C. Günther , 2. Medizinische Klinik , Krankenhaus Waltershausen
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C. Günther , 2. Medizinische Klinik , Krankenhaus Waltershausen
C. Günther , 2. Medizinische Klinik , Krankenhaus Waltershausen Friedrichroda Aufgrund der demograpischen Entwicklung werden onkologische Erkrankungen in wenigen Jahren die häufigste Todesursache sein ! Krankenhäuser und Praxen, Präventivstrategien sowie die Struktur des gesamten Gesundheitswesen sind auf diese Anforderungen jedoch kaum vorbereitet ! Ca. 70 000 Neuerkrankungen an kolorektalen Karzinomen Mediale Erkrankungsalter Männer 69 Jahre, Frauen 75 Jahre Anteil an alten Krebspatienten in Studien ? Für Deutschland keine Daten, in USA10-15 % > 75 Jahre Mangel an klinischen Daten zur Therapie Keine evidenzbasierte Grundlage Nur wenige ältere Patienten erhalten eine adjuvante Therapie, aber wieviele? Adjuvante Chemotherapie bei Kolonkarzinom Für die adjuvante Therapie zeigten Metaanalysen eine 24%ige Reduktion der Mortalität und eine 32%ige Reduktion von Rezidiven bei Patienten über 70 Jahren durch eine adjuvante Chemotherapie ∗Kohne C H, Grothey A, Bokemeyer C, Bontke N, Aapro M. Chemotherapy in elderly patients with colorectal cancer. Ann Oncol 2001; 12: 435-442 ∗Sargent D J, Goldberg R M, Jacobson S D, et al. A pooled analysis of adjuvant chemotherapy for resected colon cancer in elderly patients. N Engl J Med 2001; 345: 1091-1097 Diese aus Subgruppenanalysen von Studien gewonnenen Aussagen gelten allerdings nur für „fitte“ ältere Patienten. Diagnostik Diagnostik nur , wenn sich daraus auch therapeutische Konsequenzen ergeben !! Wenn ja → übliche Palette der Diagnostik „ Gretchenfrage : Koloskopie ? Probleme oft schon im Vorfeld absehbar Einweisung pflegebedürftiger , multimorbider Patienten zur Abklärung rektaler Blutabgänge ohne Hb-Abfall Fordernde Angehörige mit unrealistischen Vorstellungen „ Patient sei vorige Woche noch herumgelaufen „ Therapie Was tun , bei diesem fast 80 jährigem Mann ? Nach welchen Kriterien soll ich entscheiden, ob und wie ich einen Tumorpatienten fortgeschrittenen Alters behandle? Manch ein 75-Jähriger ist rüstig, spielt jeden Tag Tennis und wünscht sich noch mindestens zehn Jahre zu leben. Ein anderer dagegen hat mit 70 Jahren bereits mehrere Herzinfarkte hinter sich, ist zuckerkrank und auf die Hilfe eines ambulanten Pflegedienstes angewiesen. Das kalendarische Alter nach Lebensjahren sollte daher nicht im Vordergrund stehen, wenn es um die Wahl der richtigen Behandlung einer Krebserkrankung geht. Welche Faktoren statt dessen wichtig sind und beachtet werden müssen, ist bislang jedoch noch nicht ausreichend geklärt. →Risikostratefizierung, Funktionsstatus und geriatrische Assestments Hamerman D (1999) Ann Intern Med 130 : 945-950 Altersspezifische Besonderheiten Erhöhte Inzidenz an Komorbititäten Geriatrische Probleme (Demenz, Depression, Inkontinenz, Fallneigung, Osteoporose) Zunahme der Nebenwirkungen der Chemotherapie Als Ursachen für die schlechtere Infektabwehr gelten neben einer eingeschränkten Plastizität des Knochenmarks nach der Chemotherapie eine reduzierte Aktivität der neutrophilen Granulozyten und eine eingeschränkte Lymphozytenfunktion. Zunehmende Einschränkung der Organfunktion ( Niere, Lunge, Herz) Spezifische Nebenwirkungen von Avastin ® (Bevacizumab) sind Hypertonus, Proteinurie, Blutungen, verzögerte Wundheilung, Thrombosen (vor allem arterielle Thromboembolien) und gastrointestinale Perforationen. → Einschränkungen bestehen daher bei Patienten mit arteriellen und venösen Thromboembolien, vor allem in den letzten 6 Monaten vor geplantem Therapiebeginn, → bei signifikanten kardiovaskulären Erkrankungen, → offenen Wunden, → 6 Wochen vor und nach großen Operationen, →bei erhöhter Blutungsneigung oder →bei gleichzeitiger Therapie mit Antikoagulantien. Irinotecan kombiniert mit 5-FU/FS-Bolus zeigt eine erhöhte Rate an Todesfällen infolge Toxizität (v.a. thromboembolische Komplikationen, gastrointestinale Nebenwirkungen, Neutropenie und Sepsis) . Diese werden bei einer Kombination mit 5-FU als Infusion nicht beobachtet. →Die Patienten müssen allerdings auf verzögert auftretende Diarrhöen als typische Nebenwirkung von Irinotecan und deren Behandlung mit Loperamid hingewiesen werden . → ältere Patienten neigen eher zur Exsikkose Unter der Oxaliplatin-Therapie tritt bei fast allen Patienten ab einer kumulativen Dosis von 900 mg/m2 eine sensorische Neuropathie unterschiedlichen Schweregrades auf, die sich nach Therapieende meist zurückbildet. Capecitabin auch bei älteren Patienten besser verträglich ? Capecitabin (%) Bolus 5 - FU/LV (%) ≥70 Jahre (n=186) ≥70 Jahre (n=205) Diarrhoe 52 68 Stomatitis 23 67 Hand-Fuß-Syndrom 63 8 Übelkeit Fatigue 33 47 17 19 Neutropenie* 4 31 Hyperbilirubinämie* 1 <1 Alle Grade *Grad 3/4 Laborabweichungen (NCI CTCAE v3.0) Díaz-Rubio et al. Proc Am Soc Clin Oncol 2004;22 (abstr 3737) UICC-Klassifikation Stadium Ia Beschränkung der Tumorinfiltration auf die Mukosa und Tela submucosa (Dukes A) Stadium Ib Beschränkung der Tumorinfiltration bis in die Tunica muscularis (Dukes A) Stadium II T3 oder T4 ohne Lymphknotenmetastasierung (Dukes B) Stadium III Lymphknotenmetastasierung (Dukes C) Stadium IV Fernmetastasen (Dukes D) Adjuvante Chemotherapie Stadium III Wenn Patient nach Aufklärungsgespräch einverstanden ist dann auch adjuvante Chemotherapie FOLFOX / FOLFIRI Bei einem Rektumkarzinom ist die Entscheidung über die „richtige“ Therapie schwieriger ! Helene S. , 76 Jahre wechselnder Stuhlverhalt, zuletzt Diarrhoe, z.T. mit Blutabgängen + Gewichtsverlust von 10 kg bis auf Hypertonie keine wesentlichen Vorerkrankungen Klinisch altersentsprechender Befund Gutes soziales Umfeld Hb 7,3 mmol/l, CEA normwertig Helene S. , 76 Jahre Rektumkarzinom bei 4-5 cm mit V.a. Infiltration des Uterusstupfes und der dorsalen Harn-blasenwand, perirektale LK-Vergrößerung Helene S. , 76 Jahre T4 N+ Strahlentherapie mit 64,8 Gy CT fortbestehender Tumor + Thrombose Palliative Chemotherapie Aus Studien lässt sich schließen, dass Menschen unter und über 70 Jahre in ähnlicher Weise von einer Chemotherapie in palliativer Intention profitieren. Dies gilt für Tumoransprechen, Zeit bis zum Progress und Gesamtüberleben und auch für Kombinationen mit Irinotecan oder Oxaliplatin (Goldberg et al, Folprecht, ASCO 2007, #4071; Goldberg R M, Tabah-Fisch I, Bleiberg H, et al. Pooled analysis of safety and efficacy of oxaliplatin plus fluorouracil/leucovorin administered bimonthly in elderly patients with colorectal cancer. J Clin Oncol 2006; 24: 4085-4091 Eine sequenzielle Therapie ist heute Standard in der Therapie des Kolonkarzinoms . Auch ältere Patienten sollten soweit möglich alle verfügbaren wirksamen Chemotherapeutika in der Sequenz erhalten. Selbst expandierende Metallstents und Argonplasmakoagulation in der palliative Tumortherapie Zusammenfassung Für ältere Menschen mit kolorektalen Karzinomen (> 70 Jahre) gelten grundsätzlich die gleichen Behandlungsgrundsätze wie für jüngere Patienten ! →vorhandene Komorbidität und →geriatrische Syndrome müssen bei der Therapiewahl berücksichtigt werden. Die systemische Therapie des älteren Tumorpatienten erfordert sowohl onkologisches Fachwissen, als auch Erfahrung in der Betreuung älterer Patienten und sollte deshalb interdisziplinär durchgeführt werden. Diese Forderung wird jedoch im klinischen Alltag aufgrund der zunehmenden Anzahl zu behandelnder älterer Patienten nicht immer zu realisieren sein. Umso bedeutsamer ist es, die Besonderheiten älterer Tumorpatienten in das Bewusstsein aller klinisch tätigen Ärzte zu rücken und allgemeine Therapieempfehlungen zu formulieren. Im deutschsprachigen Raum nimmt sich seit 1999 die interdisziplinäre Arbeitsgruppe Geriatrische Onkologie dieser Aufgabe an. Ein wichtiges Forschungsgebiet mit hoher Relevanz für die Praxis ist die individuelle Abschätzung der Therapiefähigkeit eines Tumorpatienten. So bleibt zu belegen, dass ein geriatrisches Assessment helfen kann, den häufig noch vorherrschenden therapeutischen Nihilismus durch die Bereitschaft zu einer individualisierten Therapie bei geriatrisch-onkologischen Patienten zu ersetzen. Aus ärztlicher Sicht wären objektivierbare Entscheidungshilfen für oder gegen medizinische Maßnahmen in Zeiten knapper Finanzmittel nicht zuletzt auch deshalb zu begrüßen, da sie vor dem offenen oder verdeckten Vorwurf einer stillen Rationierung schützen können. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit !