Diese Geschichte macht Schule.

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Diese Geschichte macht Schule.
© Kristina Eriksson
Diese Geschichte macht Schule.
HIHO-0016
Unterrichtsmaterial zur jüngsten deutschen Geschichte
anhand des Musicals HINTERM HORIZONT
Inhalt
Vorwort..............................................................................................................................................................Seite 5
Begriffe..............................................................................................................................................................Seite 6
Eine deutsch-deutsche Geschichte (Handlung des Musicals HINTERM HORIZONT)...................................Seite 7
Geschichte
Geschichte der DDR.........................................................................................................................................Seite 8
Zeitstrahl 1945 – 1990......................................................................................................................................Seite 10
Die Berliner Mauer..........................................................................................................................................Seite 12
Die Unterdrückung der Opposition durch die Staatssicherheit.....................................................................Seite 14
Kindheit und Jugend in der DDR....................................................................................................................Seite 16
Rockmusik in der DDR....................................................................................................................................Seite 18
Udo Lindenberg
Udo und seine Freunde in der DDR................................................................................................................Seite 20
Stark wie zwei (Biografie) ...............................................................................................................................Seite 24
Herausgeber:
Stage Entertainment Veranstaltungsgesellschaft mbH
Produktmanagement Stage Theater am Potsdamer Platz
Kehrwieder 6
20457 Hamburg
In Zusammenarbeit und mit fachlicher Beratung des
Landesinstituts für Schule und Medien
Berlin-Brandenburg (LISUM)
14974 Ludwigsfelde-Struveshof
Tel.: 0 33 78 209-0
Fax: 0 33 78 209-149
www.lisum.berlin-brandenburg.de
Interview..........................................................................................................................................................Seite 26
Das Musical
Aktivierung von Vorwissen und Einstiege......................................................................................................Seite 28
Beobachtungsaufgaben.................................................................................................................................Seite 29
Szenenübersicht.............................................................................................................................................Seite 30
Die Figuren und ihre Beziehungen..................................................................................................................Seite 32
Zur Dramaturgie des Musicals........................................................................................................................Seite 34
Auszüge aus dem Libretto des Musicals.......................................................................................................Seite 36
Gestaltung des Bühnenbildes........................................................................................................................Seite 38
Autorin/Autoren: Rotraut Greune, Rainer Böhlke-Weber, Herbert Weber
Illustration: Silke Kecke
Lektorat: Dr. Jürgen Bretschneider
Redaktion: Rotraut Greune, Michael Retzlaff, Rainer Böhlke-Weber, Herbert Weber
Gestaltung und Produktion:
Neue Monarchie
Agentur für Kommunikation
Hamburg
Druck und Herstellung:
BEISNER DRUCK GMBH & Co. KG
Müllerstraße 6
21244 Buchholz i. d. Nordheide
Tel.: 0 41 81 90 93-0
www.beisner-druck.de
Anregungen für Schülerinterviews.................................................................................................................Seite 40
Pressestimmen zum Musical..........................................................................................................................Seite 41
Quiz zum Musical............................................................................................................................................Seite 42
Methodische Vorschläge
Unterrichtsvorschläge zur Nachbereitung des Musicals ..............................................................................Seite 44
Udo in Ostberlin (Comic).................................................................................................................................Seite 45
Geschichtliche Stadterkundungen.................................................................................................................Seite 46
Weiterführendes Material (Links, Literatur).....................................................................................................Seite 48
Bildnachweis...................................................................................................................................................Seite 50
Hinterm Horizont (Liedtext).............................................................................................................................Seite 51
© Stage Entertainment Veranstaltungsgesellschaft mbH, 2011, all rights reserved
Ein besonderer Dank geht an Susan Prahl (Rosinenfischer Hamburg)
und Julia Frantzen/Nina Quitmann (Produktmanagement Theater am Potsdamer Platz).
Die Unterrichtsbroschüre als PDF und weiteres Arbeitsmaterial erhalten Sie online auf
www.musicals.de/schulklassen.
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Vorwort
Der 13. August 2011 war der 50. Jahrestag des Baus der Berliner Mauer. Diese Mauer war eines der sichtbarsten Symbole der deutschen Teilung. Familien, Freundschaften und Liebende wurden getrennt, Lebenswege
zerstört, Verkehrsverbindungen abgeschnitten und mindestens 136 Menschen an der Grenze getötet. Den Bürgerinnen und Bürgern der DDR wurde das Menschenrecht der Freizügigkeit vorenthalten. Gleichzeitig festigte
der Bau der Mauer die SED-Diktatur für eine gewisse Zeit nach innen.
Für viele Schülerinnen und Schüler ist es heute unvorstellbar, dass eine Mauer quer durch die Stadt Berlin
verlaufen ist und dadurch die Menschen voneinander getrennt wurden. Die deutsche Einheit ist für sie eine erfahrene Selbstverständlichkeit. Zugleich ist der Wissensstand über die DDR und die jüngste deutsch-deutsche
Geschichte bei der jungen Generation mehrheitlich nicht sehr ausgeprägt.
Hier besteht für die gesellschaftliche Institution Schule eine bedeutsame und dauerhafte Aufgabe, indem sich
dort Schülerinnen und Schüler sowohl systematisches Wissen als auch historische Kompetenzen aneignen
können. Die Rahmenlehrpläne bieten vielfältige Anknüpfungspunkte, die deutsch-deutsche Nachkriegsgeschichte im Unterricht zu thematisieren.
Neben Lernmaterialien, Gedenkstätten, Institutionen der Aufarbeitung und Zeitzeugengesprächen kann auch
die Auseinandersetzung mit einem politischen Musical für Schülerinnen und Schüler einen wichtigen Beitrag
zur Auseinandersetzung mit der jüngsten deutschen Geschichte leisten.
Das Musical HINTERM HORIZONT vermittelt in besonders ansprechender Art und Weise am Beispiel einer teils
authentischen, teils fiktionalen Liebesgeschichte die Folgen der deutschen Teilung und des Mauerbaus sowie
die unterschiedlichen Erfahrungen der Menschen vor und nach dem Fall der Mauer. Mit den Hits von Udo
Lindenberg und dem Humor von Thomas Brussig („Sonnenallee“) wird im Musical HINTERM HORIZONT die
jüngste deutsch-deutsche Geschichte anschaulich präsentiert.
In Zusammenarbeit mit Udo Lindenberg und Stage Entertainment, den Machern des Musicals HINTERM
­HORIZONT und mit fachlicher Beratung des Landesinstituts für Schule und Medien Berlin-Brandenburg
(LISUM) wurde diese Publikation entwickelt. Unser gemeinsames Ziel ist es, Schülerinnen und ­Schülern und
Lehrkräften ein pädagogisches Angebot für eine inhaltliche Vor- und Nachbereitung des Musicals HINTERM
HORIZONT sowie Unterrichtshinweise für eine weitere thematische Auseinandersetzung zu unterbreiten. Diese
Auseinandersetzung kann auch uns allen helfen, das Verständnis für Freiheit und Demokratie zu schärfen.
Wir wünschen dieser Publikation eine möglichst weite Verbreitung und allen Lehrkräften und Schülerinnen und
Schülern viel Erfolg bei einer ungewöhnlichen Art der Auseinandersetzung mit der jüngsten deutschen Geschichte.
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© Brinkhoff/Mögenburg
Johannes Mock-O'Hara
(Geschäftsführer Stage Entertainment Deutschland)
Michael Retzlaff
(Referatsleiter Medienbildung, Landesinstitut für Schule
und Medien Berlin-Brandenburg)
5
Begriffe
17. Juni 1953
Arbeiteraufstand in der DDR, erst
gegen höhere Arbeitsnormen, dann
gegen das DDR-Regime; wurde mit
Hilfe sowjetischer Panzer niedergeschlagen; mindestens 55 Todesopfer
Alliierte
Wichtigste Verbündete gegen Hitlerdeutschland (USA, UdSSR/Sowjet­
union, England, Frankreich)
Atomarer Overkill
Anfang der achtziger Jahre waren
in der DDR sowjetische und in der
Bundesrepublik Deutschland US-­
amerikanische Atomraketen stationiert. Es waren so viele, dass sie im
Fall ihres Einsatzes beide deutsche
Staaten und weitere europäische
­Länder hätten zerstören können.
Blauhemd
Umgangssprachliche Bezeichnung für
das FDJ-Hemd; für ältere DDR-Bürger
auch ein Symbol für das Ende der
Nazi-Herrschaft (Braunhemden) und
den Aufbruch in eine neue Zeit
Blaumeise
Nett gemeinter Spottname für FDJMädchen in der blauen Uniform
Demontage
Abbau von Industrieanlagen des
Kriegsverlierers, Überführung in
­Siegerstaaten
Diversant
Im kommunistischen Sprachgebrauch
Bezeichnung für einen feindlichen
Agenten und Saboteur
Eiserner Vorhang
Bezeichnung der gesperrten europäischen Grenze zwischen den autoritärsozialistischen Staaten im Osten und
den demokratisch-kapitalistischen
Staaten im Westen
FDJ
Abkürzung für Freie Deutsche Jugend;
Jugendorganisation unter staatlicher
Leitung, koordinierte u. a. die Freizeitgestaltung Jugendlicher in hierarchischen Strukturen
Genosse/Genossin
Sozialistische/kommunistische
Anrede, verwendet in allen Orga­ni­
sa­­tionen – von der Schule bis zum
Staatsrat
6
Glasnost und Perestroika
Michail Gorbatschow versuchte ab
1985 mit diesen Schlagworten, die
„Offenheit“ und „Umbau“ bedeuten,
die UdSSR zu modernisieren.
HdjT
Abkürzung für Haus der jungen
­Talente; Klubhaus und Veranstaltungsstätte für Jugendliche in ­Ostberlin bis
1991
IM
Abkürzung für Inoffizieller oder
Informeller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS / Stasi);
angeworbene Spitzel, die verdeckt
Informationen aus allen Lebens­
bereichen (Arbeit, Familie, Freunde
etc.) von Menschen weitergaben, die
sie persönlich kannten
Kalter Krieg
Bezeichnung für die politischen Spannungen zwischen den sozialistischen
Staaten des Ostblocks und den westlichen Staaten der NATO sowie die
damit verbundene massive Aufrüstung
und gegenseitige Spionage
Lipsi/Lipsi-Tanz
1959 von der DDR eingeführter Modetanz als Alternative zu den westlichen
Rhythmen von Rock ’n’ Roll und Twist
Luftbrücke
Nachdem die UdSSR 1948 die Land­
wege nach Westberlin abgeriegelt hat­te,
versorgten amerikanische Flugzeuge
den westlichen Teil der Stadt im Dauereinsatz von Westdeutschland aus.
Marshall-Plan
Von Kriegsfolgen betroffene Länder in
Europa bekamen Hilfskredite der USA,
um ihre Wirtschaft wieder anzukurbeln.
MfS
Abkürzung für Ministerium für Staatssicherheit der DDR
Neue Ostpolitik/Entspannungs­
politik
Unter Bundeskanzler Willy Brandt
­wurde versucht, mit der DDR zu koope­
rieren, anstatt sie strikt abzulehnen.
Ziele: Erleichterungen für getrennte
­Familien, Entspannung und Stabili­
sierung der politischen Beziehungen.
NVA
Abkürzung für Nationale Volksarmee,
Militär der DDR
Olympiaboykott
Aus Protest gegen den Einmarsch
der Sowjetunion in Afghanistan
beteiligten sich 64 Nationen nicht an
den Olympischen Sommerspielen
1980 in M
­ oskau, darunter 36 islamische Länder, die BRD und die USA.
Im Gegenzug boykottierten fast alle
Ostblockstaaten vier Jahre später die
Olympischen Spiele in Los Angeles.
sicherheit und seine Untergebenen
beisammen und überlegen, wie sie
dem Phänomen Udo L. begegnen
können. Die Stimmung der jungen
Leute im Land wird rebellischer
und die Stasi nervöser.
Palast der Republik
Sitz der Volkskammer (Parlament der
DDR) und Vielzweckveranstaltungszentrum in Ostberlin, erbaut Mitte der
1970er Jahre, abgerissen 2008
Fotos: © Brinkhoff/Mögenburg
Die folgenden Begriffe finden sich teils
im Musical, teils bei den Arbeitsaufgaben und sollten für das Verständnis
der Zusammenhänge bekannt sein.
Sie beziehen sich sowohl auf die
­Umgangssprache in der DDR als
auch auf geschichtliche Hintergründe.
Eine deutsch-deutsche Geschichte
Pershing-Raketen
US-Raketen mit atomaren Sprengköpfen
Reparationen
Wiedergutmachungsleistungen (Geld,
Land, Maschinen) des Kriegsverlierers
SED
Abkürzung für Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, führende Partei
der DDR. Andere Parteien hatten keine
reale Möglichkeit, Macht auszuüben.
Sozialismus
Politische Weltanschauung, die auf
Gleichheit, Gemeinschaft und staat­
lichen Besitz ausgerichtet ist und
die wirtschaftliche und persönliche
Entfaltung einzelner diesem Grundsatz
unterordnet
SS 20
Sowjetische Raketen mit atomaren
Sprengköpfen
Staatsratsvorsitzender
Staatsoberhaupt der DDR; oft zugleich
auch Generalsekretär des ZK der SED
Tagesschein
Passierschein bzw. Tagesvisum der
DDR für Westdeutsche und West­
berliner; gültig bis Mitternacht des
gleichen Tages
Tränenpalast
Umgangssprachliche Bezeichnung
für das Grenzgebäude am Bahnhof
Friedrichstraße
Volkspolizist
Polizist der DDR; Begriff wird
­umgangssprachlich häufig zu
VoPo abgekürzt
Währungsreform
Aufhebung der Reichsmark als
­Zahlungsmittel, Einführung der
D-Mark und DDR-Mark 1948
Jessys Erinnerungen an Udo beginnen in der elterlichen Wohnung,
1983 in Ostberlin. Jessy, 17 Jahre
alt, wird am nächsten Tag im Palast der Republik mit ihrer FDJ-Singegruppe beim „Konzert für den
Frieden“ auftreten. Zum Verdruss
ihres Bruders Elmar hat sie dafür
keine Karten bekommen – denn Elmars großes Idol, der West-Rocker
Udo Lindenberg, wird ebenfalls
auf der Bühne stehen. Während
sich ihre Eltern und der in Jessy
verliebte Marco fragen, was Elmar
an Udo so grandios findet, träumt
seine Schwester davon, auch
etwas Besonderes zu sein.
Beim Konzert trifft Jessy Udo
hinter der Bühne und erlebt
beim Blick in seine Augen Blitz
und Donner wie aus heiterem
Himmel. Udo geht es ähnlich,
und er schwört, bald zu seiner
„Nachtigall“ zurückzukommen.
Die denkwürdige Begegnung wird
allerdings protokolliert: von Krause
und Patschinski, zwei StasiAgenten.
Elmar, der beim Versuch, Udo trotz
allem zu sehen, von der Volkspolizei weggeknüppelt wurde, ist
vollkommen hingerissen, als ihm
Jessy von der Begegnung mit dem
Rockstar erzählt. Während die
beiden Jugendlichen von einem
Leben „gegen die Strömung“ träumen, sitzen der Minister für Staats-
Udo hat derweil in Hamburg für
Jessy ein Liebeslied komponiert,
sie hat es im Radio gehört und
schreibt ihm daraufhin einen Brief.
Elmar rät ihr, den Umschlag einem
Westbesucher am Grenzübergang
Friedrichstraße mitzugeben, damit
der Brief im westlichen Kasten
landet und nicht auf einem StasiSchreibtisch. Da Jessy zu solchen
Aktionen kein Talent hat, übernimmt er diesen Job. Dabei wird
er allerdings verhaftet.
Krause und Patschinski erpressen
daraufhin Jessy, Inoffizielle Mitarbeiterin (IM) der Stasi zu werden
und Udo auf dessen Tournee zu
bespitzeln. Ihr bleibt nur die Einwilligung in die Erpressung, damit
Elmar wieder freigelassen wird.
Doch dann sagt das Ministerium
für Staatssicherheit Udos Tournee ab, und Elmar, der die DDR
nicht mehr erträgt, flieh(g)t über
die Mauer nach Westen. Jessy ist
plötzlich allein.
Bei einem Anruf lässt Elmar Jessy
verschlüsselt ausrichten, dass
Udo in Moskau auftreten wird. Sie
reist sofort dorthin und verbringt
mit Udo eine erinnerungswürdige
Nacht im Hotel.
nach seinem Auftritt. Dem ist kurz
zuvor seine Stasi-Akte von Krause und Patschinski angeboten
worden. Die beiden haben es sich
nicht nehmen lassen, ihm auch
Jessys IM-Tätigkeit unter die Nase
zu reiben. Das Zusammentreffen
des ehemaligen Liebespaares wird
zum Desaster, und Jessy bleibt
in ihrem alten Leben zurück. Bis
Reporterin Mareike erscheint …
Die Geschichte beginnt ...
„Niemand hat die Absicht, eine
Mauer zu errichten.“: Mit diesem
Satz Walter Ulbrichts, den der
spätere Geschichtsverlauf Lügen
strafte, beginnt das Musical, eine
Liebesgeschichte, die den Bogen
vom Bau einer Mauer mitten durch
Berlin bis zu deren Fall und – noch
20 Jahre weiter – bis in die Gegenwart spannt.
Die Mauer, die 1961 – knapp zwei
Monate nach Ulbrichts legendärem
Satz – gebaut wird, macht es dem
Rockmusiker Udo Lindenberg und
seinem Mädchen aus Ostberlin
Jahre später unmöglich, „einfach
nur zusammen (zu) sein“.
Der Chefredakteur einer Boulevardzeitung möchte das als Aufhänger
für eine Serie „Ost-West-Liebesgeschichten“ nutzen. Deshalb schickt
er die Reporterin Mareike los, Udos
alte DDR-Liebe aufzuspüren. Bald
sitzt sie in der Küche von Jessy
Schmidt, die ihr die Geschichte von
sich und Udo erzählt …
Wieder in Berlin, stellt Jessy fest,
dass sie schwanger ist. Nachdem
sie einen Ausreiseantrag gestellt
hat, wird sie von der Stasi massiv
schikaniert. Jessy schaltet auf
stur und schweigt. Da sie von
Udo nichts mehr hört, heiratet sie
schließlich Marco, der glaubt, das
Kind sei von Jessys russischem
Brieffreund.
Bald darauf fällt die Mauer. Jessy
eilt in den Westen und trifft Udo
7
Geschichte der DDR
Seit ihrer Gründung 1949 wurde
die DDR von der Sozialistischen
Einheitspartei Deutschlands
(➜ SED) dominiert, deren Generalsekretär in der Regel auch
Staatsratsvorsitzender war.
Wahlen zur DDR-Volkskammer,
dem Parlament, waren nicht frei.
Meinungsäußerungen, die dem
autoritären System zuwiderliefen,
wurden – wie beim Volksaufstand
in der DDR 1953 (➜ 17. Juni 1953) –
mit Gewalt niedergeschlagen. Im
Gegensatz zur sozialen Marktwirtschaft in der Bundesrepublik war
die Wirtschaft der DDR eine Planwirtschaft. Die Unternehmen lagen
nicht in Privatbesitz, sondern
gehörten meist dem Staat; Preise
8
Mit dem Bau der Berliner Mauer
am 13. August 1961 nahm die
DDR-Regierung ihren Bürgern die
letzte Fluchtmöglichkeit in den
Westen. Sie mussten sich nun in
der DDR einrichten, der allgemeine Wohlstand wuchs. Kleine kulturelle Freiheiten wurden jedoch
1965 schon wieder entzogen. Das
Ministerium für Staatssicherheit
(➜ Stasi) mit Erich Mielke* an der
Spitze hatte einen rigiden Spitzel- und Überwachungsapparat
im Innern aufgebaut, mit dem die
Bevölkerung kontrolliert wurde.
NATO-Doppelbeschluss und
Propaganda in der DDR
Der NATO-Doppelbeschluss
besagte, dem Ostblock mit der
Nachrüstung von Raketen zu drohen, aber gleichzeitig auch Abrüstungsverhandlungen aufzunehmen.
Der NATO-Doppelbeschluss ging
maßgeblich auf die Initiative Helmut
Schmidts zurück, der ihn vor dem
Bundestag verteidigte.
„Mit unseren Bündnispartnern
stehen wir vor der Aufgabe, das
militärische Gleichgewicht zwischen Ost und West zu gewährleisten und – wo dies nötig ist – es
wiederherzustellen. Wie es in der
deutsch-französischen Erklärung
vom Februar heißt, schließen wir
dabei die Hinnahme einer Position
der Schwäche ebenso aus wie
das Streben nach militärischer
Überlegenheit. Ich sage dies … vor
allem … für die Bürger in der DDR,
die uns heute in besonderem Maße
zuhören, weil es ihnen nämlich
angesichts vielfältiger Propaganda
schwerfällt, sich ein zutreffendes
Bild zu machen.“
Bundeskanzler Helmut Schmidt, Rede
zur Lage der Nation vor dem Deutschen
Grafik: Silke Kecke
Nach dem Sieg über Hitlerdeutschland teilten die vier Hauptsiegerstaaten (➜ Alliierte) 1945
Deutschland (ohne Ostgebiete)
in vier Besatzungszonen auf, die
ursprünglich gemeinsam verwaltet
werden sollten. Doch der Machtund Ideologiekonflikt zwischen
den drei demokratisch-kapitalistisch verfassten Ländern USA,
England und Frankreich und der
kommunistisch-totalitär regierten
Sowjetunion nahm stetig zu (➜Kalter Krieg). Bald kam es zu Ausein­
andersetzungen über Reparationen (➜ Demontage), das zukünftige
Wirtschafts- und Staatssystem,
über Hilfskredite (➜ Marshall-Plan)
und Westberlin (➜ Luftbrücke).
1948 wurden in den drei westlichen Zonen (➜ Währungsreform)
und der Ostzone unterschiedliche
Währungen eingeführt, 1949 unterschiedliche Staaten gegründet
(BRD und DDR), die einerseits
dem westlichen, andererseits
dem sowjetischen Einflussbereich
unterlagen. Die deutsche Teilung
war vollzogen.
und Warenmengen wurden nicht
über den Markt, sondern über eine
staatliche Planungsbehörde gesteuert. Ab 1956 standen sich mit
der Bundeswehr im Westen und
der Nationalen Volksarmee (➜ NVA)
in der DDR zwei deutsche Armeen
feindlich gegenüber.
gegen die atomare Aufrüstung
ließ im Westen eine bedeutende
Friedens­bewegung entstehen.
Aufteilung Deutschlands 1945 und spätere deutsche Teilung in BRD und DDR
Der Wohlstandsunterschied zwischen der Bundesrepublik und der
DDR wurde seit 1980 (Ölkrise) immer größer. Notwendige Importe
konnten nur noch über Schulden
finanziert werden, Mitte der achtziger Jahre war die DDR faktisch
pleite, Städte und Fabriken waren
marode.
Bundestag, In: Bulletin des Presse- und
Informationsdienstes der Bundesregierung, Nr. 36, 10. April 1981, S. 309
Erich Honecker* löste 1971 Walter
Ulbricht* an der Staatsspitze der
DDR ab. Gleichzeitig verfolgte der
neue Bundeskanzler Willy Brandt*
einen Kurs der Annäherung
(➜ Neue Ostpolitik). Im Grundlagenvertrag von 1972 vereinbarten
die beiden deutschen Staaten eine
grundsätzliche Anerkennung ihrer
Grenzen. Im Laufe der siebziger
Jahre handelten die Regierungen
limitierte Reisemöglichkeiten im
Transitverkehr nach Berlin und bei
Besuchen aus. In der DDR wurden
Rockmusik, lange Haare und Blue
Jeans nun toleriert, die vorher als
Ausdruck westlicher Dekadenz
galten. Trotzdem blieb die Parteiund Staatsjugend FDJ unter Egon
Krenz* straff und hierarchisch
organisiert.
Was könnte Helmut Schmidt mit
der Propaganda gemeint haben,
von der er spricht? Wer macht
sie mit welchen Aussagen? Was
könnte diese Propaganda mit Udo
Lindenbergs Konzertauftritt in Ostberlin zu tun haben? Schreiben Sie
Ihre Überlegungen zum Thema auf.
Der Einmarsch der Sowjetunion
1979 in Afghanistan führte zu einer
neuen Ost-West-Konfrontation,
welche 1980 im Teilnahme-Boykott der USA an den Olympischen
Spielen in Moskau mündete.
Als Revanche nahmen die Ostblockstaaten 1984 nicht an der
Olympiade in Los Angeles teil.
Für den DDR-Sport war das ein
herber Rückschlag. Er galt zwar
als dopingverseucht, war aber wegen seiner Höchstleistungen ein
Aushängeschild des ostdeutschen
Staates.
Zur Verschärfung des Ost-WestGegensatzes trug auch die
Aufstellung amerikanischer Atomraketen 1982 in Westdeutschland bei, was eine Reaktion auf
sowjetische SS20-Raketen in der
DDR darstellte. Das DDR-Regime
fasste die NATO-Nachrüstung
als Bedrohung auf. Der Protest
Seit 1980 opponierten auch in der
DDR Friedens- und Ökogruppen,
oft kirchlich eingebettet, gegen
die rigorose Staatsführung. Die
UdSSR entzog ihr mit einer neuen,
demokratieorientierten Politik
(➜ Glasnost, ➜ Perestroika) ab 1985
die uneingeschränkte Unterstützung. Zwar konnte Erich Honecker
1987 mit seinem Staatsbesuch in
der Bundesrepublik noch einmal Anerkennung für die DDR
gewinnen. Mit der Öffnung der
ungarischen Grenzen setzte im
Sommer 1989 aber ein Flüchtlingsstrom nach Westen ein, den
die DDR-Regierung nicht mehr
aufhalten konnte. Am 9. November
1989 öffnete sie selbst für ihre
Bürger die Grenzen. Eine Übergangsregierung musste nach der
ersten freien Volkskammerwahl im
März 1990 Platz machen für eine
demokratisch legitimierte Regierung, die am 3. Oktober 1990 den
Beitritt des DDR-Gebietes zum
Bundesgebiet vollzog. Damit hatte
die DDR aufgehört zu existieren,
Deutschland war wieder vereinigt.
( N S. 48)
Aufgaben
* Walter Ulbricht (*1893 Leipzig,
†1973 Groß Dölln): KPD-, später
SED-Politiker; Generalsekretär des
Zentralkomitees der SED 1950–1971
und Staatsratsvorsitzender der DDR;
maßgeblich an der Gründung der
DDR und am Bau der Berliner Mauer
beteiligt
* Erich Honecker (*1912 Neunkirchen †1994 Santiago de Chile):
Mitbegründer der Freien Deutschen
Jugend (FDJ); Organisator des
Mauerbaus; führender Politiker der
DDR 1971–1989; nahm 1987 während
seines Staatsbesuchs in der BRD
Udo Lindenbergs Gitarre („Gitarren
statt Knarren“) an, erlaubte ihm aber
keinen DDR-Auftritt
1. Setzen Sie bitte folgende Zwischenüberschriften und Zeitabschnitte
richtig über den entsprechenden Abschnitten im Text ein:
1980 – 1985 / 1945 – 1949 / 1985 – 1990 / 1961 – 1971 / 1949 – 1961 /
1971 – 1980
deutsch-deutsche Entspannungspolitik / Stagnation und Niedergang /
Aufbaujahre – sozialistische Volksrepublik oder Diktatur? / Von der
Ostzone zur DDR / Konsolidierung nach dem Mauerbau / innere und
äußere Krisenerscheinungen
2. Ergänzen Sie anhand der Informationen in diesem Text den Zeitstrahl
auf den Seiten 10/11.
3. Entwerfen Sie eine Collage des Jahres 1983, die die Themen des
­Musicals aufgreift. Recherchieren Sie im Internet entsprechende
­Fotos, Zeitungsüberschriften, Grafiken.
* Willy Brandt (*1913 Lübeck, †1992
Unkel), SPD-Politiker; 1957–1966 Regierender Bürgermeister Westberlins;
1969–1974 Bundeskanzler; Initiator
der Neuen Ostpolitik, die auf Verständigung und Entspannung mit der
UdSSR, der DDR und Polen setzte
* Erich Mielke (*1907 Berlin, †2000
Berlin), Kampf- und Spionagetätigkeit
für die KPD; 1957–1989 Minister für
Staatssicherheit, baute den StasiÜberwachungsapparat aus
* Egon Krenz (*1937 Kolberg/Pommern), führender SED-Politiker,
1974–1983 1. Sekretär des Zentralrats
der FDJ; organisierte das Friedenskonzert 1983; 1989 kurze Zeit Nachfolger Erich Honeckers
9
Zeitstrahl 1945-1990
1970
„Neue Ostpolitik“ des
­Bundeskanzlers
3.10.1990
LAB/W.Albrecht
3.10.1954
Verträge mit den Westmächten zur Souveränität
der Bundesrepublik und
zum NATO-Beitritt
(Militärbündnis der westlichen Demokratien)
1971
Vier-Mächte-Abkommen
über den Status Berlins
1972
Grundlagenvertrag
zwischen BRD und
DDR
Kinder in Kreuzberg 1985,
Westseite der Mauer
25.6.1948
Beginn der
1968
Studentenproteste in der
Bundesrepublik und Westberlin gegen eine konservative Gesellschafts- und
Werteordnung, gegen
Vietnamkrieg der USA und
gegen Altnazis in hohen
Ämtern
nach Westberlin (1 Jahr)
20.6.1948
Währungsreform in
westlicher Trizone: die
Deutsche Mark löst die
Reichsmark ab
23.5.1949
Gründung der Bundesrepublik Deutschland
(BRD): Das Grundgesetz
(provisorische Verfassung)
tritt in Kraft, provisorische
Hauptstadt:
BRD
23.6.1948
Währungsreform in
sowjetischer Zone:
die DDR-Mark löst die
Reichsmark ab
7.10.1949
Gründung der DDR mit
Inkrafttreten der Verfassung
der DDR, Hauptstadt:
1980
■■ Freiheitsbewegung
Solidarnosc in Polen
setzt die DDR unter
Legitimationsdruck
1972
Grundlagenvertrag
zwischen BRD und
DDR
, der
DDR fehlen Devisen
für den Rohstoffkauf
1985
Michail Gorbatschow
leitet als neuer
­Generalsekretär der
kommunistischen
Partei in der UdSSR
eine Politik der
Offenheit (Glasnost)
und der Reformen
(Perestroika) ein
■■
1971
Erich Honecker löst
in der DDR gegen
Normerhöhungen, gegen DDR-Führung und
Staatssystem
in der DDR („Schwerter zu Pflugscharen“)
25.10.1983
Udo Lindenberg singt
bei einem Friedensfestival im Palast der
Republik in Ostberlin
an der DDR-Staatsspitze ab
14.5.1955
Verträge über Beitritt der
DDR zum Warschauer Pakt
(Militärbündnis der Ostblockstaaten)
1968
Militärische Niederschlagung des
Prager Frühlings mit Hilfe von
Truppen der
1956
Gründung der Nationalen
Volksarmee (NVA)
18.3.1990
Freie Wahl zur
in der DDR
1989
Sommer: Massenflucht von DDRBürgern über die
ungarische Grenze
nach Österreich
17.6.1953
12.9.1990
Unterzeichnung des Zwei
(DDR, BRD) plus Vier
(UdSSR, USA, F, GB) Vertrages anstelle eines Friedensvertrages für das wiedervereinigte Deutschland
17.10.1989
Absetzung Erich
­Honeckers, Er­
nennung von
Egon Krenz zum
General­sekretär
des ZK der SED
und zum Staatsrats­
vorsitzenden
4.11.1989
Hunderttausende
DDR-Bürger protestieren auf dem
Alexanderplatz gegen
das DDR-Regime
in der sozialistischen
­Tschechoslowakei
9.11.1989
Öffnung der Mauer
© LAB/G. Schütz
13.8.1961
Bau der
durch DDR-Führung
Brandenburger Tor kurz nach
dem Mauerbau, im Hintergrund
der Potsdamer Platz.
10
31.8.1990
Einigungsvertrag
zwischen BRD
und DDR
1956
Gründung der
■■
8.5.1945
bedingungslose
­Kapitulation Hitlerdeutschlands
1.7.1990
Währungs-, Wirtschaftsund Sozialunion zwischen
DDR und BRD, Währungsreform: Ausgabe der DM
statt der Ostmark in der
DDR
1974
DDR siegt 1:0
gegen BRD bei
der Fußball-Weltmeisterschaft
1973
Transitabkommen
zwischen BRD und
DDR
DDR
1987
Staatsempfang für Erich
Honecker in der Bundesrepublik
1.10.1982
Helmut Kohl wird zum
Bundeskanzler gewählt
1973
Transitabkommen
zwischen BRD
und DDR
der DDR zum Staatsgebiet der Bundesrepublik,
damit Auflösung der DDR
Aufgabe
Füllen Sie die Lücken im Zeitstrahl zur DDR- und BRD-Geschichte anhand der Informationen aus dem Text
„Geschichte der DDR“ (Seiten 8/9) aus.
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Die Berliner Mauer
Politische Aufteilung Berlins 1945 – 1990
Berlin war wie Deutschland 1945 in
vier alliierte Besatzungszonen eingeteilt worden. Die Stadt gehörte
völkerrechtlich weder zur Bundesrepublik noch zur DDR, sondern
wurde von den vier Besatzungsmächten regiert. Während die
Westmächte Frankreich, USA und
Großbritannien in den Westsektoren eng zusammenarbeiteten, wurde im Kalten Krieg der politische
Gegensatz zum sowjetisch beherrschten Ostsektor immer größer. Die Verwaltung in Westberlin
übernahmen bundesdeutsche, in
Ostberlin DDR-Behörden. Obwohl
das nach dem Besatzungsstatut
nicht möglich war, bezeichnete
die DDR Ostberlin als „Hauptstadt
der DDR“, auch deshalb, um ihren
Gesamtanspruch auf die Stadt zu
untermauern.
Während die innerdeutsche
Grenze zwischen der BRD und der
DDR und die Außengrenze Berlins
schon 1952 weitgehend geschlossen worden waren, flohen über
die noch offenen Sektorengrenzen
Berlins immer mehr Bürger aus
Ostberlin in den Westen. Bis 1961
gingen rund zwei Millionen meist
gut ausgebildete, junge Menschen
der DDR-Wirtschaft verloren. Eine
Fortsetzung in diesen Dimensionen
hätte die Existenz der DDR gefährdet. Deshalb ließ das Regime am
13. August 1961 eine Mauer durch
Berlin errichten. DDR-Bürger, die
nun noch über die Mauer fliehen
wollten, konnten von Grenzsoldaten erschossen oder der „Republikflucht“ angeklagt werden.
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Doch viele Menschen versuchten
weiterhin, aus der DDR zu fliehen. Aus ganz unterschiedlichen
Gründen: Die wirtschaftliche
Lage in der Bundesrepublik war
wesentlich besser. Es gab dort
keine staatliche Bevormundung
und Gängelung wie in der DDR,
sondern Reise- und Bürgerfreiheiten. Manche wollten einfach ihre
Familie wiedersehen oder waren
über die Grenze hinweg verliebt.
Die Mauer im Bezirk Mitte verlief
an der Grenze zu Kreuzberg, über
© Ullstein Bild – Gadewoltz
Andererseits bestand 1961 die
Gefahr, dass die sowjetische Armee und DDR-Truppen Westberlin
besetzen würden, um der Destabilisierung des ostdeutschen Staates ein Ende zu bereiten. Das hätte
einen dritten Weltkrieg bedeuten
können. Der Mauerbau ließ den
Status Westberlins unangetastet
und zementierte die Einflusssphären von Ost und West. Damit
stabilisierte die Berliner Mauer
die politische Weltlage und half,
die DDR-Wirtschaft zu konsolidieren. In der DDR wurde sie als
„antiimperialistischer Schutzwall“
gerechtfertigt, der wirtschaftliche
und politische Einflussnahme aus
dem Westen verhindern sollte.
den Potsdamer Platz, vor dem
Brandenburger Tor vorbei, direkt
hinter dem Reichstag entlang der
Spree bis zur Invalidenstraße und
zur Bernauer Straße. Die Grenzanlagen durchschnitten Straßen,
Häuser, Kirchen, Gleise – die
ganze Stadt Berlin.
Der junge Peter Fechter verblutete
am 17. August 1962 an der Mauer.
Peter Fechter: ein Opfer
des Schie befehls an der
Berliner Mauer
Die Grenzanlagen bestanden aus
zwei Mauern, in dem 30 bis 500
Meter breiten Abschnitt dazwischen befand sich eine sicht- und
schussfreie Zone (Todesstreifen),
auf der Grenzsoldaten Flüchtlinge
gut erkennen konnten. Die Mauern
waren 3,70 Meter hoch. Ihre Oberkanten waren gerundet, damit sich
niemand festhalten und hochziehen konnte. Stacheldraht und
Wachtürme, Hundelaufanlagen,
Sperrriegel und Flutlicht sicherten
das Gelände. Trotz höchster Lebensgefahr gruben die Flüchtlinge
Tunnel, flogen mit Ballons über die
Mauer, rammten sie, versteckten
sich in Besucherautos oder durchschwammen die Spree. Allein in
Berlin kamen bei Fluchtversuchen
mindestens 136 Menschen ums
Leben.
Der 18-jährige Maurer Peter Fechter versuchte am 17. August 1962,
über die Mauer an der Zimmerstraße, zwischen Kreuzberg und BerlinMitte, zu fliehen. Als er sich an
der Mauer hochzuziehen begann,
wurde der junge Mann getroffen,
schwere Blutungen setzten ein.
Seine verzweifelten Rufe – „So helft
mir doch!“ – blieben ohne Reaktion. Zwar waren viele Menschen
auf der Westberliner Mauerseite
zusammengekommen, doch keiner
wagte es, den Todesstreifen zu
betreten – aus Angst, aus dem
Osten beschossen zu werden.
Die DDR-Grenzer befürchteten
ihrerseits Kugeln aus Westberlin.
Anwesende amerikanische GIs hatten Order, nicht einzugreifen: ”It’s
not our problem“. So verblutete
Peter Fechter auf dem Todesstreifen. Der Vorgang löste in Westberlin
schwere Proteste und Demonstrationen aus. Umgehend wurde an der
Todesstelle ein Gedenkkreuz für
Peter Fechter errichtet. Bis heute
ist es ein Gedenkort geblieben.
www.chronik-der-mauer.de
➜ Stichworte:
Opfer der Mauer, Peter Fechter
Modernisierung der Mauer 1977, unweit der Stelle, an der Peter Fechter starb
In den siebziger und achtziger
Jahren hatten sich viele Menschen notgedrungen an die
Mauer gewöhnt. Allerdings nahm
die Unzufriedenheit in der DDR
angesichts der sturen Haltung des
Regimes zu, das die Glasnost­
politik der UdSSR nicht nachvollziehen wollte. Gleichzeitig mit der
Massenflucht über die geöffnete
ungarisch-österreichische Grenze
kam es 1989 zu einer gewaltigen
Bürgerbewegung in der DDR, die
in den Montagsdemonstrationen
und der Massendemonstration
am 4. November auf dem Alexanderplatz ihren stärksten Ausdruck
fand. Trotz dieser Proteste gegen
das DDR-Regime waren die meisten überrascht, als die Mauer am
Abend des 9. November plötzlich
geöffnet wurde. Die DDR-Führung
hatte nicht mehr die Kraft, ihr
eigenes Volk weiter einzusperren.
West- und Ostberliner tanzten
gemeinsam auf der Mauer. Es war
der Auftakt zur Wiedervereinigung.
( N S. 48)
Vier-Mächte-Status
Der Vier-Mächte-Status bezeichnet
die rechtliche und organisatorische
Hoheit der vier Siegermächte (USA,
UdSSR, Frankreich, England) im
besetzten Deutschland nach 1945.
Jeweils vier Hohe Kommissare verwalteten Deutschland im Alliierten
Kontrollrat. Für das Gebiet der DDR
vertrat die sowjetische Kontrollkommission die Besatzungsmacht.
In der vierfach geteilten Stadt Berlin war die Alliierte Kommandantur
zuständig. Am 16. Juni 1948 zog
sich der sowjetische Kommandant
infolge des Kalten Krieges zurück.
Fortan konnten die drei westlichen
Vertreter nur noch Entscheidungen
für Westberlin treffen. Das VierMächte-Abkommen 1971 regelte
den Vier-Mächte-Status Berlins
dauerhaft, indem Transitstrecken
und Einflusszonen endgültig rechtlich abgesichert wurden. Erst 1990
hoben der Zwei-Plus-Vier-Vertrag
und die Wiedervereinigung den
besonderen Vier-Mächte-Status
Berlins auf.
Aufgaben
© StAufarb, Klaus Mehner
Grafik: Silke Kecke
Westberlin war eine eingemauerte
Insel inmitten der DDR geworden.
Die Berliner Mauer wurde zum
Symbol der deutschen Teilung und
der Unfreiheit der DDR-Bürger.
Mit der Neuen Ostpolitik Willy
Brandts, dem Vier-Mächte-Abkommen (1971), dem Grundlagenvertrag zwischen der BRD und der
DDR (1972) und dem Transitabkommen (1973) entspannte sich
die Lage für Westberliner etwas.
Der Transitverkehr auf Schienen,
Straßen, Flüssen und durch die
Luft war nun garantiert und wurde
erleichtert; Westberliner konnten
mit Tagesvisa nach Ostberlin
einreisen, mussten um Mitternacht
aber wieder zurück sein. Aus der
DDR durften nur Rentner für eine
begrenzte Zeit ihre Familien in
Westdeutschland besuchen.
1. Skizzieren Sie nach der Beschreibung im obigen Text die Grenzanlagen im Querschnitt.
2. Verfolgen Sie auf einem aktuellen Berliner Stadtplan den im Text beschriebenen Mauerverlauf im Bezirk
Mitte und am Potsdamer Platz. Recherchieren Sie hierzu im Internet.
3. Entwerfen Sie ein Strukturdiagramm, das folgende Institutionen ins richtige Verhältnis setzt. Beachten Sie
Hierarchien, Kooperationen und Konflikte: Alliierter Kontrollrat, Hohe Kommissare, Alliierte Kommandantur,
Westberliner Bürgermeister, Ostberliner Stadtverwaltung, sowjetische Kontrollkommission, UdSSR, Frankreich, Großbritannien, USA.
4. Schreiben Sie zwei fiktive Zeitungsartikel, die am 14. August 1961 den Mauerbau kommentieren – einmal für
eine bürgerliche Westberliner Zeitung, zum anderen für eine sozialistische Ostberliner Zeitung.
5. Entwerfen Sie die kurze fiktive Geschichte einer Flucht. Entwickeln Sie eine Figur aus der DDR, die nach
dem 13. August 1961 in den Westen fliehen will. Wer? Warum? Wie?
6. Entwerfen Sie einen Dialog: Am 9. November nachts sind Sie als Westberliner in den Ostteil der Stadt
gegangen, wo Sie einem nichtsahnenden DDR-Bürger anbieten, ihm Westberlin zu zeigen. Üben Sie den
Dialog mit einem Mitschüler ein und präsentieren Sie ihn der Klasse.
7. Gegen wen und was richteten sich die Demonstrationen, die noch am Abend nach Peter Fechters Tod in
Westberlin stattfanden? Finden Sie Aussagen, die auf den Demo-Plakaten gestanden haben könnten.
8. Bitte recherchieren Sie im Internet unter der Seite www.zeithistorische-forschungen.de den Beitrag von
Christoph Hamann: „Schnappschuss und Ikone. Das Foto von Peter Fechters Fluchtversuch 1962“. Was
machte Peter Fechters Flucht bekannter als die anderer Maueropfer mit einem ähnlichen Schicksal?
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Die Stasi-Zentrale in der
­Ost­berliner Normannenstraße
Das Ministerium für Staatssicher­
heit (MfS, kurz Stasi) war 1950 als
„Schwert und Schild“ der Sozia­
listischen Einheitspartei Deutschlands (SED) gegründet worden.
Es hatte von Anfang an auch die
Aufgabe, Oppositionelle und
Re­gimegegner, sog. ‚feindlich-­
negative Elemente‘, zu über­
wachen und zu unterdrücken.
Kurz vor dem Ende der DDR
arbeiteten für das MfS noch rund
174.000 Menschen, davon 110.000
Inoffizielle Mitarbeiter (IM).
Praktisch jeder konnte ins Visier
der Staatssicherheit geraten:
Wer sich in irgendeiner Weise
abweichend verhielt oder sich
kritisch dem „real existierenden
Sozialismus“ in der DDR gegenüber äußerte. Am Ende hatte die
Staatssicherheit eine unvorstellbar
große Menge an heimlich aufgenommenen Fotos, mitgeschnittenen Gesprächen und vor allem
an Spitzelberichten Inoffizieller
Mitarbeiter produziert.
Ein Erbe, das nach der Wende für
seine Urheber zur großen Gefahr
wurde. Nur durch die Besetzung
der Bezirkszentralen und der
Stasi-Zentrale in Berlin durch
Bürgerrechtler konnte die Vernichtung der Stasi-Akten weitestgehend verhindert werden.
Mit Zersetzungsma nahmen
gegen die innere Opposition
1971 war Erich Honecker zum
DDR-Staatsratsvorsitzenden
gewählt worden. Dadurch setzte zunächst eine Liberalisierung
ein, und die DDR war in den
Folgejahren um internationale
Anerkennung bemüht. Auch hatte
sie sich mit dem Beitritt zur UNMenschenrechtskonvention und
mit Unterzeichnung der Schlussakte der Konferenz für Sicherheit
und Zusammenarbeit in Europa
(KSZE) zur Achtung der Menschenrechte verpflichtet. Dieser
neuen politischen Linie mussten
auch die Methoden der Staatssicherheit angepasst werden. An die
Stelle offener Repression traten
nun Maßnahmen zur „Zersetzung
feindlich-negativer Elemente“ (siehe MfS-Richtlinie, untenstehend).
MfS-Richtlinie Nr. 1/76 zur
Entwicklung und Bearbeitung
Operativer Vorgänge (OV) vom
Januar 1976
[…] Maßnahmen der Zersetzung
sind auf das Hervorrufen sowie
die Ausnutzung und Verstärkung solcher Widersprüche bzw.
Differenzen zwischen feindlichnegativen Kräften zu richten,
durch die sie zersplittert, gelähmt,
desorganisiert und isoliert und ihre
feindlich-negativen Handlungen
[…] eingeschränkt oder gänzlich
unterbunden werden. […]
Bewährte anzuwendende Formen
der Zersetzung sind:
■■systematische Diskreditierung
des öffentlichen Rufes, des Ansehens und des Prestiges […]
■■systematische Organisierung
beruflicher und gesellschaftlicher
Misserfolge zur Untergrabung
des Selbstvertrauens […]
■■Erzeugen von Misstrauen und
gegenseitigen Verdächtigungen
innerhalb von Gruppen, Gruppierungen und Organisationen;
Bewährte Mittel und Methoden der
Zersetzung sind: […]
Einer der prominentesten Kritiker
der SED-Machthaber war der
Liedermacher Wolf Biermann. In
vielen seiner Texte setzte er sich
kritisch mit den politischen und
gesellschaftlichen Widersprüchen in der DDR auseinander. Die
Staatssicherheit bescheinigte seinen Texten einen „politisch-ideo­
logisch zersetzenden Charakter“.
Die Stasi-Ballade
Wolf Biermann
Menschlich fühl ich mich verbunden
mit den armen Stasi-Hunden
die bei Schnee und Regengüssen
mühsam auf mich achten müssen
die ein Mikrofon einbauten
um zu hören all die lauten
Lieder, Witze, leisen Flüche
auf dem Klo und in der Küche –
Brüder von der Sicherheit
Ihr allein kennt all mein Leid
Ihr allein könnt Zeugnis geben
wie mein ganzes Menschenstreben
leidenschaftlich zart und wild
unsrer großen Sache gilt
Worte, die sonst wärn verscholln
bannt ihr fest auf Tonbandrolln
und ich weiß ja! Hin und wieder
singt im Bett ihr meine Lieder –
dankbar rechne ich euchs an:
die Stasi ist mein Ecker
die Stasi ist mein Ecker
die Stasi ist mein Eckermann
[…]
© 1967 by Wolf Biermann
In den siebziger Jahren machten
ihn Auftritte in den „feindlichen“
Westmedien weit über die DDR
hinaus bekannt. Dieser Bekannt-
heitsgrad schützte ihn, anders als
viele andere Oppositionelle, vor
der Inhaftierung. Und so wurde
ihm 1976 – gegen seinen Willen –
nach einem Auftritt in Köln die
Wiedereinreise in die DDR
ver­wei­gert und die DDR-Staatsbürgerschaft aberkannt. Dies löste
eine bis dahin nicht vorstellbare
Solidaritätswelle unter den
Künstlern und Intellektuellen der
DDR aus. Allerdings reagierte der
Staat hierauf erneut mit starken
Repressionen und machte so die
Hoffnung auf eine dauerhafte
Liberalisierung wieder zunichte.
Erste Freiräume unter dem Dach
der Kirche
Ab September 1982 wurden in
der Leipziger Nikolaikirche jeden
Montag Friedensgebete veranstaltet. Hier wie auch in anderen
Städten fanden sich unter dem
schützenden Dach der Kirche viele
Menschen zusammen, denen das
atomare Wettrüsten zwischen den
Supermächten USA und Sowjet­
union große Sorge bereitete. Im
Laufe der Zeit traten im Rahmen
der Friedensgebete auch immer
mehr oppositionelle Gruppen an
die Öffentlichkeit – ein Sieg gegen
die Zersetzungspolitik der Staatssicherheit.
1. Friedensforum in der Evangelischen Kreuzkirche, Dresden 1982
che trafen sich – erneut unter dem
schützenden Dach der Kirche –
Vertreter der Friedens- und Umweltbewegung der DDR. Schon
im November 1987 wurde die Bibliothek nach einer Stasi-Razzia geschlossen und die Organisatoren
wurden inhaftiert. Die Berichterstattung darüber in den westlichen
Medien machte die Einrichtung in
der Folge auch international bekannt. Überall in der DDR gab es
Solidaritätsaktionen, so dass die
Inhaftierten sehr schnell wieder
freikamen. Immer mehr Menschen
waren nicht länger bereit, sich
weiter von der Staatssicherheit
einschüchtern zu lassen.
( N S. 48)
© Harald Schmitt/Stern/Picture Press
© picture-alliance/akg-images
Die Unterdrückung der Opposition
durch die Staatssicherheit
© Harald Schmitt/Stern/Picture Press
Der Fall Wolf Biermann
Die Umweltbibliothek in der Zionskirche in Berlin
In der 1986 gegründeten Umweltbibliothek in der Berliner Zionskir-
Friedensgebet in der Erlöserkirche,
Ostberlin 1982
■■die Verwendung anonymer oder
pseudonymer Briefe, Telegramme, Telefonanrufe usw., kompromittierender Fotos, z. B. von stattgefundenen oder vorgetäuschten
Begegnungen;
■■die gezielte Verbreitung von Ge-
© picture-alliance/akg-images
rüchten über bestimmte Personen einer Gruppe, Gruppierung
oder Organisation […]
Diese Mittel und Methoden sind
[…] schöpferisch und differenziert
anzuwenden, auszubauen und
weiterzuentwickeln.
(MfS-Handbuch, Teil V/5, BStU,
Berlin 2004, S. 285–288)
180 Kilometer Stasi-Akten mit Berichten über Kollegen, Nachbarn, Freunde
14
Aufgaben
1. Arbeiten Sie aus Wolf Biermanns Stasi-Ballade (siehe Kasten) die gegen ihn eingesetzten Überwachungsmethoden heraus. Diskutieren Sie in der Klasse die Frage, weshalb Biermann daran nicht zerbrochen ist,
sondern – im Gegenteil – noch eine bitterböse Ballade darüber schreiben konnte.
2. Lesen Sie sich die MfS-Richtlinie Nr. 1/76 (siehe Kasten S. 14) aufmerksam durch. Versuchen Sie, sich in die
Rolle eines von diesen Maßnahmen betroffenen, kritischen jungen Menschen hineinzuversetzen. Schreiben
Sie in dieser Rolle einen Brief an den Staatsratsvorsitzenden der DDR, Erich Honecker. Begründen Sie darin
Ihr Recht auf freie Meinungsäußerung, auch für den Fall einer sehr kritischen Haltung dem Staat gegenüber.
Erläutern Sie Ihre persönliche Betroffenheit von den Maßnahmen der Staatssicherheit.
3. Bereiten Sie in kleinen Gruppen Kurzpräsentationen vor. Recherchieren Sie dazu auf der Seite
www.jugendopposition.de und auf der Seite des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen der ehemaligen
DDR (BStU) unter www.bstu.bund.de mehrere Fallbeispiele für den in den achtziger Jahren zunehmenden
Widerstand in der DDR.
15
Von der ersten bis zur siebten
Klasse gehörten die meisten
Schülerinnen und Schüler der
Pionierorganisation an, erst den
„Jungpionieren“, dann den „Thälmannpionieren“. Hier wurden die
Kinder in ein umfangreiches Freizeitangebot, das von Pioniernachmittagen bis zu Pionierlagern in
den Ferien reichte, eingebunden.
Nach der Wende wurden gerade
diese Angebote von vielen Eltern
schmerzlich vermisst. Natürlich
war das Betreuungsangebot nicht
ideologiefrei, sondern verfolgte
immer auch das Ziel der „Erziehung zu sozialistischen Persönlichkeiten“: „Allein der Sozialismus
gibt eurem Leben Sinn und Inhalt.
Seid auch künftig … ergeben gegenüber eurem sozialistischen Vaterland, der Deutschen Demokratischen Republik.“ (Erich Honecker,
Erster Sekretär des ZK der SED
auf dem VIII. Parteitag der SED, an
die „Thälmannpioniere“ gewandt.)
16
Zwischen Geborgenheit und
­sozialer Kontrolle
Nach der Wende litten viele
ehemalige DDR-Bürger unter dem
Gefühl der „Entwurzelung“ und
dem Verlust vieler persönlicher
Beziehungen. Das gesellschaftliche Miteinander war stark von
der Einbindung des Einzelnen
in verschiedene Kollektive (lat.:
Gruppe, Gemeinschaft) geprägt.
Mit den Klassenkameradinnen und
-kameraden war man im Klassen-
© Harald Schmitt/Stern/Picture Press
Schießwettbewerb der Mädchen,
Kinder- und Jugendspartakiade 1981
Kinderkrippe in Ostberlin, 1971
„Der Sozialismus – unsere Welt“: Jugendweihe in Ostberlin, 1980
und im FDJ-Kollektiv verbunden.
Das Arbeits- und das Hausgemeinschaftskollektiv prägten
die Beziehungen der Menschen
zueinander. Auf diese Weise war
natürlich auch eine starke soziale
und ideologische Kontrolle des
Einzelnen möglich. Individualismus
und Abgrenzung gegenüber der
Gemeinschaft waren im Sinne der
sozialistischen Gesellschaftsordnung nicht erwünscht.
Mit der Wiedervereinigung der
beiden deutschen Staaten 1990
musste dann plötzlich jeder Einzelne ein Vielfaches an Selbstverantwortung übernehmen. Damit waren viele der neuen Bundesbürger
am Anfang deutlich überfordert.
Erst im Laufe der Zeit gewann
für die meisten auch das große
Maß an individueller Freiheit im
wiedervereinigten Deutschland an
Bedeutung. Trotzdem sehnen sich
auch heute noch viele Menschen
nach der Geborgenheit zurück.
Allerdings hatte die starke Einbindung auch den Vorteil, dass
der Staat dem Einzelnen viele
Entscheidungen abnahm. Kaum
jemand musste um einen Krippenoder Kindergartenplatz kämpfen.
Ein vereinheitlichtes Gesundheitssystem sorgte für relative
Sicherheit auch im Falle schwerer
Krankheiten. Zum Abitur und zum
Studium allerdings wurden dann
meist nur diejenigen zugelassen,
die bis dahin durch ihr gesellschaftliches Engagement eine
positive Haltung gegenüber dem
Staat hatten erkennen lassen.
gendspartakiaden, eine Art „kleine
Olympiade“ innerhalb der DDR,
veranstaltet. So kam der Teilnahme an den Olympischen Spielen
1972 in München dann auch eine
herausragende Bedeutung zu.
Hier durfte die DDR das erste Mal
mit eigener Nationalhymne und eigener Fahne auftreten. In der „Gesellschaft für Sport und Technik“
(GST) erhielten die Jugendlichen
und jungen Erwachsenen eine
vormilitärische Ausbildung. Hier
lernten Sie z. B. das Funken oder
das Schießen mit dem Kleinkalibergewehr. Aus der GST wurden
viele der späteren Berufssoldaten
der Nationalen Volksarmee (NVA)
Sport als Teil der Ideologie
Der Sport hatte in der DDR
auch eine wichtige ideologische
Funktion. In Schulen und Vereinen
konnte man eine Vielzahl sportlicher Angebote wahrnehmen. Auch
der Fußball bot den Menschen in
der DDR ein hohes Identifikationspotential.
In regelmäßigen Abständen wurden so genannte Kinder- und Ju­
© Harald Schmitt/Stern/Picture Press
Der Sozialismus als Sinn des
Lebens
Nur wenige Eltern entzogen ihre
Kinder, oft aus christlicher Überzeugung, bewusst diesem großen
staatlichen Einfluss. Allerdings
machten sie sich damit auch verdächtig, nicht ausreichend hinter
dem Staat und seiner sozialistischen Gesellschaftsordnung zu
stehen. Und natürlich spielte die
Verweigerung auch eine Rolle,
wenn es um die Zulassung zur Erweiterten Oberschule (EOS) – und
damit zum Abitur – ging.
© picture-alliance/ZB/H. Sturm
Ziel der Gesellschaftsordnung in
der DDR war der ‚neue sozialistische Mensch‘: von Grund auf
ehrlich, stark, gesund und vor
allem immer bereit, sein Vaterland zu verteidigen. Schon in den
sechziger Jahren wurde in der
DDR ein umfassendes Kinderbetreuungssystem eingeführt. Es
sollte den jungen Müttern schon
kurz nach der Geburt ihrer Kinder
die Wiederaufnahme der Arbeit
ermöglichen. Für die Kinder bis
zum dritten Lebensjahr standen
Krippenplätze, danach Kindergarten- und Hortplätze meist in ausreichender Zahl zur Verfügung. Für
die wirtschaftliche Weiterentwicklung des Landes wurde jede Hand
gebraucht, und der Staat konnte
die Kinder auf diesem Wege
natürlich auch auf das „Leben und
die Arbeit in der sozialistischen
Gesellschaft“ vorbereiten.
Die meisten Jugendlichen wechselten dann in der achten Klasse
von den „Thälmannpionieren“ in
die „Freie Deutsche Jugend“, die
FDJ. „Unsere Liebe, unser Wissen
und unsere Tat unserem sozialistischen Vaterland, der Deutschen
Demokratischen Republik.“ (Aus
dem Mitgliedsausweis der FDJ.)
Mit der Jugendweihe wurden die
14-jährigen Mädchen und Jungen
dann erneut auf die Treue zu ihrem
sozialistischen Vaterland eingeschworen.
Fans des Fußballclubs 1. FC Union
Berlin, 1982
rekrutiert. So ging es immer auch
um die Steigerung der Verteidigungsbereitschaft gegenüber
dem drohenden „Klassenfeind“ im
Westen.
Zwischen Anpassung und
­Widerstand
Nach dem Bau der Mauer 1961
mussten sich die Menschen in der
DDR mit der Situation arrangieren.
Die sechziger Jahre waren von
einer starken Ideologisierung
geprägt. Fast jeder musste sich in
der Schule, in FDJ- oder Parteilehrgängen mit der Theorie des
Marxismus-Leninismus beschäf­
tigen. Und jeder musste für sich
ganz persönlich entscheiden, wie
weit er sich auf das politische
Sys­tem einlassen will. Wer vom
System überzeugt war oder
Kar­riere machen wollte, ging in die
SED, die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, oder in eine
der Blockparteien. Viele hielten
aber auch – oft christlich motiviert
– eine kritische Distanz zum Staat.
Gerade den Kirchen kam dann in
der Umwelt- und Friedensbewegung der achtziger Jahre auch
eine besondere Rolle zu. ( N S. 48)
Aufgaben
© Harald Schmitt/Stern/Picture Press
Erziehung zur "sozialistischen
Persönlichkeit“
© picture alliance/ZB/W. Glienke
Kindheit und Jugend in der DDR
Pioniertreffen in Dresden, 1982
1. Sichten Sie gemeinsam ausgewählte Zeitzeugengespräche von der DVD „Damals in der DDR – Zeitzeugen
erzählen ihre Geschichte“ (zu beziehen über die Bundeszentrale für politische Bildung, www.bpb.de). Von
welchen guten und welchen schlechten Erfahrungen in der Jugendzeit erzählt die Zeitzeugin/der Zeitzeuge?
2. Bereiten Sie in kleinen Gruppen einen Besuch des DDR-Museums vor (www.ddr-museum.de). Formulieren
Sie dazu fünf bis zehn Fragen zum Leben von Kindern und Jugendlichen in der DDR. Gehen Sie dabei ruhig
von Ihren eigenen Interessen aus. Versuchen Sie, auf Ihrem Rundgang durchs Museum Antworten auf diese
Fragen zu finden und halten Sie diese in schriftlicher Form fest.
3. Suchen Sie sich, sofern möglich, in Ihrem persönlichen oder schulischen Umfeld einen Gesprächspartner,
den Sie zu Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend in der DDR befragen können. Halten Sie deren Aussagen in geeigneter Form fest (schriftlich oder mittels Ton- oder Videoaufnahmen, ggf. mit Ihrem Handy).
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Zwei Bands - zwei Wege
© Harald Schmitt/Stern/Picture Press
Rockmusik in der DDR
FDJ-Musikfestival, Ostberlin 1979
Die Kultur unter staatlicher
Kontrolle
Dem Bereich Kunst und Kultur
widmeten die Machthaber in der
DDR von Anfang an große Aufmerksamkeit. Die Bedeutung der
kulturellen Aktivitäten und deren
Kontrolle konnte aus ihrer Sicht
gar nicht überschätzt werden. So
hatten alle Aktivitäten natürlich
dem Aufbau und der Stabilisierung
des politischen Systems zu dienen. Ebenso hatte die politische
Führung die absolute Kontrolle
über die Berichterstattung von
Presse, Rundfunk und Fernsehen.
Jeder kritische Künstler musste
sich in der Konsequenz immer
wieder neu zwischen mutiger und
risikoreicher Kritik oder Anpassung, vielleicht sogar Resignation,
entscheiden. Viele Künstler waren
dann auch aufgrund ihrer kritischen Haltung dem System gegenüber Repressalien ausgesetzt
oder unterlagen einem Berufsverbot. Von der „Freiheit der Kunst“
war die DDR also weit entfernt.
die Musikszene der DDR. Der mit
der Musik transportierte Geist des
Andersseins, vielleicht sogar auch
der Revolte, sollte im sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat
aber keinen Platz haben. Doch
schon in den sechziger Jahren
wurde sehr schnell deutlich, dass
es praktisch unmöglich war, den
größer werdenden Einfluss westlicher Musik zu unterdrücken.
Trotz aller Empörung über das
abstoßende „Yeah, yeah, yeah“
der Beatles sah sich die DDR-Führung gezwungen, der westlichen
Musik eine eigene Musikkultur
entgegenzustellen. Ein Beispiel
für diese Bemühungen ist der
Mitte der Sechziger gegründete
„Oktoberklub Berlin“, der unter
dem Einfluss der FDJ die westliche Beatmusik zurückdrängen
sollte. Auch begann die Führung in
dieser Zeit mit der Ausbildung von
Autoren und Musikern, versuchte
aber durch entsprechende Maßnahmen die Kontrolle über die Entwicklung zu behalten. Für jeden
öffentlichen Auftritt benötigten die
Musiker eine offizielle Erlaubnis,
den so genannten „Spielschein“.
(siehe „Anordnung Nr. 2 über die
Ausübung von Tanz- und Unterhaltungsmusik“ im Kasten).
Die Texte der Lieder mussten
vorab eingereicht werden. Sie
wurden eingehend geprüft und
zuge­lassen oder, falls politisch
unerwünscht, abgewiesen. Viele
Ab 1973 entwickelten sich die
Puhdys quasi zu den „Beatles
der DDR“. Die Musik zum Kultfilm
„Die Legende von Paul und Paula“
hatte sie über Nacht bekannt
gemacht. Auch ihre durchaus
anspruchsvollen Texte wurden
genau geprüft, allerdings überschritten sie nicht die Grenze zur
unerwünschten Systemkritik. Sie
erinnern sich: „Uns hat nie jemand
Bands wichen deshalb in ihren
Texten auf eine eher lyrische Sprache und ‚Botschaften zwischen
den Zeilen‘ aus.
Frischer Wind in den siebziger
Jahren
Mit Beginn der Ära Honecker 1971
wurde die Kulturpolitik zunächst
spürbar liberalisiert. So war der
Staat auch im Hinblick auf die
westliche Popmusik zu großen
Zugeständnissen bereit. Allerdings nicht mit der Absicht, die
Kontrolle über die Entwicklung aus
der Hand zu geben. Als Mitte der
siebziger Jahre die Stimmen systemkritischer Musiker immer lauter
wurden, reagierte der Staat erneut
mit Repression.
18
Nach der Schlacht (Klaus Renft Combo)
M+T: Dieter Birr/Wolfgang Tilgner
(T.: Kurt Demmler, M.: Thomas Schoppe)
Einem war sein Heim, war sein Haus zu eng, sehnte sich
in die Welt.
Sah den Himmel an,
sah wie dort ein Schwan hinzog.
nach der schlacht warn die grünen wiesen rot
nach der schlacht warn viel kameraden tot
und man stellt sich auf das verbliebne bein
und man meint, das müsse der sieg schon sein
ja, man meint
Als sein Vater sprach: „Fliege nicht zu hoch!
Die Sonne wird dich zerstör’n.“
Hat er nur gelacht, hat er laut gelacht, und schwieg.
Er hat’s nicht geschafft, und er ist zerschellt
Doch der erste war er. Viele folgten ihm.
Darum ist sein Tod ein Sieg – ein Sieg !
Steige, Ikarus! Fliege uns voraus!
Steige, Ikarus! Zeige uns den Weg!
§ 1 Staatliche Spielerlaubnis
Einem ist sein Heim, ist sein Haus zu eng, er sehnt sich
in die Welt,
Sieht den Himmel an, sieht wie dort ein Schwan hinzieht.
Wer als Laienmusiker oder nebenberuflich tätiger Musiker in öffentlichen Veranstaltungen Tanzmusik
ausüben will, bedarf einer staatlichen Spielerlaubnis. Die staatliche
Spielerlaubnis wird auf Antrag …
ausgestellt.
Er heißt Ikarus und ist immer jung, ist voller Ungeduld.
Baut die Flügel sich, springt vom Boden ab und fliegt
und fliegt.
Steige, Ikarus! Fliege uns voraus!
Steige, Ikarus! Zeige uns den Weg!
…
© by PUHDYS MUSIKVERLAG GBR/
LIED DER ZEIT MUSIKVERLAG GMBH,
alle Rechte für die Welt
§ 2 Voraussetzung für die Erteilung
Die staatliche Spielerlaubnis
kann ausgestellt werden, wenn
der Nachweis der künstlerischen
­Befähigung … vor einer Kommis­
sion … erbracht wird …
liche Regeln und Auflagen. Bis
ihnen dann 1975 wegen „Beleidi­
gung der Arbeiterklasse und
staatsfeindlicher Hetze“ der
Prozess gemacht wurde. Christian Kunert und Gerulf Pannach,
zwei Musiker der Band, wurden zu
langjährigen Haftstrafen verurteilt
und später vom Westen freigekauft. Auch Klaus Renft ging 1976
in den Westen.
( N S. 48)
Ikarus (Puhdys)
Steige, Ikarus! Fliege uns voraus!
Steige, Ikarus! Zeige uns den Weg!
Anordnung Nr. 2 im Gesetzblatt
der DDR über die Ausübung von
Tanz- und Unterhaltungsmusik
(15. November 1965)
feiern den sieg der revolution
die amputierten auf der station
billig der wein, doch sie gießen sich ein
kamerad ist nicht schad
um das bein musste sein kamerad
vergossen viel blut, doch gewonnen die macht
und die schlacht um die macht war die letzte schlacht
nun wird der mensch fein menschlich sein
kamerad ist nicht schad
um das bein musste sein kamerad
aber auf einmal bricht ab der gesang
einer zeigt aus dem fenster, da spazieren sie lang
die neuen menschen, der neue mensch
der sieht aus wie er war
außen und unterm haar
wie er war
kein paradies kamerad wird es sein
der mensch wächst sehr mühsam und nicht von allein
in diesen großen mantel der macht
um das bein wär es schad
schlügst du nicht kamerad
noch die schlacht
nach dem sieg warn die grünen wiesen rot
nach dem sieg warn viel kameraden tot
und man stellt sich auf das verbliebne bein
doch die schlacht wird viel viel länger sein
Aufgaben
© picture alliance/ZB/G. Gueffroy
„Oktoberklub Berlin“ beim Festival des Politischen Liedes, Ostberlin 1973
Die in den sechziger Jahren in
Leipzig gegründete Klaus Renft
Combo hingegen hatte wegen
ihrer systemkritischen Texte von
Anfang an mit Auftrittsverboten zu
kämpfen. Immer wieder verstießen
sie mit ihren Texten gegen staat-
Er hieß Ikarus und er war sehr jung, war voller Ungeduld
Baute Flügel sich, sprang vom Boden ab und flog und
flog.
Gegen westliche Dekadenz und
Unmoral
Musik dient in jeder Generation
dem Ausdruck von Lebensgefühl,
von Anschauungen und bietet
natürlich auch ein hohes Identifikationspotential. Das war in der
DDR nicht anders, und trotz aller
Bemühungen, die DDR-Jugendlichen vor „westlicher Dekadenz
und Unmoral“ zu schützen, hatte
westliche Popmusik in allen Jahren einen sehr großen Einfluss auf
etwas vorgeschrieben, sondern es
wurden lediglich bestimmte Dinge
abgelehnt.“ (zit. n. mdr.de/damals/
euregeschichte/musik)
1. Untersuchen Sie die Texte „Ikarus“ (Puhdys) und „Nach der Schlacht“ (Klaus Renft Combo) auf die mög­
licherweise „zwischen den Zeilen“ versteckten Botschaften. Versetzen Sie sich dazu in die Rolle eines überzeugten Kulturfunktionärs der DDR, der die Jugend des Landes vor „gefährlichem“ Gedankengut bewahren
will. Machen Sie sich dazu bitte Notizen.
2. Recherchieren Sie auf der Seite des Mitteldeutschen Rundfunks (mdr) die Positionen ehemaliger DDRMusiker zur Frage: Wo lagen die ideologischen Grenzen für Textschreiber in der DDR und wie konnte man
damit umgehen, ohne sich selbst aufzugeben? Machen Sie sich dazu Notizen. (Link: www.mdr.de/damals/
euregeschichte/musik)
3. Recherchieren Sie auf der Plattform www.jugendopposition.de die Bedeutung, die Musik damals für die Jugendlichen hatte. Welche Erfahrungen haben Jugendliche gemacht, die aus Sicht der Kulturfunktionäre den
„falschen Musikgeschmack“ hatten? Machen Sie sich dazu Notizen.
4. Suchen Sie auf der Seite der ehemaligen Klaus Renft Combo, heute „Renft“, nach einem weiteren Text, von
dem Sie sich angesprochen fühlen und der aus Ihrer Sicht auch heute noch aktuell ist. Stellen Sie den Text
in der Klasse vor und begründen Sie Ihre Wahl (Link: www.renft.de).
19
Udo in Ostberlin, 1983
Das Mädchen aus Ostberlin
1973 veröffentlichte Lindenberg
seinen Titel „Wir woll’n doch
einfach nur zusammen sein“.
Dieser wurde im Laufe der Jahre
als „Mädchen aus Ostberlin“ zu
einem seiner bekanntesten Songs
und liefert für das Musical nun
auch den Kern der Geschichte.
Der Legende nach hatte Lindenberg (nur er weiß, ob das wirklich
so war) bei einem seiner Besuche
in Ostberlin Manuela aus Pankow kennengelernt, die „Göttin
der anderen Gesellschaftsordnung“ (Lindenberg). Nach eigener
Auskunft war das der Anlass, in
dem Lied die Unmöglichkeit einer
deutsch-deutschen Liebe über
die Mauer hinweg zu beschreiben.
Natürlich wollte er sie dann auch
mit Hilfe von Schleusern in den
Westen holen. Allerdings arbeitete
Manuela – na, logisch – mit dem
Ministerium für Staatssicherheit
(Stasi) zusammen, so dass aus
der Liebe dann doch nichts wurde.
So weit die Legende.
Lindenberg war mit dem Titel
praktisch der erste deutsche
Rockmusiker, der Willy Brandts
Entspannungspolitik musikalisch
aufgriff. Und ihm gelang es mit
dieser kleinen, auf fast naive
Weise erzählten Geschichte, die
menschliche Tragödie der deutschen Teilung sehr eindringlich
zu beschreiben. Obwohl der Titel
in der DDR verboten war, fand
er über die westlichen Medien
20
Mit dem „Mädchen aus Ostberlin“
hatte er noch von einem „Rockfestival auf dem Alexanderplatz
mit den Rolling Stones und ’ner
Band aus Moskau“ geträumt. Aber
schon Mitte der siebziger Jahre
bemühte er sich aktiv um Kontakte
zu den Kulturverantwortlichen mit
dem Ziel einer Tournee durch die
DDR. Mit dem Titel „Rock ’n’ RollArena in Jena“ wandte sich
Lindenberg direkt an seine Fans:
„Ich würd’ so gerne bei euch mal
singen, meine Freunde in der
DDR“. Natürlich wurde das auch
von den DDR-Oberen sehr genau
registriert. Allerdings sah die SED
in Lindenberg eher einen „mittelmäßigen Schlagersänger“ und
vor allem – durchaus zutreffend
– einen „Vertreter anarchistischer
Grundpositionen“. Und so lehnte
das für Kultur zuständige Politbüromitglied Kurt Hager einen
Auftritt Lindenbergs in der DDR
auch rundweg ab: „Kommt nicht
in Frage!“
(Und auch kein) Sonderzug nach
Pankow
Mit dem „Sonderzug nach Pankow“ machte Udo Lindenberg
„Für den Frieden der Welt“:
Konzert im Palast der Republik
Lindenberg war inzwischen zu
einem prominenten Gesicht der
Friedensbewegung geworden. In
dieser Rolle passte er aus Sicht
der DDR-Oberen sehr gut in das
Konzept der FDJ-Manifestation
„Für den Frieden der Welt“ im
Pa­last der Republik im Oktober
1983. Im Saal saßen am 25. Oktober 1983 dann allerdings nur
linientreue Mitglieder der Freien
Deutschen Jugend – „FDJ-Mu­
mien“ (Lindenberg). Und draußen
wurden die – ausgesperrten –
echten Lindenberg-Fans von 650
Volkspolizisten und 1.600 StasiMitarbeitern in Schach gehalten.
Nur das Ministerium für Staatssicherheit sah in dem Titel eine
„Diffamierung des Generalse­
kretärs … sowie der Kulturpolitik
der SED“. Dem Ziel eines Auftritts
in der DDR jedenfalls war Linden­
berg dadurch bestimmt nicht
nähergekommen.
Das Konzert im Palast der
­Republik 1983
Obwohl der „Sonderzug nach
Pankow“ erst wenige Monate her
war, wendete sich das Blatt im
Sommer 1983 zugunsten Lindenbergs. Anfang der achtziger Jahre
hatte die geplante Stationierung
atomarer Mittelstreckenraketen
in der Bundesrepublik eine der
größten Friedensbewegungen in
der bundesdeutschen Geschichte
ausgelöst.
Im Konzert spielte Lindenberg
seine ganz persönliche Friedenshymne „Wozu sind Kriege da?“.
Ein Song, der vielen Menschen
im Westen aus der Seele sprach
DDR-Tournee im Januar 1990
Erst im Jahr nach dem Fall der
Mauer konnte Lindenberg das
Versprechen, das er seinen Fans
schon 1983 vor dem Palast der
Republik gegeben hatte, wahr
machen: eine Tournee durch die
DDR. „Wenn ich heute im Osten
spiele, dann ist das immer noch
eine Art Liebeserklärung zwischen
dem Publikum und uns.“ (In: „Die
Akte Lindenberg“, ARD 2011)
( N S. 48)
Den Vorwurf westlicher Medien, er
ließe sich mit dem Auftritt von der
DDR-Führung instrumentalisieren,
konterte er in seiner ihm eigenen,
lockeren Art: „Lindi lässt sich nicht
kastrieren. Ich werde da ganz
locker nach Art des Hauses meine
Meinung sagen.“ (In: „Die Akte
Lindenberg“, ARD 2011)
So entsprach sein während des
Konzerts abgegebenes Statement
gegen Atomraketen in West und
Ost dann auch nicht der politischen
Linie der SED: „Weg mit allem Raketenschrott in der Bundesrepublik
und in der DDR. Nirgendwo wollen
wir auch nur eine einzige Rakete
sehen. Keine Pershings und keine
SS 20.“ Daraufhin wurde die für
das nächste Jahr geplante DDRTournee von der SED-Führung
wieder abgesagt.
In den Folgejahren scheiterten alle
weiteren Versuche, den Genossen
Erich Honecker doch noch zu ei-
Gitarren statt Knarren, 1987
Aufgaben
1. Suchen Sie sich, sofern möglich, in Ihrem persönlichen oder schulischen Umfeld einen Gesprächspartner,
den Sie zu den unten genannten Themen befragen können. Halten Sie deren Aussagen in geeigneter Form fest
(schriftlich oder mittels Ton- oder Videoaufnahmen, ggf. mit Ihrem Handy).
© picture-alliance/Dieter Klar
© picture alliance/dpa
(Keine) Rock ’n’ Roll-Arena in Jena
1983 seinem Image alle Ehre.
Mit frecher Zunge und der für
ihn charakteristischen Respektlosigkeit Autoritäten gegenüber
schildert er Erich Honecker, dem
damaligen Generalsekretär der
SED, seine Unzufriedenheit: „Ach
Erich, ey, bist Du denn wirklich so
ein sturer Schrat? Warum lässt Du
mich nicht singen im Arbeiter- und
Bauernstaat?“ Und im Begleitbrief zum „Sonderzug“ erläuterte
er Honecker sein Anliegen: „Zeig
Dich doch mal von Deiner lockermenschlichen und flexiblen Seite.“
(Zit. nach mdr.de/damals)
© picture-alliance/Dieter Klar
seine Hörer im Osten und wurde
in den Folgejahren so etwas wie
die „heimliche Nationalhymne“
(Lindenberg).
ner Auftrittserlaubnis zu bewegen.
Daran änderte auch die Honecker
1987 von Lindenberg persönlich
überreichte Gitarre („Gitarren statt
Knarren“) wenig. Die Angst der
Genossen vor dem Anarcho-Rocker Lindenberg und seinen Fans
war dann doch zu groß.
und auch den DDR-Oberen gut ins
Konzept der Veranstaltung passte.
Egon Krenz, der damalige 1.
Sekretär des FDJ-Zentralrates, erinnert sich: „In diesem Jahr, 1983,
war unser Hauptziel, alle mitzunehmen, von denen wir meinten,
sie könnten dazu beitragen, dass
keine weiteren Raketen auf deutschem Boden stationiert werden.
Das hat alles andere überschattet.“
(In: „Die Akte Lindenberg“, ARD
2011)
© Kristina Eriksson
Udo und seine Freunde in der DDR
Wartende Fans vor dem Palast der Republik, 25. Oktober 1983
Themenvorschläge:
a) Meine persönlichen Erfahrungen mit Freundschaften und/oder familiären Beziehungen über die Mauer hinweg.
b) Meine persönlichen Erfahrungen als Fan von Udo Lindenberg in der DDR.
2. Versuchen Sie, dem zehnjährigen Pascal eine Antwort auf dessen Frage: „Wozu sind Kriege da?“ zu geben.
Recherchieren Sie dazu die aktuellen internationalen Krisenherde auf der Welt und versuchen Sie, die ihnen
zugrunde liegenden Konflikte zu benennen. Beziehen Sie in Ihre differenzierte „Antwort an Pascal“ auch den
Text von Udo Lindenbergs „Wozu sind Kriege da?“ mit ein.
21
Udo und seine Freunde in der DDR: Texte
Mädchen aus Ostberlin
Rock ’n’ Roll-Arena in Jena
Mädchen aus Ostberlin
(Wir woll’n doch einfach nur zusammen sein)
(Text & Musik: Udo Lindenberg)
Stell dir vor, du kommst nach Ostberlin,
und da triffst du ein ganz heißes Mädchen
so ein ganz heißes Mädchen aus Pankow
und du findest sie sehr bedeutend
und sie dich auch
(Text: Udo Lindenberg, Musik: Jean Jacques Kravetz)
Mädchen aus Ostberlin,
das war wirklich schwer
ich musste gehn, obwohl ich so gerne noch geblieben wär
aber Mädchen, ich komme wieder
und vielleicht geht’s auch irgendwann mal ohne Nervereien
da muss doch auf die Dauer was zu machen sein!
Ich hoffe, dass die Jungs
das nun bald in Ordnung bringen
denn wir woll’n doch einfach nur zusammen sein
vielleicht auch mal etwas länger
vielleicht auch mal etwas enger
wir wollen doch einfach nur zusammen sein
Sonderzug nach Pankow
(Text: Mack Gordon, Harry Warren, Subtext: Udo Lindenberg, Musik: Mack Gordon, Harry Warren)
Entschuldigen Sie, ist das der Sonderzug nach Pankow
ich muss mal eben dahin, mal eben nach Ost-Berlin
ich muss da was klären, mit eurem Oberindianer
ich bin ein Jodeltalent, und ich will da spielen mit ’ner Band
Ich hab’n Fläschchen Cognac mit und der schmeckt sehr
lecker
den schlürf’ ich dann ganz locker mit dem Erich Honecker
und ich sag: Ey, Honey, ich sing’ für wenig Money
im Republik-Palast, wenn ihr mich lasst
all die ganzen Schlageraffen dürfen da singen
dürfen ihren ganzen Schrott zum Vortrage bringen
nur der kleine Udo – nur der kleine Udo
der darf das nicht – und das verstehn wir nicht
Ich weiß genau, ich habe furchtbar viele Freunde
in der DDR und stündlich werden es mehr
och, Erich, ey, bist Du denn wirklich so ein sturer Schrat
warum lässt Du mich nicht singen im Arbeiter- und
Bauernstaat?
Ich hab’n Fläschchen Cognac mit und der schmeckt sehr
lecker ...
Honey, ich glaub’, Du bist doch eigentlich auch ganz
locker
ich weiß, tief in dir drin, bist Du eigentlich auch ’n Rocker
Du ziehst dir doch heimlich auch gerne mal die Lederjacke an
und schließt Dich ein auf’m Klo und hörst West-Radio …
Honeckers Geschenk für
Lindenberg: eine Schalmei
22
Wozu sind Kriege da?
(Text und Musik: Udo Lindenberg)
Keiner will sterben, das ist doch klar
wozu sind denn dann Kriege da?
Herr Präsident, du bist doch einer von diesen Herren
du musst das doch wissen
kannst du mir das mal erklären?
Keine Mutter will ihre Kinder verlieren
und keine Frau ihren Mann.
Also warum müssen Soldaten losmarschieren
um Menschen zu ermorden – mach mir das mal klar
wozu sind Kriege da?
Herr Präsident, ich bin jetzt zehn Jahre alt
und ich fürchte mich in diesem Atomraketenwald.
Sag mir die Wahrheit, sag mir das jetzt
wofür wird mein Leben aufs Spiel gesetzt?
Und das Leben all der andern – sag mir mal warum
die laden die Gewehre und bringen sich gegenseitig um
sie stehn sich gegenüber und könnten Freunde sein
doch bevor sie sich kennen lernen, schießen sie sich tot
Ich find das so bekloppt, warum muss das so sein?
Habt ihr alle Milliarden Menschen überall auf der Welt
gefragt, ob sie das so wollen
oder geht’s da auch um Geld?
Viel Geld für die wenigen Bonzen,
die Panzer und Raketen bauen
und dann Gold und Brillanten kaufen
für ihre eleganten Frauen
oder geht’s da nebenbei auch um so religiösen Mist
dass man sich nicht einig wird
welcher Gott nun der wahre ist?
Oder was gibt’s da noch für Gründe
die ich genauso bescheuert find’
na ja, vielleicht kann ich’s noch nicht verstehen
wozu Kriege nötig sind
ich bin wohl noch zu klein, ich bin ja noch ein Kind.
© Brinkhoff/Mögenburg
Doch plötzlich ist es schon zehn nach elf
und sie sagt: Ey, du musst ja spätestens um zwölf
wieder drüben sein
sonst gibt‘s die größten Nervereien
denn du hast ja nur ’n Tagesschein
Doch die Funktionäre sind noch unentschlossen
diese „westliche Müllkultur“ sei nichts für die Genossen
wann sehen die Herren endlich mal klar
und bauen die Rock ’n’ Roll-Arena in Jena?
(... oder bleibt die DDR in Sachen Kulturaustausch
weiterhin die „Deutsche Desillusions Republik?“)
© picture-alliance/dpa
Dann ist es auch schon so weit
ihr spürt, dass ihr gerne zusammen seid
... und ihr träumt von einem Rock-Festival
auf dem Alexanderplatz
mit den Rolling Stones und ’ner Band aus Moskau
Ich würd’ so gerne bei euch mal singen
meine Freunde in der DDR
’ne Panik-Tournee, die würd’s echt bringen
ich träume oft davon, wie super das doch wär’
23
Stark wie zwei (Biografie)
Hoch im Norden
„… hinter den Deichen bin ich
gebor’n. Immer nur Wasser, ganz
viele Fische, Möwengeschrei und
Meeresrauschen in meinen Ohr’n“
(„Hoch im Norden“). Na ja, ganz so
prosaisch ist es nicht zugegangen,
als Udo Lindenberg am 17. Mai
1946 in Gronau (Westfalen) zur Welt
kam. Weit weg von seinem späteren
Traum, als Kellner auf einem Kreuzfahrtschiff anzuheuern. Stattdessen
Kellnerlehre in einem Hotel in Düsseldorf: Maloche, Ernüchterung und
die Erkenntnis, dass er sich sein
Leben doch anders vorgestellt hat.
Schon früh ist kein Topf vor seinen
Rhythmen sicher, und so trommelt
er sich durch die Düsseldorfer
Altstadtkneipen. Und natürlich
besteht sein erstes Schlagzeug aus
Benzinfässern, warum auch nicht,
wenn der Rhythmus stimmt.
Alles klar auf der Andrea Doria
1973 erscheint das Album „Andrea Doria“: „Bei Onkel Pö spielt
’ne Rentnerband seit 20 Jahren
Dixieland. ’N Groupie hab’n wir
auch, die heißt Rosa oder so und
die tanzt auf’m Tisch wie’n GoGo-Go-Girl.“ Lindenberg erzählt
Geschichten aus dem Leben, von
urigen Typen und von Menschen,
die anders sind, deren Geschichten
so bisher keiner erzählt hat. Er malt
mit sprachlichem Geschick Bilder
im Kopf seiner Zuhörer, erweckt
Figuren zum Leben. Mit „Andrea
Doria“ kommt endlich der ersehnte Erfolg: Die Platte verkauft sich
über 100.000 Mal und bringt ihm
den ersten Millionenvertrag in der
Geschichte des deutschsprachigen
Rocks. Das Eis ist gebrochen. In
der Folge bekommen auch andere
Deutschrocker wie Stefan Waggershausen und Marius MüllerWesternhagen Plattenverträge.
Daumen im Wind
24
Wir woll’n doch einfach nur
­zusammen sein
Schon zu Beginn seiner Karriere
denkt Lindenberg gesamtdeutsch.
Willy Brandt hatte mit seiner
neuen Ostpolitik und der Idee des
Ich mach mein Ding
Udo Lindenberg im Gespräch mit
Bundeskanzler Helmut Schmidt, 1980
1982 beginnt erneut ein Wettrüsten zwischen den USA und
der Sowjetunion. Die Angst vor
amerikanischen und russischen
Mittelstreckenraketen und einem
atomaren Krieg treibt hunderttausende Menschen auf die Straße.
Lindenberg ist von Beginn an mit
dabei, tritt mit der Panikband bei
Friedensdemonstrationen auf, wird
schnell zu einem der prominenten
Köpfe der Friedensbewegung.
Und redet Klartext: „Weg mit dem
Raketenschrott in Ost und West!“
Und er beschreibt die Situation
treffsicher: „Wir sind auf Odyssee … und keiner weiß, wohin
die Reise geht. Odyssee, weil
der Wahnsinn am Steuer steht.“
(„Odyssee“)
Auf Odyssee
„Kapitäne und Offiziere und
Millionen blinde Passagiere. …
Auf kugelsicheren Kommandobrücken kranke alte Männer an
eisernen Krücken. Sitzen am
Spieltisch, gierig und fett, spielen
American Poker und Russisch
Roulett.“ („Odyssee“) Schon früh
beginnt Lindenberg, in größeren
weltpolitischen Zusammenhängen
zu denken, und macht sie neben
den kleinen privaten Geschichten
zum Gegenstand seiner Musik.
Er knüpft Kontakte, trifft sich mit
Politikern, die konkret Weltpolitik gestalten. Olof Palme, der
schwedische Ministerpräsident,
Willy Brandt und Helmut Schmidt,
Kanzler der Bundesrepublik, gehören zu seinen Gesprächspartnern.
Mit ihnen diskutiert er über Frieden und Abrüstung und versucht
konkrete Initiativen auf den Weg
zu bringen. „Vision ist mein Beruf
und meine Berufung.“ (Lindenberg
im dpa-Interview 2006)
Und im Titel „Wozu sind Kriege
da?“ legt er dem zehnjährigen
Pascal eine Frage in den Mund,
die genau so sehr viele Menschen
umtreibt in dieser Zeit. Und er
bleibt auch die Antwort nicht
schuldig, wieder Klartext: „…
oder geht’s da auch um Geld? Viel
Geld für die wenigen Bonzen, die
Panzer und Raketen bauen und
dann Gold und Brillanten kaufen
für ihre eleganten Frauen.“
© picture alliance/Jazz Archiv Hamburg
„Ich bin soweit hier alles aufzugeben, ich will meine Träume nicht
nur träumen, ich will sie auch erleben.“ („Daumen im Wind“) Sehr
schnell wird ihm Düsseldorf zu
klein. Er ist viel unterwegs, treibt
sich in Südeuropa und Nordafrika
herum, um dann 1968, mit Anfang
20, in Hamburg zu landen. Hier
hat er beides: die „dicken Pötte“,
von denen er immer geträumt hat,
und eine lebendige Musikszene. Er
arbeitet als Studio- und Gastmusiker und gründet ein Jahr später
seine erste Band, „Free Orbit“. Die
erste Platte erscheint, kein großer
Erfolg, aber ein Anfang.
Udo Lindenberg und das Panikorchester im „Onkel Pö“ in Hamburg, 1975
der Verkaufscharts – als erstes
seiner Alben überhaupt. Ein selbst
für ihn völlig unerwarteter Erfolg.
„Als ich noch ein junger Mann war,
saß ich locker irgendwann da, auf
der Wiese vor’m Hotel Kempinski.
Trommelstöcke in der Tasche, in
der Hand ’ne Cognacflasche. …
Nee, irgendwie, das war doch klar,
irgendwann da wohn ich da.“ („Ich
mach mein Ding“) Lindenberg hält
Wort und zieht in Hamburg ins
Hotel Atlantic Kempinski, wohnt
dort über 17 Jahre lang. Nach
mehr als 30 Alben, einem ganzen
Regal voller Preise: u. a. Echo
1992, Goldene Kamera 2009 und
Bambi 2010 für sein Lebenswerk,
Jacob-Grimm-Preis für seinen
kreativen Umgang mit der deutschen Sprache, hat er eigentlich
alles erreicht.
Aber es treibt ihn weiter vorwärts.
Er beginnt zu malen, hat 1996
seine erste Ausstellung. Mit seinen
„Likörellen“, Malereien, eingefärbt
mit alkoholischen Getränken,
macht er seinem Image alle Ehre.
Inzwischen hängen seine Bilder im
Kanzleramt.
2006 gründet er die „Udo Linden­
berg Stiftung“ mit dem Ziel,
humanitäre und soziale Projekte
zu unterstützen. Auch die Förderung junger Nachwuchstalente mit
deutschen Texten steht auf dem
Plan. Und 2008 erscheint nach
längerer Pause sein neues Studioalbum und belegt den Platz eins
Nach längerer Pause:
Stark wie Zwei, 2008
Foto: Sven Sindt, upfront
Grafik: Katja Huebner, Kommune Art
Hinterm Horizont geht’s weiter
„Hinterm Horizont geht’s weiter,
ein neuer Tag. … Das mit uns geht
so tief rein, das kann nie zu Ende
sein.“ („Hinterm Horizont“) Nun
also, 2011‚ HINTERM HORIZONT
als Krönung seiner Karriere. „Wir
wollten ein Musical schaffen, das
Millionen Rockexperten besuchen, … die sich erinnern an ihre
Biografie in der ehemaligen DDR
oder auch im Westen, an die Zeit
des Kalten Krieges … Ein Stück
Zeitgeschichte eben, auch für
junge Leute.“ (Lindenberg im
Gespräch mit Arno Köster, 2010)
Das Musical ist schon jetzt das erfolgreichste in der Geschichte der
Stage Entertainment in Berlin. Mal
sehen, was er als nächste Überraschung aus dem Hut zaubert.
( N S. 48)
Mit dem Sonderzug nach Pankow
Nein, er kommt nicht mit dem
Sonderzug, sondern mit dem Taxi
zu seinem Konzert nach Ostberlin
im Oktober 1983. Auch hier wieder
Klartext: „Nirgendwo wollen wir
auch nur eine Rakete sehen. Keine
Pershings und keine SS 20.“ Die
DDR-Tournee 1984 fällt aus. Mit
Lindenberg und seinen klaren
©Brinkhoff/Mögenburg
Udo Lindenberg live in Hamburg,
1980
„Wandels durch Annäherung“ auf
der politischen Ebene den Weg
bereitet. Lindenberg erzählt im
„Mädchen aus Ostberlin“ die Geschichte weiter: „Stell Dir vor, Du
kommst nach Ostberlin, und da
triffst Du ein ganz heißes Mädchen
…“, und er hat eine Vision: „Ich
hoffe, dass die Jungs das nun
bald in Ordnung bringen, denn wir
woll’n doch einfach nur zusammen
sein.“ Diese Vision setzt sich in
seinem Kopf fest. Er wird daran
beharrlich weiterarbeiten, bis 1989
die Mauer fällt und die Geschichte
ihm Recht gibt.
© Kristina Eriksson
© picture-alliance/Jazz Archiv
1972 dann der mutige Schritt zu
deutschen Texten: Das Album
„Daumen im Wind“ erscheint.
Auch kein Verkaufsschlager, aber
der Titel „Hoch im Norden“ wird
in Norddeutschland im Radio rauf
und runter gespielt. Vielleicht geht
doch was, mit deutschsprachiger
Musik, die kein plattes Schlagergedudel ist.
Worten sind die Genossen ganz
offensichtlich überfordert.
Ein weiterer Karrierehöhepunkt: das Musical HINTERM HORIZONT, 2011
25
"Den Menschen leben lassen,
wie er es für ­richtig hält“
Im Rahmen meiner Möglichkeiten,
mit Kultur. Lieder schaffen ein
Klima, in dem bestimmte Blüten
wachsen können.
Die LISUM-Redakteure Michael Retzlaff und Herbert Weber
am 2. August 2011 im Gespräch mit Udo Lindenberg
Ein Kritiker hat gesagt, „Mädchen aus Ostberlin“ wäre der
kulturelle Beitrag zur Entspannungspolitik gewesen.
Zu Willy-Brandt-Zeiten haben
wir auch schon gedacht, wir aus
Politik und Kultur müssten Hand
in Hand zusammengehen. Und zu
Willy hatte ich einen sehr guten
Draht.
Uns hat die Einspielung der historischen Filmsequenzen sehr
beeindruckt.
Die Leute sagen: Das ist unsere
Story, unsere Biografie. Wir erinnern uns an das ganze Leid und
die ganze Freude. Wir erfahren
jetzt noch viel über die DDR und
die unglaublich brutale Form der
Stasi, wenn wir uns nach der
Show mit Zuschauern unterhalten.
Der Autor Thomas Brussig
hat einen Teil seiner eigenen
Geschichte mit ins Skript geschrieben. Er stand vor dem Palast der Republik während des
Konzerts 1983 und kam nicht
rein. Wie ist es euch gelungen,
die deutsche Teilung korrekt zu
beschreiben?
Das ist ein großes Verdienst von
Thomas Brussig, der das alles
kannte, denn wir kannten es nur
aus der Ferne. Weil es jetzt so
authentisch und trotzdem locker
erzählt ist, erreicht es viele Leute.
Thomas macht das nicht mit
Belehrungen, es sind viele Jokes
dabei.
Viele Ereignisse, die eigentlich
sehr traurig sind, werden ironisch aufgelöst.
Das Musical wirkt emotional. Die
26
Leute sitzen da mit Tränen, auch
mit Freudentränen. Viel Begeisterung entsteht aus der Musik. Ich
bin oft beim Ensemble in Berlin.
Dann gehen wir auf die Bühne
und rocken – und die Leute gehen
ab wie die Zäpfchen. Die müssen
dann die Hallendecke abschrauben – es ist fast wie in einem
Rock ’n’ Roll-Konzert.
© Tine Acke
HINTERM HORIZONT ist ein
unglaublicher Kassenrenner.
Haben Sie das so erwartet?
Udo: Nicht, dass es ein so großer
Erfolg wird. Wir waren Leute, die
nicht vom Musical kamen: Der Regisseur Ulrich Waller vom Theater,
der Autor Thomas Brussig vom
Film und ich von der Rockmusik. Die Symbiose auch mit den
Experten von Stage Entertainment
hat nun ein Stück besonderer
Art hervorgebracht, das nicht so
einfach vergleichbar ist mit den
gängigen Musicals.
"Wir haben das Musical
,Billy Elliot‘ gesehen und
merkten: Ein Musical
mit politischem Hintergrund - das geht.“
Schon seit dem Lied „Mädchen
aus Ostberlin“ 1973 beschäftigten Sie sich mit dem Thema
deutsche Teilung und wollten
unbedingt auch in der DDR
auftreten. Woher kam dieses
Interesse für die DDR, für die
sich damals kaum ein anderer
westdeutscher Künstler interessiert hat?
Ich wusste, dass ich da viele
Freunde hatte. Viele standen auf
meine Songs, und zwar richtig.
Und da habe ich gedacht, es ist
doch blöde, wenn ich immer einen
Teil von Deutschland ausklammere. Auch wenn wir da keine Platten
verkauften, das war egal. Das
war so eine Art Lovestory mit den
Fans, für die ich etwas tun wollte.
Da kamen auch Anregungen für
Texte her?
Von Willy Brandt, ja. Und auch aus
der Nord-Süd-Kommission mit
ihm und Olof Palme. Wir haben
uns gedacht, wir müssen irgendwie die Hochrüstung stoppen, und
deshalb fand ich mein Konzert
damals auch richtig im Palast
der Republik. Ich wurde ja viel
kritisiert, ich hätte mich für den
kommunistischen Gottesdienst vor
den Karren spannen lassen.
Die Ministranten waren ja anwesend.
Ja, die Ministranten waren alle da.
Ich hatte zur Bedingung gemacht,
dass das Konzert auch live in
der Glotze läuft. Und außerdem
bekam ich meine Tourneezusage
durch die DDR. Ich bin ja auch an
den Kontrollen vorbei rausgeflitzt
und saß auf den Schultern von
richtigen Fans.
Was war denn das beeindruckendste Erlebnis für Sie an
diesem Tag?
Die Begegnung mit dem Chormädchen. Denn auch innerhalb
des Palastes der Republik war ich
ein wenig unterwegs. Ich hab’ einen schnellen Schuh und bin den
Stasi-Kontrollettis entwischt.
Wurde das Mädchen auch überwacht? War da auch die Stasi
involviert?
Ja, die Familie war sehr stramm
für die DDR, und sie haben das
Mädchen sehr unter Druck gesetzt.
Mit so einem Rocker, der da rum-
zaubert, das hatte in deren Augen
natürlich keine Perspektive, und sie
arrangierte sich dann, wie das viele
in der DDR getan haben. So war
dann Ruhe. Wir haben das im Theater natürlich ein wenig überhöht.
Haben Sie sich gedacht, dass
Ihre klaren Worte während des
Konzertes gegen die SS20-Raketen Sie die Tournee durch die
DDR kosten könnten?
Nein, dass die den Vertrag
brechen, damit habe ich nicht
gerechnet. Dass es ein Tabu ist,
die „Friedensrakete“ SS20 auch zu
kritisieren, war klar. Ehrlich gesagt,
ist aber beides Schrott, Pershing
und SS20. Es war genau richtig,
das zu sagen. Für die Absage gab
es aber sicher mehrere Gründe,
vor allem aber einfach die Angst
des Apparates vor Unruhen.
War Ihnen klar, dass die Stasi
immer mitliest und alles kon­
trolliert, was Sie tun?
Nein, dass es eine so dicke StasiAkte von mir gibt, wusste ich nicht.
Was die für Arbeit und Zeit investiert haben in die Observation von
„Nachtigall“! Die hatten Angst vor
Rock ’n’ Roll. Diese Musik ist der
Nährstoff für Aufruhr und Panik und
dann noch die Texte und Udo dazu.
Das ist uns zu riskant, haben die
gedacht. Da kommen dann wirklich
Hunderttausende in die Stadien,
ziehen danach durch die Straßen
und protestieren für Presse- und
Reisefreiheit. Das können wir nicht
mehr unter Kontrolle halten.
Wann und wodurch haben Sie
von Ihrer Stasi-Akte erfahren?
Ich glaub’ von Journalisten nach
dem Mauerfall. Dann hat „Nachtigall“ gesagt, check das mal. Ich
fand es irgendwie amüsant, aber
auch erschreckend, wie ernst die
das genommen haben. Es wurden
ja viele Jugendliche festgenommen und kamen zur „Belehrung“
in den Knast.
Das haben Sie aber nicht mitgekriegt?
Nein, das wusste ich nicht. Wenn
da jemand den „Sonderzug“
gehört hat, ging er in den Bau
und wurde belehrt, dass es unser
Staatratsvorsitzender nicht nötig
habe, eine Lederjacke anzuziehen, sich heimlich auf dem Klo
einzuschließen und da Westradio
zu hören. Das war eine richtige
Belehrung aus einem Stasi-Text.
Bilder zum Thema und Auszüge
aus Stasi-Akten hängen übrigens
aus im Stage Theater am Potsdamer Platz.
"Ich wollte mit dem Chormädchen noch ein wenig
feiern und dann hie
es, die Band muss um
22.00 Uhr wieder rüber.
Es war so unsinnig,
dass ich gehindert
wurde, Freundschaft zu
entwickeln zu einem
Menschen, den ich mag.“
Wie waren denn für Sie die Tage
nach dem Mauerfall?
Es war die schönste Party meines
Lebens. Sie ging mindestens drei
Tage oder länger. Es gab viel Sekt
und Umarmungen. Ich habe mich
unter die Leute gemischt, aber
auch ein wenig getarnt. Wenn sie
mich erkannt hätten, wäre es zu
stressig geworden. Wenn dich
tausend Leute gleichzeitig umarmen, dann bleibt dir die Luft weg.
Ja, es war fantastisch ... Und viele
Freudentränen.
Sie haben als einer der ersten
Rockmusiker deutsch gesungen, haben sich mit der deutschen Teilung beschäftigt,
dichten selbst in deutscher
Sprache. Welche Beziehung
haben Sie zu Deutschland, was
wünschen Sie dem Land?
Wir sind Vermächtnisträger unserer Kultur. Die Emigranten, die vor
dem Nazi-Terror flüchten mussten, Brechts Lieder gegen den
Krieg, Hesses Texte. Soll das alles
umsonst gewesen sein? Nein, wir
sollten das wieder entdecken. Wegen der unfassbaren Verbrechen
im Zweiten Weltkrieg wünsche ich
mir, dass wir friedens­politisch die
totalen Pioniere sind, Menschen­
rechte fordern und nicht schlaff
am Rande stehen. Wenn man
mich in Frankreich aufs Feld
ge­beamt hätte und nicht in das
kleine Städtchen Gronau, würde
ich das alles wahrscheinlich in
Französisch machen. So bin ich
aber nun mal in die deutsche Geschichte reingewachsen.
Manche Zuschauer aus der
früheren DDR sagen, das Land
würde im Musical zu klischeehaft gezeigt.
Wir wollten erst mal das Interesse wecken, sich mit so was zu
beschäftigen. Sonst sagen manche,
das ist Geschichte, langweilig und
vorbei. Denn nur, wer weiß, woher er
kommt, kann auch bewusster und
klarer in die Zukunft gehen. Solche
Stücke sind Brückenbauer. Außerdem gibt das Stück Motivation, sich
einzuschalten und nicht Mitglied
einer stummen Armee zu werden.
Eine stumme Armee, die durch ihre
Passivität alle Verbrechen trägt, die
es ja auch heute noch gibt.
Was können die Schülerinnen
und Schüler aus dem Musical
mitnehmen? Was können sie
lernen?
Sie lernen, dass es für Menschen
unwürdig ist, wenn sie sich nicht
von unten einmischen können
oder wollen. Wenn die von oben
dir erzählen, wie du zu leben hast.
Keine Behörde und kein System
kann Menschen ihr Leben vorschreiben. Auch nicht autoritäre
Lehrer. Man lernt, dass man sich
vor jedem Individuum, wenn es
nicht irgendwie grobe Scheiße
baut, erst mal verneigen sollte und
den Menschen leben lässt, wie er
es für richtig hält. Niemand sollte
pauschal sagen, Geschichte oder
Politik ist langweilig. Es ist alles
Geschichte und Politik. Ich kann
jetzt meine Musik, meine Meinung,
mein Leben feiern. Aber eine Gesellschaft bleibt nicht so tolerant,
wenn immer mehr Leute aus der
Politik aussteigen. Dann machen
es irgendwann andere, die unsere
Rechte einschränken.
27
Beobachtungsaufgaben
© Foto: Brinkhoff/Mögenburg, bea: Silke Kecke
Bitte wählen Sie vor der Betrachtung des Musicals eine Beobachtungsaufgabe aus. Untersuchen
Sie diesen Aspekt während des
Musicals genauer. Machen Sie
sich Notizen dazu. Lassen Sie
später in der Klasse erst die
Mitschüler auf Ihre Frage antworten. Tragen Sie dann Ihre eigenen
Beobachtungen vor.
Beschreiben Sie in Stichworten,
was die Dokumentaraufnahmen
zeigen, die während des Musicals – am Anfang, in der Mitte und
am Ende – eingestreut werden.
Was und wen erkennen Sie, wozu
haben Sie Fragen?
Aktivierung von Vorwissen und Einstiege
Die weiterführenden Materialien finden Sie auf www.musicals.de/schulklassen.
1. Vorwissen und Fragen
Gruppenarbeit: Vier große Papier­
bögen liegen auf vier großen
Gruppentischen. Auf den Bögen
stehen die Themen: DDR, Stasi, Berliner Mauer, Udo Lindenberg. Die Klasse ist in vier
Gruppen eingeteilt. Jede/r aus
der Gruppe schreibt sein Wissen
zu dem jeweiligen Thema oder
Fragen dazu auf den Papierbogen.
Die Gruppen wechseln vier Mal
von Tisch zu Tisch, bis sie zu ihrem Ausgangstisch zurückkehren
und die endgültigen Ergebnisse
dem Plenum vortragen. Es können
sich Frage-Antwort-Dialoge auf
den Plakaten entwickeln.
2. Musicalplakat
Partnerarbeit: Bitte schauen Sie
sich das Plakat an und stellen Sie
Fragen zur Bedeutung des Spielund des Handlungsortes, der Titel,
Themen, Farben, der abgebildeten
Figuren, Symbole, Schriften. Lassen Sie Ihren Partner Ihre Fragen
beantworten, Sie beantworten
seine. Diskutieren Sie dann die
Antworten.
28
3. Video zum Musical
Schauen Sie sich das Video zum
Musical an. Nach einer zweiten
Sichtung suchen Sie bitte nach
Antworten auf folgende Fragen:
Wann und wo spielt es? Was für
ein Polizist fragt warum nach dem
Ausweis des jungen Mannes? Wie
steht der Taxifahrer zum Fahrgast?
Was drücken Requisite und Szenenbild aus (Autos, Schauplätze,
Zimmereinrichtung)? Was sagen
Hemd und Hintergrund über das
Mädchen aus? Was hat der ständig auftauchende Fernsehturm mit
dem Schauplatz und der Beziehung zu tun? Udo Lindenberg
schaut sich auf dem Hotelbett alte
Fotos an – in welcher Verbindung
steht das zur Liebesgeschichte?
Was kann man über die Farben im
Restaurant sagen? Warum geht
der junge Mann einfach weg? In
welcher Beziehung steht das Lied
zur Geschichte?
4. Sprechblasenbild
Stellen Sie Fragen zu dem Bild
oben und überlegen Sie Antworten. Finden Sie eine Überschrift.
Füllen Sie dann die Sprech- und
Denkblasen aus.
5. Libretto
Gruppenarbeit: Schauen Sie sich
bitte den Textauszug aus dem
Libretto an, in dem das FDJ-Mädchen Jessy Udo Lindenberg trifft.
An welchen Stellen des Stücks
tauchen – im Bild, als Figur oder
nur im Ton – Willy Brandt, Walter
Ulbricht, Erich Mielke und Erich
Honecker auf? Recherchieren Sie
zuvor zu diesen Politikern (siehe
auch den Beitrag „Geschichte der
DDR“, Seiten 8 und 9).
Worin unterscheiden sich Steve
und dessen Vater Marco?
Welche Konflikte gibt es in der
Familie von Steve, seinem Vater
Marco und Jessy Schwarz?
Überlegen Sie in verschiedenen
Kleingruppen, wer die Figuren sein
könnten und was sie motiviert.
Proben Sie die Szene mit vier Darstellern, wie sie auch im Musical
ablaufen könnte. Die Gruppen
zeigen dann ihre Szenen vor der
Klasse. Nach der Vorführung
können die Figuren von der Klasse
über ihre Motive und Gedanken
befragt werden.
In welcher Beziehung steht Jessys
Vater zu Marco und zu seinem
Sohn Elmar?
6. Fragen ans Stück
Notieren Sie bitte während des
Musicals Fragen zu Begriffen, Ereignissen, Personen oder Anspielungen, die Sie nicht verstehen
oder nicht kennen.
Warum ist Elmar Lindenberg-Fan?
Was geschieht mit ihm in der
DDR? Warum flieht er in den
­Westen – und wie ergeht es ihm
dort?
Beschreiben Sie, wie sich Marcos Gefühle und seine Haltung
zur DDR im Laufe des Musicals
ändern. Woran erkennt man das?
Was ist an Marcos Rolle sympathisch, was nicht so sympathisch?
An welchen Stellen werden
Duette gesungen – mit welcher
Bedeutung für die Beziehung der
Sänger?
Wo gibt es welche sexuellen
­Anspielungen in dem Stück?
­Listen Sie diese auf!
Welche Rolle spielen Drogen und
Medikamente in dem Stück?
Wie viele und welche Vater-SohnKonflikte gibt es in dem Stück?
Wie verändern sich die Mauer,
deren Funktion und Bedeutung,
im Laufe des Stückes?
Wodurch wird die Liebesbeziehung zwischen Udo Lindenberg
und Jessy gefährdet?
In welchem Dialekt spricht Jessys
Familie? Wer spricht noch welchen
Dialekt? Warum?
Warum stellt Jessy einen Ausreiseantrag, warum zieht sie ihn
wieder zurück?
Wie bewegen sich die Figuren
im Stück (Udo, Steve, Jessy,
Elmar, Jessys Vater, Marco, die
Stasi-Männer, die Soldaten, der
­General)? Wo sind die größten
Unterschiede?
An welchen Stellen im Stück, wie
und warum werden Briefe von
DDR-Bürgern verschlüsselt?
Warum kommt die „Rock ’n’ RollArena von Rostock bis nach Jena“
nicht zustande?
Welches Verhältnis hatte Udo
Lindenberg zu seinen Fans in
der DDR? Warum will er dort ein
­Konzert geben?
Wann und warum hört man welche
Lieder durcheinander oder Rhythmuswechsel in einem Lied?
Was erfährt man von der Biografie, dem Lebensstil und dem
Charakter Udo Lindenbergs?
An welchen Stellen im Stück
­werden welche Geschichten mit
oder während Tänzen erzählt?
An welchen Stellen werden der
Lebensstil und das Star-Dasein
Udo Lindenbergs ironisch auf die
Schippe genommen?
Welche Haltung nehmen Jessys
Vater und ihre Mutter in Bezug auf
die DDR ein?
In welchen Szenen wird Udos Hut
heruntergelassen?
Welche Konflikte gibt es in der
Familie von Jessy, Elmar, Vater,
Mutter und Marco?
Wann finden die einzelnen
­Ereignisse statt? Erstellen Sie eine
Zeitleiste der Musicalszenen.
Welche Aufgaben haben die
­beiden Herren im Trenchcoat?
Woher kommen Sie? Welche unterschiedlichen Rollen spielen sie?
Mit welchen dramaturgischen
Mitteln schafft das Musical den
Übergang zwischen den Zeit­
ebenen?
Was könnten die Stasi-Leute
Krause und Patschinski beobachtet und dann in die acht Meter
hohen Akten des MfS (Ministerium
für Staatssicherheit) über Udo
Lindenberg geschrieben haben?
29
Szenenübersicht
Rock ’n’ Roll („Boogie-WoogieMädchen“).
3. Jessy, das FDJ-Mädchen, und
ihre Familie (1983)
Prolog: Das Trauma der deutschen
Teilung
Mauerbau (Videoprojektion)
(„Mädchen aus Ostberlin“)
1. Finden Sie das "Mädchen aus
Ostberlin“!
Mareike, Redakteurin einer großen
Zeitung, erhält von ihrem Chefredakteur Dr. Werner den Auftrag,
das Mädchen aus Ostberlin zu
finden. Er wittert hinter der Geschichte den ganz großen „Aufmacher“. Im Archiv gibt es ein Foto
von Udo und einem unbekannten
Mädchen. Die Suche beginnt.
2. Jessy, das Mädchen auf dem
Foto (2011)
Jessy, das Mädchen auf dem
Foto von damals, ist heute 44 und
lebt mit ihrem Mann Marco und
ihrem Sohn Steve zusammen. Die
Redakteurin Mareike kommt zu
Besuch. Jessy erzählt von damals
und von ihrer Begeisterung für den
Wir lernen Jessy, 16 Jahre alt
und FDJ-Mädchen, ihren Freund
Marco, ihren Bruder Elmar und
ihre Eltern kennen. Elmar ist großer Lindenberg-Fan. Jessy wird
im Palast der Republik mit dem
FDJ-Chor auftreten. Sie träumt
von einem Leben voller Abenteuer
(„Ich träum’ oft davon, ein Segelboot zu klaun.“).
4. Udo kommt nach Ostberlin
(Videoeinspielung)
25. Oktober 1983. Udo kommt
nach Ostberlin, zu seinem Konzert
im Palast der Republik. Er begrüßt seine Fans. Er wünscht sich
eine „Begegnung von Mensch zu
Mensch, ohne Plan, ganz spontan“.
5. Udos Konzert im Palast der
Republik
Der FDJ-Chor stimmt die Friedens­
ode an. Udo rockt den Palast
(„Odyssee“). Jessy und Udo
kommen sich nach seinem Auftritt
näher („Bis ans Ende der Welt“).
Draußen vor dem Palast wird
Elmar von der Polizei niedergeprügelt und festgenommen.
6. Jessy und Elmar schwärmen
von Udo (1983)
Jessy schwärmt von Udo. Elmar
versucht, seinen Vater von seiner
Leidenschaft zu überzeugen („Ich
14. Die "Operation Lederhose“
scheitert
bin Rocker“). Beide träumen von
einem anderen Leben („Gegen die
Strömung, gegen den Wind“).
Das Casting für das LindenbergDouble geht voll in die (Leder-)
Hose („Reeperbahn“, „Sonderzug
nach Pankow“). Und auch die
Gastspielreise von Udo L. durch
die DDR wird abgesagt.
7. Im Ministerium für Staats­
sicherheit
Der Minister sieht die revolutionäre Wachsamkeit der Jugend
in Gefahr („Straßenfieber“). Ein
systemtreues Double für Udo L.
muss her. Die „Operation Lederhose“ beginnt.
15. Elmars Ballonflucht
(Videoprojektion)
Elmar fliegt mit einem Ballon über
die Sperranlagen hinweg nach
Westberlin („Daumen im Wind“).
Jessy versucht ihn aufzuhalten –
vergeblich.
8. Jessy will Udo wiedersehen
Jessy hat Udo einen Liebesbrief
geschrieben. Elmar bietet ihr an,
den Brief am Tränenpalast, dem
Übergang nach Westberlin, einem
Westler zuzustecken.
Pause
16. Unser Vaterland DDR
(Videoprojektion)
9. Die missglückte Briefübergabe
am Tränenpalast
17. Elmars Anruf aus Westberlin
Choreographie. Beim Versuch
der Übergabe wird Elmar von den
Stasi-Leuten Krause und Patschinski fotografiert. Die Übergabe scheitert.
Elmar ruft aus Westberlin an. Sein
Vater will mit dem „Verräter“ nichts
zu tun haben. Durch eine verschlüsselte Nachricht erfährt ­Jessy
von Udos Gastspiel in Moskau.
10. Elmar wird inhaftiert (Videoprojektion)
18. Udo auf dem Roten Platz in
Moskau
Elmar wurde bei der versuchten
Briefübergabe verhaftet und
kommt ins Gefängnis der Staats­
sicherheit in Hohenschönhausen.
Große Tanzchoreographie mit
Russen, Tänzerinnen, Kosaken.
Udo tanzt über den Roten Platz
und singt von „Olga von der
­Wolga“ („Moskau“).
11. Besuch von der Staats­
sicherheit
Die Stasi-Männer zwingen Jessy,
eine Verpflichtungserklärung als
Inoffizieller Mitarbeiter (IM) zu
unterschreiben. Sie soll Udo L.
ausspionieren. Wieder allein, trauert Jessy um ihre verlorene Liebe
zu Udo („Verbotene Stadt“).
12. Gitarren statt Knarren
13. Elmars Entlassung
(Videoprojektion)
Nachdem Jessy unterschrieben
hat, wird Elmar aus dem StasiKnast entlassen. Elmar hat das
System nun endgültig satt.
30
Fotos: © Brinkhoff/Mögenburg
Choreographie. Mit Gewehren
bewaffnete Soldaten gegen Tänzer
mit Gitarren.
20. Im Schatten der Mauer
Jessy ist schwanger und schwärmt
von der gemeinsamen Zukunft mit
ihrem Kind, das auch Udos Kind ist
(„Alles, das bist du für mich“).
21. Eine Lederjacke für Honni
(Videoprojektion)
Udo hat ein Geschenk für Honni,
eine Lederjacke. Die überreicht er
ihm – verbunden mit dem Wunsch
nach einem Kulturaustausch über
alle gesellschaftlichen Unterschiede und die Mauer hinweg.
22. Die Staatssicherheit macht
Druck
Mit Psychodruck und körperlicher
Gewalt versuchen die Stasi-Männer Jessy zur Rücknahme ihres
Ausreiseantrags zu bewegen.
Jessy ist verzweifelt („Wenn du
durchhängst“).
23. Montagsdemonstrationen
(Videoprojektion)
Ausreisewelle über Ungarn, die
besetzte Prager Botschaft, Genscher auf dem Balkon.
24. "Wir sind das Volk!“
Choreographie. Demonstranten in
der Auseinandersetzung mit der
Staatsgewalt. Das Volk gewinnt
den ungleichen Kampf.
19. Das Wiedersehen in Moskau
25. Am Abend des
9. November 1989
Jessy und Udo haben die Nacht
zusammen verbracht („Hinterm
Horizont“). Staatssicherheit und
KGB haben die beiden im Hotel
aufgespürt. Wenig später werden
sie von den Stasi-Leuten auseinandergebracht.
Jessy ist vor der Gewalttätigkeit
ihres Mannes Marco zu ihren
Eltern geflüchtet. Plötzlich Unruhe
im Haus. Die Mauer ist gefallen!
Jessy und ihre Mutter brechen
sofort auf, vielleicht treffen sie
drüben ja Elmar.
26. Udos Konzert in der
­Deutschlandhalle
Videoprojektion Mauerfall. Udo
begrüßt die Besucher aus der
DDR („Seid willkommen in Berlin“).
27. Wiedersehen und Abschied
Endlich kann Jessy noch einmal
mit Udo sprechen. Udo lässt sie
stehen. Ein Abschied für immer
(„Ich lieb dich überhaupt nicht
mehr“).
28. Die Wahrheit kommt ans
Licht (2011)
Die Rückblende ist beendet.
Jessy hat Mareike ihre Geschichte
erzählt. Steve, Jessys Sohn, ist ein
ziemlich rebellischer junger Mann.
Erst jetzt erfährt er, wer wirklich
sein Vater ist („Alles ist im Arsch“).
29. Udos Hotelzimmer im
"Atlantic“ (Videoprojektion)
Mittag. Udo wird vom Telefon geweckt und in die Hotelbar gerufen.
Manchmal sehnt er sich nach den
alten Zeiten zurück, als er noch ein
„Mr. Nobody“ war.
30. Wiedersehen in der Bar des
Hotels "Atlantic“
Udo singt von seinen ersten ­Jahren
in Hamburg („Andrea ­Doria“). Jessy
und Steve tauchen auf. Jessy kann
Udo davon überzeugen, dass
sie ihn damals nicht an die Stasi
verraten hat („Was hat die Zeit
mit uns gemacht“) – und Steve
lernt endlich seinen Vater kennen
(„Eigentlich bin ich ganz anders“),
(„Hinterm Horizont“ – Reprise).
Finale Grande
Im „Atlantic“ steigt eine Riesenparty („Ich mach mein Ding“).
31
Die Figuren und ihre Beziehungen
Schon bei der ersten Begegnung
funkt es zwischen Udo und Jessy.
Jessy Schmidt, das „Mädchen
aus Ostberlin“, verliebt sich 1983
bei einem Konzert im Palast der
Republik in Udo Lindenberg.
20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer ist es Zeit geworden,
ihr Familiengeheimnis zu lüften.
Achtziger Jahre
Im Zentrum der Geschichte steht
die Liebesgeschichte von Jessy
und Udo, die – wie die beiden
Königskinder, wie Romeo und
Julia und andere berühmte Paare
der Literatur – nicht zusammenkommen können. Auf ihre Liebe
nehmen sehr unterschiedliche
Personen Einfluss: Während
Jessys Bruder Elmar sie versteht und unterstützt, sind Jessys
Eltern der Ansicht, dass sich die
Tochter den in der DDR geltenden
Regeln unterordnen und deshalb
auf Udo verzichten sollte. Sie
sähen es gern, wenn Jessy und
Marco zusammenkämen, denn
Marco ist ein vielversprechender
Udo Lindenberg, Rocksänger
und rebellischer Verfechter freiheitlichen Denkens und friedlichen
Zusammenlebens von Ost und
West, verliebt sich im Palast der
Republik in Jessy. Er träumt davon,
Jessy bei seiner „Rock ’n’ RollArena von Rostock bis Jena“
wiederzusehen.
Sportler – ein Hammerwerfer, den
Jessys Vater für die Olympischen
Spiele trainiert. Doch darüber
kann Jessy nur lachen: Mit Marcos
Hammer lässt sich ja nicht mal ein
Nagel in die Wand schlagen. Eine
These, die allerdings zu beweisen
wäre …
Marco ist in Jessy sehr verliebt,
so sehr, dass er fast alles für sie
täte. Manches vielleicht halbherzig, wie sein Widerspruch gegen
die Methoden der Stasi, anderes
dagegen mit allen Konsequenzen,
wie seine Heirat und die Übernahme der Verantwortung für Jessys
Sohn Steve.
Jetztzeit
Marco ist heute, 23 Jahre nach
Steves Geburt, immer noch mit
Jessy verheiratet. Er hat sich
selbstständig gemacht und ist ein
typischer Vertreter der bürgerlichkapitalistischen Lebensform
geworden. Wie im Verlauf der
Story zu erfahren ist, hat er seinen
Traum vom Olympiasieg nie realisieren können.
Fotos: © Brinkhoff/Mögenburg
Die Liebesgeschichte von Jessy
und Udo gehört in der Jetztzeit
einer Vergangenheit an, über die
niemand mehr sprechen möchte. Was mittlerweile zählt, ist die
Kleinfamilie von Jessy, Marco und
Steve, Jessys erwachsenem Sohn.
Die heutige Jessy, die Marco nie
liebte, hat ihre Lebendigkeit verloren. Sie ist in die Rolle der be-
Randfiguren
Die Rahmenhandlung bildet den
Aufhänger für die Story. Sie verbindet aber auch Jessys Jugendgeschichte mit der Geschichte ihres
Sohnes Steve.
Ausgelöst durch die junge Reporterin Mareike und ihren Chefredakteur Dr. Werner, wird die Vergangenheit aufgerollt und zu einem neuen
Ende geführt. Diesen beiden Personen ist keine besondere Charakterisierung zugeschrieben, sie verhalten
sich so, wie man sich Vertreter der
Boulevardpresse vorstellt.
Krause und Patschinski sind als
Stasi-Offiziere maßgeblich dafür
verantwortlich, dass aus Jessys
Liebesgeschichte ein deutschdeutsches Drama wird. Auch sie
entsprechen der typischen Vorstellung, sind also Klischeecharaktere.
Vor allem dienen sie der Dynamik
der Handlung.
Jessys Eltern und Marco können nicht nachvollziehen, wonach sich Elmar
und Jessy sehnen.
32
Elmar Schmidt, Jessys Bruder,
ist ein großer Fan von Udo Lin­den­
berg und dem Panikorchester.
Sein Panikgürtel, den er als
Schlosser geschweißt hat, ist da­für
nicht der einzige Beweis. Elmar
folgt seinem Idol auch in den
Gefühlen und im Verhalten und
handelt sich enormen Ärger ein.
Udo und Steve checken ab, ob sie
Gemeinsamkeiten haben – gefühlsmäßig und musikalisch, textlich.
„Ich bin Rocker“: Elmar erklärt seinen Eltern, Jessy und Marco, weshalb
ihm Udo L. so wichtig ist.
sorgten Mutter geschlüpft und hat
mittlerweile das Gefühl vergessen,
das sie selbst 1983 umtrieb und zu
gewagten Aktionen ermutigte.
Marco ist der klassische Familienvorstand und -ernährer. Leidenschaften oder Sehnsüchte anderer
versteht er heute ebenso wenig
wie Mitte der 1980er Jahre. Seine
sportliche Enttäuschung sitzt tief,
sein Sportgeschäft und ein Mittelklassewagen scheinen inzwischen
die einzigen Träume zu sein, die
Marco noch hat.
Steve, der sein Leben mehr oder
weniger im Rausch verbringt und
als Rapper in den Clubs erfolgreich
ist, hinterfragt die Resignation
seiner Eltern und ihr Alltagsverhalten nicht. Er zieht sich raus aus der
Familie und macht sein eigenes
Ding. Wenn es Jessy oder Marco
wagen, sein Verhalten zu kritisie-
ren, zieht er sich zurück oder wirft
den beiden Langweiligkeit vor.
Udo lebt sein Leben immer noch
überwiegend nach Lust und
Laune.
Hintermänner und Rebellen
Eine große Zahl anonymer Personen spielt für die Geschichte eine
wichtige Rolle. Denn auch Stasi,
Polizei, Demonstranten, Fans und
selbst Touristen nehmen Einfluss auf
Jessys Liebesgeschichte.
Auf Seiten der Staatsmacht stehen
unter anderem die Auftraggeber von
Krause und Patschinski mit ihren
Offizieren, Experten und Volkspolizisten. Auf Seiten der Protest­
bewegung stehen Fans von Udo als
Beispiele für die Bürger der DDR,
die sich nicht unterdrücken lassen
und gegen Willkür aufbegehren.
Stellvertretend stehen sie für all
jene, deren Hartnäckigkeit zum Fall
der Mauer führte.
Aufgaben
1. Zeichnen Sie ein Soziogramm von Jessys Familie der achtziger Jahre. Setzen Sie die Personen in Beziehung
und ordnen Sie den Beziehungsstrukturen emotionale Begriffe zu. Setzen Sie anschließend Udo und Marco
und deren Bezüge zu den einzelnen Personen in das Soziogramm ein. Erläutern Sie ihren symbolischen
Stellenwert für die Familienkonstellation.
2. Diskutieren Sie, welchen Stellenwert Jessys Bruder Elmar, ihre Eltern Rüdiger und Marlies, ihr späterer Ehemann Marco und ihr Sohn Steve im Musical haben. Was erfahren Sie über ihr Leben außerhalb der eigenen
vier Wände?
3. Zeichnen Sie ein Soziogramm von Jessy damals und heute als Teil der Gesellschaft. Gruppieren Sie sie zu
ihrer FDJ-Singegruppe, zu Krause und Patschinski, deren Auftraggebern, zu Udo, seiner Band, zur Protestbewegung und – für die Jetztzeit – zur Boulevardreporterin Mareike etc. Benutzen Sie farbige Markierungen,
um Bezüge von privatem Erleben und politischem/öffentlichem Eingreifen zu kennzeichnen. Erläutern Sie die
Darstellung dieser Bezüge im Musical.
4. Schreiben Sie einen kurzen fiktiven Lebenslauf zu einer Figur Ihrer Wahl. Benutzen Sie dazu ­Informationen
aus der Story.
33
Zur Dramaturgie des Musicals
Ein Musical wie HINTERM HORI­
ZONT lässt sich nur schwer in
ein klassisches dramaturgisches
Korsett zwängen. Mit seiner
geschichtlich-politischen Dimension erzählt es einerseits eine
Geschichte der jüngsten deutschen Vergangenheit und nutzt
die Songs von Udo Lindenberg
zur emotionalen Verstärkung von
Ereignissen oder Beziehungssystemen, auf der anderen Seite
entsprechen Bühnengestaltung,
Choreographien und der Einsatz
von Musik und Licht einer modernen Bühnen-Rockshow.
Dennoch lassen sich die einzelnen
Elemente des Musicals klassischer Dramaturgie zuordnen: von
der Exposition, die vom ersten
Ton der Musik an mit Videoprojektionen ein Zeichen setzt, welche
emotionale und politische Dimen­
sion zu erwarten ist, über die
Rahmenhandlung, die historisch
den Bogen zwischen den Zeiten
spannt, bis zur Haupthandlung, einer Liebesgeschichte mit
Hindernissen, Gefahren, Erfüllung
und Enttäuschung, und dem
Finale, das mit der veränderten
Grundsituation neue Perspektiven
eröffnet.
Ulrich Waller, Regisseur des
Musicals HINTERM HORIZONT, ist
seit 1979 Regisseur und Dramaturg, u. a. war er am Hamburger
Schauspielhaus und am Frankfurter
TAT tätig. Er arbeitete als Intendant
an den Hamburger Kammerspielen
und übernahm 2003 diese Position
im St. Pauli Theater in Hamburg.
Waller inszenierte zeitgenössische
Stücke und Klassiker des Unterhaltungstheaters. Er schrieb und
inszenierte zahlreiche Kabarettabende für Bühne und Fernsehen.
Seit 1990 begleitet er für den NDR
den Prozess der deutsch-deutschen Einigung mit der alljährlichen
Sitcom „Heimatabend“. Mit Udo
Lindenberg arbeitete Ulrich Waller
zusammen an der Revue „Atlantic
Affairs“ (2004) und an den Shows
„30 Jahre Panikorchester“ und
„Stark wie Zwei“.
■■ Die
Songs und ihre Texte
strukturieren die Handlung,
verstärken jedoch vor allem
die emotionale Ebene in den
Handlungen der Hauptfiguren.
Die Gefühle der Protagonisten
werden interpretiert und auf
den Zuschauer übertragen.
Dies gilt für die Songs, die von
einzelnen Figuren interpretiert
werden, ebenso wie für Balladen oder Rocknummern, zu
denen Straßen­szenen inszeniert
werden, die die Gefühle der
Gesellschaft spiegeln.
zweite Funktion der Projektionen ist ein (selbst-)ironischer
Unterton, der dramatischen
Handlungsverläufen eine humorvolle Note gibt und biografische
Bezüge zu Udo Lindenberg und
dem Panikorchester herstellt
(Probenraum, Was einen Star
zum Star macht, Aufwachen im
Hotel u. a.).
Choreographien verbildlichen die gesellschaftlichen
Dimensionen der Handlung.
Die Mischung aus Boogie-­
Woogie-Mädchen und LipsiTanz beispielsweise versinnbildlicht die dünne Membran
zwischen verordnetem und
echtem Vergnügen der Jugendlichen. Die Szenen mit Ausein­
andersetzungen zwischen
Volkspolizei und Demonstranten
reflektieren im Wandel der Darstellung auch den Wandel der
Gesellschaft.
Was für die Inszenierungselemente gilt, trifft gleichermaßen auch
auf die Stilmittel zu. Zu Beginn des
Musicals werden die Zuschauer
durch die melancholische Liebesballade über das „Mädchen
aus Ostberlin“ in Verbindung
■■ Dialoge
und Handlungsstränge
treiben die Geschichte voran
und setzen pointierte Spitzen.
Alltagskultur, Gesellschaftskultur und persönliches Erleben
werden hier gezielt auf den
Punkt gebracht und – teilweise durchaus klischeehaft – in
verallgemeinerbare Zusammenhänge gerückt.
Die Dimension des Wappens der
DDR symbolisiert die Macht des
Staatsapparates.
■■ Die
Projektionen von Dokumentaraufnahmen verbinden
dramaturgisch die fiktive Handlung mit realen Ereignissen und
verankern das Private in einem
historisch-politischen Kontext
(Exposition, Auftritt im Palast
der Republik, Fall der Berliner
Mauer u. a.).
■■ Die
34
■■ Eine
■■ Die
Die Elemente der Inszenierung
übernehmen dabei verschiedene
Funktionen für die Handlung und
deren Verlauf.
Rahmenhandlung leistet den
Transfer von der Gegenwart in
Knarren gegen Gitarren – Gewalt gegen Musik und Tanz
Vom Lipsi Tanz zum Boogie-­Woogie-Mädchen
mit Videoaufnahmen vom Bau
der Mauer auf ein Drama eingestellt, das bei aller Rockkultur ein
ernstes Thema behandelt. Die
Bilderfolge, die mit dem Bau der
Mauer und der Festschreibung
der deutschen Teilung beginnt,
persönliches Leid von betroffenen
Berlinern ins Zentrum rückt und
mit der Aufnahme diplomatischer
Beziehungen zwischen den beiden
deutschen Staaten durch Willy
Brandt und Erich Honecker endet,
dokumentiert die gesellschaftliche
Grundlage, auf der die Haupthandlung spielen wird.
Wenig später brechen Witz und
Ironie immer wieder die Dramatik
der Handlung und ziehen DDRObrigkeit und Staatsapparat ins
Lächerliche, ohne zu verhehlen,
dass die Konsequenzen für die
DDR-Bürger verheerend sein
konnten.
Selbst die Liebesbeziehung, die
durch zarte Balladen und starken
Rock sehr emotional inszeniert ist,
wird immer wieder durch dynamischen Rock gebrochen, so dass
Gefühle und Leidenschaft dem –
jedem Jugendlichen bekannten –
Familienalltag mit dessen Aus­
einandersetzungen gegenüberstehen.
Thomas Brussig, 1964 in Berlin
geboren, sammelte in unterschiedlichen Ausbildungen und Berufen
Erfahrungen, bevor er in PotsdamBabelsberg an der Hochschule für
Film und Fernsehen „Konrad Wolf“
seinen Abschluss als Diplom-Filmund Fernsehdramaturg machte.
Als Schriftsteller wurde Thomas
Brussig 1995 durch den Roman
„Helden wie wir“ einem breiten –
auch internationalen – Publikum
schlagartig bekannt. Vier Jahre
später erschien seine Komödie
„Am kürzeren Ende der Sonnenallee“, die wegen ihrer humorvollen
Alltagspoesie ebenfalls gefeiert
wurde. Seine Bücher sind inzwischen in 30 Sprachen übersetzt.
Mit seiner lakonisch-humorvollen
Handschrift und seiner sehr
persönlichen Sicht auf DDR-Alltag
und DDR-Familie prägte Thomas
Brussig als Autor auch das Libretto
von HINTERM HORIZONT.
Aufgaben
Fotos: © Brinkhoff/Mögenburg
Die Furcht des Ministers:
Rebellische Jugendliche erobern
sein Büro.
die achtziger Jahre und zurück
und bettet damit die Haupthandlung im Hier und Jetzt ein.
Jessy Schmidt wird dadurch der
Elterngeneration der heutigen
Jugend zugeordnet und gleichzeitig mit ihren Problemen als
Jugendliche gezeigt. Durch
die Verbindung der DDR-Vergangenheit mit der Gegenwart
gewinnt die Handlung eine
Zeitlosigkeit, die allen Genera­
tionen Identifikation und Distanz
gleichermaßen ermöglicht.
1. Stellen Sie aus der Szenenübersicht (Seiten 30/31) jene Szenen zusammen, die das Liebesmotiv des Musicals berühren, und erläutern Sie deren Verbindungen zueinander. Markieren Sie Szenen, die Widerstände
durch den Staat thematisieren, farbig und beschreiben Sie diese Widerstände.
2. Recherchieren Sie in Ihrem familiären Umfeld oder im Internet andere deutsch-deutsche Liebesgeschichten aus
der Zeit vor dem Mauerfall und vergleichen Sie die geschilderten/dargestellten Ereignisse mit der Handlung.
3. Wählen Sie eine Szene, in der Filmaufnahmen und Bühnenhandlung ineinandergreifen, und schildern Sie
deren Verlauf. Suchen Sie nach inhaltlichen Gründen für ihren dramaturgischen Aufbau und beschreiben Sie
Stilmittel und verwendete Inszenierungselemente.
4. Interpretieren Sie eine Szene des Librettos auf den Seiten 36/37 mit Blick auf
a) ihre Funktion innerhalb der Gesamthandlung,
b) ihre Eigendynamik auf Grund der verwendeten Inszenierungselemente und Stilmittel.
5. Notieren Sie zu jeder dieser Szenen in einer tabellarischen Übersicht die Darstellungsmittel Videoprojektion,
Song, Rhythmus, Choreographie, Dialog, szenische Inszenierung – vermerken Sie dazu deren thematischen
Schwerpunkt und überlegen Sie, welche Alternativen denkbar gewesen wären.
35
Auszüge aus dem Libretto des Musicals
Auszug Szene 4 - Wohnung von Familie Schmidt in Ostberlin, 1983
JESSY schminkt sich. JESSYS VATER, JESSYS MUTTER, Schützling
MARCO, ein Hammerwerfer-Talent mit entsprechender Statur, sitzen auf
dem Sofa, Bruder ELMAR redet auf Jessy ein.
ELMAR
JESSY
Udos Rock ’n’ Roll-Arena kommt nach Berlin,
und ich? Bin nicht dabei. Der größte lebende
Fan unter der Sonne!
Da bist du nicht der Einzige! Und alle wollen sie
von mir nur das Eine: ’ne Karte für heute Abend.
ELMAR
Aber ich bin dein Bruder!
JESSY
Elmar, tut mir leid, aber keiner aus unserm Chor
hat eine Karte bekommen, keiner!
JESSYS VATER
Na Gott sei Dank, dieser Typ beleidigt ungestraft unseren Staatsratsvorsitzenden, nennt ihn
­Honni, und wird dafür auch noch eingeladen.
JESSYS MUTTER
Wer denn?
JESSYS VATER
Na, dieser Lindenberg.
ELMAR
Entschuldigung. Ich werde das dem Genossen
Lindenberg mal sagen, dann macht er das nie
wieder.
JESSYS VATER
Also, ich verstehe diesen Kult nicht. Was hat der
denn geleistet? Marco hat was geleistet. Noch
nie hat ein Achtzehnjähriger einen Hammer weiter geworfen.
STASI-MANN PATSCHINSKI
(liest aus dem Brief vor) Lieber Udo … Wenn ich an dich denke, kann ich
alles Übrige total vergessen. Und ich weiß: Nichts kann mir passieren. (Zu
Jessy) Kennst du Paragraph 219 unseres Strafgesetzbuches? (Liest daraus
vor) Ungesetzliche Verbindungsaufnahme (…) wird mit Freiheitsstrafe …
STASI-MANN KRAUSE
Genosse Patschinski, bitte, sehen Sie doch, wie dieses Mädchen dasitzt.
Die weiß, dass sie einen Fehler gemacht hat. Und sie will ihre Scharte wieder
auswetzen. Stimmt’s?
Bausteine der Handlung
Auf der Handlungsebene des
Musicals werden zeitgeschichtlich belegte Ereignisse mit einer
fiktiven, biografisch motivierten
Liebesgeschichte verwoben. Inhaltliche Schwerpunkte sind dabei:
■■das Romeo-und-Julia-Motiv
in Abwandlung,
Jessy, starr vor Angst und Schreck, ist zu keiner Regung fähig.
STASI-MANN PATSCHINSKI
Nein, sie sollte schon hören, welche Strafe ihren Bruder, den sie da mit hineingezogen hat, erwartet. Der ist übrigens schon verhaftet.
JESSY
(erschrocken) Was?
■■zeit- und ortsunabhängige Gene-
rations- und Familienkonflikte,
■■Konflikte einer Gesellschaft im
Umbruch.
Das Romeo-und-Julia-Motiv
Udo und Jessy, Bürger verfeindeter Staatssysteme, werden durch
Jessys Staat, die DDR, an der
Erfüllung ihrer Liebe gehindert.
Jessy widersteht zwar dem ihr
aufgezwungenen Verrat, doch
ihre Zusage wird benutzt, um Udo
gegen sie aufzubringen. Die Intrige,
die den Mauerfall überdauert, beendet die Liebesbeziehung abrupt.
Der dennoch positive Abschluss
wird durch die Rahmenhandlung in
Gang gesetzt.
Sie wird von beiden auf den Stuhl gedrückt.
STASI-MANN PATSCHINSKI
Natürlich: Ungesetzliche Verbindungsaufnahme ist kein Kavaliersdelikt.
(Zurück zum Gesetzestext) Also: wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren …
STASI-MANN KRAUSE
(begütigend) Aber Genosse Patschinski. (…) Vielleicht würde sie mit uns
kooperieren. (Streicht ihr lächelnd über die Wange)
STASI-MANN PATSCHINSKI
(beleidigt) Ich finde, da machen Sie es ihr zu leicht. Legen Sie denn Wert auf
die Zusammenarbeit mit jemandem,
der solche Dummheiten begeht? Und
Einsatzmöglichkeiten
dazu den eigenen Bruder benutzt, ihn
der Szenenauszüge
feige vorschickt?
JESSY
So war das nicht!
STASI-MANN PATSCHINSKI
(drückt sie zurück auf den Stuhl) Um
so schlimmer.
Konflikte
Jessy und ihr Bruder Elmar, 17
und 19 Jahre alt, erleben in den
achtziger Jahren typische Alltagskonflikte mit ihren Eltern. Gleiches
gilt für Jessys Sohn Steve in der
heutigen Zeit. Die Auseinandersetzungen drehen sich in beiden
um die Sehnsucht nach freien Entscheidungen und die Leidenschaft
für eine bestimmte Musik.
Der Stasi-Mann Patschinski hält Jessy ein Klemmbrett und einen Kugelschreiber hin.
JESSYS VATERGenau!
Gesellschaft im Umbruch
JESSY (UND ELMAR) Ist doch egal. (Jessy allein) Ich könnte genauso
bewundert werden!
Die Straßenszenen des Stückes –
von Udos Fans vor dem Palast der
Republik bis zum Fall der Berliner
Mauer – zeugen musikalisch und
choreographisch vom Kampf um
Veränderung und Umdenken in der
DDR.
Jessys Vater nimmt das Klemmbrett von Patschinski, nimmt Jessy
­beiseite, um ihr was zu erklären.
JESSY
Ich hör immer Hammer. Ist aber nur ’ne Kugel
an ’nem Drahtseil. (Zu Marco) Kannst du damit
etwa ’n Nagel in die Wand schlagen? (Wieder zu
ihrem Vater) Außerdem find ich es doof, wenn
ich jemanden bewundern soll, nur weil der seinen Hammer 70 Meter weit werfen kann.
MARCO72,10.
Auszug Szene 14 - Wohnung von Familie Schmidt in Ostberlin, 1983
Jessy kommt nach Hause. (…)
STASI-MANN PATSCHINSKI
Fräulein Schmidt? Jessica Schmidt?
JESSYJa?
STASI-MANN PATSCHINSKISetzen!
Drück ich mich unklar aus? Setzen!
Jessy setzt sich.
Die Szenen im Büro des Ministeriums für Staatssicherheit und
im Kultursaal der Stasi-Zentrale
machen sich über DDR-Bürokratie
und inkompetente Kreativität lustig,
gleichzeitig illustrieren sie in ihrer
Ausgestaltung die im Hintergrund
wirkende Macht des Staates.
STASI-MANN PATSCHINSKI
JESSYS VATER
JESSYS VATER
Unterschreib das … Das bedeutet,
dass du einen Decknamen bekommst
und bei uns als IM Regenwurm geführt
wirst (…)
(…) Darf ich mal mit meiner Tochter
reden?
Mensch, Jessy! (…) Denk doch auch
mal an uns. (…) Sei froh, dass du so
einfach deine Scharte auswetzen
darfst!
Er hält das Klemmbrett Jessy hin.
JESSYS MUTTER
JESSYS VATER
Denk an Elmar. Er ist doch dein Bruder.
Mach, was die Genossen sagen.
Szene 15 - Gefängnis/Ostberlin (Video)
Die beiden Stasi-Männer gehen zum Gefängnis und holen Elmar aus der
Zelle. Sie halten ihm den Schuhkarton mit seinen Sachen hin, nehmen
ihm aber den PANIK-Gürtel ab und geben ihn nicht zurück.
36
Das Libretto, die szenische Vorlage
des Musicals, enthält neben den
Dialogen Regieanweisungen und
Udo Lindenbergs Songtexte.
Die gesamten Szenen, die zu
den Auszügen auf diesen Seiten
gehören, stehen online auf der
Internetseite www.musicals.de/
schulklassen zur Verfügung. Sie
können im Unterricht für szenische
Lesungen oder eine Textinterpretation verwendet werden.
Die Auszüge aus dem Libretto
eignen sich außerdem für Rollenspiele im Unterricht, mit denen
Schülerinnen und Schüler die Situationen aus dem Stück aufführen,
interpretieren, verändern oder auf
persönliche Haltungen zuschneiden können.
Folgende Fragestellungen bieten
sich zu den ausgewählten Szenen
an:
1.Wie beurteilen Sie Jessys Dilemma angesichts der Anwerbung
durch die Stasi? Fallen Ihnen
Möglichkeiten ein, wie sie sich
anders hätte verhalten können?
2.Welche Dialoge würden Sie für
die mit Musik unterlegte, dialogfreie Gefängnisszene schreiben?
3.Was würden Sie Jessy sagen,
wenn Sie Elmar wären? Was
würden Sie Elmar vom Besuch
der Stasi erzählen, wenn Sie
Jessy wären?
37
Gestaltung des Bühnenbildes
Schauspieler, Sänger, Tänzer
gestalten auf der Bühne in sehr
genau ausgearbeiteten Choreographien Gefühle, Spannung und
politische Inhalte des Stücks.
Dabei sind Songs und Dialoge genauso wichtig wie Körperhaltung
und tänzerischer Ausdruck.
Aber auch hinter der Bühne sind
Künstler bei der Arbeit, die dafür
sorgen, dass sich die Stimmung
des Stückes auf die Zuschauer
überträgt. Bühnenbild, Kostüme,
Ausstattung/Dekoration und Lichteffekte sind ebenso wichtig für die
Inszenierung und ihre Atmosphäre
wie die Darstellung, die Songtexte
und die Musik.
Die Wohnung 2011 und die Wohnung 1983 bilden zentrale Räume
für die Story des Stücks. Diese
Räume sind beweglich, so dass
sie zentral im Vordergrund der
Bühne auftauchen und wieder an
der Seite verschwinden können.
Das Büro des Ministeriums oder
das Hotel in Moskau dagegen sind
Schauplätze, die nur ein einziges
Mal benötigt werden. Bei beiden
Räumen ist es aber wichtig, dass
sie auf der Bühne groß (und mächtig bzw. verschachtelt) wirken. Sie
werden – ebenso wie die Stadt
Moskau oder ein Hochhaus in
Ostberlin – mit Hilfe von Vorhängen und farbigen Lichteffekten
gestaltet.
Wenn Szenen während eines
Songs den Schauplatz wechseln,
wird die inhaltliche Verbindung mit
unterschiedlichen Mitteln hergestellt. Videoaufnahmen verknüpfen
zum Beispiel Wirklichkeit (oder
kurze Spielszenen an einem wirklichen Ort) mit der Szene auf der
Bühne. Die Zeitwechsel werden
durch das gleichzeitige Spiel
beider Jessys dargestellt. Und der
Übergang zu einer Fantasieszene
wird mit Hilfe von Lichteffekten
und Musik geschaffen.
Die wichtigsten Massenchoreographien des Musicals stehen
für gesellschaftliche Veränderungen in der DDR. Dazu gehören
unter anderem der Tanz auf dem
Ministertisch, die Briefübergabe
am Tränenpalast, „Gitarren statt
Knarren“ und „Wir sind das Volk!“.
Bei diesen Tanzszenen spielen die
Lichteffekte eine zentrale Rolle.
Sie gestalten den Raum aus, in
dem die Szene spielt, und stellen –
in Verbindung mit der Musik – politische Zusammenhänge her.
Szenenwechsel innerhalb eines Bühnenbildes mit Hilfe von Songs: Die Traumfantasie nach Jessys Gespräch mit
der Stasi in der Wohnung ihrer Eltern. Ihre Gefühle werden durch die Texte von „Verbotene Stadt“ und „Gitarren
statt Knarren“ verdeutlicht. Gleichzeitig steht Jessy für viele Jugendliche, deren Rebellion durch die Tanzchoreographie deutlich wird.
Licht und Bühnenperspektive erwecken den Eindruck, als ob Udos
Auftritt am 9. November 1989 direkt
unterhalb der Mauer steigen würde.
In der Szene auf dem Roten Platz werden allseits beliebte Vorstellungen über die sowjetische bzw. russische Kultur
zu einer schnellen, rockigen Choreographie verbunden. Balletttänzerin Olga bewegt sich durch Spione, Kosaken,
offenherzige Frauen, Männer mit Russenmützen, Offiziere und Rock ’n’ Roller. Mitten im Chaos dieser Weltstadt
treffen sich Udo und Jessy wieder – aus einer wilden Szenerie wird eine ruhige Liebesszene, für die als Dekoration
ein Bett ausreicht, dessen Standort durch die mit Licht projizierte Fensterfront des Hotels geklärt wird.
Auch der Zuschauerraum wird einbezogen. Die Spielszene mit Elmars
Song ist mit einer Bühnenprojektion
verknüpft, bei der die Kamera über
die Mauer „fliegt“.
1. Beschreiben Sie am Beispiel eines Bühnenbildes Ihrer Wahl die dort verwendeten Gestaltungselemente, soweit Sie sie erinnern. Nutzen Sie dazu auch die Szenenfotos auf der Webseite (www.musicals.de/schulklassen).
2. Analysieren Sie die Wirkung eines Bühnenbildes auf die Zuschauer und verfassen Sie eine Szenenkritik. Differenzieren Sie dabei nach Schauspiel, Dialog, Songtext, Musik, Bühnenbild, Licht- und anderen wichtigen
Effekten.
3. Spielen Sie die Ereignisse bei der Briefübergabe am Tränenpalast in der Klasse durch Bewegungen – ohne
Worte – nach. Suchen Sie dazu eine passende Musik aus.
4. Stellen Sie in kleinen Gruppen Standbilder zu einzelnen Choreographieszenen auf, indem Sie und Ihre
Mitschüler entsprechend posieren. Fotografieren Sie die Szene mit Selbstauslöser und präsentieren Sie das
Bild Ihren Mitschülerinnen und Mitschülern.
5. Erinnern Sie sich an die Szene, in der der „Lipsi-Tanz“ und „Boogie-Woogie-Mädchen“ abwechselnd
gespielt und getanzt werden. Was sagt diese Szene aus? Wie werden die Jugendlichen durch sie charakterisiert? Wählen Sie gruppenweise zwei eigene Musikstücke aus und spielen Sie eine ähnliche Szene nach.
Welche Eindrücke können Sie dabei gewinnen?
38
Fotos: Brinkhoff/Mögenburg
Aufgaben
39
Anregungen für Schülerinterviews
1. Was hat Ihnen an der Geschichte gefallen, die das Musical
erzählt?
2. Welche Figur im Stück fanden
Sie am interessantesten?
3. Welches der Lindenberg-Lieder
hat Ihnen im Stück gut gefallen?
Warum?
4. Sind Ihnen besondere erzählerische Elemente in den Tänzen
aufgefallen? Wenn ja, welche?
© Brinkhoff/Mögenburg
Bitte interviewen Sie direkt nach
dem Musical mindestens eine
Besucherin/einen Besucher und
fragen Sie nach deren Beurteilung
des Stückes. Notieren Sie sich
die Antworten in Stichworten oder
zeichnen Sie sie auf Band auf.
Wählen Sie dabei aus den folgenden Fragen aus:
5. Wie war Ihrer Meinung nach die
DDR dargestellt?
© Brinkhoff/Mögenburg
Interview zur Musicalkritik
6. Was hat Ihnen am Musical
gefehlt?
7. Eigene Frage der Interviewerin/
des Interviewers
8. Welche Bewertung würden Sie
abgeben zwischen einem (sehr
schlecht) und zehn (supergut)
Punkten? Begründung?
Jugend in der DDR: Sehnsucht nach
einem anderen Leben?
Zeitzeugeninterview
Finden Sie einen Menschen in Ihrem
Familien- oder Bekanntenkreis oder
in Berlin, der die DDR noch bewusst
erlebt hat und zu einem Interview
bereit ist. Stellen Sie bitte folgende
Fragen:
1. Wie hat sich Ihr Leben in der DDR
von Ihrem heutigen Leben unterschieden?
2. Wie hat die DDR Ihre Jugend
beeinflusst?
3. Welche Musik haben Sie in der
DDR gehört? Auch Udo Lindenberg?
4. Welche Erfahrungen hatten Sie
mit den Behörden der DDR?
© LAB/H.Seiler
5. Wie haben Sie den Tag des
Mauerfalls erlebt?
6. Eigene Frage des Interviewers/der
Interviewerin
Potsdamer Platz 1966
7. Wie beurteilen Sie aus heutiger
Sicht die DDR?
Familie Schmidt in Ostberlin, 1983
„Ein Märchen, keine Frage. Aber
eines, das der Wirklichkeit entstammen soll. […] Regisseur Ulrich
Waller und Autor Thomas Brussig
gelingt es, […] eine mitreißende
Politrevue über die deutsche Wiedervereinigung zu machen. Wie
dabei Slapstick und Drama, Angst
und Action ineinander übergehen,
das ist ein kleines Wunder.“
Christian Schröder, Der Tagesspiegel, Berlin, 12.01.2011
„Weil der ostdeutsche Autor Thomas Brussig (‚Helden wie wir‘,
‚Am kürzeren Ende der Sonnenallee‘) das Buch für das Musical geschrieben hat, kommt genau diese
angstvoll revolutionäre Atmosphäre in einigen Szenen eindrücklich
zum Tragen, um dann schnell
wieder in den Klamauk gezogen
zu werden, es soll ja lustig bleiben.
Die Geschichte aber ist nun mal
eine ernste, ist die eines Paares,
das durch die Mauer getrennt ist.
[…] Udo […] und Jessy […] stehen
[…] exemplarisch für Tausende
Menschen, die des Stacheldrahtes
wegen nicht zueinander kommen
konnten […] und wer die letzten
Szenenbilder noch im Kopf hat,
kann gedanklich nur zu einem
Schluss kommen: Udo Lindenberg war es, der die Mauer zu Fall
gebracht hat, der dem kleinen
großspurigen Staat auf deutschem
Boden singend den Rest gegeben
hat.“
Renate Meinhof, Süddeutsche Zeitung, München,
13.01.2011
„Der letzte DDR-Ministerpräsident
Lothar de Maizière (CDU) lobte
gegenüber der Presse das Stück,
weil es ‚keine Verharmlosung‘ darstelle, beurteilte das Theaterstück
also in erster Linie danach, ob es
politisch korrekt ist und freute sich
darüber, dass ‚die Repression der
Stasi realistisch dargestellt‘ ist.
Solche politischen Anforderungen
an ein Musicaltheater sind eigentlich unüblich, bestätigen aber, was
Autor Thomas Brussig gegenüber
der ‚Berliner Zeitung‘ auch schon
gesagt hat: ‚Die DDR-Erinnerung
ist ein umkämpftes Gebiet.‘ “
Frank Straub auf der Plattform www.buehnenfotos.de
„Die […] Geschichte ist natürlich
[…] stark konstruiert. Die vielen
Szenen und Tanzeinlagen boten
dem Drehbuchteam um Autor
Thomas Brussig („Sonnenallee“)
dafür aber zahlreiche Möglichkeiten, Details der 80er Jahre und
besonders des Lebens in der DDR
freundlich-satirisch zu illustrieren.
[…] Nuschelnd, tanzend und
sin­gend gelingt es […] Serkan
Kaya recht gut, den großen – in
Wirk­lich­keit eher kleinen – Lindenberg auf der Bühne darzustellen.
Noch überzeugender wirken
Jose­phin Busch und Anika Mauer
als die junge und die ältere Jessy,
weil sie nicht ständig an einem real
exis­tie­renden Vorbild gemessen
werden.“ Andreas Rabenstein,
dpa/sal auf stern.de, 14.01.2011
„Das Stage-Know-how […] und
Wallers Erfahrung als SchauspielRegisseur […] sowie Lindenbergs
Qualitätsanspruch an die LiveMusiker und die Sangeskünste der
Darsteller ergaben eine explosive
Mischung. Waller, der als Erfinder
der Mauerblende in die Theatergeschichte eingehen wird, weil er
die Berliner Mauer als Projektions­
fläche für Dokumentarfilmein­spie­
lungen nutzt, während dahinter die
Bühne umgebaut wird, beein­druckt
und berührt dabei mit sei­nem
Regiemix aus großem Kino und
kleinem Kammerspiel. Berlin hat
eine Sehenswürdigkeit mehr.“
Stefan Grund, Die Welt
Hamburg, 14.01.2011
Aufgaben Musicalkritik
Aufgabe
1. Spielen Sie die Antworten bitte später in der Klasse ab oder tragen Sie sie vor der Klasse vor. Weiterführende Aufgabe: Eine ambitionierte Kleingruppe kann mit einem freien Audioschnittprogramm (z. B. mp3DirectCut 2.13) einen Radiobeitrag oder eine Toncollage produzieren.
2. Beantworten Sie bitte selbst die Fragen Ihres Fragebogens.
3. Teilen Sie sich in der Klasse in drei Gruppen auf und vergleichen Sie die Antworten auf Ihren Bögen mit
denen der Gruppe. Versuchen Sie gemeinsam, ein quasi repräsentatives Meinungsbild zu erstellen. Welche
Antworten wiederholen sich? Welche Tendenzen sind klar erkennbar? Jeweils ein Sprecher der Gruppen
trägt die Ergebnisse im Plenum vor. Einigen Sie sich im Plenum bei jeder Frage auf eine Gesamtbewertung.
Verfassen Sie eine Rezension zum Musical HINTERM HORIZONT, in der Sie sich kritisch mit der Aufführung
­auseinandersetzen.
Aufgaben Zeitzeugeninterview
1. Notieren Sie sich die Antworten in Stichworten oder nehmen Sie sie auf Band auf. Verfahren Sie dann in der
Klasse wie in der ersten Aufgabe zur Musicalkritik. Vergleichen Sie die Aussagen mit der Darstellung der
DDR im Musical.
40
Pressestimmen zum Musical
Mögliche inhaltliche Aspekte könnten sein:
1. die Schauspieler und die Frage, wie glaubwürdig sie ihre Rollen dargestellt haben.
2. die Gestaltung des Bühnenbildes und der Kostüme.
3. die Auswahl geeigneter und die Handlung unterstützender Musiktitel aus dem musikalischen Lebenswerk
Udo Lindenbergs.
4. die Glaubwürdigkeit der Handlung in Bezug auf den geschichtlichen Hintergrund.
Empfehlungen für die Gestaltung Ihrer Rezension: a) Suchen Sie eine aussagekräftige Überschrift und einen
interessanten Einstieg, b) achten Sie auf durchgehende Information und Wertung (positiv und negativ) und eine
zusammenhängende Gedankenführung, c) nennen Sie Beispiele zur Veranschaulichung, d) finden Sie einen
treffsicheren und prägnanten Abschluss.
41
Quiz zum Musical
Erreichen Sie mehr als 23 Punkte in diesem Test, haben Sie das Musical gut verstanden und kennen sich in der
DDR-Geschichte aus. Es sind bei jeder Frage höchstens zwei Antworten richtig.
4. Warum heißt das Gebäude
am Bahnhof Friedrichstraße
„Tränenpalast“?
a) Das Gebäude hat die Form
einer Träne.
b) Viele DDR-Bürger haben
an diesem Grenzübergang
geweint, weil sie ihren Westbesuch nicht weiter begleiten
durften.
c) An der Friedrichstraße sind
viele Theater. Im Tränen­palast
wurden häufig Tragödien aufgeführt.
5. Warum füllt Steve Salz in den
Zuckerstreuer?
a) Um seinen Vater zu ärgern.
b) Er trinkt gern salzigen Kaffee,
weil er ein cooler Typ ist.
c) Weil er häufig auf Drogen ist
und nicht mehr weiß, was er tut.
8. Was meint Steve, wenn er zu
seiner Mutter sagt: Du warst
eine „Blaumeise“?
a) Sie hatte eine Meise, bei der
Jugendorganisation der DDR
mitzumachen.
b) Sie trug das blaue Hemd der
Freien Deutschen Jugend (FDJ).
c) Sie sang in einem FDJ-Jugendchor mit.
d) Sie hat als Jugendliche zu viel
getrunken und war immer blau.
9. Wer redet im Hintergrund,
als die Lipsi-Musik ertönt und
spricht vom „Dreck aus dem
Westen“?
a) Staatsratsvorsitzender Walter
Ulbricht
b) FDJ-Vorsitzender Egon Krenz
c) Staatsratsvorsitzender Erich
Honecker
d) Der Minister
10. Warum bezeichnet Udo das
Publikum im Republikpalast als
„rockresistente Jung-Greise“?
a) Es war bestelltes FDJ-­
Publikum.
b) Die DDR-Jugendlichen waren steifer als die westlichen
Jugendlichen und tanzten nicht
so gut.
c) Nur die alten DDR-Funktionäre,
meist schon Greise, hörten Udo
Lindenberg zu.
Kreuzberger Brautpaar winkt den
Eltern im Osten zu.
Quiz zu Bildern
15. Was bedeutet der Spruch
„Wir sind das Volk“?
a) Wir sind eine Gemeinschaft und
stehen zusammen.
b) Wir wissen am besten, was das
Volk will, nicht die Regierung.
c) Wenn wir uns ständig laut
vergewissern, dass wir das Volk
sind, glauben wir daran.
d) Wir sind das (dieses) Volk und
kein anderes.
13. Was sagt es aus, dass
der Hammerwerfer Marco,
Jessys Vater und ihre ­Mutter
­gemeinsam auf dem Sofa
sitzen, ihre beiden Kinder aber
daneben stehen?
a) Die alten Leute können nicht
mehr so gut stehen.
b) Es ist zufällig kein Platz mehr
auf dem Sofa frei.
c) Jessy und Elmar gucken nicht
so gern fern.
d) Jessy und Elmar fühlen sich
nicht wirklich zur Familie
­zugehörig.
16. Warum haut Marco mit dem
Leichtathletikhammer einen
Nagel in die Wand?
a) Weil er verrückt geworden ist
b) Weil er Jessie beeindrucken will
c) Weil er keinen richtigen ­
Hammer hat
d) Sexuelle Anspielung im Stück
14. Jessys Vater und Marco
­singen „Auferstanden aus
­Ruinen“. Das ist ein
a) alter Schlager von Hans Albers
b) ein altes kommunistisches
Kampflied
c) die Nationalhymne der DDR
DDR-Grenzsoldat Conrad
­Schumann, Sommer 1961
© Ullstein Bild – Georgi (L)
12. Was besagte Paragraph 219
im DDR-Strafgesetzbuch?
a) Untersagte Republikflucht aus
der DDR
b) Ungesetzliche Verbindungs­
aufnahme mit Westlern
c) DDR-Abtreibungsparagraph
17. Von welchem „Termin“
spricht Jessys Vater an der
Bushaltestelle?
a) Mittwochtermin bei der Stasi
b) Heiratstermin mit Marco
c) Er hat einen Arzttermin beim
Sportarzt, um Marco dopen zu
lassen.
d) Abtreibungstermin für Jessys
Baby
18. Mit wem und worüber redet
Udo L. am 9. September 1987,
als er im Sessel sitzt und seine
Lederjacke anbietet?
a) Er ist Rocker und will Jessy
seine Lederjacke schenken.
b) Udo will Erich Honecker mit der
Jacke überzeugen, ihn in der
DDR auftreten zu lassen.
c) In der DDR gab es keine so
schicken Lederjacken, deshalb
schickt Udo sie seinen Fans.
19. Mit welchen Figuren wird
im Tanz die Wiedervereinigung
dargestellt?
a) Ost- und West-Ampel­
männchen
b) Ost- und West-Sandmännchen
c) Polizeiruf- und Tatort-­
Kommissare
d) Naturschutz-Adler und Naturschutz-Eule
20. Warum lässt Udo Lindenberg Jessy einfach vor der
Mauer stehen?
a) Er hat jeden Tag ein anderes
Fan-Girl und war nie wirklich an
Jessy interessiert.
b) Nach dem Mauerfall ist es eher
peinlich, ein Mädchen aus Ostberlin zu kennen.
c) Er hat gerade erfahren, dass sie
ihn ausspioniert hat.
d) Er möchte das Kind nicht haben,
das sie ihm aufdrängen will.
21. Warum wirft der Soldat auf
dem Bild sein Gewehr weg und
läuft davon?
a) Er ist Pazifist geworden und wirft
seine Waffe weg.
b) Er will nach Westberlin fliehen,
solange es noch geht.
c) Er läuft einem DDR-Flüchtling
hinterher.
22. Was ist das Besondere an
Elmars Panik-Gürtel?
a) Er hat ihn von Udo Lindenberg
bekommen.
b) Er hat ihn selbst geschweißt,
nicht gelötet.
c) Es ist ein Spezialgürtel, wie
Batman ihn hat, und dient der
Spionage.
d) Er bekam ihn aus dem Westen
zugeschickt.
23. Betrachten Sie das Bild unten.
Warum war die Mauer so sehr
bemalt?
a) Nachts schlichen sich Leute heimlich an und sprühten
Graffiti.
b) Sie gehörte der DDR und konnte
deshalb von der Westseite
­bemalt werden.
c) Die DDR nutzte die Wand als
Propagandafläche.
© StAufarb, Uwe Gerig
3. Was bedeutet das Hoheits­
zeichen der DDR: Hammer,
Zirkel und Ährenkranz?
a) Die DDR war siegreich gegen
den Faschismus und steht deshalb im Siegeskranz.
b) Die DDR ist ein Staat der
­Arbeiter und Bauern.
c) Die DDR hat mit Hammer und
Zirkel das Land nach dem Krieg
aus Ruinen aufgebaut.
7. Wonach sehnt sich Steves
Mutter?
a) Nach einem neuen Wäschetrockner
b) Nach einer Reise durch Amerika
c) Nach Udo Lindenberg
11. Wer war Richard Sorge, von
dem im Stück die Rede ist?
a) Ein Sänger
b) Elmars Freund
c) Ein Spion
d) Ein erfolgreicher DDR-Sportler
© Brinkhoff/Mögenburg
2. Warum weinen die Menschen
in den Dokumentaraufnahmen?
a) Sie können nun Freunde und
Familienmitglieder nicht mehr
sehen.
b) Sie können nicht mehr in die
DDR, um dort einzukaufen und
zu arbeiten.
c) Sie weinen vor Freude über den
Mauerbau.
6. Weshalb verkauft Steves
Vater Marco Sportartikel?
a) Er war mal ein sehr guter
Sportler.
b) Er muss seine Familie irgendwie
durchbringen.
c) Er hat großen Spaß an seiner
Arbeit.
© Ullstein Bild – Chronos Media GmbH
1. Wann wurde mit dem Bau der
Berliner Mauer begonnen?
a) 7. Oktober 1949
b) 22. November 1963
c) 13. August 1961
d) 17. August 1962
Blick aus Westberlin 1985
1. c), 2. a), 3. b), 4. b), 5. c), 6. a) b), 7. b), 8. b) c), 9. a), 10. a), 11. c), 12 b), 13. d), 14. c), 15. a) b), 16. b) d), 17. d), 18. b), 19. a) b), 20. c), 21. b), 22. b), 23. b)
42
43
Unterrichtsvorschläge zur Nachbereitung des
Musicals Hinterm Horizont:
1. Stellen Sie auf Metaplankarten
bitte Fragen zum Musical.
Welche Begriffe haben Sie nicht
verstanden, welche politischen
Ereignisse und Personen sind
Ihnen nicht bekannt gewesen?
Ordnen Sie die Fragen auf einer
Stellwand nach Themen. Lassen
Sie die Fragen durch Mitschüler
oder Lehrer beantworten bzw.
recherchieren Sie.
2. Beenden Sie bitte folgende
Halbsätze:
Für mich ist Jessys Liebe zu Udo
Lindenberg …
Die Mauer kann auch stehen für …
Die DDR versuchte meiner
Meinung nach …
Ich kann die Figur des …
am besten verstehen, weil …
6. Erstellen Sie bitte in einer
Vie­rer­gruppe auf einem DIN-A1-­
Plakat ein Würfelspiel, das Udo
Lindenbergs Reise 1983 in die
DDR zum Inhalt hat.
Gestalten Sie das Plakat mit
Mauer, Republik­palast …
Fügen Sie auf 50 Setzfeldern Er­
eig­nisfelder (z. B. „Udo Lindenberg
wird von der Stasi kon­trolliert –
einmal aussetzen“) und Fragefelder ein und entwickeln Sie für
letztere 15 Quizfragen zu DDR und
Mauerbau. Lassen Sie eine andere
Gruppe Ihr Spiel spielen.
10. Bilden Sie Vierergruppen.
Recherchieren Sie dann in den
Texten dieses Heftes und intensiv
auf den dort angegebenen Internetseiten ( N S. 48) zu einem der
Themen:
Udo Lindenberg, Stasi, Berliner
Mauer und DDR. Erstellen Sie
danach ein strukturiertes
DIN-A1-Lernplakat, das die
wesentlichen Informationen zum
jeweiligen Thema gliedert und
visualisiert. Fertigen Sie aus den
Lernplakaten eine begehbare
Klassenausstellung.
7. Elmar, Jessys Bruder, wird von
der Stasi erwischt, als er ihren
codierten Brief an Udo am Grenzübergang Friedrichstraße übergeben will. Schreiben Sie bitte einen
Dialog, wie sich ein Verhör Elmars
mit den Stasi-Männern Krause
und Patschinski abgespielt haben
könnte.
11. Eine Gruppe von sieben
Schülern sitzt in der Klassenmitte
und ist von den anderen Kursmitgliedern umgeben. Drei Schüler
vertreten die Pro-Seite, drei
andere die Contra-Seite. Eine/r
ist Moderator/in. Sie diskutieren
nacheinander folgende Thesen:
Die DDR hatte viele gute Seiten.
3. Zeichnen Sie eine Figur aus
dem Stück und lassen Sie sie
einen Satz sagen. Ihr Nachbar
errät, wer es sein könnte – und
umgekehrt.
4. Bilden Sie Vierergruppen.
Überlegen Sie sich gemeinsam
eine Anordnung der Figuren, die
dem Beziehungsgeflecht im Stück
entspricht (Art und Intensität
der Beziehungen, Hierarchien,
Gruppen). Übertragen Sie die
fertige Figurenkonstellation auf
ein DIN-A1-Plakat und vergleichen
Sie sie mit dem Strukturbild anderer Gruppen.
5. Verfassen Sie einen kurzen,
fiktiven Brief, den Jessy an Udo
Lindenberg schreibt, nachdem sie
erfahren hat, dass sie schwanger
ist. Verschlüsseln Sie den Brief
dann so, dass die Stasi beim Öffnen nicht gleich den Inhalt errät.
44
8. Sie sind die junge Reporterin
Mareike. Wählen Sie mit einer/m
Partner/in eine Figur aus dem
Musical aus, die Sie interviewen
möchten (Minister, Marco, Elmar
…). Stellen Sie Fragen, die die
Motivationen, Einstellungen und
Gefühle der Figuren verständlich
machen (z. B. „Haben Sie heute
Schuldgefühle, Herr Minister?“).
Spielen Sie dann das fiktive Interview mit der Figur vor der Klasse.
9. Veranstalten Sie eine UdoCastingshow in der Klasse. Dabei
können Sie Udo-Lindenberg-Lieder nachsingen und den Sänger
imitieren. Sie können aber auch
die Rockmelodien der LindenbergLieder in andere Musikrichtungen
verändern oder neue Texte dazu
schreiben. Finden Sie einen passenden Ausdruck für das Grundgefühl der Lieder.
Die Mauer hat auch zum Frieden
beigetragen.
Udo Lindenberg hat zum Fall der
Mauer beigetragen.
Das Musical HINTERM HORIZONT
ist langweilig.
Jessy hatte keine andere Wahl, als
bei der Stasi mitzumachen.
Die DDR-Zeit und die Mauer
spielen doch heute gar keine Rolle
mehr.
Schülerinnen aus dem Innenkreis
können aus der Diskussion aussteigen, interessierte Zuhörer aus
dem Außenkreis können hineinwechseln (Fish-Bowl).
12. Bitte füllen Sie die leeren
Sprech- und Denkblasen im
nebenstehenden Comic „Udo in
Ostberlin“ aus.
© Silke Kecke
Wäre ich Jugendlicher in der DDR
gewesen, hätte ich …
45
Grenzbereich Potsdamer Platz,
1. Oktober 1961
HINTERM HORIZONT wird im
geschichtsträchtigen Umfeld des
Potsdamer Platzes aufgeführt. Eine
gute Gelegenheit, vor dem Besuch
des Musicals oder zeitnah an einem anderen Tag Berliner Gedenkstätten und Ausstellungen aufzusuchen, die mit zahlreichen Bildern
und Texten reale Hintergründe und
viele Informationen über die Zeit
des Mauerbaus, über den Alltag in
der DDR oder andere Themenfelder darstellen und belegen.
Im Foyer des Theaters am Potsdamer Platz sind von Udo Lindenberg gemalte Bilder ausgestellt.
Dazwischen hängen Dokumente –
beispielsweise aus seiner StasiAkte – die deutlich machen, wie
die Bespitzelung vor sich ging und
welche Informationen die Staatssicherheit als interessant und
wichtig eingestuft hat.
Ganz in der Nähe des Theaters, gegenüber vom S-Bahnhof
Potsdamer Platz, gibt es eine
Ausstellung zur Geschichte der
Berliner Mauer. Zwischen originalen Mauerteilen, die von anderen
Stellen hierhergebracht wurden,
befinden sich Informationstafeln,
die die Geschichte der Mauer und
des Potsdamer Platzes zeigen. Die
Fotos und Zeitzeugendokumente
spannen dabei auch den Bogen
von geschichtlichen Ereignissen
zur heutigen Nutzung des Platzes.
Erkundungsgang Richtung
­Norden/Nordosten
An den Kopfsteinlinien entlang, die
den Verlauf der Mauer markieren,
46
Geht man am Reichstagufer weiter,
gelangt man direkt zum S- und UBahnhof Friedrichstraße. Hier war
der einzige Übergang von Westnach Ostberlin, den Besucher
aus Westdeutschland passieren
durften. Sie kamen in die DDR und
verließen sie wieder durch den
„Tränenpalast“. Der „Tränenpalast“ neben dem U-Bahnhof war
nach dem Mauerfall bis 2006 ein
kultureller Veranstaltungsort und
wird 2011 als Dokumentationsstätte neu eröffnet. Schwerpunkt
der Ausstellung ist der Alltag der
Deutschen im Jahr zwischen Maueröffnung (November 1989) und
Vereinigung der beiden deutschen
Staaten (Oktober 1990).
Westberliner durften den U- und
S-Bahnhof Friedrichstraße übrigens nicht benutzen, sie gingen
mit ihrem Passierschein über
andere Übergänge in den Ostteil
der Stadt – beispielsweise an der
Invalidenstraße oder der Bornholmer Straße.
Vom Bahnhof Friedrichstraße aus
kommt man mit der U-Bahn, bis
Bhf. Naturkundemuseum fahrend,
schnell zur Gedenkstätte Berliner
Mauer. Vom U-Bahnhof aus läuft
man rechts durch die Zinnowitzer
Straße und deren Verlängerungen
bis zur Bernauer Straße. Die Gedenkstätte bietet eine interessante
Ausstellung, die sich entlang der
Bernauer Straße bis zum Mauerpark zieht. ( N S. 48)
© Ullstein Bild/Ritter
kommt man vom Potsdamer Platz
bis zum Brandenburger Tor. Die
frühere Grenze verlief an dieser
Stelle im Bogen, so dass das
Brandenburger Tor auf der Ostseite lag und der Reichstag auf der
Westseite. Hinter dem Reichstag
sind am Spreeufer Gedenkkreuze
für die bei Fluchtversuchen ermordeten Menschen aufgestellt.
Berlin-Tiergarten (Mitte) – links: 1984: Mauer an der Ebertstraße, dahinter das Brandenburger Tor,
rechts: 2008: Verkehr auf der Ebertstraße Richtung Brandenburger Tor, entlang dem früheren Mauerstreifen
Erkundungsgang Richtung
­Südosten/Osten
Der Aufführungsort
Das Stage Theater am Potsdamer
Platz wurde 1998 fertiggestellt,
1999 als Musical-Theater eingeweiht und beherbergt seither nicht
nur musikalisch-dramatische Publikumsrenner, sondern – alljährlich
im Februar – auch den Wettbewerb
der Berliner Filmfestspiele. Durch
die hohe Glasfront schaut man auf
den Marlene-Dietrich-Platz. Im
Foyer, das über sechs Etagen geht,
sind Bilder und Zeichnungen von
Udo Lindenberg sowie Dokumente
seiner Geschichte ausgestellt.
Läuft man die Stresemannstraße
hinunter, die vom Potsdamer Platz
Richtung Südosten führt, kann
man links abbiegend ebenfalls
dem früheren Mauerverlauf folgen. Sie trennte hier Berlin-Mitte
(Osten) von Berlin-Kreuzberg
(Westen). Durch die Niederkirchnerstraße (mit dem für seine
Ausstellungen weithin bekannten
Martin-Gropius-Bau) und die
Zimmerstraße (ihre Verlängerung)
gelangt man zur Friedrichstraße
und dem Checkpoint Charlie.
Der Potsdamer Platz lag mitten im
Grenzgebiet und war Brachland, als
die Mauer fiel. „Nach dem Zweiten
Weltkrieg und späteren Mauerbau
wurde der Potsdamer Platz zum
Schauplatz des Kalten Krieges;
Gebäude, die auf der Ostseite standen, wurden aus sicherheitstechnischen Gründen entfernt, diejenigen
auf der Westseite wurden im Zuge
einer Planung für eine Stadtautobahn abgerissen. (…) In Vergessenheit geraten, rückte er nach dem
Mauerfall 1989 wieder ins Zentrum
der öffentlichen Aufmerksamkeit. In
nur vier Jahren Bauzeit wurde (…)
das nahezu gesamte Areal bebaut.“
(Stage Theater am Potsdamer Platz,
Berlin – StageProgramm 01/11)
Checkpoint Charlie war einer der
drei von den Amerikanern kontrol-
lierten Grenzpunkte. Im Oktober
1961 wurde er Schauplatz einer
höchst brisanten Situation: Einen
Tag lang standen sich US-amerikanische und sowjetische Panzer
mit scharfer Munition gegenüber.
Die Amerikaner fürchteten nach
dem Beginn des Mauerbaus um
ihren Einfluss in Berlin, die Sowjets
wollten eine Grenzüberschreitung
der Amerikaner mit allen Mitteln
verhindern. Ausstellungstafeln dokumentieren die Bedeutung dieses
Grenzabschnittes.
Geschichtsmeile Berliner Mauer
Entlang des Mauerwegs, der die
innerstädtische Teilung nachvoll-
zieht, informiert eine Dauerausstellung über die Geschichte von
Teilung, Mauerbau, Fluchtversuchen und Maueröffnung. An 30
Stationen machen Fotografien
und Texte auf Ereignisse an den
jeweiligen Stellen aufmerksam.
Auch die politische Situation oder
der Alltag in der geteilten Stadt
werden auf den Tafeln dargestellt.
Der ehemalige Mauerverlauf ist
in der Innenstadt im Boden mit
einer doppelten Pflastersteinreihe
und gusseisernen Tafeln „Berliner
Mauer 1961–1989“ gekennzeichnet. Wer dieser Markierung folgt,
kann die Geschichtsmeile zu Fuß
erkunden.
( N S. 48)
Aufgaben
1. Suchen Sie im Foyer des Stage Theaters am Potsdamer Platz Dokumente aus der Stasi-Akte von Udo Lindenberg. Notieren Sie sich kurz die dort zu findenden Informationen. Überlegen Sie, weshalb der Stasi diese
Informationen bedeutsam erschienen.
2. Suchen Sie das Gespräch mit Besuchern einer öffentlichen Gedenkstätte, die ihrem Alter nach die deutsche
Teilung noch erlebt haben. Stellen Sie eigene Fragen oder nutzen Sie die Anregungen für Schülerinterviews
von Seite 40.
3. Schreiben Sie für die Schülerzeitung einen kurzen Bericht über Ihre geschichtlichen Stadterkundungen.
4. Suchen Sie im Internet nach Archivaufnahmen vom Bau der Mauer und gestalten Sie ein Informationsplakat.
© LAB/H. Siegmann
© LAB/H. Siegmann
Geschichtliche Stadterkundungen
Die Bernauer Straße war durch die Mauer in ihrem Längsverlauf geteilt
(im Gegensatz zur Sonnenallee, die durch die Mauer quergeteilt war).
Diese Familie flieht durch ein Fenster im Erdgeschoss auf die westliche
Straßenseite.
5. Entwickeln Sie in Vierergruppen eine kurze Spielszene, die deutlich macht, wie sich wohl die Menschen
gefühlt haben, als mitten durch ihre Straße plötzlich eine Mauer gezogen wurde. Spielen Sie Ihre Szenen in
der Klasse vor.
6. Recherchieren Sie die Grenzübergänge innerhalb von Berlin und notieren Sie zu drei Übergängen jeweils
drei Fakten über markante Ereignisse, die dort stattfanden. Verknüpfen Sie Ihre Ergebnisse mit denen Ihrer
Mitschüler. Erstellen Sie aus den Ergebnissen eine Grenzverlaufskarte und gestalten Sie daraus eine Ausstellung.
47
Weiterführendes Material
Weiterführende Arbeitsmaterialien zur Gestaltung des Unterrichts finden Sie auf www.musicals.de/schulklassen.
Geschichte der DDR
Links
■■ www.stiftung-aufarbeitung.de Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Zeitzeugenarbeit, Gedenkstätten,
Bildungsmaterial zur Geschichte der Mauer, zur DDR, Themendokumentationen, Ausstellungen, Förderanträge
■■ www.ddr-im-unterricht.de umfangreiches Portal mit Bildungsmaterial zum Unterricht, ständig aktualisierte Artikel
■■ www.deinegeschichte.de gemeinsames Bildungsportal der Stiftung Aufarbeitung der Bundeszentrale für politische
Bildung, Unterrichtseinheiten zum Thema Jugendopposition, Stasi, Familie und Jugend
■■ www.mdr.de/damals/euregeschichte Die Plattform enthält viele Bilder, Texte, Interviews, Audios und Videos zu
unterschiedlichen Aspekten der Alltagskultur in der DDR.
■■ www.lehrer-online.de/deutsch-deutsche-beziehungen.php Unterrichtseinheiten zum 17. Juni 1953 und zum Mauerbau mit
Rückgriff auf Karikaturen
■■ www.bpb.de/themen/KGBNU7,0,0,Deutsche_Teilung_Deutsche_Einheit.html umfassende Informations- und Materialseite
der Bundeszentrale für politische Bildung
■■ www.bildungsserver.berlin-brandenburg.de/7198.html Links und Materialsammlungen
■■ www.hdg.de/lemo/html/DasGeteilteDeutschland/index.html schülergerechte Info-Seite des Deutschen Historischen
Museums zum Thema geteiltes Deutschland
■■ www.wir-waren-so-frei.de Webseite mit persönlichen Erinnerungen, publiziert von der Bundeszentrale für politische
Bildung und dem Museum für Film und Fernsehen Berlin
Vertiefende Literatur
■■ Demke, Elena: Die Friedliche Revolution 1989/90. Quellen, Fragen, Kontexte. Hrsg. in Kooperation mit dem
Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Ludwigsfelde 2009.
■■ Hamann, Christoph: Die DDR als Unterrichtsthema (Flyer: Sport, Geschichte, Sozialkunde, Politische Bildung,
Politikwissenschaft, künstlerisch-ästhetischer Bereich, Deutsch, Medienpädagogik – Film, Außerschulische Lernorte
Berlin, Brandenburg). Ludwigsfelde 2009.
■■ Hofmann, Jan (Hrsg.): Vergangenheit verstehen, Demokratiebewusstsein stärken. Die DDR im (DEFA-)Film. Projektbericht
und Materialien für den Unterricht. In Kooperation mit FILMERNST (www.filmernst.de). Ludwigsfelde 2010.
(Online-Version: http://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/ddr_im_film.html)
■■ Winkler, Heinrich August: Der lange Weg nach Westen. Bd. 2: Deutsche Geschichte vom ‚Dritten Reich‘ bis zur
Wiedervereinigung. C. H. Beck Verlag, München 2002
■■ Damals in der DDR. Zeitzeugen erzählen ihre Geschichte (DVD-ROM)
Zu bestellen gegen eine Schutzgebühr von 7 € bei der Bundeszentrale für politische Bildung www.bpb.de
■■ Ein Volk unter Verdacht: Die Staatssicherheit der DDR. Berlin 2008.
Zu beziehen für 5 € über die Seite des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der
ehemaligen DDR www.bstu.bund.de
Vertiefende Literatur
■■ Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): DDR-Geschichte. Aus Politik und Zeitgeschichte. Bonn 2001.
■■ Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR: MfS-Handbuch, Teil V/5,
BStU, Berlin 2004.
■■ Gedenkstätte Hohenschönhausen/Landesinstitut für Schule und Medien Berlin (2004): Politische Verfolgung in der DDR.
Die zentrale Untersuchungshaftanstalt Berlin-Hohenschönhausen – das Gefängnis der Staatssicherheit. Material für den
Unterricht. Download als pdf-Datei unter: www.stiftung-hsh.de
■■ Rose, Astrid/Wenzel, Birgit: Opposition und Repression in der DDR. Hrsg. in Kooperation mit der Robert-HavemannGesellschaft und der Stiftung Aufarbeitung. Berlin/Ludwigsfelde 2010
(Online-Version: http://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/opposition_repression_ddr.html)
Rockmusik in der DDR
Links
■■ www.mdr.de/damals/euregeschichte/musik/ Die Plattform enthält viele Bilder, Texte, Interviews, Audios und Videos
zu unterschiedlichen Aspekten der Rockmusik in der DDR. In Videostreams kommen die ehemaligen DDR-Musiker
ausführlich zu Wort.
■■ www.jugendopposition.de siehe „Die Unterdrückung der Opposition durch die Staatssicherheit“
■■ www.renft.de Webseite der Band „Renft“, eh. Klaus Renft Combo mit vielen Informationen zur Bandgeschichte sowie
allen Texten der Band
■■ www.puhdys.de Webseite der Band „Puhdys“ mit vielen Hintergrundinformationen zur Band
Audiovisuelles Material / DVD:
■■ Feindbilder – Die Fotos und Videos der Stasi. Siehe „Die Unterdrückung der Opposition durch die Staatssicherheit“
Literatur
■■ Kriese, Detlef: Nach der Schlacht. Die Renft-Story – von der Band selbst erzählt. Berlin, 1998.
Kindheit und Jugend in der DDR
Die Berliner Mauer
Links
■■ www.chronik-der-Mauer.de 1961 bis 1990: Die Chronik zeichnet in Text, Bild, Film, Ton, Dokumenten und Interviews mit
Zeitzeugen die gesamte Geschichte der Mauer nach. Viele Arbeitsblätter zum Unterricht. Recherche zu Maueropfern.
■■ www.50jahremauerbau.de Sonderseite der Stiftung Berliner Mauer anlässlich des 50. Jahrestages des Mauerbaus
■■ www.berliner-mauer-gedenkstaette.de offizielle Webseite der Dauerausstellung an der Bernauer Straße mit vielen
Informationen über Hintergründe, Forschungsansätze und inhaltliche Ausgestaltung
■■ www.rbb-online.de/Mauer ergiebige Informationsseite zur Reihe „Leben mit der Mauer“ mit vielen Filmdokumenten,
Zeitzeugeninterviews, Karten
■■ www.berliner-mauer.de Informationen und Bilder über die Mauer, nicht aufbereitet für den Unterricht
■■ www.mauerfotos.de jugendgerechte Seite mit kurzen Infos zur Mauergeschichte
■■ www.berlin.de/mauer/index.de.html Materialsammlung der Landeszentrale für politische Bildung zu verschiedenen
Aspekten des Mauerbaus
Vertiefende Literatur
■■ Die Berliner Mauer – Quellen, Fragen, Kontexte. Hrsg. von der Stiftung Berliner Mauer, dem Berliner Landesbeauftragten
für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (LStU) und dem Landesinstitut für Schule und
Medien Berlin-Brandenburg (LISUM). Berlin 2011. Erschienen in der Reihe „Werkstatt für die DDR-Geschichte in der
Schule“, herausgegeben vom LStU Berlin mit verschiedenen Kooperationspartnern.
Die Unterdrückung der Opposition durch die Staatssicherheit
Links
■■ www.bstu.bund.de Webseite der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der
ehemaligen DDR. Fallbeispiele, Dokumente und Unterrichtsmaterialien
■■ www.jugendopposition.de Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung und der Robert-Havemann-Gesellschaft
e.V. über Opposition in der DDR. Zeitzeugeninterviews, Audio- und Videomaterial, Dokumente und Arbeitsblätter
■■ http://php2.arte.tv/wundervonleipzig/ Darstellung der Leipziger Montagsdemonstrationen in Form einer aufwändig
gestalteten, interaktiven Präsentation
Audiovisuelles Material/DVDs
■■ Feindbilder – Die Fotos und Videos der Stasi. Ein Film von Holger Kulick. Berlin 2006.
Die DVD enthält in 12 Kapiteln Fotos, Filmausschnitte, Interviews. Zu jedem Kapitel Materialien für den Unterricht als pdfDateien. Zu bestellen gegen eine Schutzgebühr von 8 € bei der Bundeszentrale für politische Bildung www.bpb.de
■■ Kontraste – Auf den Spuren einer Diktatur. Bonn 2005.
Die DVD enthält 32 Beiträge des Fernsehmagazins „Kontraste“ aus den Jahren 1987 – 2001.
Zu bestellen gegen eine Schutzgebühr von 6 € bei der Bundeszentrale für politische Bildung. www.bpb.de
■■ Revisor – Überwachung, Verfolgung, Inhaftierung durch das MfS: Ein Fallbeispiel für den Unterricht. Berlin 2008.
Zu beziehen für 4 € über die Seite des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der
ehemaligen DDR. www.bstu.bund.de
Links
■■ www.bpb.de Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung mit umfangreichen Materialien zu vielen zentralen
Aspekten der DDR-Geschichte
■■ www.stiftung-aufarbeitung.de siehe „Die Unterdrückung der Opposition durch die Staatssicherheit“
■■ www.jugendopposition.de siehe „Die Unterdrückung der Opposition durch die Staatssicherheit“
■■ www.mdr.de/damals/euregeschichte/ siehe „Die Unterdrückung der Opposition durch die Staatssicherheit“
Audiovisuelles Material / DVD:
■■ Damals in der DDR. Zeitzeugen erzählen ihre Geschichte. Siehe „Die Berliner Mauer“
Vertiefende Literatur:
■■ Wolle, Stefan: Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR 1971–1989. Bonn 1999 (Schriftenreihe Band
349 der Bundeszentrale für politische Bildung)
■■ Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): DDR-Geschichte. Aus Politik und Zeitgeschichte. Siehe „Die Unterdrückung
der Opposition durch die Staatssicherheit“
Udo und seine Freunde in der DDR und Stark wie zwei (Biografie)
Links
■■ www.udo-lindenberg.de Die offizielle Seite des Künstlers mit vielen interessanten Hintergrundinformationen
■■ www.udo-lindenberg-stiftung.de Die offizielle Seite seiner Stiftung mit interessanten Hintergrundinformationen zu den
Aktivitäten der Stiftung
Audiovisuelles Material
■■ Lindenberg, Udo: Panikpräsident (Die Autobiografie). Hörbuch. München 2004.
Vertiefende Literatur:
■■ Lindenberg, Udo: Panikpräsident (Die Autobiografie). München 2004.
■■ Freitag, Thomas: Udo Lindenberg und der Osten. Berlin 2011.
■■ Lindenberg, Udo: Rock’n’Roll und Rebellion. Ein panisches Panorama. Hamburg 2007.
■■ Rauhut, Michael: Schalmei und Lederjacke. Berlin 1996.
■■ Köster, Arno: Hinterm Horizont – Weltpremiere des Musicals am 13. Januar 2011. Ein Gespräch mit Udo Lindenberg.
Presseinformation der Stage Entertainment. Berlin 2011.
Geschichtliche Stadterkundungen
■■ www.berliner-mauer-gedenkstaette.de/ siehe „Die Berliner Mauer“
■■ www.stiftung-hsh.de Webseite der Gedenkstätte Hohenschönhausen, wo in den Räumen der ehemaligen
Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR die Willkür des Machtapparates der DDR und
deren Folgen für die Inhaftierten nachvollziehbar wird.
■■ www.eastsidegallery-berlin.com Webseite des Vereins Künstlerinitiative East Side Gallery e.V., der sich seit 1996 für den
Erhalt der Ausstellung restaurierter Mauerabschnitte einsetzt und Führungen durch die Ausstellung organisiert.
(Stand: September 2011)
48
49
© Brinkhoff/Mögenburg
Bildnachweis
Acke, Tine
Seite 26
Brinkhoff, Ralf/Mögenburg, Birgit
Seite 4, 7 (2), 23, 25, 28, 30 (2), 31 (2), 32 (4), 33 (3), 34 (2), 35 (3), 38 (2), 39 (3), 40, 41, 43, 51
Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
Seite 12 Bestand Klaus Mehner, Nr. 77_1205_POL-Mauer_05; Seite 43 Bestand Uwe Gerig, Nr. 6207
dpa Picture-Alliance GmbH
Seite 14 (2); Seite 16 Foto: Wilfried Glienke; Seite 17 Foto: Horst Sturm; Seite 18 Foto Günter Gueffroy; Seite
20a, Seite 20b Foto: Dieter Klar; Seite 21 Foto: Dieter Klar; Seite 22; Seite 24(2); Seite 25 Foto: Cornelia Gus
Eriksson, Kristina
Titel, Seite 21, 25
Landesarchiv Berlin
Seite 10/11 F Rep. 290-462 Nr. 0078792, Foto: Gert Schütz; Seite 10/11 F Rep. 290-462 Nr. 0259849,
Foto: Wolfgang Albrecht; Seite 40 F Rep. 290-462 Nr. 0115296, Foto: Hans Seiler; Seite 46 F Rep. 290-462, Nr.
0076136, Foto: Horst Siegmann; Seite 46 F Rep. 290-462, Nr. C 1186, Foto: Horst Siegmann
Picture Press Bild- und Textagentur GmbH, Hamburg
Seite 15 (2), Seite 16/17 (3), Seite 18/19 (1): Harald Schmitt/Stern/Picture Press
ullstein bild
Seite 13 Foto: Gadewoltz; Seite 43 Foto: Georgi (L); Seite 42 Foto: Chronos Media GmbH;
Seite 47 Foto: Ritter
Upfront/Kommune Art
Seite 25 Foto: Sven Sindt, Grafik: Katja Hübner
Grafiken Silke Kecke
Seite 9, 12, 28, 45
Hinterm Horizont
Wir war’n zwei Detektive
Die Hüte tief im Gesicht
Alle Straßen endlos
Barrikaden gab’s für uns doch nicht
Du und ich, das war
Einfach unschlagbar
Ein Paar wie Blitz und Donner
Und immer nur auf brennend heißer Spur
Wir war’n so richtig Freunde
Für die Ewigkeit, das war doch klar
Haben die Wolken nicht gesehen
Am Horizont, bis es dunkel war
Du und ich, das war
Einfach unschlagbar
Ein Paar wie Blitz und Donner
Zwei wie wir
Die können sich nie verlier’n
Hinterm Horizont geht’s weiter
Ein neuer Tag
Hinterm Horizont immer weiter
Zusammen sind wir stark
Das mit uns geht so tief rein
Das kann nie zu Ende sein
So was Großes
Geht nicht einfach so vorbei
Hinterm Horizont …
Text: Udo Lindenberg, Bea Reszat, Musik: Udo Lindenberg (hier: Auszug aus Libretto)
Wir bedanken uns bei den Archiven und Fotografen für die gute Zusammenarbeit. Besonders danken
wir der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur für ihre Unterstützung.
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Weiterführende Arbeitsmaterialien zur Gestaltung des Unterrichts auf www.musicals.de/schulklassen
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