Informationen - Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED
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Informationen - Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED
Eine Ausstellung des Archiv Bürgerbewegung Leipzig e. V. tatur Gefördert von der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Dik Die Frage nach dem Wesen der untergegangenen DDR stellt sich in letzter Zeit immer öfter. Wir werden uns mit dieser Ausstellung in die historisch und politisch bedeutsame Auseinandersetzung einmischen und darstellen, inwieweit der »sozialistische Arbeiterund Bauernstaat« in der zweiten Hälfte seines Bestehens eine »NISCHENGESELLSCHAFT« war. Diese von vielen Ostdeutschen empfundene und vom damaligen ständigen Vertreter der Bundesrepublik, Günter Gaus, in Ostberlin formulierte These basierte sowohl auf gemachten Alltagserfahrungen als auch auf Beobachtungen eines außen stehenden Betrachters. Auch im Rückblick hat das Freizeitleben der Ostdeutschen einen starken Nischencharakter. Der in den 1970er Jahren einsetzende Rückzug ins Private, in den »Verein« oder einen engen Freundeskreis war eine häufige Reaktion auf zu viel Staat im Staat. Er stellte eine Flucht aus der gesellschaftlichen Determiniertheit des Alltags dar. Freizeit und Hobby ließen sich scheinbar aus der Staatspolitik heraus lösen. Der übermächtige, alles regeln wollende SED-Staat lenkte aber bereits frühzeitig den Großteil der Freizeitinteressen in organisierte Bahnen. Organisiertheit war jedoch zugleich auch Kontrolle und Lenkung im Sinne der Regierenden. Die Polizei und auch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) hatten mit dem Freizeitverhalten ihrer Bürger kein leichtes Spiel. Aber wie viel Freiheit war in der Diktatur des Proletariats erlaubt? Dieser umstrittenen Frage gehen wir anhand einiger Feizeitbereiche nach. Waren so populäre Bereiche wie der Fußballplatz, der geliebte Kleingarten, die Brieftaubenzucht oder der Indianistikclub, der Campingplatz oder der FKK-Strand tatsächlich Oasen der Freiheit im Schatten der Mauer? Nutzte, bekämpfte oder tolerierte die SED als selbst ernannte »führende Kraft« der DDR diese als Nischen bezeichneten DDRLebenswelten in der Ära Honecker? Die gelenkte Frei-zeit DDRLebenswelten in der Ära Honecker Impressum Erarbeitung: Michael Wildt unter Mitarbeit von Dennis Motzek Gestaltung und Realisierung: www.oe-grafik.de Kontakt Archiv Bürgerbewegung Leipzig e. V. Katharinenstraße 11 Fregehaus 04109 Leipzig Tel./Fax 0341 861 16 26 [email protected] www.archiv-buergerbewegung.de Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur Otto-Braun-Str. 70-72 10178 Berlin Tel. +49 (030) 2324-7200 Fax +49 (030) 2324-7210 [email protected] www.stiftung-aufarbeitung.de Unser besonderer Dank gilt Dietmar Senf, Johanna Reinhardt, Dieter Hauf, Jörg Diecke, Rommy und Peter Pluge, Fam. Turski, Fam. Göschka, Jochen Giel, Fam. Hillebrand, Marlene Kaminski, Kristoff Kleemann, Michael Kothe, Werner Siegmann, Monika Reim, Sabine Dressler, Dr. Wolfgang Schmidt, Frau Dr. Schwendler, Manfred Handwerk, Horst Wildt, Herrn Wetzig, Heinrich Wiczorek, Christoph Haferkorn, Olaf Stahl, Ditmar-E. Mickeleit, Bernd Mohr, Carola Lisson, Elisabeth Klabunde-Klenert, Georg Meusel, Prof. Rainer Eckert, BSTU-ASt. Leipzig, Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, Ö Grafik - Agentur für Marketing und Design und der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur Politische Parteien und Organisationen in der DDR Das vom späteren DDR-Staats- und Parteichef Walter Ulbricht 1945 geprägte Credo, »alles müsse demokratisch aussehen, aber wir müssen es in der Hand behalten«, war auch nach seiner Entmachtung durch Erich Honecker Maßstab staatlicher Freizeitpolitik. Der in den 1970er Jahren steigende Lebensstandard und die damit anwachsenden Freizeitbedürf- nisse stellten die »Regulierer« in den SEDPartei- und Bezirksleitungen vor immer größere Herausforderungen. Es gab bereits seit der Frühphase der DDR eine Vielzahl von Verbänden und Gesellschaften, die sich um die Kanalisierung der Freizeitinteressen der Bevölkerung bemühten. Ihr Spielraum war jedoch »von oben« vorgegeben. In den Die Massenorganisationen der DDR und ihre Aufgaben: Die Pionierorganisation Gesellschaft für Sport und Technik (GST) Sie war die einzige in der DDR zugelassene Kinderorganisation und wurde 1948 unter dem Namen »Junge Pioniere« gegründet. 1952 wurde das Pioniergelöbnis für den Sozialismus zu kämpfen eingeführt. Seit 1957 gab es die Unterscheidung zwischen »Jungpionieren« (Klassen 1-3) und »Thälmannpionieren« (Klassen 4-7). Obwohl die Mitgliedschaft freiwillig war, gab es seit Ende der 1950er Jahre für Nicht-Pioniere und deren Eltern Behinderungen in der schulischen und beruflichen Entwicklung. Die GST wurde 1952 gegründet und war die sozialistische Wehrorganisation der DDR. Ihre Hauptaufgabe war die Gewinnung und Vorbereitung von Jugendlichen für den Dienst in der Nationalen Volksarmee. Zur GST als Dachverband gehörten: Deutscher Schützenverband der DDR (DSV), Flug- und Fallschirmsportverband der DDR (FFSV), Militärischer Mehrkampfverband der DDR (MMKV), Modellsportverband der DDR (MSV), Motorsportverband der DDR (MoSV / ADMV), Radiosportverband der DDR (RSV), See- und Tauchsportverband der DDR (SSV + TSV) sowie der Wehrkampfsportverband (WKSV) und die Sektionen Pferdesport, Dienst- und Gebrauchshundewesen und Jagdwesen. Bis 1960 gehörte auch die Sektion Sporttauben zur GST. Attraktiv wurde die GST dadurch, dass kostenlos bzw. sehr günstig Kfz-Führerscheine sowie Segel- und Flugscheine erworben werden konnten. 1988 umfasste sie 0,6 Mio. »Kameraden«. 1960er Jahren waren die Sicherheitsorgane mit der inhaltlich schwierigen, aber namentlich eindeutigen Trennung von einst gesamtdeutschen Vereinen beschäftigt. Mit zunehmender Bedeutung der Freizeit für die Regenerierung der Arbeitskraft entstanden neue, bisher ungeahnte Probleme. In erster Linie war es der Mangel an Bau- und Roh- Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) Christlich-Demokratische Union Deutschlands (CDU der DDR) Die SED war die allein regierende Staatspartei der DDR. Sie wurde 1946 durch die Zwangsvereinigung von SPD und KPD gegründet und verfügte über ein in der Verfassung der DDR festgelegtes Recht, die grundlegenden Ziele und Inhalte der gesellschaftlichen Entwicklung in der DDR zu bestimmen. Sie verstand sich selbst als »Partei der Arbeiterklasse«. An ihrer Spitze stand das Zentralkomitee (ZK), in der Praxis lag die Macht allerdings beim Politbüro und beim Generalsekretär der Partei. Die SED hatte 1986 etwa 2,3 Mio. Mitglieder, bei etwa acht Mio. Erwerbstätigen und einer DDR-Gesamtbevölkerung von 16,8 Millionen. Die CDU wurde 1945 als Interessenvertreter christlich gebundener Menschen aus dem Bürgertum und der Arbeiterklasse als eigenständige und gesamtdeutsche Partei gegründet. Bis Ende der 40er Jahre bemühte sie sich um Eigenständigkeit im politischen System. In Folge dessen kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen der CDU und SED, u. a. hinsichtlich der Bodenreform und der Volkskongressbewegung. So näherte sich die CDU immer mehr der SED an und trat letztendlich für den Sozialismus als politisches Ziel ein. 1981 besaß die DDR-CDU 120.000 Mitglieder. Liberaldemokratische Partei Deutschlands (LDPD) Der FDGB war in Fragen Arbeitsrecht, betrieblicher und staatlicher Sozialpolitik, aber auch in den Bereichen Touristik, Weiterbildung und Kulturpolitik tätig. Er wurde 1945 gegründet und war als DDR-Einheitsgewerkschaft mit 9,4 Mio. Mitgliedern (1988) die größte Massenorganisation. Die Gleichschaltung mit der SED war dabei auf allen Ebenen gewährleistet, da die meisten FDGB-Funktionäre auch Mitglieder der SED waren. Die DSF war mit 6,4 Mio. Mitgliedern (1988) in 43.249 Grundeinheiten die zweitgrößte Massenorganisation der DDR. Sie wurde 1947 als »Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion« gegründet und sollte der antisowjetisch eingestellten Bevölkerung Kenntnisse über die sowjetische Gesellschaft vermitteln, eine neue deutsche Kultur unter Nutzung sowjetischer Erfahrungen aufbauen und sowjetische kulturelle Werke verbreiten. 1949 erfolgte dann die Umbenennung in »Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft«. Sie wandelte sich von einer Studiengesellschaft zu einer politischen Massenorganisation. Die LDPD (bis etwa 1951 LDP) gehörte zu den Blockparteien der DDR und wurde1945 gegründet. Nachdem sie ihre politische Unabhängigkeit zunächst zu bewahren vermochte, näherte sie sich nach 1949 immer mehr der SED an. 1952 bekannte sie sich zum »planmäßigen Aufbau des Sozialismus«. So unterstützte sie aktiv die Umwandlung von privaten in halbstaatliche Betriebe und Produktionsgenossenschaften und später deren Umwandlung in Volkseigentum. 1977 besaß die LDPD 75.000 Mitglieder. Demokratischer Frauenbund Deutschlands (DFD) Freie Deutsche Jugend (FDJ) Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) 1 In der DDR »kümmerten« sich neben den politischen Parteien und politisch geprägten Massenorganisationen noch weitere Organisationen und Verbände um eine in ihrem Sinne geprägte »sinnvolle Freizeitgestaltung«. 1985 gab es laut Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften der DDR insgesamt 76 gesellschaftliche Organisationen. Darunter waren so mitgliederstarke Verbände wie: Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter (VKSK) Der VKSK wurde 1959 mit vielen eigenständigen Züchtersparten wie Bienenzüchtern, Rassehundezüchtern, Rassekatzenzüchtern, Rassekaninchenzüchtern, Milchschaf- und Ziegenzüchtern gegründet. Mehr zum VKSK auf Tafel 7. Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF) Die FDJ wurde als sozialistische Jugendorganisation der DDR 1946 gegründet. Als »Kampfreserve« der SED war ihr politisch-ideologisches Ziel die Einflussnahme auf sämtliche Lebensbereiche der Jugendlichen in der DDR. Man konnte ab der 8. Klasse in die FDJ eintreten. Damit fand ein nahtloser Übergang vom Thälmannpionier zum FDJler statt. Die Mitgliedschaft war wie bei den Pionieren freiwillig, aber es gab ebenso Nachteile für Nicht-FDJler. 1988 waren 2,3 Mio. Jugendliche Mitglied der FDJ. gerieten nun Fußballfans, Briefmarkensammler und Brieftaubenzüchter stärker ins Visier der Sicherheitskräfte. Die flächendeckende Überwachung der Vereine, die im offiziellen DDR-deutsch Vereinigungen hießen, erforderte bis 1989 bei Polizei und Stasi eine Vielzahl von IMs (Inoffiziellen Mitarbeitern) und GMS (gesellschaftlichen Mitarbeitern Sicherheit). Die politischen Parteien der DDR und ihre Mitgliederzahlen: Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB) Der DFD bot für Frauen Freizeitgestaltung, Bildungsmöglichkeit und Interessenvertretung im nachbarschaftlichen Bereich an. 1947 als überparteiliche, demokratische Frauenorganisation gegründet, erfüllte er das Kriterium der Überparteilichkeit nicht. Der DFD entwickelte sich zu einer Massenorganisation im Gefolge der SED. 1982 hatte er 1.441.375 Mitglieder, das waren 21 % der volljährigen weiblichen Bevölkerung. stoffen, der zum Entstehen von »Bückware« und einer geschlossenen Tauschgesellschaft in der DDR führte. Der verwaltete Mangel beförderte die ostdeutsche Improvisationsfähigkeit in allen Bereichen und der staatlich gefürchtete Blick ins »Freizeitparadies West« ließ die Sicherheitskräfte nicht zur Ruhe kommen. Nach dem »Beatleskrieg« der Sechziger Die DBD war die Interessenvertretung der bäuerlichen Bevölkerung und wurde 1948 gegründet. Es war der Versuch der SED, den Einfluss von CDU und LDPD auf die Bauernschaft durch die Gründung einer SED-treuen Partei abzuschwächen. Die DBD unterstützte von Anfang an die Politik der SED und sah ihre Aufgabe darin, die Bauern für den Aufbau des Sozialismus zu gewinnen. 1977 besaß die DBD 92.000 Mitglieder. Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NDPD) Deutscher Turn- und Sportbund (DTSB) Die NDPD wurde 1948 gegründet. Ihre Mitglieder kamen aus der bürgerlichen Mittelschicht, aus den Reihen ehemaliger Offiziere und Berufssoldaten. Aber auch »nicht belastete« Mitglieder der NSDAP und NS-Anhänger wurden aufgenommen. 1977 besaß die NDPD 85.000 Mitglieder. Der DTSB war der größte Dachverband für alle Sportler und zugleich drittgrößte Massenorganisation der DDR. (1989 = 3,7 Mio. Mitglieder) Er wurde 1957 in Berlin gegründet und übernahm die Aufgaben des seit 1948 bestehenden Deutschen Sportausschusses und des Staatlichen Komitees für Körperkultur und Sport. Er wurde unmittelbar durch die Abteilung Sport des ZK der SED angeleitet. Dafür waren bis 1971 Erich Honecker, von 1971 bis 1984 Paul Verner und von 1984 bis 1989 Egon Krenz verantwortlich. Hauptaufgaben des DTSB waren: Volkssportbewegung schaffen; sportliche Höchstleistungen erreichen; die Organisation festigen; Mitglieder sozialistisch erziehen. Auch der Deutsche Fußballverband (DFV) gehörte zum DTSB. Mehr zum DFV auf Tafel 16. Kulturbund der DDR (KB) Der KB war die größte Kulturorganisation der DDR. Mehr zum KB auf Tafel 2. Die gelenkte frei-zeit DDRLebenswelten in der Ära Honecker Die gebundene Kultur – der kulturbund wetterlage waren die Gliederungen des KB für die Sicherheitsorgane von Interesse. Ein dichtes Netz von IMs durchzog deshalb die hauptamtlich gelenkte Kulturarbeit. Bis Ende 1989 erstellten Kulturbundfunktionäre politische Monatsberichte und lieferten damit landesweite Stimmungsbilder in die Berliner Zentrale. waren in über 10.000 Interessengemeinschaften in verschiedenen Gesellschaften tätig. Ihr im Statut festgelegtes Ziel war die »Herausbildung einer sozialistischen Nationalkultur« und die »Pflege der Beziehungen zwischen Intelligenz und Arbeiterklasse«. Daran arbeitete auch die Wochenzeitung »Sonntag« mit. Je nach politischer Groß- 1958 in Deutscher Kulturbund umbenannt. 1974 erhielt er den Namen Kulturbund der DDR (KB). Er war dem politischen Zweckbündnis der Nationalen Front angegliedert und so in den staatlichen Zentralismus eingebunden. Daher besaß er in der Volkskammer der DDR eine eigene Fraktion. 1988 gab es in über 2.000 Ortsgruppen 277.327 Mitglieder. Diese 1958 war der Dichter Johannes R. Becher Präsident dieser Massenorganisation. Unter seiner Leitung vertrat der Kulturbund seit etwa 1955 die Interessen der SED. Sie war bereits die alles beherrschende Staatspartei der DDR. Nachdem 1957 die noch bestehenden 141 »Klubs der intellektuellen Gesellschaft« aufgenommen worden waren, wurde der Bund XX Nr. 290/03 Q BVfS Lpz. Abt. Q Ullstein Bild Nr. 00219114 Q SächsStAL, KB der DDR, BL Lpz. Nr. 281 Der am 13. Juni 1945 von der Sowjetischen Militäradministration gegründete Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands war die größte kulturelle Freizeitorganisation der DDR. Ihr Ziel bestand anfänglich in der Einbeziehung der Bevölkerung, insbesondere der Intelligenz, in eine antifaschistisch-demokratische Kulturentwicklung. Bis Auge und Ohr der Partei… Das Mitteilungsblatt des Kulturbundes im Wandel der Zeiten Nr. Q MfS HA XX 12261 Q MfS SED-KL Nr. 1629 Ziel und Inhalt des politischen Monatsberichts Mahnung von der Zentrale des Kulturbundes der DDR Q SächsStAL,Ges. f. Heimatgesch., Bez.vorst.Lpz. Nr. 43 Q SächsStAL, KB der DDR, BL Lpz. Nr. 281 Q BVfS Lpz. Leitung Nr. 1078/03 Aufbau des Kulturbundes der DDR So wurde von der Stasi für die 1970er Jahre vorgearbeitet Q MfS Gera AKG 3516 Q MfS HA XX Nr. 11396 Die SED förderte den Kulturbund personell und finanziell Info der Stasikreisdienststelle Saalfeld für die Bezirksverwaltung Gera Die gelenkte Frei-zeit Bei der Stasi archivierte Grundaufgaben des Kulturbundes 2 DDRLebenswelten in der Ära Honecker Briefmarkensammeln – beschnittene leidenschaft Die prägnanteste Besonderheit der Ausgabepolitik des Postministeriums war die durch die Anforderung des Außenhandels der DDR hervorgerufene Verknappung von Sondermarken innerhalb der DDR. Über den Export ins »Nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet« (NSW) wurden hohe, dringend benötigte Valutaeinnahmen erzielt. Dies musste abge- Sammlerausweis – Nur mit dem »Ausweis für den Bezug von Postwertzeichen« erhielt man die gewünschten Sammlermarken Q Privatarchiv Georg Meusel Q Georg Meusel, Werdau (Schwarzenberg-Expoverzeichnis-1-600) IV. Erzgebirgsschau unter dem Motto »25 Jahre SED« – Briefmarkenausstellungen in der DDR hatten oft eine politisch motivierte Thematik Messebelege – Gern präsentierte man sich auf nationalen und internationalen Messen. Marken zu politischen Ereignissen – Jeder SED-Parteitag fand Würdigung in einem Briefmarkensatz genau wie jeder runde Republikgeburtstag sichert werden. Deswegen wurde der freie Verkauf von Postwertzeichen eingeschränkt und unkontrollierte private Ausfuhr von Briefmarken gleichbedeutend einem Devisenvergehen unter Strafe gestellt. Seit 1953 waren vollständige Ausgaben nur noch mit einem jährlich neu zu beantragenden Sammlerausweis erhältlich, der ähnlich wie ein Zeitungsabonnement beliebter Zeitschriften nur begrenzt zu bekommen war. Hinzu kam, dass ab 1955 pro Satz ein Wert in geringerer Stückzahl gedruckt wurde – der Sperrwert. Dieser Wert war nur limitiert an den Schaltern oder im Dauerbezug zu erwerben. Die Auflagen der Sperrwerte betrugen bei seiner Einführung 750.000 Stück, wovon allein 300.000 für den Export reserviert waren. Weitere 100.000 sollten an die im Kulturbund organisierten Sammler und 320.000 an Dauerbezieher der Post ausgegeben werden. Lediglich 30.000 Stück gelangten dann noch in den freien Verkauf. In den Folgejahren wurden die Sperr- Die Vielfalt der philatelistischen Produkte zu den einzelnen Ausgabeanlässen wurden stetig erweitert zur Steigerung des Verkauferlöses – Die Thomas-Müntzer-Ehrung 1989 umfasste neben einen Satz mit 5 Werten, den obligatorischen Erstagsbriefen, einen Kleinbogen und einen Block auch ein Erstagsblatt, einen Numisbrief und Maximumkarten wertauflagen erhöht, die Nachfrage blieb jedoch immer darüber. Ein weiteres Phänomen der DDR-Philatelie war der zentral überwachte Auslandstausch. Erst seit 1954 offiziell genehmigt, war es den Sammlern der DDR über ein aufwendiges Verfahren erlaubt postfrische Marken mit Partnern im Ausland zu tauschen. Dies war allerdings den im Kulturbund organisierten Sammlern vorbehalten, welche sich über ihre Arbeitsgemeinschaft bei der zuständigen Bezirkskommission anzumelden hatten. Der Wert der monatlich eingehenden Tauschsendungen war auf 50 Lipsiamark, einen Umrechnungswert nach dem LipsiaKatalog, begrenzt. Dies wurde von den zentralen Kontrollstellen des Bezirks überwacht. Q SächsStAL KB BL L 1598 Zum Ausgleich gab es auch sehr schöne Motivmarken Der erste Sperrwert war der 5 Pfennig Wert der Schillerausgabe 1955. Sammlerfreunde aus der BAG übernahmen die Vorkontrolle der Tauschsendung Marken mit exportorientierten Motiven Postkriegsbeleg – Die Marke 20 Jahre Vertreibung der Bundespost sollte nicht in die DDR gelangen. Hatte man zunächst die Zustellung verweigert ging man bald zu anderen Mitteln über. Die Marken wurden überlackiert. Auch die Bundespost griff zu ähnlichen Mitteln bei den Werbezudruckstempeln mit politischen Losungen aus der DDR. Deswegen wird diese Zeit unter Sammlern als Postkrieg bezeichnet. 3 Frankaturtausch – war die einzig legale Möglichkeit ohne staatliche Kontrolle mit Tauschpartnern im westlichen Ausland Marken zu tauschen. Anzeige des VEB Philatlie Wermsdorf – dieser Betrieb hatte das Monopol für den Auslandshandel mit Briefmarken aus der DDR Marken mit exportorientierten Motiven Auslandstauschbestimmungen – in die Vordrucke waren alle Marken der Tauschsendung akribisch aufzuführen Die gelenkte Frei-Zeit DDRLebenswelten in der Ära Honecker Q SächsStAL KB BL L 1942 Die organisierten Briefmarkensammler waren in der DDR in Betriebsarbeitsgemeinschaften (BAG) oder Arbeitsgemeinschaften (AG) innerhalb des Philatelistenverbandes des Kulturbundes zusammen geschlossen. Außerhalb dieser Organisation gab es keine Möglichkeit eines Zusammenschlusses der Sammler. Natürlich war Briefmarkensammeln auch allein bis drei Marken je Ausgabe, so konnte ein Bundesfreund noch bis zu drei zusätzlichen erwerben. Der Nachteil war die den Mitgliedern abverlangte Politisierung. Wie in allen Bereichen der Freizeitgestaltung erwartete man auch von den organisierten Philatelisten, dass sie sich von ihren als »kleinbürgerlich« geschmähten Traditionen, der »vorgeblich Funktionäre des Philatelistenverbandes galt es, neue Formen des Sammelns, wie Motivoder Themensammlungen möglichst im Kollektiv durchzusetzen. Die Bundesfreunde waren angehalten politisch gefärbte Exponate zur führenden Rolle der SED oder der Waffenbrüderschaft mit der Sowjetunion zu gestalten, alljährlich Friedenspetitionen zu möglich. Allerdings erleichterte die Mitgliedschaft im Kulturbund die Briefmarkenbeschaffung. Die Vorteile einer Mitgliedschaft im Kulturbund waren die Möglichkeit der Teilnahme am Auslandstausch und der erhöhte Markenbezug bei der Post. Erhielt ein für den Postbezug angemeldeter Sammler lediglich unpolitischen Philatelie bürgerlicher Prägung mit spekulativen Tendenzen« befreiten. Bei ihren Sammlungen sollten »inhaltliche Schwerpunkte gegenüber wertmäßigem Denken in den Vordergrund treten« und mit »einem klaren und parteilich politischen Bekenntnis« verbunden werden. Nach dem Wunsch der unterschreiben und die rituellen Solidaritätsbeiträge zu leisten. Dies alles verhinderte jedoch nicht, dass man sich auch in diesen Kreisen vorrangig der Freude am Sammeln schöner, alter und auch wertvoller Briefmarken widmete. Anspruch und DDR-Wirklichkeit divergierten auch hier mächtig. Die neue Lipsia-Rundschau – Die Veröffentlichung der Philatelisten im Kulturbund Leipzig Q SächsStAL KB BL L 1598 Q Privatarchiv Georg Meusel ((King-Exponat_Washington-1-600) Auch die Armee und die als »Antifaschistische Schutzwall« beschönigte Staatsgrenze fanden ihren Wiederhall. Friedenspetition Leipziger Philatelisten Q Bestand ABL BL L 2115 Q SächsStAL KB Q SächsStAL KB BL L 1598 Q SächsStAL KB BL L 1598 In seinem Exponat zu Martin-Luther-King setzte sich Georg Meusel mit den Möglichkeiten der Bürgerrechts- und Friedensbewegung in den USA auseinander. Das zunächst hochgelobte Exponat wurde gern auch ins sozialistische Ausland entliehen. Doch wegen seines Plädoyers für den passiven Widerstand, der nicht mit der »bewaffneten Friedenswacht« der sozialistischen Verteidigungsdoktrin vereinbar war, wurde die Entleihung in die Bundesrepublik verwehrt. Selbst der Mauerfall wurde philatelistisch verewigt. Q SächsStAL KB BL L 1963 Jedes Staatsjubiläum wurde umfangreich auf Briefmarken gewürdigt. Q SächsStAL KB BL L 1942 Gezacktes und geschnittenes für den weltfrieden Der Dederon-Block – Dieser Block ist nicht aus Papier sondern aus Kunstfaser hergestellt und erschienen 1963 zur »Popularisierung des Chemieprogramms der DDR« Die gelenkte frei-zeit Der Sammlerexpress war die monatlich erscheinende Zeitschrift für den Briefmarkensammler der DDR 4 DDRLebenswelten in der Ära Honecker Dem »Arbeitskreis 1813« gehörten 1987 bereits sieben IGs an Q SächsStAL, Ges. f. Heimatgeschichte, BV L Nr. 37 Beim Kulturbund im Bezirk Leipzig registrierte »Traditionsvereine« Liebhaber. Der Zusammenschluss dieser Sammler zu Gruppen ist in Leipzig bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts zurückzuverfolgen. Ende der 1950er Jahre entwickelte sich das Torhaus Dölitz, ein in der Völkerschlacht umkämpftes Gebäude, zum Zentrum der Zinnfigurensammler. Innerhalb dieser Gruppe bildete sich Mitte der 1960er Jahre eine Untergruppe »Historische Waffen- und Uniformensammler« heraus. Ihre Mitglieder erwarben spezielle Kenntnisse bei nötigen Reparaturen beschädigter Zinnfiguren und aus historischer Literatur. Diese DDR-weit einzige Gruppe mit Mitgliedern aus vielen Bezirken führte einmal monatlich im Leipziger Restaurant »Kaffeebaum« separate Treffen mit ungefähr zehn bis zwölf Personen durch. Später traf man sich im Torhaus Dölitz und ab etwa 1975 erhielten sie das ehemalige Gefängnis des Torhauses als Treffpunkt zugeordnet. Mit der staatlichen Wiederentdeckung des Preußentums Anfang der 1980er Jahre Q Bundesarchiv Bild Nr.183-1986–1018-034 entstanden in mehreren Orten verschiedene Gruppen, die sich unter dem Dach des Kulturbundes der »Tradition der Befreiungskriege von 1813« widmeten. Natürlich waren da auch die einst bekämpften Franzosen darunter. Bei den öffentlichen Darstellungen historischer Schlachten und des militärischen Lebens um 1800 musste schließlich ja auch der »Feind« der so genannten Verbündeten Armeen, zu denen u. a. die Preußen, Russen, Österreicher und Schweden gehörten, anwesend sein. Ein derartig praktischer Umgang mit Geschichte war sowohl massenwirksames Mittel zur Propagierung der deutsch-sowjetischen Waffenbrüderschaft als auch Magnet für viele NVAOffiziersbewerberkollektive. Q Privatarchiv Kristoff Kleemann ADN-ZB/Kasper/18.10.86/Bez. Erfurt: Gedenken an die Schlacht bei Jena und Auerstedt … Q Privatarchiv Kristoff Kleemann Q Privatarchiv Kristoff Kleemann Werbung der »IG Völkerschlacht 1813« aus dem Jahr 1981 Q Privatarchiv Kristoff Kleemann Die »IG Völkerschlacht 1813« war beim Pressefest der »Sächsischen Zeitung« im Wehrpolitischen Zentrum aktiv Q Privatarchiv Marlene Kaminsky Selbstgebastelte Werbekarte (1981) Die Völkerschlacht, die im Jahre 1813 in und um Leipzig tobte, wirkte sich auch auf die Sammelleidenschaft nachfolgender Generationen aus. Neben Waffen und Ausrüstungsgegenständen der Napoleonischen und anderer beteiligter Armeen fanden sich vor allem auch Zinnfiguren von Soldaten und Kriegsgerät in den Sammlungen privater Q Privatarchiv Kristoff Kleemann Q SächsStAL, KB der DDR, BL Lpz. Nr. 855 Die Preussen kommen 160-Jahrfeier der Völkerschlacht 1973 noch im privaten Kreis Die Anfänge einer lebenslangen Passion Q Bundesarchiv Bild Nr. 183-1983-0906-010 Auch diese Hobby mauserte sich zum Familienhobby ADN-ZB/Gahlbeck/18.10.80/Leipzig: »Anschaulichen Geschichtsunterricht erhielten Leipziger FDJ-Offiziersbewerber in einer Veranstaltungsreihe zur Waffenbrüderschaft, die die junge Generation mit revolutionären Traditionen vertraut macht« … Auch die IG-Mitglieder ließen sich nicht lumpen Q Privatarchiv Kristoff Kleemann Die »IG Völkerschlacht 1813« vor dem Leipziger Völkerschlachtdenkmal Q Privatarchiv Kristoff Kleemann Q Bundesarchiv Bild Nr. 183-W1018-011 Q Privatarchiv Kristoff Kleemann Der Jugendclub Theodor Körner marschiert Die gelenkte Frei-Zeit Zu Gast in Austerlitz 1980 Selbstgebastelter Sticker (1982) 5 DDRLebenswelten in der Ära Honecker BV L Nr . 44 Q Säch sStAL, Ges. f. Heim atgesc hichte, Dank dir napoleon … Deutsches Weihelied in der DDR. Es stellte selbst den zum nationalen Großereignis hochstilisierten 750. Geburtstag Berlins ein Jahr zuvor in den Schatten. Aus den »sozialistischen Bruderländern« und aus Österreich waren Hobbyisten erschienen. Solche Treffen zu Höhepunkten im »Schlachtenleben« der Völker hatten seit Anfang der 1980er Jahre Tradition und waren auch für Stimmt an mit hellem, hohem Klang, stimmt an das Lied der Lieder, des Vaterlandes Hochgesang! Das Waldtal hall es wider. Dem Mutterland, dem Vaterland, dem Heimatland der Treue, dir, freies, wunderbares Land, dir weihn wir uns auf`s neue. Jahre ins marxistische Geschichtsbild eingepasst waren und die deutsch-russische Waffenbrüderschaft von einst nunmehr in verordneter deutsch-sowjetischer Freundschaft aufgehoben war, ließ sich ein vielfältiges Programm zelebrieren. Das 1913 vom deutschen Kaiser eingeweihte Leipziger Völkerschlachtdenkmal bildete die heroische Kulisse für die große Festveranstaltung, die man sich auch etwas kosten ließ… Für die Mitglieder der verschiedenen Arbeitsgemeinschaften, die sich mit dem Geschehen rund um die Schlacht befassten, war dieses Jubiläum der wirkliche Höhepunkt ihres Hobbys Aufkleber der IG »Lützower Freikorps 1813« die »Zivilbevölkerung« von hohem Schauwert. Historische Märsche und Biwaks bildeten das Rahmenprogramm für die von Staat und Partei initiierten Feierlichkeiten, die erstmals die enorme Fülle der sich mit derartiger Traditionspflege befassenden Kulturbundgruppen verdeutlichte. Für die Presse boten die farbenprächtigen Uniformen und das martialische Aussehen der Kämpfer aller Armeen einen willkommenen Anlass, das Thema Waffenbrüderschaft und bewaffneten Friedenskampf etwas bunter darzustellen als sonst. Schließlich hieß das Biwak schlicht und einfach Friedensbiwak. Die Dichter sollen Lieb und Wein und oft den Frieden preisen und sollen freie Männer sein in Taten und in Wiesen. Q Privatarchiv Kristoff Kleemann Dank dir Napoleon hätte so mancher Leipziger Funktionär im Jahr 1988 ausrufen können. Entweder aus Groll über jede Menge zusätzlicher Arbeit oder aus wirklichem Dank, denn der 175. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig brachte für den kulturpolitischen Festkalender so manches Großereignis mit sich. Da die alten Preußen nun schon einige Ihr Hichgesang soll himmelan mit Ungestüm sich reißen, und jeder echte deutsche Mann soll Freund und Bruder heißen. Werbebroschüre der IG »Völkerschlacht bei Leipzig« Auch die Leipziger Gastronomie beteiligte sich zünftig Q SächsStAL, KB der DDR, BL Lpz. Nr. 855 Albert Methfessel Q SächsStAL, KB der DDR, BL Lpz. Nr. 1585 Q SächsStAL, Ges. f. Heimatgeschichte, BV L Nr. 21 Q SächsStAL, Ges. f. Heimatgeschichte, BV L Nr. 42 Die SED beschließt die Feierlichkeiten Q SächsStAL, Ges. f. Heimatgeschichte, BV L Nr. 42 Q Privatarchiv Hans-Michael Hillebrand Der ganze Bezirk war voller Aktivitäten Q Privatarchiv Hans-Michael Hillebrand Die SED-Zeitung machte richtig Werbung Auch eine Armeezeitung berichtete ausführlich Fotos aus Zeitung »Elternhaus und Schule« zur Illustration »Familienhobby« ADN-ZB/Grubitzsch/15.10.88/Leipzig: 175 Jahre Völkerschlacht/ Ein Denkmal zur russisch-deutschen Waffenbrüderschaft wurde in der Nähe von Wachau eingeweiht. … Q Privatarchiv Hans-Michael Hillebrand Q Bundesarchiv Bild Nr. 183-1988-0515-005 Q Privatarchiv Hans-Michael Hillebrand Q Bundesarchiv Bild Nr. 183-1988-1015-013 Das Fiedensbiwak – Ein teures Schmuckstück Die gelenkte Frei-zeit ADN-ZB/Lehmann/15.5.88/Bezirk Halle: 175 Jahre Schlacht bei Großgörschen/ Die Nachgestaltung vor schaulustigem Publikum war ein besonderer Höhepunkt der Feierlichkeiten zum 175. Jahrestag der Schlacht bei Großgörschen. … Fotos aus Zeitung »Elternhaus und Schule« zur Illustration »Familienhobby« 6 DDRLebenswelten in der Ära Honecker »Rein in die Kartoffeln – raus aus den Kartoffeln« Aufforderung an einen Gartenfreund Q Deutsches Kleingärtnermuseum Q MfS HA XX Nr. 12261 »Rein in die Kartoffeln – raus aus den Kartoffeln«, so kann die Entwicklung des Kleingartenwesens in der DDR bis 1976 treffend beschrieben werden. Die bis dahin andauernden Schwierigkeiten in der politischen Beurteilung dieses Überbleibsels des Kapitalismus, das zudem noch eine ehemalige Hochburg der Sozialdemokratie war, resul- Q Privatarchiv Bernd Mohr Urkunde, Mitgliedsbuch und Dienstausweis von Heinz Kupfer langjähriger Chefredakteur der Kleingärtnerzeitung »Garten und Kleintierzucht« Die Erfassung der erzeugten Mengen war für die Statistik ganz wichtig Q SächsStAL, SED-BL L 21123 Nr. 2434 13,5 Millionen erwachsenen DDR-Bürgern waren 1988 insgesamt 1.487.238 organisierte Kleingärtner. Sie bewirtschafteten 855.000 Parzellen in ca. 18.500 Sparten mit rund 37.000 ha Land. Das entsprach einer Größe von mehr als 50.000 Fußballfeldern. Dazu kam noch eine Vielzahl an Besitzern von Wochenendgrundstücken, ganz nach dem Vorbild der weit verbreiteten sowjetischen Datscha. Zu dieser Zeit standen jedem DDRBürger 27,4 qm Wohnfläche zur Verfügung. In der Bundesrepublik lag die Zahl bereits bei 36,7 qm. Deshalb hatte der Kleingarten in der DDR neben seiner ökonomischen- und Erholungsfunktion auch die des Zweitwohnsitzes inne. Im Unterschied zum Westen war das Übernachten im Ost-Garten gestattet. Q SächsStAL, BT + RdB 20237 Nr. 6278 Die Aufkaufpreise waren klar aber großzügig geregelt tierten aus dem Bestreben der SED, der Kleingärtnerorganisation zwar eine eigene Rechtsfähigkeit zu gewähren, sie aber durch Anleitung und Kontrolle fest im Griff zu haben. Mit der 1959 erfolgten Gründung des Verbands der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter (VKSK) wurde die bis dahin vorhandene organisatorische Zersplitterung auf dem Staatsgebiet der DDR beendet. Eine wirkliche Umbewertung des Kleingärtners und eine damit einhergehende beispiellose Förderung der Aktivitäten des VKSK setzte erst Mitte der 1970er Jahre ein. Von da an waren die von den Spartenmitgliedern erzeugten Mengen Obst, Gemüse, Honig und Fleisch wichtige und offizielle volkswirtschaftliche Kennziffern. Die Probleme der Entwicklung des VKSK standen zukünftig regelmäßig in den Spitzengremien der SED auf der Tagesordnung. So entwickelte sich die DDR langsam zu einem »Kleingärtnerparadies« ja zu einer »umfassenden Kleingartenanlage«. Von den Q Privatarchiv Manfred Handwerk Q Privatarchiv Manfred Handwerk Auch der VKSK blieb vor IMs nicht verschont Q Bundesarchiv Bild Nr. 183-Z1010-009 Q Bundesarchiv Bild Nr. 183-Z0809-011 Politische Themen kamen in der Berichterstattung vor den Mengenangaben Q Deutsches Kleingärtnermuseum Q Deutsches Kleingärtnermuseum »Die Förderung der Kleingärtner diente der Verwirklichung der Hauptaufgabe…« ADN-ZB/Wolf/9.8.81/Berlin: Obst, Gemüse und Küchenkräuter werden aufgekauft. … Die gelenkte Frei-zeit Sogar im Garten gab es jede Menge Vorschriften Kümmerte sich bereits Lenin um die Kleingärtner? 7 ADN-ZB/Sturm/25.6.77/Berlin: Gemeinsame Beratung in der Kleingartenanlage »Am Bauersee« in Berlin-Köpenick. … Q Deutsches Kleingärtnermuseum ADN-ZB/Junge/20.8.78/Berlin: Beim Sommerfest in der Kleingartenanlage »Treptowsruh« ging es hoch her. … Q Archiv Bürgerbewegung Leipzig Bewerbungen für einen Garten Q Deutsches Kleingärtnermuseum Gartenkontrolle in der Leipziger Kleingartensparte Dr. Schreber Q Bundesarchiv Bild Nr. 183-50625-015 Q Bundesarchiv Bild Nr. 183-T0820-004 ADN-ZB/Ihde/10.10.81/Schwerin: Kleingärtner verkaufen Obst … DDRLebenswelten in der Ära Honecker Q Die Sporttaube Nr. 2/67 In Deutschland setzte mit der industriellen Revolution Mitte des 19. Jahrhunderts eine verstärkte Taubenzucht ein. Große Teile der Landbevölkerung siedelten sich in Städten an und dort blieb kaum Raum für Tierhaltung. Die Hinwendung zur Taube war folgerichtig. Seit dem Ersten Weltkrieg wurden Brieftauben als Nachrichtenmittel in die Heimat eingesetzt, tung von Sporttauben, wie die DDR-Brieftauben offiziell hießen, seit 1950 laut Verordnung geregelt. Seit 1955 existierte eine Sektion Sporttauben, deren Zuordnung lange umstritten war. Zunächst wegen ihrer Ausrichtung auf den Flugsport zur GST zugehörig, wurde sie 1960 ausgegliedert und blieb unter gleichem Namen eigenständig. Im Abzeichen wurde statt. 170.000 »Friedenstauben« starteten von fünf Plätzen. Das war die Hälfte aller in der DDR registrierten »Brieftauben«. Generell lagen die Auflassungsorte in östlicher Richtung. Der Westen war selbst für Tauben tabu, denn sie mussten im »Kabinenexpress« an den Start gebracht werden. In der Monatszeitschrift »Die Sporttaube« waren die ersten zwei Seiten denn sie fliegen immer in ihren Schlag zurück. Ihre enorme Flugfähigkeit brachte auch die Möglichkeit zur wettsportlichen Betätigung mit sich. So avancierten Tauben zum »Rennpferd des kleinen Mannes«, denn mit möglichen Geschwindigkeiten über 100 Stundenkilometern und Flugstrecken bis 1.000 km sind enorme Leistungen abrufbar. In der DDR war die Hal- lediglich das Staatswappen der DDR verwendet. Ab 1973 besagte eine neue Anordnung, dass das Halten dieser Vögel nur Mitgliedern der Sektion Sporttauben gestattet war. Die Kontrolle oblag der örtlichen Polizei. Sie wurde aber auf den Dörfern recht großzügig gehandhabt. Der größte Massenstart von Sporttauben fand am 8. Mai 1987 in Ostberlin politischen Leitartikeln vorbehalten. Nach deren Darstellung verirrte sich bis 1989 auch keine West-Brieftaube in die DDR. Als Symbol des Friedens wurde die Taube bereits in der zweiten Schulklasse im Lied »Kleine weiße Friedenstaube« oft besungen. Q SächsStAL SED-BL L 21123 Nr. 2434 »Wir fliegen für den frieden« Auch bei den Taubenzüchtern hatte die SED alles im Griff Q Bundesarchiv Bild Nr.183-W0212-034 ADN-ZB/Kaufhold/12.2.80/Berlin: Zu den rund 300 Sporttaubenzüchtern der DDR-Hauptstadt gehört der 43jährige Karl-Heinz Struck aus Johannistal. Er selbst besitzt etwa 120 Tauben. Q Bundesarchiv Bild Nr. 183-1984-0723-014 Ein Magdeburger Taubenzüchter vermittelt seine Erfahrungen im Pionierlager »Friedrich Engels« in Bertingen (1984) Q MfS HA XX Nr. 12261 ADN-ZB/Kaufhold/12.2.80/Berlin: Viele Pokale hat der Sporttaubenzüchter Karl-Heinz Struck schon mit seinen Lieblingen gewonnen. … Fast jeder größere Ort besaß eine eigene Sektion Sporttauben Q Die Sporttaube Nr. 4/73 Q Privatarchiv Christoph Haferkorn In der Flugsaison hat ein Züchter kein freies Wochenende Q Schulmuseum Leipzig Ab 1. März 1973 galt diese Regelung Q Privatarchiv Christoph Haferkorn Q Die Sporttaube Nr. 4/73 Q Bundesarchiv Bild Nr. 183-W0212-035 Kein Sport ohne Politik – daher Motto der Sektion: »Wir fliegen für den Frieden« Q MfS HA XX Nr. 12261 Statistik der Volkspolizei zur Überwachung der Vereinigungen Q Privatarchiv Christoph Haferkorn Missbrauchtes Vertrauen – Ein IM als Fahrer des Kabinenexpress die gelenkte frei-zeit Auflassungsorte 1976 8 DDRLebenswelten in der Ära Honecker »der sachse liebt das reisen sehr …« Camping war regelmäßiger Tagesordnungspunkt im Rat des Bezirkes Leipzig. »Der Sachse liebt das Reisen sehr…« und da war er keine Ausnahme in der DDR. Allein an Möglichkeiten des »grenzüberschreitenden Reiseverkehrs« mangelte es. Nachdem die Bürger in den 1970er Jahren von der Einführung visafreier Reisemöglichkeiten nach Polen und in die ČSSR profitierten, war der Individualtourismus nach Polen seit 1980 alle ausreichenden Ostseezeltplätze entschied eine zentrale Vermittlungsstelle. Anmeldungen waren ab dem 1. Dezember des Vorjahres möglich, ab Januar des Urlaubsjahres jedoch fast aussichtslos. Nur mit viel Glück war ein bestimmter Saisonplatz zu erhalten. Ob man als Urlauber die Bekanntschaft vom Vorjahr wieder traf, war sehr fraglich. Wem Campingkarte der DDR Ausgabe 1988 Q Archiv Bürg erbewegung Leipz ig, Sammlung Christian Q Privatarchiv Johanna Reinhardt Antrag, Anmeldung und Genehmigung für Camping in der DDR Start der Dauercampingsaison am Zeuthener See 1974 Auf den Spuren von Dr. Faustus… Q Bundesarchiv Bild Nr. 183-P 0813-016 Q Bundesarchiv Bild Nr. 183-R 0806-020 Q Privatarchiv Johan na Reinhardt Q Bundesarchiv Bild Nr. 183- 1983-0719-001 Q Waldteichfreunde Moritzburg e. V. ADN-ZB/Hirndorf/1.8.88/Bez. Erfurt: Das gibt es nur auf dem Zeltplatz – Frühstück um 12 Uhr. … ADN-ZB/Sindermann/19.7.83/Bez. Rostock: Jeder vierte Ostseeurlauber hat seine bunte »Leinwand-Villa« in der Natur aufgeschlagen. Q Privatarchiv Dieter Hauf Q Bundesarchiv Bild Nr. 183-N 0504-013 Q BVfS Lpzg. AKG 60/88 Q Privatarchiv Dieter Hauf Q Bundesarchiv Bild Nr. 183-1988-0801-005 Improvisation wurde auch beim Dauercampen am Thümlitzsee groß geschrieben Q SächsStAL, BT + RdB 20237 Nr. 18962 Q SächsStAL, BT + RdB 20237 Nr. 25271 Stasi-Bericht zu Reiseengpässen 1988 Höhnemann Vertrautheit und jährliche Wiedersehensfreude wichtiger waren als Meeresluft, der zog sich ins Mecklenburgische Hinterland zurück. Weniger strenge Auflagen als am Grenzstrand der Ostsee und eine etwas bessere Versorgungslage überzeugten. Platzstandard und Gebühren waren innerhalb der drei existierenden Ausstattungskategorien sowieso überall gleich. Besonders begehrt waren Dauercampingplätze, die oft den Charakter von Zweitwohnungen einnahmen und um jeden Preis verteidigt wurden. Diese waren finanziell günstiger als Pacht oder Kauf einer Datsche. Selbst ein zu neugieriger Nachbar wurde dafür in Kauf genommen. wegen befürchteter Kontaktaufnahme zur »Feindorganisation Solidarnosc« unterbrochen. Eine stärkere Orientierung auf Inlandurlaub im FDGB-Ferienheim oder auf einen der 654 Campingplätze zwischen Suhl und Kap Arkona war die Folge. Camping war seit den fünfziger Jahren ununterbrochen die alternative Urlaubsform für Naturliebhaber, egal welchen Alters und welcher sozialen Stellung. Auf dem Campingplatz waren alle gleich und die Kosten der nötigen Erstausstattung ließen sich aufbringen. Die Probleme kamen, neben der Beschaffung von Bückware wie Benzinkocher und Wassersack, aus einer anderen Richtung. Über die begehrten und nicht für »Leinwandvillen« in Prerow; Nur hier durfte man in den Dünen zelten ADN-ZB/Bartocha/6/8/76/Bez. Neubrandenburg: Für die »geistige Kost« auf den Campingplätzen des Kreises Neustrelitz sorgen die Mitarbeiter der Neustrelitzer Volksbuchhandlung. … Q Privatarchiv Johanna Reinhardt Q Privatarchiv Dieter Hauf Vermittlungsbedingungen für den Bezirk Dresden »Sozialistische Wartegemeinschaft« 9 Aus dem Campingwegweiser die gelenkte frei-zeit DDRLebenswelten in der Ära Honecker Q Privatarchiv Olaf Stahl Q Privatarchiv Olaf Stahl jährlich. Aber diese nicht mehr ganz junge und finanziell besser gestellte Fangemeinde erregte überall Aufmerksamkeit und musste in organisierte Bahnen gelenkt werden. Auch die Mitgliedschaft von »Behördenangestellten«, wie die hauptamtlichen Stasimitarbeiter in dieser exklusiven Truppe genannt wurden, bot offenbar wenig Garantie für politische Zuverlässigkeit. 1983 erfolgte die Vereinnahmung der 430 ADZler als Untersektion Touristik/ Dachzelte in die Motorradsparte des zur GST gehörenden ADMV Markkleeberg. So wurden Treffen auf offiziellen Campingplätzen möglich. Das in zwei Minuten aufgebaute ADZ galt nicht als Zelt und war dadurch kostenfrei. Es diente zur »Wiederherstellung der Fahrtüchtigkeit«. 1989 fehlten den 789 registrierten Autodachzeltern nur noch Tische und Stühle zur vollkommenen Gemütlichkeit. In der Garage des ADZ-Erfinders, Gerhard Müller, zu seinem 60. Geburtstag Q Privatarchiv Olaf Stahl fahrer aus Limbach-Oberfrohna in Thüringen, in seiner Garage entwickelte und ab 1979 gebaute »ADZ« machte bereits lange vor seiner Hauptrolle im Film »Go, Trabi, Go« mächtig Furore. Es gab viele Anfragen von Freunden und nachdem 1984 die Kultsendung des DDR-Fernsehens »Außenseiter-Spitzenreiter« über die ungewöhnliche Entwicklung berichtet hatte, kamen die Bestellungen säckeweise. Der Preis von 1.584,50 für die einfache und 2.240 Mark für die Variante mit doppeltem Überzelt schreckte die Wenigsten. Gerhard Müller wollte aber trotz gewaltiger Probleme bei der Materialbeschaffung seine ökonomische Unabhängigkeit behalten und nicht als »Angestellter in seinem eigenen Betrieb« staatliche Planvorgaben erfüllen. So blieb es bei der Einzelproduktion, in der bis Oktober 1989 offiziell 1.578 und ca. 400 Zelte inoffiziell hergestellt wurden. Von 1979 bis 1983 traf sich die wachsende Schar der ADZBesitzer als lockerer Freundeskreis einmal Zeitungsbericht anlässlich des Jubiläumstreffen 10 Jahre Autodachzelte, 1989 Q Privatarchiv D-E. Mickeleit Q Privatarchiv Olaf Stahl »Der Dachzeltersong« aus dem Jahr 1989 Q Privatarchiv Olaf Stahl »So was hätten wir früher im Rotfrontkämpferbund haben müssen« scherzte SED-Chef Erich Honecker voller Anerkennung im Sommer 1988, als er in ein Autodachzelt im agra-Park Markkleeberg bei Leipzig kletterte. Das 1978 von Gerhard Müller, einem Kraft- Q Privatarchiv Olaf Stahl Registrierung als MC »TOURIST« Markkleeberg, 1984 Q Privatarchiv Olaf Stahl Q Privatarchiv Olaf Stahl »So was hÄtten wir früher im Rotfrontkämpferbund haben müssen« »Autodachzelter und Indianer« im agra-Park Markkleeberg 1986 Q Privatarchiv Olaf Stahl Q Privatarchiv Olaf Stahl Q Privatarchiv Olaf Stahl Q Privatarchiv Olaf Stahl Auszeichnung des MC »TOURIST« als »Vorbildlicher Motorsportclub des ADMV der DDR« 5. Jubiläumstreffen in der Waldschänke, 1988 Q Privatarchiv Olaf Stahl Q Privatarchiv Olaf Stahl Auch das Radio ließ sich nicht lumpen Q Privatarchiv Olaf Stahl Gern gesehene Gäste im DDR-Fernsehen Q Privatarchiv Olaf Stahl Erste Treffen der Autodachfreunde im Garten von Gerhard Müller in Limbach-Oberfrohna, 1979 Die gelenkte Frei-zeit 10 DDRLebenswelten in der Ära Honecker ten Volk vereinnahmt. Bis zum Ende der DDR wuchs die Schar der FKK-Fans beständig an. Zunächst von den Sicherheitsorganen misstrauisch beäugt, funktionierte beim FKK die DDR-typische »Schere im Kopf«. Um keine Anlässe für Verbote zu liefern, achteten Aktivisten der Szene auf die peinliche Einhaltung von Ordnung, Sicherheit und Sauberkeit. 1988 dition an. Die junge DDR versuchte bereits 1952 mit einer für das Gebiet zwischen Prora und Binz geltenden Verbotsregelung die FKKBewegung einzudämmen. Ausgehend von den beliebten »Kamerun-Festen« am Prerower FKK-Strand wurde die Freikörperkultur als »gefährliches Sektierertum« und »Ausdrucksform imperialistischer Dekadenz« gegeißelt. die das Nacktbaden zwar bedingt ermöglichte, jede FKK-Werbung und die Bildung von FKK-Vereinigungen aber unter Strafe stellten. Mit der etwa Mitte der 1960er Jahre einsetzenden Entwicklung des Campings zur touristischen Massenerscheinung erhielt die FKK stärkeren Zulauf. Die bisherige Domäne der Künstler und Intellektuellen wurde vom brei- gab es 59 offizielle und tausende inoffizielle Nacktbadeplätze. Von den 550 Kilometern DDR-Ostsseeküste waren etwa 80% FKK oder sog. »Gemischte Strände«. Die »Baden-ohneBewegung« war trotz Überwachung zur Massenkultur mit Ventilsfunktion geworden, in der sie in einer ganz persönlichen Nische ein Gefühl von Freiheit ausleben konnten. Fotos vom FKK-Strand in einer Stasiakte aus den achtziger Jahren Q MfS HA XX/ Fo/853 Bild 6 + 9 + 20 2 FKK-Verbote und ein Zugeständnis von der Ostsee (1955 – 1960) Q »Die nackte Republik« Magazin Spezial Nr. 1 Foto: Marianne Löser Q Privatarchiv Wolfgang Schmidt Q Privatarchiv Monika Reim Sie sei »eine Schmähung der Sitten und Gebräuche der Negervölker«. 1954 erfolgte dann das generelle FKK-Verbot, dessen Einhaltung man mittels Polizeikontrollen vergeblich durchzusetzen versuchte. Die junge DDR-Elite und breite Künstlerkreise hielten sich jedoch nicht an die Verbotspraxis. Darum gab es ab Mai 1956 eine neue Badeordnung, Q »Die nackte Republik« Magazin Spezial Nr. 1 Foto: Silvia Paulitz Q Privatarchiv Monika Reim Baden ohne war die gängige Bezeichnung für Freikörperkultur in der DDR. Verbot, Duldung und Förderung bestimmten ihre Geschichte im »Arbeiter- und Bauern-Staat«. Nach 1945 von den sowjetischen Behörden stillschweigend geduldet, knüpfte sie an den traditionellen FKK-Plätzen an der Ostsee und an einigen Binnenseen an die Vorkriegstra- Q Privatarchiv Monika Reim BADEN OHNE – Verbot, Duldung und Förderung Der Stein des Anstoßes – Kamerunfeste am Prerower FKK-Strand Anfang der 1950er Jahre Die FKK-Strände waren gut gekennzeichnet – oft wurden die Schilder weiter versetzt, um den Bereich auszuweiten) Q BStU Ast L A. Op.1332/66 Q »Die nackte Republik« Magazin Spezial Nr. 1 Foto: Bärbel Binder, A. Donath Q Bundesarchiv Bild Nr. 183-1987-0704-42 Nr. Q MfS HA XX 12261 Stasi-Aufzeichnungen zu den FKK-Aktivisten der 1950 und 1960er Jahre Badenixen im Festumzug zum 750. Berlin-Geburtstag kündeten von der Emanzipation des FKK Auch auf dem Wasser gab es zum Berlingeburtstag eine Parade-natürlich nackt… 11 Q »Die nackte Republik« Magazin Spezial Nr. 1 Foto: Ev. Schmidt Q »Die nackte Republik« Magazin Spezial Nr. 1 Foto: Jürgen Vogler Q »Die nackte Republik« Magazin Spezial Nr. 1 Foto: Anne Fischer Q Bundesarchiv Bild Nr. 183-1987-0725-040 Zwei Auszüge aus der Stasi-Akte » Fanatiker« (1964 – 1966) Die gelenkte Frei-Zeit DDRLebenswelten in der Ära Honecker zum Paradies für Nacktfrösche. Obwohl auf dem als R8 im DDR-Campingführer registrierten Platz »Zucht und Ordnung« herrschten, waren Generationen von FKK-Begeisterten des überschwänglichen Lobes voll. Dafür, dass dort »die Menschheit mit den Großstadthosen versehentlich auch nicht den Anstand ablegt«, sorgte von 1963 bis 1989 ein 24-köpfiges ehrenamtlich tätiges Badaktiv. Das nur etwa zur Hälfte aus SED-Mitgliedern bestehende Gremium war in verschiedene Gruppen wie Ordnung und Sicherheit, Gesundheit und Rettungswesen unterteilt. In den 1950er Jahren nur für Ein des toleranten Bürgermeisters blieb die sonnenhungrige Gemeinschaft vorerst unter sich. Als dann 1968 der VEB Naherholung Moritzburger Teichgebiet aus der Taufe gehoben wurde, war es jedoch mit der Abgeschiedenheit am wetterabhängigen Himmelsteich vorbei. Das Bad wurde zwangseingegliedert und somit öffentlich. FKK blieb aber erlaubt. Weitere Wandlungen des Trägers änderten nichts daran, dass sich bei gutem Wetter etwa 4.000 Sonnenhungrige auf dem Gelände tummelten. 2/3 davon waren Stammgäste und Besitzer einer Jahreskarte, dem seit 1963 eigentlichen Mitgliedsausweis. Die Kinderfeste waren Höhepunkte der Waldteichfreunde Q Waldteichfreunde Moritzburg e.V. geweihte mit Schlüssel zugängig, ließ sich der »Clubcharakter« am Ende des Jahrzehnts nicht länger aufrecht erhalten. Der Staat trat auf den Plan und vereinnahmte die Waldteichidylle. Entweder Anschluss an den DTSB, wie im FKK-Bad Motzen bei Berlin, oder Verwaltung durch die Gemeinde. Zum Glück fiel die Entscheidung für die Gemeinde und Dank Q Waldteichfreunde Moritzburg e.V. Obwohl es sie rechtlich gar nicht gab, war die Oase der Waldteichfreunde der wohl heißeste FKK-Geheimtipp im Binnenland. 1946 mit Handschlag vom bäuerlichen Besitzer zur Nutzung an die Dresdner FKKFreunde verpachtet, entwickelte sich das damals neun Hektar große Gelände am Niederen Waldteich bei Volkersdorf schnell Q Waldteichfreunde Moritzburg e.V. Q Waldteichfreunde Moritzburg e.V. Q Waldteichfreunde Moritzburg e.V. »geheimtipp R 8« oder »ein paradies mit zucht und ordnung« Gästebucheintrag Juli 1987 Q Waldteichfreunde Moritzburg e.V. Q Waldteichfreunde Moritzburg e.V. Q Waldteichfreunde Moritzburg e.V. Gästebucheintrag Juni 1971 Gästebucheintrag August 1971 Erstes Camping geglückt! Q Waldteichfreunde Moritzburg e.V. Q Waldteichfreunde Moritzburg e.V. Gästebucheintrag Juli 1971 FKK und die Prinzipien der sozialistischen Persönlichkeit Gästebucheintrag Anfang Juli 1972 Dank an Regierung und Parteileitung unserer DDR Q Waldteichfreunde Moritzburg e.V. Q Bundesarchiv Bild Nr. 183-1983-0815-302 Q Waldteichfreunde Moritzburg e.V. Q Waldteichfreunde Moritzburg e.V. Q Waldteichfreunde Moritzburg e.V. Auch die beliebten 4 Brummers waren gern gesehene Gäste Gästebucheintrag August 1975 Stille Klage Gästebucheintrag Juli 1973 Michael Hansen wünscht allzeit viel Sonnenschein 12 Gästebucheintrag Juni 1976 Auch der »Klassenfeind« machte sich am Waldteich »nacksch« und sorgte sicher für viele Protokolle bei der Stasi die gelenkte frei-zeit DDRLebenswelten in der Ära Honecker Die enkel der grossen bärin Kalbs- und Ziegenfelle waren Mangelware in der sozialistischen Planwirtschaft Werbepostkarte für das 1. DDR-Indianerfest Q Privatarchiv Jörg Diecke 1989 gab es in der DDR 48 registrierte Indianistikgruppen, von denen nur 14 dem Kulturbund der DDR angehörten. Die restlichen hatten unterschiedliche Träger. Dabei reichte die Palette von Großbetrieben über die GST bis hin zum Cottbuser Tierpark. Einmalig war, dass eine registrierte Gruppe ohne Träger blieb. Neben der institutionellen Trägerschaft war Q Privatarchiv Jörg Diecke Giel Jochen rchiv ivata Q Pr Q Archiv Indianistikgruppe »Ahwigacha« Burghausen Bericht der Leipziger SED-Zeitung über das 1. Indianerfest 1986 Verzeichnis der im April 1989 existierenden Indianistik-Gruppen und ihrer Träger Council-Billets n Burghause wigacha« gruppe »Ah Indianistik Q Archiv Q Archiv Indianistikgruppe »Ahwigacha« Burghausen Q Privatarchiv Fam. Turski Q Privatarchiv Fam. Turski eine Einstufung als Volkskunstkollektiv beim zuständigen Kreiskabinett für Kulturarbeit unumgänglich. Entweder erfolgte sie in der Kategorie Tanz oder Akrobatik. Diese Einstufung regelte die Höhe der zu beanspruchenden Honorare bei den häufigen öffentlichen Auftritten. Es war nicht nur der Traum von Freiheit und Abenteuer, welcher die oft sehr jungen Gruppenmitglieder verband. Das nur schwer stillbare Interesse für fremde Völker und Kulturen war ebenfalls Ansporn für die aufwendige Freizeitbeschäftigung, die sich bei vielen zum Familienhobby ausweitete. Man durfte erst mit 18 Jahren in die Gruppe eintreten, es sei denn ein älterer Bürge war dabei. So sollte große Fluktuation von Pubertierenden verhindert werden. Neben intensiver ethnologischer und künstlerisch-handwerklicher Beschäftigung war auch Körperlichkeit von Bedeutung. Die Gruppen hatten außerhalb ihrer Trägereinrichtungen ein funktionierendes Netzwerk mit jährlichen Treffen, den »councils« und »weeks« Es gab halt nichts zu kaufen… Q Privatarchiv Fam. Turski Q Privatarchiv Fam. Turski Kein Interesse des Kulturbundes an den »Indianern«… Q Privatarchiv Fam. Turski Q Archiv Indianistikgruppe »Ahwigacha« Burghausen Q MfS HA XX Nr. 13788 und programmatischen Aussprachen, den »chiefpalavern« geschaffen. Die Mitte der 1980er Jahre von dort angestrebte Gründung eines Dachverbandes aller Indianistikgruppen innerhalb des Kulturbundes scheiterte. Die offizielle Kulturorganisation war an dieser exotischen und strukturell gefestigten Szene nicht interessiert, obwohl ihre politische Ausrichtung von der SED leicht vereinnahmbar gewesen wäre. Die in der Beschäftigung mit den USA befürchteten Gefahren wogen vermutlich schwerer als der offen antiimperialistische Charakter der Bewegung. Q Privatarchiv Jochen Giel Q Archiv Indianistikgruppe »Ahwigacha« Burghausen Netzwerke müssen gepflegt werden 13 Q Privatarchiv Fam. Turski Kein Interesse der LPG Pflanzenproduktion »Paul Fröhlich« an einer Trägerschaft… Zeitung zum Council 1986, 1988 Neue Gruppen lebten zunächst von »Selbstausbeutung« die gelenkte frei-zeit DDRLebenswelten in der Ära Honecker Q Archiv Indianistikgruppe »Ahwigacha« Burghausen Mangelgesellschaft DDR oder Mangelnde Hilfsbereitschaft? Q Archiv Indianistikgruppe »Ahwigacha« Burghausen Q Privatarchiv Volkmar Göschka Q Privatarchiv Volkmar Göschka Q Privatarchiv Fam. Turski Stasi-Information über geplante Soli-Aktion Abtauchen in Taucha Gleichgesinnter. Aber nicht, ohne sich wiederum engen Stammesregeln und noch größeren Beschaffungsproblemen zu unterwerfen. Denn zum Indianersein gehörte schließlich mehr als ein freier Geist und Liebe zur Natur. Die Herstellung indianischer Kleidung, von Tippis, Waffen und Schmuck erforderte hohes praktisches Können, jede Menge Organisa- Für kurze Zeit gab es sogar eine eigene SEDParteigruppe in der »Hölle«. Aber derartig einseitige Politisierung des Hobbys unterlag dem indianischen Geist und blieb eine kurze Episode in der »Tauchaer Stammesgeschichte«. 1982 wurden zwei langjährige, aktive Mitglieder nach einem Bibliotheksbesuch in der Berliner USA-Botschaft und einer Stippvisite in der gung gestelltes 3.000 qm großes abgegrenztes Terrain mit Blockhütte und Brunnen, war ihr Rückzugsraum. Als Nische wurde er von den meisten der »Mandan-Indianer« jedoch nicht empfunden, denn die staatliche Unterstützung war in ihrem Fall immer bestens. Trotzdem entflohen sie im Tippi der Enge des ostdeutschen Alltags mit einer ausgewählten Gemeinschaft tionstalent und sehr viel Zeit. Die Gruppe war dem VEB Bodenbearbeitungsgerätewerk angegliedert und dies erleichterte ihren »Kampf« um notwendiges Material und Transportkapazität. Die etwa 25 bis 30 Mitglieder wählten einen Chief und seine Stellvertreter. Diese Personen übten großen Einfluss auf den Charakter der öffentlichen Darstellung aus. Ständigen Vertretung der Bundesrepublik aus der Gruppe gedrängt. Ihre daraufhin 1984 erfolgte Ausreise war eine Folge falsch verstandener political correctness der Gruppenleitung. Auch in der »Hölle« hatte die Freiheit beschnitte Flügel. Q Privatarchiv Jochen Giel Die Tauchaer »Mandan-Indianer« waren 1958 aus der Tradition des »Tauchschers«, eines mit Verkleidungen einhergehenden Volksfests entstandenen. Bei ihnen boten und bieten sich bis heute 10 km vor Leipzig die perfekten Voraussetzungen für ein vollkommenes Abtauchen in das Hobby. Ihr Domizil, die »Hölle«, ein von der Stadt Taucha kostenlos zur Verfü- Q Privatarchiv Jörg Diecke Positive Berichterstattung über die Tauchaer Mandanindianer in der SED-Zeitung LVZ 1986 Q Privatarchiv Jochen Giel Q Privatarchiv Jörg Diecke Q Privatarchiv Jörg Diecke Werbe – und Ausstellungsbroschüre der IG Mandanindianer Taucha (1980 und 1984) Q Privatarchiv Jochen Giel Q Privatarchiv Jochen Giel Die »Hölle« – das Paradies der Mandanindianer Q Privatarchiv Jochen Giel Anerkennung für 20 Jahre »vorbildliche künstlerische und kulturpolitische Leistungen« Q Bundesarchiv Bild Nr. 183-J0628-0006-001 Mandat + Wimpel fürs Nationale Jugendfestival der FDJ 1984 Danksagung und Übergabe der Broschüren fürs FDJ-Pfingsttreffen Q Privatarchiv Michael Wildt Jochen Giel Q Privatarchiv Der Trainingsleiterausweis sicherte eine höhere Gage bei öffentlichen Auftritten Pressebericht der LVZ über das Kinoereignis in Taucha (1966) Q Privatarchiv Jochen Giel Q Privatarchiv Jochen Giel Statut der FDJ-Kulturgruppe für Indianistik aus dem Jahr 1960 Zeremonie der Flintenbande 1985 14 Jubiläum 25 Jahre IG Mandanindianer Taucha Q Privatarchiv Jochen Giel Q Privatarchiv Michael Wildt Das erste DEFA-Indianer-Highlight hatte 1966 in Taucha Premiere und Gojko Mitic war da. Q Privatarchiv Jochen Giel Sogar eine eigene Postkarte gab es 1985 Q Privatarchiv Jochen Giel Der zweite TAUCHSCHER der Indianer (1959) Q Privatarchiv Jochen Giel Q Privatarchiv Jochen Giel Q Privatarchiv Jochen Giel Am 1. Mai 1959 die gelenkte frei-zeit DDRLebenswelten in der Ära Honecker Da ging der VEB Conform gar nicht conform Kooperation der Sheriffs wurde nach umfänglicher Anmeldeprozedur äußerst misstrauisch beobachtet. Und dies sicher nicht wegen ihrer Bewaffnung. Während die Teilnahme westlicher Indianistikfreunde an den jährlich stattfindenden Treffen verboten war, wurden anwesende Gruppen aus der ČSSR sogar in der Zeitung abgebildet. Aktive Gruppenmitglieder wurden häufig in so genannten OVs, den operativen Vorgängen der Stasi, bearbeitet. Es gelang ihr, eine in einer OPK, also einer »operativen Personenkontrolle« ausspionierte Person zum IM »umzudrehen«. So hatte das MfS über sämtliche Aktivitäten der Thüringer Indianistikgruppen frühe Kenntnis und konnte geplante Aktionen, wie Protest- Q Archiv Indianistik-gruppe »Ahwigacha«, Burghausen briefsendungen und Unterstützungspäckchen mit Decken, Lebensmitteln und Perlen für die nordamerikanischen Indianer gezielt abfangen. Auch die Aktivitäten der nach dem Westen ausgereisten Hobbyisten wurden weiterhin misstrauisch verfolgt. Ihre Briefkontakte wurden von der Stasi-Postkontrolle genau analysiert. Während es für die unter- Gern gesehene Akteure beim LVZ-Pressefest schiedlichsten kulturellen Aktivitäten in der DDR bezahlte Freistellungen von der Arbeit gab, blieben die Indianistikgruppen unberücksichtigt. Im Gegenteil, ihr Hobby wurde eher als der beruflichen Karriere abträglich eingestuft. Auch mehrmalige Berichterstattungen in Sendungen des Rundfunks, bei »AußenseiterSpitzenreiter« und im Jugendmagazin »neues leben« änderten nichts an der geringen offiziellen Wertschätzung des Staates. Dennoch waren die »Indianer« landesweit sehr begehrte kulturelle Bestandteile von Volks-, Heimatund Kinderfesten. Sogar die Darstellung eines Zugüberfalls wurde als Wunsch an eine Leipziger Gruppe herangetragen. Q Archiv Indianistik-gruppe »Ahwigacha«, Burghausen »Nur ein roter Indianer, ist ein guter Indianer«, hätte man 1989 in Abwandlung eines DEFAFilmspruchs sagen können, wenn man den Umgang der DDR-Behörden mit den 48 Indianistikgruppen aufmerksam verfolgte. Trotz Registrierung und Einstufung stellten sie für Polizei und Stasi ein reichhaltiges Betätigungsfeld dar. Jede öffentliche Aktivität der Gruppen Q Privatarchiv Fam. Turski Q Privatarchiv Volkmar Göschka Q Privatarchiv Jörg Diecke »nur ein Roter Indianer, ist ein guter indianer« Auch »Aussenseiter-Spitzenreiter« konnte das gesellschaftliche Ansehen der Indianistikgruppen nicht wirklich verbessern Weil ein Westdeutscher Indianistikfreund am Treffen teilnahm, hagelte es eine ordentliche Strafe ADN-ZB-Kasper/ 8.7.1988 Indianistik-Freunde aus Prag, die zum 30. Indian-Councill Anfang Juli in Triptis, Bez. Gera, angereist waren, haben sich um das Feuer in ihrem Zelt versammelt: traditionell links die Frauen, rechts die Männer. Bericht des IMB »Marion« (Inoffizieller Mitarbeiter zur Bearbeitung in Verdacht der Feindtätigkeit stehender Personen) Q MfS BV DD KD Sebnitz Nr. 2017 Q Privatarchiv Jörg Diecke Q MfS BV DD KD Sebnitz Nr. 2017 Q Archiv Indianistik-gruppe »Ahwigacha«, Burghausen Q Privatarchiv Volkmar Göschka Q Bundesarchiv Biold Nr. 183-1988-0708-307 Nach den Erfahrungen von 1978 gab es nun »einige« Auflagen Bericht im Jugendmagazin »neues leben« über die 1984er week bei Triptis Auch die Freundin des Geheimnisträgers war im Visier der Stasi Q Privatarchiv Fam. Turski Q Privatarchiv Fam. Turski Q MfS BV DD KD Sebnitz Nr. 2017 Q MfS BV DD KD Sebnitz Nr. 2017 Q MfS BV DD KD Sebnitz Nr. 2017 Es gab die abenteuerlichsten Anfragen an die Gruppen die gelenkte frei-zeit Die Abteilung XII war die »Zentrale Auskunft / Speicher« der Stasi 15 Sogenannte ÜEs sind Ausreiseantragsteller, also im StasiDeutsch ÜbersiedlungsErsuchende Fast alle Indianistikgruppen wurden »unter operativer Kontrolle gehalten« – d. h. bespitzelt DDRLebenswelten in der Ära Honecker Auch in der DDR zog König Fußball allwöchentlich tausende Interessierte in seinen Bann. Bis Ende der 1960er Jahre waren übervolle Stadien die Regel und bis 20.000 Zuschauer keine Seltenheit. In den höchsten Spielklassen der Oberliga und der Liga kämpften die besten Mannschaften des Landes um den Titel des »Deutschen Meisters« und den Gewinn des Aus dem Bericht des IM »August« über die ausgelassene Stimmung bei der WM'74 Abschlussbericht der Aktion »Vorstoß« – Begleitung und Überwachung eines Sonderzuges mit Fußballfans nach Düsseldorf Q BVfS Leipzig Ltg. 00857/12 Q MfS BV Suhl XI/333/71 Der ball ist rund – auch im osten Q Bundesarchiv Bild Nr. 183-1986-0322-026 FDGB-Pokals. Alle Aktiven waren im 1958 gegründeten »Deutschen Fußballverband« (DFV) organisiert und das Fachblatt für den interessierten Fan war die wöchentlich erscheinende »Fußballwoche«, kurz FUWO genannt. Experten konnten beim Fußballtoto »13+1« ihren Fußballverstand unter Beweis stellen. Im Unterschied zu den bundesdeutschen Sportvereinen waren die Mannschaften in der DDR, am sowjetischen Vorbild orientiert, in Betriebssportgemeinschaften (BSG) organisiert und die Spieler Angestellte des jeweiligen Trägerbetriebes. Dementsprechend wurden die Spieler der SG Dynamo als Mitarbeiter von Volkspolizei, Staatssicherheit oder Zoll nach Dienstgrad und nicht nach Leistung entlohnt. Vereinswechsel waren in der Oberliga außer als Delegierung zum unbeliebten Berliner FC Dynamo (BFC) fast unmöglich. Der zehnmalige DDR-Meister BFC war das Lieblingskind seines Vereinsvorsitzenden Stasichef Mielke. Neben der Abschöpfung des besten Spielerpotenzials der gesamten DDR brachten wiederholt fragliche Schiedsrichterentscheidungen dieser Mannschaft den Titel eines »Schiebermeisters« ein. Trotz des Anspruchs von SED und DTSB, dass der gesamte Spitzen- und Breitensport seinen Beitrag im Wettkampf der Systeme leisten sollte, blieben die großen internationalen Erfolge aus. Die westdeutschen Mannschaften waren weitaus erfolgreicher. Der Skandal von Leipzig 1986. Eine offentsichtliche Fehlentscheidung des Schiedsrichters brachte Lok Leipzig um den Sieg über den BFC Dynamo. In der Saison 1988/89 gelang es der SG Dynamo Dresden nach 10 Jahren den BFC als Fußballmeister der DDR abzulösen nd ABL Q Besta Q Bestand ABL Q Bundesarchiv Bild Nr. 183-1988-0528-011 Der BFC Dynamo – der Serienmeister von 1979–1988 Q Besta nd ABL Programm BFC Dynamo nd ABL Q Besta Q Bestand ABL Q BV Lpz ZMA Abt. VIII-BO 2087-89-102 Jeder Aufkleber aus dem »Westen« war heißbegehrt. Q Bestand ABL Autogrammkarte 1. FC Lok Leipzig 16 DDRLebenswelten in der Ära Honecker Q Bestand ABL Q Bestand ABL die gelenkte frei-zeit Anwerbungsversuche statt. Als sich herausstellte, dass der weitaus größere Teil dieser Gruppen eher harmloser Natur war, änderte man die Taktik. Mit subtileren Überwachungsformen versuchte man unter Einbindung der Vereine die Fanclubs unter dem Dach der FDJ ins staatlich sanktionierte Freizeitangebot einzugliedern. Dazu bediente man sich bevor- Q BVfS Leipzig AIM 151/90 XIII/36-84 Q BVfS Leipzig Abt. XX 00199/01 Orientiert an westlichen Vorbildern entwickelte sich in der DDR ab Mitte der 1970er Jahre eine ausgeprägte, teilweise fanatische Fankultur. Immer mehr »Schlachtenbummler« fuhren mit zu den Auswärtsspielen. Wer dabei etwas auf sich hielt, trug einen möglichst überlangen Schal in den Clubfarben und eine mit Fußballaufnähern reich dekorierte Jeanswes- zugter Eintrittskarten- und Souvenirzuteilung. Bei den sensiblen internationalen Spielbegegnungen musste jeder Eklat verhindert werden. Während man im Inland die Anheuerung eines zuverlässigen Jubelpublikums über Zuteilung der Eintrittskarten an »verdiente Kollegen« regelte, konnten zu den Spielen im westlichen Ausland nur von SED und Staatssicherheit bestätigte Auslandskader als »Fußballtouristen« reisen. Diese sollten die DFVAuswahl mit dem staatlich vorgeschriebenen Ruf »7,8,9,10 – Klasse« anfeuern. Viele Fans nutzten Spielbegegnungen im sozialistischen Ausland, um westdeutsche Mannschaften sehen zu können. Q BVfS Leipzig Abt. XX 00196/05 te – die »Kutte«. Die Stadien waren voll von selbst gefertigten Fahnen und Bannern. Rundherum blühte der Schwarzmarkt für alle raren Fußballsouvenirs. Teil dieser Entwicklung waren die unzähligen Fanclubs mit unterschiedlichen Organisationsgraden meist beschränkt auf einen engen Freundes- oder Bekanntenkreis. Die informelle Organisation sowie die steigende Gewaltbereitschaft eines kleinen Teils dieser Gruppen veranlasste die Stasi zu weitgehenden Überwachungsmaßnahmen und Infiltrationsversuchen. Alle »personifizierten« Fanclubmitglieder wurden in einer Kartei erfasst und dem »negativ-dekadenten Fußballanhang« zugerechnet. Es fanden zahlreiche Jeder Auslandsaufenthalt konnte durch ein UEFA-Cup-Spiel gefährdet werden. Q Bundesarchiv Bild Nr. 183-R 0501-047 Q Bundesarchiv Bild Nr. 183-1985-1114-301 Die »Kutte« war neben den Schals das beliebteste Erkennungszeichen der »echten« Fans Liste namentlich bekannter Fanclubs des 1. FC Lok Leipzig mit insgesamt 81 Einträgen Q BVfS Leipzig Ltg. 01031 Bei Fußballspielen mit bundesdeutscher Beteiligung in den Bruderländern wurden die Ausreisekontrollen verschärft Q BVfS Leipzig Ltg. 01031 Q BVfS Leipzig Ltg. 00857/11 Bestätigung der Zuverlässigkeit einer Mitropaangestellten, welche in einen Sonderzug für Fußballfans nach Düsseldorf eingesetzt werden sollte. Q BVfS Leipzig Ltg. 00857/13 Aus einem Bericht des IM »Manfred Schulz« – Die »Personifizierung« war eine vorrangige Aufgabe der IM im Umfeld des »negativ-dekadenten Fußballanhangs« Q BVfS Leipzig Ltg. 01031 Anforderungen zur Auswahl der Fußballtouristen Nach der Analyse der staatlichen Organe waren Westfernsehen und die »Politisch-ideologische Diversion« (PID) des Gegners Ursache der Ausschreitungen in den und um die Stadien Q BVfS Leipzig Ltg. 00808 »7, 8, 9, 10 Klasse« Q BVfS Leipzig Ltg. 00640 FDGB-Pokalfinale 1976 zwischen dem 1. FC Lok Leipzig und dem FC Vorwärts Frankfurt (Oder) vor 50 000 Zuschauern. Q Bundesarchiv Bild Nr. 183-1985-1114-302 Post die nie ankam – Briefe an Vereine und Fanclubs im kapitalistischen Ausland wurden nicht befördert Q Lpz-Abt-XX-204-02_BStU 15 Q Bundesarchiv Bild Nr. 183-1984-0526-025 FDGB-Pokal-Endspiel 1984 zwischen Dynamo Dresden und dem BFC endete mit 2:1 vor den jubelnden 10 000 Dresdner Fans im »Stadion der Weltjugend«. Anhänger der Fußballmannschaft des FC Rot-Weiß Erfurt. Auch diese noch sehr jungen Fans wurden »personifiziert« Q Lpz-Abt-XX-204-05_BStU 20 Q Lpz-Abt-XX-196-05_BStU-15-1 Observierungsfilm der Staatssicherheit zur Personifizierung die gelenkte frei-zeit 17 DDRLebenswelten in der Ära Honecker Weitere Angebote zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte Die Wanderausstellung »Graben für den Frieden? – Die Bausoldaten in der DDR« Wir möchten Sie auch auf unsere anderen Wanderausstellungen zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte aufmerksam machen. Bitte fordern Sie entsprechendes Infomaterial beim Archiv Bürgerbewegung Leipzig e. V. Katharinenstr. 11 04109 Leipzig an. Die Wanderausstellung »Graben für den Frieden? – Die Bausoldaten in der DDR« arbeitet die Geschichte einer vom Staat und von der Gesellschaft marginalisierten »Gruppierung«, unter Verwendung bisher nicht veröffentlichte Fotos und Dokumente historisch auf. In der DDR gab es für Wehrpflichtige kein verfassungsmäßiges Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Glaubens- und Gewissensgründen. Mit der Einführung der Wehrpflicht 1962 kristallisierte sich allerdings ein Potential an Wehrdienstverweigerern heraus, weshalb die Staats- und Parteiführung die »Anordnung des nationalen Verteidigungsrates der Deutschen Demokratischen Republik über die Aufstellung von Baueinheiten im Bereich des Ministeriums für Nationale Verteidigung« im September 1964 in Kraft treten ließ. Entsprechend ihrem Wortlaut konnten Wehrpflichtige, welche sich auf »religiöse Anschauungen« oder »ähnliche Gründe« beriefen, in der Nationalen Volksarmee einen waffenlosen Dienst als Bausoldat ableisten. Dies war im gesamten Ostblock die einzige Möglichkeit eines waffenlosen Wehrdienstes. In der militarisierten, durch Propagierung von allen Militärischen geprägten Zivilgesellschaft mussten Waffendienstverweigerer mit Diskriminierung und Stigmatisierung rechnen. Hierzu gehörten Bildungs- und Berufsnachteile, aber auch die Beobachtung und Kontrolle durch das Ministerium für Staatssicherheit. Neben einem Abriss der historischen Entwicklung, thematisiert ein Exkurs den Aspekt der prinzipiellen Wehrdienstverweigerung, der spezifischen Konflikte, mit denen die Bausoldaten durch die militärische Einbindung oder die Arbeitseinsätze beim Bau militärischer Anlagen zu kämpfen hatten. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Aktivitäten einiger Bausoldaten nach dem Ausstellungsumfang Die Ausstellung besteht aus 16 gerahmten Bild-/Texttafeln in den Maßen 136x96 cm auf 2,20 m Standrohren im Combino-Stecksystem. Das Einzelgewicht der Tafeln beträgt ca. 6 kg. Einen Eindruck über die Tafelgestaltung können Sie sich im Internet unter dem Link www.archiv-buergerbewegung.de/Texte/ ARB_LEI_AUS_Bausoldaten_202.html verschaffen. Militärdienst, ihr Engagement gegen die Militärdoktrin der DDR, Beratung und Aufklärung junger Wehrpflichtiger über den Bausoldatendienst, auch unter dem Dach der Kirche. stellungsabfolge so zu organisieren, dass die Transportkosten möglichst niedrig bleiben. Werbung: Für die Werbung können Plakate und Flyer kostenfrei bei uns angefordert werden. Versicherungswert: Der Wert der Ausstellung (Bild-/Texttafeln) beträgt insgesamt 7.500,00 Euro Kosten Leihgebühr: Die Leihgebühr für die Ausstellung beträgt einmalig 200 Euro. Diese kann für bestimmte Institutionen, wie Schulen und gemeinnützige Vereine nach Absprache verringert werden bzw. entfallen. Transport: Der Entleiher trägt die Transportkosten der Ausstellungstafeln. Wir bemühen uns die Aus- Begleitende Angebote Einführungsvortrag: Vermittlung eines Referenten zur Eröffnung der Ausstellung. Der Veranstalter trägt in diesem Fall die Reise- und Übernachtungskosten, sowie ein Honorar für den Referenten in Höhe von 60 Euro. Autorenlesung: Wir können Ihnen Kontakte zu verschiedenen Autoren herstellen. Ausstellungen Sie können uns auch anrufen unter: 0341-861 16 26 bzw. eine E-Mail an [email protected] senden. Ausstellungsanlass und Gegenstand: Die Wanderausstellung »All you need is beat« – Jugend, Musik und Politik in der DDR 1955–1975 Ausstellungsanlass und Gegenstand: Am 31. Oktober 1965 versammelten sich auf dem Leipziger Leuschnerplatz 500 bis 800 Jugendliche, um gegen das befürchtete Generalverbot der Leipziger Beatmusikgruppen zu demonstrieren. Sie alle waren einem Aufruf gefolgt, den zwei Schüler auf selbst gefertigten Handzetteln verteilt hatten. Die unorganisierte friedliche Ansammlung wurde mit unangemessener Härte, unter Einsatz eines Wasserwerfers und Polizeihunden, von der Bereitschaftspolizei aufgelöst. Dabei erfolgten zahlreiche Verhaftungen, die für einen Teil der Zugeführten mit der Verbringung in ein Arbeitslager in Regis-Breitingen endeten. Vierzig Jahre nach der Leipziger Beatdemonstration vom 31. Oktober 1965 haben wir eine Wanderausstellung erarbeitet, welche dieses Ereignis in seinen Mittelpunkt stellt, sich aber nicht darin erschöpft. Es war vielmehr unser Anliegen einen Überblick über das wechsel- volle Verhältnis von Jugend, Musik und Politik in der DDR zu geben. Es wird gezeigt, wie sich Jugendkultur um Rock`n`Roll und Beat unter den Bedingungen des real existierenden Sozialismus zwischen partieller Förderung, Zensur und Repression entwickelte. Neben der allgemeinen Entwicklung bildet das künstlerische Wirken der Leipziger Musikerlegende Klaus Renft (»The Butlers«/»KlausRenft-Combo«) einen roten Faden der Ausstellung. Am Beispiel der Leipziger Beatband »The Butlers« werden die frühen sechziger Jahre zwischen Mauerbau, kulturpolitischem Aufbruch, neuer Jugendpolitik und wieder einsetzendem »Kahlschlag« nach dem 11. Plenum dargestellt. Den Abschluss der Ausstellung bildet die weitere Entwicklung populärer Musik Anfang bis Mitte der Siebziger Jahre am Beispiel der Klaus-Renft –Combo und deren Teilnahme an den X. Weltfestspielen der Jugend und Studenten vom Sommer 1973. Dieses Politspektakel sollte die »Welt- Weitere Bestandteile der Ausstellung sind ein Lesepult mit Dokumenten und eine Tonstation mit Musik und Tondokumenten. Neben dieser großen Version können Sie auch eine kleinere folienverstärkte Plakatversion [Format DIN A1 – 59x87 cm] zum Aufhängen, die besonders für Schulen und kleinere Räume geeignet ist, ausleihen. Leihgebühr: Die Leihgebühr für die Ausstellung beträgt einmalig 200 Euro. Diese kann für bestimmte Institutionen, wie Schulen und gemeinnützige Vereine nach Absprache verringert werden bzw. entfallen. Transport: Der Entleiher trägt die Transportkosten der Ausstellungstafeln. Wir bemühen uns die Ausstellungsabfolge so zu organisieren, dass die Transportkosten möglichst niedrig bleiben. Werbung: Für die Werbung können Plakate und Flyer kostenfrei bei uns angefordert werden. offenheit« des SED-Regimes nach dem Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker suggerieren. Versicherungswert: Der Wert der Ausstellungstafeln beträgt insgesamt 10.000,00 Euro. Weitere inhaltliche Informationen erhalten Sie auf unserer Website www.archiv-buergerbewegung.de. Dort erfahren Sie auch mehr über die Arbeit unseres Vereins und unsere weiteren Projekte. Begleitende Angebote Einführungsvortrag: Michael Wildt verantwortlich für die konzeptionelle Gestaltung der Ausstellung hält die Einführungsvorträge zur Eröffnung. Der Veranstalter trägt in diesem Fall die Reise- und Übernachtungskosten, sowie ein Honorar für den Referenten in Höhe von 60 Euro. Autorenlesung: Yvonne Liebing, die Autorin der Begleitschrift »All you need is Beat – Jugendsubkultur in Leipzig 1957–1968« kann über den Forum Verlag Leipzig erreicht werden. Kontakt: Forum Verlag Leipzig, Frau Jansen Gottschedstr. 30, 04109 Leipzig Tel. 0341 9805008, Fax 0341 9805007 Ausstellungsumfang Die Ausstellung besteht aus 20 gerahmten Bild-/Texttafeln in den Maßen 136x96 cm auf 2,20 m Standrohren im Combino-Stecksystem, mit einer Gesamtlänge von ca. 21 m. Das Einzelgewicht der Tafeln beträgt ca. 6 kg. Einen Eindruck über die Tafelgestaltung können Sie sich im Internet unter dem Link www.archiv-buergerbewegung.de/Texte/ ausstellungen01.htm verschaffen. Die gelenkte Frei-zeit DDRLebenswelten in der Ära Honecker