Unlängst, vor 50 Jahren

Transcription

Unlängst, vor 50 Jahren
Vortragende: Heinz Glaser, Gerhard Grau, Rudolf Oezelt
Am Bösendorfer-Flügel: Giuseppe Mariotti
Unlängst, vor 50 Jahren
Vortragsabend in Wien am 8. Mai 2006
Inhaltsverzeichnis
Erster Teil
Einleitende Worte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Heinz Glaser: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rilke, Rainer Maria: Kindheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Werfel, Franz: Elternlied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rilke, Rainer Maria: Der Auszug des verlorenen Sohnes . . . . . . . . . . . . . . .
Kästner, Erich: Die Heimkehr des verlorenen Sohnes . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kästner, Erich: Das Eisenbahngleichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kästner, Erich: Direktor Körner ist unaufmerksam . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rudolf Oezelt: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schreyvogl, Friedrich: Wiedersehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Marschall, Josef: Ferne Abende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Marschall, Josef: Der Engel mit der Traube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Marschall, Josef: Der Weingartenhüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schreyvogl, Friedrich: Frühling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gerhard Grau: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gernhardt, Robert: Was ist Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hüsch, Hanns Dieter: Ach, schick doch dein Kind auf ein humanistisches Gymnasium
Hüsch, Hanns Dieter: Ich möchte mal mit herzlichem Verlaub . . . . . . . . . . . .
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Zweiter Teil
Heinz Glaser, Gerhard Grau, Rudolf Oezelt: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Darion, Joe (Gilbert, Robert): aus: Der Mann von La Mancha (Der unmögliche
Traum) (RO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Marzik, Trude: Goethe, ‘Faust’, Erster Teil (GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Marzik, Trude: Goethe, ‘Faust’, Zweiter Teil (GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kästner, Erich: Hamlets Geist (HG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rudnigger, Wilhelm: Der Opernschwindel (RO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Erhardt, Heinz: Der König Erl (frei nach Johann Wolfgang von Frankfurt) (HG) .
Lahner, Franz: Klassiker (GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Marek, Thomas Franz: Moderne Malerei (RO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Roth, Eugen: Schloßführung (HG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Strnadt, Georg: Der Gedichtband (GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Artmann, Hans Carl: fia n dom schak (RO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Krutisch, Anton: Die Preferanzpartie (HG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Krutisch, Anton: Schadenfreude (GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Marek, Thomas Franz: Der alte Mann erinnert sich (RO) . . . . . . . . . . . . . .
Marzik, Trude: Die Emanzipation (HG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Strnadt, Georg: Dos supmhun (GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Pecinka, Hans: Der Ernährungsapostel (RO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rudnigger, Wilhelm: Wieso? (HG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gernhardt, Robert: Als er sich auf einem stillen Örtchen befand (GG) . . . . . . .
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Rudnigger, Wilhelm: Die spate Hochzeit (RO) .
Marzik, Trude: Hänsel und Gretel (HG) . . . .
Nöstlinger, Christine: Nochbaschofdshüf (GG) .
Weinheber, Josef: Es wäre nicht Wien (RO) . .
Mayer-Limberg, Josef: i daboggs nimma (HG) .
Strnadt, Georg: A schene leich (GG) . . . . . .
Marek, Thomas Franz: Die Kulissen (RO) . . .
Draufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Jertz, Mia: Das Alter . . . . . . . . . . . . . . .
Einladung und Programm
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Erster Teil
Am Samstag, dem 5. Mai 1956 veranstalteten Heinz Glaser, Gerhard Grau und Rudolf Oezelt ihre
erste Dichterlesung im Schloß Hetzendorf (damals unter Mitwirkung von Inge Staudigl und Ingrid
Hitz). Es folgten weitere Programme im Schloß Hetzendorf und in der Burg zu Perchtoldsdorf,
insgesamt 45 in der Zeit von 1956 bis 1999.
Zur Erinnerung an den ersten Abend wurde 50 Jahre danach, am 8. Mai 2005, im BösendorferSaal (A-1040 Wien, Graf-Starhemberg-Gasse 14) von Heinz Glaser, Gerhard Grau und Rudolf Oezelt eine Dichterlesung veranstaltet. Am Bösendorfer-Flügel spielte Giuseppe Mariotti, der schon
1994 einen Abend musikalisch begleitet hatte.
Einleitende Worte
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
wie Sie unserer Einladung entnehmen konnten, hatten wir drei (meine beiden Freunde Heinz
Glaser, Rudolf Oezelt und ich) vor 50 Jahren unseren ersten Vortragsabend. Für uns wäre es
sicher verlockend, Ihnen heute unsere gemeinsame Karriere“ ausführlicher vorzustellen, die über
”
• gemeinsame Literaturbegeisterung,
• über gemeinsames Schüler-und Laientheater
• schließlich zu 45 Programmen
• mit mehr als 2 12 Tausend vorgetragenen Gedichten
• und Kontakten zu vielen Autoren führte.
Seien Sie mir dankbar, daß ich auf diese Vorstellung verzichte. Wenn Details Sie wirklich interessieren, dann besuchen Sie bitte die Internetseite, die auf dem Programm angegeben ist.
Wie Sie sehen, haben wir drei Dilettanten (von delecto = ich finde Freude, Lust, Gefallen)
trotz völlig verschiedener Berufe noch heute Gemeinsames. Es freut uns, daß Giuseppe Mariotti
Lust zu einer musikalischen Umrahmung fand, was er schon 1994 bei einem unserer Programme
tat, damals noch ganz am Beginn seiner internationalen Karriere.
Was wir Ihnen allerdings schuldig sind, ist ein Kommentar zu der heutigen Auswahl. Unsere
Programme standen bisher immer unter einem Motto, das wir in einem ernsten ersten und einem
heiteren zweiten Teil abhandelten.
Heute bleibt davon der ernste erste und der heitere zweite Teil. Sonst aber haben wir ohne
Rücksichtnahme auf lebende oder verblichene Autoren, ohne Rücksicht auf Sätze wie müßten
”
wir nicht eigentlich“ oder sollten wir nicht doch eigentlich“ ganz einfach ausgewählt, woran wir
”
Dilettanten im Augenblick Freude, Lust, Gefallen finden, und wir hoffen, daß auch Sie daran
Freude, Lust, Gefallen finden werden.
Wir wünschen Ihnen gute Unterhaltung.
Anmerkung: Texte, Autoren, Chronologie siehe: http://www.ihq.uni-karlsruhe.de/grau.htm,
über den Künstler Giuseppe Mariotti siehe: http://www.mariotti.at/Lebensl.html
3
Heinz Glaser:
Rilke, Rainer Maria: Kindheit
DA rinnt der Schule lange Angst und Zeit
mit Warten hin, mit lauter dumpfen Dingen.
O Einsamkeit, o schweres Zeitverbringen . . .
Und dann hinaus: die Straßen sprühn und klingen
und auf den Plätzen die Fontänen springen
und in den Gärten wird die Welt so weit — .
Und durch das alles gehn im kleinen Kleid,
ganz anders als die andern gehn und gingen — :
O wunderliche Zeit, o Zeitverbringen,
o Einsamkeit.
Und in das alles fern hinauszuschauen:
Männer und Frauen; Männer, Männer, Frauen
und Kinder, welche anders sind und bunt;
und da ein Haus und dann und wann ein Hund
und Schrecken lautlos wechselnd mit Vertrauen — :
O Trauer ohne Sinn, o Traum, o Grauen,
o Tiefe ohne Grund.
Und so zu spielen: Ball und Ring und Reifen
in einem Garten, welcher sanft verblaßt,
und manchmal die Erwachsenen zu streifen,
blind und verwildert in des Haschens Hast,
aber am Abend still, mit kleinen steifen
Schritten nachhaus zu gehn, fest angefaßt — :
O immer mehr entweichendes Begreifen,
o Angst, o Last.
Und stundenlang am großen grauen Teiche
mit einem kleinen Segelschiff zu knien;
es zu vergessen, weil noch andre, gleiche
und schönere Segel durch die Ringe ziehn,
und denken müssen an das kleine bleiche
Gesicht, das sinkend aus dem Teiche schien — :
O Kindheit, o entgleitende Vergleiche.
Wohin? Wohin?
4
Werfel, Franz: Elternlied
Langher kann’s noch gar nicht sein,
Kamen sie zur Tür herein,
Saßen zwistiglich vereint
Alle um den Tisch.
Kinder laufen fort.
Und es ist schon lange her.
Schlechtes Zeugnis kommt nicht mehr.
Stunden Ärgers, Stunden schwer:
Scharlach, Diphtherie!
Kinder laufen fort.
Söhne hangen Weibern an.
Töchter haben ihren Mann.
Briefe kommen, dann und wann,
Nur auf einen Sprung.
Kinder laufen fort.
Etwas nehmen sie doch mit.
Wir sind ärmer, sie sind quitt,
Und die Uhr geht Schritt für Schritt
Um den leeren Tisch.
Rilke, Rainer Maria: Der Auszug des verlorenen Sohnes
NUN fortzugehn von alledem Verworrnen,
das unser ist und uns doch nicht gehört,
das, wie das Wasser in den alten Bornen,
uns zitternd spiegelt und das Bild zerstört;
von allem diesen, das sich wie mit Dornen
noch einmal an uns anhängt — fortzugehn
und Das und Den,
die man schon nicht mehr sah
(so täglich waren sie und so gewöhnlich),
auf einmal anzuschauen: sanft, versöhnlich
und wie an einem Anfang und von nah;
und ahnend einzusehn, wie unpersönlich,
wie über alle hin das Leid geschah,
von dem die Kindheit voll war bis zum Rand — :
Und dann doch fortzugehen, Hand aus Hand,
als ob man ein Geheiltes neu zerrisse,
und fortzugehn: wohin? Ins Ungewisse,
weit in ein unverwandtes warmes Land,
das hinter allem Handeln wie Kulisse
gleichgültig sein wird: Garten oder Wand;
und fortzugehn: warum? Aus Drang, aus Artung,
aus Ungeduld, aus dunkler Erwartung,
aus Unverständlichkeit und Unverstand:
Dies alles auf sich nehmen und vergebens
vielleicht Gehaltnes fallen lassen, um
allein zu sterben, wissend nicht warum —
Ist das der Eingang eines neuen Lebens?
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Kästner, Erich: Die Heimkehr des verlorenen Sohnes
Erst wollte er bis ans Mittelmeer.
Er war schon auf halber Strecke
und stieg im Schnee und in Innsbruck umher.
Der Himmel war blau. Das gefiel ihm sehr.
Und er staunte an jeder Ecke.
Dann hatte er noch zehn Tage Zeit
und wollte nach Nizza reisen.
Er war vergnügt wie nicht gescheit
und lachte und dachte: Die Welt ist zwar weit,
doch ich werde ihr’s schon beweisen!
So kam der Tag, an dem er fuhr.
Es war schon alles in Butter.
Da blickte er plötzlich erstaunt an die Uhr
und pfiff auf Nizza und die Natur
und reiste zu seiner Mutter.
Die Fahrt erschien ihm wunderbar.
Er winkte jedem Flüßchen.
Es war schon über ein volles Jahr,
daß er nicht mehr zu Hause war.
Und da schämte er sich ein bißchen.
Dann kam er an und stieg schnell aus
mit seinen Koffern und Taschen.
Er kaufte Blumen und fuhr nach Haus
und sagte versteckt hinterm Blumenstrauß:
Ich wollte dich überraschen.“
”
Jetzt saß er zwar nicht in Nizza und Cannes,
doch er saß in Mutters Zimmer.
Sie schwieg und lachte dann und wann
und erzählte und brachte Kuchen an
und betrachtete ihn immer.
Zehn ganze Tage blieb er hier!
Bis zur allerletzten Minute.
Dann fuhr er fort und winkte ihr.
Sie stand verlassen auf Bahnsteig 4
und sagte gerührt: Der Gute.“
”
Kästner, Erich: Das Eisenbahngleichnis
Wir sitzen alle im gleichen Zug
und reisen quer durch die Zeit.
Wir sehen hinaus. Wir sahen genug.
Wir fahren alle im gleichen Zug.
Und keiner weiß, wie weit.
Ein Nachbar schläft, ein andrer klagt,
ein dritter redet viel.
Stationen werden angesagt.
Der Zug, der durch die Jahre jagt,
kommt niemals an sein Ziel.
Wir packen aus. Wir packen ein.
Wir finden keinen Sinn.
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Wo werden wir wohl morgen sein?
Der Schaffner schaut zur Tür herein
und lächelt vor sich hin.
Auch er weiß nicht, wohin er will.
Er schweigt und geht hinaus.
Da heult die Zugsirene schrill!
Der Zug fährt langsam und hält still.
Die Toten steigen aus.
Ein Kind steigt aus. Die Mutter schreit.
Die Toten stehen stumm
am Bahnsteig der Vergangenheit.
Der Zug fährt weiter, er jagt durch die Zeit,
und niemand weiß, warum.
Die I. Klasse ist fast leer.
Ein feister Herr sitzt stolz
im roten Plüsch und atmet schwer.
Er ist allein und spürt das sehr.
Die Mehrheit sitzt auf Holz.
Wir reisen alle im gleichen Zug
zur Gegenwart in spe.
Wir sehen hinaus. Wir sahen genug.
Wir sitzen alle im gleichen Zug
und viele im falschen Coupé.
Kästner, Erich: Direktor Körner ist unaufmerksam
Manchmal,
wenn ernste Männer beisammen stehn
und auch du stehst mit dabei,
möchtest du leise beiseite gehn.
Wohin? Einerlei.
Du möchtest nur rasch den Bart ablegen
und die Falten vor deiner Stirn
und das große und kleine Gehirn
und dich nicht mehr bewegen.
Und es fehlte nur noch Mutters Schürze.
Die war so weich und so hell.
Die Kindheit litt an zu großer Kürze.
Es ging zu schnell.
Und während du in dich verloren scheinst,
stehen noch immer die Männer herum.
Sie reden und reden, nur du bist stumm.
Und sie fragen, was du dazu meinst.
Zu kurz! “ sagst du, und du sagst das so,
”
weil dir die Kindheit zu kurz erschien.
Sie aber meinen den Zahlungstermin
für Schimmel & Co.
Da ruft der eine, er steht breitbeinig
und stemmt seinen Bauch:
Da wären wir ja handelseinig,
”
Körner meint’s auch!“
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Er hat, was du gesprochen hast,
nicht kapiert, doch auch das hat sein Gutes.
Hauptsache, daß es trotzdem paßt.
Und das tut es.
8
Rudolf Oezelt:
Schreyvogl, Friedrich: Wiedersehen
Zählt man die Zeit von rückwärts, ist es nicht lang.
Zwanzig Jahre — die braucht man eben,
bis die Räder sich drehn. Jetzt kennt man das Leben,
und die Ewigkeit macht nur den Schwachen bang.
Manchmal ruft nachts das Gestern, wie zarter Gesang.
Am Morgen ist es vorbei. Auf Träume darf man nichts geben.
Man hat sich im alten Klassenzimmer gefunden,
nur daß nicht geprüft wird, wie einst in den Griechisch-Stunden.
Die meisten sprechen vom Geld, einige auch von Frauen,
und mancher sieht trüb auf den Ehering, der ihn engt.
Einer erläutert Kant. Darauf soll ein jeder vertrauen,
daß er aus der eigenen Tiefe den richtigen Auftrag empfängt!
Als keiner zuhört, wird bald der Gelehrte verdrossen.
Er stellt sich breit vor die schwarze Tafel und schreit:
Ich prüfe! Das halbe Leben ist jetzt verflossen.
”
Wer wuchs nach der Form, die Gott seinem Geist gegossen,
wer wurde, was er sich vornahm, in dieser Zeit?“
Er hält schon die Kreide, die Antworten aufzuschreiben,
und höhnisch wandert sein Blick von Bank zu Bank.
Alle starren ins Leere. Verstört sehn sie aus und krank.
Wie Sand war die Zeit, in den ein jeder versank,
wie soll man da immer auf seinem Platze bleiben?
Heimlich aus frühen Falten und hängenden Wangen
wächst wie im Traum das junge Gesicht.
Wie glühend konnte es einmal das Leben verlangen!
Seither ist die Seele, starb sie nicht, schlafen gegangen.
Dem Prüfer wird kalt, ihm schauert vor dem Gericht.
Was schaut ihr so sonderbar drein?“ sagt er mühsam und lacht,
”
das war doch ein Spaß nur! Wer hat etwas andres gedacht?
”
”
Nun lachen die andern wie er. Wer wird keinen Scherz verstehn?
Doch die Laune ist fort. Und bald wollen alle gehn.
Am Abend kommt mancher zurück durch schweigende Gassen,
man sieht ihn dann lange noch bei dem Gitter stehn.
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Er möchte das Ich, das ihn schon lange verlassen —
er will seine Seele hier einmal noch wiedersehn.
Im Park, der noch immer grün an die Schule grenzt,
tanzt, ein Ball aus dem Himmel, seine Erinnerung
im Strahl des Springbrunns. Jung! flüstert das Wasser.
Jung!
Oh, wie silbern das durch die Dunkelheit glänzt.
Marschall, Josef: Ferne Abende
Dies war die Heimat mancher Kinderjahre;
ein Gassenstück der Stadtperipherie.
Kaschemme, Greissler, Buben, laut wie Stare,
und dann und wann des Werkels Melodie.
Ein wenig Himmel über Hinterhöfen,
ein schmaler Splitter, der ins Freie rief,
ein Schacht, im Juli wie geheizt von Öfen
und für des Herbstes gelbes Licht zu tief.
Doch wie viel Traum erblühte in der Enge!
Die Polster dufteten nach Klee und Gras,
und mit der Nacht verdichteten die Klänge
der Erde sich in einem Grillenglas.
Und ratterte am villenstillen Rande
des Häuserkars ein später Zug, dann fuhr
er sicherlich nach dem Olivenlande
durch eine schöne, gütige Natur
mir dumpfen Knaben, der ins dumpfe Zimmer
Lateinvokabeln wie Beschwörung sprach,
bis in den Traum des Wachenden der Schimmer
vom Schlaf geschauter blauer Golfe brach . . .
Marschall, Josef: Der Engel mit der Traube
Dort über der Türe der steinerne Engel, verwittert
und grau schon und trotzdem die rundliche Glätte des Kindes
verratend im freundlichen Antlitz: wie hält er die Traube,
grausteinern auch sie, jeder Wimper und Lippe entgegen
voll Anmut, Musik aus dem Haus der Geschwister beschwörend!
Des Jahres Vertauschungen alle erduldet sein Scheitel,
die silberne Flocke, Brieftaube des göttlichen Vaters,
besucht ihn, der lauliche Regen, der grün wird in Weinblüh,
die Glut, die stechende Bremse, sitzt lang auf der nackten,
hilflosen Schulter: er lächelt. Die Pfeile des Südens
verengen ihm nie die Pupille; von himmlischer Blindheit
entfernt aus der Welt, darbietet er ständig, ob einer
auch wirklich sie nehme, die fürstliche Frucht dieses Landstrichs,
und schillert sie, samt seiner Faust, auch vom Eise der Frostnacht.
Und dennoch muß tief in dem steinernen Apfel des Auges
ein Fühlen behaust sein. Es lächelt der Blinde ganz anders
im goldenen Herbst, wenn noch lange vorm Brande des Laubes,
der die Plätze so schön macht vor würdigen, schimmernden Kirchen,
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die Traube — die wahre — im Weinberg sich Süße erschmeichelt
vom alten Gestirn; wenn uns wohlig wie Faltern auf warmen,
windstillen Wiesen der Heuzeit das Leben durchs Blut geht.
O Engel, vielleicht erblickst du die Welt mit dem Herzen,
das dein Bildner dir mitgab vom Vorrat des eignen, er kannte
gewiß diese Erde: und liebte sie auch mit dem Meißel.
Was bötest du sonst diese Traube? Du kündest den Gruß mir
geschlossenen Mundes vom mehr noch verschwiegenen Leben,
aus dem sie heraufwächst, von Garten und Grund aller Häuser
und Särge voll Frieden. Sternewiges Sinnbild der Fechsung!
Nicht über der Tür nur, die ohne Gefahr du bewachest,
erhebt sich dein Körper, geholt aus dem Felsen des Weinbergs,
du armer Gemeiner in Gottes verbildlichtem Heervolk;
dem Dichter bestehst du als Zeichen; Geliebtes beginnt hier.
Marschall, Josef: Der Weingartenhüter
Beim ersten Blick müßt ihr mich kennen:
laut sagts die Hätschen, wem ich dien.
Soll noch was euch mein Amtel nennen?
Mein Hahnenstoß heisst Rosmarin.
Den Grünen gönn ich ihre Büchserln,
mir reicht ein altes Terzerol;
am leben laß ich meine Füchserln,
tu ich der Banda schon net wohl.
In Ordnung mach ich meine Runden,
ob’s zedert, ob’s herunterbrennt,
und alle vierundzwanzig Stunden
sind gleicherweis mein Element.
Wann unsre Herrn ins Biri kommen
und schrein mir: Hüeterbua, hallo!“ —
”
da meld ich mich auch schon, vernommen
hab ichs noch kaum. Das ghört sich so.
O daß ich, du verflixte Schlangen,
im Paradies net angstellt war!
Das Apfelgrasen wär vergangen
dem allbekannten Sünderpaar!
So schütz ich halt, bis sie im Faß ist,
dem Hauer seine Sach ganz brav,
er weiß schon, daß auf mich Verlaß ist,
ich mach ihm ruhig seinen Schlaf,
ich machs den Klausnern nach ein wengel,
von Kartenpackel, Hetz und Tanz
weit weg, leb ich als wie ein Engel
bei Krauthahn, Reh und Sterndelglanz,
bis daß das Weimber seiner Schwester,
der Äher, folgt, weil alls schon drängt,
und wie um leere Hendelnester
das aufgerissne Bindstroh hängt.
Leskornern und Fasanenschnäbeln
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laß ich dann gern, was überbleibt,
laß es den Schauern und den Nebeln,
die übers Land der Herbstwind treibt.
Das Jahr ist wie der Rebenbogen,
an dem das Laub sich schnell verfärbt,
ich aber komm ins Dorf gezogen,
als hält ich Persien geerbt.
Darf ich, wann die Tschinellen schlagen,
die bandelgoldne Winzerkron
voraus den Buschen allen tragen,
ist mir das mehr fast als mein Lohn.
Doch wann ich unter Weinlaubketten
mich dann mit meiner Kleinen schwing,
bei Geigen, Baß und Klarinetten
den Arm um meinen Himmel schling:
da weiß ich erst, was ich am meisten —
und das für mich, das bis zum Schluß — ,
ja, weiß ich erst, was ich am treusten
auf derer Welt beschützen muß!
Schreyvogl, Friedrich: Frühling
Der Morgen fängt schon heimlich damit an,
die Nacht in kleine Stücke zu zerschneiden.
Ganz früh ist’s noch. Ich seh’ in der Straßenbahn,
wie alle noch an ihren Träumen leiden.
So fällt von Frost und Zwielicht eingeweiht
ein trüber Tag aus der Mühle der Zeit.
Ein jeder ist voll Mißmut, manche gähnen.
Vielleicht, daß es auf den Hügeln noch schneit
aus einer Wolke von Tränen?
Dann steigt ein junges Mädchen ein. Sein Herz
merkt Kälte, Nebel und Mißmut nicht.
So leise, wie man sonst im Schlafe spricht,
sagt es: Heut’ riecht’s schon nach März!“
”
Hats vom Gebirge her wirklich so würzig geblasen?
Jeder lächelt, als säh’ er auf frischem Rasen
Schneeglöckchen wachsen, die ersten, himmelwärts.
Sie sehen den Frühling. Die Welt wird leichter und linder.
Weil ein Mädchen es will? Schafft das nicht Gott allein?
Ein wenig läßt er auch uns mit im Spiele sein,
uns, seine Kinder.
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Gerhard Grau:
Gernhardt, Robert: Was ist Kunst
Habn Sie was mit Kunst am Hut?
Gut.
Denn ich möchte Ihnen allen
etwas auf den Wecker fallen.
Kunst ist was?
Das:
Kunst, das meint vor allen Dingen
andren Menschen Freude bringen
und aus vollen Schöpferhänden
Spaß bereiten, Frohsinn spenden,
denn die Kunst ist eins und zwar
heiter. Und sonst gar nichts. Klar?
Ob das klar ist? Sie ist heiter!
Heiter ist sie! Wird es bald?
Heiter! Habn Sie das geschnallt?
Ja? Dann folgt das Resümee;
bitte sehr:
Obenstehendes ist zwar
alles Lüge, gar nicht wahr,
und ich meinte es auch bloß
irgendwie als Denkanstoß —
aber wenn es jemand glaubt:
ist erlaubt.
Mag ja sein, daß wer das mag.
Guten Tag.
Hüsch, Hanns Dieter: Ach, schick doch dein Kind auf ein humanistisches
Gymnasium
Ach, schick doch dein Kind auf ein humanistisches
Gymnasium
Mens sana in corpore sano sanatorium —
Da lernt es was, da hat es was, da wird es was, da ist
es was,
Ja, das macht Spaß;
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Denn man weiß ja nicht, die Zeiten —
Wenn man so darüber nachdenkt —
Und außerdem das Musische, das Platonische,
Das Pentatonische und das Chronische —
Es sollen ja auch die Kinder heutzutage vom Altertum
Und überhaupt das Logische beim Lateinischen als
Grundlage,
Als Grundlage für all die andern Sprachen einerseits,
Und außerdem die Fremdwörter,
Die hat man ja doch überall,
Beispielsweise als Jurist und als Dentist,
Als Marxist und Egoist.
Und sehn Sie mal die Atmosphäre und dieser
Untergang von Rom
Und auch für Kunst und Wissenschaft und Sophokles
und Sokrates.
Ich sage ja, wenn’s nur ein Hauch ist,
So ein kleiner Hauch von der Antike,
Das macht doch erst den Menschen aus,
So ein kleiner Hauch aus Mazedonien
Oder Cicero und die Grammatik oder ora et labora
Und Perikles und Alkibiades und Demosthenes und
Euripides,
Und auf dem Lateinischen da baut sich ja alles auf
(sagt man doch immer so schön: wer Lateinisch kann,
kann auch Französisch),
Da baut sich alles auf.
Das Italienische und das Spanische,
Das Portugiesische und das Rumänische,
Das gibt doch gleich einen ganz anderen Blick,
Ach, schick
Doch dein Kind auf ein humanistisches Gymnasium.
Wenn es nur mal so den Atem spürt,
Wie das alles so zusammenhängt und auseinanderfällt,
Und den Rücken jetzt kräftig strecken
Und die Arme hoch,
Dann hat man doch gleich dieses abendländische
Gefühl
Vom wieder Werden und wieder Sterben
Und wieder Wechselschritt und wieder hoch das Bein,
Und später
Hat man dann so einen richtigen, so einen wichtigen
Begriff davon.
Dieses ganze —
Na, wie soll ich’s ausdrücken —
Dieses ganze große Griechentum von der Pike auf,
Richtig schön ist das.
Ja, man müßte noch mal selber jung sein,
Das Gehirnchen ölen und auch sprachlich
Diese ganze Disziplin,
Mal ganz abgesehn vom ideellen Wert,
Der dahinter und auch da drin steckt, mein’ ich
wenigstens,
Nur ein Spritzerchen von dem Odysseus
14
Und der Akropolis über Stock und Stein
Ist ja auch heute noch die Ausgangsstellung,
Dieses Innere sich selbst Bezwingende und auch
Dichtende
Und auch Singende,
Mein’ ich immer,
Wenn man später dann auch was andres wird
Und mal untergeht,
Das macht dann nichts,
Man hat jedenfalls davon gehört,
Wie man Troja
Auf die beste Art zerstört.
Hüsch, Hanns Dieter: Ich möchte mal mit herzlichem Verlaub
Ich möchte mal mit herzlichem Verlaub hier einen
Vorschlag machen,
Den niemand ernst zu nehmen braucht:
In etwa 80 Jahren hört die Menschheit auf zu weinen
und zu lachen,
D. h. die Kinder, die noch unterwegs, die werden
selbstverständlich noch geboren
Doch dann hörts auf. Und ähnlich wie beim Rütlischwur
wird dann geschworen
Und frei erklärt:
Alles schön und gut, doch einmal muß ja Schluß sein,
Ende, aus.
Die Art pflanzt sich nicht fort, sie läßt es,
am Anfang war das Wort, am Ende kein Applaus
Sondern Stille: Das sei des Menschen Wille!
Nun kann ich mir natürlich denken, daß viele damit
gar nicht einverstanden sind
Und rufen: Ja, bitte, wie, wieso, warum, wir sind doch
gerade erst in der Entwicklung,
Halt, das kann ja wohl nicht sein, doch nicht im Ernst,
wir müssen da doch noch,
Wir sind doch grad’ so schön im Schwung,
wir haben doch auch Zukunftspläne, Planung,
Forschung! Und so weiter
Worauf der größ’re Teil der Menschheit
heiter und gelassen spricht:
Nein, vielen Dank, es reicht jetzt, es hat sich was mit Ziel
und Arbeit am Menschenbild,
Wir haben jetzt die Nase voll, wir danken für die Zeit
und sagen jetzt Adieu.
Verbeugung, Diener, Ende, aus.
Nun geht es aber los:
Obristen hetzen Soldaten durch die Gassen
Um diese Internationale der Relativisten schnell zu fassen
Marxisten suchen in Sitzungen, geheim,
Nach einem neuen dialektischen Reim
Magier und Meditationsspezialisten versuchen mit
Happenings die Sensibilität noch einmal
15
Aufzurüsten
Astronauten werden im Triumphzug gezeigt
Damit die Menschheit sich noch einmal vor der
Wissenschaft verneigt
Gärtner versuchen mit Blumen kleine
Ablenkungsmanöver
Die Glöckner von Montreux werfen weitere
Aufmunterungsmagazine durch die Gegend
Religionsstifter irren umher und sammeln ihre Leute
Und versprechen mehrere Himmel nebst fetter seelischer Beute
Schnulzenheuler werden von ihren Managern mit
Dopingmitteln auf die Märkte getrieben
Um da noch ein wenig Stimmung einzuüben
Politiker kommen, auf den Knien rutschend,
mit ganz neuen Vorschlägen,
Etwa: Die Menschheit möge doch Vernunft annehmen
und die Geschichte müsse doch
Weitergehn. —
Aber die Menschheit antwortet: Danke schön,
sehr nett von Ihnen,
Aber wir möchten nicht mehr, und wo steht geschrieben,
daß es immer so weitergehn muß,
Aus. Ende. Schluß.
Auch der Tennisclub Grün-Weiß muß natürlich auf seine
200-Jahr-Feier verzichten
Die Dichter hören auf zu dichten
Die Beweise hören auf zu beweisen
Die Erzieher hören auf zu erziehen
Die Reisenden hören auf zu reisen
Die Flüchtlinge hören auf zu fliehen
Die Historiker hören auf zu analysieren
Die Humanisten hören auf zu bewegen
Die Fanatiker hören auf zu soufflieren
Die Erlöser hören auf zu erlösen
Die Beleger hören auf zu belegen
Denn jeder sieht es allmählich ein:
Es muß nicht sein. Es muß nicht sein.
Und es ist auch gar nicht so kompliziert:
Wenn wir uns alle fest an den Händen fassen
Kann man es lassen und der Geschichte den
Abschiedskuß verpassen!
Zuletzt sinds noch sieben, dann fünf, dann drei
Der Letzte begräbt den Vorletzten, verbeugt sich und sagt
ganz frei und unbefangen:
Meine Damen und Herren, das wärs, wir sind,
Verzeihn Sie, der Geschichte aus dem Wege gegangen.
Nun, wie gesagt, dies ist ein Vorschlag,
Den niemand ernst zu nehmen braucht,
Ein Vorschlag, gedacht als Anregung, als Denkanstoß,
als Diskussionsbeitrag,
Von mir aus auch als Scherz, Satire, tiefere Bedeutung,
Ein Vorschlag, dessen weitere Verbreitung ich nicht
verfolgen möchte,
16
Denn auch zu meinen eigenen Gedanken fällt mir
manchmal ein:
Es muß nicht sein. Es muß nicht sein.
17
Zweiter Teil
Heinz Glaser, Gerhard Grau, Rudolf Oezelt:
Heinz Glaser, Rudolf Oezelt, Gerhard Grau
1957 im Schloß Hetzendorf
Anmerkung: Der jeweils Vortragende wird durch die Initialen des Namens gekennzeichnet, also
durch HG, GG, RO.
Darion, Joe (Gilbert, Robert): aus: Der Mann von La Mancha (Der
unmögliche Traum) (RO)
Er träumt den unmöglichen Traum,
kämpft den unschlagbaren Feind,
erträgt den untragbaren Kummer,
stürmt vor, wo der Tapferste flieht.
Er bricht das unrichtige Recht,
er liebt, keusch und flammend, von fern,
und reicht noch mit müdesten Armen
nach dir unerreichbarer Stern!
Das ist mein Ruf, ich folge dem Stern,
wie glücklos auch immer, wie unfaßbar fern —
und wage den Weg, ja und frage nicht viel, —
immer willig, zur Hölle zu geh’n für ein himmlisches Ziel!
Denn ich weiß, — folg’ ich drunten hier treu —
meinem höheren Ruf, — daß ich dann —
18
tret’ getrost droben an — vor dem Herrn, der mich schuf.
Und der Welt wird ein helleres Licht,
weil ein Mann, oh so hoffnungslos gern,
aus der Nacht, selber blind,
noch gereicht hat nach dir, unerreichbarer Stern!
Marzik, Trude: Goethe, ‘Faust’, Erster Teil (GG)
Der Vorhang geht auf. Der Herr Doktor Faust,
dem, sagt er, vorm Leben ganz fürchterlich graust,
(von zu viel Studieren wird ans ja ganz dumm)
der mischt sich a Trankel und bringert sich um,
wann ihm net des Glockengeläut hätt erschreckt.
Da hat er sichs Sterben no gschwind überlegt.
Weil Ostern is, geht er a bissel spaziern,
das is guat fürn Körper, und guat aa fürs Hirn.
Der Teufel, Mephisto, verkleidt sich als Hund
und macht mit den Dokter an höllischen Bund,
verspricht ihm das lustigste, herrlichste Leben,
und erscht, wenn er’s klaß findt, dann soll er ihm geben
sei Seel. Was der Alte ung’schauta riskiert,
weil ihm alles fad is und nix intressiert.
Zerscht gengans ins Wirtshaus. War schad um die Zeit,
der Faust hat am Saufen und Blödeln ka Freud.
Er braucht a Verjüngungskur bei aner Hex.
Die Kur, die gelingt. Er is reif für den Sex.
Jetzt kann er es, wia ma so sagt, net derreiten.
Des dalkerte Madel, das Gretchen, muaß leiden.
Aus lauter Verliabtheit vergifts’ gschwind ihr Muatter.
Der Faust, im Duell, dersticht ihr den Bruader.
Er hat ihr a Kind gmacht. Sie kriagts und murksts å
und kummt ins Gefängnis. Der Faust rennt davon.
Marzik, Trude: Goethe, ‘Faust’, Zweiter Teil (GG)
Der Teufel ziagt weiter mi’n Faust durch die Welt.
Am Kaiserhof machens papierenes Geld.
Vor Freud gibt der Kaiser a Mords-Maschkerad.
Der Faust findt nix dran, ihm is immer no fad.
Der Teufel waaß nimmer, was soll er tentiern.
Auf an griechischen Hausball will er ihm no führn.
Es wurln die Götter durt wild durchanand,
ka Mensch kennt si aus, aber des is ka Schand.
Der Faust findt nix dran, ihm is immer no fad.
Mephisto, der arme, is ganz desperat.
Er schleppt ihm die schöne Helena an,
die gfallt aa dem Faust, und der wird ihr Mann.
Sie kriagn mitanand an deutsch-griechischen Sohn,
der stürzt von an Felsen und sie geht davon.
Der Teufel verzweifelt, dem Faust is alls fad.
Kann des Strebern net lassen. Er strebt nach der Tat
und möchts amal gern mit der Arbeit probiern.
Des hat er no nie tan, tät ihm intressiern.
19
Er rackert si å, denn er is’ ja net gwohnt.
Als Sterbender mant er, es hat sich gelohnt.
Er blickt in die Zukunft — dabei is er blind —
und sagt, daß er des jetzt am klassesten findt.
Von Rechts wegen hätt er die Wett glatt verlurn,
kummt trotzdem in’ Himmel! Der Teufel, voll Zurn,
der is jetzt der Wedel. Fahrt abi in d’Höll.
Is schwer zu begreifen, des Stück. Meiner Seel . . .
Kästner, Erich: Hamlets Geist (HG)
Gustav Renner war bestimmt die beste
Kraft im Toggenburger Stadttheater.
Alle kannten seine weiße Weste.
Alle kannten ihn als Heldenvater.
Alle lobten ihn, sogar die Kenner.
Und die Damen fanden ihn sogar noch schlank.
Schade war nur, daß sich Gustav Renner,
wenn er Geld besaß, enorm betrank.
Eines Abends, als man Hamlet“gab,
”
spielte er den Geist von Hamlets Vater.
Ach, er kam betrunken aus dem Grab!
Und was man nur Dummes tun kann, tat er.
Hamlet war aufs äußerste bestürzt.
Denn der Geist fiel gänzlich aus der Rolle.
Und die Szene wurde abgekürzt.
Renner fragte, was man von ihm wolle.
Man versuchte hinter den Kulissen
ihn von seinem Rausche zu befrein,
legte ihn langhin und gab ihm Kissen.
Und dabei schlief Gustav Renner ein.
Die Kollegen spielten nun exakt,
weil er schlief und sie nicht länger störte.
Doch er kam! Und zwar im nächsten Akt,
wo er absolut nicht hingehörte!
Seiner Gattin trat er auf den Fuß.
Seinem Sohn zerbrach er das Florett.
Und er tanzte mit Ophelia Blues.
Und den König schmiß er ins Parkett.
Alle zitterten und rissen aus.
Doch dem Publikum war das egal.
So etwas von donnerndem Applaus
gab’s in Toggenburg zum ersten Mal.
Und die meisten Toggenburger fanden:
Endlich hätten sie das Stück verstanden.
Rudnigger, Wilhelm: Der Opernschwindel (RO)
Da Krauter Peter trifft
sein Freund,
mit dem se oft im
20
Gasthaus seind.
Znagst bin i
”
in der Oper gwesn!“
erzählt er ihm:
Schad um die Spesn,
”
schad um das Geld,
schad um die Zeit!
In Zukunft bringt mi
niamt so weit.
Du kummst dir vor
als blöder Hund!
I sitz da drinnen,
fast a Stund,
und dann entpuppt sich
erst der Schwindl!
I sag dir, du,
das is a Gsindl!“
Wieso?“fragt ihn
”
der Freund erstaunt:
Ham die Posaunen
”
schlecht posaunt?
Ham gar die Geign
verstimmt geklungen?
Oder ham die Sänger
schleißig gsungen?“
Aach!“sagt der Peter
”
voller Zurn:
I hab nur die
”
Geduld valurn!
In der Pause lies i
das Programm,
was mir beim Zahln
dazuakriagt ham,
und da steht drinnan“,
schimpft der Peter:
Der nächste Akt spielt
”
drei Tag später!
Da hättst mi sehgn solln
hamzua flitzn!
Wer werd denn drei Tag
drinnan sitzn?!“
Erhardt, Heinz: Der König Erl (frei nach Johann Wolfgang von Frankfurt) (HG)
Wer reitet so spät durch Wind und Nacht?
Es ist der Vater. Es ist gleich acht.
Im Arm den Knaben er wohl hält,
er hält ihn warm, denn er ist erkält’.
Halb drei, halb fünf. Es wird schon hell.
21
Noch immer reitet der Vater schnell.
Erreicht den Hof mit Müh und Not —
der Knabe lebt, das Pferd ist tot!
Lahner, Franz: Klassiker (GG)
Glaubst’, i war in der Schul a Weh?
Mei Liaber, i war net bled,
beim Rechnen war i auf der Heh,
und in Deitsch hab i aa net gfehlt.
Am liabstn war mir des Deklamiern,
Gedichte, de i heit no kann,
wart, laß mi ans probiern:
Das Lied vom braven Mann —
alles rennet hin und her,
gefährlich ist’s, den Leu zu wecken,
den Freund rettest nimmermehr . . .
siechst, i bleib net amal steckn!
Oder: Sieh da, sieh da, Ibikus,
der Timotius des Kranichus . . .
des is von der Glockn, waßt,
vom Rilke oder wia der haßt.
Was lachst denn auf amal so bled,
sag, willst mi vielleicht pflanzn?
I glaub, du verstehst des Ganze net,
da kann i mi do schwanzn!
Weil schließlich hab i was gelernt,
und di frißt nur der Neid,
ja, mei Liaber, jetzt bist verhärmt,
lernen muaß ma, dann is ma gscheit!
Marek, Thomas Franz: Moderne Malerei (RO)
Der Maler Edoardo Bärtig
hat den Moment a Büldl fertig.
Von derer Arbeit raucht eahm ’s Hirn,
drum geht er jetzt a Weil spaziern.
Da kummt sei Bua ins Atelje,
der siecht des Büld und sagt: Uje!
”
Jetzt hat mit seiner ganzen Kunst
der Vatta wieder alls verhunzt.
I kann die Kraxlerei net sehgn.
Des is ma zvül, da muaß was gschehgn!“
Er siecht mit schwarzer Farb an Topf,
da geht ihm plötzlich auf der Knopf.
Er taucht an Pinsel ein voll Fieber,
geht hin zum Büld und pinselt drüber.
Er pinselt schwarz, die kreuz und quer,
von unt nach oben, hin und her.
Er arbeit eifrig und beherzt,
bald is des Büld total geschwärzt,
nur bleibt zuletzt im linken Eck,
weil d’Farb ausgeht, a weißer Fleck.
Er is zufrieden, wischt si a,
22
auf amol steht der Vatta da.
Der Bua jetzt schnappert mit die Zähnt,
er glaubt, des is sei letztes End.
Der Maler, wusch, der steht und schaut,
er siecht sei Büld total versaut;
doch wia er des Malör fixiert,
fühlt er si plötzlich inspiriert.
Er schreit und packt den Buam beim Kragen:
I müaßt di eigentlich derschlagen!
”
Doch hast in deinem Unverstand
was Grandioses angebahnt.
Durch Zufall bringt jetzt dei Erfindung
a neuche Malkunst zur Entzündung.
Und die Idee, die hat a Strahlung!
Die neuche Kunst haßt ‘Übermalung’ !“
Was sich dem Maler offenbart hat,
war des, auf was die Welt scho gwart hat.
Wem intressiert heut noch a Akt,
den jede Illustrierte zagt?
Und was gemalt wird surreal,
Is heut scho jedem Hund egal.
Was der Picasso präsentiert,
wird net amol mehr ignoriert.
Aber a Büldl übermaln,
mei Liaber, des muaß jedem gfalln!
Und no dazua der feine Gäg:
auf schwarzem Grund a weißer Fleck! —
Kaum hat der Edoardo Bärtig
sei erste Übermalung fertig,
wird er scho als Schenie entdeckt.
Er trinkt zum Fruahstuck nur mehr Sekt,
geht mit sein Buam in Kompanie
und hat an Umsatz wie noch nie.
Roth, Eugen: Schloßführung (HG)
Was ist doch so ein Fremdenführer
Oft feinsten Unterschieds Erspürer!
Fast stets trifft er den Ton, den richtigen:
Herrschaften, die das Schloß besichtigen,
”
Bitt höflich ich, mit mir zu gehn.
Die Leute, die es nicht ansehn,
Die können hier inzwischen warten!“
Und schon verteilt er Eintrittskarten.
Bewehrt mit Filzpantoffeln dürfen
Wir nun durch die Gemächer schlürfen,
Und schlittschuhfahrend probt die Glätte
Der Gast vergnügt auf dem Parkette.
Erbaut im Dreißigjährigen Kriege,
”
Die Marmor- oder Kaiserstiege,
Die zu den obern Räumen führt!“
Das Ah!“ ertönt, das ihr gebührt.
”
Rechts sehn Sie“— alle Hälse recken
”
23
Sich gleich gehorsam nach den Decken —
Ein Bild der Venezianer Schulen:
”
Zeus mit der Nemosine buhlen —
Erkennbar an dem großen Busen —,
Sie gilt als Mutter der neun Musen!“
Neun Töchter, denkt man, alle Achtung —
Doch mitten unter der Betrachtung
Reißt schon, vermöge seines Winks,
Der Führer jeden Kopf nach links
Und ruft: Bestaunt hat dies schon Goethe,
”
Flora begrüßt die Morgenröte!“
Auch treten wir, auf seine Bitte,
Andächtig in des Raumes Mitte:
Der Sieg der Weisheit übers Laster,
”
Gemalt von Zacharias Zaster
Und hier dazu das Gegenstück:
Die Weisheit wird verhöhnt vom Glück! . . .
Als ersten Prunkraum sehen Sie
Die sogenannte Galerie.
Der Lüster, allgemein bewundert,
Setzt sich aus über vierzehnhundert
Kristallglastäfelchen zusammen;
Ist jetzt elektrisch zu entflammen —
War aber dazumal noch nicht
Und man benützte Kerzenlicht.
Es folgt das grüne Kabinett,
Mit dem berühmten Hochzeitsbett!
Links: Füllungen, vergoldet Eiche,
Venus belächelt Amors Streiche!
Rechts: Venus raubt dem Mars die Waffen!
Der Künstler — sehen Sie den Affen —
Hat hier sich einen Scherz erlaubt:
Wo der Betrachter steht, er glaubt,
Daß grad auf ihn der Affe schaue.
Das Fürstenzimmer, auch das blaue,
Nach seiner Farbe so benannt,
Original-Damast-bespannt.
He, dort die Dame, nichts berühren!
Wir sind zum Ende mit dem Führen.
Beteiligen sich entsprechend viele,
Zeig ich nun noch die Wasserspiele!“
Wir freilich zählen zu den Eiligen,
Die sich an gar nichts mehr beteiligen.
Befürchtend, daß noch wasserwogisch
Man uns beschütte, mythologisch,
Entfliehn wir, zahlend unsern Zoll:
Recht vielen Dank, war wundervoll!“
”
Vermutlich bis ins Greisenalter
Verfolgt uns noch der Schloßverwalter.
Strnadt, Georg: Der Gedichtband (GG)
Heast Poidi host des biachl gsegn?
fua ana hoimschtund is do glegn
24
Des howi duat ins wingl gfeiat
wei sowos zlesn mi ned gfreiat
Heast Poidi — bist du den farukt
ois wos do drinschted des is drukt
und des wos drukt is, des is woa
wea des ned glaubt, dea is a noa
Jo sog ma Franzl, bist du bled
das’d du des glaubst wos do drin schted
Des wos i glaub ged di nix au
in disen haus bin i da mau
sofuat bringst ma des biachl hea
i wea das zagn — i bin da hea!
Wos soi de oame Poidi duan
si hod eams brocht, zwoa mid an zuan
da Franzl faungt zun lesn au
so guad ois ged, so wiaras kau
Drum prüfe ewig — wea sich bindet“
”
des is wos, wos ma richtig findet
wee dem, dea ungschaut einedopt
dea wa fias gaunze lebm gschnopt
jezt suach i glei an aundre schtö
so mitn drin — wo und dawö
fil schteine gabs und wenig brod“
”
i glaub, do wari liawa dod
so bladl i hoid a schtikl weida
i hoff — des nexte — des is gscheida
Wea reitet so schpät duach nacht und wind?“
”
a so a frog — i glaub — dea schpind
i bladl weita, desmoi gschwind
und dea wilde knabe brach — “
”
dea hod zfü gfressn, daun geds gach
waun dise gschicht so weida ged
daun sich is ei — daun wiad ma bled
Wea ni sein brod mit tränen as“
”
a so a bledsin, a so a kas
a brod, des ist ma mit da wuascht
dazua a hoiwe, gengan duascht
i glaub des hod ma a ned gfoin
des gaunze soi da teife hoin
Heast Poidi, i glaub, du host recht
des gaunze biachl — des is schlecht
am bestn is, mia hauns am mist
das ma den waunsin schnö fagist
Und di moral fon dera gschicht
hea auf dei oide, waun si schpricht
de Poidi hod de gschicht duachschaut
und unsa Franzl, dea gheat ghaut!
25
Artmann, Hans Carl: fia n dom schak (RO)
amoe en mein lem no
mechad e
domschakbiachln dauschn gee
fon bradnsee ume
in d rosnschdaagossn
blossfiassech
en suma
waun d sun brend
met de zechn
en woaman assfalt . . .
aus jedn haus hot domoes
a bealina bankrauwa
oda r a r opiumschmugla
aussagschaud
aus jedn mistkiwö
a dode leich!
und waun s d einegaunga bisd
en so a haus
zun diadafalbeowochtn
woa s soo küü drin
und soo schdüü
wia r en ana kiachn
en dera wos s grod zmitog
an köch kocht haum . . .
owa r unsa dom schak
mezzaumt n bit schdrong
is lenxt scho in himö
bei de gaunzn aundan dedektif
fon fuagestan . . .
Krutisch, Anton: Die Preferanzpartie (HG)
Im Wirtshaus, im klan Extrazimmer
treffen sich am Mittwoch immer
der Fritz, der Edi und der Franz
zu aner klassen Preferanz.
Doch jedesmal gibt’s vor dem Kampf
mit der Warterei an Krampf,
denn der Franz — a Schweinerei — ,
der kann und kann net pünktlich sei’.
Am Tisch san hergricht’ schon die Karten,
und die zwa, die warten . . . , warten . . .
Nur der Franz laßt sich net blicken.
Beide san nervös und tschicken
jeder schon so vier, fünf Dreier,
und immer is’s die gleiche Leier,
immer is’s der selbe Pflaunz:
Wer net da is, is der Fraunz!
Da geht auf amal haaß der Edi:
I sag dir’s, Fritz, am liabsten tät’ i
”
heut’ a Watschen gem dem Hund. —
Jetzt wart’ ma scho beinah a Stund,
26
und wieder halt’ er uns für Narrn,
heut’ wer’ i aber einifahrn!
Glaub ma’s: Hätt’ ma nur an Dritten,
i tat’ den Trottel nimmer bitten
und sagert eahm: ’Geh Fraunz, geh päule,
Fraunz haßt wirklich a Kanäulle!
Der Schiller war da net zu hart,
wahrscheinlich hat er aa so gwart’.
Hast eh kan Bries vom Preferanzen,
uns wirst du nimmer länger pflanzen —
des merk dir jetzt amal, du Wedl,
und speicher’s in dein Fetzenschädl!’ “
Recht hast, Ederl“, sagt der Fritz,
”
denn langsam kummt er aa in d’ Hitz,
laß nur kumma heut’ des Gfraßt,
”
da sag i eahm, was ma net paßt.
I wer’ eahm sagen: ’Du Haring, gselchter,
du Mini-Pläboy, du verwelchter,
glaubst, mir falln vur dir auf d’ Knia?
Du hast doch kane Weh vur dir!
Wennst nomal z’spät kummst — ohne Schmäh —
kriagst a Watschen wia vom Kassius Kläh!’ “
Drauf mant der Ederl: Auf den Fraunz
”
macht kan Eindruck so a Taunz.
Bei dem erreichst du nix min Schimpfen,
i glaub, den müaß ma amal impfen;
wenn’s sein muaß, mit’n Kuchlmesser,
der Trottel, der versteht’s net besser.
Fritz! — I schwör da’s in die Haund:
den nimm i heute ausanaund!
Wenn der einakummt, der Schuft,
is er zrissen in der Luft.
Paß auf:
I beiß eahm z’erscht a Gwind in d’ Flaxen
und schrauf eahm an die Sesselhaxen,
nacha bind i eahm die Händ’
und ziag eahm anzeln alle Zähnd.
Dann reiß i eahm — des is ka Pflaus —
de Haar mit der Pinzetten aus.
Des mach i ohne Wimperzucken
und schenk ihm nachher a Perucken.
Dann gib i eahm a Magenbeugel
und spuck eahm auf des rechte Äugel —
des linke laß i eahm zum Reern;
wirst schau’n, dem zeig i heut’ an Herrn!“
Braaavo Ederl!“ schreit der Fritz.
”
Heut’ haun ma eini wia der Blitz!
”
Heut’ mechtat i net ums Verrecken
in der Haut vom Fraunz drinstecken.“
Grad wia s’ intensiv besprechen,
was besser is: Derwürgn? — Derstechen?
Oder anfach nur derschlagn? —
steigt der Fraunz aus seinem Wagn.
Wia de zwa eahm kumma sehgn,
27
is’s mit eahna aus und gschehgn:
Der Fritzl schreit: Der Fraunz is do!
”
Ederl, tummel di — heb o!!!“
Der Ederl schreit: Der Fraunz! — Der Fraunz!“
”
und kriagt in d’ Augn an feuchten Glaunz.
Der Fraunz sagt nur: Entschuldigung,
”
i war bei aner Katz an Sprung,
und jetzten bin i abghetzt gaunz.“
Nau, Hauptsach, daß du da bist, Fraunz“,
”
sagt der Ederl ganz gerührt.
Mir haum scho glaubt, ’s is was passiert.“
”
Drauf sagt der Fraunz ergriffen zart:
Und i hab glaubt, es habts an Bart.
”
Des tat’ ma laad, es Lieben, Guten.“
Beide:
Geh drah di — wegn die paar Minuten . . .“
”
Krutisch, Anton: Schadenfreude (GG)
Unlängst, wia’s so stark hat gregnet,
is mir was Komisches begegnet,
des hat mir zeigt, daß d’ schenste Freud
die Schadenfreud is für die Leut.
Wia i bei ana Haltstell steh,
war auf de Schienen scho a See,
was haßt a See? — A klanes Meer!
So stark hat’s pritschelt ghabt vurher.
Die Tramway steht zum Einsteign offen,
mi hat des aber net betroffen,
denn i hab auf a andre gwart’,
de was am selben Gleis durt fahrt.
Grad wia des Türl wird geschlossen,
kummt no a Mann schnell zuwigschossen,
hat in der Hand an Blumenbuschen
und glaubt, er kann no einehuschen.
Doch wia’s im Leben halt oft geht,
er kummt um a Sekunden z’spät,
is schon an dem Waggon zu dicht
und verliert im Schwung sein Gleichgewicht.
Verzweifelt suacht er einen Halt,
der Zug fahrt an grad, und er fallt,
weil er den Griff net kann derpacken,
genau aufs Gleis in d’ Riesenlacken.
Er fallt am Hintern, dann am Rucken,
rundherum tuat ’s Wasser glucken,
und wia er ruadert mi’n Bukee,
rennt rundherum a schon der Schmäh:
Der is in d’ Lacken ghupft wegn d’ Bluman,
”
daß s’ endlich zu an Wasser kumman!“
Ana sagt: Ham Se a Masen,
”
heute brauchen S’ gar ka Vasen.“
Den Armen in der Lacken drin
haut’s jetzt zum dritten Mal grad hin
und immer wieder auf den Rucken,
28
dabei tuat mit die Arm er zucken,
als tät er richtig Tempo machen,
des razt natürlich sehr zum Lachen.
Lacht’s doch net“, sagt wer daneben,
”
tuat’s liaber ihm an Ratschlag geben!“
”
Drauf geht a Mann zum Randstein hin
und sagt zu dem im Wasser drin:
I rat Ihna, san S’ net so dumm
”
und drahn S’ Ihna auf d’ Brust herum,
denn ans is klar: mi’n Ruckenschwimma
derwischen Se de Tramway nimma!“
Marek, Thomas Franz: Der alte Mann erinnert sich (RO)
Wart, so hat des angfangt, i waß no genau:
i steh in der Tramway, nebn mir sitzt a Frau.
Was sag i, a Frau? Na, a Madl wars, klar,
mit mollige Dingsda und offene Haar.
Sie schaut an Moment nur, die saubere Katz,
steht auf und wird rot und gibt ma ihrn Platz.
Sehr liab!“, sag i, Fräulein, des nimm i net an,
”
”
weil i doch von mir aus zwa Stund no stehn kann!“
Des macht nix,“ sagt sie drauf ganz unhamlich süaß,
”
von uns zwa hab i doch die jüngeren Füaß!“
”
Was hätt i solln machen, mir fehlt die Routin.
I Trottel bedank mi und setz mi halt hin.
Schau aussi durchs Fenster, die Händ san eiskalt,
i denk ma: hörst, bin i denn wirklich scho alt? —
Ja, des war der Tag, hab i oft überlegt,
von da an hat alles sich abwärts bewegt.
Da gibts nix, verstehst, weil da nutzt aa ka Schmolln:
i hätt in der Tramway halt stehenbleiben solln!
Marzik, Trude: Die Emanzipation (HG)
Stieren tuats mi länger schon“,
”
sagt die blonde Rosa.
Mit der Emanzipation
”
machen s’ so a Wasser!“
Geh, da is gar nix dabei,
”
lass di do net pflanzen!
Mir san“, sag i, grad so frei,
”
wett ma? wia d’Emanzen —
ruaf ma schnell die Lisl an,
d’Anni net vergessen!
Gehn ma amal ohne Mann
nobel auswärts essen!“
Und so warn ma dann zu viert
ohne Männer speisen.
Is ma scho emanzipiert,
muaß ma sich’s beweisen.
G’essen habn ma, g’lacht und g’redt,
Rotwein habn ma ’trunken.
29
D’Männer“, sag i, brauch ma net!“
”
”
Hab dem Kellner g’wunken,
d’Anni hat die Rechnung zahlt
voller Selbstvertrauen.
Warts nur“, sagt sie glücklich, bald
”
”
kummt die Welt der Frauen!“
Liserl, wink des Taxi her!“
”
Durt steht ans, des is grad leer!“
”
Was, a Weib sitzt am Volant? . . .
”
Fahrn ma mit der Straßenbahn!“
Strnadt, Georg: Dos supmhun (GG)
An einen freitog nochmitog
noch ana wochn folla plog
und weili lenga dafon dram
bring ich ein supmhendl ham
ein supmhendl fon dea oat
wia buttanokaln extrazoat
das wiad ein sontag wi noch ni
foll poe- und foll fantasi
schon saumstog schtön mias hendl zua
den sonntogs wü man seine rua
drei schtunden is’s jezt in da rein
i glaub — es miaßt schon featig sein
doch wiari schau — is’s noned wach
i hoff — des hendl bleibt ned zach
moch da wegn sowos kane suagn
”
wos heit ned is — wiad fileicht muagn
mia haum doch eine daumpfmaschin
in dera schtömas hendl hin“
am suntog zeitlich in da frua
den dise gschicht loßt uns ka rua
schtön ma des zache hendl hin
in dea besagtn daumpfmaschin
es zischt den gaunzn fuamitog
a wunda — wiari des eatrog
doch hoit di hoffnung mich am lebm
es wiad ein zoates hendl gebm
doch wiastas kochst — es wiad ned wach
des bibihendal — des bleibt zach
schtön mia in unsra daumpfmaschin
”
den zachn fogl nochmois hin“
da dekl zidat — ’s daumpft und schpukt
i und mei oide wean farukt
es wiad scho fiatl — hoiwa drei
mit meine neafm is’s fuabei
ich bin schon im delirium
waun i ned boid zum fressn kum
i reiß den dekl in di hee
damit i bessa eine see
i kost’s — es is no imma zach
dea oide kraumpm wiad ned wach
30
wos mocht ein mensch in seinen jaumma
ea nimmt foi zuan an fuaschloghaumma
zalegt des fich in füle trimma
doch leida — hoat bleibm si noch imma
am liabstn foaratst in di luft
nix z’fressn trotz den hendlduft
man resigniat und inhaliat
damit ma wos fom hendl gschbiat
mei filosofische begabung
woa füa die koz bei disa labung —
— und di moral fon dera gschicht
kauf jo kein supmhendl nicht
doch wenn schon — fiazen dog fuahea
nua so easchpoast dia mein malea
Pecinka, Hans: Der Ernährungsapostel (RO)
Ein neuer Stern am Firmament
Ist Otto Wicke’s Name.
Schon sammelt für sein Monument
So manche schlanke Dame.
Die Menschheit frißt sich fast zu Tod.
Man sieht schon nur mehr Dicke.
Die letzte Rettung ist das Brot,
Das Brot von Otto Wicke!
Es reift das Otto-Wicke-Korn“
”
Auf Feldern ohne Dünger.
Sein Korn ist ein Gesundheitsborn
Und macht um Jahre jünger.
Sein Korn enthält ein Wuchsferment
Und sechzehn Minerale
Und manches Spurenelement
(besonders in der Schale).
Zurück zur Scholle, zur Natur,
Zur Otto-Wicke-Stiftung!
Er heilt durch 14-Tage-Kur,
Entschlackung und Entgiftung!
Auf echtem Silber wird diniert.
Geschmalzen sind die Preise.
Doch sonst wird ohne Fett serviert.
Höchst einfach ist die Speise.
Zum Frühstück kommt ein Hühnerei,
Bereichert mit Hormonen,
Und etwas roher Haferbrei
Und sieben Sojabohnen.
Dann treibt man frisch und fröhlich Sport.
Der Magen ist entlastet.
Der viele Speck muß endlich fort!
Zu Mittag wird gefastet.
Um 5 Uhr gibt’s Gesundheitstee
Aus Nuß- und Apfelschalen
31
Und etwas Vitamine-D
In Form von Sonnenstrahlen.
Zum Nachtmahl eine Sellerie,
Zwei Löffeln Vogelfutter.
Da knabbern sie, da träumen sie
Von Lachs und Trüffelbutter.
Und jeder schmatzt. Und jeder kaut.
Die Stärke wird verkleistert.
Den meisten knurrt der Magen laut.
Doch alle sind begeistert.
Nur Otto Wicke speist zu Haus
Kein rohes Korn mit Spelzen.
Er lacht die Trottel heimlich aus
Und frißt gebratne Stelzen.
Rudnigger, Wilhelm: Wieso? (HG)
Der alte
Valte Wiedehopf,
der schüttelt grad
erstaunt den Kopf
und sagt zu seiner
Frau, der Kathl:
I lies da grad
”
im Wochnblattl:
der G’samtverbrauch
an Clo-Papier
betragt im Jahr
— so steht’s dahier —
pro Kopf fuchzg Kilo!
Glabst, is’s wahr?
Hast g’hört? Pro Kopf
fuchzg Kilo gar!“
Da wundert sich
Frau Wiedehopf
und mant erstaunt:
Wieso pro Kopf??“
”
Gernhardt, Robert: Als er sich auf einem stillen Örtchen befand (GG)
Mein Blick fällt aufs
Toilettenpapier.
Darauf steht Danke“.
”
Danke wofür?
Danke dafür,
daß ich es verwende
und keine edlen
Ressourcen verschwende.
Danke dafür,
daß ich es benütze
und so die RecyclingIdee unterstütze.
32
Danke im Namen
von Wald und Baum:
Du sicherst unseren
Lebensraum.
Danke im Namen
von Fink und Star:
Du nimmst auch unsre
Interessen wahr.
Danke im Namen
der ganzen Natur:
So handeln
Auserwählte nur.
Danke im Namen
des blauen Planeten:
Heilig, heilig.
Lasset uns beten!
Dank für dein Dasein
in unserer Mitte!
Groß greif ich zur Rolle
und sag segnend: Bitte.
Rudnigger, Wilhelm: Die spate Hochzeit (RO)
Der Knofl Kare
hat beschlossn,
nachdem schon lange
Zeit verflossn,
seit er mit der
Ludmilla geht,
daß es jetzt höchste
Zeit sein tät,
der alten Braut
den Ehe-Reifen
ihr’m Finger endlich
überz’streifen.
— So kummt’s, bevor
a Monat geht,
daß er mit ihrn
vorm Pfarrer steht.
Er steht in Schwarz
und sie in Lila —
Und ja“ sagt er,
”
jjaaa!“ die Ludmilla.
”
Dann gehn die
Eheleute glei
mit’m Pfarrer in die
Sakristei.
Durt fragt der Kare
delikat,
was denn das Ganze
kosten tat?
33
Na, geben Sie,
”
was nicht verkehrt is,
was Ihnen halt
die Sache wert is!“
Da schaut der
frischgetraute Mann
a Weile die
Ludmilla an
und gibt mit
heiter-biederm Sinn
dem Pfarrer —
zwanzig Schilling hin!
Da Pfarrer stutzt
ganz kurz. Und dann
schaut er sich
die Ludmilla an
und gibt — energisch,
mit an Ruck —
dem Bräutigam
zehn Schilling z’ruck!
Marzik, Trude: Hänsel und Gretel (HG)
Der Papa im Häfen, die Mama am Strich,
und ihnere Kinder, die lassen s’ im Stich.
Ma kann sich die Hascherln net selbst überlassen,
die Fürsorge muß sich mit ihnen befassen.
Drum kommen s’ ins Heim, dorten haben s’ es ja schön.
Und doch wolln s’ net bleiben. Is des zum Verstehn?
Heute nacht oder nie!“ sagt der Hans zu der Gredel.
”
Auf d’Nacht brich i aus — i bin do ka Wedel!“
”
Die Greterl, die treu zu ihrn Brüderlein halt,
hupft aa über d’Mauer. Dann rennen s’ in Wald.
So kalt is und finster, und Hunger hams aa,
Da finden s’ a Häuserl, gar liab und gar klaa.
Der Hansel klopft an, ma muaß was riskieren.
Mir kummen vom Gaswerk, die Rechnung kassieren!“
”
Die Alte, was aufmacht, die is ganz perplex:
I hab gar ka Gas!“ sagt sie. Kusch, alte Hex!“
”
”
so schreit glei die Gredel, das himmlische Kind.
Und dann habn s’ es a’gstiert, so gschwind wia der Wind.
Das Weiberl kriagt no a klans Tatschkerl am Schädel,
und dann san s’ davon, der Hans und die Gredel.
Damit ma die Spuren net findert am End,
habn s’ vorsichtshalber des Häuserl verbrennt.
Und dann nix wia ham in der finsteren Nacht!
An Strumpf voll mit Geld habn s’ den Eltern mitbracht!
Der Papa, der is grad auf Urlaub hamkummen,
die Mama, die hat si heut frei deswegn gnummen,
und alle warn happy und warn voller Freud.
Ja, segn S’, so grimmig san d’Märchen von heut.
34
Nöstlinger, Christine: Nochbaschofdshüf (GG)
Dea glozade oide vum haus wisawi
lauad aufd nochd hintada schalusi
und linsd duachn zuwezara auf mi.
I kunt ma jo dicke vuaheng auschofn
oda im finstan mid da oidn schlofn
do des frustrirad jo den oidn ofn.
Dea hod nix aundas wia unsa liebeslem
dea is do scho toteu hinig und danem
dem muas des umeschbechdln heisa gem.
Nua dasa si jezn nedamoi mea scheniad
und a no zuanig zu uns ume telefoniad
wauma feanschaud und eam kan sex seawid
davo bini scho a bisl oag iridiad.
Weinheber, Josef: Es wäre nicht Wien (RO)
War net Wien, wann net durt,
wo kan Gfrett is, ans wurdt.
Denn dås Gfrett ohne Grund
gibt uns Kern, hålt’ uns gsund.
War net Wien, ging net gschwind
wieder amål der Wind,
daß der Staub wia net gscheit
umanandreißt die Leut.
War net Wien, wolltst zum Bier
und es stößert mit dir
net a B’soffener z’samm,
der a Feuer mächt ham.
War net Wien, wann net gråd,
aufgråbn wurdt in der Ståd,
daß die Kübeln mit Teer
sperrn den Fremdenverkehr.
War net Wien, käm net glei
aner dasig vorbei,
der von d’ Federn aufs Stroh
g’rutscht is, so oder so.
War net Wien, Pepi, wannst
raunzen mächst und net kannst:
Denn dås Gfrett ohne Grund
gibt uns Kern, hålt’ uns gsund!
Mayer-Limberg, Josef: i daboggs nimma (HG)
i daboggs nimma
merri
hoda aufn raund
fon ana
oedn zeidung
gschrim
35
med an bleischdifd
i daboggs nimma
merri
sunsd goanix
oes wia
i daboggs nimma
merri
und dann hodase
hamdrad
nau jo
hod de merri
nocha gsogd
nau jo
waunas hoed
nimma daboggd hod
Strnadt, Georg: A schene leich (GG)
Solaung du lebst — kaunst di — wiast wüst — dawiagn
und waunst a glik host — an brofessatitl kriagn
bist owa gschtuabm — daun wean si schtatuen earichtn
und himmeblaue schmee mid schmoiz eadichtn
a schene leich is unsre schbezialided
weil dea — dea gschtuabm is — neamt in weg mea schted
de redna gfrein si — weil sa si gean hean
und nedamoi da dode kaun si dagegn wean
dea wundaboare mensch — dea reinste edlmut im lebm“
”
da dode schaumt si — den an soichn hods nia gebm
und de fawaundschoft — gramgebeugt fom schteabm
denkt drüwa noch — wiafü weama den eabm
und a koral wiad blosn und du kaunst des gschbian
wias wossa roglat wiad und drukt auf deine nian
o schmeaz los noch — da dode is begrobm
dos lebm ged weita
woa des a schene leich — ned woa —
si schtimt den menschn heita
Marek, Thomas Franz: Die Kulissen (RO)
Freunderl, ans, des müasserst wissen:
allweil, bis zum letzten Bissen
bist umgeben von Kulissen.
Schöne Möbeln in dein Zimmer.
Kehr um d’Hand erkennst es nimmer,
bei an Erdstoß hast nur Trümmer.
Schau, oft is der schönste Wagen
mit an Pumperer zerschlagen:
kannst eahm glei zum Tandler tragen.
Hat dir net erzählt dei Vater,
wia in Wien des Ringtheater
war a anzger Feuerkrater?
A Stund früher wars für d’Reichen
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noch a Prunkhaus sondersgleichen —
blieben is a Fragezeichen.
Dresden nachn Bombenregen
is in Schutt und Aschen glegen
auf Befehl von die Strategen.
Vurher wars a Augenweide:
Geschäfte, Kinos, Schulgebäude,
Parks, den Menschen durt zur Freude.
Siehgst, Kulissen san des immer!
Alles sinkt amol in Trümmer.
Ans-zwa-drei, du siehgst es nimmer.
Macht di des net manchmal bänglich?
Was um dich is lebenslänglich,
alles, alles is vergänglich!
Hunde, Katzen, Hendeln, Anten,
alle deine vüln Bekannten,
san für dich nur Emigranten.
Kaner bleibt mit dir verbunden,
irgendamol sans verschwunden,
oft in Jahren, oft in Stunden.
Denk scharf nach amol, mei Liaber:
irgendwo werkt wia im Fiaber
dauernd a Kulissenschiaber.
Allweil wechselt’s Panorama:
für die Menschen, Viecha, Bama
haßts nur immer: wegarama.
Und scho kummen neuche Gsichter,
Städtebauer, Landvernichter,
guate Leut und Bösewichter.
Sans a no so dienstbeflissen,
oder hams di einibissen,
Mensch, für dich sans nur Kulissen.
Doch dazwischen, net vergebens,
und trotz deines Widerstrebens,
spielt das Schauspiel deines Lebens.
Ganz allan stehst auf der Bühne
und agierst mit ernster Miene
in dem Spiel von Schuld und Sühne.
Draufgabe
Jertz, Mia: Das Alter
(RO) Es ist seltsam mit dem Alter.
Wenn man dreizehn und noch Kind,
weiß man glasklar, daß das Alter
so um zwanzig rum beginnt.
(GG) Ist man aber selber zwanzig,
denkt man nicht mehr ganz so steif,
37
glaubt jedoch, genau um dreißig
sei man für den Sperrmüll reif.
(HG) Dreißiger, schon etwas weiser
und vom Lebenskampf geprägt,
haben den Beginn des Alters
auf Punkt vierzig festgelegt.
(RO) Vierziger mit Hang zum Grübeln
sagen dumpf wie ein Fagott,
fünfzig sei die Altersgrenze
und von da an sei man Schrott.
(GG) Fünfziger, auf Wellness-Kuren
sind noch keck und lebensfroh,
schäkern aus der Solegrotte:
Siebzig erst ist Ultimo!
(HG) Doch die Siebziger, die klugen,
denken überhaupt nicht dran.
Jung sind alle, die noch lachen,
leben, lieben, weitermachen.
Alter . . . ? Fängt mit hundert an.
Anmerkung: Die fünfte Strophe wurde dazugedichtet, sie ist nicht von Mia Jertz. In der letzten
Strophe steht im Original Fünfziger“ statt wie hier Siebziger“.
”
”
38
Einladung und Programm
39
Die Einladung zu der Veranstaltung
(das Bild der Mitwirkenden stammt aus dem Jahre 1994)
40
Dichterlesung am Montag, dem 8. Mai 2006, 19.30 Uhr
im Bösendorfer-Saal, 1040 Wien, Graf Starhemberg-Gasse 14
UNLÄNGST, VOR 50 JAHREN
Ernstes und Heiteres, ausgewählt und vorgetragen von
Heinz Glaser — Gerhard Grau — Rudolf Oezelt
zur Erinnerung an ihre Vortragsabende 1956–1999
im Schloß Hetzendorf und in der Burg zu Perchtoldsdorf
Am Bösendorfer-Flügel: Giuseppe Mariotti
Erster Teil
D. Scarlatti: 2 Sonaten
Einleitende Worte
W. A. Mozart: Rondo in a-Moll
R. M. Rilke:
F. Werfel:
R. M. Rilke:
E. Kästner:
F. Schreyvogl:
J. Marschall:
F. Schreyvogl:
R. Gernhardt:
H. D. Hüsch:
Kindheit
Elternlied
Der Auszug des verlorenen Sohnes
Die Heimkehr des verlorenen Sohnes
Das Eisenbahngleichnis
Direktor Körner ist unaufmerksam
Wiedersehen
Ferne Abende
Der Engel mit der Traube
Der Weingartenhüter
Frühling
Was ist Kunst
Ach, schick doch dein Kind auf ein humanistisches Gymnasium
Ich möchte mal mit herzlichem Verlaub hier einen Vorschlag machen
Pause
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Zweiter Teil
L. v. Beethoven: Ecossaise (Schottischer Tanz)
J. Darion (R. Gilbert):
T. Marzik:
E. Kästner:
W. Rudnigger:
H. Erhardt:
F. Lahner:
Th. F. Marek:
E. Roth:
G. Strnadt:
H. C. Artmann:
A. Krutisch:
Th. F. Marek:
T. Marzik:
G. Strnadt:
H. Pecinka:
W. Rudnigger:
R. Gernhardt:
W. Rudnigger:
T. Marzik:
Ch. Nöstlinger:
J. Weinheber:
J. Mayer-Limberg:
G. Strnadt:
Th. F. Marek:
aus: Der Mann von La Mancha (Der unmögliche Traum)
Goethe, Faust“, Erster Teil
”
Goethe, Faust“, Zweiter Teil
”
Hamlets Geist
Der Opernschwindel
Der König Erl (frei nach Johann Wolfgang von Frankfurt)
Klassiker
Moderne Malerei
Schloßführung
Der Gedichtband
fia n dom schak
Die Preferanzpartie
Schadenfreude
Der alte Mann erinnert sich
Die Emanzipation
Dos supmhun
Der Ernährungsapostel
Wieso?
Als er sich auf einem stillen Örtchen befand
Die spate Hochzeit
Hänsel und Gretel
Nochbaschofdshüf
Es wäre nicht Wien
i daboggs nimma
A scheene leich
Die Kulissen
Dokumentation aller 45 Vortragsprogramme und aller vorgetragenen Texte
http://www.ihq.uni-karlsruhe.de/grau.htm
Über den Künstler Giuseppe Mariotti: http://www.mariotti.at/Lebensl.html
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