Diese Geschichte macht Schule.
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© Kristina Eriksson Diese Geschichte macht Schule. HIHO-0016 Unterrichtsmaterial zur jüngsten deutschen Geschichte anhand des Musicals HINTERM HORIZONT Inhalt Vorwort..............................................................................................................................................................Seite 5 Begriffe..............................................................................................................................................................Seite 6 Eine deutsch-deutsche Geschichte (Handlung des Musicals HINTERM HORIZONT)...................................Seite 7 Geschichte Geschichte der DDR.........................................................................................................................................Seite 8 Zeitstrahl 1945 – 1990......................................................................................................................................Seite 10 Die Berliner Mauer..........................................................................................................................................Seite 12 Die Unterdrückung der Opposition durch die Staatssicherheit.....................................................................Seite 14 Kindheit und Jugend in der DDR....................................................................................................................Seite 16 Rockmusik in der DDR....................................................................................................................................Seite 18 Udo Lindenberg Udo und seine Freunde in der DDR................................................................................................................Seite 20 Stark wie zwei (Biografie) ...............................................................................................................................Seite 24 Herausgeber: Stage Entertainment Veranstaltungsgesellschaft mbH Produktmanagement Stage Theater am Potsdamer Platz Kehrwieder 6 20457 Hamburg In Zusammenarbeit und mit fachlicher Beratung des Landesinstituts für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) 14974 Ludwigsfelde-Struveshof Tel.: 0 33 78 209-0 Fax: 0 33 78 209-149 www.lisum.berlin-brandenburg.de Interview..........................................................................................................................................................Seite 26 Das Musical Aktivierung von Vorwissen und Einstiege......................................................................................................Seite 28 Beobachtungsaufgaben.................................................................................................................................Seite 29 Szenenübersicht.............................................................................................................................................Seite 30 Die Figuren und ihre Beziehungen..................................................................................................................Seite 32 Zur Dramaturgie des Musicals........................................................................................................................Seite 34 Auszüge aus dem Libretto des Musicals.......................................................................................................Seite 36 Gestaltung des Bühnenbildes........................................................................................................................Seite 38 Autorin/Autoren: Rotraut Greune, Rainer Böhlke-Weber, Herbert Weber Illustration: Silke Kecke Lektorat: Dr. Jürgen Bretschneider Redaktion: Rotraut Greune, Michael Retzlaff, Rainer Böhlke-Weber, Herbert Weber Gestaltung und Produktion: Neue Monarchie Agentur für Kommunikation Hamburg Druck und Herstellung: BEISNER DRUCK GMBH & Co. KG Müllerstraße 6 21244 Buchholz i. d. Nordheide Tel.: 0 41 81 90 93-0 www.beisner-druck.de Anregungen für Schülerinterviews.................................................................................................................Seite 40 Pressestimmen zum Musical..........................................................................................................................Seite 41 Quiz zum Musical............................................................................................................................................Seite 42 Methodische Vorschläge Unterrichtsvorschläge zur Nachbereitung des Musicals ..............................................................................Seite 44 Udo in Ostberlin (Comic).................................................................................................................................Seite 45 Geschichtliche Stadterkundungen.................................................................................................................Seite 46 Weiterführendes Material (Links, Literatur).....................................................................................................Seite 48 Bildnachweis...................................................................................................................................................Seite 50 Hinterm Horizont (Liedtext).............................................................................................................................Seite 51 © Stage Entertainment Veranstaltungsgesellschaft mbH, 2011, all rights reserved Ein besonderer Dank geht an Susan Prahl (Rosinenfischer Hamburg) und Julia Frantzen/Nina Quitmann (Produktmanagement Theater am Potsdamer Platz). Die Unterrichtsbroschüre als PDF und weiteres Arbeitsmaterial erhalten Sie online auf www.musicals.de/schulklassen. 3 Vorwort Der 13. August 2011 war der 50. Jahrestag des Baus der Berliner Mauer. Diese Mauer war eines der sichtbarsten Symbole der deutschen Teilung. Familien, Freundschaften und Liebende wurden getrennt, Lebenswege zerstört, Verkehrsverbindungen abgeschnitten und mindestens 136 Menschen an der Grenze getötet. Den Bürgerinnen und Bürgern der DDR wurde das Menschenrecht der Freizügigkeit vorenthalten. Gleichzeitig festigte der Bau der Mauer die SED-Diktatur für eine gewisse Zeit nach innen. Für viele Schülerinnen und Schüler ist es heute unvorstellbar, dass eine Mauer quer durch die Stadt Berlin verlaufen ist und dadurch die Menschen voneinander getrennt wurden. Die deutsche Einheit ist für sie eine erfahrene Selbstverständlichkeit. Zugleich ist der Wissensstand über die DDR und die jüngste deutsch-deutsche Geschichte bei der jungen Generation mehrheitlich nicht sehr ausgeprägt. Hier besteht für die gesellschaftliche Institution Schule eine bedeutsame und dauerhafte Aufgabe, indem sich dort Schülerinnen und Schüler sowohl systematisches Wissen als auch historische Kompetenzen aneignen können. Die Rahmenlehrpläne bieten vielfältige Anknüpfungspunkte, die deutsch-deutsche Nachkriegsgeschichte im Unterricht zu thematisieren. Neben Lernmaterialien, Gedenkstätten, Institutionen der Aufarbeitung und Zeitzeugengesprächen kann auch die Auseinandersetzung mit einem politischen Musical für Schülerinnen und Schüler einen wichtigen Beitrag zur Auseinandersetzung mit der jüngsten deutschen Geschichte leisten. Das Musical HINTERM HORIZONT vermittelt in besonders ansprechender Art und Weise am Beispiel einer teils authentischen, teils fiktionalen Liebesgeschichte die Folgen der deutschen Teilung und des Mauerbaus sowie die unterschiedlichen Erfahrungen der Menschen vor und nach dem Fall der Mauer. Mit den Hits von Udo Lindenberg und dem Humor von Thomas Brussig („Sonnenallee“) wird im Musical HINTERM HORIZONT die jüngste deutsch-deutsche Geschichte anschaulich präsentiert. In Zusammenarbeit mit Udo Lindenberg und Stage Entertainment, den Machern des Musicals HINTERM HORIZONT und mit fachlicher Beratung des Landesinstituts für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) wurde diese Publikation entwickelt. Unser gemeinsames Ziel ist es, Schülerinnen und Schülern und Lehrkräften ein pädagogisches Angebot für eine inhaltliche Vor- und Nachbereitung des Musicals HINTERM HORIZONT sowie Unterrichtshinweise für eine weitere thematische Auseinandersetzung zu unterbreiten. Diese Auseinandersetzung kann auch uns allen helfen, das Verständnis für Freiheit und Demokratie zu schärfen. Wir wünschen dieser Publikation eine möglichst weite Verbreitung und allen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern viel Erfolg bei einer ungewöhnlichen Art der Auseinandersetzung mit der jüngsten deutschen Geschichte. 4 © Brinkhoff/Mögenburg Johannes Mock-O'Hara (Geschäftsführer Stage Entertainment Deutschland) Michael Retzlaff (Referatsleiter Medienbildung, Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg) 5 Begriffe 17. Juni 1953 Arbeiteraufstand in der DDR, erst gegen höhere Arbeitsnormen, dann gegen das DDR-Regime; wurde mit Hilfe sowjetischer Panzer niedergeschlagen; mindestens 55 Todesopfer Alliierte Wichtigste Verbündete gegen Hitlerdeutschland (USA, UdSSR/Sowjet union, England, Frankreich) Atomarer Overkill Anfang der achtziger Jahre waren in der DDR sowjetische und in der Bundesrepublik Deutschland US- amerikanische Atomraketen stationiert. Es waren so viele, dass sie im Fall ihres Einsatzes beide deutsche Staaten und weitere europäische Länder hätten zerstören können. Blauhemd Umgangssprachliche Bezeichnung für das FDJ-Hemd; für ältere DDR-Bürger auch ein Symbol für das Ende der Nazi-Herrschaft (Braunhemden) und den Aufbruch in eine neue Zeit Blaumeise Nett gemeinter Spottname für FDJMädchen in der blauen Uniform Demontage Abbau von Industrieanlagen des Kriegsverlierers, Überführung in Siegerstaaten Diversant Im kommunistischen Sprachgebrauch Bezeichnung für einen feindlichen Agenten und Saboteur Eiserner Vorhang Bezeichnung der gesperrten europäischen Grenze zwischen den autoritärsozialistischen Staaten im Osten und den demokratisch-kapitalistischen Staaten im Westen FDJ Abkürzung für Freie Deutsche Jugend; Jugendorganisation unter staatlicher Leitung, koordinierte u. a. die Freizeitgestaltung Jugendlicher in hierarchischen Strukturen Genosse/Genossin Sozialistische/kommunistische Anrede, verwendet in allen Organi sationen – von der Schule bis zum Staatsrat 6 Glasnost und Perestroika Michail Gorbatschow versuchte ab 1985 mit diesen Schlagworten, die „Offenheit“ und „Umbau“ bedeuten, die UdSSR zu modernisieren. HdjT Abkürzung für Haus der jungen Talente; Klubhaus und Veranstaltungsstätte für Jugendliche in Ostberlin bis 1991 IM Abkürzung für Inoffizieller oder Informeller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS / Stasi); angeworbene Spitzel, die verdeckt Informationen aus allen Lebens bereichen (Arbeit, Familie, Freunde etc.) von Menschen weitergaben, die sie persönlich kannten Kalter Krieg Bezeichnung für die politischen Spannungen zwischen den sozialistischen Staaten des Ostblocks und den westlichen Staaten der NATO sowie die damit verbundene massive Aufrüstung und gegenseitige Spionage Lipsi/Lipsi-Tanz 1959 von der DDR eingeführter Modetanz als Alternative zu den westlichen Rhythmen von Rock ’n’ Roll und Twist Luftbrücke Nachdem die UdSSR 1948 die Land wege nach Westberlin abgeriegelt hatte, versorgten amerikanische Flugzeuge den westlichen Teil der Stadt im Dauereinsatz von Westdeutschland aus. Marshall-Plan Von Kriegsfolgen betroffene Länder in Europa bekamen Hilfskredite der USA, um ihre Wirtschaft wieder anzukurbeln. MfS Abkürzung für Ministerium für Staatssicherheit der DDR Neue Ostpolitik/Entspannungs politik Unter Bundeskanzler Willy Brandt wurde versucht, mit der DDR zu koope rieren, anstatt sie strikt abzulehnen. Ziele: Erleichterungen für getrennte Familien, Entspannung und Stabili sierung der politischen Beziehungen. NVA Abkürzung für Nationale Volksarmee, Militär der DDR Olympiaboykott Aus Protest gegen den Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan beteiligten sich 64 Nationen nicht an den Olympischen Sommerspielen 1980 in M oskau, darunter 36 islamische Länder, die BRD und die USA. Im Gegenzug boykottierten fast alle Ostblockstaaten vier Jahre später die Olympischen Spiele in Los Angeles. sicherheit und seine Untergebenen beisammen und überlegen, wie sie dem Phänomen Udo L. begegnen können. Die Stimmung der jungen Leute im Land wird rebellischer und die Stasi nervöser. Palast der Republik Sitz der Volkskammer (Parlament der DDR) und Vielzweckveranstaltungszentrum in Ostberlin, erbaut Mitte der 1970er Jahre, abgerissen 2008 Fotos: © Brinkhoff/Mögenburg Die folgenden Begriffe finden sich teils im Musical, teils bei den Arbeitsaufgaben und sollten für das Verständnis der Zusammenhänge bekannt sein. Sie beziehen sich sowohl auf die Umgangssprache in der DDR als auch auf geschichtliche Hintergründe. Eine deutsch-deutsche Geschichte Pershing-Raketen US-Raketen mit atomaren Sprengköpfen Reparationen Wiedergutmachungsleistungen (Geld, Land, Maschinen) des Kriegsverlierers SED Abkürzung für Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, führende Partei der DDR. Andere Parteien hatten keine reale Möglichkeit, Macht auszuüben. Sozialismus Politische Weltanschauung, die auf Gleichheit, Gemeinschaft und staat lichen Besitz ausgerichtet ist und die wirtschaftliche und persönliche Entfaltung einzelner diesem Grundsatz unterordnet SS 20 Sowjetische Raketen mit atomaren Sprengköpfen Staatsratsvorsitzender Staatsoberhaupt der DDR; oft zugleich auch Generalsekretär des ZK der SED Tagesschein Passierschein bzw. Tagesvisum der DDR für Westdeutsche und West berliner; gültig bis Mitternacht des gleichen Tages Tränenpalast Umgangssprachliche Bezeichnung für das Grenzgebäude am Bahnhof Friedrichstraße Volkspolizist Polizist der DDR; Begriff wird umgangssprachlich häufig zu VoPo abgekürzt Währungsreform Aufhebung der Reichsmark als Zahlungsmittel, Einführung der D-Mark und DDR-Mark 1948 Jessys Erinnerungen an Udo beginnen in der elterlichen Wohnung, 1983 in Ostberlin. Jessy, 17 Jahre alt, wird am nächsten Tag im Palast der Republik mit ihrer FDJ-Singegruppe beim „Konzert für den Frieden“ auftreten. Zum Verdruss ihres Bruders Elmar hat sie dafür keine Karten bekommen – denn Elmars großes Idol, der West-Rocker Udo Lindenberg, wird ebenfalls auf der Bühne stehen. Während sich ihre Eltern und der in Jessy verliebte Marco fragen, was Elmar an Udo so grandios findet, träumt seine Schwester davon, auch etwas Besonderes zu sein. Beim Konzert trifft Jessy Udo hinter der Bühne und erlebt beim Blick in seine Augen Blitz und Donner wie aus heiterem Himmel. Udo geht es ähnlich, und er schwört, bald zu seiner „Nachtigall“ zurückzukommen. Die denkwürdige Begegnung wird allerdings protokolliert: von Krause und Patschinski, zwei StasiAgenten. Elmar, der beim Versuch, Udo trotz allem zu sehen, von der Volkspolizei weggeknüppelt wurde, ist vollkommen hingerissen, als ihm Jessy von der Begegnung mit dem Rockstar erzählt. Während die beiden Jugendlichen von einem Leben „gegen die Strömung“ träumen, sitzen der Minister für Staats- Udo hat derweil in Hamburg für Jessy ein Liebeslied komponiert, sie hat es im Radio gehört und schreibt ihm daraufhin einen Brief. Elmar rät ihr, den Umschlag einem Westbesucher am Grenzübergang Friedrichstraße mitzugeben, damit der Brief im westlichen Kasten landet und nicht auf einem StasiSchreibtisch. Da Jessy zu solchen Aktionen kein Talent hat, übernimmt er diesen Job. Dabei wird er allerdings verhaftet. Krause und Patschinski erpressen daraufhin Jessy, Inoffizielle Mitarbeiterin (IM) der Stasi zu werden und Udo auf dessen Tournee zu bespitzeln. Ihr bleibt nur die Einwilligung in die Erpressung, damit Elmar wieder freigelassen wird. Doch dann sagt das Ministerium für Staatssicherheit Udos Tournee ab, und Elmar, der die DDR nicht mehr erträgt, flieh(g)t über die Mauer nach Westen. Jessy ist plötzlich allein. Bei einem Anruf lässt Elmar Jessy verschlüsselt ausrichten, dass Udo in Moskau auftreten wird. Sie reist sofort dorthin und verbringt mit Udo eine erinnerungswürdige Nacht im Hotel. nach seinem Auftritt. Dem ist kurz zuvor seine Stasi-Akte von Krause und Patschinski angeboten worden. Die beiden haben es sich nicht nehmen lassen, ihm auch Jessys IM-Tätigkeit unter die Nase zu reiben. Das Zusammentreffen des ehemaligen Liebespaares wird zum Desaster, und Jessy bleibt in ihrem alten Leben zurück. Bis Reporterin Mareike erscheint … Die Geschichte beginnt ... „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“: Mit diesem Satz Walter Ulbrichts, den der spätere Geschichtsverlauf Lügen strafte, beginnt das Musical, eine Liebesgeschichte, die den Bogen vom Bau einer Mauer mitten durch Berlin bis zu deren Fall und – noch 20 Jahre weiter – bis in die Gegenwart spannt. Die Mauer, die 1961 – knapp zwei Monate nach Ulbrichts legendärem Satz – gebaut wird, macht es dem Rockmusiker Udo Lindenberg und seinem Mädchen aus Ostberlin Jahre später unmöglich, „einfach nur zusammen (zu) sein“. Der Chefredakteur einer Boulevardzeitung möchte das als Aufhänger für eine Serie „Ost-West-Liebesgeschichten“ nutzen. Deshalb schickt er die Reporterin Mareike los, Udos alte DDR-Liebe aufzuspüren. Bald sitzt sie in der Küche von Jessy Schmidt, die ihr die Geschichte von sich und Udo erzählt … Wieder in Berlin, stellt Jessy fest, dass sie schwanger ist. Nachdem sie einen Ausreiseantrag gestellt hat, wird sie von der Stasi massiv schikaniert. Jessy schaltet auf stur und schweigt. Da sie von Udo nichts mehr hört, heiratet sie schließlich Marco, der glaubt, das Kind sei von Jessys russischem Brieffreund. Bald darauf fällt die Mauer. Jessy eilt in den Westen und trifft Udo 7 Geschichte der DDR Seit ihrer Gründung 1949 wurde die DDR von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (➜ SED) dominiert, deren Generalsekretär in der Regel auch Staatsratsvorsitzender war. Wahlen zur DDR-Volkskammer, dem Parlament, waren nicht frei. Meinungsäußerungen, die dem autoritären System zuwiderliefen, wurden – wie beim Volksaufstand in der DDR 1953 (➜ 17. Juni 1953) – mit Gewalt niedergeschlagen. Im Gegensatz zur sozialen Marktwirtschaft in der Bundesrepublik war die Wirtschaft der DDR eine Planwirtschaft. Die Unternehmen lagen nicht in Privatbesitz, sondern gehörten meist dem Staat; Preise 8 Mit dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 nahm die DDR-Regierung ihren Bürgern die letzte Fluchtmöglichkeit in den Westen. Sie mussten sich nun in der DDR einrichten, der allgemeine Wohlstand wuchs. Kleine kulturelle Freiheiten wurden jedoch 1965 schon wieder entzogen. Das Ministerium für Staatssicherheit (➜ Stasi) mit Erich Mielke* an der Spitze hatte einen rigiden Spitzel- und Überwachungsapparat im Innern aufgebaut, mit dem die Bevölkerung kontrolliert wurde. NATO-Doppelbeschluss und Propaganda in der DDR Der NATO-Doppelbeschluss besagte, dem Ostblock mit der Nachrüstung von Raketen zu drohen, aber gleichzeitig auch Abrüstungsverhandlungen aufzunehmen. Der NATO-Doppelbeschluss ging maßgeblich auf die Initiative Helmut Schmidts zurück, der ihn vor dem Bundestag verteidigte. „Mit unseren Bündnispartnern stehen wir vor der Aufgabe, das militärische Gleichgewicht zwischen Ost und West zu gewährleisten und – wo dies nötig ist – es wiederherzustellen. Wie es in der deutsch-französischen Erklärung vom Februar heißt, schließen wir dabei die Hinnahme einer Position der Schwäche ebenso aus wie das Streben nach militärischer Überlegenheit. Ich sage dies … vor allem … für die Bürger in der DDR, die uns heute in besonderem Maße zuhören, weil es ihnen nämlich angesichts vielfältiger Propaganda schwerfällt, sich ein zutreffendes Bild zu machen.“ Bundeskanzler Helmut Schmidt, Rede zur Lage der Nation vor dem Deutschen Grafik: Silke Kecke Nach dem Sieg über Hitlerdeutschland teilten die vier Hauptsiegerstaaten (➜ Alliierte) 1945 Deutschland (ohne Ostgebiete) in vier Besatzungszonen auf, die ursprünglich gemeinsam verwaltet werden sollten. Doch der Machtund Ideologiekonflikt zwischen den drei demokratisch-kapitalistisch verfassten Ländern USA, England und Frankreich und der kommunistisch-totalitär regierten Sowjetunion nahm stetig zu (➜Kalter Krieg). Bald kam es zu Ausein andersetzungen über Reparationen (➜ Demontage), das zukünftige Wirtschafts- und Staatssystem, über Hilfskredite (➜ Marshall-Plan) und Westberlin (➜ Luftbrücke). 1948 wurden in den drei westlichen Zonen (➜ Währungsreform) und der Ostzone unterschiedliche Währungen eingeführt, 1949 unterschiedliche Staaten gegründet (BRD und DDR), die einerseits dem westlichen, andererseits dem sowjetischen Einflussbereich unterlagen. Die deutsche Teilung war vollzogen. und Warenmengen wurden nicht über den Markt, sondern über eine staatliche Planungsbehörde gesteuert. Ab 1956 standen sich mit der Bundeswehr im Westen und der Nationalen Volksarmee (➜ NVA) in der DDR zwei deutsche Armeen feindlich gegenüber. gegen die atomare Aufrüstung ließ im Westen eine bedeutende Friedensbewegung entstehen. Aufteilung Deutschlands 1945 und spätere deutsche Teilung in BRD und DDR Der Wohlstandsunterschied zwischen der Bundesrepublik und der DDR wurde seit 1980 (Ölkrise) immer größer. Notwendige Importe konnten nur noch über Schulden finanziert werden, Mitte der achtziger Jahre war die DDR faktisch pleite, Städte und Fabriken waren marode. Bundestag, In: Bulletin des Presse- und Informationsdienstes der Bundesregierung, Nr. 36, 10. April 1981, S. 309 Erich Honecker* löste 1971 Walter Ulbricht* an der Staatsspitze der DDR ab. Gleichzeitig verfolgte der neue Bundeskanzler Willy Brandt* einen Kurs der Annäherung (➜ Neue Ostpolitik). Im Grundlagenvertrag von 1972 vereinbarten die beiden deutschen Staaten eine grundsätzliche Anerkennung ihrer Grenzen. Im Laufe der siebziger Jahre handelten die Regierungen limitierte Reisemöglichkeiten im Transitverkehr nach Berlin und bei Besuchen aus. In der DDR wurden Rockmusik, lange Haare und Blue Jeans nun toleriert, die vorher als Ausdruck westlicher Dekadenz galten. Trotzdem blieb die Parteiund Staatsjugend FDJ unter Egon Krenz* straff und hierarchisch organisiert. Was könnte Helmut Schmidt mit der Propaganda gemeint haben, von der er spricht? Wer macht sie mit welchen Aussagen? Was könnte diese Propaganda mit Udo Lindenbergs Konzertauftritt in Ostberlin zu tun haben? Schreiben Sie Ihre Überlegungen zum Thema auf. Der Einmarsch der Sowjetunion 1979 in Afghanistan führte zu einer neuen Ost-West-Konfrontation, welche 1980 im Teilnahme-Boykott der USA an den Olympischen Spielen in Moskau mündete. Als Revanche nahmen die Ostblockstaaten 1984 nicht an der Olympiade in Los Angeles teil. Für den DDR-Sport war das ein herber Rückschlag. Er galt zwar als dopingverseucht, war aber wegen seiner Höchstleistungen ein Aushängeschild des ostdeutschen Staates. Zur Verschärfung des Ost-WestGegensatzes trug auch die Aufstellung amerikanischer Atomraketen 1982 in Westdeutschland bei, was eine Reaktion auf sowjetische SS20-Raketen in der DDR darstellte. Das DDR-Regime fasste die NATO-Nachrüstung als Bedrohung auf. Der Protest Seit 1980 opponierten auch in der DDR Friedens- und Ökogruppen, oft kirchlich eingebettet, gegen die rigorose Staatsführung. Die UdSSR entzog ihr mit einer neuen, demokratieorientierten Politik (➜ Glasnost, ➜ Perestroika) ab 1985 die uneingeschränkte Unterstützung. Zwar konnte Erich Honecker 1987 mit seinem Staatsbesuch in der Bundesrepublik noch einmal Anerkennung für die DDR gewinnen. Mit der Öffnung der ungarischen Grenzen setzte im Sommer 1989 aber ein Flüchtlingsstrom nach Westen ein, den die DDR-Regierung nicht mehr aufhalten konnte. Am 9. November 1989 öffnete sie selbst für ihre Bürger die Grenzen. Eine Übergangsregierung musste nach der ersten freien Volkskammerwahl im März 1990 Platz machen für eine demokratisch legitimierte Regierung, die am 3. Oktober 1990 den Beitritt des DDR-Gebietes zum Bundesgebiet vollzog. Damit hatte die DDR aufgehört zu existieren, Deutschland war wieder vereinigt. ( N S. 48) Aufgaben * Walter Ulbricht (*1893 Leipzig, †1973 Groß Dölln): KPD-, später SED-Politiker; Generalsekretär des Zentralkomitees der SED 1950–1971 und Staatsratsvorsitzender der DDR; maßgeblich an der Gründung der DDR und am Bau der Berliner Mauer beteiligt * Erich Honecker (*1912 Neunkirchen †1994 Santiago de Chile): Mitbegründer der Freien Deutschen Jugend (FDJ); Organisator des Mauerbaus; führender Politiker der DDR 1971–1989; nahm 1987 während seines Staatsbesuchs in der BRD Udo Lindenbergs Gitarre („Gitarren statt Knarren“) an, erlaubte ihm aber keinen DDR-Auftritt 1. Setzen Sie bitte folgende Zwischenüberschriften und Zeitabschnitte richtig über den entsprechenden Abschnitten im Text ein: 1980 – 1985 / 1945 – 1949 / 1985 – 1990 / 1961 – 1971 / 1949 – 1961 / 1971 – 1980 deutsch-deutsche Entspannungspolitik / Stagnation und Niedergang / Aufbaujahre – sozialistische Volksrepublik oder Diktatur? / Von der Ostzone zur DDR / Konsolidierung nach dem Mauerbau / innere und äußere Krisenerscheinungen 2. Ergänzen Sie anhand der Informationen in diesem Text den Zeitstrahl auf den Seiten 10/11. 3. Entwerfen Sie eine Collage des Jahres 1983, die die Themen des Musicals aufgreift. Recherchieren Sie im Internet entsprechende Fotos, Zeitungsüberschriften, Grafiken. * Willy Brandt (*1913 Lübeck, †1992 Unkel), SPD-Politiker; 1957–1966 Regierender Bürgermeister Westberlins; 1969–1974 Bundeskanzler; Initiator der Neuen Ostpolitik, die auf Verständigung und Entspannung mit der UdSSR, der DDR und Polen setzte * Erich Mielke (*1907 Berlin, †2000 Berlin), Kampf- und Spionagetätigkeit für die KPD; 1957–1989 Minister für Staatssicherheit, baute den StasiÜberwachungsapparat aus * Egon Krenz (*1937 Kolberg/Pommern), führender SED-Politiker, 1974–1983 1. Sekretär des Zentralrats der FDJ; organisierte das Friedenskonzert 1983; 1989 kurze Zeit Nachfolger Erich Honeckers 9 Zeitstrahl 1945-1990 1970 „Neue Ostpolitik“ des Bundeskanzlers 3.10.1990 LAB/W.Albrecht 3.10.1954 Verträge mit den Westmächten zur Souveränität der Bundesrepublik und zum NATO-Beitritt (Militärbündnis der westlichen Demokratien) 1971 Vier-Mächte-Abkommen über den Status Berlins 1972 Grundlagenvertrag zwischen BRD und DDR Kinder in Kreuzberg 1985, Westseite der Mauer 25.6.1948 Beginn der 1968 Studentenproteste in der Bundesrepublik und Westberlin gegen eine konservative Gesellschafts- und Werteordnung, gegen Vietnamkrieg der USA und gegen Altnazis in hohen Ämtern nach Westberlin (1 Jahr) 20.6.1948 Währungsreform in westlicher Trizone: die Deutsche Mark löst die Reichsmark ab 23.5.1949 Gründung der Bundesrepublik Deutschland (BRD): Das Grundgesetz (provisorische Verfassung) tritt in Kraft, provisorische Hauptstadt: BRD 23.6.1948 Währungsreform in sowjetischer Zone: die DDR-Mark löst die Reichsmark ab 7.10.1949 Gründung der DDR mit Inkrafttreten der Verfassung der DDR, Hauptstadt: 1980 ■■ Freiheitsbewegung Solidarnosc in Polen setzt die DDR unter Legitimationsdruck 1972 Grundlagenvertrag zwischen BRD und DDR , der DDR fehlen Devisen für den Rohstoffkauf 1985 Michail Gorbatschow leitet als neuer Generalsekretär der kommunistischen Partei in der UdSSR eine Politik der Offenheit (Glasnost) und der Reformen (Perestroika) ein ■■ 1971 Erich Honecker löst in der DDR gegen Normerhöhungen, gegen DDR-Führung und Staatssystem in der DDR („Schwerter zu Pflugscharen“) 25.10.1983 Udo Lindenberg singt bei einem Friedensfestival im Palast der Republik in Ostberlin an der DDR-Staatsspitze ab 14.5.1955 Verträge über Beitritt der DDR zum Warschauer Pakt (Militärbündnis der Ostblockstaaten) 1968 Militärische Niederschlagung des Prager Frühlings mit Hilfe von Truppen der 1956 Gründung der Nationalen Volksarmee (NVA) 18.3.1990 Freie Wahl zur in der DDR 1989 Sommer: Massenflucht von DDRBürgern über die ungarische Grenze nach Österreich 17.6.1953 12.9.1990 Unterzeichnung des Zwei (DDR, BRD) plus Vier (UdSSR, USA, F, GB) Vertrages anstelle eines Friedensvertrages für das wiedervereinigte Deutschland 17.10.1989 Absetzung Erich Honeckers, Er nennung von Egon Krenz zum Generalsekretär des ZK der SED und zum Staatsrats vorsitzenden 4.11.1989 Hunderttausende DDR-Bürger protestieren auf dem Alexanderplatz gegen das DDR-Regime in der sozialistischen Tschechoslowakei 9.11.1989 Öffnung der Mauer © LAB/G. Schütz 13.8.1961 Bau der durch DDR-Führung Brandenburger Tor kurz nach dem Mauerbau, im Hintergrund der Potsdamer Platz. 10 31.8.1990 Einigungsvertrag zwischen BRD und DDR 1956 Gründung der ■■ 8.5.1945 bedingungslose Kapitulation Hitlerdeutschlands 1.7.1990 Währungs-, Wirtschaftsund Sozialunion zwischen DDR und BRD, Währungsreform: Ausgabe der DM statt der Ostmark in der DDR 1974 DDR siegt 1:0 gegen BRD bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1973 Transitabkommen zwischen BRD und DDR DDR 1987 Staatsempfang für Erich Honecker in der Bundesrepublik 1.10.1982 Helmut Kohl wird zum Bundeskanzler gewählt 1973 Transitabkommen zwischen BRD und DDR der DDR zum Staatsgebiet der Bundesrepublik, damit Auflösung der DDR Aufgabe Füllen Sie die Lücken im Zeitstrahl zur DDR- und BRD-Geschichte anhand der Informationen aus dem Text „Geschichte der DDR“ (Seiten 8/9) aus. 11 Die Berliner Mauer Politische Aufteilung Berlins 1945 – 1990 Berlin war wie Deutschland 1945 in vier alliierte Besatzungszonen eingeteilt worden. Die Stadt gehörte völkerrechtlich weder zur Bundesrepublik noch zur DDR, sondern wurde von den vier Besatzungsmächten regiert. Während die Westmächte Frankreich, USA und Großbritannien in den Westsektoren eng zusammenarbeiteten, wurde im Kalten Krieg der politische Gegensatz zum sowjetisch beherrschten Ostsektor immer größer. Die Verwaltung in Westberlin übernahmen bundesdeutsche, in Ostberlin DDR-Behörden. Obwohl das nach dem Besatzungsstatut nicht möglich war, bezeichnete die DDR Ostberlin als „Hauptstadt der DDR“, auch deshalb, um ihren Gesamtanspruch auf die Stadt zu untermauern. Während die innerdeutsche Grenze zwischen der BRD und der DDR und die Außengrenze Berlins schon 1952 weitgehend geschlossen worden waren, flohen über die noch offenen Sektorengrenzen Berlins immer mehr Bürger aus Ostberlin in den Westen. Bis 1961 gingen rund zwei Millionen meist gut ausgebildete, junge Menschen der DDR-Wirtschaft verloren. Eine Fortsetzung in diesen Dimensionen hätte die Existenz der DDR gefährdet. Deshalb ließ das Regime am 13. August 1961 eine Mauer durch Berlin errichten. DDR-Bürger, die nun noch über die Mauer fliehen wollten, konnten von Grenzsoldaten erschossen oder der „Republikflucht“ angeklagt werden. 12 Doch viele Menschen versuchten weiterhin, aus der DDR zu fliehen. Aus ganz unterschiedlichen Gründen: Die wirtschaftliche Lage in der Bundesrepublik war wesentlich besser. Es gab dort keine staatliche Bevormundung und Gängelung wie in der DDR, sondern Reise- und Bürgerfreiheiten. Manche wollten einfach ihre Familie wiedersehen oder waren über die Grenze hinweg verliebt. Die Mauer im Bezirk Mitte verlief an der Grenze zu Kreuzberg, über © Ullstein Bild – Gadewoltz Andererseits bestand 1961 die Gefahr, dass die sowjetische Armee und DDR-Truppen Westberlin besetzen würden, um der Destabilisierung des ostdeutschen Staates ein Ende zu bereiten. Das hätte einen dritten Weltkrieg bedeuten können. Der Mauerbau ließ den Status Westberlins unangetastet und zementierte die Einflusssphären von Ost und West. Damit stabilisierte die Berliner Mauer die politische Weltlage und half, die DDR-Wirtschaft zu konsolidieren. In der DDR wurde sie als „antiimperialistischer Schutzwall“ gerechtfertigt, der wirtschaftliche und politische Einflussnahme aus dem Westen verhindern sollte. den Potsdamer Platz, vor dem Brandenburger Tor vorbei, direkt hinter dem Reichstag entlang der Spree bis zur Invalidenstraße und zur Bernauer Straße. Die Grenzanlagen durchschnitten Straßen, Häuser, Kirchen, Gleise – die ganze Stadt Berlin. Der junge Peter Fechter verblutete am 17. August 1962 an der Mauer. Peter Fechter: ein Opfer des Schie befehls an der Berliner Mauer Die Grenzanlagen bestanden aus zwei Mauern, in dem 30 bis 500 Meter breiten Abschnitt dazwischen befand sich eine sicht- und schussfreie Zone (Todesstreifen), auf der Grenzsoldaten Flüchtlinge gut erkennen konnten. Die Mauern waren 3,70 Meter hoch. Ihre Oberkanten waren gerundet, damit sich niemand festhalten und hochziehen konnte. Stacheldraht und Wachtürme, Hundelaufanlagen, Sperrriegel und Flutlicht sicherten das Gelände. Trotz höchster Lebensgefahr gruben die Flüchtlinge Tunnel, flogen mit Ballons über die Mauer, rammten sie, versteckten sich in Besucherautos oder durchschwammen die Spree. Allein in Berlin kamen bei Fluchtversuchen mindestens 136 Menschen ums Leben. Der 18-jährige Maurer Peter Fechter versuchte am 17. August 1962, über die Mauer an der Zimmerstraße, zwischen Kreuzberg und BerlinMitte, zu fliehen. Als er sich an der Mauer hochzuziehen begann, wurde der junge Mann getroffen, schwere Blutungen setzten ein. Seine verzweifelten Rufe – „So helft mir doch!“ – blieben ohne Reaktion. Zwar waren viele Menschen auf der Westberliner Mauerseite zusammengekommen, doch keiner wagte es, den Todesstreifen zu betreten – aus Angst, aus dem Osten beschossen zu werden. Die DDR-Grenzer befürchteten ihrerseits Kugeln aus Westberlin. Anwesende amerikanische GIs hatten Order, nicht einzugreifen: ”It’s not our problem“. So verblutete Peter Fechter auf dem Todesstreifen. Der Vorgang löste in Westberlin schwere Proteste und Demonstrationen aus. Umgehend wurde an der Todesstelle ein Gedenkkreuz für Peter Fechter errichtet. Bis heute ist es ein Gedenkort geblieben. www.chronik-der-mauer.de ➜ Stichworte: Opfer der Mauer, Peter Fechter Modernisierung der Mauer 1977, unweit der Stelle, an der Peter Fechter starb In den siebziger und achtziger Jahren hatten sich viele Menschen notgedrungen an die Mauer gewöhnt. Allerdings nahm die Unzufriedenheit in der DDR angesichts der sturen Haltung des Regimes zu, das die Glasnost politik der UdSSR nicht nachvollziehen wollte. Gleichzeitig mit der Massenflucht über die geöffnete ungarisch-österreichische Grenze kam es 1989 zu einer gewaltigen Bürgerbewegung in der DDR, die in den Montagsdemonstrationen und der Massendemonstration am 4. November auf dem Alexanderplatz ihren stärksten Ausdruck fand. Trotz dieser Proteste gegen das DDR-Regime waren die meisten überrascht, als die Mauer am Abend des 9. November plötzlich geöffnet wurde. Die DDR-Führung hatte nicht mehr die Kraft, ihr eigenes Volk weiter einzusperren. West- und Ostberliner tanzten gemeinsam auf der Mauer. Es war der Auftakt zur Wiedervereinigung. ( N S. 48) Vier-Mächte-Status Der Vier-Mächte-Status bezeichnet die rechtliche und organisatorische Hoheit der vier Siegermächte (USA, UdSSR, Frankreich, England) im besetzten Deutschland nach 1945. Jeweils vier Hohe Kommissare verwalteten Deutschland im Alliierten Kontrollrat. Für das Gebiet der DDR vertrat die sowjetische Kontrollkommission die Besatzungsmacht. In der vierfach geteilten Stadt Berlin war die Alliierte Kommandantur zuständig. Am 16. Juni 1948 zog sich der sowjetische Kommandant infolge des Kalten Krieges zurück. Fortan konnten die drei westlichen Vertreter nur noch Entscheidungen für Westberlin treffen. Das VierMächte-Abkommen 1971 regelte den Vier-Mächte-Status Berlins dauerhaft, indem Transitstrecken und Einflusszonen endgültig rechtlich abgesichert wurden. Erst 1990 hoben der Zwei-Plus-Vier-Vertrag und die Wiedervereinigung den besonderen Vier-Mächte-Status Berlins auf. Aufgaben © StAufarb, Klaus Mehner Grafik: Silke Kecke Westberlin war eine eingemauerte Insel inmitten der DDR geworden. Die Berliner Mauer wurde zum Symbol der deutschen Teilung und der Unfreiheit der DDR-Bürger. Mit der Neuen Ostpolitik Willy Brandts, dem Vier-Mächte-Abkommen (1971), dem Grundlagenvertrag zwischen der BRD und der DDR (1972) und dem Transitabkommen (1973) entspannte sich die Lage für Westberliner etwas. Der Transitverkehr auf Schienen, Straßen, Flüssen und durch die Luft war nun garantiert und wurde erleichtert; Westberliner konnten mit Tagesvisa nach Ostberlin einreisen, mussten um Mitternacht aber wieder zurück sein. Aus der DDR durften nur Rentner für eine begrenzte Zeit ihre Familien in Westdeutschland besuchen. 1. Skizzieren Sie nach der Beschreibung im obigen Text die Grenzanlagen im Querschnitt. 2. Verfolgen Sie auf einem aktuellen Berliner Stadtplan den im Text beschriebenen Mauerverlauf im Bezirk Mitte und am Potsdamer Platz. Recherchieren Sie hierzu im Internet. 3. Entwerfen Sie ein Strukturdiagramm, das folgende Institutionen ins richtige Verhältnis setzt. Beachten Sie Hierarchien, Kooperationen und Konflikte: Alliierter Kontrollrat, Hohe Kommissare, Alliierte Kommandantur, Westberliner Bürgermeister, Ostberliner Stadtverwaltung, sowjetische Kontrollkommission, UdSSR, Frankreich, Großbritannien, USA. 4. Schreiben Sie zwei fiktive Zeitungsartikel, die am 14. August 1961 den Mauerbau kommentieren – einmal für eine bürgerliche Westberliner Zeitung, zum anderen für eine sozialistische Ostberliner Zeitung. 5. Entwerfen Sie die kurze fiktive Geschichte einer Flucht. Entwickeln Sie eine Figur aus der DDR, die nach dem 13. August 1961 in den Westen fliehen will. Wer? Warum? Wie? 6. Entwerfen Sie einen Dialog: Am 9. November nachts sind Sie als Westberliner in den Ostteil der Stadt gegangen, wo Sie einem nichtsahnenden DDR-Bürger anbieten, ihm Westberlin zu zeigen. Üben Sie den Dialog mit einem Mitschüler ein und präsentieren Sie ihn der Klasse. 7. Gegen wen und was richteten sich die Demonstrationen, die noch am Abend nach Peter Fechters Tod in Westberlin stattfanden? Finden Sie Aussagen, die auf den Demo-Plakaten gestanden haben könnten. 8. Bitte recherchieren Sie im Internet unter der Seite www.zeithistorische-forschungen.de den Beitrag von Christoph Hamann: „Schnappschuss und Ikone. Das Foto von Peter Fechters Fluchtversuch 1962“. Was machte Peter Fechters Flucht bekannter als die anderer Maueropfer mit einem ähnlichen Schicksal? 13 Die Stasi-Zentrale in der Ostberliner Normannenstraße Das Ministerium für Staatssicher heit (MfS, kurz Stasi) war 1950 als „Schwert und Schild“ der Sozia listischen Einheitspartei Deutschlands (SED) gegründet worden. Es hatte von Anfang an auch die Aufgabe, Oppositionelle und Regimegegner, sog. ‚feindlich- negative Elemente‘, zu über wachen und zu unterdrücken. Kurz vor dem Ende der DDR arbeiteten für das MfS noch rund 174.000 Menschen, davon 110.000 Inoffizielle Mitarbeiter (IM). Praktisch jeder konnte ins Visier der Staatssicherheit geraten: Wer sich in irgendeiner Weise abweichend verhielt oder sich kritisch dem „real existierenden Sozialismus“ in der DDR gegenüber äußerte. Am Ende hatte die Staatssicherheit eine unvorstellbar große Menge an heimlich aufgenommenen Fotos, mitgeschnittenen Gesprächen und vor allem an Spitzelberichten Inoffizieller Mitarbeiter produziert. Ein Erbe, das nach der Wende für seine Urheber zur großen Gefahr wurde. Nur durch die Besetzung der Bezirkszentralen und der Stasi-Zentrale in Berlin durch Bürgerrechtler konnte die Vernichtung der Stasi-Akten weitestgehend verhindert werden. Mit Zersetzungsma nahmen gegen die innere Opposition 1971 war Erich Honecker zum DDR-Staatsratsvorsitzenden gewählt worden. Dadurch setzte zunächst eine Liberalisierung ein, und die DDR war in den Folgejahren um internationale Anerkennung bemüht. Auch hatte sie sich mit dem Beitritt zur UNMenschenrechtskonvention und mit Unterzeichnung der Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) zur Achtung der Menschenrechte verpflichtet. Dieser neuen politischen Linie mussten auch die Methoden der Staatssicherheit angepasst werden. An die Stelle offener Repression traten nun Maßnahmen zur „Zersetzung feindlich-negativer Elemente“ (siehe MfS-Richtlinie, untenstehend). MfS-Richtlinie Nr. 1/76 zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge (OV) vom Januar 1976 […] Maßnahmen der Zersetzung sind auf das Hervorrufen sowie die Ausnutzung und Verstärkung solcher Widersprüche bzw. Differenzen zwischen feindlichnegativen Kräften zu richten, durch die sie zersplittert, gelähmt, desorganisiert und isoliert und ihre feindlich-negativen Handlungen […] eingeschränkt oder gänzlich unterbunden werden. […] Bewährte anzuwendende Formen der Zersetzung sind: ■■systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes, des Ansehens und des Prestiges […] ■■systematische Organisierung beruflicher und gesellschaftlicher Misserfolge zur Untergrabung des Selbstvertrauens […] ■■Erzeugen von Misstrauen und gegenseitigen Verdächtigungen innerhalb von Gruppen, Gruppierungen und Organisationen; Bewährte Mittel und Methoden der Zersetzung sind: […] Einer der prominentesten Kritiker der SED-Machthaber war der Liedermacher Wolf Biermann. In vielen seiner Texte setzte er sich kritisch mit den politischen und gesellschaftlichen Widersprüchen in der DDR auseinander. Die Staatssicherheit bescheinigte seinen Texten einen „politisch-ideo logisch zersetzenden Charakter“. Die Stasi-Ballade Wolf Biermann Menschlich fühl ich mich verbunden mit den armen Stasi-Hunden die bei Schnee und Regengüssen mühsam auf mich achten müssen die ein Mikrofon einbauten um zu hören all die lauten Lieder, Witze, leisen Flüche auf dem Klo und in der Küche – Brüder von der Sicherheit Ihr allein kennt all mein Leid Ihr allein könnt Zeugnis geben wie mein ganzes Menschenstreben leidenschaftlich zart und wild unsrer großen Sache gilt Worte, die sonst wärn verscholln bannt ihr fest auf Tonbandrolln und ich weiß ja! Hin und wieder singt im Bett ihr meine Lieder – dankbar rechne ich euchs an: die Stasi ist mein Ecker die Stasi ist mein Ecker die Stasi ist mein Eckermann […] © 1967 by Wolf Biermann In den siebziger Jahren machten ihn Auftritte in den „feindlichen“ Westmedien weit über die DDR hinaus bekannt. Dieser Bekannt- heitsgrad schützte ihn, anders als viele andere Oppositionelle, vor der Inhaftierung. Und so wurde ihm 1976 – gegen seinen Willen – nach einem Auftritt in Köln die Wiedereinreise in die DDR verweigert und die DDR-Staatsbürgerschaft aberkannt. Dies löste eine bis dahin nicht vorstellbare Solidaritätswelle unter den Künstlern und Intellektuellen der DDR aus. Allerdings reagierte der Staat hierauf erneut mit starken Repressionen und machte so die Hoffnung auf eine dauerhafte Liberalisierung wieder zunichte. Erste Freiräume unter dem Dach der Kirche Ab September 1982 wurden in der Leipziger Nikolaikirche jeden Montag Friedensgebete veranstaltet. Hier wie auch in anderen Städten fanden sich unter dem schützenden Dach der Kirche viele Menschen zusammen, denen das atomare Wettrüsten zwischen den Supermächten USA und Sowjet union große Sorge bereitete. Im Laufe der Zeit traten im Rahmen der Friedensgebete auch immer mehr oppositionelle Gruppen an die Öffentlichkeit – ein Sieg gegen die Zersetzungspolitik der Staatssicherheit. 1. Friedensforum in der Evangelischen Kreuzkirche, Dresden 1982 che trafen sich – erneut unter dem schützenden Dach der Kirche – Vertreter der Friedens- und Umweltbewegung der DDR. Schon im November 1987 wurde die Bibliothek nach einer Stasi-Razzia geschlossen und die Organisatoren wurden inhaftiert. Die Berichterstattung darüber in den westlichen Medien machte die Einrichtung in der Folge auch international bekannt. Überall in der DDR gab es Solidaritätsaktionen, so dass die Inhaftierten sehr schnell wieder freikamen. Immer mehr Menschen waren nicht länger bereit, sich weiter von der Staatssicherheit einschüchtern zu lassen. ( N S. 48) © Harald Schmitt/Stern/Picture Press © picture-alliance/akg-images Die Unterdrückung der Opposition durch die Staatssicherheit © Harald Schmitt/Stern/Picture Press Der Fall Wolf Biermann Die Umweltbibliothek in der Zionskirche in Berlin In der 1986 gegründeten Umweltbibliothek in der Berliner Zionskir- Friedensgebet in der Erlöserkirche, Ostberlin 1982 ■■die Verwendung anonymer oder pseudonymer Briefe, Telegramme, Telefonanrufe usw., kompromittierender Fotos, z. B. von stattgefundenen oder vorgetäuschten Begegnungen; ■■die gezielte Verbreitung von Ge- © picture-alliance/akg-images rüchten über bestimmte Personen einer Gruppe, Gruppierung oder Organisation […] Diese Mittel und Methoden sind […] schöpferisch und differenziert anzuwenden, auszubauen und weiterzuentwickeln. (MfS-Handbuch, Teil V/5, BStU, Berlin 2004, S. 285–288) 180 Kilometer Stasi-Akten mit Berichten über Kollegen, Nachbarn, Freunde 14 Aufgaben 1. Arbeiten Sie aus Wolf Biermanns Stasi-Ballade (siehe Kasten) die gegen ihn eingesetzten Überwachungsmethoden heraus. Diskutieren Sie in der Klasse die Frage, weshalb Biermann daran nicht zerbrochen ist, sondern – im Gegenteil – noch eine bitterböse Ballade darüber schreiben konnte. 2. Lesen Sie sich die MfS-Richtlinie Nr. 1/76 (siehe Kasten S. 14) aufmerksam durch. Versuchen Sie, sich in die Rolle eines von diesen Maßnahmen betroffenen, kritischen jungen Menschen hineinzuversetzen. Schreiben Sie in dieser Rolle einen Brief an den Staatsratsvorsitzenden der DDR, Erich Honecker. Begründen Sie darin Ihr Recht auf freie Meinungsäußerung, auch für den Fall einer sehr kritischen Haltung dem Staat gegenüber. Erläutern Sie Ihre persönliche Betroffenheit von den Maßnahmen der Staatssicherheit. 3. Bereiten Sie in kleinen Gruppen Kurzpräsentationen vor. Recherchieren Sie dazu auf der Seite www.jugendopposition.de und auf der Seite des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen der ehemaligen DDR (BStU) unter www.bstu.bund.de mehrere Fallbeispiele für den in den achtziger Jahren zunehmenden Widerstand in der DDR. 15 Von der ersten bis zur siebten Klasse gehörten die meisten Schülerinnen und Schüler der Pionierorganisation an, erst den „Jungpionieren“, dann den „Thälmannpionieren“. Hier wurden die Kinder in ein umfangreiches Freizeitangebot, das von Pioniernachmittagen bis zu Pionierlagern in den Ferien reichte, eingebunden. Nach der Wende wurden gerade diese Angebote von vielen Eltern schmerzlich vermisst. Natürlich war das Betreuungsangebot nicht ideologiefrei, sondern verfolgte immer auch das Ziel der „Erziehung zu sozialistischen Persönlichkeiten“: „Allein der Sozialismus gibt eurem Leben Sinn und Inhalt. Seid auch künftig … ergeben gegenüber eurem sozialistischen Vaterland, der Deutschen Demokratischen Republik.“ (Erich Honecker, Erster Sekretär des ZK der SED auf dem VIII. Parteitag der SED, an die „Thälmannpioniere“ gewandt.) 16 Zwischen Geborgenheit und sozialer Kontrolle Nach der Wende litten viele ehemalige DDR-Bürger unter dem Gefühl der „Entwurzelung“ und dem Verlust vieler persönlicher Beziehungen. Das gesellschaftliche Miteinander war stark von der Einbindung des Einzelnen in verschiedene Kollektive (lat.: Gruppe, Gemeinschaft) geprägt. Mit den Klassenkameradinnen und -kameraden war man im Klassen- © Harald Schmitt/Stern/Picture Press Schießwettbewerb der Mädchen, Kinder- und Jugendspartakiade 1981 Kinderkrippe in Ostberlin, 1971 „Der Sozialismus – unsere Welt“: Jugendweihe in Ostberlin, 1980 und im FDJ-Kollektiv verbunden. Das Arbeits- und das Hausgemeinschaftskollektiv prägten die Beziehungen der Menschen zueinander. Auf diese Weise war natürlich auch eine starke soziale und ideologische Kontrolle des Einzelnen möglich. Individualismus und Abgrenzung gegenüber der Gemeinschaft waren im Sinne der sozialistischen Gesellschaftsordnung nicht erwünscht. Mit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten 1990 musste dann plötzlich jeder Einzelne ein Vielfaches an Selbstverantwortung übernehmen. Damit waren viele der neuen Bundesbürger am Anfang deutlich überfordert. Erst im Laufe der Zeit gewann für die meisten auch das große Maß an individueller Freiheit im wiedervereinigten Deutschland an Bedeutung. Trotzdem sehnen sich auch heute noch viele Menschen nach der Geborgenheit zurück. Allerdings hatte die starke Einbindung auch den Vorteil, dass der Staat dem Einzelnen viele Entscheidungen abnahm. Kaum jemand musste um einen Krippenoder Kindergartenplatz kämpfen. Ein vereinheitlichtes Gesundheitssystem sorgte für relative Sicherheit auch im Falle schwerer Krankheiten. Zum Abitur und zum Studium allerdings wurden dann meist nur diejenigen zugelassen, die bis dahin durch ihr gesellschaftliches Engagement eine positive Haltung gegenüber dem Staat hatten erkennen lassen. gendspartakiaden, eine Art „kleine Olympiade“ innerhalb der DDR, veranstaltet. So kam der Teilnahme an den Olympischen Spielen 1972 in München dann auch eine herausragende Bedeutung zu. Hier durfte die DDR das erste Mal mit eigener Nationalhymne und eigener Fahne auftreten. In der „Gesellschaft für Sport und Technik“ (GST) erhielten die Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine vormilitärische Ausbildung. Hier lernten Sie z. B. das Funken oder das Schießen mit dem Kleinkalibergewehr. Aus der GST wurden viele der späteren Berufssoldaten der Nationalen Volksarmee (NVA) Sport als Teil der Ideologie Der Sport hatte in der DDR auch eine wichtige ideologische Funktion. In Schulen und Vereinen konnte man eine Vielzahl sportlicher Angebote wahrnehmen. Auch der Fußball bot den Menschen in der DDR ein hohes Identifikationspotential. In regelmäßigen Abständen wurden so genannte Kinder- und Ju © Harald Schmitt/Stern/Picture Press Der Sozialismus als Sinn des Lebens Nur wenige Eltern entzogen ihre Kinder, oft aus christlicher Überzeugung, bewusst diesem großen staatlichen Einfluss. Allerdings machten sie sich damit auch verdächtig, nicht ausreichend hinter dem Staat und seiner sozialistischen Gesellschaftsordnung zu stehen. Und natürlich spielte die Verweigerung auch eine Rolle, wenn es um die Zulassung zur Erweiterten Oberschule (EOS) – und damit zum Abitur – ging. © picture-alliance/ZB/H. Sturm Ziel der Gesellschaftsordnung in der DDR war der ‚neue sozialistische Mensch‘: von Grund auf ehrlich, stark, gesund und vor allem immer bereit, sein Vaterland zu verteidigen. Schon in den sechziger Jahren wurde in der DDR ein umfassendes Kinderbetreuungssystem eingeführt. Es sollte den jungen Müttern schon kurz nach der Geburt ihrer Kinder die Wiederaufnahme der Arbeit ermöglichen. Für die Kinder bis zum dritten Lebensjahr standen Krippenplätze, danach Kindergarten- und Hortplätze meist in ausreichender Zahl zur Verfügung. Für die wirtschaftliche Weiterentwicklung des Landes wurde jede Hand gebraucht, und der Staat konnte die Kinder auf diesem Wege natürlich auch auf das „Leben und die Arbeit in der sozialistischen Gesellschaft“ vorbereiten. Die meisten Jugendlichen wechselten dann in der achten Klasse von den „Thälmannpionieren“ in die „Freie Deutsche Jugend“, die FDJ. „Unsere Liebe, unser Wissen und unsere Tat unserem sozialistischen Vaterland, der Deutschen Demokratischen Republik.“ (Aus dem Mitgliedsausweis der FDJ.) Mit der Jugendweihe wurden die 14-jährigen Mädchen und Jungen dann erneut auf die Treue zu ihrem sozialistischen Vaterland eingeschworen. Fans des Fußballclubs 1. FC Union Berlin, 1982 rekrutiert. So ging es immer auch um die Steigerung der Verteidigungsbereitschaft gegenüber dem drohenden „Klassenfeind“ im Westen. Zwischen Anpassung und Widerstand Nach dem Bau der Mauer 1961 mussten sich die Menschen in der DDR mit der Situation arrangieren. Die sechziger Jahre waren von einer starken Ideologisierung geprägt. Fast jeder musste sich in der Schule, in FDJ- oder Parteilehrgängen mit der Theorie des Marxismus-Leninismus beschäf tigen. Und jeder musste für sich ganz persönlich entscheiden, wie weit er sich auf das politische System einlassen will. Wer vom System überzeugt war oder Karriere machen wollte, ging in die SED, die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, oder in eine der Blockparteien. Viele hielten aber auch – oft christlich motiviert – eine kritische Distanz zum Staat. Gerade den Kirchen kam dann in der Umwelt- und Friedensbewegung der achtziger Jahre auch eine besondere Rolle zu. ( N S. 48) Aufgaben © Harald Schmitt/Stern/Picture Press Erziehung zur "sozialistischen Persönlichkeit“ © picture alliance/ZB/W. Glienke Kindheit und Jugend in der DDR Pioniertreffen in Dresden, 1982 1. Sichten Sie gemeinsam ausgewählte Zeitzeugengespräche von der DVD „Damals in der DDR – Zeitzeugen erzählen ihre Geschichte“ (zu beziehen über die Bundeszentrale für politische Bildung, www.bpb.de). Von welchen guten und welchen schlechten Erfahrungen in der Jugendzeit erzählt die Zeitzeugin/der Zeitzeuge? 2. Bereiten Sie in kleinen Gruppen einen Besuch des DDR-Museums vor (www.ddr-museum.de). Formulieren Sie dazu fünf bis zehn Fragen zum Leben von Kindern und Jugendlichen in der DDR. Gehen Sie dabei ruhig von Ihren eigenen Interessen aus. Versuchen Sie, auf Ihrem Rundgang durchs Museum Antworten auf diese Fragen zu finden und halten Sie diese in schriftlicher Form fest. 3. Suchen Sie sich, sofern möglich, in Ihrem persönlichen oder schulischen Umfeld einen Gesprächspartner, den Sie zu Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend in der DDR befragen können. Halten Sie deren Aussagen in geeigneter Form fest (schriftlich oder mittels Ton- oder Videoaufnahmen, ggf. mit Ihrem Handy). 17 Zwei Bands - zwei Wege © Harald Schmitt/Stern/Picture Press Rockmusik in der DDR FDJ-Musikfestival, Ostberlin 1979 Die Kultur unter staatlicher Kontrolle Dem Bereich Kunst und Kultur widmeten die Machthaber in der DDR von Anfang an große Aufmerksamkeit. Die Bedeutung der kulturellen Aktivitäten und deren Kontrolle konnte aus ihrer Sicht gar nicht überschätzt werden. So hatten alle Aktivitäten natürlich dem Aufbau und der Stabilisierung des politischen Systems zu dienen. Ebenso hatte die politische Führung die absolute Kontrolle über die Berichterstattung von Presse, Rundfunk und Fernsehen. Jeder kritische Künstler musste sich in der Konsequenz immer wieder neu zwischen mutiger und risikoreicher Kritik oder Anpassung, vielleicht sogar Resignation, entscheiden. Viele Künstler waren dann auch aufgrund ihrer kritischen Haltung dem System gegenüber Repressalien ausgesetzt oder unterlagen einem Berufsverbot. Von der „Freiheit der Kunst“ war die DDR also weit entfernt. die Musikszene der DDR. Der mit der Musik transportierte Geist des Andersseins, vielleicht sogar auch der Revolte, sollte im sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat aber keinen Platz haben. Doch schon in den sechziger Jahren wurde sehr schnell deutlich, dass es praktisch unmöglich war, den größer werdenden Einfluss westlicher Musik zu unterdrücken. Trotz aller Empörung über das abstoßende „Yeah, yeah, yeah“ der Beatles sah sich die DDR-Führung gezwungen, der westlichen Musik eine eigene Musikkultur entgegenzustellen. Ein Beispiel für diese Bemühungen ist der Mitte der Sechziger gegründete „Oktoberklub Berlin“, der unter dem Einfluss der FDJ die westliche Beatmusik zurückdrängen sollte. Auch begann die Führung in dieser Zeit mit der Ausbildung von Autoren und Musikern, versuchte aber durch entsprechende Maßnahmen die Kontrolle über die Entwicklung zu behalten. Für jeden öffentlichen Auftritt benötigten die Musiker eine offizielle Erlaubnis, den so genannten „Spielschein“. (siehe „Anordnung Nr. 2 über die Ausübung von Tanz- und Unterhaltungsmusik“ im Kasten). Die Texte der Lieder mussten vorab eingereicht werden. Sie wurden eingehend geprüft und zugelassen oder, falls politisch unerwünscht, abgewiesen. Viele Ab 1973 entwickelten sich die Puhdys quasi zu den „Beatles der DDR“. Die Musik zum Kultfilm „Die Legende von Paul und Paula“ hatte sie über Nacht bekannt gemacht. Auch ihre durchaus anspruchsvollen Texte wurden genau geprüft, allerdings überschritten sie nicht die Grenze zur unerwünschten Systemkritik. Sie erinnern sich: „Uns hat nie jemand Bands wichen deshalb in ihren Texten auf eine eher lyrische Sprache und ‚Botschaften zwischen den Zeilen‘ aus. Frischer Wind in den siebziger Jahren Mit Beginn der Ära Honecker 1971 wurde die Kulturpolitik zunächst spürbar liberalisiert. So war der Staat auch im Hinblick auf die westliche Popmusik zu großen Zugeständnissen bereit. Allerdings nicht mit der Absicht, die Kontrolle über die Entwicklung aus der Hand zu geben. Als Mitte der siebziger Jahre die Stimmen systemkritischer Musiker immer lauter wurden, reagierte der Staat erneut mit Repression. 18 Nach der Schlacht (Klaus Renft Combo) M+T: Dieter Birr/Wolfgang Tilgner (T.: Kurt Demmler, M.: Thomas Schoppe) Einem war sein Heim, war sein Haus zu eng, sehnte sich in die Welt. Sah den Himmel an, sah wie dort ein Schwan hinzog. nach der schlacht warn die grünen wiesen rot nach der schlacht warn viel kameraden tot und man stellt sich auf das verbliebne bein und man meint, das müsse der sieg schon sein ja, man meint Als sein Vater sprach: „Fliege nicht zu hoch! Die Sonne wird dich zerstör’n.“ Hat er nur gelacht, hat er laut gelacht, und schwieg. Er hat’s nicht geschafft, und er ist zerschellt Doch der erste war er. Viele folgten ihm. Darum ist sein Tod ein Sieg – ein Sieg ! Steige, Ikarus! Fliege uns voraus! Steige, Ikarus! Zeige uns den Weg! § 1 Staatliche Spielerlaubnis Einem ist sein Heim, ist sein Haus zu eng, er sehnt sich in die Welt, Sieht den Himmel an, sieht wie dort ein Schwan hinzieht. Wer als Laienmusiker oder nebenberuflich tätiger Musiker in öffentlichen Veranstaltungen Tanzmusik ausüben will, bedarf einer staatlichen Spielerlaubnis. Die staatliche Spielerlaubnis wird auf Antrag … ausgestellt. Er heißt Ikarus und ist immer jung, ist voller Ungeduld. Baut die Flügel sich, springt vom Boden ab und fliegt und fliegt. Steige, Ikarus! Fliege uns voraus! Steige, Ikarus! Zeige uns den Weg! … © by PUHDYS MUSIKVERLAG GBR/ LIED DER ZEIT MUSIKVERLAG GMBH, alle Rechte für die Welt § 2 Voraussetzung für die Erteilung Die staatliche Spielerlaubnis kann ausgestellt werden, wenn der Nachweis der künstlerischen Befähigung … vor einer Kommis sion … erbracht wird … liche Regeln und Auflagen. Bis ihnen dann 1975 wegen „Beleidi gung der Arbeiterklasse und staatsfeindlicher Hetze“ der Prozess gemacht wurde. Christian Kunert und Gerulf Pannach, zwei Musiker der Band, wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt und später vom Westen freigekauft. Auch Klaus Renft ging 1976 in den Westen. ( N S. 48) Ikarus (Puhdys) Steige, Ikarus! Fliege uns voraus! Steige, Ikarus! Zeige uns den Weg! Anordnung Nr. 2 im Gesetzblatt der DDR über die Ausübung von Tanz- und Unterhaltungsmusik (15. November 1965) feiern den sieg der revolution die amputierten auf der station billig der wein, doch sie gießen sich ein kamerad ist nicht schad um das bein musste sein kamerad vergossen viel blut, doch gewonnen die macht und die schlacht um die macht war die letzte schlacht nun wird der mensch fein menschlich sein kamerad ist nicht schad um das bein musste sein kamerad aber auf einmal bricht ab der gesang einer zeigt aus dem fenster, da spazieren sie lang die neuen menschen, der neue mensch der sieht aus wie er war außen und unterm haar wie er war kein paradies kamerad wird es sein der mensch wächst sehr mühsam und nicht von allein in diesen großen mantel der macht um das bein wär es schad schlügst du nicht kamerad noch die schlacht nach dem sieg warn die grünen wiesen rot nach dem sieg warn viel kameraden tot und man stellt sich auf das verbliebne bein doch die schlacht wird viel viel länger sein Aufgaben © picture alliance/ZB/G. Gueffroy „Oktoberklub Berlin“ beim Festival des Politischen Liedes, Ostberlin 1973 Die in den sechziger Jahren in Leipzig gegründete Klaus Renft Combo hingegen hatte wegen ihrer systemkritischen Texte von Anfang an mit Auftrittsverboten zu kämpfen. Immer wieder verstießen sie mit ihren Texten gegen staat- Er hieß Ikarus und er war sehr jung, war voller Ungeduld Baute Flügel sich, sprang vom Boden ab und flog und flog. Gegen westliche Dekadenz und Unmoral Musik dient in jeder Generation dem Ausdruck von Lebensgefühl, von Anschauungen und bietet natürlich auch ein hohes Identifikationspotential. Das war in der DDR nicht anders, und trotz aller Bemühungen, die DDR-Jugendlichen vor „westlicher Dekadenz und Unmoral“ zu schützen, hatte westliche Popmusik in allen Jahren einen sehr großen Einfluss auf etwas vorgeschrieben, sondern es wurden lediglich bestimmte Dinge abgelehnt.“ (zit. n. mdr.de/damals/ euregeschichte/musik) 1. Untersuchen Sie die Texte „Ikarus“ (Puhdys) und „Nach der Schlacht“ (Klaus Renft Combo) auf die mög licherweise „zwischen den Zeilen“ versteckten Botschaften. Versetzen Sie sich dazu in die Rolle eines überzeugten Kulturfunktionärs der DDR, der die Jugend des Landes vor „gefährlichem“ Gedankengut bewahren will. Machen Sie sich dazu bitte Notizen. 2. Recherchieren Sie auf der Seite des Mitteldeutschen Rundfunks (mdr) die Positionen ehemaliger DDRMusiker zur Frage: Wo lagen die ideologischen Grenzen für Textschreiber in der DDR und wie konnte man damit umgehen, ohne sich selbst aufzugeben? Machen Sie sich dazu Notizen. (Link: www.mdr.de/damals/ euregeschichte/musik) 3. Recherchieren Sie auf der Plattform www.jugendopposition.de die Bedeutung, die Musik damals für die Jugendlichen hatte. Welche Erfahrungen haben Jugendliche gemacht, die aus Sicht der Kulturfunktionäre den „falschen Musikgeschmack“ hatten? Machen Sie sich dazu Notizen. 4. Suchen Sie auf der Seite der ehemaligen Klaus Renft Combo, heute „Renft“, nach einem weiteren Text, von dem Sie sich angesprochen fühlen und der aus Ihrer Sicht auch heute noch aktuell ist. Stellen Sie den Text in der Klasse vor und begründen Sie Ihre Wahl (Link: www.renft.de). 19 Udo in Ostberlin, 1983 Das Mädchen aus Ostberlin 1973 veröffentlichte Lindenberg seinen Titel „Wir woll’n doch einfach nur zusammen sein“. Dieser wurde im Laufe der Jahre als „Mädchen aus Ostberlin“ zu einem seiner bekanntesten Songs und liefert für das Musical nun auch den Kern der Geschichte. Der Legende nach hatte Lindenberg (nur er weiß, ob das wirklich so war) bei einem seiner Besuche in Ostberlin Manuela aus Pankow kennengelernt, die „Göttin der anderen Gesellschaftsordnung“ (Lindenberg). Nach eigener Auskunft war das der Anlass, in dem Lied die Unmöglichkeit einer deutsch-deutschen Liebe über die Mauer hinweg zu beschreiben. Natürlich wollte er sie dann auch mit Hilfe von Schleusern in den Westen holen. Allerdings arbeitete Manuela – na, logisch – mit dem Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) zusammen, so dass aus der Liebe dann doch nichts wurde. So weit die Legende. Lindenberg war mit dem Titel praktisch der erste deutsche Rockmusiker, der Willy Brandts Entspannungspolitik musikalisch aufgriff. Und ihm gelang es mit dieser kleinen, auf fast naive Weise erzählten Geschichte, die menschliche Tragödie der deutschen Teilung sehr eindringlich zu beschreiben. Obwohl der Titel in der DDR verboten war, fand er über die westlichen Medien 20 Mit dem „Mädchen aus Ostberlin“ hatte er noch von einem „Rockfestival auf dem Alexanderplatz mit den Rolling Stones und ’ner Band aus Moskau“ geträumt. Aber schon Mitte der siebziger Jahre bemühte er sich aktiv um Kontakte zu den Kulturverantwortlichen mit dem Ziel einer Tournee durch die DDR. Mit dem Titel „Rock ’n’ RollArena in Jena“ wandte sich Lindenberg direkt an seine Fans: „Ich würd’ so gerne bei euch mal singen, meine Freunde in der DDR“. Natürlich wurde das auch von den DDR-Oberen sehr genau registriert. Allerdings sah die SED in Lindenberg eher einen „mittelmäßigen Schlagersänger“ und vor allem – durchaus zutreffend – einen „Vertreter anarchistischer Grundpositionen“. Und so lehnte das für Kultur zuständige Politbüromitglied Kurt Hager einen Auftritt Lindenbergs in der DDR auch rundweg ab: „Kommt nicht in Frage!“ (Und auch kein) Sonderzug nach Pankow Mit dem „Sonderzug nach Pankow“ machte Udo Lindenberg „Für den Frieden der Welt“: Konzert im Palast der Republik Lindenberg war inzwischen zu einem prominenten Gesicht der Friedensbewegung geworden. In dieser Rolle passte er aus Sicht der DDR-Oberen sehr gut in das Konzept der FDJ-Manifestation „Für den Frieden der Welt“ im Palast der Republik im Oktober 1983. Im Saal saßen am 25. Oktober 1983 dann allerdings nur linientreue Mitglieder der Freien Deutschen Jugend – „FDJ-Mu mien“ (Lindenberg). Und draußen wurden die – ausgesperrten – echten Lindenberg-Fans von 650 Volkspolizisten und 1.600 StasiMitarbeitern in Schach gehalten. Nur das Ministerium für Staatssicherheit sah in dem Titel eine „Diffamierung des Generalse kretärs … sowie der Kulturpolitik der SED“. Dem Ziel eines Auftritts in der DDR jedenfalls war Linden berg dadurch bestimmt nicht nähergekommen. Das Konzert im Palast der Republik 1983 Obwohl der „Sonderzug nach Pankow“ erst wenige Monate her war, wendete sich das Blatt im Sommer 1983 zugunsten Lindenbergs. Anfang der achtziger Jahre hatte die geplante Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik eine der größten Friedensbewegungen in der bundesdeutschen Geschichte ausgelöst. Im Konzert spielte Lindenberg seine ganz persönliche Friedenshymne „Wozu sind Kriege da?“. Ein Song, der vielen Menschen im Westen aus der Seele sprach DDR-Tournee im Januar 1990 Erst im Jahr nach dem Fall der Mauer konnte Lindenberg das Versprechen, das er seinen Fans schon 1983 vor dem Palast der Republik gegeben hatte, wahr machen: eine Tournee durch die DDR. „Wenn ich heute im Osten spiele, dann ist das immer noch eine Art Liebeserklärung zwischen dem Publikum und uns.“ (In: „Die Akte Lindenberg“, ARD 2011) ( N S. 48) Den Vorwurf westlicher Medien, er ließe sich mit dem Auftritt von der DDR-Führung instrumentalisieren, konterte er in seiner ihm eigenen, lockeren Art: „Lindi lässt sich nicht kastrieren. Ich werde da ganz locker nach Art des Hauses meine Meinung sagen.“ (In: „Die Akte Lindenberg“, ARD 2011) So entsprach sein während des Konzerts abgegebenes Statement gegen Atomraketen in West und Ost dann auch nicht der politischen Linie der SED: „Weg mit allem Raketenschrott in der Bundesrepublik und in der DDR. Nirgendwo wollen wir auch nur eine einzige Rakete sehen. Keine Pershings und keine SS 20.“ Daraufhin wurde die für das nächste Jahr geplante DDRTournee von der SED-Führung wieder abgesagt. In den Folgejahren scheiterten alle weiteren Versuche, den Genossen Erich Honecker doch noch zu ei- Gitarren statt Knarren, 1987 Aufgaben 1. Suchen Sie sich, sofern möglich, in Ihrem persönlichen oder schulischen Umfeld einen Gesprächspartner, den Sie zu den unten genannten Themen befragen können. Halten Sie deren Aussagen in geeigneter Form fest (schriftlich oder mittels Ton- oder Videoaufnahmen, ggf. mit Ihrem Handy). © picture-alliance/Dieter Klar © picture alliance/dpa (Keine) Rock ’n’ Roll-Arena in Jena 1983 seinem Image alle Ehre. Mit frecher Zunge und der für ihn charakteristischen Respektlosigkeit Autoritäten gegenüber schildert er Erich Honecker, dem damaligen Generalsekretär der SED, seine Unzufriedenheit: „Ach Erich, ey, bist Du denn wirklich so ein sturer Schrat? Warum lässt Du mich nicht singen im Arbeiter- und Bauernstaat?“ Und im Begleitbrief zum „Sonderzug“ erläuterte er Honecker sein Anliegen: „Zeig Dich doch mal von Deiner lockermenschlichen und flexiblen Seite.“ (Zit. nach mdr.de/damals) © picture-alliance/Dieter Klar seine Hörer im Osten und wurde in den Folgejahren so etwas wie die „heimliche Nationalhymne“ (Lindenberg). ner Auftrittserlaubnis zu bewegen. Daran änderte auch die Honecker 1987 von Lindenberg persönlich überreichte Gitarre („Gitarren statt Knarren“) wenig. Die Angst der Genossen vor dem Anarcho-Rocker Lindenberg und seinen Fans war dann doch zu groß. und auch den DDR-Oberen gut ins Konzept der Veranstaltung passte. Egon Krenz, der damalige 1. Sekretär des FDJ-Zentralrates, erinnert sich: „In diesem Jahr, 1983, war unser Hauptziel, alle mitzunehmen, von denen wir meinten, sie könnten dazu beitragen, dass keine weiteren Raketen auf deutschem Boden stationiert werden. Das hat alles andere überschattet.“ (In: „Die Akte Lindenberg“, ARD 2011) © Kristina Eriksson Udo und seine Freunde in der DDR Wartende Fans vor dem Palast der Republik, 25. Oktober 1983 Themenvorschläge: a) Meine persönlichen Erfahrungen mit Freundschaften und/oder familiären Beziehungen über die Mauer hinweg. b) Meine persönlichen Erfahrungen als Fan von Udo Lindenberg in der DDR. 2. Versuchen Sie, dem zehnjährigen Pascal eine Antwort auf dessen Frage: „Wozu sind Kriege da?“ zu geben. Recherchieren Sie dazu die aktuellen internationalen Krisenherde auf der Welt und versuchen Sie, die ihnen zugrunde liegenden Konflikte zu benennen. Beziehen Sie in Ihre differenzierte „Antwort an Pascal“ auch den Text von Udo Lindenbergs „Wozu sind Kriege da?“ mit ein. 21 Udo und seine Freunde in der DDR: Texte Mädchen aus Ostberlin Rock ’n’ Roll-Arena in Jena Mädchen aus Ostberlin (Wir woll’n doch einfach nur zusammen sein) (Text & Musik: Udo Lindenberg) Stell dir vor, du kommst nach Ostberlin, und da triffst du ein ganz heißes Mädchen so ein ganz heißes Mädchen aus Pankow und du findest sie sehr bedeutend und sie dich auch (Text: Udo Lindenberg, Musik: Jean Jacques Kravetz) Mädchen aus Ostberlin, das war wirklich schwer ich musste gehn, obwohl ich so gerne noch geblieben wär aber Mädchen, ich komme wieder und vielleicht geht’s auch irgendwann mal ohne Nervereien da muss doch auf die Dauer was zu machen sein! Ich hoffe, dass die Jungs das nun bald in Ordnung bringen denn wir woll’n doch einfach nur zusammen sein vielleicht auch mal etwas länger vielleicht auch mal etwas enger wir wollen doch einfach nur zusammen sein Sonderzug nach Pankow (Text: Mack Gordon, Harry Warren, Subtext: Udo Lindenberg, Musik: Mack Gordon, Harry Warren) Entschuldigen Sie, ist das der Sonderzug nach Pankow ich muss mal eben dahin, mal eben nach Ost-Berlin ich muss da was klären, mit eurem Oberindianer ich bin ein Jodeltalent, und ich will da spielen mit ’ner Band Ich hab’n Fläschchen Cognac mit und der schmeckt sehr lecker den schlürf’ ich dann ganz locker mit dem Erich Honecker und ich sag: Ey, Honey, ich sing’ für wenig Money im Republik-Palast, wenn ihr mich lasst all die ganzen Schlageraffen dürfen da singen dürfen ihren ganzen Schrott zum Vortrage bringen nur der kleine Udo – nur der kleine Udo der darf das nicht – und das verstehn wir nicht Ich weiß genau, ich habe furchtbar viele Freunde in der DDR und stündlich werden es mehr och, Erich, ey, bist Du denn wirklich so ein sturer Schrat warum lässt Du mich nicht singen im Arbeiter- und Bauernstaat? Ich hab’n Fläschchen Cognac mit und der schmeckt sehr lecker ... Honey, ich glaub’, Du bist doch eigentlich auch ganz locker ich weiß, tief in dir drin, bist Du eigentlich auch ’n Rocker Du ziehst dir doch heimlich auch gerne mal die Lederjacke an und schließt Dich ein auf’m Klo und hörst West-Radio … Honeckers Geschenk für Lindenberg: eine Schalmei 22 Wozu sind Kriege da? (Text und Musik: Udo Lindenberg) Keiner will sterben, das ist doch klar wozu sind denn dann Kriege da? Herr Präsident, du bist doch einer von diesen Herren du musst das doch wissen kannst du mir das mal erklären? Keine Mutter will ihre Kinder verlieren und keine Frau ihren Mann. Also warum müssen Soldaten losmarschieren um Menschen zu ermorden – mach mir das mal klar wozu sind Kriege da? Herr Präsident, ich bin jetzt zehn Jahre alt und ich fürchte mich in diesem Atomraketenwald. Sag mir die Wahrheit, sag mir das jetzt wofür wird mein Leben aufs Spiel gesetzt? Und das Leben all der andern – sag mir mal warum die laden die Gewehre und bringen sich gegenseitig um sie stehn sich gegenüber und könnten Freunde sein doch bevor sie sich kennen lernen, schießen sie sich tot Ich find das so bekloppt, warum muss das so sein? Habt ihr alle Milliarden Menschen überall auf der Welt gefragt, ob sie das so wollen oder geht’s da auch um Geld? Viel Geld für die wenigen Bonzen, die Panzer und Raketen bauen und dann Gold und Brillanten kaufen für ihre eleganten Frauen oder geht’s da nebenbei auch um so religiösen Mist dass man sich nicht einig wird welcher Gott nun der wahre ist? Oder was gibt’s da noch für Gründe die ich genauso bescheuert find’ na ja, vielleicht kann ich’s noch nicht verstehen wozu Kriege nötig sind ich bin wohl noch zu klein, ich bin ja noch ein Kind. © Brinkhoff/Mögenburg Doch plötzlich ist es schon zehn nach elf und sie sagt: Ey, du musst ja spätestens um zwölf wieder drüben sein sonst gibt‘s die größten Nervereien denn du hast ja nur ’n Tagesschein Doch die Funktionäre sind noch unentschlossen diese „westliche Müllkultur“ sei nichts für die Genossen wann sehen die Herren endlich mal klar und bauen die Rock ’n’ Roll-Arena in Jena? (... oder bleibt die DDR in Sachen Kulturaustausch weiterhin die „Deutsche Desillusions Republik?“) © picture-alliance/dpa Dann ist es auch schon so weit ihr spürt, dass ihr gerne zusammen seid ... und ihr träumt von einem Rock-Festival auf dem Alexanderplatz mit den Rolling Stones und ’ner Band aus Moskau Ich würd’ so gerne bei euch mal singen meine Freunde in der DDR ’ne Panik-Tournee, die würd’s echt bringen ich träume oft davon, wie super das doch wär’ 23 Stark wie zwei (Biografie) Hoch im Norden „… hinter den Deichen bin ich gebor’n. Immer nur Wasser, ganz viele Fische, Möwengeschrei und Meeresrauschen in meinen Ohr’n“ („Hoch im Norden“). Na ja, ganz so prosaisch ist es nicht zugegangen, als Udo Lindenberg am 17. Mai 1946 in Gronau (Westfalen) zur Welt kam. Weit weg von seinem späteren Traum, als Kellner auf einem Kreuzfahrtschiff anzuheuern. Stattdessen Kellnerlehre in einem Hotel in Düsseldorf: Maloche, Ernüchterung und die Erkenntnis, dass er sich sein Leben doch anders vorgestellt hat. Schon früh ist kein Topf vor seinen Rhythmen sicher, und so trommelt er sich durch die Düsseldorfer Altstadtkneipen. Und natürlich besteht sein erstes Schlagzeug aus Benzinfässern, warum auch nicht, wenn der Rhythmus stimmt. Alles klar auf der Andrea Doria 1973 erscheint das Album „Andrea Doria“: „Bei Onkel Pö spielt ’ne Rentnerband seit 20 Jahren Dixieland. ’N Groupie hab’n wir auch, die heißt Rosa oder so und die tanzt auf’m Tisch wie’n GoGo-Go-Girl.“ Lindenberg erzählt Geschichten aus dem Leben, von urigen Typen und von Menschen, die anders sind, deren Geschichten so bisher keiner erzählt hat. Er malt mit sprachlichem Geschick Bilder im Kopf seiner Zuhörer, erweckt Figuren zum Leben. Mit „Andrea Doria“ kommt endlich der ersehnte Erfolg: Die Platte verkauft sich über 100.000 Mal und bringt ihm den ersten Millionenvertrag in der Geschichte des deutschsprachigen Rocks. Das Eis ist gebrochen. In der Folge bekommen auch andere Deutschrocker wie Stefan Waggershausen und Marius MüllerWesternhagen Plattenverträge. Daumen im Wind 24 Wir woll’n doch einfach nur zusammen sein Schon zu Beginn seiner Karriere denkt Lindenberg gesamtdeutsch. Willy Brandt hatte mit seiner neuen Ostpolitik und der Idee des Ich mach mein Ding Udo Lindenberg im Gespräch mit Bundeskanzler Helmut Schmidt, 1980 1982 beginnt erneut ein Wettrüsten zwischen den USA und der Sowjetunion. Die Angst vor amerikanischen und russischen Mittelstreckenraketen und einem atomaren Krieg treibt hunderttausende Menschen auf die Straße. Lindenberg ist von Beginn an mit dabei, tritt mit der Panikband bei Friedensdemonstrationen auf, wird schnell zu einem der prominenten Köpfe der Friedensbewegung. Und redet Klartext: „Weg mit dem Raketenschrott in Ost und West!“ Und er beschreibt die Situation treffsicher: „Wir sind auf Odyssee … und keiner weiß, wohin die Reise geht. Odyssee, weil der Wahnsinn am Steuer steht.“ („Odyssee“) Auf Odyssee „Kapitäne und Offiziere und Millionen blinde Passagiere. … Auf kugelsicheren Kommandobrücken kranke alte Männer an eisernen Krücken. Sitzen am Spieltisch, gierig und fett, spielen American Poker und Russisch Roulett.“ („Odyssee“) Schon früh beginnt Lindenberg, in größeren weltpolitischen Zusammenhängen zu denken, und macht sie neben den kleinen privaten Geschichten zum Gegenstand seiner Musik. Er knüpft Kontakte, trifft sich mit Politikern, die konkret Weltpolitik gestalten. Olof Palme, der schwedische Ministerpräsident, Willy Brandt und Helmut Schmidt, Kanzler der Bundesrepublik, gehören zu seinen Gesprächspartnern. Mit ihnen diskutiert er über Frieden und Abrüstung und versucht konkrete Initiativen auf den Weg zu bringen. „Vision ist mein Beruf und meine Berufung.“ (Lindenberg im dpa-Interview 2006) Und im Titel „Wozu sind Kriege da?“ legt er dem zehnjährigen Pascal eine Frage in den Mund, die genau so sehr viele Menschen umtreibt in dieser Zeit. Und er bleibt auch die Antwort nicht schuldig, wieder Klartext: „… oder geht’s da auch um Geld? Viel Geld für die wenigen Bonzen, die Panzer und Raketen bauen und dann Gold und Brillanten kaufen für ihre eleganten Frauen.“ © picture alliance/Jazz Archiv Hamburg „Ich bin soweit hier alles aufzugeben, ich will meine Träume nicht nur träumen, ich will sie auch erleben.“ („Daumen im Wind“) Sehr schnell wird ihm Düsseldorf zu klein. Er ist viel unterwegs, treibt sich in Südeuropa und Nordafrika herum, um dann 1968, mit Anfang 20, in Hamburg zu landen. Hier hat er beides: die „dicken Pötte“, von denen er immer geträumt hat, und eine lebendige Musikszene. Er arbeitet als Studio- und Gastmusiker und gründet ein Jahr später seine erste Band, „Free Orbit“. Die erste Platte erscheint, kein großer Erfolg, aber ein Anfang. Udo Lindenberg und das Panikorchester im „Onkel Pö“ in Hamburg, 1975 der Verkaufscharts – als erstes seiner Alben überhaupt. Ein selbst für ihn völlig unerwarteter Erfolg. „Als ich noch ein junger Mann war, saß ich locker irgendwann da, auf der Wiese vor’m Hotel Kempinski. Trommelstöcke in der Tasche, in der Hand ’ne Cognacflasche. … Nee, irgendwie, das war doch klar, irgendwann da wohn ich da.“ („Ich mach mein Ding“) Lindenberg hält Wort und zieht in Hamburg ins Hotel Atlantic Kempinski, wohnt dort über 17 Jahre lang. Nach mehr als 30 Alben, einem ganzen Regal voller Preise: u. a. Echo 1992, Goldene Kamera 2009 und Bambi 2010 für sein Lebenswerk, Jacob-Grimm-Preis für seinen kreativen Umgang mit der deutschen Sprache, hat er eigentlich alles erreicht. Aber es treibt ihn weiter vorwärts. Er beginnt zu malen, hat 1996 seine erste Ausstellung. Mit seinen „Likörellen“, Malereien, eingefärbt mit alkoholischen Getränken, macht er seinem Image alle Ehre. Inzwischen hängen seine Bilder im Kanzleramt. 2006 gründet er die „Udo Linden berg Stiftung“ mit dem Ziel, humanitäre und soziale Projekte zu unterstützen. Auch die Förderung junger Nachwuchstalente mit deutschen Texten steht auf dem Plan. Und 2008 erscheint nach längerer Pause sein neues Studioalbum und belegt den Platz eins Nach längerer Pause: Stark wie Zwei, 2008 Foto: Sven Sindt, upfront Grafik: Katja Huebner, Kommune Art Hinterm Horizont geht’s weiter „Hinterm Horizont geht’s weiter, ein neuer Tag. … Das mit uns geht so tief rein, das kann nie zu Ende sein.“ („Hinterm Horizont“) Nun also, 2011‚ HINTERM HORIZONT als Krönung seiner Karriere. „Wir wollten ein Musical schaffen, das Millionen Rockexperten besuchen, … die sich erinnern an ihre Biografie in der ehemaligen DDR oder auch im Westen, an die Zeit des Kalten Krieges … Ein Stück Zeitgeschichte eben, auch für junge Leute.“ (Lindenberg im Gespräch mit Arno Köster, 2010) Das Musical ist schon jetzt das erfolgreichste in der Geschichte der Stage Entertainment in Berlin. Mal sehen, was er als nächste Überraschung aus dem Hut zaubert. ( N S. 48) Mit dem Sonderzug nach Pankow Nein, er kommt nicht mit dem Sonderzug, sondern mit dem Taxi zu seinem Konzert nach Ostberlin im Oktober 1983. Auch hier wieder Klartext: „Nirgendwo wollen wir auch nur eine Rakete sehen. Keine Pershings und keine SS 20.“ Die DDR-Tournee 1984 fällt aus. Mit Lindenberg und seinen klaren ©Brinkhoff/Mögenburg Udo Lindenberg live in Hamburg, 1980 „Wandels durch Annäherung“ auf der politischen Ebene den Weg bereitet. Lindenberg erzählt im „Mädchen aus Ostberlin“ die Geschichte weiter: „Stell Dir vor, Du kommst nach Ostberlin, und da triffst Du ein ganz heißes Mädchen …“, und er hat eine Vision: „Ich hoffe, dass die Jungs das nun bald in Ordnung bringen, denn wir woll’n doch einfach nur zusammen sein.“ Diese Vision setzt sich in seinem Kopf fest. Er wird daran beharrlich weiterarbeiten, bis 1989 die Mauer fällt und die Geschichte ihm Recht gibt. © Kristina Eriksson © picture-alliance/Jazz Archiv 1972 dann der mutige Schritt zu deutschen Texten: Das Album „Daumen im Wind“ erscheint. Auch kein Verkaufsschlager, aber der Titel „Hoch im Norden“ wird in Norddeutschland im Radio rauf und runter gespielt. Vielleicht geht doch was, mit deutschsprachiger Musik, die kein plattes Schlagergedudel ist. Worten sind die Genossen ganz offensichtlich überfordert. Ein weiterer Karrierehöhepunkt: das Musical HINTERM HORIZONT, 2011 25 "Den Menschen leben lassen, wie er es für richtig hält“ Im Rahmen meiner Möglichkeiten, mit Kultur. Lieder schaffen ein Klima, in dem bestimmte Blüten wachsen können. Die LISUM-Redakteure Michael Retzlaff und Herbert Weber am 2. August 2011 im Gespräch mit Udo Lindenberg Ein Kritiker hat gesagt, „Mädchen aus Ostberlin“ wäre der kulturelle Beitrag zur Entspannungspolitik gewesen. Zu Willy-Brandt-Zeiten haben wir auch schon gedacht, wir aus Politik und Kultur müssten Hand in Hand zusammengehen. Und zu Willy hatte ich einen sehr guten Draht. Uns hat die Einspielung der historischen Filmsequenzen sehr beeindruckt. Die Leute sagen: Das ist unsere Story, unsere Biografie. Wir erinnern uns an das ganze Leid und die ganze Freude. Wir erfahren jetzt noch viel über die DDR und die unglaublich brutale Form der Stasi, wenn wir uns nach der Show mit Zuschauern unterhalten. Der Autor Thomas Brussig hat einen Teil seiner eigenen Geschichte mit ins Skript geschrieben. Er stand vor dem Palast der Republik während des Konzerts 1983 und kam nicht rein. Wie ist es euch gelungen, die deutsche Teilung korrekt zu beschreiben? Das ist ein großes Verdienst von Thomas Brussig, der das alles kannte, denn wir kannten es nur aus der Ferne. Weil es jetzt so authentisch und trotzdem locker erzählt ist, erreicht es viele Leute. Thomas macht das nicht mit Belehrungen, es sind viele Jokes dabei. Viele Ereignisse, die eigentlich sehr traurig sind, werden ironisch aufgelöst. Das Musical wirkt emotional. Die 26 Leute sitzen da mit Tränen, auch mit Freudentränen. Viel Begeisterung entsteht aus der Musik. Ich bin oft beim Ensemble in Berlin. Dann gehen wir auf die Bühne und rocken – und die Leute gehen ab wie die Zäpfchen. Die müssen dann die Hallendecke abschrauben – es ist fast wie in einem Rock ’n’ Roll-Konzert. © Tine Acke HINTERM HORIZONT ist ein unglaublicher Kassenrenner. Haben Sie das so erwartet? Udo: Nicht, dass es ein so großer Erfolg wird. Wir waren Leute, die nicht vom Musical kamen: Der Regisseur Ulrich Waller vom Theater, der Autor Thomas Brussig vom Film und ich von der Rockmusik. Die Symbiose auch mit den Experten von Stage Entertainment hat nun ein Stück besonderer Art hervorgebracht, das nicht so einfach vergleichbar ist mit den gängigen Musicals. "Wir haben das Musical ,Billy Elliot‘ gesehen und merkten: Ein Musical mit politischem Hintergrund - das geht.“ Schon seit dem Lied „Mädchen aus Ostberlin“ 1973 beschäftigten Sie sich mit dem Thema deutsche Teilung und wollten unbedingt auch in der DDR auftreten. Woher kam dieses Interesse für die DDR, für die sich damals kaum ein anderer westdeutscher Künstler interessiert hat? Ich wusste, dass ich da viele Freunde hatte. Viele standen auf meine Songs, und zwar richtig. Und da habe ich gedacht, es ist doch blöde, wenn ich immer einen Teil von Deutschland ausklammere. Auch wenn wir da keine Platten verkauften, das war egal. Das war so eine Art Lovestory mit den Fans, für die ich etwas tun wollte. Da kamen auch Anregungen für Texte her? Von Willy Brandt, ja. Und auch aus der Nord-Süd-Kommission mit ihm und Olof Palme. Wir haben uns gedacht, wir müssen irgendwie die Hochrüstung stoppen, und deshalb fand ich mein Konzert damals auch richtig im Palast der Republik. Ich wurde ja viel kritisiert, ich hätte mich für den kommunistischen Gottesdienst vor den Karren spannen lassen. Die Ministranten waren ja anwesend. Ja, die Ministranten waren alle da. Ich hatte zur Bedingung gemacht, dass das Konzert auch live in der Glotze läuft. Und außerdem bekam ich meine Tourneezusage durch die DDR. Ich bin ja auch an den Kontrollen vorbei rausgeflitzt und saß auf den Schultern von richtigen Fans. Was war denn das beeindruckendste Erlebnis für Sie an diesem Tag? Die Begegnung mit dem Chormädchen. Denn auch innerhalb des Palastes der Republik war ich ein wenig unterwegs. Ich hab’ einen schnellen Schuh und bin den Stasi-Kontrollettis entwischt. Wurde das Mädchen auch überwacht? War da auch die Stasi involviert? Ja, die Familie war sehr stramm für die DDR, und sie haben das Mädchen sehr unter Druck gesetzt. Mit so einem Rocker, der da rum- zaubert, das hatte in deren Augen natürlich keine Perspektive, und sie arrangierte sich dann, wie das viele in der DDR getan haben. So war dann Ruhe. Wir haben das im Theater natürlich ein wenig überhöht. Haben Sie sich gedacht, dass Ihre klaren Worte während des Konzertes gegen die SS20-Raketen Sie die Tournee durch die DDR kosten könnten? Nein, dass die den Vertrag brechen, damit habe ich nicht gerechnet. Dass es ein Tabu ist, die „Friedensrakete“ SS20 auch zu kritisieren, war klar. Ehrlich gesagt, ist aber beides Schrott, Pershing und SS20. Es war genau richtig, das zu sagen. Für die Absage gab es aber sicher mehrere Gründe, vor allem aber einfach die Angst des Apparates vor Unruhen. War Ihnen klar, dass die Stasi immer mitliest und alles kon trolliert, was Sie tun? Nein, dass es eine so dicke StasiAkte von mir gibt, wusste ich nicht. Was die für Arbeit und Zeit investiert haben in die Observation von „Nachtigall“! Die hatten Angst vor Rock ’n’ Roll. Diese Musik ist der Nährstoff für Aufruhr und Panik und dann noch die Texte und Udo dazu. Das ist uns zu riskant, haben die gedacht. Da kommen dann wirklich Hunderttausende in die Stadien, ziehen danach durch die Straßen und protestieren für Presse- und Reisefreiheit. Das können wir nicht mehr unter Kontrolle halten. Wann und wodurch haben Sie von Ihrer Stasi-Akte erfahren? Ich glaub’ von Journalisten nach dem Mauerfall. Dann hat „Nachtigall“ gesagt, check das mal. Ich fand es irgendwie amüsant, aber auch erschreckend, wie ernst die das genommen haben. Es wurden ja viele Jugendliche festgenommen und kamen zur „Belehrung“ in den Knast. Das haben Sie aber nicht mitgekriegt? Nein, das wusste ich nicht. Wenn da jemand den „Sonderzug“ gehört hat, ging er in den Bau und wurde belehrt, dass es unser Staatratsvorsitzender nicht nötig habe, eine Lederjacke anzuziehen, sich heimlich auf dem Klo einzuschließen und da Westradio zu hören. Das war eine richtige Belehrung aus einem Stasi-Text. Bilder zum Thema und Auszüge aus Stasi-Akten hängen übrigens aus im Stage Theater am Potsdamer Platz. "Ich wollte mit dem Chormädchen noch ein wenig feiern und dann hie es, die Band muss um 22.00 Uhr wieder rüber. Es war so unsinnig, dass ich gehindert wurde, Freundschaft zu entwickeln zu einem Menschen, den ich mag.“ Wie waren denn für Sie die Tage nach dem Mauerfall? Es war die schönste Party meines Lebens. Sie ging mindestens drei Tage oder länger. Es gab viel Sekt und Umarmungen. Ich habe mich unter die Leute gemischt, aber auch ein wenig getarnt. Wenn sie mich erkannt hätten, wäre es zu stressig geworden. Wenn dich tausend Leute gleichzeitig umarmen, dann bleibt dir die Luft weg. Ja, es war fantastisch ... Und viele Freudentränen. Sie haben als einer der ersten Rockmusiker deutsch gesungen, haben sich mit der deutschen Teilung beschäftigt, dichten selbst in deutscher Sprache. Welche Beziehung haben Sie zu Deutschland, was wünschen Sie dem Land? Wir sind Vermächtnisträger unserer Kultur. Die Emigranten, die vor dem Nazi-Terror flüchten mussten, Brechts Lieder gegen den Krieg, Hesses Texte. Soll das alles umsonst gewesen sein? Nein, wir sollten das wieder entdecken. Wegen der unfassbaren Verbrechen im Zweiten Weltkrieg wünsche ich mir, dass wir friedenspolitisch die totalen Pioniere sind, Menschen rechte fordern und nicht schlaff am Rande stehen. Wenn man mich in Frankreich aufs Feld gebeamt hätte und nicht in das kleine Städtchen Gronau, würde ich das alles wahrscheinlich in Französisch machen. So bin ich aber nun mal in die deutsche Geschichte reingewachsen. Manche Zuschauer aus der früheren DDR sagen, das Land würde im Musical zu klischeehaft gezeigt. Wir wollten erst mal das Interesse wecken, sich mit so was zu beschäftigen. Sonst sagen manche, das ist Geschichte, langweilig und vorbei. Denn nur, wer weiß, woher er kommt, kann auch bewusster und klarer in die Zukunft gehen. Solche Stücke sind Brückenbauer. Außerdem gibt das Stück Motivation, sich einzuschalten und nicht Mitglied einer stummen Armee zu werden. Eine stumme Armee, die durch ihre Passivität alle Verbrechen trägt, die es ja auch heute noch gibt. Was können die Schülerinnen und Schüler aus dem Musical mitnehmen? Was können sie lernen? Sie lernen, dass es für Menschen unwürdig ist, wenn sie sich nicht von unten einmischen können oder wollen. Wenn die von oben dir erzählen, wie du zu leben hast. Keine Behörde und kein System kann Menschen ihr Leben vorschreiben. Auch nicht autoritäre Lehrer. Man lernt, dass man sich vor jedem Individuum, wenn es nicht irgendwie grobe Scheiße baut, erst mal verneigen sollte und den Menschen leben lässt, wie er es für richtig hält. Niemand sollte pauschal sagen, Geschichte oder Politik ist langweilig. Es ist alles Geschichte und Politik. Ich kann jetzt meine Musik, meine Meinung, mein Leben feiern. Aber eine Gesellschaft bleibt nicht so tolerant, wenn immer mehr Leute aus der Politik aussteigen. Dann machen es irgendwann andere, die unsere Rechte einschränken. 27 Beobachtungsaufgaben © Foto: Brinkhoff/Mögenburg, bea: Silke Kecke Bitte wählen Sie vor der Betrachtung des Musicals eine Beobachtungsaufgabe aus. Untersuchen Sie diesen Aspekt während des Musicals genauer. Machen Sie sich Notizen dazu. Lassen Sie später in der Klasse erst die Mitschüler auf Ihre Frage antworten. Tragen Sie dann Ihre eigenen Beobachtungen vor. Beschreiben Sie in Stichworten, was die Dokumentaraufnahmen zeigen, die während des Musicals – am Anfang, in der Mitte und am Ende – eingestreut werden. Was und wen erkennen Sie, wozu haben Sie Fragen? Aktivierung von Vorwissen und Einstiege Die weiterführenden Materialien finden Sie auf www.musicals.de/schulklassen. 1. Vorwissen und Fragen Gruppenarbeit: Vier große Papier bögen liegen auf vier großen Gruppentischen. Auf den Bögen stehen die Themen: DDR, Stasi, Berliner Mauer, Udo Lindenberg. Die Klasse ist in vier Gruppen eingeteilt. Jede/r aus der Gruppe schreibt sein Wissen zu dem jeweiligen Thema oder Fragen dazu auf den Papierbogen. Die Gruppen wechseln vier Mal von Tisch zu Tisch, bis sie zu ihrem Ausgangstisch zurückkehren und die endgültigen Ergebnisse dem Plenum vortragen. Es können sich Frage-Antwort-Dialoge auf den Plakaten entwickeln. 2. Musicalplakat Partnerarbeit: Bitte schauen Sie sich das Plakat an und stellen Sie Fragen zur Bedeutung des Spielund des Handlungsortes, der Titel, Themen, Farben, der abgebildeten Figuren, Symbole, Schriften. Lassen Sie Ihren Partner Ihre Fragen beantworten, Sie beantworten seine. Diskutieren Sie dann die Antworten. 28 3. Video zum Musical Schauen Sie sich das Video zum Musical an. Nach einer zweiten Sichtung suchen Sie bitte nach Antworten auf folgende Fragen: Wann und wo spielt es? Was für ein Polizist fragt warum nach dem Ausweis des jungen Mannes? Wie steht der Taxifahrer zum Fahrgast? Was drücken Requisite und Szenenbild aus (Autos, Schauplätze, Zimmereinrichtung)? Was sagen Hemd und Hintergrund über das Mädchen aus? Was hat der ständig auftauchende Fernsehturm mit dem Schauplatz und der Beziehung zu tun? Udo Lindenberg schaut sich auf dem Hotelbett alte Fotos an – in welcher Verbindung steht das zur Liebesgeschichte? Was kann man über die Farben im Restaurant sagen? Warum geht der junge Mann einfach weg? In welcher Beziehung steht das Lied zur Geschichte? 4. Sprechblasenbild Stellen Sie Fragen zu dem Bild oben und überlegen Sie Antworten. Finden Sie eine Überschrift. Füllen Sie dann die Sprech- und Denkblasen aus. 5. Libretto Gruppenarbeit: Schauen Sie sich bitte den Textauszug aus dem Libretto an, in dem das FDJ-Mädchen Jessy Udo Lindenberg trifft. An welchen Stellen des Stücks tauchen – im Bild, als Figur oder nur im Ton – Willy Brandt, Walter Ulbricht, Erich Mielke und Erich Honecker auf? Recherchieren Sie zuvor zu diesen Politikern (siehe auch den Beitrag „Geschichte der DDR“, Seiten 8 und 9). Worin unterscheiden sich Steve und dessen Vater Marco? Welche Konflikte gibt es in der Familie von Steve, seinem Vater Marco und Jessy Schwarz? Überlegen Sie in verschiedenen Kleingruppen, wer die Figuren sein könnten und was sie motiviert. Proben Sie die Szene mit vier Darstellern, wie sie auch im Musical ablaufen könnte. Die Gruppen zeigen dann ihre Szenen vor der Klasse. Nach der Vorführung können die Figuren von der Klasse über ihre Motive und Gedanken befragt werden. In welcher Beziehung steht Jessys Vater zu Marco und zu seinem Sohn Elmar? 6. Fragen ans Stück Notieren Sie bitte während des Musicals Fragen zu Begriffen, Ereignissen, Personen oder Anspielungen, die Sie nicht verstehen oder nicht kennen. Warum ist Elmar Lindenberg-Fan? Was geschieht mit ihm in der DDR? Warum flieht er in den Westen – und wie ergeht es ihm dort? Beschreiben Sie, wie sich Marcos Gefühle und seine Haltung zur DDR im Laufe des Musicals ändern. Woran erkennt man das? Was ist an Marcos Rolle sympathisch, was nicht so sympathisch? An welchen Stellen werden Duette gesungen – mit welcher Bedeutung für die Beziehung der Sänger? Wo gibt es welche sexuellen Anspielungen in dem Stück? Listen Sie diese auf! Welche Rolle spielen Drogen und Medikamente in dem Stück? Wie viele und welche Vater-SohnKonflikte gibt es in dem Stück? Wie verändern sich die Mauer, deren Funktion und Bedeutung, im Laufe des Stückes? Wodurch wird die Liebesbeziehung zwischen Udo Lindenberg und Jessy gefährdet? In welchem Dialekt spricht Jessys Familie? Wer spricht noch welchen Dialekt? Warum? Warum stellt Jessy einen Ausreiseantrag, warum zieht sie ihn wieder zurück? Wie bewegen sich die Figuren im Stück (Udo, Steve, Jessy, Elmar, Jessys Vater, Marco, die Stasi-Männer, die Soldaten, der General)? Wo sind die größten Unterschiede? An welchen Stellen im Stück, wie und warum werden Briefe von DDR-Bürgern verschlüsselt? Warum kommt die „Rock ’n’ RollArena von Rostock bis nach Jena“ nicht zustande? Welches Verhältnis hatte Udo Lindenberg zu seinen Fans in der DDR? Warum will er dort ein Konzert geben? Wann und warum hört man welche Lieder durcheinander oder Rhythmuswechsel in einem Lied? Was erfährt man von der Biografie, dem Lebensstil und dem Charakter Udo Lindenbergs? An welchen Stellen im Stück werden welche Geschichten mit oder während Tänzen erzählt? An welchen Stellen werden der Lebensstil und das Star-Dasein Udo Lindenbergs ironisch auf die Schippe genommen? Welche Haltung nehmen Jessys Vater und ihre Mutter in Bezug auf die DDR ein? In welchen Szenen wird Udos Hut heruntergelassen? Welche Konflikte gibt es in der Familie von Jessy, Elmar, Vater, Mutter und Marco? Wann finden die einzelnen Ereignisse statt? Erstellen Sie eine Zeitleiste der Musicalszenen. Welche Aufgaben haben die beiden Herren im Trenchcoat? Woher kommen Sie? Welche unterschiedlichen Rollen spielen sie? Mit welchen dramaturgischen Mitteln schafft das Musical den Übergang zwischen den Zeit ebenen? Was könnten die Stasi-Leute Krause und Patschinski beobachtet und dann in die acht Meter hohen Akten des MfS (Ministerium für Staatssicherheit) über Udo Lindenberg geschrieben haben? 29 Szenenübersicht Rock ’n’ Roll („Boogie-WoogieMädchen“). 3. Jessy, das FDJ-Mädchen, und ihre Familie (1983) Prolog: Das Trauma der deutschen Teilung Mauerbau (Videoprojektion) („Mädchen aus Ostberlin“) 1. Finden Sie das "Mädchen aus Ostberlin“! Mareike, Redakteurin einer großen Zeitung, erhält von ihrem Chefredakteur Dr. Werner den Auftrag, das Mädchen aus Ostberlin zu finden. Er wittert hinter der Geschichte den ganz großen „Aufmacher“. Im Archiv gibt es ein Foto von Udo und einem unbekannten Mädchen. Die Suche beginnt. 2. Jessy, das Mädchen auf dem Foto (2011) Jessy, das Mädchen auf dem Foto von damals, ist heute 44 und lebt mit ihrem Mann Marco und ihrem Sohn Steve zusammen. Die Redakteurin Mareike kommt zu Besuch. Jessy erzählt von damals und von ihrer Begeisterung für den Wir lernen Jessy, 16 Jahre alt und FDJ-Mädchen, ihren Freund Marco, ihren Bruder Elmar und ihre Eltern kennen. Elmar ist großer Lindenberg-Fan. Jessy wird im Palast der Republik mit dem FDJ-Chor auftreten. Sie träumt von einem Leben voller Abenteuer („Ich träum’ oft davon, ein Segelboot zu klaun.“). 4. Udo kommt nach Ostberlin (Videoeinspielung) 25. Oktober 1983. Udo kommt nach Ostberlin, zu seinem Konzert im Palast der Republik. Er begrüßt seine Fans. Er wünscht sich eine „Begegnung von Mensch zu Mensch, ohne Plan, ganz spontan“. 5. Udos Konzert im Palast der Republik Der FDJ-Chor stimmt die Friedens ode an. Udo rockt den Palast („Odyssee“). Jessy und Udo kommen sich nach seinem Auftritt näher („Bis ans Ende der Welt“). Draußen vor dem Palast wird Elmar von der Polizei niedergeprügelt und festgenommen. 6. Jessy und Elmar schwärmen von Udo (1983) Jessy schwärmt von Udo. Elmar versucht, seinen Vater von seiner Leidenschaft zu überzeugen („Ich 14. Die "Operation Lederhose“ scheitert bin Rocker“). Beide träumen von einem anderen Leben („Gegen die Strömung, gegen den Wind“). Das Casting für das LindenbergDouble geht voll in die (Leder-) Hose („Reeperbahn“, „Sonderzug nach Pankow“). Und auch die Gastspielreise von Udo L. durch die DDR wird abgesagt. 7. Im Ministerium für Staats sicherheit Der Minister sieht die revolutionäre Wachsamkeit der Jugend in Gefahr („Straßenfieber“). Ein systemtreues Double für Udo L. muss her. Die „Operation Lederhose“ beginnt. 15. Elmars Ballonflucht (Videoprojektion) Elmar fliegt mit einem Ballon über die Sperranlagen hinweg nach Westberlin („Daumen im Wind“). Jessy versucht ihn aufzuhalten – vergeblich. 8. Jessy will Udo wiedersehen Jessy hat Udo einen Liebesbrief geschrieben. Elmar bietet ihr an, den Brief am Tränenpalast, dem Übergang nach Westberlin, einem Westler zuzustecken. Pause 16. Unser Vaterland DDR (Videoprojektion) 9. Die missglückte Briefübergabe am Tränenpalast 17. Elmars Anruf aus Westberlin Choreographie. Beim Versuch der Übergabe wird Elmar von den Stasi-Leuten Krause und Patschinski fotografiert. Die Übergabe scheitert. Elmar ruft aus Westberlin an. Sein Vater will mit dem „Verräter“ nichts zu tun haben. Durch eine verschlüsselte Nachricht erfährt Jessy von Udos Gastspiel in Moskau. 10. Elmar wird inhaftiert (Videoprojektion) 18. Udo auf dem Roten Platz in Moskau Elmar wurde bei der versuchten Briefübergabe verhaftet und kommt ins Gefängnis der Staats sicherheit in Hohenschönhausen. Große Tanzchoreographie mit Russen, Tänzerinnen, Kosaken. Udo tanzt über den Roten Platz und singt von „Olga von der Wolga“ („Moskau“). 11. Besuch von der Staats sicherheit Die Stasi-Männer zwingen Jessy, eine Verpflichtungserklärung als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) zu unterschreiben. Sie soll Udo L. ausspionieren. Wieder allein, trauert Jessy um ihre verlorene Liebe zu Udo („Verbotene Stadt“). 12. Gitarren statt Knarren 13. Elmars Entlassung (Videoprojektion) Nachdem Jessy unterschrieben hat, wird Elmar aus dem StasiKnast entlassen. Elmar hat das System nun endgültig satt. 30 Fotos: © Brinkhoff/Mögenburg Choreographie. Mit Gewehren bewaffnete Soldaten gegen Tänzer mit Gitarren. 20. Im Schatten der Mauer Jessy ist schwanger und schwärmt von der gemeinsamen Zukunft mit ihrem Kind, das auch Udos Kind ist („Alles, das bist du für mich“). 21. Eine Lederjacke für Honni (Videoprojektion) Udo hat ein Geschenk für Honni, eine Lederjacke. Die überreicht er ihm – verbunden mit dem Wunsch nach einem Kulturaustausch über alle gesellschaftlichen Unterschiede und die Mauer hinweg. 22. Die Staatssicherheit macht Druck Mit Psychodruck und körperlicher Gewalt versuchen die Stasi-Männer Jessy zur Rücknahme ihres Ausreiseantrags zu bewegen. Jessy ist verzweifelt („Wenn du durchhängst“). 23. Montagsdemonstrationen (Videoprojektion) Ausreisewelle über Ungarn, die besetzte Prager Botschaft, Genscher auf dem Balkon. 24. "Wir sind das Volk!“ Choreographie. Demonstranten in der Auseinandersetzung mit der Staatsgewalt. Das Volk gewinnt den ungleichen Kampf. 19. Das Wiedersehen in Moskau 25. Am Abend des 9. November 1989 Jessy und Udo haben die Nacht zusammen verbracht („Hinterm Horizont“). Staatssicherheit und KGB haben die beiden im Hotel aufgespürt. Wenig später werden sie von den Stasi-Leuten auseinandergebracht. Jessy ist vor der Gewalttätigkeit ihres Mannes Marco zu ihren Eltern geflüchtet. Plötzlich Unruhe im Haus. Die Mauer ist gefallen! Jessy und ihre Mutter brechen sofort auf, vielleicht treffen sie drüben ja Elmar. 26. Udos Konzert in der Deutschlandhalle Videoprojektion Mauerfall. Udo begrüßt die Besucher aus der DDR („Seid willkommen in Berlin“). 27. Wiedersehen und Abschied Endlich kann Jessy noch einmal mit Udo sprechen. Udo lässt sie stehen. Ein Abschied für immer („Ich lieb dich überhaupt nicht mehr“). 28. Die Wahrheit kommt ans Licht (2011) Die Rückblende ist beendet. Jessy hat Mareike ihre Geschichte erzählt. Steve, Jessys Sohn, ist ein ziemlich rebellischer junger Mann. Erst jetzt erfährt er, wer wirklich sein Vater ist („Alles ist im Arsch“). 29. Udos Hotelzimmer im "Atlantic“ (Videoprojektion) Mittag. Udo wird vom Telefon geweckt und in die Hotelbar gerufen. Manchmal sehnt er sich nach den alten Zeiten zurück, als er noch ein „Mr. Nobody“ war. 30. Wiedersehen in der Bar des Hotels "Atlantic“ Udo singt von seinen ersten Jahren in Hamburg („Andrea Doria“). Jessy und Steve tauchen auf. Jessy kann Udo davon überzeugen, dass sie ihn damals nicht an die Stasi verraten hat („Was hat die Zeit mit uns gemacht“) – und Steve lernt endlich seinen Vater kennen („Eigentlich bin ich ganz anders“), („Hinterm Horizont“ – Reprise). Finale Grande Im „Atlantic“ steigt eine Riesenparty („Ich mach mein Ding“). 31 Die Figuren und ihre Beziehungen Schon bei der ersten Begegnung funkt es zwischen Udo und Jessy. Jessy Schmidt, das „Mädchen aus Ostberlin“, verliebt sich 1983 bei einem Konzert im Palast der Republik in Udo Lindenberg. 20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer ist es Zeit geworden, ihr Familiengeheimnis zu lüften. Achtziger Jahre Im Zentrum der Geschichte steht die Liebesgeschichte von Jessy und Udo, die – wie die beiden Königskinder, wie Romeo und Julia und andere berühmte Paare der Literatur – nicht zusammenkommen können. Auf ihre Liebe nehmen sehr unterschiedliche Personen Einfluss: Während Jessys Bruder Elmar sie versteht und unterstützt, sind Jessys Eltern der Ansicht, dass sich die Tochter den in der DDR geltenden Regeln unterordnen und deshalb auf Udo verzichten sollte. Sie sähen es gern, wenn Jessy und Marco zusammenkämen, denn Marco ist ein vielversprechender Udo Lindenberg, Rocksänger und rebellischer Verfechter freiheitlichen Denkens und friedlichen Zusammenlebens von Ost und West, verliebt sich im Palast der Republik in Jessy. Er träumt davon, Jessy bei seiner „Rock ’n’ RollArena von Rostock bis Jena“ wiederzusehen. Sportler – ein Hammerwerfer, den Jessys Vater für die Olympischen Spiele trainiert. Doch darüber kann Jessy nur lachen: Mit Marcos Hammer lässt sich ja nicht mal ein Nagel in die Wand schlagen. Eine These, die allerdings zu beweisen wäre … Marco ist in Jessy sehr verliebt, so sehr, dass er fast alles für sie täte. Manches vielleicht halbherzig, wie sein Widerspruch gegen die Methoden der Stasi, anderes dagegen mit allen Konsequenzen, wie seine Heirat und die Übernahme der Verantwortung für Jessys Sohn Steve. Jetztzeit Marco ist heute, 23 Jahre nach Steves Geburt, immer noch mit Jessy verheiratet. Er hat sich selbstständig gemacht und ist ein typischer Vertreter der bürgerlichkapitalistischen Lebensform geworden. Wie im Verlauf der Story zu erfahren ist, hat er seinen Traum vom Olympiasieg nie realisieren können. Fotos: © Brinkhoff/Mögenburg Die Liebesgeschichte von Jessy und Udo gehört in der Jetztzeit einer Vergangenheit an, über die niemand mehr sprechen möchte. Was mittlerweile zählt, ist die Kleinfamilie von Jessy, Marco und Steve, Jessys erwachsenem Sohn. Die heutige Jessy, die Marco nie liebte, hat ihre Lebendigkeit verloren. Sie ist in die Rolle der be- Randfiguren Die Rahmenhandlung bildet den Aufhänger für die Story. Sie verbindet aber auch Jessys Jugendgeschichte mit der Geschichte ihres Sohnes Steve. Ausgelöst durch die junge Reporterin Mareike und ihren Chefredakteur Dr. Werner, wird die Vergangenheit aufgerollt und zu einem neuen Ende geführt. Diesen beiden Personen ist keine besondere Charakterisierung zugeschrieben, sie verhalten sich so, wie man sich Vertreter der Boulevardpresse vorstellt. Krause und Patschinski sind als Stasi-Offiziere maßgeblich dafür verantwortlich, dass aus Jessys Liebesgeschichte ein deutschdeutsches Drama wird. Auch sie entsprechen der typischen Vorstellung, sind also Klischeecharaktere. Vor allem dienen sie der Dynamik der Handlung. Jessys Eltern und Marco können nicht nachvollziehen, wonach sich Elmar und Jessy sehnen. 32 Elmar Schmidt, Jessys Bruder, ist ein großer Fan von Udo Linden berg und dem Panikorchester. Sein Panikgürtel, den er als Schlosser geschweißt hat, ist dafür nicht der einzige Beweis. Elmar folgt seinem Idol auch in den Gefühlen und im Verhalten und handelt sich enormen Ärger ein. Udo und Steve checken ab, ob sie Gemeinsamkeiten haben – gefühlsmäßig und musikalisch, textlich. „Ich bin Rocker“: Elmar erklärt seinen Eltern, Jessy und Marco, weshalb ihm Udo L. so wichtig ist. sorgten Mutter geschlüpft und hat mittlerweile das Gefühl vergessen, das sie selbst 1983 umtrieb und zu gewagten Aktionen ermutigte. Marco ist der klassische Familienvorstand und -ernährer. Leidenschaften oder Sehnsüchte anderer versteht er heute ebenso wenig wie Mitte der 1980er Jahre. Seine sportliche Enttäuschung sitzt tief, sein Sportgeschäft und ein Mittelklassewagen scheinen inzwischen die einzigen Träume zu sein, die Marco noch hat. Steve, der sein Leben mehr oder weniger im Rausch verbringt und als Rapper in den Clubs erfolgreich ist, hinterfragt die Resignation seiner Eltern und ihr Alltagsverhalten nicht. Er zieht sich raus aus der Familie und macht sein eigenes Ding. Wenn es Jessy oder Marco wagen, sein Verhalten zu kritisie- ren, zieht er sich zurück oder wirft den beiden Langweiligkeit vor. Udo lebt sein Leben immer noch überwiegend nach Lust und Laune. Hintermänner und Rebellen Eine große Zahl anonymer Personen spielt für die Geschichte eine wichtige Rolle. Denn auch Stasi, Polizei, Demonstranten, Fans und selbst Touristen nehmen Einfluss auf Jessys Liebesgeschichte. Auf Seiten der Staatsmacht stehen unter anderem die Auftraggeber von Krause und Patschinski mit ihren Offizieren, Experten und Volkspolizisten. Auf Seiten der Protest bewegung stehen Fans von Udo als Beispiele für die Bürger der DDR, die sich nicht unterdrücken lassen und gegen Willkür aufbegehren. Stellvertretend stehen sie für all jene, deren Hartnäckigkeit zum Fall der Mauer führte. Aufgaben 1. Zeichnen Sie ein Soziogramm von Jessys Familie der achtziger Jahre. Setzen Sie die Personen in Beziehung und ordnen Sie den Beziehungsstrukturen emotionale Begriffe zu. Setzen Sie anschließend Udo und Marco und deren Bezüge zu den einzelnen Personen in das Soziogramm ein. Erläutern Sie ihren symbolischen Stellenwert für die Familienkonstellation. 2. Diskutieren Sie, welchen Stellenwert Jessys Bruder Elmar, ihre Eltern Rüdiger und Marlies, ihr späterer Ehemann Marco und ihr Sohn Steve im Musical haben. Was erfahren Sie über ihr Leben außerhalb der eigenen vier Wände? 3. Zeichnen Sie ein Soziogramm von Jessy damals und heute als Teil der Gesellschaft. Gruppieren Sie sie zu ihrer FDJ-Singegruppe, zu Krause und Patschinski, deren Auftraggebern, zu Udo, seiner Band, zur Protestbewegung und – für die Jetztzeit – zur Boulevardreporterin Mareike etc. Benutzen Sie farbige Markierungen, um Bezüge von privatem Erleben und politischem/öffentlichem Eingreifen zu kennzeichnen. Erläutern Sie die Darstellung dieser Bezüge im Musical. 4. Schreiben Sie einen kurzen fiktiven Lebenslauf zu einer Figur Ihrer Wahl. Benutzen Sie dazu Informationen aus der Story. 33 Zur Dramaturgie des Musicals Ein Musical wie HINTERM HORI ZONT lässt sich nur schwer in ein klassisches dramaturgisches Korsett zwängen. Mit seiner geschichtlich-politischen Dimension erzählt es einerseits eine Geschichte der jüngsten deutschen Vergangenheit und nutzt die Songs von Udo Lindenberg zur emotionalen Verstärkung von Ereignissen oder Beziehungssystemen, auf der anderen Seite entsprechen Bühnengestaltung, Choreographien und der Einsatz von Musik und Licht einer modernen Bühnen-Rockshow. Dennoch lassen sich die einzelnen Elemente des Musicals klassischer Dramaturgie zuordnen: von der Exposition, die vom ersten Ton der Musik an mit Videoprojektionen ein Zeichen setzt, welche emotionale und politische Dimen sion zu erwarten ist, über die Rahmenhandlung, die historisch den Bogen zwischen den Zeiten spannt, bis zur Haupthandlung, einer Liebesgeschichte mit Hindernissen, Gefahren, Erfüllung und Enttäuschung, und dem Finale, das mit der veränderten Grundsituation neue Perspektiven eröffnet. Ulrich Waller, Regisseur des Musicals HINTERM HORIZONT, ist seit 1979 Regisseur und Dramaturg, u. a. war er am Hamburger Schauspielhaus und am Frankfurter TAT tätig. Er arbeitete als Intendant an den Hamburger Kammerspielen und übernahm 2003 diese Position im St. Pauli Theater in Hamburg. Waller inszenierte zeitgenössische Stücke und Klassiker des Unterhaltungstheaters. Er schrieb und inszenierte zahlreiche Kabarettabende für Bühne und Fernsehen. Seit 1990 begleitet er für den NDR den Prozess der deutsch-deutschen Einigung mit der alljährlichen Sitcom „Heimatabend“. Mit Udo Lindenberg arbeitete Ulrich Waller zusammen an der Revue „Atlantic Affairs“ (2004) und an den Shows „30 Jahre Panikorchester“ und „Stark wie Zwei“. ■■ Die Songs und ihre Texte strukturieren die Handlung, verstärken jedoch vor allem die emotionale Ebene in den Handlungen der Hauptfiguren. Die Gefühle der Protagonisten werden interpretiert und auf den Zuschauer übertragen. Dies gilt für die Songs, die von einzelnen Figuren interpretiert werden, ebenso wie für Balladen oder Rocknummern, zu denen Straßenszenen inszeniert werden, die die Gefühle der Gesellschaft spiegeln. zweite Funktion der Projektionen ist ein (selbst-)ironischer Unterton, der dramatischen Handlungsverläufen eine humorvolle Note gibt und biografische Bezüge zu Udo Lindenberg und dem Panikorchester herstellt (Probenraum, Was einen Star zum Star macht, Aufwachen im Hotel u. a.). Choreographien verbildlichen die gesellschaftlichen Dimensionen der Handlung. Die Mischung aus Boogie- Woogie-Mädchen und LipsiTanz beispielsweise versinnbildlicht die dünne Membran zwischen verordnetem und echtem Vergnügen der Jugendlichen. Die Szenen mit Ausein andersetzungen zwischen Volkspolizei und Demonstranten reflektieren im Wandel der Darstellung auch den Wandel der Gesellschaft. Was für die Inszenierungselemente gilt, trifft gleichermaßen auch auf die Stilmittel zu. Zu Beginn des Musicals werden die Zuschauer durch die melancholische Liebesballade über das „Mädchen aus Ostberlin“ in Verbindung ■■ Dialoge und Handlungsstränge treiben die Geschichte voran und setzen pointierte Spitzen. Alltagskultur, Gesellschaftskultur und persönliches Erleben werden hier gezielt auf den Punkt gebracht und – teilweise durchaus klischeehaft – in verallgemeinerbare Zusammenhänge gerückt. Die Dimension des Wappens der DDR symbolisiert die Macht des Staatsapparates. ■■ Die Projektionen von Dokumentaraufnahmen verbinden dramaturgisch die fiktive Handlung mit realen Ereignissen und verankern das Private in einem historisch-politischen Kontext (Exposition, Auftritt im Palast der Republik, Fall der Berliner Mauer u. a.). ■■ Die 34 ■■ Eine ■■ Die Die Elemente der Inszenierung übernehmen dabei verschiedene Funktionen für die Handlung und deren Verlauf. Rahmenhandlung leistet den Transfer von der Gegenwart in Knarren gegen Gitarren – Gewalt gegen Musik und Tanz Vom Lipsi Tanz zum Boogie-Woogie-Mädchen mit Videoaufnahmen vom Bau der Mauer auf ein Drama eingestellt, das bei aller Rockkultur ein ernstes Thema behandelt. Die Bilderfolge, die mit dem Bau der Mauer und der Festschreibung der deutschen Teilung beginnt, persönliches Leid von betroffenen Berlinern ins Zentrum rückt und mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten durch Willy Brandt und Erich Honecker endet, dokumentiert die gesellschaftliche Grundlage, auf der die Haupthandlung spielen wird. Wenig später brechen Witz und Ironie immer wieder die Dramatik der Handlung und ziehen DDRObrigkeit und Staatsapparat ins Lächerliche, ohne zu verhehlen, dass die Konsequenzen für die DDR-Bürger verheerend sein konnten. Selbst die Liebesbeziehung, die durch zarte Balladen und starken Rock sehr emotional inszeniert ist, wird immer wieder durch dynamischen Rock gebrochen, so dass Gefühle und Leidenschaft dem – jedem Jugendlichen bekannten – Familienalltag mit dessen Aus einandersetzungen gegenüberstehen. Thomas Brussig, 1964 in Berlin geboren, sammelte in unterschiedlichen Ausbildungen und Berufen Erfahrungen, bevor er in PotsdamBabelsberg an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ seinen Abschluss als Diplom-Filmund Fernsehdramaturg machte. Als Schriftsteller wurde Thomas Brussig 1995 durch den Roman „Helden wie wir“ einem breiten – auch internationalen – Publikum schlagartig bekannt. Vier Jahre später erschien seine Komödie „Am kürzeren Ende der Sonnenallee“, die wegen ihrer humorvollen Alltagspoesie ebenfalls gefeiert wurde. Seine Bücher sind inzwischen in 30 Sprachen übersetzt. Mit seiner lakonisch-humorvollen Handschrift und seiner sehr persönlichen Sicht auf DDR-Alltag und DDR-Familie prägte Thomas Brussig als Autor auch das Libretto von HINTERM HORIZONT. Aufgaben Fotos: © Brinkhoff/Mögenburg Die Furcht des Ministers: Rebellische Jugendliche erobern sein Büro. die achtziger Jahre und zurück und bettet damit die Haupthandlung im Hier und Jetzt ein. Jessy Schmidt wird dadurch der Elterngeneration der heutigen Jugend zugeordnet und gleichzeitig mit ihren Problemen als Jugendliche gezeigt. Durch die Verbindung der DDR-Vergangenheit mit der Gegenwart gewinnt die Handlung eine Zeitlosigkeit, die allen Genera tionen Identifikation und Distanz gleichermaßen ermöglicht. 1. Stellen Sie aus der Szenenübersicht (Seiten 30/31) jene Szenen zusammen, die das Liebesmotiv des Musicals berühren, und erläutern Sie deren Verbindungen zueinander. Markieren Sie Szenen, die Widerstände durch den Staat thematisieren, farbig und beschreiben Sie diese Widerstände. 2. Recherchieren Sie in Ihrem familiären Umfeld oder im Internet andere deutsch-deutsche Liebesgeschichten aus der Zeit vor dem Mauerfall und vergleichen Sie die geschilderten/dargestellten Ereignisse mit der Handlung. 3. Wählen Sie eine Szene, in der Filmaufnahmen und Bühnenhandlung ineinandergreifen, und schildern Sie deren Verlauf. Suchen Sie nach inhaltlichen Gründen für ihren dramaturgischen Aufbau und beschreiben Sie Stilmittel und verwendete Inszenierungselemente. 4. Interpretieren Sie eine Szene des Librettos auf den Seiten 36/37 mit Blick auf a) ihre Funktion innerhalb der Gesamthandlung, b) ihre Eigendynamik auf Grund der verwendeten Inszenierungselemente und Stilmittel. 5. Notieren Sie zu jeder dieser Szenen in einer tabellarischen Übersicht die Darstellungsmittel Videoprojektion, Song, Rhythmus, Choreographie, Dialog, szenische Inszenierung – vermerken Sie dazu deren thematischen Schwerpunkt und überlegen Sie, welche Alternativen denkbar gewesen wären. 35 Auszüge aus dem Libretto des Musicals Auszug Szene 4 - Wohnung von Familie Schmidt in Ostberlin, 1983 JESSY schminkt sich. JESSYS VATER, JESSYS MUTTER, Schützling MARCO, ein Hammerwerfer-Talent mit entsprechender Statur, sitzen auf dem Sofa, Bruder ELMAR redet auf Jessy ein. ELMAR JESSY Udos Rock ’n’ Roll-Arena kommt nach Berlin, und ich? Bin nicht dabei. Der größte lebende Fan unter der Sonne! Da bist du nicht der Einzige! Und alle wollen sie von mir nur das Eine: ’ne Karte für heute Abend. ELMAR Aber ich bin dein Bruder! JESSY Elmar, tut mir leid, aber keiner aus unserm Chor hat eine Karte bekommen, keiner! JESSYS VATER Na Gott sei Dank, dieser Typ beleidigt ungestraft unseren Staatsratsvorsitzenden, nennt ihn Honni, und wird dafür auch noch eingeladen. JESSYS MUTTER Wer denn? JESSYS VATER Na, dieser Lindenberg. ELMAR Entschuldigung. Ich werde das dem Genossen Lindenberg mal sagen, dann macht er das nie wieder. JESSYS VATER Also, ich verstehe diesen Kult nicht. Was hat der denn geleistet? Marco hat was geleistet. Noch nie hat ein Achtzehnjähriger einen Hammer weiter geworfen. STASI-MANN PATSCHINSKI (liest aus dem Brief vor) Lieber Udo … Wenn ich an dich denke, kann ich alles Übrige total vergessen. Und ich weiß: Nichts kann mir passieren. (Zu Jessy) Kennst du Paragraph 219 unseres Strafgesetzbuches? (Liest daraus vor) Ungesetzliche Verbindungsaufnahme (…) wird mit Freiheitsstrafe … STASI-MANN KRAUSE Genosse Patschinski, bitte, sehen Sie doch, wie dieses Mädchen dasitzt. Die weiß, dass sie einen Fehler gemacht hat. Und sie will ihre Scharte wieder auswetzen. Stimmt’s? Bausteine der Handlung Auf der Handlungsebene des Musicals werden zeitgeschichtlich belegte Ereignisse mit einer fiktiven, biografisch motivierten Liebesgeschichte verwoben. Inhaltliche Schwerpunkte sind dabei: ■■das Romeo-und-Julia-Motiv in Abwandlung, Jessy, starr vor Angst und Schreck, ist zu keiner Regung fähig. STASI-MANN PATSCHINSKI Nein, sie sollte schon hören, welche Strafe ihren Bruder, den sie da mit hineingezogen hat, erwartet. Der ist übrigens schon verhaftet. JESSY (erschrocken) Was? ■■zeit- und ortsunabhängige Gene- rations- und Familienkonflikte, ■■Konflikte einer Gesellschaft im Umbruch. Das Romeo-und-Julia-Motiv Udo und Jessy, Bürger verfeindeter Staatssysteme, werden durch Jessys Staat, die DDR, an der Erfüllung ihrer Liebe gehindert. Jessy widersteht zwar dem ihr aufgezwungenen Verrat, doch ihre Zusage wird benutzt, um Udo gegen sie aufzubringen. Die Intrige, die den Mauerfall überdauert, beendet die Liebesbeziehung abrupt. Der dennoch positive Abschluss wird durch die Rahmenhandlung in Gang gesetzt. Sie wird von beiden auf den Stuhl gedrückt. STASI-MANN PATSCHINSKI Natürlich: Ungesetzliche Verbindungsaufnahme ist kein Kavaliersdelikt. (Zurück zum Gesetzestext) Also: wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren … STASI-MANN KRAUSE (begütigend) Aber Genosse Patschinski. (…) Vielleicht würde sie mit uns kooperieren. (Streicht ihr lächelnd über die Wange) STASI-MANN PATSCHINSKI (beleidigt) Ich finde, da machen Sie es ihr zu leicht. Legen Sie denn Wert auf die Zusammenarbeit mit jemandem, der solche Dummheiten begeht? Und Einsatzmöglichkeiten dazu den eigenen Bruder benutzt, ihn der Szenenauszüge feige vorschickt? JESSY So war das nicht! STASI-MANN PATSCHINSKI (drückt sie zurück auf den Stuhl) Um so schlimmer. Konflikte Jessy und ihr Bruder Elmar, 17 und 19 Jahre alt, erleben in den achtziger Jahren typische Alltagskonflikte mit ihren Eltern. Gleiches gilt für Jessys Sohn Steve in der heutigen Zeit. Die Auseinandersetzungen drehen sich in beiden um die Sehnsucht nach freien Entscheidungen und die Leidenschaft für eine bestimmte Musik. Der Stasi-Mann Patschinski hält Jessy ein Klemmbrett und einen Kugelschreiber hin. JESSYS VATERGenau! Gesellschaft im Umbruch JESSY (UND ELMAR) Ist doch egal. (Jessy allein) Ich könnte genauso bewundert werden! Die Straßenszenen des Stückes – von Udos Fans vor dem Palast der Republik bis zum Fall der Berliner Mauer – zeugen musikalisch und choreographisch vom Kampf um Veränderung und Umdenken in der DDR. Jessys Vater nimmt das Klemmbrett von Patschinski, nimmt Jessy beiseite, um ihr was zu erklären. JESSY Ich hör immer Hammer. Ist aber nur ’ne Kugel an ’nem Drahtseil. (Zu Marco) Kannst du damit etwa ’n Nagel in die Wand schlagen? (Wieder zu ihrem Vater) Außerdem find ich es doof, wenn ich jemanden bewundern soll, nur weil der seinen Hammer 70 Meter weit werfen kann. MARCO72,10. Auszug Szene 14 - Wohnung von Familie Schmidt in Ostberlin, 1983 Jessy kommt nach Hause. (…) STASI-MANN PATSCHINSKI Fräulein Schmidt? Jessica Schmidt? JESSYJa? STASI-MANN PATSCHINSKISetzen! Drück ich mich unklar aus? Setzen! Jessy setzt sich. Die Szenen im Büro des Ministeriums für Staatssicherheit und im Kultursaal der Stasi-Zentrale machen sich über DDR-Bürokratie und inkompetente Kreativität lustig, gleichzeitig illustrieren sie in ihrer Ausgestaltung die im Hintergrund wirkende Macht des Staates. STASI-MANN PATSCHINSKI JESSYS VATER JESSYS VATER Unterschreib das … Das bedeutet, dass du einen Decknamen bekommst und bei uns als IM Regenwurm geführt wirst (…) (…) Darf ich mal mit meiner Tochter reden? Mensch, Jessy! (…) Denk doch auch mal an uns. (…) Sei froh, dass du so einfach deine Scharte auswetzen darfst! Er hält das Klemmbrett Jessy hin. JESSYS MUTTER JESSYS VATER Denk an Elmar. Er ist doch dein Bruder. Mach, was die Genossen sagen. Szene 15 - Gefängnis/Ostberlin (Video) Die beiden Stasi-Männer gehen zum Gefängnis und holen Elmar aus der Zelle. Sie halten ihm den Schuhkarton mit seinen Sachen hin, nehmen ihm aber den PANIK-Gürtel ab und geben ihn nicht zurück. 36 Das Libretto, die szenische Vorlage des Musicals, enthält neben den Dialogen Regieanweisungen und Udo Lindenbergs Songtexte. Die gesamten Szenen, die zu den Auszügen auf diesen Seiten gehören, stehen online auf der Internetseite www.musicals.de/ schulklassen zur Verfügung. Sie können im Unterricht für szenische Lesungen oder eine Textinterpretation verwendet werden. Die Auszüge aus dem Libretto eignen sich außerdem für Rollenspiele im Unterricht, mit denen Schülerinnen und Schüler die Situationen aus dem Stück aufführen, interpretieren, verändern oder auf persönliche Haltungen zuschneiden können. Folgende Fragestellungen bieten sich zu den ausgewählten Szenen an: 1.Wie beurteilen Sie Jessys Dilemma angesichts der Anwerbung durch die Stasi? Fallen Ihnen Möglichkeiten ein, wie sie sich anders hätte verhalten können? 2.Welche Dialoge würden Sie für die mit Musik unterlegte, dialogfreie Gefängnisszene schreiben? 3.Was würden Sie Jessy sagen, wenn Sie Elmar wären? Was würden Sie Elmar vom Besuch der Stasi erzählen, wenn Sie Jessy wären? 37 Gestaltung des Bühnenbildes Schauspieler, Sänger, Tänzer gestalten auf der Bühne in sehr genau ausgearbeiteten Choreographien Gefühle, Spannung und politische Inhalte des Stücks. Dabei sind Songs und Dialoge genauso wichtig wie Körperhaltung und tänzerischer Ausdruck. Aber auch hinter der Bühne sind Künstler bei der Arbeit, die dafür sorgen, dass sich die Stimmung des Stückes auf die Zuschauer überträgt. Bühnenbild, Kostüme, Ausstattung/Dekoration und Lichteffekte sind ebenso wichtig für die Inszenierung und ihre Atmosphäre wie die Darstellung, die Songtexte und die Musik. Die Wohnung 2011 und die Wohnung 1983 bilden zentrale Räume für die Story des Stücks. Diese Räume sind beweglich, so dass sie zentral im Vordergrund der Bühne auftauchen und wieder an der Seite verschwinden können. Das Büro des Ministeriums oder das Hotel in Moskau dagegen sind Schauplätze, die nur ein einziges Mal benötigt werden. Bei beiden Räumen ist es aber wichtig, dass sie auf der Bühne groß (und mächtig bzw. verschachtelt) wirken. Sie werden – ebenso wie die Stadt Moskau oder ein Hochhaus in Ostberlin – mit Hilfe von Vorhängen und farbigen Lichteffekten gestaltet. Wenn Szenen während eines Songs den Schauplatz wechseln, wird die inhaltliche Verbindung mit unterschiedlichen Mitteln hergestellt. Videoaufnahmen verknüpfen zum Beispiel Wirklichkeit (oder kurze Spielszenen an einem wirklichen Ort) mit der Szene auf der Bühne. Die Zeitwechsel werden durch das gleichzeitige Spiel beider Jessys dargestellt. Und der Übergang zu einer Fantasieszene wird mit Hilfe von Lichteffekten und Musik geschaffen. Die wichtigsten Massenchoreographien des Musicals stehen für gesellschaftliche Veränderungen in der DDR. Dazu gehören unter anderem der Tanz auf dem Ministertisch, die Briefübergabe am Tränenpalast, „Gitarren statt Knarren“ und „Wir sind das Volk!“. Bei diesen Tanzszenen spielen die Lichteffekte eine zentrale Rolle. Sie gestalten den Raum aus, in dem die Szene spielt, und stellen – in Verbindung mit der Musik – politische Zusammenhänge her. Szenenwechsel innerhalb eines Bühnenbildes mit Hilfe von Songs: Die Traumfantasie nach Jessys Gespräch mit der Stasi in der Wohnung ihrer Eltern. Ihre Gefühle werden durch die Texte von „Verbotene Stadt“ und „Gitarren statt Knarren“ verdeutlicht. Gleichzeitig steht Jessy für viele Jugendliche, deren Rebellion durch die Tanzchoreographie deutlich wird. Licht und Bühnenperspektive erwecken den Eindruck, als ob Udos Auftritt am 9. November 1989 direkt unterhalb der Mauer steigen würde. In der Szene auf dem Roten Platz werden allseits beliebte Vorstellungen über die sowjetische bzw. russische Kultur zu einer schnellen, rockigen Choreographie verbunden. Balletttänzerin Olga bewegt sich durch Spione, Kosaken, offenherzige Frauen, Männer mit Russenmützen, Offiziere und Rock ’n’ Roller. Mitten im Chaos dieser Weltstadt treffen sich Udo und Jessy wieder – aus einer wilden Szenerie wird eine ruhige Liebesszene, für die als Dekoration ein Bett ausreicht, dessen Standort durch die mit Licht projizierte Fensterfront des Hotels geklärt wird. Auch der Zuschauerraum wird einbezogen. Die Spielszene mit Elmars Song ist mit einer Bühnenprojektion verknüpft, bei der die Kamera über die Mauer „fliegt“. 1. Beschreiben Sie am Beispiel eines Bühnenbildes Ihrer Wahl die dort verwendeten Gestaltungselemente, soweit Sie sie erinnern. Nutzen Sie dazu auch die Szenenfotos auf der Webseite (www.musicals.de/schulklassen). 2. Analysieren Sie die Wirkung eines Bühnenbildes auf die Zuschauer und verfassen Sie eine Szenenkritik. Differenzieren Sie dabei nach Schauspiel, Dialog, Songtext, Musik, Bühnenbild, Licht- und anderen wichtigen Effekten. 3. Spielen Sie die Ereignisse bei der Briefübergabe am Tränenpalast in der Klasse durch Bewegungen – ohne Worte – nach. Suchen Sie dazu eine passende Musik aus. 4. Stellen Sie in kleinen Gruppen Standbilder zu einzelnen Choreographieszenen auf, indem Sie und Ihre Mitschüler entsprechend posieren. Fotografieren Sie die Szene mit Selbstauslöser und präsentieren Sie das Bild Ihren Mitschülerinnen und Mitschülern. 5. Erinnern Sie sich an die Szene, in der der „Lipsi-Tanz“ und „Boogie-Woogie-Mädchen“ abwechselnd gespielt und getanzt werden. Was sagt diese Szene aus? Wie werden die Jugendlichen durch sie charakterisiert? Wählen Sie gruppenweise zwei eigene Musikstücke aus und spielen Sie eine ähnliche Szene nach. Welche Eindrücke können Sie dabei gewinnen? 38 Fotos: Brinkhoff/Mögenburg Aufgaben 39 Anregungen für Schülerinterviews 1. Was hat Ihnen an der Geschichte gefallen, die das Musical erzählt? 2. Welche Figur im Stück fanden Sie am interessantesten? 3. Welches der Lindenberg-Lieder hat Ihnen im Stück gut gefallen? Warum? 4. Sind Ihnen besondere erzählerische Elemente in den Tänzen aufgefallen? Wenn ja, welche? © Brinkhoff/Mögenburg Bitte interviewen Sie direkt nach dem Musical mindestens eine Besucherin/einen Besucher und fragen Sie nach deren Beurteilung des Stückes. Notieren Sie sich die Antworten in Stichworten oder zeichnen Sie sie auf Band auf. Wählen Sie dabei aus den folgenden Fragen aus: 5. Wie war Ihrer Meinung nach die DDR dargestellt? © Brinkhoff/Mögenburg Interview zur Musicalkritik 6. Was hat Ihnen am Musical gefehlt? 7. Eigene Frage der Interviewerin/ des Interviewers 8. Welche Bewertung würden Sie abgeben zwischen einem (sehr schlecht) und zehn (supergut) Punkten? Begründung? Jugend in der DDR: Sehnsucht nach einem anderen Leben? Zeitzeugeninterview Finden Sie einen Menschen in Ihrem Familien- oder Bekanntenkreis oder in Berlin, der die DDR noch bewusst erlebt hat und zu einem Interview bereit ist. Stellen Sie bitte folgende Fragen: 1. Wie hat sich Ihr Leben in der DDR von Ihrem heutigen Leben unterschieden? 2. Wie hat die DDR Ihre Jugend beeinflusst? 3. Welche Musik haben Sie in der DDR gehört? Auch Udo Lindenberg? 4. Welche Erfahrungen hatten Sie mit den Behörden der DDR? © LAB/H.Seiler 5. Wie haben Sie den Tag des Mauerfalls erlebt? 6. Eigene Frage des Interviewers/der Interviewerin Potsdamer Platz 1966 7. Wie beurteilen Sie aus heutiger Sicht die DDR? Familie Schmidt in Ostberlin, 1983 „Ein Märchen, keine Frage. Aber eines, das der Wirklichkeit entstammen soll. […] Regisseur Ulrich Waller und Autor Thomas Brussig gelingt es, […] eine mitreißende Politrevue über die deutsche Wiedervereinigung zu machen. Wie dabei Slapstick und Drama, Angst und Action ineinander übergehen, das ist ein kleines Wunder.“ Christian Schröder, Der Tagesspiegel, Berlin, 12.01.2011 „Weil der ostdeutsche Autor Thomas Brussig (‚Helden wie wir‘, ‚Am kürzeren Ende der Sonnenallee‘) das Buch für das Musical geschrieben hat, kommt genau diese angstvoll revolutionäre Atmosphäre in einigen Szenen eindrücklich zum Tragen, um dann schnell wieder in den Klamauk gezogen zu werden, es soll ja lustig bleiben. Die Geschichte aber ist nun mal eine ernste, ist die eines Paares, das durch die Mauer getrennt ist. […] Udo […] und Jessy […] stehen […] exemplarisch für Tausende Menschen, die des Stacheldrahtes wegen nicht zueinander kommen konnten […] und wer die letzten Szenenbilder noch im Kopf hat, kann gedanklich nur zu einem Schluss kommen: Udo Lindenberg war es, der die Mauer zu Fall gebracht hat, der dem kleinen großspurigen Staat auf deutschem Boden singend den Rest gegeben hat.“ Renate Meinhof, Süddeutsche Zeitung, München, 13.01.2011 „Der letzte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière (CDU) lobte gegenüber der Presse das Stück, weil es ‚keine Verharmlosung‘ darstelle, beurteilte das Theaterstück also in erster Linie danach, ob es politisch korrekt ist und freute sich darüber, dass ‚die Repression der Stasi realistisch dargestellt‘ ist. Solche politischen Anforderungen an ein Musicaltheater sind eigentlich unüblich, bestätigen aber, was Autor Thomas Brussig gegenüber der ‚Berliner Zeitung‘ auch schon gesagt hat: ‚Die DDR-Erinnerung ist ein umkämpftes Gebiet.‘ “ Frank Straub auf der Plattform www.buehnenfotos.de „Die […] Geschichte ist natürlich […] stark konstruiert. Die vielen Szenen und Tanzeinlagen boten dem Drehbuchteam um Autor Thomas Brussig („Sonnenallee“) dafür aber zahlreiche Möglichkeiten, Details der 80er Jahre und besonders des Lebens in der DDR freundlich-satirisch zu illustrieren. […] Nuschelnd, tanzend und singend gelingt es […] Serkan Kaya recht gut, den großen – in Wirklichkeit eher kleinen – Lindenberg auf der Bühne darzustellen. Noch überzeugender wirken Josephin Busch und Anika Mauer als die junge und die ältere Jessy, weil sie nicht ständig an einem real existierenden Vorbild gemessen werden.“ Andreas Rabenstein, dpa/sal auf stern.de, 14.01.2011 „Das Stage-Know-how […] und Wallers Erfahrung als SchauspielRegisseur […] sowie Lindenbergs Qualitätsanspruch an die LiveMusiker und die Sangeskünste der Darsteller ergaben eine explosive Mischung. Waller, der als Erfinder der Mauerblende in die Theatergeschichte eingehen wird, weil er die Berliner Mauer als Projektions fläche für Dokumentarfilmeinspie lungen nutzt, während dahinter die Bühne umgebaut wird, beeindruckt und berührt dabei mit seinem Regiemix aus großem Kino und kleinem Kammerspiel. Berlin hat eine Sehenswürdigkeit mehr.“ Stefan Grund, Die Welt Hamburg, 14.01.2011 Aufgaben Musicalkritik Aufgabe 1. Spielen Sie die Antworten bitte später in der Klasse ab oder tragen Sie sie vor der Klasse vor. Weiterführende Aufgabe: Eine ambitionierte Kleingruppe kann mit einem freien Audioschnittprogramm (z. B. mp3DirectCut 2.13) einen Radiobeitrag oder eine Toncollage produzieren. 2. Beantworten Sie bitte selbst die Fragen Ihres Fragebogens. 3. Teilen Sie sich in der Klasse in drei Gruppen auf und vergleichen Sie die Antworten auf Ihren Bögen mit denen der Gruppe. Versuchen Sie gemeinsam, ein quasi repräsentatives Meinungsbild zu erstellen. Welche Antworten wiederholen sich? Welche Tendenzen sind klar erkennbar? Jeweils ein Sprecher der Gruppen trägt die Ergebnisse im Plenum vor. Einigen Sie sich im Plenum bei jeder Frage auf eine Gesamtbewertung. Verfassen Sie eine Rezension zum Musical HINTERM HORIZONT, in der Sie sich kritisch mit der Aufführung auseinandersetzen. Aufgaben Zeitzeugeninterview 1. Notieren Sie sich die Antworten in Stichworten oder nehmen Sie sie auf Band auf. Verfahren Sie dann in der Klasse wie in der ersten Aufgabe zur Musicalkritik. Vergleichen Sie die Aussagen mit der Darstellung der DDR im Musical. 40 Pressestimmen zum Musical Mögliche inhaltliche Aspekte könnten sein: 1. die Schauspieler und die Frage, wie glaubwürdig sie ihre Rollen dargestellt haben. 2. die Gestaltung des Bühnenbildes und der Kostüme. 3. die Auswahl geeigneter und die Handlung unterstützender Musiktitel aus dem musikalischen Lebenswerk Udo Lindenbergs. 4. die Glaubwürdigkeit der Handlung in Bezug auf den geschichtlichen Hintergrund. Empfehlungen für die Gestaltung Ihrer Rezension: a) Suchen Sie eine aussagekräftige Überschrift und einen interessanten Einstieg, b) achten Sie auf durchgehende Information und Wertung (positiv und negativ) und eine zusammenhängende Gedankenführung, c) nennen Sie Beispiele zur Veranschaulichung, d) finden Sie einen treffsicheren und prägnanten Abschluss. 41 Quiz zum Musical Erreichen Sie mehr als 23 Punkte in diesem Test, haben Sie das Musical gut verstanden und kennen sich in der DDR-Geschichte aus. Es sind bei jeder Frage höchstens zwei Antworten richtig. 4. Warum heißt das Gebäude am Bahnhof Friedrichstraße „Tränenpalast“? a) Das Gebäude hat die Form einer Träne. b) Viele DDR-Bürger haben an diesem Grenzübergang geweint, weil sie ihren Westbesuch nicht weiter begleiten durften. c) An der Friedrichstraße sind viele Theater. Im Tränenpalast wurden häufig Tragödien aufgeführt. 5. Warum füllt Steve Salz in den Zuckerstreuer? a) Um seinen Vater zu ärgern. b) Er trinkt gern salzigen Kaffee, weil er ein cooler Typ ist. c) Weil er häufig auf Drogen ist und nicht mehr weiß, was er tut. 8. Was meint Steve, wenn er zu seiner Mutter sagt: Du warst eine „Blaumeise“? a) Sie hatte eine Meise, bei der Jugendorganisation der DDR mitzumachen. b) Sie trug das blaue Hemd der Freien Deutschen Jugend (FDJ). c) Sie sang in einem FDJ-Jugendchor mit. d) Sie hat als Jugendliche zu viel getrunken und war immer blau. 9. Wer redet im Hintergrund, als die Lipsi-Musik ertönt und spricht vom „Dreck aus dem Westen“? a) Staatsratsvorsitzender Walter Ulbricht b) FDJ-Vorsitzender Egon Krenz c) Staatsratsvorsitzender Erich Honecker d) Der Minister 10. Warum bezeichnet Udo das Publikum im Republikpalast als „rockresistente Jung-Greise“? a) Es war bestelltes FDJ- Publikum. b) Die DDR-Jugendlichen waren steifer als die westlichen Jugendlichen und tanzten nicht so gut. c) Nur die alten DDR-Funktionäre, meist schon Greise, hörten Udo Lindenberg zu. Kreuzberger Brautpaar winkt den Eltern im Osten zu. Quiz zu Bildern 15. Was bedeutet der Spruch „Wir sind das Volk“? a) Wir sind eine Gemeinschaft und stehen zusammen. b) Wir wissen am besten, was das Volk will, nicht die Regierung. c) Wenn wir uns ständig laut vergewissern, dass wir das Volk sind, glauben wir daran. d) Wir sind das (dieses) Volk und kein anderes. 13. Was sagt es aus, dass der Hammerwerfer Marco, Jessys Vater und ihre Mutter gemeinsam auf dem Sofa sitzen, ihre beiden Kinder aber daneben stehen? a) Die alten Leute können nicht mehr so gut stehen. b) Es ist zufällig kein Platz mehr auf dem Sofa frei. c) Jessy und Elmar gucken nicht so gern fern. d) Jessy und Elmar fühlen sich nicht wirklich zur Familie zugehörig. 16. Warum haut Marco mit dem Leichtathletikhammer einen Nagel in die Wand? a) Weil er verrückt geworden ist b) Weil er Jessie beeindrucken will c) Weil er keinen richtigen Hammer hat d) Sexuelle Anspielung im Stück 14. Jessys Vater und Marco singen „Auferstanden aus Ruinen“. Das ist ein a) alter Schlager von Hans Albers b) ein altes kommunistisches Kampflied c) die Nationalhymne der DDR DDR-Grenzsoldat Conrad Schumann, Sommer 1961 © Ullstein Bild – Georgi (L) 12. Was besagte Paragraph 219 im DDR-Strafgesetzbuch? a) Untersagte Republikflucht aus der DDR b) Ungesetzliche Verbindungs aufnahme mit Westlern c) DDR-Abtreibungsparagraph 17. Von welchem „Termin“ spricht Jessys Vater an der Bushaltestelle? a) Mittwochtermin bei der Stasi b) Heiratstermin mit Marco c) Er hat einen Arzttermin beim Sportarzt, um Marco dopen zu lassen. d) Abtreibungstermin für Jessys Baby 18. Mit wem und worüber redet Udo L. am 9. September 1987, als er im Sessel sitzt und seine Lederjacke anbietet? a) Er ist Rocker und will Jessy seine Lederjacke schenken. b) Udo will Erich Honecker mit der Jacke überzeugen, ihn in der DDR auftreten zu lassen. c) In der DDR gab es keine so schicken Lederjacken, deshalb schickt Udo sie seinen Fans. 19. Mit welchen Figuren wird im Tanz die Wiedervereinigung dargestellt? a) Ost- und West-Ampel männchen b) Ost- und West-Sandmännchen c) Polizeiruf- und Tatort- Kommissare d) Naturschutz-Adler und Naturschutz-Eule 20. Warum lässt Udo Lindenberg Jessy einfach vor der Mauer stehen? a) Er hat jeden Tag ein anderes Fan-Girl und war nie wirklich an Jessy interessiert. b) Nach dem Mauerfall ist es eher peinlich, ein Mädchen aus Ostberlin zu kennen. c) Er hat gerade erfahren, dass sie ihn ausspioniert hat. d) Er möchte das Kind nicht haben, das sie ihm aufdrängen will. 21. Warum wirft der Soldat auf dem Bild sein Gewehr weg und läuft davon? a) Er ist Pazifist geworden und wirft seine Waffe weg. b) Er will nach Westberlin fliehen, solange es noch geht. c) Er läuft einem DDR-Flüchtling hinterher. 22. Was ist das Besondere an Elmars Panik-Gürtel? a) Er hat ihn von Udo Lindenberg bekommen. b) Er hat ihn selbst geschweißt, nicht gelötet. c) Es ist ein Spezialgürtel, wie Batman ihn hat, und dient der Spionage. d) Er bekam ihn aus dem Westen zugeschickt. 23. Betrachten Sie das Bild unten. Warum war die Mauer so sehr bemalt? a) Nachts schlichen sich Leute heimlich an und sprühten Graffiti. b) Sie gehörte der DDR und konnte deshalb von der Westseite bemalt werden. c) Die DDR nutzte die Wand als Propagandafläche. © StAufarb, Uwe Gerig 3. Was bedeutet das Hoheits zeichen der DDR: Hammer, Zirkel und Ährenkranz? a) Die DDR war siegreich gegen den Faschismus und steht deshalb im Siegeskranz. b) Die DDR ist ein Staat der Arbeiter und Bauern. c) Die DDR hat mit Hammer und Zirkel das Land nach dem Krieg aus Ruinen aufgebaut. 7. Wonach sehnt sich Steves Mutter? a) Nach einem neuen Wäschetrockner b) Nach einer Reise durch Amerika c) Nach Udo Lindenberg 11. Wer war Richard Sorge, von dem im Stück die Rede ist? a) Ein Sänger b) Elmars Freund c) Ein Spion d) Ein erfolgreicher DDR-Sportler © Brinkhoff/Mögenburg 2. Warum weinen die Menschen in den Dokumentaraufnahmen? a) Sie können nun Freunde und Familienmitglieder nicht mehr sehen. b) Sie können nicht mehr in die DDR, um dort einzukaufen und zu arbeiten. c) Sie weinen vor Freude über den Mauerbau. 6. Weshalb verkauft Steves Vater Marco Sportartikel? a) Er war mal ein sehr guter Sportler. b) Er muss seine Familie irgendwie durchbringen. c) Er hat großen Spaß an seiner Arbeit. © Ullstein Bild – Chronos Media GmbH 1. Wann wurde mit dem Bau der Berliner Mauer begonnen? a) 7. Oktober 1949 b) 22. November 1963 c) 13. August 1961 d) 17. August 1962 Blick aus Westberlin 1985 1. c), 2. a), 3. b), 4. b), 5. c), 6. a) b), 7. b), 8. b) c), 9. a), 10. a), 11. c), 12 b), 13. d), 14. c), 15. a) b), 16. b) d), 17. d), 18. b), 19. a) b), 20. c), 21. b), 22. b), 23. b) 42 43 Unterrichtsvorschläge zur Nachbereitung des Musicals Hinterm Horizont: 1. Stellen Sie auf Metaplankarten bitte Fragen zum Musical. Welche Begriffe haben Sie nicht verstanden, welche politischen Ereignisse und Personen sind Ihnen nicht bekannt gewesen? Ordnen Sie die Fragen auf einer Stellwand nach Themen. Lassen Sie die Fragen durch Mitschüler oder Lehrer beantworten bzw. recherchieren Sie. 2. Beenden Sie bitte folgende Halbsätze: Für mich ist Jessys Liebe zu Udo Lindenberg … Die Mauer kann auch stehen für … Die DDR versuchte meiner Meinung nach … Ich kann die Figur des … am besten verstehen, weil … 6. Erstellen Sie bitte in einer Vierergruppe auf einem DIN-A1- Plakat ein Würfelspiel, das Udo Lindenbergs Reise 1983 in die DDR zum Inhalt hat. Gestalten Sie das Plakat mit Mauer, Republikpalast … Fügen Sie auf 50 Setzfeldern Er eignisfelder (z. B. „Udo Lindenberg wird von der Stasi kontrolliert – einmal aussetzen“) und Fragefelder ein und entwickeln Sie für letztere 15 Quizfragen zu DDR und Mauerbau. Lassen Sie eine andere Gruppe Ihr Spiel spielen. 10. Bilden Sie Vierergruppen. Recherchieren Sie dann in den Texten dieses Heftes und intensiv auf den dort angegebenen Internetseiten ( N S. 48) zu einem der Themen: Udo Lindenberg, Stasi, Berliner Mauer und DDR. Erstellen Sie danach ein strukturiertes DIN-A1-Lernplakat, das die wesentlichen Informationen zum jeweiligen Thema gliedert und visualisiert. Fertigen Sie aus den Lernplakaten eine begehbare Klassenausstellung. 7. Elmar, Jessys Bruder, wird von der Stasi erwischt, als er ihren codierten Brief an Udo am Grenzübergang Friedrichstraße übergeben will. Schreiben Sie bitte einen Dialog, wie sich ein Verhör Elmars mit den Stasi-Männern Krause und Patschinski abgespielt haben könnte. 11. Eine Gruppe von sieben Schülern sitzt in der Klassenmitte und ist von den anderen Kursmitgliedern umgeben. Drei Schüler vertreten die Pro-Seite, drei andere die Contra-Seite. Eine/r ist Moderator/in. Sie diskutieren nacheinander folgende Thesen: Die DDR hatte viele gute Seiten. 3. Zeichnen Sie eine Figur aus dem Stück und lassen Sie sie einen Satz sagen. Ihr Nachbar errät, wer es sein könnte – und umgekehrt. 4. Bilden Sie Vierergruppen. Überlegen Sie sich gemeinsam eine Anordnung der Figuren, die dem Beziehungsgeflecht im Stück entspricht (Art und Intensität der Beziehungen, Hierarchien, Gruppen). Übertragen Sie die fertige Figurenkonstellation auf ein DIN-A1-Plakat und vergleichen Sie sie mit dem Strukturbild anderer Gruppen. 5. Verfassen Sie einen kurzen, fiktiven Brief, den Jessy an Udo Lindenberg schreibt, nachdem sie erfahren hat, dass sie schwanger ist. Verschlüsseln Sie den Brief dann so, dass die Stasi beim Öffnen nicht gleich den Inhalt errät. 44 8. Sie sind die junge Reporterin Mareike. Wählen Sie mit einer/m Partner/in eine Figur aus dem Musical aus, die Sie interviewen möchten (Minister, Marco, Elmar …). Stellen Sie Fragen, die die Motivationen, Einstellungen und Gefühle der Figuren verständlich machen (z. B. „Haben Sie heute Schuldgefühle, Herr Minister?“). Spielen Sie dann das fiktive Interview mit der Figur vor der Klasse. 9. Veranstalten Sie eine UdoCastingshow in der Klasse. Dabei können Sie Udo-Lindenberg-Lieder nachsingen und den Sänger imitieren. Sie können aber auch die Rockmelodien der LindenbergLieder in andere Musikrichtungen verändern oder neue Texte dazu schreiben. Finden Sie einen passenden Ausdruck für das Grundgefühl der Lieder. Die Mauer hat auch zum Frieden beigetragen. Udo Lindenberg hat zum Fall der Mauer beigetragen. Das Musical HINTERM HORIZONT ist langweilig. Jessy hatte keine andere Wahl, als bei der Stasi mitzumachen. Die DDR-Zeit und die Mauer spielen doch heute gar keine Rolle mehr. Schülerinnen aus dem Innenkreis können aus der Diskussion aussteigen, interessierte Zuhörer aus dem Außenkreis können hineinwechseln (Fish-Bowl). 12. Bitte füllen Sie die leeren Sprech- und Denkblasen im nebenstehenden Comic „Udo in Ostberlin“ aus. © Silke Kecke Wäre ich Jugendlicher in der DDR gewesen, hätte ich … 45 Grenzbereich Potsdamer Platz, 1. Oktober 1961 HINTERM HORIZONT wird im geschichtsträchtigen Umfeld des Potsdamer Platzes aufgeführt. Eine gute Gelegenheit, vor dem Besuch des Musicals oder zeitnah an einem anderen Tag Berliner Gedenkstätten und Ausstellungen aufzusuchen, die mit zahlreichen Bildern und Texten reale Hintergründe und viele Informationen über die Zeit des Mauerbaus, über den Alltag in der DDR oder andere Themenfelder darstellen und belegen. Im Foyer des Theaters am Potsdamer Platz sind von Udo Lindenberg gemalte Bilder ausgestellt. Dazwischen hängen Dokumente – beispielsweise aus seiner StasiAkte – die deutlich machen, wie die Bespitzelung vor sich ging und welche Informationen die Staatssicherheit als interessant und wichtig eingestuft hat. Ganz in der Nähe des Theaters, gegenüber vom S-Bahnhof Potsdamer Platz, gibt es eine Ausstellung zur Geschichte der Berliner Mauer. Zwischen originalen Mauerteilen, die von anderen Stellen hierhergebracht wurden, befinden sich Informationstafeln, die die Geschichte der Mauer und des Potsdamer Platzes zeigen. Die Fotos und Zeitzeugendokumente spannen dabei auch den Bogen von geschichtlichen Ereignissen zur heutigen Nutzung des Platzes. Erkundungsgang Richtung Norden/Nordosten An den Kopfsteinlinien entlang, die den Verlauf der Mauer markieren, 46 Geht man am Reichstagufer weiter, gelangt man direkt zum S- und UBahnhof Friedrichstraße. Hier war der einzige Übergang von Westnach Ostberlin, den Besucher aus Westdeutschland passieren durften. Sie kamen in die DDR und verließen sie wieder durch den „Tränenpalast“. Der „Tränenpalast“ neben dem U-Bahnhof war nach dem Mauerfall bis 2006 ein kultureller Veranstaltungsort und wird 2011 als Dokumentationsstätte neu eröffnet. Schwerpunkt der Ausstellung ist der Alltag der Deutschen im Jahr zwischen Maueröffnung (November 1989) und Vereinigung der beiden deutschen Staaten (Oktober 1990). Westberliner durften den U- und S-Bahnhof Friedrichstraße übrigens nicht benutzen, sie gingen mit ihrem Passierschein über andere Übergänge in den Ostteil der Stadt – beispielsweise an der Invalidenstraße oder der Bornholmer Straße. Vom Bahnhof Friedrichstraße aus kommt man mit der U-Bahn, bis Bhf. Naturkundemuseum fahrend, schnell zur Gedenkstätte Berliner Mauer. Vom U-Bahnhof aus läuft man rechts durch die Zinnowitzer Straße und deren Verlängerungen bis zur Bernauer Straße. Die Gedenkstätte bietet eine interessante Ausstellung, die sich entlang der Bernauer Straße bis zum Mauerpark zieht. ( N S. 48) © Ullstein Bild/Ritter kommt man vom Potsdamer Platz bis zum Brandenburger Tor. Die frühere Grenze verlief an dieser Stelle im Bogen, so dass das Brandenburger Tor auf der Ostseite lag und der Reichstag auf der Westseite. Hinter dem Reichstag sind am Spreeufer Gedenkkreuze für die bei Fluchtversuchen ermordeten Menschen aufgestellt. Berlin-Tiergarten (Mitte) – links: 1984: Mauer an der Ebertstraße, dahinter das Brandenburger Tor, rechts: 2008: Verkehr auf der Ebertstraße Richtung Brandenburger Tor, entlang dem früheren Mauerstreifen Erkundungsgang Richtung Südosten/Osten Der Aufführungsort Das Stage Theater am Potsdamer Platz wurde 1998 fertiggestellt, 1999 als Musical-Theater eingeweiht und beherbergt seither nicht nur musikalisch-dramatische Publikumsrenner, sondern – alljährlich im Februar – auch den Wettbewerb der Berliner Filmfestspiele. Durch die hohe Glasfront schaut man auf den Marlene-Dietrich-Platz. Im Foyer, das über sechs Etagen geht, sind Bilder und Zeichnungen von Udo Lindenberg sowie Dokumente seiner Geschichte ausgestellt. Läuft man die Stresemannstraße hinunter, die vom Potsdamer Platz Richtung Südosten führt, kann man links abbiegend ebenfalls dem früheren Mauerverlauf folgen. Sie trennte hier Berlin-Mitte (Osten) von Berlin-Kreuzberg (Westen). Durch die Niederkirchnerstraße (mit dem für seine Ausstellungen weithin bekannten Martin-Gropius-Bau) und die Zimmerstraße (ihre Verlängerung) gelangt man zur Friedrichstraße und dem Checkpoint Charlie. Der Potsdamer Platz lag mitten im Grenzgebiet und war Brachland, als die Mauer fiel. „Nach dem Zweiten Weltkrieg und späteren Mauerbau wurde der Potsdamer Platz zum Schauplatz des Kalten Krieges; Gebäude, die auf der Ostseite standen, wurden aus sicherheitstechnischen Gründen entfernt, diejenigen auf der Westseite wurden im Zuge einer Planung für eine Stadtautobahn abgerissen. (…) In Vergessenheit geraten, rückte er nach dem Mauerfall 1989 wieder ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. In nur vier Jahren Bauzeit wurde (…) das nahezu gesamte Areal bebaut.“ (Stage Theater am Potsdamer Platz, Berlin – StageProgramm 01/11) Checkpoint Charlie war einer der drei von den Amerikanern kontrol- lierten Grenzpunkte. Im Oktober 1961 wurde er Schauplatz einer höchst brisanten Situation: Einen Tag lang standen sich US-amerikanische und sowjetische Panzer mit scharfer Munition gegenüber. Die Amerikaner fürchteten nach dem Beginn des Mauerbaus um ihren Einfluss in Berlin, die Sowjets wollten eine Grenzüberschreitung der Amerikaner mit allen Mitteln verhindern. Ausstellungstafeln dokumentieren die Bedeutung dieses Grenzabschnittes. Geschichtsmeile Berliner Mauer Entlang des Mauerwegs, der die innerstädtische Teilung nachvoll- zieht, informiert eine Dauerausstellung über die Geschichte von Teilung, Mauerbau, Fluchtversuchen und Maueröffnung. An 30 Stationen machen Fotografien und Texte auf Ereignisse an den jeweiligen Stellen aufmerksam. Auch die politische Situation oder der Alltag in der geteilten Stadt werden auf den Tafeln dargestellt. Der ehemalige Mauerverlauf ist in der Innenstadt im Boden mit einer doppelten Pflastersteinreihe und gusseisernen Tafeln „Berliner Mauer 1961–1989“ gekennzeichnet. Wer dieser Markierung folgt, kann die Geschichtsmeile zu Fuß erkunden. ( N S. 48) Aufgaben 1. Suchen Sie im Foyer des Stage Theaters am Potsdamer Platz Dokumente aus der Stasi-Akte von Udo Lindenberg. Notieren Sie sich kurz die dort zu findenden Informationen. Überlegen Sie, weshalb der Stasi diese Informationen bedeutsam erschienen. 2. Suchen Sie das Gespräch mit Besuchern einer öffentlichen Gedenkstätte, die ihrem Alter nach die deutsche Teilung noch erlebt haben. Stellen Sie eigene Fragen oder nutzen Sie die Anregungen für Schülerinterviews von Seite 40. 3. Schreiben Sie für die Schülerzeitung einen kurzen Bericht über Ihre geschichtlichen Stadterkundungen. 4. Suchen Sie im Internet nach Archivaufnahmen vom Bau der Mauer und gestalten Sie ein Informationsplakat. © LAB/H. Siegmann © LAB/H. Siegmann Geschichtliche Stadterkundungen Die Bernauer Straße war durch die Mauer in ihrem Längsverlauf geteilt (im Gegensatz zur Sonnenallee, die durch die Mauer quergeteilt war). Diese Familie flieht durch ein Fenster im Erdgeschoss auf die westliche Straßenseite. 5. Entwickeln Sie in Vierergruppen eine kurze Spielszene, die deutlich macht, wie sich wohl die Menschen gefühlt haben, als mitten durch ihre Straße plötzlich eine Mauer gezogen wurde. Spielen Sie Ihre Szenen in der Klasse vor. 6. Recherchieren Sie die Grenzübergänge innerhalb von Berlin und notieren Sie zu drei Übergängen jeweils drei Fakten über markante Ereignisse, die dort stattfanden. Verknüpfen Sie Ihre Ergebnisse mit denen Ihrer Mitschüler. Erstellen Sie aus den Ergebnissen eine Grenzverlaufskarte und gestalten Sie daraus eine Ausstellung. 47 Weiterführendes Material Weiterführende Arbeitsmaterialien zur Gestaltung des Unterrichts finden Sie auf www.musicals.de/schulklassen. Geschichte der DDR Links ■■ www.stiftung-aufarbeitung.de Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Zeitzeugenarbeit, Gedenkstätten, Bildungsmaterial zur Geschichte der Mauer, zur DDR, Themendokumentationen, Ausstellungen, Förderanträge ■■ www.ddr-im-unterricht.de umfangreiches Portal mit Bildungsmaterial zum Unterricht, ständig aktualisierte Artikel ■■ www.deinegeschichte.de gemeinsames Bildungsportal der Stiftung Aufarbeitung der Bundeszentrale für politische Bildung, Unterrichtseinheiten zum Thema Jugendopposition, Stasi, Familie und Jugend ■■ www.mdr.de/damals/euregeschichte Die Plattform enthält viele Bilder, Texte, Interviews, Audios und Videos zu unterschiedlichen Aspekten der Alltagskultur in der DDR. ■■ www.lehrer-online.de/deutsch-deutsche-beziehungen.php Unterrichtseinheiten zum 17. Juni 1953 und zum Mauerbau mit Rückgriff auf Karikaturen ■■ www.bpb.de/themen/KGBNU7,0,0,Deutsche_Teilung_Deutsche_Einheit.html umfassende Informations- und Materialseite der Bundeszentrale für politische Bildung ■■ www.bildungsserver.berlin-brandenburg.de/7198.html Links und Materialsammlungen ■■ www.hdg.de/lemo/html/DasGeteilteDeutschland/index.html schülergerechte Info-Seite des Deutschen Historischen Museums zum Thema geteiltes Deutschland ■■ www.wir-waren-so-frei.de Webseite mit persönlichen Erinnerungen, publiziert von der Bundeszentrale für politische Bildung und dem Museum für Film und Fernsehen Berlin Vertiefende Literatur ■■ Demke, Elena: Die Friedliche Revolution 1989/90. Quellen, Fragen, Kontexte. Hrsg. in Kooperation mit dem Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Ludwigsfelde 2009. ■■ Hamann, Christoph: Die DDR als Unterrichtsthema (Flyer: Sport, Geschichte, Sozialkunde, Politische Bildung, Politikwissenschaft, künstlerisch-ästhetischer Bereich, Deutsch, Medienpädagogik – Film, Außerschulische Lernorte Berlin, Brandenburg). Ludwigsfelde 2009. ■■ Hofmann, Jan (Hrsg.): Vergangenheit verstehen, Demokratiebewusstsein stärken. Die DDR im (DEFA-)Film. Projektbericht und Materialien für den Unterricht. In Kooperation mit FILMERNST (www.filmernst.de). Ludwigsfelde 2010. (Online-Version: http://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/ddr_im_film.html) ■■ Winkler, Heinrich August: Der lange Weg nach Westen. Bd. 2: Deutsche Geschichte vom ‚Dritten Reich‘ bis zur Wiedervereinigung. C. H. Beck Verlag, München 2002 ■■ Damals in der DDR. Zeitzeugen erzählen ihre Geschichte (DVD-ROM) Zu bestellen gegen eine Schutzgebühr von 7 € bei der Bundeszentrale für politische Bildung www.bpb.de ■■ Ein Volk unter Verdacht: Die Staatssicherheit der DDR. Berlin 2008. Zu beziehen für 5 € über die Seite des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR www.bstu.bund.de Vertiefende Literatur ■■ Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): DDR-Geschichte. Aus Politik und Zeitgeschichte. Bonn 2001. ■■ Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR: MfS-Handbuch, Teil V/5, BStU, Berlin 2004. ■■ Gedenkstätte Hohenschönhausen/Landesinstitut für Schule und Medien Berlin (2004): Politische Verfolgung in der DDR. Die zentrale Untersuchungshaftanstalt Berlin-Hohenschönhausen – das Gefängnis der Staatssicherheit. Material für den Unterricht. Download als pdf-Datei unter: www.stiftung-hsh.de ■■ Rose, Astrid/Wenzel, Birgit: Opposition und Repression in der DDR. Hrsg. in Kooperation mit der Robert-HavemannGesellschaft und der Stiftung Aufarbeitung. Berlin/Ludwigsfelde 2010 (Online-Version: http://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/opposition_repression_ddr.html) Rockmusik in der DDR Links ■■ www.mdr.de/damals/euregeschichte/musik/ Die Plattform enthält viele Bilder, Texte, Interviews, Audios und Videos zu unterschiedlichen Aspekten der Rockmusik in der DDR. In Videostreams kommen die ehemaligen DDR-Musiker ausführlich zu Wort. ■■ www.jugendopposition.de siehe „Die Unterdrückung der Opposition durch die Staatssicherheit“ ■■ www.renft.de Webseite der Band „Renft“, eh. Klaus Renft Combo mit vielen Informationen zur Bandgeschichte sowie allen Texten der Band ■■ www.puhdys.de Webseite der Band „Puhdys“ mit vielen Hintergrundinformationen zur Band Audiovisuelles Material / DVD: ■■ Feindbilder – Die Fotos und Videos der Stasi. Siehe „Die Unterdrückung der Opposition durch die Staatssicherheit“ Literatur ■■ Kriese, Detlef: Nach der Schlacht. Die Renft-Story – von der Band selbst erzählt. Berlin, 1998. Kindheit und Jugend in der DDR Die Berliner Mauer Links ■■ www.chronik-der-Mauer.de 1961 bis 1990: Die Chronik zeichnet in Text, Bild, Film, Ton, Dokumenten und Interviews mit Zeitzeugen die gesamte Geschichte der Mauer nach. Viele Arbeitsblätter zum Unterricht. Recherche zu Maueropfern. ■■ www.50jahremauerbau.de Sonderseite der Stiftung Berliner Mauer anlässlich des 50. Jahrestages des Mauerbaus ■■ www.berliner-mauer-gedenkstaette.de offizielle Webseite der Dauerausstellung an der Bernauer Straße mit vielen Informationen über Hintergründe, Forschungsansätze und inhaltliche Ausgestaltung ■■ www.rbb-online.de/Mauer ergiebige Informationsseite zur Reihe „Leben mit der Mauer“ mit vielen Filmdokumenten, Zeitzeugeninterviews, Karten ■■ www.berliner-mauer.de Informationen und Bilder über die Mauer, nicht aufbereitet für den Unterricht ■■ www.mauerfotos.de jugendgerechte Seite mit kurzen Infos zur Mauergeschichte ■■ www.berlin.de/mauer/index.de.html Materialsammlung der Landeszentrale für politische Bildung zu verschiedenen Aspekten des Mauerbaus Vertiefende Literatur ■■ Die Berliner Mauer – Quellen, Fragen, Kontexte. Hrsg. von der Stiftung Berliner Mauer, dem Berliner Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (LStU) und dem Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM). Berlin 2011. Erschienen in der Reihe „Werkstatt für die DDR-Geschichte in der Schule“, herausgegeben vom LStU Berlin mit verschiedenen Kooperationspartnern. Die Unterdrückung der Opposition durch die Staatssicherheit Links ■■ www.bstu.bund.de Webseite der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Fallbeispiele, Dokumente und Unterrichtsmaterialien ■■ www.jugendopposition.de Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung und der Robert-Havemann-Gesellschaft e.V. über Opposition in der DDR. Zeitzeugeninterviews, Audio- und Videomaterial, Dokumente und Arbeitsblätter ■■ http://php2.arte.tv/wundervonleipzig/ Darstellung der Leipziger Montagsdemonstrationen in Form einer aufwändig gestalteten, interaktiven Präsentation Audiovisuelles Material/DVDs ■■ Feindbilder – Die Fotos und Videos der Stasi. Ein Film von Holger Kulick. Berlin 2006. Die DVD enthält in 12 Kapiteln Fotos, Filmausschnitte, Interviews. Zu jedem Kapitel Materialien für den Unterricht als pdfDateien. Zu bestellen gegen eine Schutzgebühr von 8 € bei der Bundeszentrale für politische Bildung www.bpb.de ■■ Kontraste – Auf den Spuren einer Diktatur. Bonn 2005. Die DVD enthält 32 Beiträge des Fernsehmagazins „Kontraste“ aus den Jahren 1987 – 2001. Zu bestellen gegen eine Schutzgebühr von 6 € bei der Bundeszentrale für politische Bildung. www.bpb.de ■■ Revisor – Überwachung, Verfolgung, Inhaftierung durch das MfS: Ein Fallbeispiel für den Unterricht. Berlin 2008. Zu beziehen für 4 € über die Seite des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. www.bstu.bund.de Links ■■ www.bpb.de Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung mit umfangreichen Materialien zu vielen zentralen Aspekten der DDR-Geschichte ■■ www.stiftung-aufarbeitung.de siehe „Die Unterdrückung der Opposition durch die Staatssicherheit“ ■■ www.jugendopposition.de siehe „Die Unterdrückung der Opposition durch die Staatssicherheit“ ■■ www.mdr.de/damals/euregeschichte/ siehe „Die Unterdrückung der Opposition durch die Staatssicherheit“ Audiovisuelles Material / DVD: ■■ Damals in der DDR. Zeitzeugen erzählen ihre Geschichte. Siehe „Die Berliner Mauer“ Vertiefende Literatur: ■■ Wolle, Stefan: Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR 1971–1989. Bonn 1999 (Schriftenreihe Band 349 der Bundeszentrale für politische Bildung) ■■ Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): DDR-Geschichte. Aus Politik und Zeitgeschichte. Siehe „Die Unterdrückung der Opposition durch die Staatssicherheit“ Udo und seine Freunde in der DDR und Stark wie zwei (Biografie) Links ■■ www.udo-lindenberg.de Die offizielle Seite des Künstlers mit vielen interessanten Hintergrundinformationen ■■ www.udo-lindenberg-stiftung.de Die offizielle Seite seiner Stiftung mit interessanten Hintergrundinformationen zu den Aktivitäten der Stiftung Audiovisuelles Material ■■ Lindenberg, Udo: Panikpräsident (Die Autobiografie). Hörbuch. München 2004. Vertiefende Literatur: ■■ Lindenberg, Udo: Panikpräsident (Die Autobiografie). München 2004. ■■ Freitag, Thomas: Udo Lindenberg und der Osten. Berlin 2011. ■■ Lindenberg, Udo: Rock’n’Roll und Rebellion. Ein panisches Panorama. Hamburg 2007. ■■ Rauhut, Michael: Schalmei und Lederjacke. Berlin 1996. ■■ Köster, Arno: Hinterm Horizont – Weltpremiere des Musicals am 13. Januar 2011. Ein Gespräch mit Udo Lindenberg. Presseinformation der Stage Entertainment. Berlin 2011. Geschichtliche Stadterkundungen ■■ www.berliner-mauer-gedenkstaette.de/ siehe „Die Berliner Mauer“ ■■ www.stiftung-hsh.de Webseite der Gedenkstätte Hohenschönhausen, wo in den Räumen der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR die Willkür des Machtapparates der DDR und deren Folgen für die Inhaftierten nachvollziehbar wird. ■■ www.eastsidegallery-berlin.com Webseite des Vereins Künstlerinitiative East Side Gallery e.V., der sich seit 1996 für den Erhalt der Ausstellung restaurierter Mauerabschnitte einsetzt und Führungen durch die Ausstellung organisiert. (Stand: September 2011) 48 49 © Brinkhoff/Mögenburg Bildnachweis Acke, Tine Seite 26 Brinkhoff, Ralf/Mögenburg, Birgit Seite 4, 7 (2), 23, 25, 28, 30 (2), 31 (2), 32 (4), 33 (3), 34 (2), 35 (3), 38 (2), 39 (3), 40, 41, 43, 51 Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur Seite 12 Bestand Klaus Mehner, Nr. 77_1205_POL-Mauer_05; Seite 43 Bestand Uwe Gerig, Nr. 6207 dpa Picture-Alliance GmbH Seite 14 (2); Seite 16 Foto: Wilfried Glienke; Seite 17 Foto: Horst Sturm; Seite 18 Foto Günter Gueffroy; Seite 20a, Seite 20b Foto: Dieter Klar; Seite 21 Foto: Dieter Klar; Seite 22; Seite 24(2); Seite 25 Foto: Cornelia Gus Eriksson, Kristina Titel, Seite 21, 25 Landesarchiv Berlin Seite 10/11 F Rep. 290-462 Nr. 0078792, Foto: Gert Schütz; Seite 10/11 F Rep. 290-462 Nr. 0259849, Foto: Wolfgang Albrecht; Seite 40 F Rep. 290-462 Nr. 0115296, Foto: Hans Seiler; Seite 46 F Rep. 290-462, Nr. 0076136, Foto: Horst Siegmann; Seite 46 F Rep. 290-462, Nr. C 1186, Foto: Horst Siegmann Picture Press Bild- und Textagentur GmbH, Hamburg Seite 15 (2), Seite 16/17 (3), Seite 18/19 (1): Harald Schmitt/Stern/Picture Press ullstein bild Seite 13 Foto: Gadewoltz; Seite 43 Foto: Georgi (L); Seite 42 Foto: Chronos Media GmbH; Seite 47 Foto: Ritter Upfront/Kommune Art Seite 25 Foto: Sven Sindt, Grafik: Katja Hübner Grafiken Silke Kecke Seite 9, 12, 28, 45 Hinterm Horizont Wir war’n zwei Detektive Die Hüte tief im Gesicht Alle Straßen endlos Barrikaden gab’s für uns doch nicht Du und ich, das war Einfach unschlagbar Ein Paar wie Blitz und Donner Und immer nur auf brennend heißer Spur Wir war’n so richtig Freunde Für die Ewigkeit, das war doch klar Haben die Wolken nicht gesehen Am Horizont, bis es dunkel war Du und ich, das war Einfach unschlagbar Ein Paar wie Blitz und Donner Zwei wie wir Die können sich nie verlier’n Hinterm Horizont geht’s weiter Ein neuer Tag Hinterm Horizont immer weiter Zusammen sind wir stark Das mit uns geht so tief rein Das kann nie zu Ende sein So was Großes Geht nicht einfach so vorbei Hinterm Horizont … Text: Udo Lindenberg, Bea Reszat, Musik: Udo Lindenberg (hier: Auszug aus Libretto) Wir bedanken uns bei den Archiven und Fotografen für die gute Zusammenarbeit. Besonders danken wir der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur für ihre Unterstützung. 50 Weiterführende Arbeitsmaterialien zur Gestaltung des Unterrichts auf www.musicals.de/schulklassen 51