Neue Schallschutznormen in Deutschland und Europa
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Neue Schallschutznormen in Deutschland und Europa
AKUSTIK-FORUM 2005 Akustik-Forum 2005 Neue Schallschutznormen in Deutschland und Europa Dipl.-Ing. Dieter Kutzer Zur Beseitigung der Handelshemmnisse im gemeinsamen europäischen Binnenmarkt werden seit einigen Jahren aufgrund der Bauproduktenrichtlinie europäische Normen erarbeitet, die nach bestimmten Regeln in die nationalen Normenwerke übernommen werden müssen und nationale Normen ersetzen. Vor diesem Hintergrund will der Beitrag auf einige wichtige Schallschutznormen, die in der aktuellen Diskussion stehen, eingehen und einen Ausblick auf zukünftige Normenwerke geben. D ie Umsetzung der Europäischen Normen gilt sowohl für Prüfnormen als auch im besondern Maße für harmonisierte europäische Produkt- 34 normen, die aufgrund von Mandaten der europäischen Kommission von CEN erstellt werden und die eine Grundlage für die Kennzeichnung der Produkte mit dem CE-Zeichen bilden. Neufassung DIN 4109 Obwohl die Anforderungen an den Schallschutz weiterhin in nationaler Verantwortung bleiben, hat die europäische Normung einen gewaltigen Einfluss auf die deutsche Anforderungsnorm DIN 4109 „Schallschutz im Hochbau“. Der Ersatz der Prüfnormen der Reihe DIN 52 210 durch die Normenreihe DIN EN ISO 140 mit den Bewertungsnormen der Reihe DIN EN ISO 717 und die damit verbundene Änderung der Prüf- und Bewertungsverfahren erfordern eine Überarbeitung des Beiblattes 1 zu DIN 4109. Um künftig die ebenfalls neuen Rechenverfahren zur Vorausberechnung des Schallschutzes in Gebäuden aus den Schalldämmwerten der Bauteile (die in den Normen DIN EN 12354 Teile 1 bis 6 beschrieben werden) anwenden zu können, musste ein neuer Bauteilekatalog erarbeitet werden, der in Zukunft das Beiblatt 1 zu DIN 4109 ersetzen wird. Mit der Überarbeitung des Beiblattes 1, d.h. des Bauteilkataloges, wurde bereits 1995 begonnen. Sehr schnell zeigte sich, dass sowohl im Bereich Massivbau als auch in den Bereichen Holz- und Leichtbau noch eine Reihe grundlegender Untersuchungen und Forschungsarbeiten erforderlich waren, um die zur Anwendung der neuen Rechenverfahren erforderlichen Eingangsgrößen zusammenstellen zu können. Darüber hinaus wurde deutlich, dass mit den Änderungen des Rechenverfahrens und des Bauteilkataloges zwangsweise eine Überarbeitung und Neufassung der DIN 4109 erforderlich ist. Die Änderungen des Bauteilkataloges betreffen die: ∑ Umstellung von R’w auf Rw und L’n,w auf Ln,w (dies betrifft insbesondere den Massivbau), ∑ Berücksichtigung von Stoßstellendämm-Maßen kij, ∑ Aktualisierung und Ergänzung von Bauteildaten. Der für DIN 4109 zuständige NABau-Ausschuss beschloss im September 1999 die IKZ-HAUSTECHNIK · Heft 21 /2005 AKUSTIK-FORUM 2005 Ê7ÀÊ>V ÌiÊV ÌÊÊ ÊÊ Ê>ÕvÊÕ~iÀV iÌi° Überarbeitung der DIN 4109 unter Beibehaltung des bestehenden Anforderungsniveaus. Dabei wurde folgende Gliederung vereinbart: ∑ DIN 4109-1 „Mindestanforderungen an den Schallschutz“, ∑ DIN 4109-2 „Vorschläge für erhöhten Schallschutz“, ∑ DIN 4109-3 „Rechnerischer Nachweis der Erfüllung der Anforderungen“, ∑ DIN 4109-4 „Bauteilkatalog“, ∑ DIN 4109-5 „Messtechnische Nachweise des Schallschutzes“. Im Februar dieses Jahres beschloss der NABau-Beirat, dass die Arbeiten an DIN 4109-2 „Vorschläge für erhöhten Schallschutz“ eingestellt werden. In DIN 4109-1 werden wie bisher die Mindestanforderungen gestellt an: ∑ Schutz von Aufenthaltsräumen gegen Schallübertragung aus einem fremden Wohn- oder Arbeitsbereich; Anforderungen an die Luftund Trittschalldämmung, ∑ Schutz gegen Geräusche aus haustechnischen Anlagen, ∑ Schutz gegen Geräusche aus Betrieben, ∑ Schutz gegen Außenlärm. In DIN 4109-3 werden künftig in Deutschland die zum Nachweis der Einhaltung der Anforderungen anzuwendenden Rechenverfahren nach DIN EN ISO 12354 beschrieben, gekürzt auf die vereinfachten Verfahren unter Verwendung von Einzahlangaben: ∑ Berechnung der Luftschallübertragung im Gebäude nach DIN EN 12354-1, ∑ Berechnung der Trittschallübertragung zwischen Räumen nach DIN EN 12354-2 und ∑ Berechnung der Luftschallübertragung aus der Ge- bäudeumgebung nach DIN EN 12354-3. Für die Berechnung der Schallübertragung von haustechnischen Anlagen ist derzeit das Rechenverfahren nach DIN EN 12354-5 noch nicht verfügbar. In diesem Teil der Norm werden ferner Festlegungen zu den zu verwendenden Eingangsdaten (Daten aus dem Bauteilkatalog oder durch Einzelnachweise kennzeichnende Größen) sowie zu den Unsicherheiten der Eingangsdaten und des Rechenverfahrens getroffen. Darüber hinaus sollen zur Erläuterung der Vorgehensweise Rechenbeispiele für die Bestimmung der Luft- und Trittschallübertragung sowie der Übertragung von Außenlärm aufgenommen werden. DIN 4109-4 liefert die Eingangsdaten für den rechnerischen Schallschutznachweis. Sie umfasst den sog. Bauteilkatalog mit den Angaben für die akustische Leistungsfähigkeit verschiedener Bauteile in Massiv-, Holz- und Leichtbauweise sowie die erforderlichen Daten zur Berücksichtigung von Stoßstellen. Ferner sollen als „Musterlösungen“ Baulösungen mit den zugehörigen Schallschutzwerten aufgenommen werden, die ohne weiteren rechnerischen Nachweis als Schallschutznachweis herangezogen werden können. In DIN 4109-5 soll die Handhabung bauakustischer Prüfungen im Zusammenhang mit dieser Norm geregelt werden. Damit soll eine einheitliche Vorgehensweise bei der Durchführung bauakustischer Prüfungen in Prüfständen und in ausgeführten Gebäuden erreicht werden. Dazu wird auf die in den aktuellen europäischen Normen beschriebenen Messverfahren verwiesen. Derzeit dort nicht geregelte Punkte bei der Messdurchführung (Ergänzungen aus der zurückge- Heft 21 /2005 · IKZ-HAUSTECHNIK âB i `iÊiÀiÊ7iÀÌi° ØÀÊÕÃÊ ÊÊ Ê >ÕvÊ`iÊ ÌÀ>ÕÌ°Ê Ê ÃÊ ÃÌÊÊ ÀV iÊ 7 iÊ 7iÌiÀiÊ >ÕÃÊ`iÊ -iÊ ÊiÃÃÌiV ÊNÊ7 V ÌiÀ`}iÊ 35 AKUSTIK-FORUM 2005 zogenen DIN 52 210), die zurzeit in DIN 4109-11 (September 2003) zusammengestellt sind, sollen in diesen Normteil aufgenommen werden. DIN EN ISO 10052 Die DIN EN ISO 10052 „Messung der Luft- und Trittschalldämmung und des Schalls von haustechnischen Anlagen in Gebäuden; Kurzverfahren“ wird künftig die DIN 52 219 „Messung von Geräuschen der Wasserinstallation in Gebäuden“, die derzeit Grundlage für Geräuschmessungen an allen haustechnischen Anlagen ist, ersetzen. In einer vorgesehenen Ergänzung der DIN 4109-11 soll festgelegt werden, wie die DIN EN ISO 10052 im Rahmen von Güteprüfungen nach der DIN 4109 anzuwenden ist. Wesentliche Änderungen gegenüber der DIN 52 219 sind: ∑ Vielzahl von kennzeichnenden Größen für maximale und äquivalente sowie Aund C-bewertete Schalldruckpegel, ∑ Anzahl und Anordnung der Messpunkte im Raum, ∑ Berechnung des Mittelwertes, ∑ Möglichkeit die Nachhallzeiten anhand von Tabellen zu ermitteln, ∑ Verzicht auf Fremdgeräuschkorrektur sowie die ∑ Festlegung von Betriebsbedingungen und -zyklen für Wasserinstallationen und andere haustechnische Anlagen. Um mit den Anforderungen der DIN 4109 vergleichbare Messergebnisse zu erhalten, wird in DIN 4109-11 für die Anwendung der DIN EN ISO 10052 im Rahmen von Güteprüfungen folgendes festgelegt: ∑ Die kennzeichnende Größe für den Schalldruckpegel von Geräuschen aus 36 haustechnischen Anlagen, der maximale Schalldruckpegel LAFmax,n, d. h. der mit der Zeitbewertung „Fast“ gemessene und auf die Bezugsabsorptionsfläche A₀ = 10 m² bezogene A-bewertete Schalldruckpegel ist. LAFmax,n ersetzt den bisher bei Messungen von Geräuschen aus Wasserinstallationen gebräuchlichen Installations-Schallpegel LIn. ∑ Die Bestimmung der Nachhallzeiten muss nach DIN EN ISO 3382 in den Frequenzbändern 250 Hz bis 2000 Hz erfolgen. Die Bestimmung des Nachhallmaßes mithilfe der Tabellen 2 und 3 aus DIN EN ISO 10052 oder mithilfe einer Schallquelle bekannter Leistung ist nicht zulässig. ∑ Der Fremdgeräuschpegel ist immer zu bestimmen; die gemessenen Schalldruckpegel sind nach dem angegebenen Verfahren zu korrigieren. ∑ Die in der Norm als „optional“ aufgeführten Angaben sind immer im Prüfbericht anzugeben. Die Anwendung der in DIN EN ISO 10052 beschriebenen Kurzverfahren zur Messung der Luft- und Trittschalldämmung ist in Deutschland – zumindest im Rahmen von Güteprüfungen nach DIN 4109 – nicht vorgesehen. EN ISO 16032 Parallel zur DIN EN ISO 10052 wurde die Norm EN ISO 16032 „Messung des Schallpegels von haustechnischen Anlagen in Gebäuden – Standardverfahren“ erarbeitet, die im Moment jedoch noch nicht als DIN EN ISO veröffentlicht ist. Die Norm beschreibt ein genaueres Messverfahren, das auf Oktavbandanalysen im Frequenzbereich 31,5 Hz bis 8000 Hz basiert und in diesem Bereich auch entsprechende Nachhall- und Fremd- geräuschpegelkorrekturen erfordert. Die Anwendung dieser Norm mit wesentlich höherem messtechnischen und zeitlichen Aufwand (gegenüber der DIN EN ISO 10052) ist in Deutschland – zumindest im Rahmen von Güteprüfungen – nicht vorgesehen. DIN EN 14366 Die DIN EN 14366 „Messung der Geräusche von Abwasserinstallationen im Prüfstand“ legt ein Prüf- und Bewertungsverfahren für die Messung der Luft- und Körperschallemissionen von Abwasseranlagen im Prüfstand mit dem Ziel fest, verschiedene Systeme hinsichtlich ihrer Geräuschabgabe vergleichen zu können. Zudem wird eine weitere Norm mit dem Titel „Messung der Luft- und Körperschallemission von Gebäudeausrüstungsgegenständen im Prüfstand, als Beispiel WhirlpoolWannen“ mit voraussichtlich mehreren Teilen erarbeitet. Nach diesen Normen sollen die Eingangsdaten für die Anwendung des letzten Teils (Teil 5) der Berechnungsnormen der Serie DIN EN 12354 ermittelt werden. pr EN 12354-5 Die pr EN 12354-5 „Bauakustik – Berechnung der akustischen Eigenschaften von Gebäuden aus den Bauteileigenschaften – Luftschall, erregt durch Installationen und haustechnische Anlagen“ soll neben den erforderlichen Größen Berechnungsmodelle für die Luftschallübertragung durch Rohre und Kanäle enthalten. Ferner soll sie die Luftund Körperschallübertragung durch die Baukonstruktionen sowie Anwendungen der Berechnungsmodelle auf verschiedene haustechnische Anlagen beinhalten. Im Moment ist noch nicht absehbar, wann diese Norm und die für entsprechende Berechnungen erforderlichen Eingangs- daten zur Verfügung stehen werden. ISO 140-18 Mit der Norm ISO 140-18 „Acoustics – Measurement of sound insulation in buildings and of building elements – Part 18: Laboratory measurement of sound generated by rainfall on building elements” soll ein Labor-Prüfverfahren festgelegt werden, um einheitliche Bedingungen für die Prüfung und Bewertung von störenden Schallereignissen festzulegen, die in den letzten Jahren häufig zu Beschwerden geführt haben. Abschließend ein Blick auf die in unserem Nachbarland Schweiz zum Jahresende erscheinende Neufassung der SIA 181 „Schallschutz im Hochbau“. SIA 181 Die SIA 181 enthält neben den Mindestanforderungen – dabei werden die Räume nach Lärmbelastung und Lärmempfindlichkeit gegliedert – auch Anforderungen an den erhöhten Schallschutz. Dabei gelten bei Doppel- und Reihenhäusern sowie bei Maisonette-Wohnungen generell die erhöhten Anforderungen. Darüber hinaus enthält diese Norm in einem informativen Anhang auch Empfehlungen für den Schallschutz innerhalb von Nutzungseinheiten. Bei Betrachtung der (nachhallzeitbezogenen) Anforderungswerte ist zu bedenken, dass in Nachweisen zum Luftund Trittschallschutz die Spektrum-Anpassungswerte C, Ctr und Ci nach EN ISO 717 obligatorisch zu berücksichtigen sind. Bei den Anforderungen an Geräusche aus haustechnischen Anlagen wird unterschieden zwischen Einzelgeräuschen (Funktions- und Benutzergeräusche) sowie Dauergeräuschen. ∂ IKZ-HAUSTECHNIK · Heft 21 /2005