Die Stradivari ist mein Körperteil

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Die Stradivari ist mein Körperteil
Mittwoch, 28. Juli 2010 · Nummer 173
KULTUR
Seite 25 AB 23 CDE
Zoff am „Grünen Hügel“
Kölner Intendantin bleibt bis 2014
Mäzene verärgert über Wagner-Schwestern
Karin Beier begleitet Schauspiel in neue Ära. Auch GMD Markus Stenz verlängert.
Bayreuth. Die Stimmung am
„Grünen Hügel“ ist gereizt. Mit
Buhrufen quittierten die Mäzene
von Bayreuth gestern, dass weder
die Festspielleiterinnen noch
„Lohengrin“-Regisseur
Hans
Neuenfels an der Mitgliederversammlung der „Gesellschaft der
Freunde von Bayreuth“ teilgenommen haben. Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier begründeten ihre Absage mit gesundheitlichen Problemen, Neuenfels stellte zeitgleich sein neu-
Köln. Die Intendantin des Kölner
Schauspiels, Karin Beier, bleibt
bis mindestens 2014 in der Domstadt. „Es ist eine Mischung aus
moralischer Pflicht und freundschaftlicher Bindung, die mich
bewogen hat, meinen Vertrag
mit dem Kölner Schauspiel zu
verlängern“, sagte sie gestern
nach der Vertragsunterzeichnung. Der Hauptausschuss des
Rates hatte die Verlängerung zuvor genehmigt. Danach bleibt
Beier zunächst bis Ende der Sai-
es Buch vor. Ungeachtet dessen
signalisierten die Mäzene mit ihrem neuen Vorsitzenden Georg
von Waldenfels ihre Bereitschaft, die dringend notwendige
neue Probebühne mitzufinanzieren. Die Kosten betragen gut fünf
Millionen Euro.
Die „Freunde von Bayreuth“
haben nach eigenen Angaben
seit den 60er Jahren rund 55 Millionen Euro an Spenden und
Mitgliedsbeiträgen an die Festspielleitung überwiesen.
(dpa)
Mit dem Kölner Schauspiel in Liga 1:
Karin Beier.
Foto: Klaus Lefebvre
son 2013/14 in Köln, mit der Option, drei Jahre zu verlängern.
Beier (44) betonte, nach dem
Beschluss zur Sanierung des
Schauspiels wolle sie das Haus in
die neue Ära begleiten. Sie hat
seit ihrem Start in der Spielzeit
2007/08 eine Vielzahl an Auszeichnungen erhalten. Vor kurzem wählten Kritiker das Schauspiel Köln zum besten in NRW.
Auch Dirigent Markus Stenz
bleibt Köln als Generalmusikdirektor und Kapellmeister beim
Gürzenich-Orchester erhalten.
Sein Vertrag wurde bis Ende der
Saison 2013/14 verlängert. (dpa)
„Die Stradivari ist mein Körperteil“
Rebekka Hartmann freut sich auf ihr Konzert in Aachen. Die Violinistin spricht über ihre Liebe zum Beruf und den Tennisarm-Alptraum.
hen. Das Publikum ist das Brot
des erfolgreichen Musikers, und
ohne Brot kann kein Mensch leben.
VON ARMIN KAUMANNS
Aachen. Die Geigerin Rebekka
Hartmann, 1981 in München geboren, gilt als eines der großen
Talente der Szene. Kürzlich hat
sie mit GMD Marcus R. Bosch
und dem Sinfonieorchester Aachen (wie berichtet) bei den
Opernfestspielen
Heidenheim
mit Sibelius’ Violinkonzert gastiert. Das gleiche Programm präsentiert sie auch am Sonntag, 5.
September, bei den Kurpark Classix in Aachen.
Kennen Sie einen festen Tagesablauf?
Hartmann: Ja, normalerweise stehe ich gegen halb neun auf, übe
nach dem Frühstück zwei, drei
Stunden. Danach mache ich entweder Sport oder entspanne
mich ein wenig. Abends folgt
eine weitere, aber ausgedehnte
Übephase. Nur wenn ich Konzerte gebe, wird die Geige an dem
Tag vor 16 Uhr nicht angefasst.
Frau Hartmann, haben Sie schon
Pläne, was Sie neben den Proben in
Aachen unternehmen wollen?
Rebekka Hartmann: Bereits vor
zwei Jahren habe ich hier das
Mendelssohn-Violinkonzert in
der Urfassung aufgeführt. Bei der
Gelegenheit habe ich mir natürlich den Dom angeschaut und
war besonders beeindruckt. Vieles gilt es hier noch zu entdecken. Hoffentlich lässt mir mein
derzeitiger Terminkalender noch
Spielraum für weitere Exkursionen.
Sie spielen in Aachen das SibeliusKonzert. Was ist für Sie das Besondere an dem Werk?
Hartmann: Das Sibelius-Konzert
ist eines der schönsten Werke der
Violinliteratur. Der Charakter
und die Form sind sehr unkonventionell und unvergleichbar.
Es verlangt klare Linie und Phrasierung und eine exzellente
Technik. Dieses Werk ist immer
wieder eine Herausforderung für
mich und bereitet große Freude.
!
Wie viele Konzerte geben Sie im
Jahr?
Hartmann: Ungefähr 40, natürlich versuche ich, die rechte Balance zu finden, da ich nicht zu
der Kategorie von Künstlern gehöre, die alle zwei Tage auf der
Bühne stehen müssen. Drei bis
vier Konzerte im Monat reichen
aus.
Bei der „Last Night“ der Kurpark
Classix im Aachener Kurpark spielt
Rebekka Hartmann am Sonntag, 5.
September, 19.30 Uhr, das Violinkonzert d-Moll op. 47 von Jean Sibelius. Zudem ist das Sinfonieorchester Aachen unter Leitung von
Marcus R. Bosch mit Schumanns
Rheinischer Sinfonie zu hören.
Was machen Sie, wenn Sie nicht
gerade üben oder auf dem Podium
stehen?
Hartmann: Die Zeit zwischen diesen Aufführungen benötige ich
zur Vorbereitung sowie für den
notwendigen sportlichen Ausgleich. Joggen und schwimmen
helfen mir dabei sehr. Früher
habe ich noch zusätzlich Tennis
gespielt, jedoch die Sorge, einen
Tennisarm zu bekommen, wurde
für mich zum Alptraum. Die Liebe zu meinem Beruf hat mich gezwungen, diese Sportart aufzugeben.
Sie spielen eine Stradivari.
Hartmann: Ja. Sie ist meine Geliebte, mein Partner, mein Werkzeug, mein Körperteil, sie ist ein
Teil von mir. Es ist eine große
Ehre, so ein Instrument spielen
zu dürfen.
Seit wann besitzen Sie dieses Instrument?
Hartmann: Auf dieser Stradivari
von 1675 spiele ich seit gut einem Jahr und bin überglücklich
damit. Sie trägt über jedes Orchester hinweg, und ihre Quali-
Die Termine der
Kurpark Classix
„A Night at the Opera“ am Freitag, 3. September, 20 Uhr: französische Operngala mit Opernchor,
sinfonischem Chor, Sinfonieorchester Aachen unter der Leitung
von Bosch und mit den Solisten
Teodora Gheorghiu, Leila Pfister,
Yikun Chung und Randall Jakobsh.
„Classix & Friends – A Summer
Night of Soul“ mit Dionne Warwick am Samstag, 4. September,
20 Uhr. Mit dem Sinfonieorchester
Aachen unter Leitung von Daniel
Jakobi.
Wie eine Liebesbeziehung: Violinistin Rebekka Hartmann und ihr Instrument.
tät verzaubert mich jeden Tag
aufs Neue. Die Aussicht, mit ihr
alt zu werden, ist ein schönes Gefühl.
Ist das ein musikalisches Haus, aus
dem Sie stammen?
Hartmann: Nein. Ich bin die einzige Musikerin in der Familie.
Mit meinem Talent habe ich ein
großes Geschenk bekommen,
und damit natürlich auch eine
Verantwortung. Natürlich hat
mir meine Begabung bereits in
jungen Jahren ein hohes Maß an
Selbstdisziplin und Lernfreude
abverlangt. Dennoch hat dies
meiner Freude am Musizieren
keinen Abbruch getan, im Gegenteil!
Foto: Christine Schneider
Kommen Sie nicht in die Stimmung,
die Geige an die Wand werfen zu
wollen?
Hartmann: Nein! Das Üben und
Konzertieren bringt einem so
viel Kraft, Energie und Freude.
Meine Auftritte vor einem sachverständigen Publikum haben
meiner Arbeit und allem, was
dazu gehört, stets Flügel verlie-
„Classix for Kids – Malte will mitspielen“ am Sonntag, 5. September, 11 Uhr. Mit dem Moderator
Malte Arkona und dem Sinfonieorchester Aachen unter Leitung von
Daniel Jakobi.
Karten: siehe Ticketbox.
Infos im Internet:
! Weitere
www.kurparkclassix.de
Unbekanntes Gemälde in Rom doch kein Caravaggio
Kunst-Experten sind sicher: Bild mit heiligem Laurentius stammt nicht vom berühmtem Barockmaler. Weitere Analysen folgen.
Rom. Es hätte die Kunst-Sensation des Sommers werden können: Ein vor kurzem in einem römischen Jesuitenorden als möglicher Caravaggio entdecktes Gemälde soll nun doch nicht von
dem berühmten Maler stammen.
Dies gaben die mit der Untersuchung des Kunstwerks beauftragten Experten gestern in Rom bekannt.
„Das Bild ist mit Sicherheit
kein Caravaggio, aber könnte
von einem seiner Anhänger aus
der Gegend von Neapel stammen“, erklärte die städtische Beauftragte der römischen Museen,
Rossella Vodret. Ähnlicher Meinung war die deutsche Direkto-
Als Märtyrer auf einem Rost zu Tode gequält: Der heilige Laurentius von Rom
– doch nicht vom lombardischen Meister Caravaggio gemalt.
Foto: dpa
rin des Max-Planck-Instituts für
Kunstgeschichte in Rom, Sybille
Ebert-Schifferer, die eine neapolitanische oder kalabrische Herkunft vermutete.
Nach Ansicht der Kunsthistoriker weist die Art der Malerei – vor
allem die Darstellung des Lichts
und der dunkle Hintergrund –
durchaus auf einen Einfluss Caravaggios hin. Unter anderem
Material und Darstellung der
Perspektive sprächen jedoch gegen den lombardischen Meister
als Urheber. Im September sollten dennoch weitere Analysen
durchgeführt werden, hieß es.
Auf das Bild waren die Experten bei Vorbereitungen einer der
vielen Ausstellungen zu Caravaggios 400. Todestag gestoßen, der
in diesem Jahr begangen wird. Es
zeigt Sankt Laurentius von Rom,
der im dritten Jahrhundert als
Märtyrer auf einem Rost zu Tode
gequält wurde.
Michelangelo Merisi, nach
dem Herkunftsort seiner Eltern
Caravaggio genannt, hatte im
Frühbarock mit seinen damals
neuartigen scharfen Hell-Dunkel-Kontrasten die Malerei revolutioniert. Lange vergessen und
erst Mitte des 20. Jahrhunderts
wiederentdeckt, gilt der 1571 in
der Lombardei geborene Künstler heute als einer der Großen der
Malerei.
(dpa)
KULTUR-TIPP
Stargeiger David Garrett
in der Kölner Arena
Köln. Gerade erst ist er für seine
CD „Classic Romance“ mit
dem Echo-Klassik in der Kategorie „Bestseller des Jahres“
ausgezeichnet worden, und
mehr als 200 000 verkaufte Alben können sich durchaus sehen lassen: David Garrett (29)
schafft es, mit seiner Geige
selbst solche Mädchen zu begeistern, die bislang dachten,
Vivaldi sei ein Designer-Kollege von Armani. Crossover
boomt, davon profitiert Garrett ebenso wie von seinem guten Aussehen. Auf der Bühne
kann man den gebürtigen Aachener im Herbst „mit großem
Besteck“ auf „Rock Symphonies“-Tour erleben. In der Kölner Lanxess-Arena macht er
am Sonntag, 31. Oktober, um
20 Uhr Station. (sus)
TICKETS
erhalten Sie
! in allen Vorverkaufsstellen
Ihrer Tageszeitung
! im Internet:
https://tickets.zeitungsverlagaachen.de
Reservierungen/Vorbestellungen sind
telefonisch leider nicht möglich.
KURZ NOTIERT
„Rolling Stone“ dank
Prince-CD ausverkauft
Berlin. Der aktuellen Ausgabe
der Musikzeitschrift „Rolling
Stone“ ist für Deutschland, Österreich und die Schweiz exklusiv die neue CD „20Ten“
des Musikers Prince beigeheftet – keine Woche nach Erscheinen ist die Ausgabe nun
fast ausverkauft. Eine Sprecherin des Medienhauses Axel
Springer sagte gestern in Berlin, Prince-Fans dürften jedoch
hoffen. Der Verlag werde „Anfang der kommenden Woche
eine Nachlieferung in den
Handel stellen“. (dpa)
Erstes Festival für
Studenten-Kultur
Münster. Als erste deutsche
Universitätsstadt will Münster
die Off-Projekte seiner Studenten zu einem Festival bündeln.
„Kulturinteressierte können in
eine Welt eintauchen, die sie
ansonsten nur in Hörsälen, Seminarräumen oder WG-Küchen erleben“, sagte FestivalInitiator Klaus Baumeister. Geplant seien rund 50 Auftritte.
„Alle künstlerischen Genres
sind vertreten.“ Das Spektrum
reiche „vom Comic bis zum
Sinfoniekonzert, vom Poetry
Slam bis zur feinen englischen
Theaterkunst, von der Fotoschau bis zur gepflegten Rezitation“. Das zweitägige Festival
„Neue Wände“ ist Teil des Kulturhauptstadtprogramms
Ruhr2010 und soll Ende Oktober steigen. (dpa)
Speckbarbie, Konsolero
oder Flatratelabern?
München. Begriffe wie Flatratelabern, Speckbarbie, Nippelwetter und Konsolero stehen
auf der Shortlist zur Wahl des
Jugendwortes 2010. Ab sofort
kann unter jugendwort.de jeder bei der Abstimmung mitmachen, wie der Langenscheidt-Verlag gestern mitteilte. 30 Begriffe der Jugendsprache stehen diesmal zur Wahl.
2009 beteiligten sich rund
45 000 Menschen am OnlineVoting. (ddp)
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