Gottesdienst am Sonntag Quasimodogeniti 7. April 2013 in der

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Gottesdienst am Sonntag Quasimodogeniti 7. April 2013 in der
Gottesdienst am Sonntag Quasimodogeniti 7. April 2013 in der
Stiftskirche Stuttgart
Predigt über Johannes 21,1-14 von Prälat Ulrich Mack
Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See Tiberias. Er offenbarte sich aber
so: 2 Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und
Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger.
Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich will fischen gehen. Sie sprechen zu ihm: So wollen wir
mit dir gehen. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie
nichts.
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Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass
es Jesus war. 5 Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm:
Nein. 6 Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr
finden. Da warfen sie es aus und konnten’s nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische.
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Da spricht der Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus
hörte, dass es der Herr war, gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf
sich ins Wasser. 8 Die andern Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht fern vom
Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen.
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Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer und Fische darauf und Brot. 10
Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt! 11 Simon Petrus
stieg hinein und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und
obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht.
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Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern
wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war. 13 Da kommt Jesus
und nimmt das Brot und gibt’s ihnen, desgleichen auch die Fische.
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Das ist nun das dritte Mal, dass Jesus den Jüngern offenbart wurde, nachdem er von den
Toten auferstanden war.
Liebe Gemeinde,
die Sonne geht auf. Der neue Tag beginnt. Der frische Glanz des Ostermorgens
liegt über dieser Geschichte.
Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer. Dies ist einer der
schönsten, tröstlichsten, hellsten Sätze der Bibel. Er steht am Ende des
Johannesevangeliums; und wer das Johannesevangelium kennt, der weiß: hier
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ist jedes einzelne Wort abgewogen und hat sein Gewicht. Als es aber schon
Morgen war, stand Jesus am Ufer.
Stellen Sie sich das einmal bildlich vor: Der dunkle See, Dämmerung, leichter
Nebel steigt auf, die ersten Sonnenstrahlen. Der neue Morgen kommt.
Es kann hilfreich sein, gerade dieses Bild in Gedanken vor sich zu sehen und es
dann in die Tage unseres Lebens zu nehmen – und auch in unsere Nächte.
Als es Morgen war, stand Jesus am Ufer. Dabei hatte alles so trostlos
angefangen - am Abend vorher. „Ich gehe fischen“, hatte Petrus gesagt und seine
Fischerhütte am See wieder geöffnet, die kräftigen Ruder wieder gepackt, dazu
die Netze, die Eimer - ganz wie früher. „Ich geh wieder fischen“, sagte Petrus,
und die anderen sagten: „Ja, wir gehen mit dir“.
So waren sie, Petrus, Andreas, Johannes, Thomas, Nathanael und die anderen zusammen sieben Jünger, - so waren sie in die Nacht hinausgefahren. So, wie
sie früher unzählige Male hinausgefahren sind. Was blieb ihnen jetzt auch
anderes übrig? Vor drei Jahren hatten sie ihre Netze an den Nagel gehängt. Sie
hatten die Ruder aufgeräumt. Sie hatten alles auf Jesus gesetzt. Sie hatten fest
damit gerechnet, dass er jetzt das Reich Gottes durchsetzt. So waren sie mit
Jesus gezogen. Voller Erwartung. Voll Hoffnung. Voll Begeisterung. Aber jetzt?
Jetzt sind sie enttäuscht. Der Karfreitag steckt ihnen noch in den Knochen. Die
Schläge, die Kreuzesbalken, der Tod. Dieser Jammer, dieses Elend. Und Petrus
könnte jetzt noch heulen und sich zerreißen, wenn er nur dran dachte, dass er
dreimal „nein“ sagte - dreimal „nein“ auf die Frage, ob er denn Jesus kenne.
Dreimal „nein - so feige war er, so schwach, so klein, so ein Versager. Kennen wir
solche Momente, in denen man sich selbst ausspucken möchte vor lauter Fehler
und Versagen? Wenn Petrus jetzt zurückdenkt, kann er sich nur ärgern.
Und dann das Unfassbare. Das leere Grab - diese merkwürdigen Erscheinungen
- Engel, die sagten: Er lebt! Und dann erscheint Jesus selber. Ist er auferstanden? Wirklich auferstanden?
Ach, fasse das, wer will.
Schlucke das, wer kann.
Begreife das, wer mag.
Petrus jedenfalls kommt hierher zurück, an den See, an seinen See. Jetzt wieder
fischen. Wieder in den Alltag. Wieder in den gewohnten Beruf.
Noch ahnen die Jünger nicht, dass Jesus ganz nahe bei ihnen ist - am Ufer ihres
Alltags, ihrer Arbeit, ihrer Nacht. Dass Jesus ihnen auch da ganz nahe ist, wo sie
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jetzt gerade an diesem Morgen sind: nämlich seelisch ganz unten. Frustriert sind
sie von der erfolglosen Nachtschicht. Deprimiert von der vergeblichen Arbeit. Sie
mühen sich die ganze Nacht. Und in dieser Nacht, so berichtet das Evangelium,
in dieser Nacht fingen sie nichts.
Nichts. Leere Netze. Alles vergeblich. Auf lateinisch heißt „vergeblich“: „frustra“ alles ein Frust, umsonst.
Solche Nächte gibt es. Sie gibt es nicht nur am See Genezareth. Sie gibt es auch
am See unseres Lebens. Dunkel sind Stunden, in denen eine belastete Vergangenheit schwer auf der Seele brennt. Nächte, in denen Gedanken einen
umtreiben und nicht ruhen lassen. Zeiten, in denen alles Hoffen umsonst scheint.
Nachtfahrten im Grübeln, und alle Netze der Hoffnung bleiben leer, und am Ende
steht: „Und sie fingen nichts“, und niemand sieht die heimlichen Tränen.
Kennen wir solche Nächte? Stunden der Verzweiflung, in denen das Leben so
„frustra“ aussieht, so vergeblich.
Aber genau da – so erzählt die Ostergeschichte – genau da geht die Sonne auf.
Der neue Morgen bricht sich Bahn. Das erleben jetzt die Jünger.
Langsam gleitet ihr Boot zur Anlegestelle zurück. Und da geschieht es, was das
Evangelium in einem Satz beschreibt – ein Satz, in dem sich wie in einem Spiegel
der Glanz des Osterlichts bündelt: Als es aber schon Morgen war, stand Jesus
am Ufer.
Als sie sich abmühten, stand er da.
Als sie zurückkamen am Ende der Nacht, stand er am Ufer.
Er stand nicht nur – er steht da. Er steht am Ufer unseres Lebens. So steht er am
Ufer eines jeden neuen Tages. Er sieht uns, wenn wir in den Alltag hinausfahren.
Er ist uns nah, wenn wir uns abmühen. Er ist am Ufer unseres Lebens, wenn wir
meinen, alles Rackern sei vergeblich. Er ist da, wenn wir müde zurückkommen.
Jesus am Ufer. Das ist Ostern.
Der Auferstandene hat es zugesagt: „Ich bin bei euch alle Tage“. Das gilt für alle
Tage, wenn wir es vertrauend annehmen. Kein Morgen, an dem Jesus nicht da
wäre - und wenn auch ein schweres Gespräch bevorsteht oder eine Operation.
Kein Tag, an dem Jesus nicht mein Leben in seiner Hand hätte - auch wenn es
ein Tag voller Misserfolge werden sollte oder voller Fragen. Wenn Jesus sagt:
„Ich bin bei euch“ - dann heißt das: Er steht am Ufer.
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Selbst für die letzte Nacht gilt das, für die Nacht des Todes: Da können wir
wissen und vertrauen: Er steht am Ufer des neuen Lebens, und Morgenglanz der
Ewigkeit leuchtet auf und macht mein Leben schon heute hell.
Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer.
Wobei jetzt interessant ist: Die Jünger merken zuerst gar nicht, dass Jesus da
steht. Und als sie ihn sehen, sind sie noch sehr unsicher. Da ist keine strotzende
Glaubenssicherheit im Boot, sondern mehr ein Ausschauen und Fragen.
Auch solche Zeiten gibt es im Leben. Wir sind keine Glaubenshelden, sondern
immer wieder auch Zweifler - und damit Menschen, die vielleicht erst im
Nachhinein erkennen: Da ist ja Christus bei mir gewesen, auch in dieser
schrecklichen Nachtfahrt, in der ich so resigniert war. Oder in jenen Stunden der
Verzweiflung, in denen ich dachte, ich sei allein.
Manchmal sind wir in solchen Momenten wie Petrus. Er, der sonst gerne
vornedran ist und klare Worte sagt, er ist hier nicht der Erste. Hier braucht Petrus
den Johannes neben sich. Johannes stupst ihn an, sagt ihm leise aber deutlich:
„Du, da ist der Herr“.
Solche Johannes-Leute brauchen wir manchmal, die uns zeigen: merkst du es
denn nicht? Der auferstandene Christus ist mit dir. Er ist bei dir im Krankenbett, er
ist bei deinem Erfolg - oder auch bei deinem Trotz oder in deiner Trauer.
Es gibt Petrusmenschen, denen muss man das öfters sagen, genauso, wie es
Johannesmenschen gibt: solche mit einer seelsorgerlichen Begabung, die andere
darauf aufmerksam machen können: Du, am Ende deiner Nacht, da steht Jesus
am Ufer!.
Und was – so können wir jetzt fragen – was ändert sich, wenn er am Ufer steht?
Die Geschichte erzählt es: die sieben Jünger erleben es. Sie erleben es an dem,
was Jesus ihnen nun gibt: neuen Mut, frische Glut, neue Kraft.
Neuen Mut: Jesus gibt den Heimkehrenden den Auftrag: „fahrt noch mal hinaus“.
Werft das Netz noch mal aus. Vielleicht denken die Berufsfischer: Das bringt doch
nichts. Vielleicht zögern sie zuerst und zweifeln, aber als sie Jesus dann
gehorchen, können sie das Netz nicht mehr ziehen.
Sie können nicht fassen, was da passiert. 153 Fische! Nach dem Kirchenvater
Hieronymus wusste man damals von 153 Völkern der Erde. Durch die Zahl der
Fische scheint also schon hindurchzuleuchten, dass einmal die ganze Welt
erreicht wird durch das, was Jesu Jünger in seinem Auftrag tun.
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Ein volles Netz - so wie heute das Netz christlicher Radiosender rund um den
Globus das Evangelium weitersagt und -singt, so wie ein Netz von Kirchen und
Gemeinden - von Mikronesien bis Grönland und von Norwegen bis Chile - heute
Gottesdienst feiert und den Auferstandenen lobt. Da taucht also der Welthorizont
auf in dieser stillen Geschichte am See Genezareth.
Kein Wunder, denn wo der Auferstandene am Ufer steht, da taucht immer der
Welthorizont auf; denn der uns zusagt: „Ich bin bei euch alle Tage“ - der hat ja
vorher auch gesagt: „Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden“. Auch
am Ufer seiner weltweiten Kirche steht er als der auferstandene Christus.
Das leuchtet hier in der Ostergeschichte schon auf. Die Fischer bringen einen
großen Fang an Land. Jesus macht ihnen neuen Mut.
Und dann macht er frische Glut:
Als die Jünger ans Land kommen, sehen sie ein Kohlenfeuer.
Nur an zwei Stellen berichtet das Johannesevangelium von solchem Feuer: das
erste Mal im Hof des Hohenpriesters, als sich die Wachen nach der Gefangennahme Jesu die Hände wärmen und als Petrus es abstritt, zu Jesus zu gehören.
Drei Mal, bis er den Hahn krähen hörte. Bis er hinausging und weinte. Petrus
dachte, der Ofen der Liebe Jesu sei aus. Aber jetzt an diesem Morgen glüht das
Feuer wieder. Jesus hat es am Ufer entfacht. Nachher wird er den Jünger Petrus
drei Mal fragen: „Hast du mich lieb?“. Frische Glut vergebender Liebe nach der
Nacht.
Manchmal gibt es Zeiten, in denen wir genau das für uns selber und für unsere
Kirche besonders brauchen: dass das Feuer wieder brennt. Dass der Glaube
wieder neue Glut bekommt. Dass die Freude an der Gemeinde wieder entfacht
wird. Dass die Liebe zu Jesus frisch entzündet wird.
Wir können das nicht einfach organisieren und planen. Aber Jesus kann es in uns
wirken. Er hat damals für seine Jünger das Feuer am Ufer entfacht. Er will das
auch in uns bewirken. Freude, Osterfreude will in uns weiter brennen – auch
wenn das Fest vorbei ist. Frische Glut des Glaubens will der Auferstandene in
uns hineinlegen. Ein Feuer sehen die Jünger, als sie an Land kommen.
Und schließlich erfahren sie: Jesus neue Kraft.
Was sagt er den nach der Nacht zurückkehrenden Jüngern als erstes? Er fragt
sie: „Habt ihr nichts zu essen?“. Schwäbisch würde er fragen: Habt ihr scho
g’veschpert?
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Er begrüßt sie also nicht mit einer morgenlichen Mahnrede. Er hält ihnen keine
Standpauke gegen ungeistliche Resignation. Er lädt die nach dem Fischzug so
hungrigen Fischer ein: „Kommt und haltet das Mahl!“ So kümmert er sich um die
müden Jünger.
Es gibt Momente, in denen das Auftanken neuer Kraft das Wichtigste ist. Die gibt
es im körperlichen und auch im geistlichen Leben. Jesus weiß das. Darum lädt er
seine Leute zum Frühstück ein. Er gibt ihnen frisches Brot und gebratenen Fisch.
Er weiß, was sie brauchen.
Er weiß, was wir heute brauchen. Er gibt neue Kraft, auch jetzt in diesem
Gottesdienst. Er schenkt die Gewissheit seiner Nähe. Er lädt ein, aus der
Kraftquelle seines Wortes zu trinken, aus dem Brunnen des Gebets zu schöpfen,
er lädt an seinen Tisch: „Kommt und haltet das Mahl“. So ist Ostern. So steht
Jesus am Ufer. Es ist Morgen geworden. „Die Sonne geht auf: Christ ist
erstanden“.
Amen
Gebet:
Herr Jesus Christus,
auch in den Nächten unseres Lebens bist du da. Auch wenn wir zweifeln, bist du
uns nah. Auch wenn wir resignieren wollen, stehst du am Ufer unseres Lebens.
Hilf uns zum neuen Vertrauen. Schenke neue Kraft und die frische Glut deiner
Liebe. Du bist auferstanden und lebst. Zu dir gehen wir, bis wir mit dir einmal das
große Mahl feiern.
Darum loben wir dich - und bringen dir nun in Fürbitte all die Menschen, die uns in
diesen Tagen bewegen - die Kranken und Suchenden, solche, die gerade
Nachtfahrten erleben, aber auch solche, die sich stark fühlen und von dir nichts
wissen wollen. Steh du am Ufer ihres Lebens.
Sei bei den Jungen und Mädchen, die in diesen Wochen Konfirmation oder
Kommunion feiern. Präge dich in ihr Leben ein.
Wir bitten dich, Herr, um Frieden – im Kleinen und im Großen - in Syrien und
Korea und wo immer Gewalt die Oberhand gewinnen will. Lenke die Gedanken
der Politiker zu Gerechtigkeit und Frieden.
Danke, dass wir uns und unsere Mitmenschen dir anvertrauen können
Amen
Vaterunser …
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