der troubadour - Staatstheater Nürnberg
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DER TROUBADOUR Guiseppe Verdi MATERIALMAPPE 1 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ VORWORT Liebe Lehrerinnen und Lehrer, neben „Rigoletto“ und „La Traviata“ zählt „Il Trovatore – Der Troubadour“ (1853) zur sogenannten trilogia populare (populäre Trilogie) des Komponisten Giuseppe Verdi. „Il Trovatore“ zeichnet sich dabei besonders durch seine vielschichtige Personenkonstellation aus. Gleich zwei „Dreiecksgeschichten“ bilden den Hintergrund für die politischen und amourösen Konflikte, die Verdi in den vier Teilen der Oper vertont. Zum Einen kämpfen zwei Männer um eine Frau: Manrico, der Troubadour und Sohn der Zigeunerin Azucena, und Graf Luna, Adliger und Gefolgsmann des Königs, lieben beide die Dienerin der Prinzessin, Leonora. Beide sind auch politische Gegner in einem Erbfolgekrieg und – wie sich im Verlauf herausstellt – Brüder! Neben diesem Liebesdreieck ist es aber auch die komplizierte Beziehung zwischen Mutter, Sohn und Geliebter, die im „Trovatore“ breiten Raum einnimmt. Manrico ist hin- und hergerissen zwischen seiner Liebe zu Leonora und der Liebe zu seiner Mutter Azucena. Genau auf diese komplexe und sowohl musikalisch als auch szenisch vielschichtige Personenkonstellation konzentriert sich die szenische Interpretation, die wir Ihnen in dieser Materialmappe zur Erarbeitung der Inszenierung mit Schülerinnen und Schülern an die Hand geben. Im ersten Teil der Materialmappe finden Sie Texte rund um die Oper zu Balázs Kovaliks Inszenierung am Nürnberger Staatstheater. Diese vermitteln einen ersten Eindruck des Komponisten Verdi und erläutern die Schwerpunkte der Inszenierung. Der zweite Teil ist dann der Vorschlag einer szenischen Interpretation für die Inszenierung am Staatstheater Nürnberg. Im dritten Teil finden Sie die für die szenische Interpretation benötigten Materialien. Wir hoffen, Ihnen und Ihren Schülerinnen und Schülern mit dieser Mappe den Einstieg in die Welt von „Il Trovatore“ zu erleichtern, Neugier und Spielfreude zu wecken und Begeisterung für die Gattung Oper zu entfachen. Sollten Sie weitere Fragen, Anregungen oder Kritik zu dieser Mappe oder der Inszenierung an sich haben, können Sie uns jederzeit unter den angegebenen Kontaktdaten erreichen. Wir freuen uns auf Ihren Besuch im Staatstheater Nürnberg, Carola Kobielak Kontakt: Staatstheater Nürnberg u18plus: junges publikum Kontakt: Carola Kobielak (0911-231-6866) oder E-Mail: [email protected] 2 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ INHALTSVERZEICHNIS I. Informationen rund um die Oper und Inszenierung Besetzung Handlung Komponist „Eine Oper aus Feuer“ „Komponieren mit dem Feuer“ „Zigeunerfrauen“ Seite 4 Seite 5 Seite 7 Seite 8 Seite 10 Seite 12 II. Arbeitsanregungen Szenische Interpretation Warm up Einfühlung Szenen spielen Ausfühlung Reflexion Seite 14 Seite 16 Seite 18 Seite 21 Seite 28 Seite 29 III. Arbeitsmaterialien Materialien mit direktem Bezug zum Stück Rollenkarten Text 2: Vorgeschichte Text 3: Ines und Leonora Text 4: Leonora, Manrico, Graf Luna Noten und Text 5: Zigeunerchor Text 6: Es lodern die Flammen Spielanweisung 7: Ich bin nicht dein Sohn Spielanweisung 8: Manricos Entscheidung Text 9: Arie Graf Luna Spielanweisung 10: Bin ich im Himmel? Spielanweisung 11: Azucena wird erkannt Text 12: Stretta – Di quella pira Hinweis 13: Leonora Spielanweisung 14: Mein Gott ist Rache Spielanweisung 15: Flieh… Seite 30 Seite 30 Seite 34 Seite 34 Seite 35 Seite 37 Seite 38 Seite 39 Seite 39 Seite 40 Seite 40 Seite 40 Seite 41 Seite 41 Seite 41 Seite 42 CD-Hinweis Text- und Bildnachweise, Impressum Seite 43 Seite 43 3 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ I. Informationen rund um die Oper BESETZUNG: Der Troubadour – Il trovatore Premiere am 30. September 2012 Dramma in vier Teilen von Giuseppe Verdi Libretto von Salvatore Cammarano und Leone Emanuele Bardare nach dem Drama „El trovador“ von Antonio García Gutiérrez In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln Musikalische Leitung Inszenierung Bühne Kostüme Chor Dramaturgie Guido Johannes Rumstadt Balázs Kovalik Hermann Feuchter Sebastian Ellrich Tarmo Vaask Kai Weßler Graf von Luna Leonora, Gräfn von Sargasto Inez, ihre Vertraute Azucena, eine Zigeunerin Manrico, der Troubadour Ferrando, sein Anhänger Ruiz, Manricos Vetrauter Ein alter Zigeuner Ein Bote Mikolai Zalasinski Hrachuhí Bassénz/Ekaterina Godovanets Eun-Joo Ham Roswitha C. Müller David Yim Nicolai Karnolsky/Daeyoung Kim Han-Bo Jeon Gor Harutyunyan Luzuko Mahlaba Vertraute Leonoras und Nonnen; Gefolgsleute des Grafen; Männer in Waffen; Zigeuner und Zigeunerinnen Chor 4 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ HANDLUNG Nach dem Tod des Königs von Aragon ist ein Bürgerkrieg um seine Nachfolge ausgebrochen. Sowohl Ferdinand von Kastilien, der rechtmäßige Thronfolger, als auch der Graf von Urgel erheben Anspruch auf die Krone. Auf der Seite Ferdinands kämpft der Graf Luna, der Ritter und Troubadour Manrico streitet für den Rebellen Urgel. ERSTER TEIL: DAS DUELL Lunas Hauptmann Ferrando erzählt eine alte Geschichte: Lunas Vater hatte einst zwei Kinder. Der jüngere Sohn wurde angeblich von einer Zigeunerin verhext, die zur Strafe auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Die Tochter der Zigeunerin rächte sich: Sie tötete das Kind. Der alte Graf starb kurz darauf aus Kummer. Die Zigeunerin blieb unauffindbar, doch der Geist ihrer toten Mutter spukt seitdem durch das Schloss der Luna. Leonora, eine Hofdame der Königin von Aragon, hat sich beim Turnier in einen unbekannten Ritter verliebt. Es ist Manrico, der ihr als Troubadour nächtliche Ständchen singt. Graf Luna ist ebenfalls in Leonora verliebt. Auf dem Weg zu ihr hört er voll Eifersucht den Gesang des Troubadours. In der Dunkelheit verwechselt Leonora den Grafen mit ihrem Geliebten. Als Manrico dazwischentritt, erkennt Luna, dass Leonora seinen Feind liebt. Leonora kann nicht verhindern, dass die beiden Männer sich duellieren. ZWEITER TEIL: DIE ZIGEUNERIN Manricos Mutter ist die Zigeunerin Azucena, die einst den Sohn des Grafen Luna geraubt hat und seitdem von dem Bild ihrer eigenen Mutter auf dem Scheiterhaufen verfolgt wird. Verstört erzählt sie Manrico, der das Duell unverwundet überlebt hat, wie ihre Mutter starb, wie sie daraufhin aus Rache den Grafensohn entführt hat und wie sie in einem Moment der Verwirrtheit ihren eigenen Sohn in die Flammen geworfen hat. Aber ist dann Manrico nicht ihr Sohn? Sie beschwichtigt ihn und fragt nach dem Duell. Manrico hätte Luna töten können, doch eine innere Stimme hat ihn davon abgehalten. Azucena lässt ihn schwören, dass er seinen Feind nicht noch einmal schont. Leonora geht ins Kloster, weil sie glaubt, Manrico sei im Duell gefallen. Manrico will sie von ihrem Schritt abhalten, genau wie Luna, der plant, die Geliebte zu entführen, um sie dann heiraten zu können. Manrico zieht Leonora mit sich. Pause DRITTER TEIL: DER SOHN DER ZIGEUNERIN Lunas Soldaten rüsten sich für den Sturm auf die Festung Castellor, die von Manrico verteidigt wird. Plötzlich bringen Soldaten die herumstreichende Azucena, die behauptet, ihren 5 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ vermissten Sohn zu suchen. Ferrando erkennt in ihr die Frau, die 15 Jahre zuvor Lunas Bruder entführt hat. Luna befiehlt, Azucena auf den Scheiterhaufen zu werfen: So kann er den Bruder rächen und zugleich seinen Rivalen Manrico treffen. Manrico und Leonora wollen in der belagerten Festung heiraten. Die Liebe soll Manrico Kraft für den Kampf geben. Als er hört, dass Azucena in die Hände seines Feindes gefallen ist und hingerichtet werden soll, ruft Manrico seine Soldaten zusammen, um die Mutter zu befreien. VIERTER TEIL: DIE HINRICHTUNG Lunas Soldaten haben die Festung gestürmt und Manrico gefangengenommen, doch Leonora ist entschlossen, sein Leben um jeden Preis zu retten. Dem Grafen Luna verspricht sie, ihn zu heiraten, wenn er den Troubadour begnadigt. Heimlich nimmt sie Gift. Azucena und Manrico warten auf ihre Hinrichtung. Erneut durchlebt Azucena den Feuertod ihrer Mutter. Als Leonora kommt und Manrico seine Begnadigung verkündet, glaubt er, dass sie ihn verraten hat. Erst als Leonora ihm gesteht, dass sie Gift genommen hat und Luna sie nur als Tote bekommen wird, begreift er, was sie für ihn getan hat. Zornig erkennt Luna, dass Leonora ihn betrogen hat und lässt Manrico zur Hinrichtung abführen. Kaum ist Manrico tot, schreit Azucena ihm ihr Geheimnis ins Gesicht: Er hat seinen Bruder getötet. Azucena hat ihre Rache vollzogen. Beitrag aus dem Programmheft zu „Der Troubadour“, Nürnberg 2012 6 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ DER KOMPONIST: Guiseppe Verdi Giuseppe Verdi, geboren am 9./10. Oktober 1813 im Herzogtum Parma, gilt als einer der bedeutendsten italienischen Opernkomponisten des 19. Jahrhunderts. Kaum ein Opernhaus, das heutzutage keine seiner Opern auf dem Spielplan hat. Er wuchs in Le Roncole in sehr einfachen Verhältnissen auf. Sein musikalisches Talent wurde früh entdeckt und er erhielt OrgelUnterricht und durfte das Gymnasium dank der Unterstützung eines Mäzens besuchen. Zunächst wurde er am Konservatorium in Mailand abgelehnt und wurde Privatschüler bei Vincenzo Lavigna. Als Organist und Musikdirektor in Busseto widmete er sich anschließend intensiven Studien des Kontrapunktes und der Operngestaltung. 1839 schließlich hatte er seinen ersten Erfolg auf den Opernbühnen mit „Oberto, Conte di San Bonifacio“ an der Mailänder Scala. Als seine nächste Oper „Un giorno di regno“ 1840 beim Publikum durchfiel, überlegte er jedoch kurzzeitig, ob er das Komponieren nicht doch wieder aufgeben sollte. Mit „Nabucco“ gelang ihm dann 1842 endlich auch der internationale Durchbruch und er wurde europaweit schnell bekannt. Für seinen Lebensunterhalt komponierte er in den nächsten Jahren zahlreiche Werke, von denen viele bis heute weltweit immer wieder zur Aufführung kommen, wie etwa „Macbeth“ und „Luisa Miller“. Verdi wollte möglichst schnell viel Geld verdienen, um sich auf ein Landgut in seiner Heimat zur Ruhe setzen zu können. 1851 bis 1853 erschienen drei Opern, die heute unter dem Begriff der „trilogia popolare“ (populäre Trilogie) zusammengefasst werden: „Rigoletto“, „Il Trovatore“ und „La Traviata“. Sie gelten als ein Höhepunkt in Giuseppe Verdis Schaffen und zeigen auch eine völlig neue musikästhetische Konzeption. In den 1860er Jahren arbeitete Verdi unter anderem für die Pariser Oper, bei der Weltausstellung in London und am Mariinski-Theater in St. Petersburg und komponierte weiter zahlreiche Meisterwerke wie „Don Carlos“, „Un ballo in maschera“ und „La forza del destino“. Immer mehr stellte er das Orchester in den Mittelpunkt seiner Kompositionen und gestattete sich mehr Freiheiten bei der Gestaltung von Rezitativen und Arien. Zu seinen Spätwerken zählen die bekannte Oper „Aida“, die „Messa da Requiem“, sowie „Otello“ und „Falstaff“ – Verdi war mittlerweile finanziell unabhängig und musste nicht mehr wie am Fließband komponieren. Er konnte sich die Stoffe und Theater aussuchen, mit denen er arbeiten wollte. Der mittlerweile über 70-Jährige ließ seine ganze Lebenserfahrung, gerade in seine letzten Opern einfließen. Im Jahr 1901 verstarb Verdi schließlich, nachdem er innere Blutungen erlitten hatte und seine rechte Körperhälfte erlahmt war. 7 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ EINE OPER AUS FEUER Giuseppe Verdis „Il Trovatore – Der Troubadour“ eröffnet die Spielzeit im Opernhaus von Kai Weßler „Con brio“ schreibt ein Komponist über seine Noten, wenn er die Musiker zu einem Spiel „mit Feuer“ antreiben will. Giuseppe Verdis Oper „Der Troubadour“ ist nicht nur eine Oper voller feuriger Musik, es ist vor allem ein Drama, in dem Feuer, die Flammen und ein lange verglimmter Scheiterhaufen in jeder Szene gegenwärtig sind. Im Jahr 1852, zwischen „Rigoletto“ und „La Traviata“, hatte Giuseppe Verdi ein Stück des spanischen Dichters Antonio García Gutiérrez entdeckt und in kurzer Zeit auf die Bühne gebracht. 1853 wurde die Oper in Rom uraufgeführt und bildete schon bald mit den beiden Nachbarwerken die Trias, die Verdi endgültig zum wichtigsten Komponisten seines Heimatlandes Italien machen sollte. Doch gerade „Der Troubadour“ geriet schon bald in die Kritik: Völlig verworren sei die Handlung, das ganze Stück nur eine Ansammlung von (immerhin großartigen) Melodien, kaum mehr als ein Vehikel für Sängerstars. Doch stimmt das? Natürlich nicht, denn Verdi, der kurz zuvor erst aus Shakespeares „Macbeth“ eine Oper gemacht hatte, war ein belesener Theatermann, der genau wusste, warum er von dem im Mittelalter angesiedelten spanischen Schauerdrama so fasziniert war. „Der Troubadour“ handelt von der Zigeunerin Azucena, die allein von dem einen Gedanken besessen ist, ihre Mutter zu rächen, die vor vielen Jahren als angebliche Hexe auf dem Scheiterhaufen gelandet war. Azucena hatte bereits den Sohn des Grafen Luna, der ihre Mutter verurteilt hatte, geraubt. Aus Versehen warf sie ihr eigenes Kind ins Feuer und zog nun den Grafensohn als ihren eigenen Sohn Manrico auf. Manrico hat es vom Zigeunerkind zum Kriegsherrn eines Rebellenheeres gebracht und ist im Krieg der Gegenspieler des jüngeren königstreuen Grafen Luna, in Wahrheit sein Bruder. Die feindlichen Brüder konkurrieren nicht nur im Krieg, sondern auch in der Liebe, nämlich um die Gunst von Leonora, einer Hofdame der Königin. Azucena ist zwar zerrissen zwischen der Liebe zu ihrer Mutter und der Liebe als Mutter zu ihrem angenommenen Sohn, letztlich entscheidet sie sich aber für die Rache und enthüllt ihr Geheimnis erst, als Luna seinen Konkurrenten Manrico bereits hat hinrichten lassen. Was ist an dieser Handlung so kompliziert? Giuseppe Verdi schildert in „Der Troubadour“ eine Gesellschaft im Bürgerkrieg, einen historischen Erbfolgekrieg im Spanien des 15. Jahrhunderts, ohne dass dieser Krieg direkt auf der Bühne zu erleben ist. Die Vorgeschichte erschließt sich nur aus Andeutungen, wichtige Ereignisse der Handlung finden zwischen den Akten statt. Das Verständnis der Vorgänge wird zudem dadurch erschwert, dass in „Der Troubadour“ mehr als in irgendeiner anderen Verdi-Oper die Vorgeschichte immer neu erzählt wird. Erzählungen der Figuren, vor allem die Erzählung Azucenas über die als traumatisch erfahrene Hinrichtung der Mutter, spielen eine wichtige Rolle in diesem Werk. Das besondere an der Oper ist, dass immer wieder – wie in einer kurzen Momentaufnahme – Situationen sichtbar werden, sich dann aber eine ganze Welt von vergangenen Geschichten eröffnet. Giuseppe Verdi, sonst der Komponist der unmittelbar gegenwärtigen Situation, ist hier ein Geschichtenerzähler. 8 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ Der traumatische Kern der ganzen Oper ist dabei das Feuer, in dem Azucenas Mutter verbrannt ist und damit verbunden das Feuer, in dem Azucena vermeintlich den kleinen Grafensohn getötet hat. Beide Feuer haben sich ins Gedächtnis der Figuren gebrannt und werden im Laufe des Stückes immer wieder wachgerufen. Kein Wunder also, dass es im Libretto von Salvatore Cammarano von Feuer- und Brandmetaphern nur so wimmelt. Verdis Musik, die prasselnden Rhythmen, aber auch die oft gezackten Melodielinien, nehmen dieses Bild vom Feuer auf. Keinen Takt lang geht es Verdi darum, für Sänger schöne Melodien zu schreiben, sondern gerade im „Troubadour“ entwickelt er seine Technik der musikalischen Wahrheit, der spezifischen Farbe und schockartigen Stimmungswechsel entscheidend weiter. Kai Weßler, Dramaturg Beitrag aus „IMPULS – Das Magazin des Staatstheater Nürnberg“, Nürnberg, Ausgabe September/Oktober 2012, S. 5-8 9 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ KOMPONIEREN MIT DEM FEUER von Kai Weßler „Stride la vampa“ – „Es knistert die Flamme“, so beginnt in Giuseppe Verdis Oper „Il trovatore“ die Erzählung der Zigeunerin Azucena über die Hinrichtung ihrer eigenen Mutter auf dem Scheiterhaufen. Immer wieder erzählt Azucena von den schrecklichen Ereignissen der Vorgeschichte, immer wieder vergegenwärtigt sie sich selbst und den Anderen das Geschehen, das sie selbst als Mädchen mit ansehen musste. Die Hinrichtung einer Frau als vermeintliche Hexe ist eine grausame Tötungsart, die das Opfer nicht nur töten, sondern physisch auslöschen will. Nicht zuletzt deshalb hält die von den Flammen traumatisierte Azucena eine andere Flamme am Lodern: die der Rache an dem verhassten Grafen Luna. Doch nicht nur für Azucena und ihre Familie ist das Feuer Gegenstand einer traumatischen Erfahrung. Auch in der Familie der Luna stehen Flammen für schreckliche Ereignisse der Vergangenheit. In einem erloschenen Feuer fand man nach der Hinrichtung der Zigeunerin die verbrannte Leiche des entführten zweiten Grafensohnes, des Opfers von Azucenas Rache. Dass diese Leiche in Wirklichkeit die ihres eigenen, in der Panik verwechselten Sohnes war, dass die Rache der Zigeunerin also immer noch nicht vollendet ist, das weiß von den Figuren der Oper bis zuletzt Azucena alleine. Das Feuer als Zeichen für die schlecht verheilten Narben der Vergangenheit durchzieht Giuseppe Verdis Oper von der ersten bis zur letzten Szene. Doch erstaunlicherweise gibt es noch eine andere Feuer-Metapher in dem Stück: „l‘amorosa fiamma“, die Flamme der Liebe, die den Grafen Luna an die Hofdame Leonora bindet. Immer wieder nennt Luna seine Liebe ein Feuer, das er nicht bändigen kann, das vielmehr ihn, den Kriegsherrn, vollkommen beherrscht. Das Feuer als wärmende wie zerstörende Kraft ist in Salvatore Cammaranos Libretto ein Bild für die Hilflosigkeit der Figuren, die wie unter einem fremden Zwang lieben, kämpfen und töten. ZWEI DREIECKSGESCHICHTEN Das Feuer bindet als Symbol für Leidenschaft und Vernichtung, für Liebe und für Tod zugleich die beiden Konfliktfelder zusammen, die in „Il trovatore“ beschrieben werden. Die immer wieder als verworren geschmähte Handlung der Oper ist im Grund eine Verknüpfung zweier Dreiecksgeschichten, die von Liebe bzw. von Rache handeln. Auf der einen Seite stehen der Graf Luna und der Troubadour und Zigeunersohn Manrico, die in der Liebe zu Leonora ebenso Rivalen sind wie in dem Bürgerkrieg um die Erbfolge in Aragon. Diese Dreiecksgeschichte, die einen politischen Konflikt mit dem Konflikt um die Liebe zu einer Frau verbindet, ist Teil der Gegenwart innerhalb der Oper. Auf der anderen Seite stehen Luna und Manrico als unerkannte feindliche Brüder, die von Manricos Ziehmutter Azucena bewusst für ihre Rachepläne gegeneinander ausgespielt werden. Dieser Teil der Handlung wurzelt in den Ereignissen der Vergangenheit, die Azucena mit ihrer Rache bewältigen und damit abschließen will. Die beiden Frauen Leonora und Azucena stehen jeweils im Mittelpunkt der beiden Konflikte, begegnen sich aber im Stück nur ein einziges Mal (wobei sie sich ignorieren). Verdi hat die beiden Frauenfiguren auch musikalisch auseinandergerückt. Leonoras Musik ist in den harmonischen Bereichen von Des-Dur oder As-Dur angesiedelt und überwiegend im Vierteltakt, Azucenas Musik dagegen steht im Dreiertakt und vorwiegend in e-Moll/G-Dur und a-Moll/C-Dur. Azucena, für Verdi die zentrale Figur des Stückes, ist in ihrer Fixierung auf ihren Rachegedanken, aber auch in ihrem inneren Konflikt zwischen der Liebe als Mutter Manricos und der Liebe zur eigenen 10 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ Mutter die komplexeste Frauenfigur, die Verdi bis dahin geschaffen hatte. Die innere Zerrissenheit, die er in der Figur des Rigoletto ein Jahr zuvor zum ersten Mal in einer Oper komponiert hatte, wird hier auf eine Frauenfigur übertragen. Dies ist eine Neuerung auf der Opernbühne, auch wenn die Figur als Charakter und in ihrer Stimmtypologie dem Vorbild der Fides in Giacomo Meyerbeers „Le Prophete“ verpflichtet ist. DER BÜRGERKRIEG ALS HINTERGRUND Ähnlich wie in vielen Opern Giuseppe Verdis ist der Krieg ein zentrales Handlungsmoment. Für Verdi, der ähnlich wie Richard Wagner 1813 in einem Gebiet geboren wurde, das unmittelbar von den Kämpfen der ausgehenden Napoleonischen Kriege betroffen war, bedeuteten die Schrecken des Krieges eine menschliche Grunderfahrung, die ihn zutiefst geprägt hatte. Anders als in Deutschland spielten sich die italienischen Unabhängigkeitskriege direkt auf italienischem Boden ab, zum großen Teil auf dem Gebiet von Verdis Heimat Norditalien. In den Jahren zwischen den gescheiterten Aufständen und Revolutionen 1848 und der Gründung des italienischen Königreiches 1861 kam es immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen, die die in „Il trovatore“ erzählte Geschichte in einem Bürgerkrieg politisch aktuell erscheinen lassen mussten. Der Krieg zwischen dem Thronfolger von Aragon und den Rebellen wird jedoch an keiner Stelle gezeigt, sondern lediglich die Folgen von Krieg und Zerstörung prägen die Opernhandlung. Dies ist kein dramaturgischer Fehler von Verdi und seinen Librettisten, sondern das Erzählprinzip des Stückes. Epische Elemente, Berichte und Erzählungen rücken an die Stelle der dramatischen Darstellung, so wie ja auch die Vorgeschichte erzählt aber nicht gezeigt wird. „Il trovatore“ führt dabei vor, wie die Ereignisse von den gegnerischen Figuren sehr unterschiedlich wahrgenommen werden. Man vergleiche nur die Erzählung der Vorgeschichte um das entführte Kind durch Lunas Gefolgsmann Ferrando mit der Azucenas. Verdi zeigt in der Oper nicht das Handeln von Figuren, sondern ihre Reaktion auf Ereignisse, denen sie hilflos ausgeliefert sind. Das Erzählprinzip des Stückes ist nicht der große Handlungsbogen, sondern die schlaglichtartige Abfolge von emotionalen Zuständen, die Verdi grell und kontrastreich übersteigert. Und nicht zuletzt hat Verdi auch genau diese Art der Dramaturgie der kontrastierenden Situationen komponiert: An die Stelle einer motivischen Entwicklung, wie es sie in „Macbeth“ oder „Rigoletto“ gegeben hatte, tritt hier eine kaum überschaubare Vielzahl von melodischen Einfällen. So nimmt etwa in Duetten kaum einmal eine Figur das thematische Material auf, das der Partner zuvor gesungen hat, sondern setzt immer ein neues Thema dagegen. „Il trovatore“ ist die melodienreichste Oper Verdis, aber nicht, weil dem Komponisten so „viel eingefallen“ wäre, sondern weil die schnelle Abfolge der musikalischen Themen genau das innere Tempo der Partitur vorgibt. Die Vielzahl der Melodien ist keineswegs wahllos, sondern folgt einem genau kalkulierten Prinzip, das die musikalische Farbe, die „tinta“ der Partitur ausmachen. Die Melodien in „Il trovatore“ sind fast immer von Pausen zerrissen, sie fließen nicht, sondern scheinen atemlos zu stocken. Das hektische Flackern des allgegenwärtigen Feuers hat auch in der Melodiebildung (nicht nur in Azucenas „Stride la vampa“ und in Manricos „Di quella pira“) seine Spuren hinterlassen. Beitrag aus dem Programmheft zu „Der Troubadour“, Nürnberg 2012, S. 9-12 11 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ ZIGEUNERFRAUEN von Isabel Fonseca Die amerikanische Journalistin Isabel Fonseca hat Anfang der 1990er Jahre die „Zigeunerstämme“ Osteuropas besucht und teilweise mit ihnen gelebt. In ihrem Buch „Begrabt mich aufrecht. Auf den Spuren der Zigeuner“ beschreibt sie die Lebensweise und den Wertekanon der größten europäischen Minderheit. Fünfzig Quadratmeter, Kinder, Hühner und zum Trocknen aufgehängte Wäsche: Das Leben der Dukas spielte sich im Hof ab, vor allem das der Frauen. […] Manchmal hält man Mädchen für erwachsene Frauen, nur weil sie Kinder haben. Hier wurde man daran erinnert, dass diese Mütter selbst noch Kinder waren, als sie ihre eigenen bekamen. Aber es war etwas anderes als eine Schwangerschaft bei den Jugendlichen im Westen. Es war erwartet und erwünscht, und es geschah im Rahmen einer großen Gruppe, deren Mitglieder zu jeder Hilfe bereit waren. Jetas Schwester Gemile – die mit Gimi verheiratete Mimi – wurde in jenem Sommer Großmutter, mit dreißig Jahren. Zwar durften die Männer, auch der Vater des Babys, das neugeborene Mädchen nicht sehen, aber Jeta, die boria und ich wurden eingeladen, es in Augenschein zu nehmen. Bevor wir aufbrachen, fragte mich Jeta, ob ich gerade meine Tage hätte; wenn ja, dürfe ich das zehn Tage alte Kind nicht besuchen. In den beiden winzigen Zimmern war es brütend heiß. Man hatte mitten im Juli geheizt und alle Fenster mit dunkelrotem Stoff verhängt. Wie entsetzt wären diese Frauen über ein englisches Paar gewesen, das zu Hause neben mir wohnte und sein gut verpacktes Kind bei wirklich kaltem Wetter in den Garten stellte, „um es abzuhärten“. Die junge Mutter, ein mürrisches und anämisch aussehendes vierzehnjähriges Mädchen, saß still auf dem Bett gegenüber und wartete darauf, beide Beine auf dem Boden, dass Mimi nach ihr rief. Sie stillte dann das Baby und ging zum Bett zurück, wo sie steif saß, als hätte sie nichts mit dem aufgeregten Getue in der Ecke zu schaffen. Aber das hatte sie auch nicht. Ihre Aufgabe war es, das Kind zu stillen und sich zu erholen. Säuglinge wurden vergöttert. Sie waren das Gegenteil von mahrime, sie machten rein. Eine Frau durfte z. B. nicht vor einem älteren Mann hergehen; das galt als Respektlosigkeit, die schon an Verunreinigung reichte. Aber mit einem Baby auf dem Arm konnte man gehen, wo man wollte. Babys wurden ständig umsorgt: Sie wurden eingewickelt und ausgewickelt, gewaschen und gepudert und eingeölt und wieder gewickelt, so dass sie nach meinem Empfinden nie zur Ruhe kamen. Aber sobald sie laufen konnten, mussten ältere Kinder sich um sie kümmern, und dann gingen sie in der Menge auf. Die Zigeuner waren grob zu ihren Kindern (nicht zu den Babys), oder jedenfalls schien es mir so. Ständig scheuchten sie sie fort, schrien sie an und schlugen sie, aber die Kinder berührte das offenbar nicht sehr. Es war nicht grausam oder ungewöhnlich, es ängstigte sie nicht. Selbst das Spielen war rau, wie etwa Jetas ständiges Zupfen und Zwicken an den Penissen der Kleinen. Sie hatten einfach eine andere Art, und meistens war das auch in Ordnung. Die Kinder waren härter als unsere, und das mussten sie auch sein (o chavorro na liandola dandencar, heißt das 12 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ Sprichwort: „Das Kind kommt nicht mit Zähnen auf die Welt“). Aber Liebe und Zuwendung und das Gefühl, der großen Gemeinschaft der Zigeuner anzugehören, kamen nie zu kurz. Wie alle Zigeuner glauben auch die Zigeuner von Mrostar an den mule und fürchten ihn. Obwohl die Männer anscheinend alle Autorität besitzen und sie im weltlichen Leben auch ausüben (sie entscheiden über Strafen für eigensinnige Mitglieder der Gruppe oder verhandeln mit gadschoBeamten), verfügen doch die Frauen über die dunkelsten und gefährlichsten Kräfte. Ihre Legitimation beruht auf dem Wissen um Geister und Heilmethoden und letztlich ihrer Fähigkeit, die Männer zu verunreinigen. Der Tod, die letzte Autorität, ist ein Mann, aber nur eine Frau kann ihn vertreiben. Aber nicht nur vor Geistern muss man sich vorsehen. Eine Frau kann einen Mann dadurch „verunreinigen“, dass sie ihm einfach ihren Rock über den Kopf wirft oder auch nur damit droht – und beschmutzt ihn dadurch rituell, so dass er der Reinigung bedarf, bevor andere Zigeuner wieder mit ihm verkehren können. Die Frau hat die Macht, weil sie selbst von Natur aus mahrime ist – wenn sie verheiratet ist, also sexuell aktiv. Sie muss komplizierte Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, um andere nicht ihrer „Unreinheit“ auszusetzen. Diese genau definierten Regeln über Reinheit und Unreinheit sind die eigentliche universelle Sprache der Zigeuner, die an jedem Ort und in jedem Dialekt verstanden, wenn auch nicht immer streng befolgt wird. Am besten haben es vielleicht die alten Frauen in der Zigeunergemeinschaft. Als Frauen sind sie im Besitz mystischer Kräfte. Aber weil sie alt sind, ist ihre Sexualität keine Bedrohung mehr, und sie müssen nicht mehr all die Reinheitsrituale beachten, denn sie essen und rauchen ohnehin zusammen mit den Männern. Ganz anders als die Frauen im Westen, […] gewinnen Zigeunerinnen in einem gewissen Alter an Ansehen. Weil sie körperlich den Männern ähnlicher werden, spielt die soziale Unterlegenheit ihres Geschlechts keine Rolle mehr. Alte Menschen genießen bei den Zigeunern allgemein Achtung, und wegen ihres tieferen Wissens und ihrer Erfahrung haben alte Zigeunerinnen von Albanien bis Amerika auch bei weltlichen Dingen oft ein gewichtiges Wort mitzureden. Beitrag aus dem Programmheft zu „Der Troubadour“, Nürnberg, 2012, S. 23-25 13 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ II. Arbeitsanregungen SZENISCHE INTERPRETATION Was ist Szenische Interpretation von Musiktheater? Szenische Interpretation von Musiktheater wurde in Anlehnung an die Szenische Interpretation von Dramen nach Ingo Scheller entwickelt. Sie steht selbstständig neben z.B. der musikwissenschaftlichen Interpretation, auch wenn sie teilweise Überschneidungen mit anderen Methoden hat. Die Schülerinnen und Schüler (im Folgenden nur „Schüler“) setzen sich erfahrungsbezogen mit Musiktheater auseinander, woraus eine ganzheitliche Betrachtungsweise resultiert. Die Szenische Interpretation bedient sich der Mittel des Szenischen Spiels, mit denen sich die Schüler Musiktheaterstücke aneignen. Dabei üben sich diese auch bei der Entwicklung einer gemeinsamen Interpretation in sozialer und kommunikativer Interaktion. Das Szenische Spiel ist als eine Bezeichnung für alle Arten der pädagogisch inszenierten Darstellung von Inhalten zu verstehen. Der Einsatz von Körpersprache, Bewegungen und anderen körperlichen Ausdruckselementen nimmt dabei eine besondere Stellung ein. Zwei Faktoren sind bei dieser Methode bestimmend. Zum einen will man mit der Inszenierung erreichen, dass das Unterrichtsgeschehen zwar durch den Lehrer gelenkt wird, damit das Spiel nicht zum Selbstzweck, zur Erholung oder „just for fun“ geschieht. Zum anderen ermöglicht das Szenische Moment, dass die Schüler durch Körperausdruck, Bewegung und Darstellung gleichsam eine Szene nach ihren Vorstellungen hervorbringen können, sie jedoch an die Musik gebunden werden. So können die einzelnen Szenen zu einem sinnvollen Ablauf zusammengefügt werden und auf diese Weise die Lerninhalte von den Schülern selbst hervorgebracht werden. Die Szenische Interpretation ist eine körperorientierte Diskussionsform. Durch die Arbeit an Haltungen sollen die Schüler lernen, sich in fremde Figuren, Situationen oder Musik einzufühlen und diese dann reflektieren zu können. Die Rolle des Lehrers Der Lehrer nimmt bei der Szenischen Interpretation von Musik die Rolle des Spielleiters ein und ist somit der Prozessgestalter des Unterrichts. Er setzt die Spielregeln fest und eröffnet die Erlebnisräume für die Schüler. Er macht dabei jedoch keine konkreten Vorgaben, wie ein Musikstück zu verstehen ist oder gibt klare Instruktionen zur Inszenierung. Er initiiert vielmehr den Prozess der Interpretation und leitet nach der Erarbeitung des Musikstückes durch die Schüler die Reflexion ein, damit das Erlebte zu Erfahrungen der Schüler werden kann. Der Spielraum, der durch den Lehrer geöffnet wird, wird inhaltlich von den Schülern gefüllt. Durch die Definition von Spielregeln inszeniert der Spielleiter das Unterrichtsgeschehen. 14 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ Ablauf einer Szenischen Interpretation Die Szenische Interpretation ist insgesamt durch fünf Phasen strukturiert, die sowohl eine einzelne Unterrichtsstunde, als auch eine gesamte Unterrichtseinheit umfassen können. Zu einer Szenischen Interpretation gehören dabei mindestens die Einfühlung, die Präsentation im Rahmen einer szenisch-musikalischen Arbeit und die Reflexion. Hinzu kommen die Vorbereitung (WarmUp) und die Ausfühlung. In der Vorbereitung werden vornehmlich Übungen zum Aufwärmen und zur Spielvorbereitung gemacht. Sie sollen auf das Thema hinführen. Sie kann direkt hinüber gleiten in die Einfühlung, die in historischen, örtlichen oder musikalischen Situationen und in Rollen stattfinden kann. Durch die Einfühlung werden Perspektiven definiert, die den Bezugsrahmen für die Interpretation bieten. In der eigentlichen szenisch-musikalischen Arbeit kann auf verschiedene Arten gearbeitet werden. Meist findet diese Arbeit gruppenteilig statt. Die bekanntesten Formen sind die Arbeit an Haltungen, das Formen von Bildern (z.B. Standbilder) oder das tatsächliche Szenische Spiel. Egal welche Form man wählt, es sollte am Ende dieser Arbeit zu einer Präsentation vor der Gesamtgruppe kommen. Durch die Ausfühlung wird die anschließende Reflexion vorbereitet. Diese soll dafür sorgen, dass die Erlebnisse aus der Rolle zu Erfahrungen verarbeitet werden können, indem die Erlebnisse mit den Perspektiven der anderen Spieler und der Beobachter konfrontiert und eventuell mit anderen Interpretationen verglichen werden. In der Durchführung der Szenischen Interpretation und vor allem auch in der Reflexion des Szenischen Spiels ist es wichtig, dass sich die teilnehmenden Schüler durch einen Rollenschutz gesichert wissen. Dieser gewährleistet, dass die Interpretation der Schüler nicht mit der Person der Schüler gleichgesetzt werden und die Schüler so die Möglichkeit haben, Ängste, Hoffnungen und tabuisierte Themen, die normalerweise nicht im Unterricht artikuliert werden, zu veröffentlichen und zu bearbeiten. Der Rollenschutz wird durch die Einfühlung in eine Rolle aufgebaut und die Schüler können sich durch die Ausfühlung aus der Rolle von dem Geschehen im Szenischen Spiel distanzieren. Erst diese Distanz ermöglicht es, dass die Erlebnisse in der Rolle zu Erfahrungen verarbeitet werden können. Bei der Szenischen Interpretation gibt es kein richtig oder falsch, sondern lediglich ein präzise oder unpräzise. Auch dieses sollte während der Reflexion und eventuellen Feed-Back-Phasen berücksichtigt werden. 15 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ WARM UP Körperübungen Raumlauf – Gehen in unterschiedlichen Körperhaltungen Die Spieler/innen gehen durcheinander durch den Raum. Die Spielleitung gibt eine äußere Haltung vor: Schultern hochgezogen, Arme eng anliegend, Schrittgröße, Kopf hängen lassen, Brust raus, etc. Auch Kombinationen sind möglich. Durch diese Übung werden die Gehhaltungen vorbereitet, die die Spieler später für ihre Rollenfiguren entwickeln sollen. Paarübung: Jemanden an der Nase herumführen Die Spieler tun sich paarweise zusammen. Person A führt, in dem er seine Hand ca. 20 cm von der Nase des anderen entfernt hält. Person B muss der Hand nun ständig mit möglichst gleichem Abstand folgen. Person A hat eine Fürsorgepflicht, denn Person B darf sich nicht verletzen. Nach Möglichkeit sollen sich Paare bilden, die einander nicht kennen. Nach mindestens 60 Sekunden wird gewechselt. Ein Erfahrungsaustausch zwischen Person A und B sollte hinterher kurz möglich sein. Sprachübungen Lockerungsübungen Kopfkreisen: den Kopf nach links und nach rechts vorsichtig kreisen Schulterkreisen: die Schultern nach vorne und nach hinten kreisen, ohne die Arme zu heben. Wer es etwas schwieriger mag, versucht, die eine Schulter nach vorne zu kreisen, während die andere nach hinten kreist. Zappelphilipp: Arme und Oberkörper ausschütteln Stimmübungen Einfaches Tönen in Verbindung mit geführten Bewegungen stehen am Anfang. Dabei keinen Stress aufkommen lassen. Richtige oder falsche Töne gibt es zunächst nicht – jedem bleibt die Wahl der Tonhöhe selbst überlassen. Auf diese Weise entstehen Cluster, die eine gewisse Anonymität bieten. Artikulationsübungen folgen. Die Teilnehmer lassen die Konsonanten „P – T – K“ im Rhythmus „explodieren“. Das ganze wird mehrmals wiederholt. Die gleiche Übung wird mit den Lauten „F – S(scharfes S) – SCH“ wiederholt. Kausilben: mit offenem Mund werden Kaubewegungen ausgeführt und kurze Silben gesprochen, in denen die Laute „au“, „a“, und „u“ vorkommen (z.B. mjum, mjaum, o.ä.) 16 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ Ich liebe dich – ich weiß Eine Übung zum Thema Subtext. Jeder gesprochene oder gesungene Text hat immer einen sogenannten Subtext, einen Text „unter dem Text“. Dieser schwingt während des Sprechens mit und beeinträchtigt damit die Wirkung des Satzes nachhaltig. Die Spieler tun sich paarweise zusammen. Jeder der Spieler hat jeweils nur einen Satz zur Verfügung. A beginnt mit „Ich liebe dich“, B antwortet darauf „Ich weiß“. Die Sätze bleiben gleich, doch der Subtext kann variieren. Die Spieler lassen sich jeweils so viel Zeit, dass sie einen vollständigen Satz als Subtext im Kopf haben (z.B. „Küss mich“, „Geh weg!“, „Ich bin enttäuscht von dir“, etc.) In einem zweiten Durchgang werden die Sätze getauscht. In einem dritten Durchgang können die Sätze frei verwendet werden. Rhythmisches Warm up Ein rhythmisches Warm up bietet sich immer dann an, wenn es notwendig ist, eine Gruppe auf ein gemeinsames Energieniveau zu bekommen. Dazu bieten sich verschiedene Klatsch- und Sprechübungen an. Durch solch ein Warm up lassen sich auch die handelnden Figuren erstmals einführen. Gleichzeitig müssen die TN Körperbewegungen und Sprache miteinander koordinieren. Im Vorfeld muss ein gemeinsames Metrum gefunden werden. Dieses kann durch einen gemeinsamen Grundschritt für die Füße erzeugt werden. Beim TaKeTiNa-Schritt pendeln alle TN im Kreis in einem Viererrhythmus hin und her. 1: Schritt nach links, 2: rechter Fuß tippt neben den linken Fuß, 3: Schritt nach rechts, 4: linker Fuß tippt neben den rechten Fuß. Die SL gibt die Namen der Opernfiguren im Takt vor. Die TN antworten nach dem „callresponse“-Prinzip. Die Namen lassen sich hintereinander sprechen, aber auch mehrstimmig (z.B. nachdem die Rollen verteilt sind). Als zusätzliche Schwierigkeit kann bei bestimmten Vokalen geklatscht werden. 17 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ EINFÜHLUNG IN DIE ROLLEN Die Schüler/innen entscheiden sich für eine der Rollen und damit für eine Perspektive. Sie werden ab nun an der Geschichte von „Il Trovatore – Der Troubadour“ aus ihrer Rolle heraus teilnehmen, beobachten, kommentieren, die Handlung beeinflussen und mit ihrer Figur mitfühlen. Dabei ist wichtig, dass sie nicht nur in den vorgegebenen Szenen und Situationen agieren, sondern auch als Beobachter anderer Szenen ihre Rollenperspektive behalten. Die Außenperspektive, in der wir uns sonst bewegen, spielt für die Arbeitsphase keine Rolle. Die Spielszenen sollen nicht „scheinbar objektiv“ bewertet werden. Vielmehr befinden sich die Schüler in einer Art Rollenspiel; die subjektive Sichtweise der Rollenfigur erhält einen größeren Stellenwert. Rollenverteilung Die Spieler erhalten kurze Informationen über charakteristische Züge der Rollen durch den Spielleiter. Nun entscheiden sie sich freiwillig für eine der Figuren. Bei Doppelbesetzungen sollten vor allem die Hauptfiguren mehrfach verteilt werden. Rolleneinführung durch Rollengespräch Anfertigung einer Rollenbiografie Das Schreiben einer Rollenbiografie zwingt die Spieler dazu, sich genau mit ihrer gewählten Figur auseinander zu setzen. Sie bekommen eine Vorstellung davon, wie das Leben „ihrer“ Person aussieht und können sich besser in diese Person einfühlen. Die biografischen Momente der Rollenkarte werden in der Rollenbiografie logisch miteinander verknüpft und zu einem phantasievollen Gesamtbild geformt. Die Spieler haben die Möglichkeit ihre eigenen Phantasien auf die Person zu projizieren, die sie später darstellen wollen. Als ersten Schritt hilft es den Spielern oft, ihre Rollenkarte, die in der „Du-Form“ geschrieben ist, in der „Ich-Form“ für sich zu lesen. Danach verfasst jeder einen Text, seine eigene Biografie. Als weitere Hilfestellung kann man für die einzelnen Figuren kurze Arienausschnitte vorspielen. Wenn technisch möglich ist eine individuelle Wiedergabe über Mp3-Player oder ähnliches ideal. Das erste unvoreingenommene Hören ist sehr eindringlich und fließt meist mit in den Subtext der Rollenbiografie ein. Als weitere Hilfestellung dient die Frageliste, die jedem Spieler ausgeteilt werden kann oder großflächig projiziert werden kann, so dass sie für jeden gut sichtbar ist. Veröffentlichung der Rollenbiografie Hier gilt die Regel des Kreativen Schreibens: Die Kategorien „Falsch“ oder „Richtig“ existieren zunächst nicht. Ein Text an sich kann nicht in diese beiden Extreme eingeordnet werden. Ein Text kann höchstens in sich stimmig oder widersprüchlich sein. Hiermit muss jedoch der jeweilige Spieler umgehen. Jeder kann, aber niemand muss seinen Text vorlesen. Es können auch nur Abschnitte oder einzelne Sätze gelesen werden. Auch das gegenseitige Vorstellen der Biografien in Kleingruppen ist denkbar. So erfährt jeder noch mehr Details über seine Mitspieler. Eine andere Möglichkeit ist die Veröffentlichung als Wandzeitung. Hier können die Biografien auch noch mit Fotos und Bildern ausgeschmückt werden, die im Laufe der Szenischen Interpretation entstehen (z.B. Fotos von Haltungen, Bilder aus Szenen, etc.) 18 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ Rolleneinfühlung durch Arbeit an Haltungen Arbeit an Stehhaltungen: Das Stehen ist hier eng mit dem Ver-Stehen verbunden. Über das Stehen wird eine bestimmte äußere Haltung eingenommen, die die innere Haltung beeinflusst. Sie dient dann wiederum als Ausdrucksweise, die von der Situation abhängig ist. Bei der Erarbeitungen von Singhaltungen ist es wichtig, dass die TN sich nicht sofort ausgestellt fühlen. Darum findet die Erarbeitung im Schutze des Raumlaufes statt. Das Durcheinandergehen hat eine akustische Schutzfunktion. Jeder der TN bewegt sich gleichzeitig im Raum und gibt auch gleichzeitig Laute von sich. Die Arbeit an Singhaltungen oder das „gestische Singen“ ist eine zentrale Methode in der Szenischen Interpretation von Musiktheater. Hier kommt es nicht darauf an, dass die TN perfekt im Chor oder gar solistisch singen, sondern dass sie über Gesang, Körperhaltung und Mimik/Gestik einen konkreten Bezug zwischen Musik, Text und Handlungssituation herstellen. Es gibt kein „richtig“ oder „falsch“. Vielmehr kommt es darauf an, dass die TN den Gestus der Musik erfassen und ganzheitlich zum Ausdruck bringen und im Singen eine Haltung analog zur Sprechhaltung einnehmen. Die TN bewegen sich also in einem Experimentierfeld, in dem unterschiedliche Ausdrucksformen, die zu Musik, Text und Handlungssituation „passen“ oder sich diametral gegenüberstehen, getestet werden, um daraus eine eigene Interpretation zu entwickeln. Sprechhaltungen Die TN sollen zunächst den fettgedruckten Satz auf ihrer Rollenkarte mehrere Male für sich lesen. Nach und nach wird die Stimme dazu genommen, so dass nach einer Weile alle ihren Satz klar und deutlich sprechen. Die TN probieren aus, wie der Satz auf verschiedenen Arten (laut/leise, hoch/tief, langsam/schnell, mit Pausen, deutlich/undeutlich, wütend/fröhlich, frech, ordentlich) gesprochen werden kann. Nun wählt jeder Spieler ein Wort, dass ihm in diesem Satz besonders wichtig erscheint aus und spricht dieses besonders betont, fast gesungen aus. Beim zweiten Mal soll das Wort bereits gesungen werden. Rhythmus, Tonhöhe und Artikulation bestimmt jeder für sich selbst, ganz frei, ohne Vorgaben von „richtig“ und „falsch“. Nach und nach werden die Wörter um das erste Wort herum auch gesungen, so dass zum Schluss der ganze Satz gesungen von allen TN gesungen wird. Singhaltungen Von den Rollenkarten sucht sich jeder Spieler einen Satz, der eine der Figuren kurz und knapp charakterisiert. Nach der Arbeit an Sprechhaltungen (dieses kann nahtlos ineinander übergehen) sucht sich jeder Spieler ein Wort aus dem Satz, mit dem er gerade experimentiert hat heraus. Dieses wird zunächst besonders betont. Anschließend versuchen die Spieler, dieses Wort zu singen. Nach und nach werden die Wörter um das ausgesuchte Wort in den Gesang mit einbezogen. Rhythmus, Tonhöhe und Artikulation bestimmt jeder für sich selbst, ganz frei, ohne Vorgaben von „richtig“ und „falsch“. Daraufhin kann das Wort noch mit Koloraturen „verziert“ werden, um den Ausdruck zu erhöhen. Anschließend stellen sich die Spieler beim weiteren Raumlauf gegenseitig ihre Wort-Melodien vor. 19 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ SZENISCH-MUSIKALISCHE ARBEIT Arbeit an Haltungen ABLAUF DER OPER – mit Spielsequenzen Teil 1 – Das Duell Im Schloss des Grafen Luna haben sich die Gefolgsleute des Grafen versammelt. Es herrscht Krieg, doch die Gesellschaft lechzt nach Abwechslung und spannenden Geschichten. Ferrando, der Feldherr des Grafen, erzählt die Geschichte einer Zigeunerfrau, die einst den zweiten Sohn des alten Grafen entführte. Spielvorschlag Nr. 1: „Verflucht sei die teuflische Hexe!“ Methode: Soziogramme stellen Figuren: Azucena, alte Zigeunerfrau, Manrico, alter Graf Musik: CD 1-2 0:51-4:20 Material: Nr. 1 und 2 Die TN lesen die Geschichte, die Ferrando zu Beginn der Oper Lunas Gefolge erzählt (Material Nr. 2). Die SL modelliert zunächst einen Spieler der Azucena als Bezugsperson als Standbild. Hierbei kann für die weitere Arbeit das Standbildverfahren erklärt werden. Die anderen an dem Spielvorschlag beteiligten Spieler gehen in ihrer Rolle ins Bild und frieren in das Gesamtbild ein. Dabei berücksichtigen sie ihre Rollenvorstellung und die Informationen aus der Geschichte. Um die Beziehung zur Bezugsperson auszudrücken, werden folgende Parameter von den Spielern bedacht: - Entfernung zur Bezugsperson - Position auf der Spielfläche - Körperhaltung - Blick Die SL fordert die Spieler auf, jeweils einen Satz zur Bezugsperson zu sagen. Leonora gesteht ihrer Vertrauten Ines, dass sie sich in Manrico verliebt habe, als dieser in einem Turnier von ihr den Siegespreis erhielt. Danach hatte sie ihn aus den Augen verloren. Nun sei sie jedoch mit ihm im Garten verabredet und möchte dort auf ihn warten. 20 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ Spielvorschlag Nr. 2: „ Was du da sagst, wird mein Herz niemals verstehen“ Methode: Szenisches Lesen, Subtext schreiben, Figur: Ines, Leonora Musik: CD 1-5 Material: Nr. 3 Die TN lesen den Textausschnitt in verteilten Rollen. Jeder Spieler überlegt sich einen Subtext aus drei bis vier Sätzen. Zu diesem Subtext nehmen sie anschließend zueinander eine Haltung ein. Als Leonora loseilt, weil sie Manrico im Garten singen gehört hat, läuft sie dem Grafen Luna in die Arme, der aus Eifersucht jeden Schritt Leonoras verfolgt. Graf Luna erkennt in Manrico nicht nur seinen Nebenbuhler, sondern auch den Anhänger eines politischen Feindes. Es kommt zum Kampf, in dem Manrico zunächst gewinnt. Er lässt den Grafen Luna jedoch am Leben und wird anschließend von den Begleitern des Grafen angegriffen und bleibt scheinbar tot liegen. Spielvorschlag Nr. 3: „Wie mich die Eifersucht quält“ Methode: szenisches Lesen, Soziogramme stellen Figur: Graf Luna, Manrico, Leonora Musik: CD 1-8 1:40-Ende Material: Nr. 4 Die TN lesen den Textausschnitt in verteilten Rollen. Ein zusätzlicher TN oder die SL übernimmt die Regieanweisungen. Der zusätzliche TN oder die SL modelliert zunächst einen Spieler (Graf Luna oder Manrico oder Leonora) als Bezugsperson als Standbild. Die anderen an dem Spielvorschlag beteiligten Spieler gehen in ihrer Rolle ins Bild und frieren in das Gesamtbild ein. Um die Beziehung zur Bezugsperson auszudrücken, werden folgende Parameter von den Spielern bedacht: - Entfernung zur Bezugsperson - Position auf der Spielfläche - Körperhaltung - Blick Die SL fordert die Spieler auf, jeweils einen Satz zur Bezugsperson zu sagen. Jede Figur soll einmal als Bezugsperson fungieren. Dies kann entweder von ein und derselben Gruppe gemacht werden oder von drei verschiedenen Gruppen. 21 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ Teil 2 – Die Zigeunerin In der Biscaya versammeln sich Zigeuner. Spielvorschlag Nr. 4: „Das Zigeunermädchen!“ Methode: Arbeit an Singhaltungen Figur: Chor Musik: CD 1-9 Material: Nr. 5 Die TN lernen den Zigeunerchor aus dem Beginn des zweiten Teils von „Der Troubadour“. Hier kommt es nicht darauf an, dass die TN perfekt im Chor oder gar solistisch singen, sondern dass sie über Gesang, Körperhaltung und Mimik/Gestik einen konkreten Bezug zwischen Musik, Text und Handlungssituation herstellen. Es gibt kein „richtig“ oder „falsch“. Vielmehr kommt es darauf an, dass die TN den Gestus der Musik erfassen und ganzheitlich zum Ausdruck bringen und im Singen eine Haltung analog zur Sprechhaltung einnehmen. Die SL gibt dann Haltungen vor (wütend, verträumt), in denen der Chor gesungen werden soll. Mit diesen beiden Ausdrucksmöglichkeiten kann kombinatorisch gespielt werden. Die Zigeunerin Azucena reagiert auf den Chor. Sie wird von der Erinnerung an den Tod ihrer Mutter auf dem Scheiterhaufen eingeholt. Spielvorschlag Nr. 5: „Es lodern die Flammen“ Methode: Musik-Stopp-Frage, Standbild zur Musik Figur: alte Zigeunerfrau, Azucena Musik: CD 1-10 0:00-3:58 Material: Nr. 6 Die TN lesen gemeinsam den Arientext. Die Spielerin der Azucena überlegt sich, welche Gefühle sie hat. Die anderen Spieler erarbeiten in Kleingruppen Fragen an Azucena. Die TN hören gemeinsam die Arie und verfolgen dabei den Text. Wenn nun jemand eine Frage hat, ruft er „Stopp“. Die Musik wird angehalten, die Frage gestellt und Azucena beantwortet die Frage aus ihrer Rolle heraus. Eine Azucena erklärt sich bereit als Drahtpuppe zu dienen, die nun von einem Spieler der alten Zigeunerfrau modelliert wird. Der Spielleiter erklärt die Methode des Standbildermodellierens. Der Spieler der Azucena bleibt dabei komplett passiv und lässt sich in jede gewünschte Haltung bringen. Die modellierende Person (alte Zigeunerfrau) spricht nicht, sondern bringt die Figur der Azucena stumm in die Haltung, die sie sich bei der Musik vorgestellt hat. Nur der Gesichtsausdruck wird durch Nachahmung gestaltet. Die Figur wird so lange aus unterschiedlichen Perspektiven immer wieder betrachtet, bis das Bild dem entspricht, was die modellierende Person sich vorgestellt hat. Wenn für die Gruppe ein stimmiges Standbild entstanden ist, wird dieses mit Musik konfrontiert. und anhand von ihr überprüft. Die Musik kommentiert das Standbild automatisch. So kann diese einschränkend wirken, da die szenische Phantasie der Teilnehmer weiter geht, als die Musik es zu lässt. Oder die Musik kommentiert den vorherigen Text und relativiert die Szene somit. Das Standbild kann von den Teilnehmern aufgrund der gehörten Musik abermals verändert werden. Sobald ein Teilnehmer der Meinung ist, dass das Standbild nicht (mehr) zur gehörten Musik passt, ruft er „Stopp!“. Die Musik wird angehalten, und der Teilnehmer verändert das Standbild. Die Veränderung wird durch den jeweiligen Teilnehmer verbal begründet. (z.B.: „Ich habe den Kopf der Person gesenkt, weil ich finde, dass sie so trauriger aussieht.“) 22 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ Azucena hat den schwer verletzten Manrico gesund gepflegt. Nach der Aufregung erzählt sie ihm die Wahrheit: Vor vielen Jahren wollte sie den Flammentod ihrer Mutter rächen, indem sie den Sohn des Grafen ebenfalls den Flammen übergeben wollte. Sie war jedoch durch den Tod ihrer Mutter so verwirrt, dass sie versehentlich ihren eigenen Sohn ins Feuer warf. Manrico trifft diese Nachricht wie ein Schlag. Er ist bei Azucena aufgewachsen und ahnt, dass er nicht ihr richtiger Sohn ist. Azucena weicht den Nachfragen Manricos allerdings aus. Spielvorschlag Nr. 6: „Ich bin nicht dein Sohn, wer bin ich dann?“ Methode: improvisierte Szene nach Spielanweisung Figur: Azucena, Manrico Musik: CD 1-12 Material: Nr. 7 Die Spieler improvisieren eine Szene nach Spielanleitung. Der Text zu dieser Szene soll von den Spielern frei improvisiert werden, vorgegeben sind nur die Rollen und die Ausgangssituation der zu spielenden Szene. Wichtig für das Spiel ist es auch, für alle Auftritte einen entsprechenden Anfang sich auszudenken und die Szene zu einem „runden“ Schluss zu führen. Azucena lenkt vom vorigen Thema ab. Sie kann nicht verstehen, dass Manrico den Grafen Luna im Kampfe nicht getötet hat, obwohl er ihm überlegen war. Manrico werde nun aus zweierlei Gründen verfolgt. Manrico bekommt die Nachricht übermittelt, dass Leonora ins Kloster gehen wolle. Sie glaube, dass Manrico tot sei. Außerdem solle er als Kommandant gegen den Grafen Luna in die Schlacht ziehen. Manrico will sofort zu Leonora eilen. Spielvorschlag Nr. 7: „Gib mir den Weg frei, oh Mutter!“ Methode: improvisierte Szene nach Spielanweisung Figur: Azucena, Manrico Musik: CD 1-13 3:26-Ende Material: Nr. 8 Die Spieler improvisieren eine Szene nach Spielanleitung. Der Text zu dieser Szene soll von den Spielern frei improvisiert werden, vorgegeben sind nur die Rollen und die Ausgangssituation der zu spielenden Szene. Wichtig für das Spiel ist es auch, für alle Auftritte einen entsprechenden Anfang sich auszudenken und die Szene zu einem „runden“ Schluss zu führen. Graf Luna freut sich mit Ferrando über seinen vermeintlichen Triumph über Manrico. Er glaubt, ihn im Duell getötet zu haben. Er denkt auch, er hat jetzt freie Bahn bei Leonora und bekennt seine Liebe zu ihr. 23 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ Spielvorschlag Nr. 8: „Nicht einmal ein Gott kann dich mir rauben“ Methode: Musik-Stopp-Verfahren, Befragung in einer Szene Figur: Graf Luna Musik: CD 1-16 0:00-3:08 Material: Nr.9 Der Spieler des Grafen Luna liest den Text der Arie. Zum Beginn der Szene überlegt er sich eine Haltung, die er einnimmt. Dann stellt er die Musik der Arie dazu an. Sobald der Spieler glaubt, seine Haltung stimme nicht mehr mit dem Charakter der Musik überein, stoppt er die Musik und verändert seine Haltung. Dann wird die Musik wieder angestellt. Dies wiederholt sich bis zum Ende der Arie. Bei der Präsentation befragt die SL den Spieler in einem Interview in seiner Rolle. Beispiele: „Wie geht es mir jetzt?“, „Was passiert gerade mit mir?“, „Was will ich als nächstes tun?“ Leonora ist auf dem Weg ins Kloster – sie glaubt, dass Manrico tot ist und will nicht mehr in dieser Welt sein. Nicht nur Manrico möchte sie von diesem Schritt abhalten, sondern auch Graf Luna plant, sie zu entführen, um sie dann heiraten zu können. Manrico zieht Leonora mit sich. Spielvorschlag Nr. 9: „Bin ich im Himmel mit dir?“ Methode: improvisierte Szene nach Spielanleitung Figur: Leonora, Manrico, Graf Luna Musik: 1-18 1:10-3:07 Material: Nr. 10 Die Spieler improvisieren eine Szene nach Spielanleitung. Der Text zu dieser Szene soll von den Spielern frei improvisiert werden, vorgegeben sind nur die Rollen und die Ausgangssituation der zu spielenden Szene. Wichtig für das Spiel ist es auch, sich für alle Auftritte einen entsprechenden Anfang auszudenken und die Szene zu einem „runden“ Schluss zu führen. Teil 3 – Der Sohn der Zigeunerin Lunas Soldaten machen sich für den Sturm auf die Festung Castellor bereit. Dort sitzt Manrico, der die Anlage verteidigt und auch Leonora bei sich hat. Auf ihrem Weg stoßen die Soldaten auf Azucena, die sich in der Nähe des Soldatenlagers herumtrieb. Sie behauptet, ihren vermissten Sohn zu suchen. Im Verhört erkennt Ferrando sie als die Frau, die vor 15 Jahren Lunas Bruder entführt hat. Luna befiehlt, die Frau auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Für ihn bedeutet das, dass er so gleichzeitig seinen Bruder rächen und auch Manrico treffen kann. 24 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ Spielvorschlag Nr. 10 : Methode: improvisierte Szene nach Spielanweisung, Arbeit mit Subtexten Figur: Alte Zigeunerin, Junge Azucena, junger Luna, alter Graf, Luna, Azucena Musik: CD 2-4 0:00-3:05 Material: Nr. 11 Die Spieler improvisieren eine Szene nach Spielanweisung. Der Text zu dieser Szene soll von den Spielern frei improvisiert werden, vorgegeben sind nur die Rollen und die Ausgangssituation der zu spielenden Szene. Die Alte Zigeunerin und die Junge Azucena gehören zu Azucena. Der junge Luna und der Alte Graf gehören zu Luna. Sie fungieren als „Stimmen im Kopf“ der jeweiligen Figuren Azucena und Luna. Als Besonderheit kommt hinzu, dass die Spieler von Luna und Azucena erst dann sprechen dürfen, wenn eines ihrer Partner zu ihnen gesprochen hat. Die Spieler von Alter Zigeunerin, junger Azucena, altem Graf und jungem Luna sprechen den jeweiligen Figuren eine Art Subtext ein, der von den Spielern aufgegriffen wird. Erst wenn sie die Botschaften der „Stimmen in ihrem Kopf“ gehört haben, dürfen sie handeln, bzw. sprechen. Leonora und Manrico sitzen zusammen auf der belagerten Burg fest. Sie entschließen sich zu heiraten. Die Liebe soll Manrico Kraft für den Kampf geben. Da erfährt er von einem Boten von der Verhaftung seiner Mutter Azucena durch Graf Luna. Hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu Leonora und der Liebe zu seiner Mutter entscheidet sich Manrico für Azucena und eilt zu ihr. Spielvorschlag Nr. 11: Methode: Standbilder zum Text, Befragung der Figur in der Szene Figur: Manrico Musik: CD 2-8 0:00-2:22 Material: Nr. 12 Der Spieler des Manrico liest den Text der Stretta „Di quella pira!“. Er findet zu dem Text verschiedene Haltungen. Diese Haltungen werden mit Musik konfrontiert. Dazu hält die SL die Musik bei der Präsentation an den zuvor angegebenen Stellen im Text an. Am Schluss befragt die SL den Spieler: „Wie geht es dir jetzt?“, „Was passiert gerade mit mir?“, „Was willst du als nächstes tun?“, etc. 25 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ Teil 4 – Die Hinrichtung Leonora hat erfahren, dass sowohl Manrico als auch Azucena sich nun im Kerker des Grafen Luna befinden. Sie will ihren Liebsten befreien und ist dafür sogar bereit, sich selbst zu opfern. Spielvorschlag Nr. 12: „Keine Liebe auf Erden war größer als meine zu dir“ Methode: Sprech- und Singhaltungen, Choreografie zu Haltungen Figur: Leonora Musik: CD 2-9, 2-10 Material: Nr. 13 Der Spieler/die Spielerin der Leonora liest den kurzen Hinweis zur Szene. Anschließend entwickelt er/sie zur Musik der Arie verschiedene Haltungen, die sich jeweils dem Charakter der Musik anpassen. Der Übergang von einer Pose in die nächste soll nach und nach fließend werden und somit eine die ganze Arie illustrierende Choreografie ergeben. Die Haltungen werden auf Basis der Übungen zu Sprech- und Singhaltungen leichter erarbeitet. Leonora sucht Graf Luna auf und bittet ihn darum, Manrico freizulassen. Dieser ist jedoch überglücklich, sowohl seinen politischen Gegner als auch seinen Liebesrivalen endlich gefangen zu haben, und will ihn hinrichten lassen. Leonora fleht Luna an und will sogar selbst statt Manrico auf dem Scheiterhaufen sterben. Als Luna auch das ablehnt, bietet Leonora ihm das Einzige an, was ihr noch bleibt: ihre Hand. Sie will Luna heiraten, wenn er dafür Manrico frei lässt. Luna ist einverstanden. Spielvorschlag Nr. 13: „Mein Gott ist nur die Rache!“ Methode: improvisierte Szene nach Spielanleitung Figur: Leonora, Graf Luna Musik: 2-(14-16) Material: Nr. 14 Die Spieler improvisieren eine Szene nach Spielanleitung. Der Text zu dieser Szene soll von den Spielern frei improvisiert werden, vorgegeben sind nur die Rollen und die Ausgangssituation der zu spielenden Szene. Wichtig für das Spiel ist es auch, sich für alle Auftritte einen entsprechenden Anfang auszudenken und die Szene zu einem „runden“ Schluss zu führen. 26 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ AUSFÜHLUNG UND REFLEXION IN ROLLE Der letzte Spielvorschlag kann auch sehr gut als Beginn der Ausfühlung genutzt werden. Die Spieler werden im Anschluss an ihre Szene von der SL befragt und so aus ihrer Rolle „ausgefühlt“. Spielvorschlag Nr. 14: „Flieh… oder du bist verloren!“ Methode: improvisierte Szene nach Spielanweisung/Text, individuelle Ausfühlung und Ausfühlung durch Befragung in der Szene Figur: Manrico, Azucena, Graf Luna, Leonora Musik: CD 2-22 Material: Nr. 15 Die Spieler improvisieren eine Szene nach Spielanweisung. Der Text zu dieser Szene soll von den Spielern frei improvisiert werden, vorgegeben sind nur die Rollen und die Ausgangssituation der zu spielenden Szene. An dieser Stelle wird das Ende der Oper bewusst nicht verraten. Die Spieler sollen zu einem eigenen Ende finden, dass für sie schlüssig ist. Dieses Ende kann in der anschließenden Reflexion mit dem Originalende der Oper verglichen werden. Hier jedoch bleibt das gefundene Ende so stehen. Die Spieler frieren am Ende der Szene ein. Die SL geht nun nacheinander zu den einzelnen Spielern. Die SL berührt den jeweiligen Spieler an der Schulter. Dieser kann sich nun aus dem Freeze lösen, bleibt jedoch noch in seiner Rolle. Fragen des Spielleiters können unter anderem sein: - Was ist soeben passiert? - Was denkst du gerade über X, Y, Z? - Was empfindest du gerade? - Was möchtest du als nächstes tun? Nach dem Gespräch darf der Spieler den Spielraum verlassen. Er lässt aber eventuelle Kostümteile oder Requisiten an der Stelle, wo er im Freeze gestanden hat. Nun wird der nächste Spieler befragt. Ausfühlung durch Abschiedsritual Um sich aus der Welt des „Troubadour“ zu verabschieden kann ein einfaches Abschlussritual durchgeführt werden. Dazu legen die TN ein Requisit oder ein Kostümteil, was sie über den Zeitraum der Szenischen Interpretation begleitet hat in die Mitte des Raumes. Darum wird ein Sitzkreis (auf dem Boden) gebildet. Die TN stellen sich vor, dass der Haufen in der Mitte ein großes Lagerfeuer ist. An diesem kann nun jeder Spieler in ein bis drei Sätzen eine „kleine Geschichte“ zu dem erzählen, was er erlebt hat. Zum Abschluss lässt man das Gesagte noch einen kurzen Augenblick wirken und entfernt sich dann nach und nach vom Lagerfeuer. 27 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ REFLEXION In der Reflexion kann es noch einmal um die Beziehungen der Figuren untereinander gehen. Dieses Mal jedoch von außen betrachtet. Die Schüler entwickeln ein Soziogramm, in dem versucht wird, alle handelnden Figuren zueinander in Beziehung zu setzen. Dieses kann sowohl auf dem Papier als auch im spielerischen Verfahren (vgl. Spielvorschlag Nr. 3) geschehen. Um das Soziogramm zu vereinfachen, können die Figuren des alten Grafen und der alten Zigeunerfrau weggelassen werden. Die Spieler dieser Figuren bekommen die Aufgabe, das Soziogramm zu dokumentieren oder können die erste Figur in dem Standbild modellieren. Kommt es in Spielvorschlag 14 (Ausfühlung) zu einem gravierend anderen Ende, als in der Oper, sollte in der Reflexion das Originalende geklärt werden. Zum direkten Vergleich bietet es sich an, ein weiteres Soziogramm zu stellen und die beiden miteinander zu vergleichen. 28 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ III. Arbeitsmaterialien MATERIAL NR. 1. : Rollenkarten Graf von Luna Als Sohn eines Adligen bist du sehr verwöhnt worden als Kind und das hat natürlich auch deinen Charakter geprägt. Aufgewachsen mit dem sprichwörtlichen „goldenen Löffel im Mund“ hast du nie Hunger, Not oder Mangel kennen gelernt. Dein Vater hat sich immer all das genommen, was er wollte (inklusive seiner Liebschaften) und das ist nun auch deine Art: Was dir gefällt, nimmst du dir einfach ohne Rücksicht auf die Gefühle anderer Menschen. Wahre Liebe hast du dagegen nie erfahren, deshalb kannst du auch Leonora gegenüber nie richtig zärtlich sein. Der Krieg, der um dein Schloss tobt, ist dir ziemlich egal – die grausame Realität willst du nicht wahrhaben. Du weißt nicht, dass Manrico dein Bruder ist, du siehst in ihm lediglich einen lästigen Konkurrenten. Aber er und Leonora lieben sich – obwohl du doch ein Auge auf dieses hübsche junge Mädchen geworfen hast. Das kann doch nicht wahr sein! Du bist schließlich der Graf von Luna – und du wirst auch Leonora erobern, wie du alles andere in deinem Leben dir auch immer einfach so genommen hast! „Ich werde mich an Manrico rächen! Leonora wird mir gehören!“ Manrico, Troubadour Du bist aufgewachsen bei der Zigeunerin Azucena, die du sehr liebst. Deinen Vater hast du allerdings nie kennengelernt. Als Troubadour bist du ein richtiger Rockstar mit Star-Allüren, aber auch als Kämpfer weißt du dich im Zweifelsfall gut durchzusetzen. Du bist verliebt in Leonora, musst dich jedoch gegen deinen politischen Widersacher Luna behaupten, der ebenfalls in sie verliebt ist. Du hast keine Ahnung, dass Luna dein Halbbruder ist. Du bist innerlich sehr zerrissen, da du nichts über deine eigentliche Herkunft weißt und Azucena deine Nachfragen immer wieder abschmettert. Du knüpfst zwar erste zarte Bande mit Leonora, die sehr in dich verliebt ist, für dich steht an erster Stelle aber immer deine Mutter. Dieser Familien-Liebe muss sich alles andere unterordnen. „Oh Mutter, ich liebe dich!“ 29 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ Alter Graf Luna, Vater des jetzigen Grafen Luna Du bist ein typischer Adliger. Von Geburt an in dem Gefühl aufgezogen, etwas Besseres zu sein, hast du diese Haltung dein ganzes Leben lang gelebt. Was du willst, das nimmst du dir, ohne Rücksicht auf Verluste. Gerade bei Frauengeschichten schreckst du auch nicht davor zurück, Gewalt anzuwenden, um das zu kriegen, was du haben willst. Gleichzeitig ist dir die Familie auch sehr wichtig. Du hast zwei Söhne. Der eine ist der jetzige Graf Luna, den du so erzogen hast, wie du auch selbst gelebt hast. Dein anderer Sohn ist das Ergebnis einer Vergewaltigung: du hast ein junges Zigeunermädchen gewaltsam genommen – aus dieser Verbindung entstand ein Sohn. Dieser wurde als Kind von der Mutter der Zigeunerin entführt. Du glaubst, dass dein zweiter Sohn noch lebt und die Sorge um ihn hat dich niemals losgelassen. Du hast deinem Sohn Luna immer eingeschärft, dass er seinen Bruder finden muss – koste es, was es wolle. „Finde deinen Bruder! Die Familie gehört doch zusammen!“ Azucena, Zigeunerin Als Zigeunerin geboren, gehörst du zu einer Randgruppe der Gesellschaft, die von vielen geächtet wird. Du bist für die Spanier eine „Fremde“ und „Ausgestoßene“, die immer wieder um ihr Recht und ihren Stand kämpfen muss. Der Vater des jetzigen Grafen Luna hat dich als junges Mädchen vergewaltigt. „Ergebnis“ dieser Tragödie ist dein Sohn Manrico, den du trotz dieses schrecklichen Erlebnisses so sehr liebst, wie man seinen Sohn nur lieben kann. Du bist aber hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu deinem Ziehsohn und der Liebe zu deiner Mutter, die du eigentlich immer noch rächen willst, weil sie vom alten Grafen einst verbrannt wurde. Für Manrico und sein Glück würdest du alles tun, weißt aber auch, dass es der Wille deiner Mutter wäre, Manrico verbrannt zu sehen – als Racheakt an ihrem Tod. Allen Gefolgsleuten des Grafen und dem Adel selbst stehst du aufgrund deiner Vergangenheit sehr feindselig gegenüber, vor allem auch, weil du für diese als Zigeunerin sowieso nur eine „böse Hexe“, „Zauberin“ oder „wertloses Geschöpf“ bist. „Ich soll meine Mutter rächen! Vorher kann ich nicht zur Ruhe kommen!“ 30 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ Leonora, Gräfin von Sargasto Viele Leute würden dich auf den ersten Blick mit einem It-Girl wie Paris Hilton vergleichen. Schön, charmant, aber auch oberflächlich lässt du dich von Party zu Party treiben und genießt das leichte, lockere Leben. Du bist – fast ein wenig wie ein „Groupie“ – unsterblich verliebt in den Troubadour Manrico, einen echten Rockstar. Mit dieser Liebe kommt aber auch eine Verwandlung in deinem Wesen. Der unsympathische Graf Luna bedrängt dich und versucht mit Gewalt deine Liebe zu erzwingen und dein geliebter Manrico muss um sein Leben fürchten. Jetzt kannst du nicht mehr nur in den Tag hinein leben, du musst dich entscheiden, ob du weiterhin ein oberflächliches Party-Girl bleiben willst, oder ob du endlich erwachsen werden sollst und deinem Geliebten beistehen willst. Alles in der Welt hat seinen Preis – das ist eine bittere Erfahrung, die du nun machen musst. Du musst also dein Schicksal nun selbst in die Hand nehmen: aus dem naiven Mädchen wird plötzlich eine sehr ernste, aber bestimmte junge Frau! „Ich sterbe mit Freuden, wenn ich Manrico dadurch retten kann!“ Inez, Vertraute der Gräfin von Sargasto Du bist die beste Freundin von Leonora. Du hast natürlich ihre Schwärmerei für Manrico bemerkt und das macht dich ein wenig eifersüchtig. Denn eigentlich bist du auch ein klein wenig in deine beste Freundin verliebt und möchtest sie natürlich nicht an einen fremden Mann verlieren. Trotzdem hältst du natürlich in allen Lebenslagen zu Leonora und bist schockiert, wie weit sie in ihrer Liebe zu Manrico zu gehen bereit ist. Im weiteren Verlauf siehst du aber ein, dass die Liebe Leonoras zu Manrico sehr stark ist und dass du nichts dagegen tun kannst. Du entschließt dich nun dazu, ihr zu helfen, egal wie hoch der Preis für dich dafür sein mag. „Leonora, deine Liebe bringt dir nur Unglück!“ 31 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ Azucenas Mutter, alte Zigeunerin Du bist eine Zigeunerin mit Leib und Seele. Die alten Rituale und Bräuche deiner Gemeinschaft sind dir unheimlich wichtig. Du wolltest einmal dem Sohn des Grafen Luna die Zukunft vorhersagen, aber man man erwischte dich in seinem Kinderzimmer. Weil niemand mit deiner Fremdheit, deinem Anderssein umgehen kann, hat man dich zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Alle glauben, du bist nur eine „gewöhnliche“ Hexe und haben Angst vor deiner „schwarzen Magie“. Bevor die Flammen auf dem Scheiterhaufen deinem Leben ein Ende bereiten, kannst du deiner Tochter nur noch zurufen, sie solle dich rächen – denn dieser ehrlose Tod, den du nun erleiden musst, ist für einen Zigeuner das Allerschlimmste. „Räche mich!“ Fragen zur Einfühlung Wer bin ich? Wie alt bin ich? Welches Geschlecht habe ich? Habe ich eine Familie? Wie stehe ich zu ihr? Wie sieht meine Kleidung aus? Welcher sozialen Schicht gehöre ich an? Habe ich Freunde/Begleiter? Wer ist mein Freund, wer mein Feind? Bin ich verliebt? Welche Eigenschaften zeichnen mich aus? Welche Fähigkeiten? Was sind meine Ziele? Welche Absichten verfolge ich? Habe ich ein Geheimnis? Habe ich einen Auftrag? Wo bin ich? Zu welcher Zeit spielt die Szene? Welche Tageszeit? Bin ich in der Fremde, unter Freunden/Feinden, in der Heimat, auf vertrautem Terrain? Was tue ich hier? (Handlung und Absicht) Was ist mein Auftrag? Habe ich Geheimnisse? Welche Ziele verfolge ich? Bin ich allein? Wem kann ich vertrauen? Was ist geschehen, bevor ich hierher kam? 32 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ MATERIAL NR. 2 : Vorgeschichte Als glücklicher Vater zweier Söhne lebte der gute Graf von Luna. Die treue Amme schlief an der Wiege des Jüngeren. Eines schönen Morgens, beim ersten Schimmer der Morgenröte, schlägt sie die Augen auf; und wen entdeckt sie neben dem Kind? Eine schändliche Zigeunerin, ein finsteres altes Weib! Sie trug alle Zeichen einer Hexe! Und auf den Knaben heftete sie mit finsterer Miene die grausigen, blutigen Augen. Von Entsetzen wurde die Amme gepackt… Sie stieß einen gellenden Schrei aus, und in weniger Zeit als nötig, um davon zu berichten, eilten die Diener in das Zimmer. Unter Drohungen, Schreien und Schlägen verjagten sie die Frevlerin, die gewagt hatte, einzudringen. Sie behauptete, sie hätte nur des Knäbleins Zukunft deuten wollen. Lügnerin! Ein schleichendes Fieber zerstörte die Gesundheit des armen Kindes. Ganz blaß, kraftlos und erschöpft zitterte es am Abend, und den Tag verbrachte es in jammervollem Weinen… es war behext worden! Man verfolgte die Hexe, sie wurde gefangen genommen und zum Scheiterhaufen verurteilt. Aber am Leben blieb ihre verfluchte Tochter, Vollstreckerin der furchtbaren Rache! Die Ruchlose beging ein schändliches Verbrechen! Der Knabe verschwand… und man entdeckte das noch glimmende Feuer an derselben Stelle, an der die Hexe verbrannt wurde! Und eines Kindes … wehe! … halbverbranntes Gerippe, das noch rauchte! Nur wenige kummervolle Tage lebte er noch. Doch ein dunkles Ahnen seines Herzens sagte ihm, dass der Sohn nicht tot sei. Und als er dem Tode nahe, ließ er unseren Herrn schwören, die Nachforschungen nie aufzugeben. Ach, alles war umsonst! MATERIAL NR. 3: Ines und Leonora INES Warum bleibst du noch hier? Es ist schon spät, komm! Die Prinzessin hat nach dir verlangt, wie du weißt. LEONORA Wieder eine Nacht, ohne ihn zu sehen. INES Ein gefährliches Feuer nährst du in dir! Oh, wie und wo geschah es nur, dass sich der erste Funke in dir entzündet hat? LEONORA Beim Turnier. Dort sah ich ihn: dunkel das Gewand und der Helm, dunkel der Schild und ohne Wappen, ein unbekannter Krieger, der beim Wettkampf den Lorbeer errang. Auf das Haupt des Siegers legte ich den Kranz… Inzwischen entbrannte der Bürgerkrieg… ich sah ihn nicht mehr! Wie das flüchtige Bild eines goldenen Traumes! Und so verging eine lange Zeit… doch dann… INES Was geschah? LEONORA So höre! Schweigend und sanft war die Nacht, und auf dem sternklaren Himmel zeigte glückstrahlend und voll der Mond sein silbernes Antlitz. Da schwebten Klänge durch die Lüfte, die bis dahin so schweigsam; lieblich und zart waren die Klänge einer Laute zu hören, und ein Troubadour sang ein schwermütiges Lied. Es waren Worte bittend und voll Demut, wie die eines Menschen, der Gott anfleht. Darin wiederholte sich ein Name … mein Name! Eilends lief ich auf den Balkon… Er war es, er selbst! Ein Glücksgefühl überkam mich, wie es sonst nur Engeln zu erleben vergönnt ist! Dem Herzen, dem begeisterten Blick verwandelte sich die Erde in einen Himmel. INES Was du erzählt hast, erfüllt meine Seele mit großer Unruhe! Ich habe Angst. LEONORA Umsonst! 33 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ INES Eine ungewisse, aber traurige Ahnung erweckt in mir dieser geheimnisvolle Mann! Versuche, ihn zu vergessen… LEONORA Was sagst du? Ah, es ist genug! INES Folge dem Rat der Freundin… Höre auf mich! LEONORA Ihn vergessen! Was du da sagst, wird mein Herz niemals verstehen. Von dieser Liebe, die sich mit Worten nicht sagen lässt, von dieser Liebe, die ich allein begreifen kann, ist trunken mein Herz! Nur in seiner Nähe kann sich mein Schicksal erfüllen! Wenn ich für ihn nicht leben kann, so werde ich für ihn sterben! INES (Möge es nie bereuen müssen, wer einmal so geliebt hat!) LEONORA Ja, ich werde für ihn sterben! MATERIAL NR. 4: Manrico, Leonora, Graf Luna LUNA Still ist die Nacht! In tiefen Schlaf versunken ist die Prinzessin… aber ihre Dame wacht! Oh Leonora, du bist wach; das verrät mir von jenem Erker der flackernde Schein der nächtlichen Leuchte! Jede Faser in mir erglüht vom Feuer der Liebe! Sehen muss ich dich, du musst mich erhören! Ich komme… Höchste Erfüllung ist dieser Augenblick für uns… Er eilt zur Treppe. Man hört eine Laute, er bleibt stehen. Der Troubadour! Ich zittere! MANRICO Zwischen den Büschen: Verlassen auf Erden, im Kampf gegen ein feindliches Schicksal, gibt Hoffnung nur ein Herz dem Troubadour! LUNA Welche Worte! Ich zittere! MANRICO Doch wenn er dieses Herz besitzt, so schön in reiner Liebe, ist größer er als jeder König, der Troubadour! LUNA Welche Worte! Wie mich die Eifersucht quält! Ich täusche mich nicht! Sie kommt herab! Er hüllt sich in seinen Mantel. LEONORA Eilt auf Luna zu: Mein Herz! LUNA Zu sich: Was soll ich tun? LEONORA Es ist später schon als sonst; mit den Schlägen meines Herzens zählte ich die Augenblicke! Doch endlich führte die mitleidsvolle Liebe dich hierher in meine Arme… MANRICO Zwischen den Büschen: Treulose! LEONORA Welche Stimme! Sie erkennt beide und wirft sich Manrico zu Füßen. Die Dunkelheit hat mich getäuscht! An dich glaubte ich das Wort zu richten und nicht an ihn... An dich, den allein meine Seele begehrt, den einzig ich ersehnt! Ich liebe dich! Ich schwöre es! Ich liebe dich mit grenzenloser, ewiger Liebe! 34 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ LUNA Du wagst es? MANRICO Ah, mehr begehr ich nicht! LUNA Ich entbrenne vor Zorn! LEONORA Zu Manrico: Ich liebe dich! LUNA Wenn du kein Feigling bist, enthülle dich! LEONORA O weh! Um Gottes Willen! MANRICO So erkenne mich denn: Manrico bin ich. LUNA Wie? Wahnsinniger! Verwegener! Anhänger des Urgel, zum Tode verurteilt, wagst du es, dich diesem Haus zu nähern? MANRICO Was zögerst du? Schnell, ruf die Wachen und liefere den Rivalen dem Schwert des Henkers aus! LUNA Dein letzter Augenblick ist noch viel näher dir! Komm, folge mir! LEONORA Graf! LUNA Als Opfer meines Zornes sollst du fallen! LEONORA Oh Himmel! Halt ein! MANRICO Gehen wir! LUNA Das verzehrende Feuer der eifersüchtigen und verschmähten Liebe tobt in meiner Brust! Dein Blut ist noch zu wenig, es zu löschen! Zu Leonora: Du wagtest es, ihm zu sagen: Ich liebe dich! Er darf nicht länger leben! Ein Wort hast du gesprochen, das ihn zum Tode verurteilt! LEONORA Einen Augenblick nur lass den Verstand deine Wut bezähmen! Ich ganz allein bin die Ursache solcher Raserei! Lass deinen Zorn auf die Schuldige hereinbrechen, die dich beleidigte. Stoß das Schwert in dieses Herz, das dich nicht lieben kann, noch will! MANRICO Dein Schicksal ist schon entschieden. Deine Stunde hat geschlagen! Von mir durchbohrt wird er fallen! Die beiden Rivalen entfernen sich mit gezückten Schwertern. Leonora sinkt ohnmächtig zusammen. 35 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ MATERIAL NR. 5: Zigeunerchor 36 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ MATERIAL NR. 6: Es lodern die Flammen! AZUCENA Es lodern die Flammen! Eine wilde Menge eilt zum Feuer, glückstrahlend die Gesichter. Die Freudenschreie erschallen ringsum. Von Schergen umringt, naht eine Frau! Verhängnisvoll spiegeln sich auf den verzerrten Gesichtern die düsteren Flammen, die zum Himmel emporschlagen! CHOR Traurig ist dein Lied! AZUCENA Genauso traurig wie die unselige Geschichte, von der es berichtet! Dreht sich zu Manrico Räche mich… Räche mich! MANRICO (Wieder dieses geheimnisvolle Wort!) CHOR Gefährten, der Tag rückt vor: Das Brot uns zu beschaffen, auf denn! Lasst uns in das nächste Dorf hinabsteigen! Lasst uns gehen! Wer verschönt die Tage des Zigeuners? Das Zigeunermädchen! MANRICO Nun sind wir allein! Komm, erzähle mir die traurige Geschichte! AZUCENA Auch du kennst sie noch nicht! Aber jung wie du bist, lenkte der Ehrgeiz deine Schritte in die Ferne. Der Großmutter bitteres Ende erzählt diese Geschichte. Der stolze Graf beschuldigte sie der Zauberei und warf ihr vor, sie habe seinen kleinen Sohn verhext. Wo jetzt das Feuer lodert, wurde sie verbrannt! MANRICO Die Unglückliche! AZUCENA In Ketten führte man sie ihrem furchtbaren Schicksal entgegen! Den Sohn in den Armen, folgte ich ihr weinend. Vergeblich versuchte ich, mir einen Weg zu ihr zu bahnen. Vergebens versuchte die Unglückliche, anzuhalten und mich zu segnen! Denn unter abscheulichem Lästern schlugen die verruchten Schergen auf sie ein und trieben sie zum Scheiterhaufen! Dann rief sie mit gebrochener Stimme: „Räche mich!“ Und dieses Wort hinterließ ein immerwährendes Echo in meinem Herzen. MANRICO Rächtest du sie? AZUCENA Es gelang mir, den Sohn des Grafen zu rauben; ich schleppte ihn mit mir fort… Das Feuer brannte schon. MANRICO Das Feuer? O Himmel! Hast du…? AZUCENA Er verging fast vor Weinen. Mir zerbrach es das Herz! Plötzlich überkam die überreizten Sinne wie in einem Traum die marternde Vision schauerlicher Gestalten! Die Schergen und die Hinrichtung! Das bleiche Gesicht der Mutter, barfuß, zerrissen! Der Schrei, ich höre ihren Schrei: „Räche mich!“ Ich strecke die zuckende Hand aus… umklammere das Opfer… schleudere, stoße es ins Feuer. Da weicht der todbringende Wahn, das schauerliche Bild verschwindet. Nur die Flammen lodern und fressen ihr Opfer! Und ich schaue umher und sehe vor mir den Sohn des ruchlosen Grafen! […] Meinen Sohn! Meinen eigenen Sohn habe ich verbrannt! 37 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ MATERIAL NR. 7: Ich bin nicht dein Sohn – wer bin ich dann? Was du wissen musst: Azucena hat Manrico die Wahrheit erzählt: Damals als sie den Flammentod ihrer Mutter rächen wollte und dafür den Sohn des alten Grafen ebenfalls verbrennen wollte, hat sie aus Versehen ihr eigenes Kind ins Feuer geworfen. Der Sohn des Grafen blieb verschont. Manrico hat dadurch MATERIAL NR. erkannt, dass er nicht Azucenas leiblicher Sohn ist. Spielt eine Szene in der Folgendes passiert: Manrico konfrontiert Azucena mit seiner Erkenntnis. Azucena weicht aus und beteuert, dass Manrico auf jeden Fall ihr Sohn sei. Manrico kann und will das aufgrund der Geschichte, die er soeben gehört MATERIAL NR.hat, nicht glauben. Azucena schiebt Verwirrung bei so grausamen Erinnerungen vor. Sie versucht Manrico von diesem Gedanken abzubringen und fängt einen Streit darüber an, warum Manrico den Grafen Luna beim letzten Kampf nicht getötet habe. Sie habe ihn außerdem gerade das Leben gerettet. Ohne sie würde Manrico nach dem Kampf mit Luna nicht mehr leben. Manrico verteidigt sich und die beiden streiten. MATERIAL NR. 8: Manricos erste Entscheidung Was du wissen musst: Azucena hat Manrico die Wahrheit erzählt: Damals als sie den Flammentod ihrer Mutter rächen wollte und dafür den Sohn des alten Grafen ebenfalls verbrennen wollte, hat sie aus Versehen ihr eigenes Kind ins Feuer geworfen. Der Sohn des Grafen blieb verschont. Manrico hat dadurch erkannt, dass er nicht Azucenas leiblicher Sohn ist. Azucena versucht Manrico von diesem Gedanken abzubringen und fängt einen Streit darüber an, warum Manrico den Grafen Luna beim letzten Kampf nicht getötet habe. Spielt eine Szene, in der Folgendes passiert: Manrico und Azucena streiten sich, als plötzlich ein Bote vorbei kommt und Neuigkeiten vom Krieg übermittelt. Manrico bekommt den Befehl die Verteidigung der Burg Castellor zu übernehmen. Er soll sofort aufbrechen. Außerdem berichtet der Bote, dass Leonora glaubt, Manrico sei im Kampf mit Luna gestorben. Darum möchte Leonora auch nicht mehr in dieser Welt bleiben. Azucena möchte auch wissen, was los ist und fragt nach. Manrico möchte nur noch weg, damit er Leonora aufhalten kann und dem Befehl des Fürsten nachkommen kann. Er verabschiedet sich kurz und knapp von Azucena, die versucht ihn aufzuhalten. Manrico sei noch viel zu schwach. Manrico weiß aber, warum er gehen will. 38 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ MATERIAL NR. 9 : Arie Graf Luna GRAF LUNA Kühn, wie eine rasende Liebe und beleidigter Stolz von mir verlangen. Der Rivale ist gefallen, und so gab es kein Hindernis mehr, das sich meinen Wünschen entgegenstellte. Doch ein neues und mächtigeres erhebt sich nun: der Altar! Nein, niemals einem anderen soll Leonora gehören! Leonora ist mein! Der Glanz ihres Lächelns lässt das Leuchten der Sterne verblassen! Der Zauber ihres schönen Gesichts lässt meinen Mut noch größer werden! Ah! Die Liebe, die mich entflammt, möge sie bei ihr um Gnade für mich bitten! Mögen die Strahlen eines Blickes von ihr den Aufruhr in meinem Innern verstummen lassen! Welcher Klang, o Himmel! MATERIAL NR. 10: Bin ich im Himmel mit dir? Was ihr wissen müsst: Leonora ist unglaublich traurig und verzweifelt. Sie glaubt, dass ihr geliebter Manrico bei seinem Duell mit Graf Luna umgekommen ist. Graf Luna glaubt ebenfalls, dass Manrico tot ist. Manrico hat von Leonoras Plänen gehört und will sie davon abhalten. Spielt eine Szene, in der Folgendes passiert: Leonora will nicht mehr in dieser Welt sein. Da erscheint der Graf und will sie zu seiner Frau machen und von ihren Plänen abhalten. Da taucht Manrico auf, den sowohl Leonora als auch Graf Luna für tot halten. Manrico und Graf Luna wollen beide Leonora für sich haben. Leonora freut sich überNR. Manricos Erscheinen, glaubt aber, im Himmel zu sein und ihn dort wieder zu MATERIAL sehen. Manrico will Leonora mit sich nehmen und fliehen. Graf Luna versucht sie aufzuhalten. MATERIAL NR. 11: Azucena wird erkannt Was ihr wissen müsst: Manrico hat Azucena verlassen, da er Leonora von dem Gedanken abbringen will, von dieser Welt zu gehen. Azucena wollte ihn nicht gehen lassen. Azucena ist nun auf der Suche nach Manrico und wurde von Graf Lunas Gefolge gefangen genommen. Luna verhört sie nun. Spielt eine Szene, in der Folgendes passiert: Graf Luna denkt an Leonora und wie er sie von Manrico befreien kann. Da wird Azucena zu ihm geführt. Sie wurde gefangen als sie auf der Suche nach ihrem Sohn Manrico war. Sie wehrt sich und will weiter. Sie ist sich keiner Schuld bewusst. Der Graf befragt Azucena, was sie will und warum sie sich draußen herum geschlichen habe. Sie zieht sich auf die Ausrede zurück, dass sie Zigeunerin sei und es in ihrer Natur liege frei und ohne Plan und Ziel durchs Land zu ziehen. Graf Luna möchte wissen, woher sie kommt. Sie berichtet woher sie kommt und dass sie auf der Suche nach ihrem Sohn ist. Graf Luna hakt genauer nach und möchte aufgrund der bisherigen Informationen wissen, ob sie von der Kindesentführung von vor 15 Jahren weiß. Sie wird im Verlaufe des Verhörs erkannt und daraufhin gefangen genommen. 39 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ MATERIAL NR. 12: Stretta – Di quella pira! MANRICO Das schreckliche Feuer dieses Scheiterhaufens entbrennt auch in meinem Innern! Löscht es aus, ihr Ruchlosen, oder schon bald werde ich es mit eurem Blute löschen! Ich war schon ihr Sohn, bevor ich dich liebte, deine Qual kann mich nicht zurückhalten. O unglückliche Mutter, ich eile, dich zu retten, oder wenigstens mit dir zu sterben! Zu den Waffen! MATERIAL NR. 13: Leonora Was du wissen musst: Manrico ist kurz vor eurer Hochzeit geflohen, um seine Mutter zu befreien. Du erfährst von einem Boten, dass nun beide im Kerker eingesperrt wurden und auf ihr Todesurteil warten. Du vermisst Manrico fürchterlich und weißt auch, dass der Graf Luna bald kommen wird, um dich zurück zu erobern. Du siehst nur einen Ausweg: Du willst dich opfern und auf das Angebot des Grafen eingehen, um Manricos Freilassung zu erbitten. Du hast mit deinem Leben abgeschlossen aus unendlicher Liebe zu Manrico. MATERIAL NR. 14: Mein Gott ist nur die Rache Was ihr wissen müsst: Manrico und Azucena wurden von Graf Luna gefangen genommen und erwarten im Kerker ihr Todesurteil. Leonora will sich aus Liebe zu Manrico bei Graf Luna opfern. Luna selbst schwelgt gerade im Triumph, da er seinen Widersacher endlich hinter Gittern weiß. Spielt eine Szene, in der Folgendes passiert: Luna freut sich darüber, dass er Manrico und Azucena gefangen genommen hat. Er will beide schnellstmöglich umbringen. Da taucht Leonora auf. Sie will bei Luna um Gnade für Manrico bitten und bietet ihm sogar ihr eigenes Leben stattdessen an. Doch Luna geht darauf nicht ein. Er will sie leiden sehen, wenn ihr geliebter Troubadour hingerichtet wird. Leonora fleht weiter und bietet Graf Luna sich selbst an: Sie will ihn heiraten, dafür solle er Manrico frei lassen. Der Graf kann sein Glück kaum glauben. Er verspricht Leonora, dass ihr Wunsch in Erfüllung gehen wird. 40 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ MATERIAL NR. 15: Flieh… oder du bist verloren! Was ihr wissen müsst: Manrico und Azucena wurden von Graf Luna gefangen genommen und erwarten im Kerker ihr Todesurteil. Leonora will sich aus Liebe zu Manrico bei Graf Luna opfern. Luna selbst schwelgt gerade im Triumph, da er seinen Widersacher endlich hinter Gittern weiß. Leonora hat den Plan, Manrico dadurch zu retten, dass sie dem Grafen Luna anbietet, ihn zu heiraten, wenn Manrico dafür die Freiheit erlangt. Der Graf willigt ein. Azucena ist die einzige, die weiß, dass Manrico Graf Lunas Bruder ist, den er seit über 15 Jahren sucht. Spielt eine Szene, in der Folgendes passiert: Leonora hat heimlich Gift genommen und bricht in der Szene zusammen. Das bedeutet für den Grafen Luna, dass er alles verloren hat. Was tut er? Wie reagieren die anderen? 41 Staatstheater Nürnberg Materialmappe „Der Troubadour“ CD-HINWEIS Alle Angaben in dieser Materialsammlung beziehen sich auf: Giuseppe Verdi: Il Trovatore. Decca Records, 2007; National Philharmonic Orchestra; Ltg. Richard Bonynge; Luciano Pavarotti, Dame Joan Sutherland, Marilyn Horne, Ingvar Wixell, Nicolai Ghiaurov TEXTNACHWEIS Die Sekundärtexte sind Veröffentlichungen des Staatstheater Nürnbergs entnommen. Weßler, Kai: „Eine Oper aus Feuer“. In: „IMPULS – Das Magazin des Staatstheater Nürnberg“, Nürnberg, Ausgabe September/Oktober 2012, S. 5 – 8 Weßler, Kai: „Komponieren mit dem Feuer“. In: Programmheft zu „Der Troubadour“, Nürnberg, 2012, S. 9 – 12 Fonseca, Isabel: „Zigeunerfrauen“. In: Programmheft zu „Der Troubadour“, Nürnberg, 2012, S. 23 25. Ausschnitt aus: Fonseca, Isabel: „Begrabt mich aufrecht. Auf den Spuren der Zigeuner“, München, 1998. IMPRESSUM Spielzeit 2012/13 Herausgeber: Staatstheater Nürnberg Staatsintendant: Peter Theiler Redaktion: Kai Weßler (Musikdramaturgie), Carola Kobielak (Theaterpädagogik), Marina Pilhofer (Praktikantin Theaterpädagogik) 42