- Sky

Transcription

- Sky
Hofhäuser mit
Aussicht
THINK ARCHITECTURE haben aus den
gegebenen Umständen einen Gebäudetypus entwickelt,
der auf alle Fragen die bestmögliche Antwort gibt.
Redaktion: Anita Simeon Lutz, Fotos: Radek Brunecky
Beton-Sinfonie: Das Spiel
von Rahmen in hellem, glattem
und Füllung in dunklem,
grobem Beton verleiht Charakter.
52
AT_04_14_CD_Zumikon.indd 52
Atrium im Juli/August 2014 — Bei Zürich
13.05.14 15:22
Eingebettet: Die Siedlung
nimmt die Topografie des Ortes
auf und schlägt daraus einen
hohen Nutzen.
E
igentlich würde man
an dieser Lage, am Zenit des Hügels nördlich
des Zürichsees, keine
Hofhäuser vermuten.
Die Typologie der anderen Einfamilienhäuser im Quartier ist hier
ganz klar auf die Aussicht fokussiert, auf Berg
und See. Die Ausgangslage für das hier gezeigte Ensemble von vier Villen war jedoch
eine andere. Da, wie hinlänglich bekannt, der
Quadratmeter Land an dieser Lage rund 1500
Euro kostet, war man darauf bedacht, die von
der Gemeinde zugelassene Bebauungsdichte
möglichst auszunutzen. Das war jedoch mit
dem vorherrschenden Villentypus mit entsprechend Umschwung nicht zu bewerkstelligen. Die vier Häuser mussten also näher zueinanderrücken. Und je näher man einander
kommt, desto mehr schwindet die Privatsphäre jedes Einzelnen. Die Herausforderung für
das Entwerferteam der Think Architecture
war es nun, eine möglichst hohe Dichte zu erhalten und trotzdem einen hohen Grad an Privatsphäre zu generieren. Und dies gelang dem
jungen Architektenteam mit einem Hoftypus,
der sich jedoch der Topografie des Hanges an-
AT_04_14_CD_Zumikon.indd 53
Ziel war, eine hohe Dichte zu generieren,
ohne die Privatsphäre zu verletzen.
Panoramablick: Die modulierte
Dachlandschaft stellt dem
natürlichen Berg- und Hügelpanorama ein gebautes gegenüber.
13.05.14 15:22
Zentriert: Die Dachform
zoniert den Grundriss. (Sofa:
Groundpiece von Flexform;
Sessel: Eames-Lounge-Chair
über Vitra)
passt und so auch Aus- und Weitblicke generiert. Think Architecture haben aus den gegebenen Umständen einen Gebäudetypus
entwickelt, der auf alle Fragen die bestmögliche Antwort gibt.
Expressive Dachlandschaft
Die vier Hofhäuser sind vom Zentrum der
Siedlung aus punktgespiegelt. Der Eingang
für die Fussgänger erfolgt jeweils über einen
privaten Innenhof, der auch das Zentrum des
Hauses bildet. Vom Hofgeschoss geht es bei
den oberen zwei Villen eine Etage nach oben
weiter, bei den unteren zwei wird der Grundriss nach unten weiterentwickelt. Dadurch ergeben sich auch andere Intensitäten der Hofnutzung. Gruppieren sich bei den oberen zwei
Einheiten vor allem Schlaf-, Fernseh-, Musikoder andere ruhigere Aufenthaltsräume um
den Hof, so sind es bei den unteren Einheiten
die Haupträume, die sich um das Atrium formieren. Die Struktur lässt jedoch auch Rauminterpretationen offen: Vom Zweipersonen-
Weite: Die Wohnmodule sind
grosszügig dimensioniert. (Sofa
und Sessel: Flexform; Beistelltischchen: B&B, Modell Maxalto
Simplice Loto)
«Die baugesetzlichen
Vorschriften zwangen uns,
kreativ damit umzugehen und
neue Lösungen zu suchen.»
MARCO ZBINDEN, ARCHITEKT
54
AT_04_14_CD_Zumikon.indd 54
13.05.14 15:22
Offen: Die oberen
Einheiten haben auch
einen rückseitigen
Ausgang zum Hang,
was den Grundriss
rundum öffnet.
(Küche: Bulthaup;
Tisch: UPW Auszugstisch, Edition
Wohnbedarf, Basel)
haushalt bis zur fünfköpfigen Familie findet
darin alles statt. Den Häusern gemeinsam ist,
dass die Hauptwohnflächen durch trapezförmige Dächer mit Oberlicht an höchster Stelle
zoniert werden. «Einerseits konnten wir damit elegant auf die in der Gemeinde herrschende Schrägdachpflicht reagieren, und andererseits können die Räume so auch bei
geschlossenen Fronten mit Tageslicht beleuchtet werden», meint der Architekt und Partner
von Think Architecture, Marco Zbinden. Natürlich wurde in den Oberlichtern auch ein Beschattungssystem integriert, sodass eine ganzheitliche Verdunkelung der Räume möglich
ist. Auch das Kunstlicht und die Lautsprecher
sind diskret in das Zeltdach eingefasst.
Manchmal sind Bauvorschriften auch für
etwas gut. Vor allem, wenn man sich ihnen in
kreativer Weise nähert. In diesem Fall entstand durch das modulare Aneinanderreihen
der Trapezdächer eine eigentliche Dachlandschaft, deren Aufsicht dem Bergpanorama am
Horizont ein gebautes Pendant bietet. Durch
die unterschiedlichen Dachhöhen kann den
darunterliegenden Räumen auch mehr oder
weniger Bedeutung zuteil werden. In den
Hauptzonen wird eine Raumhöhe bis zu 3.30
Metern erreicht, was dem Wohnen eine enorme Grosszügigkeit verleiht.
Aus der Erde gewachsen
Lässt man den Innenausbau bezüglich Materialisierung einmal aussen vor, so bestehen die
Bauten lediglich aus drei Materialien: Beton
für Fassade und Dach sowie Glas und eloxiertes Aluminium für Fenster und Türen. Die
Fassaden aus Sichtbeton sind in einen hellen
und einen dunklen Bereich gegliedert. Der
AT_04_14_CD_Zumikon.indd 55
13.05.14 15:23
Unterschiedliche
Aussenraumqualitäten und
deren Verbindung
zueinander prägen den
Entwurf.
Modular: Das Dachthema mit der zenitalen Lichtquelle
zieht sich auch über die Loggia hin fort. (Möbel: Roda)
Beton beider Bereiche ist derselbe, wurde jedoch anders behandelt: Der Grauzement mit
Zuschlagstoffen aus gebrochenem Alpenkalk
wurde im dunklen Bereich durch die Schalung zurückversetzt und anschliessend mit
Wasserhochdruck einige Millimeter abgetragen. So entwickeln sich die Mauern, die die
gleiche Materialität aufweisen wie die Fusswege, gleichsam aus dem Terrain heraus. Die hellen Bänder, die den oberen Bereich der Villen
markieren und die grossflächigen Öffnungen
umrahmen, sind lasiert und wurden durch
eine Beplankung in der Schalung möglichst
glatt ausgebildet. Sie gehen eine Einheit mit
den Dächern ein, die durch einen Kunststoffüberzug versiegelt sind, und überziehen sozusagen die aus dem Boden gewachsenen Mauern mit einer zeltartigen Überdachung.
Aus- und Innensichten
Durchlässig: Der
Badbereich hat direkten
Kontakt zum Innenhof.
Die Einrichtung trägt dem
Rechnung. (Wanne:
Antonio Lupi)
56
AT_04_14_CD_Zumikon.indd 56
Nebst der Typologie, der Einbettung in den
Hang, der Modulierung der Dachlandschaft
und dem Umgang mit den Materialien sind
vor allem die Sichtbezüge der Räume untereinander, sei es über einen Hof oder einen Patio
hinweg, sowie der Sichtbezug zur Landschaft
Kernthemen des Entwurfs. Um diese SichtbeAtrium im Juli/August 2014 — Bei Zürich
13.05.14 15:23
Privacy: Die Innenhöfe
ermöglichen trotz hoher Dichte
einen grosszügigen intimen
Aussenraum. (Tisch und Stühle:
Rausch, Serie Long Beach)
Grenzlos: Die Sky-Frame-Fenster ermöglichen eine störungsfreie Innen-aussen-Beziehung.
AT_04_14_CD_Zumikon.indd 57
züge möglichst ungetrübt wahrnehmen zu
können, haben sich die Architekten durchgehend für das Sky-Frame-Fenster-System entschieden. «Das System ermöglicht eine grosszügige Öffnung der Fensterfronten, sodass an
wärmeren Tagen die Grenzen zwischen Innen- und Aussenraum verschwinden», meint
Marco Zbinden und fügt hinzu: «Ausserdem
wird der Blick in die Landschaft nicht durch
einen Fensterrahmen gestört.»
Dabei handelt es sich nicht nur um einen
Blick, sondern um ein Vielfaches an Blicken.
Und das ist das Geniale am Entwurf. Einerseits beziehen sich die Häuser auf sich, mit introvertierten Innenhöfen und Patien, und andererseits negieren sie aber nicht die einmalige
Aussichtslage und versuchen, die Landschaft
von allen Seiten her einzufangen. Ein Detail,
das diese Rundumsicht noch verstärkt, ist, dass
die Fensterfronten an den äussersten Punkten
der Bebauung um die Ecke gezogen werden.
Das Villenensemble von Think Architecture ist mehr als eine Immobilie an der sogenannten Zürcher Goldküste. Die vier Hofhäuser sprechen ihre eigene Architektursprache
und erzählen die Geschichte eines durchdachten Konzepts, kombiniert mit einer soliden
——
Ausführung. Hut ab!
13.05.14 15:23
THINK
ARCHITECTURE
Zürich, Schweiz
Ablesbar: Die unterschiedlich hohen Dachmodule
widerspiegeln die Funktion der Innenräume.
3
3
1
6
3
7
3
6
6
7
3
6
3
1
7
1
2
4
5
5
N
1
2
3
4
3
1
7
0
2
3
2
4
Think Architecture AG wurde 2008 gegründet. Ralph Brogle (Inhaber und Geschäftsleiter) und Marco Zbinden (Partner und Leiter
Entwurf) führen ein Team von zehn Architektinnen und Architekten.
Der Firmenname ist Vision, Mission und
Motivation zugleich. Mit «Architektur denken» kann einerseits das Umsetzen von Bildern vom Konzept bis zur Detailplanung, anderseits der intellektuelle Prozess vom ersten
Kontakt mit dem Kunden und dem Bauort bis
zur Realisierung bezeichnet werden.
PROJEKTIERUNG: 2009–2011
REALISIERUNG: 2011–2013
VOLUMEN: 8 500 m³
ARCHITEKTUR UND INNENARCHITEKTUR:
Think Architecture, Zürich
BAUHERR: Moser Bau Immobilien AG, Zug
BAUHERRENVERTRETUNG, VERMARKTUNG:
Cimag AG, Zollikon
AUSFÜHRUNG, BAULEITUNG: Generalunternehmung A. Wanner AG, Niederhasli
2
FENSTER: Sky-Frame, www.sky-frame.de
BETON: Robert Spleiss AG,
www.robert-spleiss.ch
DACH: WB Bürgin AG, www.wbbuergin.ch
GARTENKONZEPT: Enzo Enea, www.enea.ch
5
Entree
Wohnen
Schlafen
Essen/Kochen
58
AT_04_14_CD_Zumikon.indd 58
5
6
7
Loggia
Innenhof
Patio
Atrium im Juli/August 2014 — Bei Zürich
13.05.14 15:23