkt
hinter der Grenze, wo große Mengen Markenpiraterieprodukte angeboten werden. Hier
gilt EU-Recht und es ist die tschechische Verwaltung aufgefordert, gegen diesen Wildwuchs vorzugehen. Allerdings weisen diese Produkte geringe Qualität auf und bringen
Tschechen andererseits dazu, echte Markenware jenseits der Grenze in Deutschland
einzukaufen.
•
Ein viertes großes Problem im Umgang mit den osteuropäischen Nachbarländern ist das
Fehlen einer konsistenten Regionalplanung; wichtig wäre die Schaffung einer grenzüberschreitenden Raumordnung, das heißt, die verschiedenen zentralörtlichen Bereiche
müssen mit unterschiedlichen Versorgungsstrukturen ausgestattet sein. Verhindert werden muss, dass Großobjekte an nicht-integrierten Standorten in kleinen Gebietskörperschaften errichtet werden und dann gewachsene Strukturen gefährden.
Die EU-Osterweiterung ist mit einem Neugier-Effekt verbunden und bietet damit besonders
für die Kommunen Ostdeutschlands die Chance, potenzielle Kunden und Touristen aus Polen oder Tschechien anzulocken. Umso mehr gilt das für Städte, die eine attraktive historische Innenstadt zu bieten haben (wie beispielsweise Görlitz) und darüber hinaus ein attraktives Einzelhandelsspektrum.
•
Hier bietet es sich an, für die Kommune im Rahmen des City-Marketings einen Shopping-Guide/Einkaufsführer zu erstellen, der dann distribuiert wird bzw. auf Anforderung
abgerufen werden kann. Einen besonderen Stellenwert nehmen dabei die ShoppingCenter ein, die ein breites und tiefes Angebot nach dem alten Warenhaus-Motto ‘‘Alles
unter einem Dach‘‘ anzubieten haben.
•
Der Neugier-Tourismus von und nach Osteuropa wird allerdings nicht auf Deutschland beschränkt bleiben, sondern weitet sich auf ganz Westeuropa aus. Hier ist Deutschland in der Rolle des Transitlandes. An Verkehrsknotenpunkten mit Shoppingrelevanz,
wie Bahnhöfen oder Flughäfen, müssen entsprechende Zielgruppenausrichtungen z.B.
entsprechend landessprachliche Beschilderung der Shoppingmöglichkeiten, spezielle
Shopping-Guides etc. geschaffen werden.
•
An deutschen Autobahnraststätten sollten verstärkt Shops mit regionalen Produkten
angegliedert werden. Diese Form der Inwertsetzung regionalen Shoppingpotenzials ist in
Deutschland deutlich schwächer ausgeprägt als beispielsweise in Frankreich.
Um Kaufkraftströme auf sich zu lenken, muss der Handel insbesondere selbst seine Stärken
und seine Leistungsfähigkeit herausstellen. Dies ist zum einen über die Größe seiner Fläche
möglich, wie das beispielsweise bei Shopping-Centern oder Handelsagglomerationen der
Fall ist, zum anderen natürlich auch über seinen Marketingmix, also über seine Produkt-,
Sortiments-, Preis-, Kommunikations- und Servicepolitik.
•
Bei der Produktpolitik geht es darum, insbesondere die Qualität der Produkte herauszustellen, die für Polen und Tschechen besonders interessant sind, das heißt, Fototechnik,
Unterhaltungselektronik, Haushaltschemie (Waschmittel) etc., und die nachgefragten Packungsgrößen zu führen, was wiederum von der Struktur der privaten Haushalte im Einzugsgebiet abhängt.
•
Bei der Sortimentspolitik geht es darum nicht nur breite, sondern auch tiefe Sortimente
zu führen, sodass der Kunde auch tatsächlich den von ihm gesuchten Artikel findet.
•
Bezüglich der Preispolitik geht es darum, ein günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis zu
bieten, vor allem dann, wenn die Kaufkraft im Einzugsgebiet unterdurchschnittlich hoch
135
liegt. Discountierende Betriebstypen sind daher im grenznahen Bereich besonders gefragt. Die Preispolitik muss kostenorientiert sein, was jedoch nicht heißt, dass man jeden
Wettbewerbspreis halten oder unterschreiten sollte. So macht es keinen Sinn für einen
Lebensmittelanbieter in Frankfurt/Oder Obst und Gemüse unter Einstandskosten zu verkaufen, um die mit sehr niedrigen Lohnkosten in Polen erreichbaren Preise auch anbieten zu können.
•
Ganz wichtig ist das Thema Kommunikations-/Werbepolitik; zum einen ist hier die unterschiedliche Sprache zwischen Deutschland auf der einen und Polen und Tschechien
auf der anderen Seite der Grenze angesprochen sowie zum anderen auch die Information über das eigene Angebot. Im Markt müssen die entsprechenden wichtigen Informationen jeweils nicht nur in Deutsch, sondern auch in Polnisch und Tschechisch zu lesen
sein; es muss genügend Personal mit entsprechenden Sprachkenntnissen vorhanden
sein, um die Fragen der Kunden beantworten zu können. Kommunikationspolitik heißt
aber auch, die Information über das eigene Unternehmen (Angebote/Sonderangebote) in
den geeigneten Medien zu streuen; angesprochen sind v.a. grenzüberschreitende Printmedien aber auch die Radiowerbung.
•
Letztlich ist die Servicepolitik imageprägend, angefangen vom freundlichen, fachkundigen Personal – das Beratung bietet, großzügig umtauscht – über kostenlose Parkplätze
bis hin zum umfangreichen Leistungsspektrum, das moderne Vertriebstypen des Handels
heutzutage anbieten. Nur so lassen sich aus Zufallskunden oder sporadischen Kunden
Stammkunden machen.
Eine der primären Aufgaben von Industrie- und Handelskammern und Verbänden ist der
Know-how-Transfer in Form von Seminaren, wie man den polnischen Kunden halten und
binden kann oder die Durchführung von Sprachlehrgängen sowie Informationen über Fördermaßnahmen beispielsweise bei der Gründung oder der Entwicklung eines Handelsunternehmens. Wichtige Aufgabe für Kammern und Verbände wäre auch die Herstellung von
Kontakten beispielsweise zwischen Händlern auf deutscher Seite und polnischen Medien.
Hier sollten folgende Angebote unterbreitet werden:
•
Beratung und Unterstützung beim Aufbau von Geschäftsbeziehungen investitionswilliger
Unternehmen.
•
Rechtsberatung/gegebenenfalls Bereitstellung gesetzlicher Unterlagen/Verweis auf
Dienststellen und Behörden.
•
Adressenvermittlung und gezielte Suche nach geeigneten Kooperationspartnern beiderseits der Landesgrenze.
•
Bereitstellung von gewünschten Informationen.
•
Organisation und Durchführung von Workshops, Seminaren und Informationsveranstaltungen.
•
Sprachkurse/Sprachmittlung/Übersetzungsbüro.
Letztlich sollten Industrie- und Handelskammer und Einzelhandelsverband Plattform für regelmäßig stattfindende Arbeitskreisveranstaltungen sein, wo Händler sich unter Fachkollegen informell austauschen, ihre Probleme und Fragestellungen formulieren können.
6.10 Projektvorschläge
Zum Abschluss werden einige konkrete Projektvorschläge zur Promotion des Shoppingtourismus unterbreitet.
In Deutschland bestehen einige Werbegemeinschaften von Kommunen auf touristischem
Feld, in die sich Shoppingtourismus integrieren ließe:
136
‘‘Magic Cities of Germany‘‘
Der hohe Bekanntheitsgrad und das Image der deutschen Metropolen vor allem im Ausland,
wurde maßgeblich durch die Werbegemeinschaft der ‘‘MagicTen‘‘, jetzt ‘‘Magic Cities of
Germany‘‘ erreicht. Die Werbegemeinschaft der deutschen Metropolen wurde 1955 gegründet und besteht heute aus den folgenden Städten:
•
Berlin
•
Dresden
•
Düsseldorf
•
Frankfurt/Main
•
Hamburg
•
Hannover
•
Köln
•
München
•
Stuttgart
Unterstützt wird die Städtekooperation von den Partnern Deutsche Lufthansa, DZT und der
Deutschen Bahn.
Die Magic Cities ziehen deutschlandweit die meisten ausländischen Besucher an. Hier sind
vor allem die Besucher aus den USA (2003: rd. 1,65 Mio. Übernachtungen) und Asien zu
nennen, deren Übernachtungszahlen in 2003 bei 1,76 Mio. lagen. Damit erfolgt knapp die
Hälfte der in Deutschland getätigten Übernachtungen der US-Amerikaner und Asiaten in den
Magic Cities.
Zwei Drittel aller Handelsmessen weltweit finden in Deutschland statt, davon allein 80 % in
den neun Städten der Magic Cities (www.magic-cities.com). Die Besucher dieser Veranstaltungen stellen eine besonders interessante Zielgruppe für den Shoppingtourismus dar und
sollten daher über die Marketingplattform der Magic Cities gezielt angesprochen werden.
Eine Sondersituation ergibt sich bei den neuen EU-Mitgliedstaaten und Russland. Hier lässt
sich erkennen, dass zwar Russen rd. 38 % ihrer Übernachtungen in den Magic Cities tätigen,
Besucher aus den Baltischen Staaten, aus Polen, aus der Tschechischen Republik und aus
Ungarn aber nur einen deutlich geringeren Anteil von rd. 19 %.
Die Homepage der Magic Cities of Germany präsentiert sich in den vier Sprachen Deutsch,
Englisch, Chinesisch und Japanisch und verfügt nur über ein paar einleitende Sätze über die
kulturelle und wirtschaftliche Attraktion der deutschen Metropolen.
Informationen zum Thema ‘‘Shopping‘‘ werden auf der Homepage der Magic Cities of Germany aber bisher nicht gegeben. Erst die einzelnen Websites der Magic Cities führen teilweise an das Thema Shopping heran. Vor allem Düsseldorf präsentiert sich als ‘‘City of Fashion‘‘. Jedoch nur in beschreibender Weise, ohne den ausländischen Gast über Preis- und
genaue Sachinformationen zum Einkaufen zu motivieren. Insgesamt rangiert das Thema
Shopping in den Werbematerialien der Magic Cities derzeit noch zu weit hinter den kulturellen Aspekten.
Mit den neu entwickelten Shopping-Guides vieler Städte ist ein wichtiger Schritt gemacht
worden. Mit den ‘‘Welcome Cards‘‘ der Magic Cities, könnte unter Einbeziehung des Einzelhandels der Shopping-Aspekt noch mehr in den Vordergrund gestellt werden.
137
‘‘Historic Highlights of Germany”
Die im Jahre 1977 gegründeten ‘‘Historic Highlights of Germany‘‘ sind von damals zehn
deutschen Städten auf heute 14 Städte angewachsen. Dem Werbeverbund gehören heute
folgende Städte an: Augsburg, Bremen, Erfurt, Freiburg, Heidelberg, Koblenz, Lübeck,
Münster, Potsdam, Regensburg, Rostock, Trier, Wiesbaden und Würzburg.
Unterstützt wird die Werbegemeinschaft von der Deutschen Bahn AG, der DZT und der
Deutschen Lufthansa. Die jeweiligen zur Werbegemeinschaft gehörenden Städte sind eine
Vielzahl von Kooperationen auf lokaler, regionaler, nationaler, teilweise sogar internationaler
Ebene eingegangen. Jedoch sind dies ausschließlich Kooperationen mit anderen touristischen Werbegemeinschaften.
Im Jahr 2002 registrierten die ‘‘Historischen Städte‘‘ fast 10,2 Mio. Übernachtungen, davon
entfielen rd. 8,2 Mio. auf Reisende aus Deutschland. Bei den ausländischen Gästen waren
die US-Amerikaner die stärkste Touristengruppe mit ca. 256.000 Übernachtungen, gefolgt
von den Schweizern mit knapp 110.000 Übernachtungen.
Auffallend bei der Vermarktung der Historic Highlights of Germany ist die ausschließliche
Konzentration auf Geschichte, Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft sowie leistungsstarke Hotellerie und Gastronomie. Shoppingmöglichkeiten werden nicht erwähnt, obwohl der Internetauftritt (www.hhog.de) ansonsten auffallend positiv zu bewerten ist.
•
Da das Thema ‘‘Shopping” bei der Beschreibung der Historic Highlights of Germany
bisher keinerlei Beachtung findet, sollte der HHOG-Website ein Kapitel mit generellen
Shoppinginformationen gewidmet werden. Hierzu gehören Informationen über Öffnungszeiten (vor allem am Wochenende), internationale Kreditkartenakzeptanz, TaxRefund für Gäste aus Übersee, Hinweis auf günstige Einkaufsmöglichkeiten (v.a. von
Textilien mit Preisvergleichen zu anderen EU-Ländern, hochwertiger Handwerkskunst
usw.).
•
Diese Informationen sollten dann auf den Internetportalen der Mitgliedstädte weiter detailliert werden. Da gerade die ‘‘Historic Highlights of Germany‘‘ über ErlebnisShoppingmöglichkeiten im Rahmen ihrer historischen Altstädte oder anderer shoppingtouristisch relevanter Einkaufsstraßen verfügen, sollten diese sich auch in sämtlichen
Werbematerialen dem Thema Shopping widmen, ohne den kulturellen Aspekt zu vernachlässigen.
•
Inhaltlich könnte dies über die Beschreibung verschiedener Einkaufsstraßen und ihrer
vorherrschenden Produkte passieren. Neben der Erwähnung von Kaufhäusern und
speziellen Ladenpassagen, sollten gerade Geschäfte mit hochwertiger Handwerkskunst, die die Tradition einer Stadt reflektieren, hervorgehoben werden.
Neben der Integration des Themas Shoppingtourismus in den Marktauftritt bestehender
Vermarktungskooperationen, ist eine Zusammenarbeit von für den Erlebniseinkauf hoch relevanter Städte unabhängig von ihrer Größe oder historischer Bedeutung denkbar, wie in
nachfolgender Projektidee dargestellt:
Projektidee ‘‘Shopping-Specials of Germany”
Ähnlich wie bei den Magic Cities oder den Historic Highlights of Germany wäre die Gründung
einer Werbegemeinschaft der ‘‘Shopping-Specials of Germany‘‘ auf nationaler Ebene mit den
Partnern DZT, Low-Cost Carriern, Porzellanmanufakturen, Einzelhandelsunternehmen,
Kunsthandwerk sowie mit den Betreibergesellschaften von FOCs, UECs und Brand Lands
ein geeigneter Schritt, um Deutschland auch über die Metropolen hinaus national wie international als touristische Shoppingdestination zu profilieren.
Die Werbegemeinschaft sollte thematisch nach Produkten und/oder Shoppingformen gegliedert sein. Bei den Marketingmaßnahmen steht das Motiv ‘‘Shopping‘‘ im Vordergrund, kom-
138
biniert mit Mehrwerten, um einen Übernachtungsaufenthalt auch durch das Motiv Shopping
zu generieren.
Mögliche Mitglieder der Werbegemeinschaft könnten sein:
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Metzingen (Baden-Württemberg) – Themenstadt internationaler Designer Labels
Mettlach (Rheinland-Pfalz) – Porzellanmanufaktur Villeroy & Boch und Grenzstadt
Region Zweibrücken-Pirmasens (Rheinland-Pfalz) – Designer Outlet Zweibrücken und
Schuhmanufakturen
Wertheim (Bayern) – ‘‘Wertheim Village‘‘, Designer Outlet
Arzberg (Bayern) – Porzellanmanufakturen, insbesondere Rosenthal, Hutschenreuther
Meißen (Sachsen) – Porzellanmanufaktur
Idar-Oberstein (Rheinland-Pfalz) – Edelsteinstadt an der Nahe (Museum/Fachhochschule)
Oberhausen CentrO (Nordrhein-Westfalen) – Shopping/Entertainment Center
Region Erzgebirge (Sachsen) – Musikinstrumente, Holzkunstwerk
Bocholt (Nordrhein-Westfalen) – Grenzstadt
Singen (Baden-Württemberg) – Grenzstadt
Lörrach-Rheinfelden (Baden-Württemberg) – Grenzstädte
Karlsruhe (Baden-Württemberg) – Grenzstadt
Aachen (Nordrhein-Westfalen) – Grenzstadt
Saarbrücken/Saarlouis (Saarland) – Grenzstädte
Görlitz (Sachsen) – Grenzstadt
Frankfurt/Oder (Brandenburg) – Grenzstadt
Glashütte (Sachsen) – Uhrmanufaktur
Flensburg (Schleswig-Holstein) – Grenzstadt
Gerade mit der Erweiterung der EU um die zehn neuen Mitgliedstaaten aus dem Osten bieten sich für die Grenzstädte der neuen Bundesländer zusätzliche Umsatzpotenziale durch
den Shoppingtourismus.
Grundsätzlich ist die Themenkooperation der ‘‘Shopping-Specials of Germany‘‘ nicht ausschließlich für den Incomingtourismus sondern auch in einem hohen Maße zur Stimulierung
des Shoppingtourismus im Binnen- und Transitbereich geeignet.
Gleichwohl ist davon auszugehen, dass gerade die hochwertigen Arbeiten der Manufakturen
wie die Herstellung von Porzellan, Uhren, Musikinstrumenten und Holzkunst sehr großes Interesse bei Kunden aus Übersee finden. Die Themenkooperation sollte ggf. im Rahmen einer Dachmarkenstrategie, wie sie im an späterer Stelle folgenden Projekt ‘‘Shopping made in
Germany‘‘ vorgeschlagen wird, integriert werden.
Projektidee ‘‘Textilstraße in Nordrhein-Westfalen‘‘
Eine Shoppingstraße durch Nordrhein-Westfalen wäre eine gute Möglichkeit zur Stärkung
der ‘‘Shoppingdestination NRW‘‘. Knotenpunkt für diese Route könnte Düsseldorf mit seiner
legendären Einkaufsstraße Königsallee (‘‘Kö‘‘), der Schadowstraße und der Altstadt sein.
Durch die weltweit größte Modemesse CPD und die Igedo, die vielen bekannten DesignerMarken mit Sitz in Düsseldorf und die neuerdings stärkere Fokussierung auf Düsseldorf als
‘‘Fashion City‘‘ seitens der Düsseldorf Marketing und Tourismus Gesellschaft wäre eine gute
Startbasis gegeben. Weiterhin könnte die Route nach Oberhausen (CentrO) über Dortmund
nach Ostwestfalen-Lippe führen, das mit großem textilen Erbe und einer Zahl von Fabrikverkäufen hochwertiger Bekleidungsmarken den Endpunkt der Route markieren würde.
Beteiligte Institutionen: Landestourismusverband Nordrhein-Westfalen (Projektleitung), beteiligte Regionen, Städte, Unternehmen.
139
Projektidee ‘‘Straße der Manufakturen in Sachsen‘‘
Nur 15 touristische Straßen führen ganz oder teilweise durch Ostdeutschland4. Obwohl sich
bereits vier der Straßen in Sachsen befinden, bietet sich der Freistaat als Träger einer touristischen Straße mit dem Leitthema ‘‘Manufakturen‘‘ an. Sachsen beheimatet die weltbekannte Meißener Porzellanmanufaktur, die gläserne Manufaktur von Volkswagen in Dresden, die Uhrenmanufakturen der Stadt Glashütte sowie zahlreiche traditionelle Standorte der
Holzschnitzkunst, Glasbläserei und Metallverarbeitung im Erzgebirge.
Letztgenannte Standorte sind zwar bereits in der ‘‘Sächsischen Silberstraße‘‘ verknüpft, dennoch bietet das Leitthema ‘‘Manufakturen‘‘ neue Möglichkeiten: Die Vernetzung durch die
‘‘Straße der Manufakturen‘‘ hat Impulscharakter für die beteiligten Orte und Produzenten. Sie
ist die Initialzündung für die Inwertsetzung der regionalen Industrie- und Handwerkstraditionen für den Tourismus und bietet die Möglichkeit, sich dem Thema Shoppingtourismus zu
öffnen. Sie bietet einen Anreiz, über die Besichtigung von Produktionsstandorten hinausgehende shoppingtouristische Angebote zu schaffen.
Beteiligte Institutionen: Landestourismusverband Sachsen (Projektleitung), beteiligte Regionen, Städte, Manufakturen, Unternehmen.
Neben der Neueinrichtung von touristischen Routen mit Shoppingbezug soll allerdings auch
geprüft werden, ob sich dieses Thema an bestehende Konzeptionen anknüpfen lässt:
Shoppingthema an bestehende touristische Straßen anknüpfen
Bei zahlreichen touristischen Straßen dominiert die regionale Handwerks- oder Handelskultur als Leitthematik. Diese sind z.B. Deutsche Edelsteinstraße, Deutsche Uhrenstraße, Kannebäckerstraße, Porzellanstraße, Sächsische Silberstraße, Thüringer Porzellanstraße, Hanse-Route. Die Straßen sind hinsichtlich ihrer Eignung als Medium für das Shoppingthema zu
überprüfen. Möglichkeiten zum Einkauf der themenbildenden Produkte sollen in die Vermarktung der Route und den Routenverlauf selbst aufgenommen werden, sofern dies noch nicht
geschehen ist.
Beteiligte Institutionen: Träger der touristischen Straßen
Projektvorschlag: Dachmarkenstrategie ‘‘Shopping in Deutschland‘‘
Die Dachmarkenstrategie ‘‘Shopping in Germany‘‘ oder ‘‘Shopping in Deutschland‘‘ als gemeinsames Projekt von Einzelhandelsverbänden und Tourismusverbänden zielt darauf ab,
für den Kunden Produktqualität und Servicequalität transparent zu machen und bietet eine
Plattform für alle Akteure (Tourismus, Einzelhandel, Hersteller), die sich im Shoppingtourismus betätigen wollen.
Als Marketinginstrument, das eine hohe Außenwirkung hat und nach innen integrierend wirkt,
wird eine Marke eingeführt. Die Marke ‘‘Shopping in Germany‘‘ wird im Rahmen der zuvor
angesprochenen Marketingkampagne entwickelt und kann durch den Shoppingguide und
andere Aktivitäten der DZT bereits eine weite Diffusion und einen hohen Bekanntheitsgrad
erfahren.
Die Marke wird im Sinne einer Qualitätszertifizierung an die teilnehmenden Betriebe vergeben:
•
Teilnehmende Einzelhandelsbetriebe verpflichten sich, bestimmte Qualitätsstandards bei
den angebotenen Waren einzuhalten und auf touristische bzw. ausländische Zielgruppen
ausgerichtete Serviceleistungen anzubieten (z.B. Verpackungsservice, Versandservice,
Mehrsprachigkeit des Personals, Größenangaben in verschiedenen Systemen, Beschilderung etc., Hilfe beim Tax-Refund etc.).
4
Stand: 2000.
140
•
Die teilnehmenden touristischen Marketingorganisationen (z.B. Tourist-Info-Büros, Regionalvermarkter) verpflichten sich, shoppingtouristische Informationen vorzuhalten und
touristische Produkte zu entwickeln (z.B. Shoppingpauschalen usw.). Hierzu wird von
Einzelhandelsverband und DTV ein gemeinsamer Kriterien- und Maßnahmenkatalog erarbeitet bzw. in Auftrag gegeben.
•
Flankierend werden Schulungen für Einzelhändler hinsichtlich der Anforderungen an touristische Shopping-Zielgruppen durchgeführt. An gemeinsamen ‘‘Runden Tischen‘‘ auf
lokaler oder regionaler Ebene werden von Einzelhandel und Tourismuswirtschaft gemeinsame, lokalspezifische Vermarktungsinstrumente wie z.B. Provisionsmodelle durch
Gästecards erarbeitet oder gemeinsame Pauschal-Arrangements aufgelegt. Diese Angebote können ebenfalls, falls sie den vereinbarten Kriterien entsprechen, mit der Marke
‘‘Shopping made in Germany‘‘ zertifiziert werden.
•
Die Zertifizierung erfolgt durch die Tourismus- und Einzelhandelsorganisationen auf Länderebene. Im Gegenzug werden die beteiligten Einzelhandelsbetriebe und Destinationen
unter der Dachmarke ‘‘Shopping in Deutschland‘‘ oder international ‘‘Shopping made in
Germany‘‘ durch die DZT vermarktet.
Beteiligte Institutionen: Einzelhandelsverband HDE und Deutscher Tourismus Verband (Projektträger); Einzelhandels- und touristische Landesverbände (Zertifizierung), Einzelhandelsbetriebe und touristische Vermarktungsstellen; DZT - Deutsche Zentrale für Tourismus (Marketing).
Die Umsetzung von integrierenden Konzepten wie der Dachmarkenstrategie ‘‘Shopping in
Deutschland‘‘ bildet den Abschluss des vorbereitenden Innenmarketing. Insbesondere der
hohe Konkurrenzdruck im internationalen Markt verlangt es, im Außenmarketing die positiven Aspekte der Shoppingdestination Deutschland zu nutzen und klar herauszustellen. Die
hier vorgestellte Marketingkampagne ‘‘Shopping made in Germany‘‘ soll die Initialzündung
für eine gemeinsame Marktbearbeitung durch Tourismus und Handel sein und zur Etablierung des Themas im touristischen Portfolio Deutschlands beitragen.
So sieht die Marketingstrategie für das Auslandsmarketing der DZT für 2004 bis 2006 zwei
Hauptproduktlinien vor. Dabei geht es zum einen um Städte- und Event-Tourismus, zum anderen um Erholungstourismus in Deutschland. Als erster Ansatzpunkt wären diese Produktlinien gezielt und umfassend um die Shoppingkomponente zu erweitern. Wie oben gesehen,
hat gerade der touristische Incoming-Bereich hohe Bedeutung für Shoppingtourismus, insbesondere den Einzelhandel.
Shoppingtourismus findet sich z.Zt. vor allem in Verbindung mit der touristischen Vermarktung von Großstädten. Die Arbeiten im Rahmen der vorliegenden Studie, insbesondere zu
den shoppingtouristischen Angebotsstrukturen, haben gezeigt, dass shoppingtouristische
Strukturen gerade in eher ländlichen (grenznahen) Gebieten bereits sehr erfolgreich sind,
dass das Potenzial allerdings noch nicht ausgenutzt wird. Diese Zusammenhänge müssen
bedacht werden, wenn Shoppingtourismus als ganzheitlicher Vermarktungsgegenstand profiliert wird.
Es geht dabei um mehr als die bloße Nennung von ‘‘Shopping‘‘ als Teil eines touristischen
Reiseerlebnisses. Ziel der Vermarktung von Shoppingtourismus auf Bundesebene ist die Unterstützung der Umsetzung der vorstehend genannten Handlungsempfehlungen für Unternehmen, Kommunen, Regionen usw. Entsprechende Formen des Außenmarketing sollten
bereits vor Abschluss der Phase des Innenmarketing, vorbereitet und – soweit möglich –
umgesetzt werden.
Zur Verdeutlichung dieses Anliegens wird im Folgenden die Marketingidee ‘‘Shopping made
in Germany‘‘ vorgestellt. Sie könnte als eigene Produktlinie innerhalb der Marketingstrategie
der DZT den Abschluss des Außenmarketingprozesses darstellen. Die Vermarktung von
Shoppingtourismus hätte auf diesem Wege die größte Außenwirkung. Zuvor aber bietet sie
141
v.a. Anhaltspunkte für die Integration von ‘‘Shoppingtourismus‘‘ in die bestehende Marketingstrategie der DZT.
Marketingidee ‘‘Shopping in Germany‘‘
Einkaufen in Deutschland ist attraktiv. Das Preisniveau für viele Warengruppen ist in
Deutschland im Vergleich zu ‚Euroland’ günstig. Dabei wurde durch die Euro-Einführung ein
hohes Maß an Transparenz geschaffen, das den direkten Preisvergleich deutlich erleichtert.
Aber auch im Vergleich zu beispielsweise Großbritannien oder der Schweiz weist Deutschland ein sehr attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis auf. Das gilt ausdrücklich auch für hochwertige Textilien und Unterhaltungselektronik. Die hohe Qualität deutscher Industrieprodukte
genießt nach wie vor in der Welt ein hohes Ansehen. Dieser Qualitätsanspruch überträgt
sich von der Industrie auch auf hochwertige Modefirmen, wie ‚Hugo Boss’, ‚Jill Sander’,
‚Lloyd’ oder ‚Escada’, selbst wenn diese Firmen nicht zwingend mit Deutschland in Verbindung gebracht werden. Dennoch wird deutschen Luxusgütern – in der Wahrnehmung der
Kunden – eine hohe Produktsicherheit zugebilligt. Deutschland bietet jedoch nicht nur attraktive Preise und Produkte, sondern gute (insbesondere institutionelle) Rahmenbedingungen.
Der Qualitätsbegriff ‘‘Made in Germany‘‘ ist in der frühen Blütezeit des Industriezeitalters entstanden, als sich in Deutschland bestimmte regional konzentrierte industrielle Branchencluster herausgebildet haben, die heute noch – oder wieder – das Bewusstsein der entsprechenden Region widerspiegeln. Auch wenn der Strukturwandel in vielen Regionen zu einem
Niedergang der traditionellen Branchencluster geführt hat, so kann Deutschland noch mit einer Vielfalt von regionstypischen industriellen oder in Manufakturen hergestellten Konsumoder Luxusgütern aufwarten.
Aus diesen Alleinstellungsmerkmalen lassen sich Basis-Bausteine für ‘‘Shopping in Germany‘‘ ableiten, die einen grundlegenden Orientierungsrahmen für ein zu erstellendes Marketingkonzept bilden:
Die Basis für ‘‘Shopping in Germany‘‘:
Sicherheit:
Heimat:
Optionen:
Preis:
Produkte:
Internationalität:
Neugier:
Gastlichkeit:
Sicherheit und Sauberkeit in deutschen Städten, politische Stabilität,
Stabilität der Währung.
Typische Speisen und Getränke; Festkultur und Märkte; regionale
Handwerks- und Manufakturprodukte.
Vielfalt der Shoppingmöglichkeiten, vom städtischen Facheinzelhandel
bis zum Fabrikverkauf im Brand-Land.
Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bei shoppingtouristisch häufig nachgefragten Produktgruppen (Textilien, Unterhaltungselektronik) im europäischen Vergleich.
Produktsicherheit, Vielfalt, Auswahl, hohe Qualität, umfangreiche gesetzliche Garantieleistungen.
Vielfältiges Angebot an internationalen Marken, internationale Bekanntheit deutscher Marken. Internationale Verkehrsknotenpunkte,
Deutschland ist Transit- und Geschäftsreiseland.
Shopping als neues Thema, sowohl für Anbieter als auch für Touristen. Neue Zielgruppen (z.B. durch Billigflieger, aus China, aus Osteuropa) erfordern neue Angebote. ‘‘Deutschland, schon mal da gewesen?‘‘
Breites Angebot an Unterkünften in allen Preis- und Qualitätsstufen.
Renommierte und vielfältige Gastronomie mit regionalen Spezialitäten.
Hohe Servicequalität im Gastgewerbe wird gefördert. (Initiative verschiedener Bundesländer).
Diese Bausteine bilden die Basis einer Marketingkampagne, die von den entsprechenden
beteiligten Institutionen zu erstellen ist. An ihnen orientiert sich die Gestaltung der Marke-
142
tingmaßnahmen und der touristischen Produkte und Dienstleistungen entlang der gesamten
Wertschöpfungskette im deutschen Shoppingtourismus.
Die Kampagne ‘‘Shopping made in Germany‘‘ sollte federführend von der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) mit dem ihr zur Verfügung stehenden Instrumentarium umgesetzt und
abschließend als weitere Produktlinie innerhalb der Marketingstrategie der DZT implementiert werden.
143
7.
ZUSAMMENFASSUNG
(1) Shoppingtourismus wird in Deutschland von weiten Teilen des (traditionellen) Einzelhandels zurzeit nur vereinzelt als Chance begriffen. Dagegen setzen die Betreiber bzw. Investoren von ‘‘neuen Formen‘‘ des Handels wie z.B. Factory-Outlet-Center und Shopping-Center
aus dem In- und Ausland gezielt auf Einkaufstourismus. Das noch geringe Interesse des
deutschen Einzelhandels wird auch damit begründet, dass das Volumen von Shoppingtourismus durch ausländische Käufer viel zu gering sei.
(2) Auf Shoppingtouristen aus dem Ausland entfallen zwar derzeit (2004) ‘‘nur‘‘ 2,5 Mrd. €
bzw. 0,7 % des Einzelhandelsumsatzes i.e.S. Bei dieser Zielgruppe war in letzter Zeit jedoch
ein starker Anstieg zu beobachten, und mit großer Wahrscheinlichkeit wird dieser Trend
auch in Zukunft anhalten, die Fußballweltmeisterschaft 2006 wird einen zusätzlichen Push
bringen. Zwischen 1999 und 2004 nahmen die Ankünfte ausländischer Gäste im deutschen
Beherbergungsgewerbe um 18 % und seit 1995 sogar um 36 % zu (vgl. hierzu im Detail Kap.
3.4). Die Gutachter schätzen, dass bis zum Jahre 2010 der shoppingtouristische Umsatz von
Ausländern um gut eine Mrd. € bzw. 40 % steigen wird.
(3) Shoppingtourismus ist nicht nur Tourismus aus dem Ausland. Deutsche Shoppingtouristen gaben (2004) rd. 10 Mrd. € im Einzelhandel aus, das entspricht einem Anteil am Einzelhandelsumsatz von weiteren 2,7 % (vgl. Kap. 3.2). Insgesamt entfallen auf Shoppingtourismus zur Zeit also 3,4 % des Einzelhandelsumsatzes im engeren Sinne (ohne Kfz, Benzin,
Apotheken).
(4) Hinter dem Begriff ‘‘Shoppingtourismus‘‘ verbergen sich unterschiedliche Phänomene, die
auch differenziert zu bewerten sind. Zum einen die bereits erwähnte Aufteilung auf Einkaufstourismus aus dem In- sowie dem Ausland. Auf den ersteren entfielen 2004 rd. 80 % der
Umsätze im Einkaufstourismus, auf Ausländer 20 % (vgl. hierzu im Detail Kap. 3.2). Weiterhin ist zwischen Shoppingtouristen i.e.S. und solchen i.w.S. zu unterscheiden. Die erste
Gruppe macht zwar nur rd. 15 % aus, vereint aber fast 70 % der shoppingtouristischen Umsätze auf sich. Eine weitere Unterscheidung besteht zwischen Übernachtungsgästen und
Tagestouristen. Insbesondere die Tagesgäste tragen zum Umsatz im Handel bei, auf diese
entfallen knapp 75 % der durch Einkaufstouristen getätigten Umsätze des Handels.
(5) Die geringe Beachtung des deutschen Shoppingtourismus durch den traditionellen Einzelhandel hängt vor allem damit zusammen, dass dort vielfach unterstellt wird, innerdeutscher Einkaufstourismus habe keinen Einfluss auf den Gesamtumsatz des Handels, da die
Einkäufe nur von einem Ort zum anderen verlagert würden. D.h., was an einem Ort als zusätzlicher Umsatz verloren geht, wird an einem anderen hinzugewonnen. Die Gutachter sind
der Meinung, dass zumindest ein Teil dieser 10 Mrd. € tatsächlich aber Zusatzausgaben
sind. Wären 30 % dieser Ausgaben zusätzlich, betrüge der Anteil des Shoppingtourismus am
Einzelhandelsumsatz 1,3 %, bei einer Zusätzlichkeitsquote von 50 % sogar 1,6 %.
(6) Shoppingtourismus ist bei einer bundesweiten Durchschnittsbetrachtung tatsächlich nicht
die Stellschraube, mit der man enorme Umsatzzuwächse im Einzelhandel erzeugen könnte.
Allerdings verstellt die bundesdurchschnittliche Betrachtung den Blick auf das Wesentliche,
nämlich die Tatsache, dass sich Shoppingtourismus an bestimmten Orten und Regionen
konzentriert. Dies sind zum einen die grenznahen Gebiete (Auslandsshoppingtouristen) und
zum anderen Großstädte, Regionen im Strukturwandel, die gezielt auf Shopping als neuen
Standortfaktor setzen (z.B. Oberhausen im Ruhrgebiet), aber auch die traditionellen Urlaubsreisegebiete. Nicht ohne Grund vermarkten sich z.B. Berlin und München gezielt als Shoppingdestinationen.
(7) Der Umfang von Einkaufstourismus in Deutschland wird bis Ende des Jahrzehnts wesentlich stärker zunehmen als der ‘‘normale‘‘ Einzelhandelsumsatz. Die Gutachter gehen davon aus, dass sich der gesamte Einzelhandelsumsatz, der von Einkaufstourismus generiert
wird, von 12,5 Mrd. € im Jahr 2004 auf 14,4 bis 15,6 Mrd. € erhöhen wird, also um ca. 20 %,
144
dabei steigt der Umsatz mit Ausländern – wie oben bereits erwähnt – etwa doppelt so
schnell.
(8) Belastbare Daten dazu, ob z.B. in Großbritannien, Frankreich, Italien oder den Niederlanden der Einzelhandel durch Einkaufstourismus stärker als der in Deutschland profitiert und
man daher von diesen Ländern lernen könnte, liegen nicht vor. Vergleicht man allerdings die
Lage in Deutschland mit der im Ausland, lassen sich klare Stärken und Schwächen erkennen.
(9) Der Handel hat vielfach die Bedeutung von Einkaufstouristen aus dem In- und Ausland
noch nicht erkannt. Die Kooperation zwischen Tourismusverbänden und -organisationen auf
örtlicher, regionaler, aber auch Bundesebene ist stark verbesserungsbedürftig. Orte, im Inund Ausland, bei denen diese Kooperation funktioniert, beweisen, dass sich dies auch shoppingtouristisch auszahlt. Es fehlt eine konsequente Verknüpfung der Shoppingangebote mit
der Vermarktung von Städten und Regionen als Kultur-, Urlaubs-, Messestandort etc. Generell ist der Vernetzungsgedanke nur schwach ausgeprägt. Kooperationen z.B. zwischen örtlichen Messeorganisationen, Kulturmanagern, Reiseveranstaltern und dem Handel sind noch
zu selten zu finden. Deutschland vermarktet sich im Ausland vor allem als ‘‘Kulturland‘‘. Dass
hier auch attraktive Produkte hergestellt und verkauft werden, wird kaum kommuniziert.
(10) Die Namen deutscher Handelsunternehmen sind eher unbekannt, Ausnahmen wie das
KaDeWe bestätigen eher diese Regel. Weiterhin ist mit Ausnahme der Kaufhof Warenhaus
AG keine deutsche Warenhauskette im nationalen Tourismus involviert. Amerikanische und
englische Kaufhausketten sind hingegen heute international bekannt und haben zum Image
wichtiger Shoppingdestinationen beigetragen.
(11) Die Ladenöffnungszeiten sind, was die Tage Montag bis Samstag betrifft, in Deutschland durchaus konkurrenzfähig, an anderen wichtigen Shoppingdestinationen im Ausland
sind zwar vielfach die gesetzlichen Regelungen liberaler, werden aber vom Handel auch
nicht voll ausgenutzt. Teilweise nutzen die deutschen Einzelhändler – trotz der immer wieder
zu hörenden Klagen – die bestehenden Möglichkeiten zur Ladenöffnung noch nicht einmal
aus. Kurorte mit 30.000 und mehr Einwohnern, in denen samstags bereits um 14.00 Uhr die
Türen der Geschäfte verschlossen sind, sind keine Seltenheit.
(12) Die Ladenöffnungszeitregelungen am Sonntag sind dagegen ein echtes Handicap. Tagesgäste und Kurzurlauber sind vor allem am Wochenende unterwegs. Im benachbarten
Ausland sind diese Regelungen wesentlich liberaler. Dies führt nicht nur zu ausbleibenden
Einkaufstouristen, sondern – was wahrscheinlich noch schwerer wiegt – zu Kaufkraftabflüssen ins Ausland. Dies konnte z.B. für das FOC im niederländischen Roermond festgestellt
werden, das nahe zur deutschen Grenze errichtet wurde, nachdem die Investoren in
Deutschland keine Genehmigung erteilt bekommen haben. Das FOC in Roermond ist natürlich auch sonntags geöffnet.
(13) Der deutsche Einzelhandel ist auf Shoppingtouristen – vor allem aus dem Ausland – nur
unzureichend vorbereitet. Mangelnde Fremdsprachenkenntnisse des Verkaufspersonals,
fehlender Verpackungs- und Versandservice, das Nicht-Akzeptieren von Kreditkarten (vor allem solcher, die Kunden aus Übersee nutzen), sind hierfür nur einige Beispiele.
(14) Allerdings gelten diese Defizite nicht durchgehend für alle Destinationstypen von Shoppingtourismus. Servicemängel, mangelnde Kooperation und Vernetzung bzw. Verknüpfung
von Veranstaltungen mit Einzelhandelsaktivitäten sind vor allem dort anzutreffen, wo der
Einzelhändler auch ‘‘Einzelkämpfer‘‘ ist. In den professionell gemanagten FOC oder Shopping-Centern bzw. -Malls sind wesentlich stärker vernetzte und koordinierte Strukturen festzustellen (vgl. Kap. 4.1.2).
(15) Ein klarer Standortvorteil – zumindest im €-Raum – ist das deutsche Preisniveau. Mit
Ausnahme von Bekleidung und Schuhen – auf die allerdings fast die Hälfte der shoppingtouristischen Umsätze entfällt – hat Deutschland überwiegend klare Preisvorteile, vor allem
145
auch bei Elektroartikeln. Auch die vergleichbar moderaten Hotel- und Restaurantpreise wirken auf den Tourismus positiv.
(16) Eine Stärkung des Shoppingtourismusstandorts Deutschland ist nur zu erwarten, wenn
der Handel selbst aktiv wird, dieser hat hier eine Bringschuld. Solange die oben beschriebene Meinung vorherrscht, werden tiefgreifende Veränderungen nicht zu erwarten sein. Einkaufstourismus ist zu weiten Teilen ein ‘‘Abfallprodukt‘‘ von Tourismus generell. Bei Übernachtungsgästen übertreffen die Ausgaben für Hotel, Gastronomie, Dienstleistungen und
Verkehr die für Einkäufe. D.h., der Handel muss auf diese Tourismuspartner zugehen, wenn
er von deren Magnetwirkung profitieren will. Hotels, Gastronomie etc. sind dagegen auf die
shoppingtouristische Attraktivität des Handels nur zu einem geringen Teil angewiesen.
(17) Im Einzelnen sind folgende wichtige Partner zu nennen, die in eine Gesamtstrategie zur
Förderung des Shoppingtourismus eingebunden werden sollten:
•
Unternehmen: Leistungsträger aus der Handelsbranche bilden die Basis der shoppingtouristischen Attraktivität Deutschlands und einen Hauptansatzpunkt für die Mobilisierung
des shoppingtouristischen Potenzials. Neben Einzelhändlern zählen zu dieser Akteursgruppe auch touristische Dienstleister und Hersteller, die über Direktverkauf und moderne Shoppingkonzepte ihre Produkte vermarkten.
•
Kommunen: Der lokale Angebotsmix verleiht einer Stadt die entsprechende touristische
Attraktivität. Kommunen sind gefordert, die von Leistungsträgern bereitgestellten Teilangebote mit dem endogenen touristischen Potenzial zu verbinden, um so ein attraktives
touristisches Angebot auf dem Markt zu präsentieren. Auf kommunaler Ebene sind die
Leistungsträger aus Einzelhandel und Tourismus besonders aufgefordert, zusammenzuarbeiten.
•
Regionen: Das touristische Thema ‘‘Shopping‘‘ kann nicht nur auf lokaler Ebene behandelt werden, sondern muss durch geeignete Maßnahmen in den Raum übertragen und
von den Regionalvermarktern als Vermarktungschance begriffen werden.
•
Kammern/Verbände: Kammern und Verbände der Einzelhandels- und Tourismusbranche sind geeignete Institutionen, um die Idee der shoppingtouristischen Destination
Deutschland in ihre Arbeit zu integrieren und nach innen und außen zu kommunizieren.
•
Staatliche Ebene: Bund, Länder und Gemeinden können durch eine Verbesserung der
gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie durch Einflussnahme auf die Vermarktung der
Destination Deutschland im Ausland zu einer Ausweitung von Shoppingtourismus beitragen.
(18) Shoppingtourismus verlangt nach ganzheitlichen, integrativen Ansätzen, um die mittelfristig guten Wachstumschancen der betreffenden Märkte (v.a. des Einzelhandels) zu nutzen. Im Hinblick auf ganzheitliche Kooperationen, insbesondere unter Beteiligung des Handels, ist das zentrale Anliegen die Verankerung von ‘‘Shopping‘‘ als integraler Bestandteil
des Tourismus in Deutschland. Es geht um das Herausstellen von ‘‘Shoppingtourismus‘‘ als
eigenen touristischen Vermarktungsgegenstand. Die Betonung der Wichtigkeit von Kooperationen und ganzheitlichen Marketingstrategien und die Schaffung von Grundlagen für
kooperatives Handeln der Partner ist Grundvoraussetzung zur Ausschöpfung der
bestehenden
Potenziale für jede beteiligte Seite. Hier liegt Handlungspotenzial für Institutionen auf Bundesebene.
(19) Z.Zt. differieren die Bewertungen des shoppingtouristischen Potenzials der verschienen
Akteure noch recht stark. Daher sollte zunächst klar werden, dass Shoppingtourismus
Potenzial bietet, welches in kooperativen Verbünden zwischen Tourismus, Handel und Stadtbzw. regionalem Marketing erschließbar ist. Im Anschluss an die Klärung der gemeinsamen
Anliegen gilt es, Konzepte umzusetzen, die insbesondere den Einzelhandel einbinden.
146
(20) Die vordringlichen Aufgaben der staatlichen Stellen liegen nach Einschätzung der Gutachter auf folgenden Gebieten:
•
Auf kommunaler und Landesebene sollte die restriktive Genehmigungspolitik bei Shopping-Centern und Factory-Outlet-Centern grundsätzlich überdacht werden. Zumindest im
grenznahen Raum wird es nicht mehr lange dauern, bis das benachbarte Ausland diese
offene Flanke noch stärker als bisher nutzt und weitere FOC genehmigt, die dann überwiegend von deutschen Käufern frequentiert werden, wie das Beispiel Roermond in den
Niederlanden zeigt.
•
Die Kommunen mit ihren Tourismus- und Stadtmarketingeinrichtungen sind wesentliche
Ankersteine für die erforderliche ganzheitliche Vermarktung als Reiseziel, das auch
Shopping einschließt.
•
Der Bund ist vor allem als Moderator zwischen den Spitzenverbänden des Handels, des
Tourismus, der Kommunen, des Hotel- und Gaststättengewerbes, aber auch der Kulturveranstalter (z.B. Musicals) gefordert. Darüber hinaus befürworten die Gutachter den
Vorschlag, die Regelungshoheit zum Ladenschluss auf die Länder zu übertragen. Diese
sollten dann in eigener Verantwortung und, abgestimmt auf die regionalen Belange, vor
allem Sonntagsverkäufe weit weniger restriktiv als bisher handhaben.
147
ANHANG
148
1. Methodik
Erst in den letzten Jahren ist Shoppingtourismus als eigenständiges Thema begriffen und zum
Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtungen und Marketinginitiativen gemacht worden. So
verwundert es nicht, dass es innerhalb des ansonsten breiten Spektrums an verfügbaren
Statistiken zu den Fachbereichen Tourismus (Fremdenverkehr) und Einzelhandel in Deutschland keine zu diesem Themenschwerpunkt als Ganzes abdeckende Datenquelle gibt, aus der
sich etwa unmittelbare Rückschlüsse für regionale oder lokale Fragestellungen ziehen ließen.
Zwar liegen detaillierte und noch hinreichend aktuelle Erhebungen zum Ausgabeverhalten von
Übernachtungsgästen vor, die vom dwif zuletzt im Jahr 2002 bundesweit befragt wurden. Das
Ausgabeverhalten der „Tagesgäste“ hingegen wurde zuletzt im Jahr 1993 auf vergleichbarer
Basis erhoben. Aus beiden Untersuchungen lassen sich keine Rückschlüsse auf den Teil der
Besucher von touristischen oder einzelhandelsrelevanten Standorten ziehen, der sich unter
dem Begriff „Shoppingtouristen“ zusammenfassen lässt.
Für den Einzelhandel wiederum liegen nur wenige bundesweite Erhebungen vor, die zumindest
gewisse Rückschlüsse auf das Phänomen „Shoppingtourismus“ zulassen. Traditionell wird in
der räumlichen Kategorie von „Einzugsgebieten“ bewertet, inwieweit ein Standort erfolgreich ist
und eine hohe Kaufkraftbindung erreicht. Die mit Kunden von weiter außerhalb erzielten
Umsätze werden in der Regel als Folge „vagabundierender Kaufkraft“ oder „diffuser Kaufkraftströme“ angesehen und kaum differenziert betrachtet. Eine Detailbewertung touristischer oder
gar shoppingtouristischer Anteile am Einzelhandelsumsatz wurde nur für wenige exponierte
Standorte durchgeführt (z.B. Berlin, München oder Metzingen).
Vor diesem Hintergrund ergab sich die Anforderung, mit vertretbarem Aufwand zu brauchbaren
Ergebnissen hinsichtlich der aktuellen Bedeutung von Shoppingtourismus in Deutschland und
seiner zukünftigen Entwicklung zu kommen. Einen breiten Raum nahm zunächst die Recherche
verfügbarer Quellen ein.
Literatur-/Internetrecherche
Da es sich beim Thema Shoppingtourismus i.e. Sinne um ein relativ neues und dynamisches
Forschungsfeld handelt, wurde großer Wert auf eine umfangreiche Sichtung und Bewertung
aktueller relevanter Veröffentlichungen gelegt. Dabei ging es einerseits um eine fachliche
Einordnung des Begriffs im Umfeld der Themenbereiche Einzelhandel (bzw. „Shopping“) und
Tourismus. Andererseits sollten an dieser Stelle bereits Hinweise auf die Einflussfaktoren für
erfolgreichen Shoppingtourismus und auf die Entwicklung des entsprechenden Marktsegments
gewonnen werden.
Die aus der Recherche hervorgegangene Literaturliste findet sich am Ende des Gutachtens.
Untersuchung ausgewählter Destinationen
Wichtiger Zwischenschritt war nach der Auswertung der verfügbaren Literatur und sonstiger
Quellen (v.a. Internet) die Zusammenstellung von internationalen und deutschen Beispielen
möglicher Ausprägungen von Standorten, an denen infolge günstiger Rahmenbedingungen und
geeigneter Marketingmaßnahmen Shoppingtourismus zustande gekommen ist.
Nach einer Sichtung der verfügbaren Quellen wurde durch die Arbeitsgemeinschaft eine
Auswahl an Standorten in Deutschland festgelegt, an denen die Gewinnung von Erkenntnissen
über „Shoppingtouristen“ für besonders aussichtsreich gehalten wurde. Dies, weil es in der
149
Literatur entsprechende Hinweise gab, dass der vermutete Anteil der überhaupt als „Shoppingtouristen“ zu identifizierenden Personen an diesen Standorten als hoch einzustufen war.
An diesen Standorten wurden Passanten persönlich zu ihrem Reise- und Einkaufsverhalten
befragt.
Ergänzend konnten Daten aus bereits vorliegenden Untersuchungen zur räumlichen Ausdehnung von Einzugsgebieten des Einzelhandels an ausgewählten Standorten berücksichtigt
werden, aus denen Rückschlüsse über den Anteil der „Shoppingtouristen“ möglich waren.
Hierbei wurden insbesondere Daten aus der „Untersuchung Kundenverkehr“ des Handelsverbandes BAG (Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels)
sowie eigene Erhebungen von ECON-Consult genutzt. Hervorzuheben ist eine an mehreren
Tagen in 2003/2004 durchgeführte Erfassung von insgesamt 3.833 Pkw-Kennzeichen beim
„Designer-Outlet Roermond“.
Passanteninterviews an ausgewählten Standorten in Deutschland
An insgesamt 14 Standorten in neun Städten wurden im Zeitraum März/April 2004 mündliche
Interviews mit Passanten durchgeführt. Dabei wurden gezielt nur Personen befragt, deren
Wohnsitz außerhalb des üblicherweise für den jeweiligen Standort zu unterstellenden Einzugsbereichs lag. Auf diese Weise konnte gewährleistet werden, dass es sich bei den Befragten
tatsächlich um „Shoppingtouristen“ – zumindest im weiteren Sinne – handelt.
Abb. A1: Standorte der Passantenbefragungen
Stadt
Standorttyp
Befragungsstandort(e) und Interviewanzahl
Berlin
City
Düsseldorf
Idar-Oberstein
Köln
City
City
City
Mettlach
Metzingen
München
City
Fabrikverkauf
City
Flughafen
Oberhausen
ShoppingCenter
FOC
Kurfürstendamm/KaDeWe
Potsdamer Platz
Unter den Linden
Königsallee
Fußgängerzone
Schildergasse/Hohe Straße
Dom/Bahnhof
Villeroy & Boch
Fußgängerzone
Kaufinger Straße/Marienplatz
Leopoldstraße/Brienner Straße
Airport Shopping Center
CentrO
Zweibrücken
Gesamt
Designer Outlet-Center
96
63
98
203
200
91
112
101
201
115
69
62
317
201
1.929
Quelle: ECON-Consult 2004
Bei der Auswahl der Standorte war zunächst Zielsetzung, das Spektrum an für den Shoppingtourismus relevanten Angeboten hinreichend abzudecken. So wurden neben Innenstädten vor
allem auch Sonderstandorte wie CentrO (Oberhausen), das Designer-Outlet Center Zweibrü-
150
cken und der Flughafen München einbezogen, ferner Standorte wie Idar-Oberstein und Mettlach, die stark durch die Herstellung oder den Handel einzelner Produkte geprägt sind.
Auf der anderen Seite war gerade bei diesen Standorten teilweise eine vorherige Kontaktaufnahme mit Ansprechpartnern vor Ort erforderlich, um auf dem üblicherweise privaten Grund
überhaupt Befragungen durchführen zu können. Mit wenigen Einschränkungen konnten die
entsprechenden Genehmigungen eingeholt werden, nicht zuletzt deswegen, weil das Interesse
bei den Verantwortlichen dieser Standorte bemerkenswert groß war.
Inhaltliche Schwerpunkte der Interviews waren Fragen zu Einkaufsmotiven, nachgefragten
Waren und Dienstleistungen, Pro-Kopf-Ausgaben, zur Bewertung des Einkaufserlebnisses und
zu soziodemografischen Merkmalen.
Die Ergebnisse wurden zur empirischen Absicherung der von den befragten Experten geäußerten Einschätzungen der aktuellen Situation und der Zukunftsperspektiven von Shoppingtourismus in Deutschland herangezogen. Auf den folgenden Seiten ist der Fragebogen der Passantenbefragung abgebildet.
Abb. A2: Fragebogen der Passantenbefragung
Besucherbefragung Shopping Tourismus
Datum: ___ . ___ . 2004; Befragungsstandort:
...................................................................................
Filterfrage: Stammen Sie hier aus der Stadt/Region? Weiter nur, falls NEIN geantwortet!
(Notfalls erläutern: Gefragt werden sollen nur Passanten, die von relativ weit außerhalb kommen – etwa 1 Std.
Fahrtzeit)
1. Ihr Wohnort
PLZ:.................Wohnort:....................................................
Land (nur, falls nicht Deutschland): ..................................
2. Sind Sie zum ersten Mal hier?
3. Welche Art von Reise unternehmen Sie?
4. Wie sind Sie auf diese Stadt und speziell die
Einkaufsmöglichkeiten hier aufmerksam
geworden?
(Mehrfachnennungen möglich)
ja
nein, ich war schon ca. .......... Mal hier
Tagesausflug von zu Hause
auf der Durchreise
Kurzurlaub (1 – 3 Übernachtungen)
einen Urlaub (> 3 Übernachtungen)
Sonstiges: ................................................................
Freunde/Bekannte/Verwandte
Reisemesse
Fernsehen
Tourist Information
Internet
Bücher/Literatur
Zeitung/Zeitschrift
Sonstiges: ....................................
151
5. Wo sind Sie untergebracht?
keine Übernachtung
bei Freunden/Bekannten/Verwandten
Hotel
Camping
Pension/Hostel
Jugendherberge
Ferienwohnung
Sonstiges: ....................................
6. Was ist der Anlass für Ihre Reise?
7. Mit welchem Hauptverkehrsmittel sind Sie
hergekommen?
8. Wie lange dauert Ihr heutiger Aufenthalt hier
insgesamt?
Kultur
Shopping/Einkaufen
Freizeitangebote
Spezielle Veranstaltung, und zwar ............................
geschäftliche Gründe
Sonstiges: .................................................................
Pkw
Flugzeug
Reisebus
Nahverkehr
(Bus, U-/S-Bahn)
Fahrrad
Fernverkehr
Bahn
zu Fuß
Sonstiges: ............
max. ½ Stunde
länger
½ bis 1 Stunde
weiß nicht
1 bis 2 Stunden
2 bis 4 Stunden
9. Wie beurteilen Sie hier die folgenden
Punkte?
Bitte jede Vorgabe bewerten!
1 = sehr gut
4 = ausreichend
2 = gut
5 = schlecht
3 = befriedigend
0 = keine Angabe
Erreichbarkeit.................................................
Preisniveau....................................................
Besucherinformation......................................
Sauberkeit......................................................
Einkaufsmöglichkeiten....................................
Gastronomisches Angebot.............................
Kulturelles Angebot........................................
Veranstaltungen/Events...............................
Öffnungszeiten...............................................
Attraktivität insgesamt ...............................
152
10. Wenn Sie einmal alles zusammenrechnen:
Wie viel werden Sie am heutigen Tag pro
Person im Rahmen Ihres Besuches ausgegeben haben?
Bitte schlüsseln Sie die Ausgaben wie folgt
auf:
Einkauf
Bekleidung
Schuhe/Lederwaren
Unterhaltungselektronik (inkl. Computer/DVD/CD)
Bücher/Zeitschriften
Parfümerie/Drogeriebedarf/Arzneimittel
Spielwaren/Sportartikel
Uhren/Schmuck
Nahrungs-, Genussmittel (inkl. Zigaretten,
Getränke)
Sonstige Dinge, und zwar:
ca. ................€
ca. ................€
ca. …………. €
ca. ................€
ca. ................€
ca. ................€
ca. ................€
ca. ................€
ca. ................€
Sonstige Ausgaben
Anreise/Transfer
Hotel/Gastronomie
Dienstleistungen
Eintrittspreise (z. B. Freizeitangebote/
Veranstaltungen)
Sonstiges, und zwar ............................................
ca. ................€
ca. ................€
ca. ................€
ca. ................€
ca. ................€
Zur Person der/des Befragten:
11 a. Geschlecht: (Nicht abfragen!)
männlich
weiblich
11 b. allein/in Gruppe unterwegs:
(Wenn unsicher, nachfragen!)
allein
in Gruppe zu .... Personen
11 c. Alter: (Wenn unsicher, nachfragen!)
11 d. Haushaltseinkommen (netto), ca.
(Tabelle unten zeigen!)
16 – 20 Jahre
41 – 60 Jahre
keine Angabe
21– 25 Jahre
26 – 40 Jahre
über 60 Jahre
Gruppe 1
Gruppe 3
Gruppe 2
Gruppe 4
Wie hoch ist ungefähr das monatlich verfügbare Einkommen Ihres Haushaltes?
(Erläuterung: Nettoeinkommen, das für Einkaufen, Miete, Freizeit, Dienstleistungen etc. ausgegeben werden kann)
Tabelle zur Einkommensfrage: Bitte nennen Sie eine Gruppe!
Gruppe
€ EURO
US-$
(Dollar)
Britische
Pfund
Russische
Rubel
Japanische
Yen
1
< 1.000
< 1.300
< 700
< 35.000
< 140.000
1.000 – 2.000
1.300–2.500
700-1.300
35.000-70.000
140.000280.000
2.000 – 3.000
2.500-3.800
1.300-2.000
70.000100.000
280.000400.000
> 3.000
> 3.800
> 2.000
> 100.000
> 400.000
2
3
4
Ich danke Ihnen sehr für Ihre Auskünfte!
153
2. Leitfadengestützte Experteninterviews
Im Zeitraum Februar bis April 2004 konnten insgesamt 26 leitfadengestützte Interviews mit
Personen geführt werden, die professionell mit Shoppingtourismus befasst sind, darunter
Vertreter von städtischen Tourismusorganisationen, Einzelhandelsverbänden, Stadt- und
Citymarketing-Organisationen, Betreibern von Einkaufszentren und Reiseveranstaltern. Im
Einzelnen sind folgende Personen interviewt worden:
Abb. A3: Interviewparter für leitfadengeführte Expertengespräche
Interviewpartner
Funktion/Organisation
Georg Ansmann
Axel Biermann
Armin Brysch
Nils Busch-Petersen
Robert Datzer
Wolfgang Fischer
Birgit Eberhardt
Eberhard Gebauer
Claudia Gilles
Birgit Grauvogel
Michael Grundmann
Dr. Hanno Haiber
Markus Hallwig
Matthias Hißerich
Rijkert Kettelhake
Leiter des Fremdenverkehrsamtes der Stadt München
Geschäftsführer Tourismus und Marketing Oberhausen GmbH
Leiter Referat Tourismus DIHK
Geschäftsführer, Gesamtverband des Einzelhandels Land Berlin
Geschäftsführer Tourismusverband Nordrhein-Westfalen
City-Manager München
Leiterin Tourist-Info Südwestpfalz
Leiter Verbandsarbeit Kaufhof Warenhaus AG
Geschäftsführerin Deutscher Tourismusverband
Geschäftsführerin Tourismuszentrale Saarland
Geschäftsführer CentrO Management Oberhausen
Leiter Center Management Flughafen München
Produktmanager Städtereisen TUI
Geschäftsführer Tourismuszentrale Mettlach
Leiter Deutsche Zentrale für Tourismus in den Niederlanden, Belgien und
Luxemburg
Michaela Klare
Prof. E. Kreilkamp
Yvonne Kubitza
Regina Leitner
Franz Muckel
Inge Puri
Prof. Heinz-Dieter Quack
Olaf Roik
Josef Sommer
Andrea Talevski
Wolfram Zilk
General Manager North America, DZT – Deutsche Zentrale für Tourismus
Universität Lüneburg
Geschäftsführerin Dresden Werbung und Tourismus GmbH
OCI – Outlet Centres International
City-Manager Oberhausen
Düsseldorf Marketing und Tourismus GmbH
Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel
Hauptverband des Deutschen Einzelhandels
Geschäftsführer Köln Tourismus
Marketing-Direktorin Berlin Tourismus Marketing GmbH
Stellv. Geschäftsführer Congress- und Tourismuszentrale Nürnberg
Quelle: ECON-Consult 2004
Die meisten Gespräche wurden vor Ort, also im Regelfall im Büro des Interviewpartners geführt
und dort mit Tonband aufgezeichnet. Einige Interviews wurden anlässlich der ITB (Internationale Tourismus-Börse Berlin) im Zeitraum 12.-16. März 2004 geführt.
Bei den Interviews handelte es sich um leitfadengestützte Interviews. Diese Befragungstechnik
gewährleistet a) eine relativ geringe Beeinflussung der befragten Personen durch die Interviewer und b) eine Vergleichbarkeit der Antworten. Um auf Äußerungen der Befragten, die nicht im
Leitfaden vorgesehen waren, reagieren zu können, sah der Leitfaden eine entsprechende
Fragestellung vor. Die folgende Tabelle zeigt den Leitfaden für die Interviews und gibt kurz die
154
wesentlichen Inhalte der häufigsten Antworten wieder. Weiter unten im Anhang sind die
wortgetreuen Antworten, ohne Angaben zur Person des Antwortenden aufgelistet.
A1
Welche Perspektiven sehen Sie insgesamt für „Shoppingtourismus in Deutschland“?
•
•
•
•
•
•
Shoppingtourismus wird grundsätzlich als Wachstumsmarkt gesehen.
Trend zu mehreren aber kürzeren Reisen steigt
Städtereisen liegen im Trend
Erlebnisshopping als Freizeitaktivität nimmt zu
Low Cost Carrier eröffnen ganz neue Möglichkeiten
Demografische Entwicklung in Deutschland und Konjunktur machen es notwendig neue
Wachstumsfelder zu erschließen
A2
Gibt es Regionen oder Städte, die Ihrer Meinung nach besondere Chancen haben,
Shoppingtouristen aus dem Ausland bzw. Inland anzuziehen?
•
•
•
Für ausländische Gäste nur Metropolen und auch da bisher nur eingeschränkt, weil es den
klassischen Shoppingtourismus im Incoming-Bereich nicht gibt. Sightseeing und Kultur stehen im Vordergrund, kombiniert mit anderen Motiven wie Shopping und Gastronomie.
Deutschland vordergründig als Shopping-Destination zu vermarkten, macht nur für China
und Japan Sinn. Wichtiger Quellmarkt für deutsche Städte mit guten Flug- oder Fährverbindungen ist Großbritannien. Aufgrund des starken Pfundes sind durchweg alle Produkte in
Deutschland weitaus günstiger.
Reinen Shoppingtourismus gibt es – wenn überhaupt – dann nur auf nationaler Ebene.
A3
Mit welchen Stärken kann Ihrer Meinung nach der Standort Deutschland als Ziel für
Shoppingtouristen positioniert werden?
•
•
•
•
Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis in fast allen Produktkategorien.
Traditionelle Manufakturen (Porzellan, Handwerkskunst) gewinnen an Bedeutung.
Ansonsten keine signifikanten Stärken im Vergleich zu EU-Ländern.
Gute geografische Lage, in der Mitte europäischer Reiseströme.
A4
Welche Schwächen/Risiken sehen Sie?
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Zunehmende Austauschbarkeit der Innenstädte.
„Made in Germany“ zu wenig propagiert
Große Zurückhaltung beim Handel den Touristen aktiv zu bewerben
Viele deutsche Firmen positionieren sich nur international, d.h. der Käufer weiß vielfach gar
nicht, dass BOSS ein deutsches Produkt ist.
Es gibt kaum Produkte in Deutschland, die man nicht überall sonst auf der Welt kaufen
könnte.
Tax-Free-Erstattung zu kompliziert für den internationalen Gast
Nur eingeschränkte Zahlungsmittel möglich.
Die Gäste aus Übersee machen hauptsächlich Rundreisen, daraus ergeben sich besondere Schwierigkeiten, was Öffnungszeiten angeht.
Die Namen der deutschen Warenhauskonzerne sind im Ausland nicht bekannt.
155
A5
Was können wir von erfolgreichen „Destinationen“ wie Dubai, New York etc. lernen?
•
Kaum Antworten, außer stringentes Marketing mit hohem Kapitaleinsatz und Zielgruppenorientierung.
A6
Welche Schwerpunkte bei der Vermarktung ihrer Destination setzen Sie?
Welche Quellmärkte und Zielgruppen werden beworben?
•
Sehr individuell beantwortet, wobei eine Konzentration auf China und Japan seit ca. 1 Jahr
zu verzeichnen ist, zum Teil auch noch Großbritannien.
B1
Wie beurteilen Sie Gesetzliche Rahmenbedingungen für Einzelhandel (Öffnungszeiten, Standortpolitik)?
•
•
•
•
Liberalisierung der Öffnungszeiten, (sonntags in Kernzeiten) ist besonders wichtig für den
internationalen Reiseverkehr
Überregulierung im Handel in allen Bereichen
Raumordnungsverfahren zu restriktiv, wenn für FOCs gleiche Rahmenbedingungen wie für
den Handel gelten, werden diese auch vom Einzelhandel „geduldet“. Touristiker sehen
FOCs und UEC als zusätzliche shoppingtouristische Attraktion
UEC und FOC sind nur Ausdruck des bisherigen viel zu trägen Managements der Einzelhändler in den Innenstadtlagen
B2
Wie beurteilen Sie Kooperationen von Einzelhandel und Tourismus
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Kooperationen sind in den Städten letztendlich nicht zu beurteilen, da es kaum welche gibt.
„Verständnis füreinander fehlt“
Kooperationen finden eher zwischen Tourismus und Hotels/Airlines/Reiseveranstaltern statt.
Nur in künstlich geschaffenen Einkaufswelten (DOC, UEC, Flughafen) finden sehr gute
und vielfältige Kooperationen statt
In den großen Metropolen ist es den Touristikern erst vor ca. 1-2 Jahren gelungen, den
Einzelhandel auf breiterer Basis und nicht nur zum Weihnachtsmarkt zu involvieren. Initiative geht immer von örtlicher Tourismus-Institution aus. Auch im Hinblick auf die WM 2006
sehen die Touristiker Bedarf in der Entwicklung des Shoppingtourismus.
Neben den Weihnachtsmärkten, ist die wichtigste Kooperation, dass erstmals in 2003 bzw. in
diesem Jahr, Städte wie Berlin, München, Dresden, Köln einen Shopping-Guide aufgelegt haben.
Hauptsächlich große Kaufhausketten involvieren sich. Es gibt wieder einen Trend – wie
schon Anfang des Jahrhunderts –, dass sich Warenhäuser als Gesellschafter bei den örtlichen Tourismus-Institutionen beteiligen.
Einzelhandel zeigt sich sehr ablehnend. Einzelhändler sehen sich als einen wichtigen
Faktor im touristischen Angebot und es ist Aufgabe der Tourismusverantwortlichen dies zu
vermarkten und zu finanzieren.
Gerade kleinen und mittleren Einzelhändlern fehlt es an Kenntnissen über ihre Kundenstruktur, Ausgabeverhalten usw.
Insgesamt fehlt es dem Einzelhandel an Studien, eigenen Erfahrungen und Best-Practice
Beispielen, um das touristisch induzierte Kaufkraftpotenzial richtig einzuschätzen.
156
•
Um kürzere Kommunikationswege zu erreichen u. Kosten einzusparen, werden das City- und
Tourismusmanagement zu einer Gesellschaft zusammengefasst, oder zumindest im selben Haus angesiedelt.
B3
Wie beurteilen Sie –
Die „Öffentlich-Private Partnerschaft“ zwischen Verwaltung und Wirtschaft bzw. Kammern/Verbänden beim Marketing für die Destination Deutschland bzw. Ihre eigene
Destination?
•
•
•
Die Arbeit der DZT wird sehr gelobt, man wünscht sich nur eine bessere finanzielle Ausstattung der DZT
Ansonsten ist es im Bereich der Public Private Partnership ähnlich wie bei den Kooperationen zwischen Tourismus und Einzelhandel.
Die Partnerschaft wird zunehmen, aber mit einer Verlagerung auf den privaten Bereich, da
die öffentliche Hand kein Geld mehr hat.
B4
Wie beurteilen Sie –
Shoppingtourismus in Deutschland durch die EU-Osterweiterung?
•
•
Wird (instinktiv) überwiegend als zusätzliches Wachstumspotenzial aufgefasst.
Tax-Free-Vorteil für die Länder fällt weg.
B5
Welche Maßnahmen würden Sie persönlich vorrangig ergreifen, um den Shoppingtourismus auf nationaler Ebene weiter zu fördern?
•
•
•
•
•
Staat sollte nur die geeigneten Rahmenbedingungen vorgeben und sich ansonsten
möglichst wenig einmischen
DZT sollte Shoppingtourismus in Deutschland vor allem hinsichtlich Preis-LeistungsVerhältnis mehr thematisieren. Die touristischen Themen der DZT sind immer nur auf ein
Jahr angelegt. Alle Maßnahmen - auch die der Kulturhauptstadt und Ähnliches - müssten
aber immer auf einen Zeitraum von mindestens drei bis fünf Jahren ausgelegt sein.
Ansonsten ist es ein individuelles, lokales Anliegen
Shoppingtourismus sollte mit bestimmten Akzenten für die einzelnen Städte beworben
werden
Positionierung Deutschlands als Shopping-Destination zusammen mit den Low Cost
Carriern
157
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