Kulturhauptstadt Europas – Ein Instrument zur Revitalisierung von

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Kulturhauptstadt Europas – Ein Instrument zur Revitalisierung von
Lisa Hollmann
Kulturhauptstadt Europas – Ein Instrument zur Revitalisierung
von Altindustrieregionen
Evaluierung der Kulturhauptstädte „Glasgow 1990, Cultural Capital of
Europe“ und „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“
Arbeitspapiere zur Regionalentwicklung
Elektronische Schriftenreihe
des Lehrstuhls Regionalentwicklung und Raumordnung
Band 11
Herausgeber:
Prof. Dr. Gabi Troeger-Weiß
Apl. Prof. Dr. Hans-Jörg Domhardt
Technische Universität Kaiserslautern
April 2011
Selbstverlag
Lehrstuhl Regionalentwicklung und Raumordnung
Technische Universität Kaiserslautern
Kulturhauptstadt Europas – Ein Instrument zur Revitalisierung von Altindustrieregionen
Evaluierung der Kulturhauptstädte „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“ und „RUHR 2010, Essen
für das Ruhrgebiet“
In:
Arbeitspapiere zur Regionalentwicklung (Internet) – Elektronische Schriftenreihe des Lehrstuhls
Regionalentwicklung und Raumordnung der Technischen Universität Kaiserslautern
Band 11
Selbstverlag
Lehrstuhl Regionalentwicklung und Raumordnung
Technische Universität Kaiserslautern
NE:
Troeger-Weiß, G.; Domhardt, H.-J. (Hrsg.)
ISSN: 1869-3814
Kontakt:
Herausgeber:
Prof. Dr. Gabi Troeger-Weiß
Apl. Prof. Dr. Hans-Jörg Domhardt
Lehrstuhl Regionalentwicklung und Raumordnung
Pfaffenbergstraße 95
67663 Kaiserslautern
Schriftleitung:
Dipl.-Ing. Swantje Grotheer
Lehrstuhl Regionalentwicklung und Raumordnung
Pfaffenbergstraße 95
67663 Kaiserslautern
Anfragen:
Andreas Neu
Sekretariat des Lehrstuhls Regionalentwicklung und Raumordnung
Pfaffenbergstraße 95
67663 Kaiserslautern
Telefon 0631-205-3435
Telefax 0631-205-2551
[email protected]
Umschlaggestaltung: Alison Alexander, Kaiserslautern.
Vorwort
Der Strukturwandel von Altindustrieregionen stellt diese vor umfassende raumstrukturelle
Herausforderungen, die zusätzlich mit einem häufig negativen, industriell geprägten Image
einhergehen. Das Instrument Kulturhauptstadt Europas wurde daher von einer Reihe altindustriell geprägter Städte eingesetzt, um die Anpassungsprozesse an den Strukturwandel zu
beschleunigen und eine Verbesserung des Außenimages zu erreichen. Vor diesem Hintergrund
evaluiert die interessante Diplomarbeit von Lisa Hollmann anhand von zwei Beispielen die
Auswirkungen der Kulturhauptstadt-Auszeichnung und der damit verbundenen Projekte auf die
altindustriellen Räume. Die Ex-Post-Evaluation der Kulturhauptstadt “Glasgow 1990, Cultural
Capital of Europe” und die On-Going-Evaluation der Kulturhauptstadt “Ruhr 2010, Essen für
das Ruhrgebiet” liefern sehr interessante Ergebnisse.
Für die weitere Diskussion sind insbesondere die in der Arbeit formulierten Handlungsempfehlungen für andere altindustriell geprägte Regionen von Bedeutung, da in diesen deutlich aufgezeigt wird, in welcher Form das Instrument der Kulturhauptstadt Europas zielorientiert für eine nachhaltige kulturgestützte Entwicklung auf regionaler Ebene eingesetzt und
genutzt werden kann.
Kaiserslautern, im April 2011
Prof. Dr. habil. Gabi Troeger-Weiß
Apl. Prof. Dr. Hans-Jörg Domhardt
Technische Universität Kaiserslautern
Fachbereich Raum- und Umweltplanung
Lehrstuhl Regionalentwicklung und Raumordnung
Diplomarbeit
Kulturhauptstadt Europas –
Ein Instrument zur Revitalisierung von
Altindustrieregionen
Evaluierung der Kulturhauptstädte
„Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“ und
„RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“
Lisa Hollmann
Diplomarbeit
Kulturhauptstadt Europas –
Ein Instrument zur Revitalisierung von
Altindustrieregionen
Evaluierung der Kulturhauptstädte
„Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“ und
„RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“
Februar 2011
Verfasserin:
Lisa Hollmann
[email protected]
Technische Universität Kaiserslautern
Fachbereich Raum- und Umweltplanung
Lehrstuhl Regionalentwicklung und Raumordnung
Betreuung:
Univ. Prof. Dr. habil. Gabi Troeger-Weiß
Dr. Ing. Kirsten Mangels
Danksagung
Mein herzlicher Dank gilt Frau Professor Gabi Troeger-Weiß und Frau Dr. Kirsten
Mangels für ihre engagierte Betreuung. Des Weiteren bedanke ich mich bei allen
Interwiepartnern für interessante und aufschlussreiche Expertengespräche.
Schließlich bedanke ich mich bei meiner Familie und meinem Freund für die
unablässige Unterstützung.
Inhaltsübersicht
INHALTSÜBERSICHT
INHALTSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
1
EINFÜHRUNG
1.1 Zielsetzung der Arbeit
1.2 Vorgehensweise und Methodik der Arbeit
2
ALTINDUSTRIEREGIONEN
2.1 Einordnung des Begriffs Altindustrieregion
2.2 Entstehung von Altindustrieregionen
2.3 Strategien zur Revitalisierung von Altindustrieregionen
2.4 Zwischenfazit
3
GEMEINSCHAFTSAKTION KULTURHAUPTSTADT EUROPAS
3.1 Einordnung der Europäischen Kulturhauptstadtinitiative
3.2 Entwicklung der Europäischen Kulturhauptstadtinitiative
3.3 Kultur als Handlungsfeld der Europäischen
Kulturhauptstadtinitiative
3.4 Erfahrungen ehemaliger Kulturhauptstädte Europas
3.5 Zwischenfazit
4
EVALUATION DER KULTURHAUPTSTADT „GLASGOW 1990,
CULTURAL CAPITAL OF EUROPE“
4.1 Altindustrieregion Glasgow
4.2 Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe”
4.3 Auswirkungen der Kulturhauptstadt Glasgow 1990 auf die
Altindustriestadt Glasgow
4.4 Zwischenfazit
5
EVALUATION DER KULTURHAUPTSTADT „RUHR 2010, ESSEN
FÜR DAS RUHRGEBIET“
5.1 Altindustrieregion Ruhrgebiet
5.2 Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“
5.3 Auswirkungen der Kulturhauptstadt RUHR 2010 auf die
Altindustrieregion Ruhrgebiet
5.4 Zwischenfazit
6
FAZIT UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
6.1 Anknüpfungspunkte zwischen Altindustrieregionen und der
Kulturhauptstadt Europas
6.2 Gegenüberstellung der Kulturhauptstädte Glasgow 1990 und
RUHR 2010
6.3 Handlungsempfehlungen zum effizienten Einsatz der
Kulturhauptstadt Europas in Altindustrieregionen
7
AUSBLICK
LITERATURVERZEICHNIS
ANHANG
I
I
II
V
V
VI
1
3
4
9
9
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19
24
25
25
28
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43
43
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78
81
81
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115
129
131
131
134
140
143
VII
XIX
Inhaltsverzeichnis
INHALTSÜBERSICHT
I
INHALTSVERZEICHNIS
II
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
V
TABELLENVERZEICHNIS
V
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
VI
1
2
3
EINFÜHRUNG
1
1.1 Zielsetzung der Arbeit
1.2 Vorgehensweise und Methodik der Arbeit
3
4
ALTINDUSTRIEREGIONEN
9
2.1 Einordnung des Begriffs Altindustrieregion
2.2 Entstehung von Altindustrieregionen
2.2.1
Wirtschaftstheoretische Erklärungsansätze
2.2.1.1 Theorie der Langen Wellen
2.2.1.2 Produktzyklus Hypothese
2.2.1.3 Konzept der Regionalen Lebenszyklen
2.2.2
Fallbeispielbasierte Erklärungsansätze
2.2.2.1 Externe Einflussfaktoren
2.2.2.2 Interne Einflussfaktoren
2.3 Strategien zur Revitalisierung von Altindustrieregionen
2.3.1
Wirtschafstheoretische Entwicklungsstrategien
2.3.1.1 Traditionelles Wachstumsmodell
2.3.1.2 Konzept der Kreativen Milieus
2.3.1.3 Theorie der Kreativen Klasse
2.3.2
Fallbeispielbasierte Entwicklungsstrategien
2.3.2.1 Strategien der Externen Diversifizierung
2.3.2.2 Strategien der Internen Diversifizierung
2.3.2.3 Zugpferdstrategien
2.4 Zwischenfazit
9
11
12
12
14
15
17
17
18
19
20
20
20
21
22
22
23
23
24
GEMEINSCHAFTSAKTION KULTURHAUPTSTADT EUROPAS
25
3.1 Einordnung der Europäischen Kulturhauptstadtinitiative
3.1.1
Idee und Zielsetzung
3.1.2
Organisation und Auswahlverfahren
3.2 Entwicklung der Europäischen Kulturhauptstadtinitiative
3.2.1
Entwicklung der politischen und rechtlichen
Rahmenbedingungen
3.2.1.1 Rechtliche Entschließung aus dem Jahr 1985
3.2.1.2 Rechtlicher Beschluss aus dem Jahr 1999
3.2.1.3 Rechtlicher Beschluss aus dem Jahr 2006
3.2.2
Entwicklung der künstlerischen und konzeptionellen
Ausgestaltung
3.2.2.1 Kulturhauptstädte Europas der Jahre 1985 bis 1989
3.2.2.2 Kulturhauptstädte Europas der Jahre 1990 bis 2006
3.2.2.3 Kulturhauptstädte Europas ab dem Jahr 2007
25
25
26
28
II
28
28
29
31
31
32
32
33
3.3 Kultur als Handlungsfeld der Europäischen
Kulturhauptstadtinitiative
3.3.1
Einordnung des Kulturbegriffs
3.3.2
Kultur im Rahmen der Europäischen
Kulturhauptstadtinitiative
3.4 Erfahrungen ehemaliger Kulturhauptstädte Europas
3.4.1
Ziele der Kulturhauptstädte Europas
3.4.2
Auswirkungen der Kulturhauptstädte Europas
3.4.2.1 Auswirkungen auf den Städtebau und die Infrastruktur
3.4.2.2 Auswirkungen auf das Image und den Tourismus
3.4.2.3 Auswirkungen auf die Ökonomie
3.5 Zwischenfazit
4
EVALUATION DER KULTURHAUPTSTADT „GLASGOW 1990,
CULTURAL CAPITAL OF EUROPE“
4.1 Altindustrieregion Glasgow
4.1.1
Abgrenzung des Untersuchungsraumes
4.1.2
Wirtschaftliche Entwicklung
4.1.2.1 Wirtschaftlicher Aufschwung
4.1.2.2 Wirtschaftlicher Niedergang
4.1.3
Ansätze der Stadtentwicklungspolitik
4.1.3.1 Phasen der Stadtentwicklungspolitik
4.1.3.2 Zentrale Projekte der Stadtentwicklung
4.1.4
Strukturelle Herausforderungen im Jahr 1986
4.1.4.1 Wirtschaft und Arbeitsmarkt
4.1.4.2 Städtebau und Stadtbild
4.1.4.3 Außenimage und Tourismus
4.2 Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe”
4.2.1
Vorbereitungsphase
4.2.1.1 Rechtliche Grundlagen
4.2.1.2 Bewerbungsverfahren
4.2.2
Konzeption „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe”
4.2.2.1 Organisatorische Ausgestaltung
4.2.2.2 Inhaltliche Ausgestaltung
4.3 Auswirkungen der Kulturhauptstadt Glasgow 1990 auf die
Altindustriestadt Glasgow
4.3.1
Wirtschaftsstruktur und Arbeitsmarkt
4.3.1.1 Auswirkungen
4.3.2
Städtebau und Stadtbild
4.3.2.1 Auswirkungen
4.3.3
Außenimage und Tourismus
4.3.3.1 Auswirkungen
4.4 Zwischenfazit
5
36
36
36
38
38
39
39
40
41
42
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43
45
45
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51
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56
58
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63
63
63
63
65
65
66
69
69
69
72
72
74
74
78
EVALUATION DER KULTURHAUPTSTADT „RUHR 2010, ESSEN
FÜR DAS RUHRGEBIET“
81
5.1 Altindustrieregion Ruhrgebiet
5.1.1
Abgrenzung des Untersuchungsraumes
5.1.2
Wirtschaftliche Entwicklung
5.1.2.1 Wirtschaftlicher Aufschwung
81
81
84
84
III
6
5.1.2.2 Wirtschaftlicher Niedergang
5.1.3
Strukturpolitische Entwicklungsansätze
5.1.3.1 Entwicklungsphasen der Strukturpolitik
5.1.3.2 Internationale Bauausstellung Emscher Park
5.1.4
Strukturelle Herausforderungen im Jahr 2006
5.1.4.1 Wirtschaftsstruktur und Arbeitsmarkt
5.1.4.2 Altindustrielle Areale und Brachflächenentwicklung
5.1.4.3 Außenimage und Tourismus
5.2 Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“
5.2.1
Vorbereitungsphase
5.2.1.1 Rechtliche Grundlagen
5.2.1.2 Bewerbungsverfahren
5.2.2
Konzeption „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet
Kulturhauptstadt Europas 2010“
5.2.2.1 Organisatorische Ausgestaltung
5.2.2.2 Inhaltliche Ausgestaltung
5.3 Auswirkungen der Kulturhauptstadt RUHR 2010 auf die
Altindustrieregion Ruhrgebiet
5.3.1
Wirtschaftsstruktur und Arbeitsmarkt
5.3.1.1 Programmfeld „Kreativwirtschaft – stärken“
5.3.1.2 Weitere Auswirkungen
5.3.2
Altindustrielle Areale und Brachflächenentwicklung
5.3.2.1 Programmfeld „Metropole – gestalten“
5.3.2.2 Weitere Auswirkungen
5.3.3
Außenimage und Tourismus
5.3.3.1 Programmfeld „Feste – feiern“
5.3.3.2 Weitere Auswirkungen
5.4 Zwischenfazit
115
116
116
118
120
121
123
123
124
125
129
FAZIT UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
131
6.1 Anknüpfungspunkte zwischen Altindustrieregionen und der
Kulturhauptstadt Europas
6.1.1
Die Kulturhauptstadt als Anstoß
6.1.2
Die Kulturhauptstadt als Auszeichnung
6.1.3
Die operationalisierte Kulturhauptstadt
6.2 Gegenüberstellung der Kulturhauptstädte Glasgow 1990 und
RUHR 2010
6.2.1
Vergleich der beiden Altindustrieregionen
6.2.2
Vergleich der beiden Kulturhauptstädte
6.2.3
Vergleich der Auswirkungen durch die Kulturhauptstädte
6.3 Handlungsempfehlungen zum effizienten Einsatz der
Kulturhauptstadt Europas in Altindustrieregionen
6.3.1
Zielorientierter Einsatz
6.3.2
Definition der kulturellen Potenziale
6.3.3
Nachhaltige Einbindung
7
AUSBLICK
87
90
90
92
96
96
101
103
106
106
106
107
109
109
112
131
131
132
133
134
134
135
136
140
140
140
141
143
LITERATURVERZEICHNIS
VII
ANHANG
XIX
IV
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1
Aufbau der Arbeit
Abb. 2
Modell Theorie der Langen Wellen
13
Abb. 3
Modell Produktzyklus Hypothese
15
Abb. 4
Kulturhauptstädte Europas von 1985 bis 2010
35
Abb. 5
Glasgow Stadtgebiet und Stadtteile
44
Abb. 6
Glasgow and Clyde Valley Conurbation
45
Abb. 7
Entwicklung der Arbeitsplätze aufgeteilt nach Wirtschaftssektoren
57
Abb. 8
Nutzungsmöglichkeiten industrieller Brachflächen
in der Region Strathclyde 1986
60
Abb. 9
Entwicklung des Tourismus
62
Abb. 10
Räumliche Verteilung der wichtigsten Bauprojekte
73
Abb. 11
Entwicklung des Tourismus ausgehend vom Jahr 1989
75
Abb. 12
Entwicklung des Tourismus aus dem Ausland
ausgehend vom Jahr 1989
76
Entwicklung der Besucherzahlen aufgeteilt nach
Museen, Galerien und Theatern, Konzerten
77
Abb. 14
Ruhrgebiet Kreise und Kreisfreie Städte
82
Abb. 15
Ruhrgebiet Regierungsbezirke und Landschaftsverbände
83
Abb. 16
Teilgebiet des Ruhrgebiets
83
Abb. 17
IBA Emscher Park Leitthemen
94
Abb. 18
Entwicklung des Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner
97
Abb. 19
Entwicklung der Bruttowertschöpfung
aufgeteilt nach Wirtschaftssektoren
98
Entwicklung der Sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
aufgeteilt nach Wirtschaftssektoren
99
Abb. 13
Abb. 20
7
Abb. 21
Entwicklung der Arbeitslosenquote
100
Abb. 22
Entwicklung der Touristen pro Tausend Einwohner
105
Abb. 23
Aufbau der RUHR.2010 GmbH
„RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“
110
Tabellenverzeichnis
Tab. 1
Entwicklung der Brachflächen in Glasgow
Tab. 2
Entwicklung der Brachflächen im Ruhrgebiet
V
59
103
Abkürzungsverzeichnis
Abb.
Abbildung
BIP
Bruttoinlandsprodukt
bspw.
beispielsweise
BWS
Bruttowertschöpfung
bzw.
beziehungsweise
ECOC
European Capital of Culture
etc.
et cetera
EG
Europäische Gemeinschaft
EU
Europäische Union
ha
Hektar
IBA
Internationale Bauausstellung
m²
Quadratkilometer
RUHR.2010
RUHR.2010 GmbH „Essen für das Ruhrgebiet“
Saar-Lor-Lux
Saarland-Lothringen-Luxemburg
sog.
sogenannt
Tab.
Tabelle
UK
United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland
USA
United States of America
VI
1
Einführung
Die vorliegende Diplomarbeit nimmt die Kulturhauptstadt Europas „RUHR 2010,
Essen für das Ruhrgebiet“ zum Anlass um der Frage nachzugehen, inwieweit die
Auszeichnung Kulturhauptstadt Europas zur Revitalisierung altindustriell geprägter
Regionen beitragen kann.
Altindustrielle Räume sind oftmals problembehaftete Räume. „The term old
industrial regions has often been developed in the academic community to explain
how regions […] have shifted from industrial growth regions of the nineteenth
century to declining post–industrial regions at the beginning of the twenty–first
century.”1 Die häufig monostrukturierten Industrieregionen erfahren einen
wirtschaftlichen Niedergang der dominierenden Industrien, was wiederum eine
strukturübergreifende Krise in der gesamten Region auslöst. Diese Regionen
entwickeln sich zu Altindustrieregionen, welche unter anderem durch wirtschaftliche
Probleme (bspw. hohe Arbeitslosigkeit), städtebauliche Missstände (bspw. leer
stehende Industrieanlagen) sowie ökologische Defizite (bspw. kontaminierte
Brachflächen oder mangelnde Freiflächen) gekennzeichnet sind. Die altindustriellen
Strukturen gilt es zu modernisieren, so dass die regionalen Akteure umfassenden
Handlungsfeldern gegenüber stehen.2
„Seit etwa Mitte der 1990er Jahre mehren sich in Europa die Stellungnahmen, die
dem Kultursektor auch auf zahlreiche nicht unmittelbar kulturbezogenen
Entwicklungen erhebliche Bedeutung zusprechen – und ihn vor diesem Hintergrund
zum neuen Hoffnungsträger von Kommunen, Regionen oder ganzen Ländern
küren.“3 Kultur, modifiziert von der reinen klassischen Kultur zur weit gefassten
Massenkultur, wird zunehmend in der Stadt- und Regionalentwicklung genutzt. In
unterschiedlichster Weise, etwa als weicher Standortfaktor zur Verbesserung des
Images oder als Wirtschaftsfaktor zur Etablierung der Kultur- und Kreativwirtschaft,
wird Kultur im Rahmen der Stadt- und Regionalentwicklung eingesetzt. „Gerade in
denjenigen Städten und Regionen, die bisher nicht mit ausgewiesenen
(klassischen) Kulturgütern ausgestattet sind – namentlich in den hier näher
betrachteten altindustriellen […] Räumen –, wird Kultur als ein Instrument für
Wandel und Modernisierung betrachtet und genutzt.“4 Die Initiative Kulturhauptstadt
Europas stellt in diesem Zusammenhang ein populäres Instrument der kulturgestützten Stadt- und Regionalentwicklung dar. „The European Capital of Culture
(ECOC) […] is a powerful tool for cultural development that […] offers unprecedented opportunities for acting as a catalyst for city change.“5 Bis einschließlich des
Jahres 2010 wurde der Titel „Kulturhauptstadt Europas“ an insgesamt 42 Städte
verliehen. Zu den Titelträgern zählte unter anderem die Stadt Glasgow im Jahr
1
2
3
4
5
Harrison, John (2009): Breaking down the Barriers to Growth Economic Development, Culture,
And Old Industrial Regions, in: Benneworth, Paul & Hospers, Gert (Hrsg.): The Role of Culture
in the Economic Development of Old Industrials Regions, Zurüch, S.5.
Vgl. Gelhar, Martina (2010b): Altindustrieregionen zwischen Verfall und Neuorientierung, in:
Geographische Rundschau, Heft 2 2010, S.4–9.
Oerters, Kathrin & Mittag, Jürgen (2009):Kreativwirtschaft und Kulturhauptstadt Katalysatoren
urbaner Entwicklung in altindustriellen Ballungsregionen?, in: Quenzel, Gudrun (Hrsg.):
Entwicklungsfaktor Kultur – Studien zum kulturellen und öknomischen Potential der europäischen Stadt, Bielefeld, S. 61.
Ebenda, S.85.
Palmer, Robert (2004): European Cities and Capitals of Culture – Study prepared for the
European Commission Part I+II, Brüssel, S.188.
1
1990, die Stadt Lille im Jahr 2004 und die Region Ruhrgebiet im Jahr 2010. Diese
altindustriell geprägten Städte und Regionen haben im Rahmen der Kulturhauptstadt, Kultur gezielt zur Überwindung altindustrieller Hemmnisse im Strukturwandel
eingesetzt.6 Jeder dieser Titelträger gestaltete die Kulturhauptstadt, aufbauend auf
seiner individuellen Entwicklung und Problemlage, in unterschiedlicher Art und
Weise. Die jeweils spezifischen Effekte der einzelnen Kulturhauptstädte wurden im
Rahmen zurückliegender Untersuchungen teilweise bereits erforscht. Dennoch
bleibt die Frage, ob die Kulturhauptstadt Europas als Instrument zur Revitalisierung
von altindustriell geprägten Räumen geeignet ist, unbeantwortet.
Die Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“ und die
Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ aus dem Jahr 2010,
stellen in diesem Zusammenhang besonders prägnante Fallbeispiele dar. Beide
Titelträger nehmen in der Entwicklung der Europäischen Kulturhauptstadtinitiative
eine Pionierstellung ein. Sowohl Glasgow als auch das Ruhrgebiet standen zum
Zeitpunkt der Auszeichnung zur Kulturhauptstadt Europas Herausforderungen,
begründet durch den industriellen Niedergang und Folgeerscheinungen eines
schwierigen Strukturwandels, gegenüber. Glasgow war die erste Altindustriestadt,
welche überhaupt zur Kulturhauptstadt Europas ernannt wurde. Zudem setzte
Glasgow den Titel erstmals gezielt als Instrument der Stadt- und Regionalentwicklung ein. Rund 20 Jahre später wurde das Ruhrgebiet, ebenfalls altindustriell
geprägt, zur ersten Kulturhauptstadt Europas ernannt, die den Titel durch enge
Kooperation auf regionaler Ebene ausgestaltete. Nicht nur eine Stadt sondern die
gesamte ehemalige Industrieregion, bestehend aus 53 Kommunen, wurde zur
Kulturhauptstadt Europas ernannt.7 Bei beiden Fallbeispielen stellt sich die Frage
inwieweit die Kulturhauptstadt positive Auswirkungen für die Bewältigung der
spezifischen Herausforderungen generieren konnte. Anhand der Gegenüberstellung
der Kulturhauptstadt 1990 mit der „Kulturhauptregion“ 2010 soll der Frage
nachgegangen werden, welche Faktoren ausschlaggebend für eine erfolgreiche
Revitalisierung altindustrieller Räume durch das Instrument Kulturhauptstadt
Europas sind. Aufbauend auf theoretischen Analysen und den beiden Fallbeispielen
kann die Frage hinsichtlich der generellen Möglichkeiten, die das Instrument
Kulturhauptstadt Europas für die Revitalisierung von Altindustrieregionen bietet,
diskutiert werden.
6
7
Vgl. Oerters, Kathrin & Mittag, Jürgen (2009): a.a.O.
Vgl. Mittag, Jürgen (2008b): Die Idee der Kulturhauptstadt Europas Vom Instrument
Europäischer Identitätsstiftung zum tourismusträchtigen Publikumsmagneten, in: Mittag Jürgen
(Hrsg.): Die Idee der Kulturhauptstadt Europas Anfänge, Ausgestaltung und Auswirkungen
Europäischer Kulturpolitik. Essen.S.55–96.
2
1.1 Zielsetzung der Arbeit
Das übergeordnete Ziel der Arbeit ist es, die Möglichkeiten des Instruments
Kulturhauptstadt Europas zur Unterstützung von Altindustrieregionen bei der
Bewältigung ihrer spezifischen Herausforderungen im Strukturwandel darzustellen.
Die beiden Kulturhauptstädte „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“ und
„RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“, werden als Fallbeispiele herangezogen.
Zusammenfassend sollen die spezifischen Herausforderungen von Altindustrieregionen erarbeitet und die Möglichkeiten, die das Instrument Kulturhauptstadt Europas
zur Bewältigung dieser Probleme bietet, herausgearbeitet werden. Aufbauend auf
theoretischen Untersuchungen und zielgerichteter Evaluationen der beiden
Fallbeispiele werden Handlungsempfehlungen formuliert, die zum effizienten
Einsatz des Instruments Kulturhauptstadt für Altindustrieregionen beitragen können.
Zur Erreichung des übergeordneten Ziels werden drei Teilziele verfolgt. Das erste
Teilziel besteht in der theoretischen Analyse des Raumtypus Altindustrieregion und
des Instruments Kulturhauptstadt Europas. Aus theoretischer Perspektive wird eine
erste Einschätzung hinsichtlich der Möglichkeiten zum Einsatz des Instruments
Kulturhauptstadt Europas in Altindustrieregionen gezogen. Das zweite Teilziel ist,
eine zielgerichtete Evaluation der beiden Fallbeispiele. Die Kulturhauptstadt
„Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“ wird einer Ex-Post-Evaluation und die
Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ einer On-GoingEvaluation unterzogen. Bei den praktischen Beispielen folgt jeweils eine Bewertung
hinsichtlich der Auswirkungen, welche die jeweilige Kulturhauptstadt auf die
Altindustriestadt bzw. die Altindustrieregion hatte. Das dritte Teilziel umfasst die
Zusammenführung der theoretischen und praktischen Erkenntnisse. Aufbauend auf
der Analyse des Raumtypus Altindustrieregion und der Gemeinschaftsaktion
Kulturhauptstadt Europas und der Gegenüberstellung der beiden Fallbeispiele
werden Handlungsempfehlungen für Altindustrieregionen zum effizienten Einsatz
des Instruments Kulturhauptstadt Europas formuliert.
In Anlehnung an die Zielsetzungen dienen folgende Fragestellungen als Leitfaden:
Was sind Altindustrieregionen? Durch welche Strukturmerkmale zeichnen sich
Altindustrieregionen aus? Welchen Herausforderungen stehen Altindustrieregionen gegenüber? Welche Handlungsmöglichkeiten bieten sich Altindustrieregionen zur Unterstützung eines effizienten Strukturwandels?
Was ist die Europäische Gemeinschaftsaktion Kulturhauptstadt Europas? In
welcher Art und Weise wird Kultur im Rahmen der Kulturhauptstadtinitiative
eingesetzt? Welche Möglichkeiten eröffnet das Instrument Kulturhauptstadt
Europas, um Altindustrieregionen bei ihren Herausforderungen zu unterstützen?
Konnte die Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“ den Titel
zur Stärkung eines effektiven Strukturwandels einsetzen? Welchen Herausforderungen stand die altindustriell geprägte Stadt Glasgow vor Ernennung zur
Kulturhauptstadt gegenüber? In welcher Art und Weise wurde die Kulturhauptstadtinitiative ausgestaltet? Welche Auswirkungen wurden durch die Kulturhauptstadt erzielt?
Konnte die Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“, den Titel
zur Stärkung eines effektiven Strukturwandels einsetzen? Welchen Herausforderungen stand das altindustriell geprägte Ruhrgebiet vor Ernennung zur
Kulturhauptstadt gegenüber? In welcher Art und Weise wurde die Kulturhaupt3
stadtinitiative ausgestaltet? Welche Erfahrungen und Einschätzungen lassen sich
hinsichtlich der Auswirkungen der Kulturhauptstadt ableiten?
Welche Möglichkeiten bietet das Instrument „Kulturhauptstadt Europas“ um
Altindustrieregionen bei der Bewältigung ihrer spezifischen Herausforderungen
im Strukturwandel zu unterstützen? Welche Handlungsempfehlungen ergeben
sich für zukünftige Kulturhauptstädte mit altindustriellen Strukturen zum
effizienten Einsatz des Instruments Kulturhauptstadt Europas?
1.2 Vorgehensweise und Methodik der Arbeit
In Anlehnung an die untersuchungsleitenden Fragen gliedert sich die Vorgehensweise in fünf Bausteine. Einführend werden in einem vorangehenden Abschnitt die
Ausganslage, die darauf aufbauenden Zielsetzungen und Fragestellungen sowie die
Vorgehensweise und Methodik beschrieben.
Im ersten Teil werden die Eigenschaften des Raumtypus „Altindustrieregion“
erläutert. Im ersten Schritt wird der Begriff Altindustrieregion analysiert und die
charakterisierenden
Strukturmerkmale
des
Raumtypus
Altindustrieregion
herausgestellt. Im zweiten Schritt werden die Gründe zur Entstehung von
Altindustrieregionen, anhand eines wirtschaftstheoretischen Ansatzes und eines
fallbeispielbasierten Ansatzes, untersucht. Im dritten Schritt folgt eine Untersuchung
von Strategien zur Revitalisierung von Altindustrieregionen. Diese Untersuchung
basiert ebenfalls auf einem wirtschaftstheoretischen und einem fallbeispielbezogenen Ansatz. Schließlich wird ein zusammenfassendes Fazit gezogen, in welchem
die allgemeinen Herausforderungen und Probleme denen Altindustrieregionen
gegenüber stehen, herausgestellt werden.
Methodisch basiert der erste Teil auf einer Analyse von Literatur,-Dokumenten- und
Internetquellen.
Im zweiten Teil wird die europäische Gemeinschaftsaktion Kulturhauptstadt
Europas dargestellt. Im ersten Schritt werden die Idee, die Zielsetzung, die
Organisation und das aktuelle Auswahlverfahren der Gemeinschaftsaktion
dargelegt. Im zweiten Schritt wird die Entwicklung der Initiative Kulturhauptstadt
Europas erörtert. Im dritten Schritt folgt eine Untersuchung des zentralen Faktors
Kultur, der als Haupthandlungsfeld der Kulturhauptstadt Europas gilt. Im vierten
Schritt wird untersucht welche Auswirkungen die Kulturhauptstadt Europas auf
Städte und Regionen hat. Dies geschieht in Anlehnung an die im ersten Kapitel
erörterten Herausforderungen, denen Altindustrieregionen häufig gegenüber stehen.
Schließlich wird ein zusammenfassendes Fazit gezogen, in welchem erste
Möglichkeiten der Kulturhauptstadt Europas für die Unterstützung von Altindustrieregionen herausgestellt werden.
Methodisch basiert der zweite Teil auf einer Analyse der Literatur,-Dokumentenund Internetquellen. Sowohl Primärliteratur, in Form Europäischer Rechtsbeschlüsse, sowie Sekundärliteratur werden verwendet. Für den vierten Schritt wird die von
der Europäischen Union in Auftrag gegebenen Studie „European Cities and Capitals
of Culture - Study prepared for the European Commission Part I+II“ zielorientiert
ausgewertet.
Im dritten Teil wird die ehemalige Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital
of Europe“ hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den regionalen Strukturwandel
4
evaluiert. Im ersten Schritt werden die wirtschaftlichen Entwicklungsphasen der
Region Glasgows hin zur Altindustrieregion dokumentiert. Daran anschließend
werden wichtige Herausforderungen, denen die Stadt Glasgow in der Zeit vor der
Ernennung zur Kulturhauptstadt gegenüber stand, erarbeitet und erläutert. Im
zweiten Schritt wird die Entwicklung und Konzeption der Kulturhauptstadt „Glasgow
1990, Cultural Capital of Europe“ dokumentiert. Im dritten Schritt folgt eine gezielte
Untersuchung der Auswirkungen der Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural
Capital of Europe“ auf die zentralen Problematiken, denen die Stadt Glasgow vor
Ernennung zur Kulturhauptstadt gegenüber stand. Schließlich wird ein zusammenfassendes Fazit gezogen, in denen die Auswirkungen der Kulturhauptstadt Europas
auf die altindustrielle Stadt Glasgow bewertet werden.
Methodisch basiert der dritte Teil auf der Anwendung einer Ex-Post-Evaluation. Die
Ex-Post-Evaluation, auch summative Evaluation genannt, umfasst die systematische und transparente Bewertung eines Projekts eines Prozesses oder eines
Programms das bereits abgeschlossen ist. Ziel ist es, eine abschließende
Evaluierung durchzuführen und die Auswirkungen von Projekten hinsichtlich einer
Zielerreichung zu bewerten.8 Im Rahmen der Evaluation werden insbesondere
Literatur- Dokumenten- und Internetquellen verwendet und ausgewertet.
Im vierten Teil wird die Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“
hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den regionalen Strukturwandel evaluiert. Im
ersten Schritt wird die wirtschaftliche Entwicklung der Region hin zur Altindustrieregion dokumentiert. Darauf aufbauend werden wichtige Herausforderungen, denen
die Region in der Zeit vor der Ernennung zur Kulturhauptstadt Europas
gegenüberstand, herausgearbeitet und erläutert. Im zweiten Schritt folgt eine
Darstellung der Konzeption der Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das
Ruhrgebiet“. Im dritten Schritt erfolgt eine gezielte Auswertung inwieweit die
Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ sich auf die Problematiken, denen das Ruhrgebiet vor der Ernennung zur Kulturhauptstadt gegenüber
stand, ausgewirkt hat. Schließlich wird ein zusammenfassendes Fazit gezogen, in
denen die Auswirkungen der Kulturhauptstadt Europas auf das altindustriell
geprägte Ruhrgebiet bewertet werden.
Methodisch basiert der vierte Teil auf der Anwendung einer On-Going-Evaluation.
Die On-Going-Evaluation, auch formative Evaluation genannt, umfasst die
systematische und transparente Bewertung eines Projekts, eines Prozesses oder
eines Programms, das noch nicht abgeschlossen ist. Ziel ist es, eine begleitende
Evaluierung durchzuführen und die Auswirkungen des Projekts, des Programms
oder des Prozesses parallel zum fortlaufenden Geschehen hinsichtlich einer
Zielerreichung zu bewerten.9 Im Rahmen der Evaluation werden neben der Analyse
von Literatur,-Dokumenten- und Internetquellen, leitfadengestützte Expertengespräche durchgeführt. Die ausgewählten Experten werden mittels einer vorbereiteten
Liste offener Fragen (Leitfaden) befragt.10
Im letzten Teil werden die Erkenntnisse, die durch die theoretischen Untersuchungen und die praktischen Evaluationen gewonnen wurden, reflektiert. Im ersten
8
9
10
Vgl. Birnkraut, Gesa (2011): Evaluation im Kulturbetrieb, Wiesbaden.
Vgl. Ebenda.
Vgl. Gläser, Jochen (2009): Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, Wiesbaden.
5
Schritt werden die Erkenntnisse aus den theoretischen Analysen der ersten beiden
Bausteine zusammen gefasst. Im zweiten Schritt folgt eine Gegenüberstellung der
beiden Kulturhauptstädte „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“ (Baustein drei)
und „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ (Baustein vier). Darauf aufbauend
werden im dritten Schritt Handlungsempfehlungen für einen effizienten Einsatzes
des Instruments Kulturhauptstadt Europas in Altindustrieregionen formuliert
Methodisch basiert der letzte Teil auf einer argumentativen Auseinandersetzung mit
den in den vorherigen Teilen gewonnenen Erkenntnissen.
Abschließend wird ein Ausblick zu weiteren Forschungsfeldern dieser Thematik
gezogen.
6
Abb. 1 Aufbau der Arbeit
Einführung
Teil 1 + Teil 2: Theoretische Grundlagen
Teil 3 + Teil 4: Fallbeispiele
Analyse mittels Literatur,- Dokumenten,- Internetrecherche
Ex-Post Evaluation
On-Going Evaluation
Raumtypus
Kulturhauptstadt
Altindustriestadt
Altindustrieregion
Altindustrieregion
Europas
Glasgow:
Ruhrgebiet:
Herausforderungen
Herausforderungen
Generelle
Generelle Möglichkeiten
Kulturhauptstadt 1990:
Kulturhauptstadt 2010:
Herausforderungen von
zur Ausgestaltung der
Ausgestaltung
Ausgestaltung
Altindustrieregionen
Kulturhauptstadt
Auswirkungen
Auswirkungen
Europas
Anknüpfungspunkte der
Gegenüberstellung der
Kulturhauptstadt Europas in
Kulturhauptstädte Glasgow 1990 und
Altindustrieregionen
RUHR 2010
Teil 5: Handlungsempfehlungen
Ausblick
Entwurf: Eigene Darstellung, Frankfurt 2010
7
8
2
Altindustrieregionen
Im Folgenden werden die wesentlichen Eigenschaften des Raumtypus
Altindustrieregion erläutert. Im ersten Schritt wird der Begriff Altindustrieregion
analysiert und die charakterisierenden Strukturmerkmale des Raumtypus
Altindustrieregion herausgestellt. Im zweiten Schritt werden die Gründe zur
Entstehung von Altindustrieregionen, anhand eines wirtschaftstheoretischen
Ansatzes und eines fallbeispielbasierten Ansatzes, untersucht. Bei beiden Ansätzen
handelt es sich um eine zielorientierte Auswahl von Erklärungsansätzen. Im dritten
Schritt folgt eine Untersuchung von Strategien zur Revitalisierung von Altindustrieregionen. Diese Untersuchung basiert ebenfalls auf einem wirtschaftstheoretischen
und einem fallbeispielbezogenen Ansatz und stellt ebenso eine zielorientiere
Auswahl an Revitalisierungsmaßnahmen dar. Schließlich wird ein zusammenfassendes Fazit gezogen, in welchem die allgemeinen Herausforderungen und
Probleme, denen Altindustrieregionen gegenüber stehen, herausgestellt werden.
2.1 Einordnung des Begriffs Altindustrieregion
Für den Begriff „Altindustrieregion“ gibt es in der Fachliteratur bis heute keine
allgemeingültige Definition. Vielmehr eröffnet sich eine Vielzahl an synonym
verwendeten Begrifflichkeiten, die von „altindustriellen Räumen“11 über
„altindustrialisierte Gebiete“12 bis hin zu „Altindustrieregionen“13 reicht. Eine
linguistische Betrachtung dieser Fülle an Begrifflichkeiten lässt auf drei wesentliche
Eigenschaften schließen:
Es handelt sich um räumliche Einheiten die sich funktional oder strukturell von
ihren Nachbarräumen abgrenzen. Die Größenordnung reicht dabei von
kleinräumigen Einheiten (bspw. Zonen) bis hin zu großräumigen Einheiten (bspw.
Regionen).14
Die industrielle Prägung gilt als klares Abgrenzungsmerkmal dieser räumlichen
Einheiten. Als industrielle Standorte weisen sie eine hohe Dichte an Industriebetrieben auf, die aufgrund ihrer räumlichen Dominanz strukturbeherrschend und
charakterisierend auf den Raum wirken. Es bestehen intensive Wechselwirkungen
zwischen den angesiedelten Industrien und den Strukturen des Raumes.15
Alte Industrien kennzeichnen dabei solche Industriebestände, die aus ehemaligen
Industrialisierungsphasen stammen. Die in diesen Branchen produzierten Produkte
befinden sich am Ende ihres Lebenszyklus und sind zunehmend von konjunkturel-
11
Gelhar, Martina (2010a): Erneuerung altindustrieller Räume, in: Geographische Rundschau,
Heft 2 2010, S.3
12 Friedrichs, Jürgen (1994): Revitalisierung von Städten in Altindustrialisierten Gebieten Ein
Modell und Folgerungen, in: Geographische Zeitschrift, Band 82 1994, S.133.
13 Schrader, Manfred (1993): Altindustrieregion der EG, in: Schätzle, Ludwig (Hrsg.):
Wirtschaftsgeographie der Europäischen Gemeinschaft, Paderborn, S.110.
14 Vgl. Bätzing, Werner (o.J.): Zum Begriff und zur Konzeption von Region aus der Sicht der
Geographie, Online–Dokument: http://www.geographie.uni–erlangen.de/docs/region.pdf, Stand
24. Januar 2011.
15 Vgl. Mikus, Werner (1978): Industriegeographie – Themen der allgemeinen Industrieraumlehre,
Darmstadt.
9
len und strukturellen Problemen betroffen.16 Fehlende Umstrukturierungs- und
Anpassungsprozesse führen zum ökonomischen Niedergang der dominierenden
Industrien. Ehemals prosperierende Industrieräume entwickeln sich zu problembehafteten altindustriellen Räumen, welche weniger durch ihr „Alter“ im historischen
Sinne, als vielmehr durch ihr „Alter“ im Sinne mangelnder struktureller und
räumlicher Regenerationsfähigkeit gekennzeichnet sind.17
Es wird deutlich, dass der Typus Altindustrieregion durch vielfältige Wechselwirkungen der wirtschaftlichen, sozialen und räumlichen Strukturen geprägt ist. Dies führt
dazu, dass der wirtschaftliche Niedergang der regionalen Schlüsselindustrien
schnell zu einer Krise für die gesamte Region wird. Der ökonomische Abschwung
löst weitere Strukturprobleme wie Arbeitslosigkeit, Bevölkerungsabwanderung oder
die Entstehung großer Brachflächenareale aus. Die Region gerät in eine
Abwärtsspirale von tiefgreifenden, sich gegenseitig verstärkenden Problemen. Als
Anschauungsbeispiele solcher sich gegenseitig verstärkenden Prozesse können die
Entwicklungen des ehemals prosperierenden Montanreviers Ruhrgebiet in
Deutschland, des altindustriellen Schiffbaustandorts Glasgow in Schottland oder der
einst textilindustriell geprägten Region Nord Pas de Calais in Frankreich
herangezogen werden. Jede dieser Altindustrieregionen ist durch eine individuelle
Entwicklung und einem Bündel regionsspezifischer Strukturmerkmalen geprägt.18
Insofern kann der Typus Altindustrieregion nicht eindeutig definiert werden, sondern
wird in der Literatur anhand generalisierter Merkmale abgegrenzt. Demnach sind
Altindustrieregionen insbesondere durch folgend Merkmale geprägt.
Frühe Industrialisierung: Die Region wurde zu einem frühen Zeitpunkt
industrialisiert.
Monostrukturierte Wirtschaftsstruktur: Die regionale Wirtschaft stützt sich auf
wenige Industriebranchen. Innerhalb dieser Branchen dominieren wenige und
stark spezialisierte Großbetriebe, während Mittel- und Kleinbetriebe deutlich
unterrepräsentiert sind. Die vorhandenen Branchen schrumpfen sowohl in
absoluter Anzahl als auch mit ihrem Anteil an der Wertschöpfung. Die Produktionsstruktur der dominierenden Branchen befindet sich in einer späten Phase
oder am Ende des Produktlebenszyklus.
Industrielle Verdichtung: Die Region weist eine überdurchschnittlich hohe
Industriedichte im Vergleich zum nationalen und europäischen Durchschnitt auf.
Bedingt durch Betriebsverlagerungen und Betriebsschließungen steigt der Anteil
industrieller Brachflächen. Die Siedlungsstruktur ist teilweise durch problematische Gemengelagen von Wohnnutzung und (ehemaliger) industrieller Nutzung
gekennzeichnet.
Spezialisierte Infrastrukturausstattung: Innerhalb der Region besteht eine
dichte und umfassende Infrastruktur. Diese ist primär auf die Bedürfnisse der
„alten“ Industriebetriebe ausgerichtet.
Beschäftigungsprobleme: Der Anteil der Industriebeschäftigten an den
Gesamtbeschäftigten liegt deutlich über dem nationalen und europäischen
16
17
18
Vgl. Gelhar, Martina (2010b): Altindustrieregionen zwischen Verfall und Neuorientierung, in:
Geographische Rundschau, Heft 2 2010, S.4–9.
Vgl. Junkernheinrich, Martin (1989): Ökonomische Erneuerung alter Industrieregionen – Das
Beispiel Ruhrgebiet, Diskussionspapier der Gesellschaft für interdisziplinäre Forschung Nr.8,
Bochum.
Vgl. Gelhar, Martina (2010b): a.a.O.
10
Durchschnitt. Bedingt durch den Niedergang vieler Industriebetriebe steigt die
Arbeitslosigkeit von ehemaligen Industrieangestellten in der Region.
Soziodemographische Probleme: Die Region weist im Vergleich zum
nationalen und europäischen Durchschnitt eine überdurchschnittlich hohe
Einwohnerdichte auf. Einhergehend mit allgemeinen demographischen Trends
schrumpft die Bevölkerungsanzahl und der Anteil der alten Menschen steigt.
Diese Entwicklung wird, bedingt durch die steigende Arbeitslosigkeit, durch
selektive Abwanderungen junger Menschen verstärkt. Innerhalb der Region
bezieht ein steigender Anteil der Einwohner staatliche Transferleistungen.
Umweltprobleme: Aufgrund der jahrzehntelangen industriellen Nutzung ist die
Region durch hohe Umweltschäden gekennzeichnet. Insbesondere die
entstehenden industriellen Brachflächen sind stark kontaminiert und von
Altlastenproblemen betroffen.
Imageprobleme: Als traditionelle Industrieregion wird die Region oft negativ
wahrgenommen. Der strukturelle Umbruch innerhalb der Region, bedingt durch
den wirtschaftlichen Niedergang, verursacht ein negatives Selbstimage bei der
regionalen Bevölkerung. Das Außenimage der Region ist weiterhin durch die
(ehemaligen) Industrieanalagen und durch die strukturellen Problematiken
dominiert. Insbesondere hinsichtlich der Lebensqualität wird die Region von
außen oft negativ wahrgenommen.19
Je nach Altindustrieregion, sind die vorangegangenen Merkmale in unterschiedlichem Maße ausgeprägt. Als entscheidendes und übergreifendes Merkmal des
Typus Altindustrieregion wird in der Literatur die „mangelnde Fähigkeit, [betont,
wonach] die Hemmnisse, die einer strukturellen Anpassung gegenüberstehen, aus
eigener Kraft“20 nicht überwunden werden können.21 Der notwendige Strukturwandel bleibt aus, was „gemessen am Anpassungsbedarf [auf eine] nicht hinreichende
Anpassungsfähigkeit“22 der Region zurückzuführen ist. Es besteht also ein
regionaler Anpassungsstau, der viele der vorangegangen Problematiken bestärkt
oder auslöst.23 Dabei ist die Typisierung zur Altindustrieregion „zeitlich bis zur
Auflösung des Anpassungstaus begrenzt“24. Eine Altindustrieregion befindet sich
also in einem laufenden Prozess und bleibt nur solange „alt“ bis sie durch aktive
oder passive Sanierung einen erfolgreichen Strukturwandel einleiten und
strukturübergreifend umsetzen kann. Die Grenzen zwischen einer Altindustrieregion
mit starken Strukturproblemen und einer altindustriell geprägten Region, die sich in
einem positiven Strukturwandel befindet, sind daher nicht eindeutig zu differenzieren.25
2.2 Entstehung von Altindustrieregionen
Für die Entstehung von Altindustrieregionen gibt es verschiedenste Erklärungsansätze. Sowohl wirtschaftstheoretische Erklärungsansätze als auch fallbeispielbasierte Erklärungsansätze geben wichtige Erkenntnisse über die Entstehung von
19
20
21
22
23
24
25
Vgl. Hamm, Rüdiger & Wienert Helmut (1990): Strukturelle Anpassung altindustrieller Regionen
im internationalen Vergleich, Berlin. / Schrader, Manfred (1993): a.a.O. / Gelhar, Martina
(2010b): a.a.O.
Schrader, Manfred (1993): a.a.O., S.112.
Vgl. Ebenda.
Junkernheinrich, Martin (1989): a.a.O., S.3.
Vgl. Ebenda.
Hamm, Rüdiger & Wienert Helmut (1990): a.a.O., S.21.
Vgl. Ebenda.
11
Altindustrieregionen. Die folgende Untersuchung basiert auf einer zielorientierten
Auswahl an Entwicklungstheorien und Fallbeispielen.
2.2.1 Wirtschaftstheoretische Erklärungsansätze
Als Erklärungsansatz für den Niedergang ehemals prosperierender Industrieregionen wurden bis heute vielfältige, sich zum Teil ergänzende Entwicklungstheorien
erarbeitet. Bisher gibt es jedoch keinen allgemeingültigen Erklärungsansatz der alle
wesentlichen Entwicklungselemente der Entstehung von Altindustrieregionen
erfasst. Vielmehr beschäftigt die Thematik unterschiedlichste wissenschaftliche
Fachdisziplinen. Da der wirtschaftliche Niedergang ausschlaggebend für die
Entwicklung von Altindustrieregionen ist, steht die regionalwirtschaftliche
Perspektive im Fokus dieser Arbeit. Die „Theorie der Langen Wellen“, die
„Produktzyklushypothese“ und das „Konzept der Regionalen Lebenszyklen“ zeigen
in diesem Zusammenhang wichtige Erklärungsansätze zur Entstehung von
Altindustrieregionen auf.
2.2.1.1
Theorie der Langen Wellen
Die Theorie der Langen Wellen ist ein makroökonomischer Erklärungsansatz, der
ursprünglich auf die Arbeiten des Wirtschaftswissenschaftlers Kondratieff und
ergänzend auf die Arbeiten des Nationalökonom Schumpeter zurück zu führen ist.
Als zentrale Aussage besagt die Theorie der Langen Wellen, dass „grundlegende
technische Neuerungen (Basisinnovationen) in zyklischen Abständen gehäuft („in
Schwärmen“) auftreten und lange Wachstumsschübe („lange Wellen“) auszulösen
vermögen“26. Als Basisinnovationen gelten Produkt- und Prozessinnovationen, die
wesentliche Veränderungen in bestehenden Wirtschaftsbranchen bewirken. Diese
werden von dynamischen Unternehmern etabliert, die einen wirtschaftlichen
Aufschwung, also eine Lange Welle, initiieren. Der Abschwung dieser Welle tritt
dann ein wenn die Innovationskraft der neu etablierten Technologien erschöpft ist.27
Neuen historisch-deskriptiven Untersuchungen zufolge werden seit der
Industrialisierung zum Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart fünf Lange
Wellen unterschieden, dargestellt in Abb. 2. Jede dieser Wellen weist eine
Zykluslänge von 50-60 Jahren auf. Die erste Welle wurde durch Basisinnovationen
in der Dampfkraft, Textilindustrie und Eisenindustrie getragen, gefolgt von
Neuerungen in der Eisen- und Stahlindustrie, der zweiten Welle. Die dritte Welle
basierte auf Innovationen in der Automobil-Elektro- und Chemischen Industrie,
während Erneuerungen in der Elektronikindustrie und der Petrochemie die
Entwicklung der vierten Lange Welle bestimmten. Als Basisinnovation für eine fünfte
Lange Welle werden Erfindungen der Mikroelektronik und der Bio-Gentechnologie
eingeschätzt. Die räumlichen Auswirkungen dieser langjährigen Prozesse sind in
großräumigen
Schwerpunktverlagerungen
der
ökonomischen
Aktivitäten
auszumachen. Jede neue Welle hat einen neuen räumlichen Produktionsschwerpunkt etabliert. Als Zentrum der Basisinnovationen der ersten Welle wurden
ausschließlich Regionen in Großbritannien lokalisiert. Die zweite Welle etablierte
neben Deutschland insbesondere Produktionsschwerpunkte in den Vereinigten
Staaten von Amerika, während die wirtschaftlichen Zentren der dritten Welle
hauptsächlich in Deutschland, den Vereinigten Staaten von Amerika und England
26
27
Schätzl, Ludwig (1993): Regionalentwicklung der EG im Überblick, in: Schätzl, Ludwig (Hrsg.):
Wirtschaftsgeographie der Europäischen Gemeinschaft, Paderborn, S.30.
Vgl. Ebenda.
12
vorzufinden waren. Die vierte Welle verortete die Produktionsräume hauptsächlich
in Europa, den Vereinigten Staaten von Amerika und Japan.28
Abb. 2 Modell Theorie der Langen Wellen
Basisinnovationen
Niveau wirtschaftlicher Aktivitäten
Dampfkraft
Textilindustrie
Eisenind.
1.LangeWelle
1800
Groß
Britannien
Eisenbahn
Dampfschiff
Eisen- und
Stahlind.
2.LangeWelle
1850
Deutschland
USA
Automobilind.
Chemische
Ind.
Elektrizität
3.LangeWelle
1900
USA
Deutschland
England
Elektrizität
Petrochemie
Mikroelektr.
Bio- und
Gentechnologie
4.LangeWelle
1950
USA
Japan
Europa
2000
?
Ausgangspunkt wesentlicher Innovationen
Entwurf: Eigene Darstellung, Frankfurt 2010
Quelle:
Schätzl, Ludwig (1993): Regionalentwicklung der EG im Überblick, in:
Schätzl, Ludwig (Hrsg.): Wirtschaftsgeographie der Europäischen Gemeinschaft, Paderborn, S.30.
Für die Entstehung von Altindustrieregionen ist die Erkenntnis bedeutend, dass jede
neue Welle ihr eigenes räumliches Zentrum generiert. Die jeweils dominanten
Industrien konzentrierten sich an regionalen Standorten und es entwickeln sich
meist monostrukturierte Industrieballungen. Mit Einsatz der nächsten Welle verlieren
die Standorte der alten Welle an Bedeutung, da sie als „traditionelle […] Standorte
aus der Perspektive der neuen Wachstumsindustrien wie besetzte Gebiete“29
erscheinen. Die alten Standorte entwickeln sich zu Altindustrieregionen, sollten sie
es nicht schaffen innovative Branchen der neuen Wellen anzusiedeln.
28
29
Vgl. Neumair, Haas (2006): Internationale Wirtschaft, Oldenburg.
Zit. in: Franz, Martin (2007): Brachflächenentwicklung und die institutionelle Dimension von
Nachhaltigkeit – Das Beispiel Oberschlesien, Münster, S.56.
13
2.2.1.2
Produktzyklus Hypothese
Die Produktzyklus Hypothese ist ein mikroökonomischer Erklärungsansatz, der
federführend vom Wirtschaftswissenschaftler Vernon entwickelt wurde. Die
Kernaussage der Produktzyklushypothese besagt, dass „Produkte nur eine
begrenzte Lebendsauer besitzen und einen mehrphasigen Lebenszyklus
durchlaufen, wobei sich beim Übergang von der Entwicklungs- und Einführungsphase, über die Wachstums-, die Reife- bis zur Schrumpfungsphase die
Produktions- und Absatzbedingungen verändern.“30 Die Darstellung in Abb. 3
verdeutlicht diesen Verlauf. Die Anforderungen an einen optimalen Produktionsstandort für eine kostengünstige Güterproduktion ändern sich also je nach
Lebensphase des Produkts. Während der ersten Phase (Entwicklungs- und
Einführungsphase) sind hohe Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen und gut
ausgebildete Fachkräfte erforderlich. In der zweiten und dritten Phase (Wachstumsund Reifephase) erfolgt eine zunehmende Standardisierung des Produkts und
dessen Herstellungsverfahrens. Die Nachfrage steigt und damit auch die Anzahl
konkurrierender Unternehmer. Das Produkt tritt in die Massenproduktion, wodurch
ein steigender Wettbewerb hinsichtlich der Produktqualität und des Produktpreises
einsetzt. Die Produktionsfaktoren wie Lohn- und Energiekosten gewinnen
einhergehend mit der Wahl des Produktionsstandorts an Bedeutung. Viele Betriebe
verlagern ihre Produktion von teuren Forschungs- und Entwicklungsstandorten hin
zu kostengünstigeren Produktionsstandorten. Die Produktionsstandorte werden
zunächst intraregional und interregional in die Peripherie verschoben. Hin zur
vierten Phase (Schrumpfung) werden die Produktionen auch international in
Niedriglohnländer verlagert.31
Für die Entwicklung von Altindustrieregionen sind zwei Erkenntnisse bedeutend.
Zum einen unterliegen auch Industrieprodukte den veränderten Anforderungen an
den Produktionsstandort. Insofern altern mit dem Lebenszyklus der Produkte
ebenfalls die dafür geschaffenen Standortstrukturen. Sobald sie den veränderten
Anforderungen nicht mehr entsprechen, droht die Abwanderung der Produktionsbetriebe. Zum zweiten verdeutlicht die Theorie die begrenzte Lebensdauer von
Industrieprodukten. Eine monostrukturierte Region wird auf kurz oder lang mit der
Schrumpfung ihrer Schlüsselproduktionen konfrontiert. Wenn der Schrumpfungsphase keine innovativen Produktinnovationen entgegen gesetzt werden können,
drohen solchen Produktionsstandorten die Entwicklung zu Altindustrieregionen.
30
31
Schätzl, Ludwig (1993): a.a.O., S.34.
Vgl. Ebenda.
14
Abb. 3 Modell Produktzyklus Hypothese
Wachstum
II
Reife
II
Schrumpfung
IV
Produktion
Entwicklung
und Einführung
I
Agglomerationsraum
Umland der
Agglomeration
Periphere Regionen
Niedriglohnländer
Optimaler Produktionsstandort
Entwurf: Eigene Darstellung, Frankfurt 2010
Quelle:
Schätzl, Ludwig (1993): Regionalentwicklung der EG im Überblick, in:
Schätzl, Ludwig (Hrsg.): Wirtschaftsgeographie der Europäischen Gemeinschaft, Paderborn, S.30.
2.2.1.3
Konzept der Regionalen Lebenszyklen
Das Konzept der Regionalen Lebenszyklen wurde unter anderem von dem
Wirtschaftswissenschaftler Rees erarbeitet. Das Konzept vergleicht die regionalen
Entwicklungen, im Sinne regionaler Lebenszyklen mit den Produktlebenszyklen
nach der Produktzyklus Hypothese. „Over time, the spatial manifestation product
cycles may result in regional cycles of growth and decline“32. Die Anlehnung der
regionalen Entwicklung an die wirtschaftliche Entwicklung zeigt sich insbesondere
bei monostrukturierten Regionen. Demnach wird ein regionaler Entwicklungszyklus
definiert als „ein von Nachbarregionen unterscheidbarer wirtschaftlicher und
gesellschaftlicher Entfaltungsprozess bestimmter ökonomisch-sozialer Leitstrukturen (z.B. Montankomplex), der die vier Phasen der quantitativen Zunahme
(Aufschwung), der Stagnation (Reife), der Schrumpfung von Wachstumsraten
(Verfall) und schließlich des qualitativen Umbruchs durchläuft (Strukturbruch). […]
32
Zit. in: Bathelt, Harald & Glückler Johannes (2002): Wirtschaftsgeographie – Ökonomische
Beziehungen in räumlicher Perspektive, Stuttgart, S.235.
15
[Diesem Prozess] liegen unternehmerische, politische und soziale Rahmenbedingungen und Handlungsmuster zugrunde.“33 Es bestehen also intensive
Verflechtungen zwischen der regionalen Wirtschaft, der Politik und der Gesellschaft.
Die regionalen Strukturen werden an der dominierenden Industrie ausgerichtet, so
dass die Region die Phasen vom Aufschwung bis zum Verfall parallel zu ihrer
Wirtschaftsentwicklung durchläuft.34
Für die Entstehung von Altindustrieregionen ist die Erkenntnis bedeutend, dass die
wirtschaftlichen Strukturen eng mit weiteren regionalen Strukturbereichen
verflochten sind. Insbesondere in monostrukturierten Regionen spiegeln sich die
Phase des wirtschaftlichen Niedergangs in der regionalen Entwicklung wieder. Um
den regionalen Abwärtstrend zu unterbrechen, müssen diese Regionen rechtzeitig
einen umfassenden Strukturwandel durchführen, um eine Entwicklung hin zu
Altindustrieregionen zu vermeiden.
Die dargestellten Wirtschaftstheorien bieten erste Erklärungsansätze für den
Niedergang ehemals prosperierender Wirtschaftsregionen. Die Theorien
verdeutlichen, dass insbesondere monostrukturierte Wirtschaftsregionen besonders
stark von dem unweigerlichen Abschwung einer Langen Welle, der Schrumpfungsphase von Schlüsselprodukten sowie deren regionalen Auswirkungen negativ
betroffen sind. Die Gefahr eines wirtschaftlichen „Niedergangs [erscheint] umso
größer, je weniger dominierende Branchen in einer Region vorherrschen“35. Ein
ausgewogener Branchenmix wird dadurch zum entscheidenden Faktor, um
branchenspezifische Schrumpfungen und Abschwünge innerhalb einer Region zu
kompensieren. Basierend auf der vorangegangenen Argumentation kann die
Entstehung von Altindustrieregionen also auf die starke Monostrukturierung
ehemaliger Industrieregionen und die unweigerlichen wirtschaftlichen Effekte
(Wellenbewegungen, Produktlebenszyklen, Regionale Lebenszyklen) zurück geführt
werden. An dieser Argumentation gibt es jedoch einige Kritikpunkte. So wird die
Annahme eines wellenförmigen, gleichmäßigen Verlaufes des wirtschaftlichen
Wandels kritisiert. Eine „quasi-naturgesetzliche Regelhaftigkeit der wirtschaftlichen
Entwicklung“36 gilt bisher nicht als empirisch belegt. Hinzu kommt, dass die
Gesetzmäßigkeiten des Produktzyklus nicht auf die scheinbar ewige Lebensdauer
von Produkten der Grundstoffindustrie und Nahrungsmittelindustrie übertragen
werden können. Darüber hinaus unterbricht und verjüngt der Einsatz neuer
Technologien oft den Lebenszyklus von Produkten. Der Zeitpunkt der Schrumpfungsphase kann somit aktiv beeinflusst und hinausgezögert werden.37
Produktgruppen einer Branche können durch den Einsatz neuer Techniken also
durchaus unterschiedliche Lebensphasen aufweisen und dadurch unterschiedliche
Wirtschaftsleistungen innerhalb einer Region erbringen.38 Schließlich wird dem
Konzept des regionalen Lebenszyklus entgegen gehalten, dass die phasenhafte
Entwicklung einer Region nur als Sonderfall gilt. Dazu müssten in der Region
33
34
35
36
37
38
Zit. in: Franz, Martin (2007): a.a.O., S.56.
Vgl. Hamm, Rüdiger & Wienert Helmut (1990): a.a.O.
Schrader, Manfred (1993): a.a.O., S.125.
Gabe, Wolf (1998): Industrie, in: Kulke, Elmar (Hrsg.): Wirtschaftsgeographie Deutschlands,
Stuttgart, S. 118.
Vgl. Häußermann, Hartmut (1992): Ökonomie und Politik in alten Industrieregionen, in:
Häußermann, Hartmut (Hrsg.): Ökonomie und Politik in alten Industrieregionen Europas, Berlin,
S.10–34.
Vgl.Schrader, Manfred (1993): a.a.O.
16
ausschließlich Industrien der gleichen Branche, zusammengesetzt aus
Unternehmen des gleichen Erfolges, mit Produkten der gleichen Lebensphase,
angesiedelt sein. Zusammenfassend zeigt sich, dass die erläuterten Entwicklungstheorien wichtige Anhaltspunkte für die Entstehung von Altindustrieregionen
aufzeigen, hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit dennoch kritisch hinterfragt werden
müssen.39
2.2.2 Fallbeispielbasierte Erklärungsansätze
Aufbauend auf den theoretischen Erklärungsansätzen werden in der Literatur häufig
regionale Fallbeispiele herangezogen (Bspw. Ruhrgebiet: Vgl. Junkernheinrich,
Martin (1989)), um die Entstehung von Altindustrieregionen konkret zu untersuchen.40 Dies ermöglicht das Aufzeigen konkreter Einflussfaktoren, die für den
Niedergang ehemals prosperierende Industrieregionen maßgeblich sind. Für die
Entstehung von Altindustrieregionen sind diesen Erkenntnissen zufolge sowohl
externe Einflussfaktoren als auch endogene Einflussfaktoren bedeutend. Als
regionsexterne Einflüsse gelten solche Einflüsse, die von außen auf eine Region
eintreffen. Im Sinne „exogener Schocks“41 sind dies meist signifikante Veränderungen der Rahmenbedingungen, begründet durch globale Trends oder politische
Interventionen. Als regionsinterne Einflussfaktoren gelten solche Prozesse, die
innerhalb einer Region zur Verfestigung der Strukturen beitragen und die regionale
Bereitschaft und Fähigkeit zur Anpassung an neue Rahmenbedingungen behindert.
Diese Hemmnisse sind insbesondere durch die regionalen Ressourcen, die
regionalen Akteure und durch das Image der Region geprägt.42
2.2.2.1
Externe Einflussfaktoren
Wichtige externe Einflussfaktoren, welche die Industriewirtschaft weltweilt, die
Entwicklung von Altindustrieregionen jedoch insbesondere, betreffen sind der
Bedeutungsverlust traditioneller Standortfaktoren, der Wandel der Nachfragestruktur
und die konjunkturelle Reagibilität.43 Beim Bedeutungsverlust der traditionellen
Standortfaktoren stehen die abnehmende Rohstoffbindung und die sinkenden
Transportkosten den an Bedeutung zunehmenden Produktionskosten (Lohn-,
Energie- und Umweltkosten etc.) gegenüber. Insbesondere traditionelle Standorte
der Grundstoffindustrien und Massengüterproduktion sind von diesem Trend negativ
betroffen. Produktionsbetriebe werden von den alten Industriestandorten hin zu
neuen und kostengünstigeren Produktionsstandorten verlagert.44 Der Wandel der
Nachfragestruktur umfasst die weltweit veränderte private und staatliche Nachfrage
hin zu technologisch hochwertigen Produkten. Diese Güter können von den
traditionellen Branchen meist nicht hergestellt werden. Nur wenigen Betrieben
gelingt bspw. der Wandel vom Stahlerzeuger hin zum Hochtechnologiekonzern.
Folglich entwickeln sich viele ehemalige industrielle Wachstumsbranchen zu
Schrumpfungsbranchen einer Region.45 Die konjunkturelle Reagibilität wirkt sich
ebenfalls negativ auf die traditionellen und konsumfernen Branchen aus. Betriebe
39
40
41
42
43
44
45
Vgl. Bathelt, Harald & Glückler Johannes (2002): a.a.O.
Vgl. Junkernheinrich, Martin (1989): a.a.O.
Hamm, Rüdiger & Wienert Helmut (1990): a.a.O., S 25.
Vgl. Junkernheinrich, Martin (1989): a.a.O.
Vgl. Schrader, Manfred (1993): a.a.O.
Vgl. Gelhar, Martina (2010b): a.a.O.
Vgl. Schrader, Manfred (1993): a.a.O.
17
der Schwer-oder Montanindustrie können auf konjunkturelle Einbrüche nur bedingt
mit Produkt- und Preisdifferenzierungen reagieren. Besonders in monostrukturierten
Regionen wirkt dieser Effekt schnell negativ auf die gesamte Region. Weitere, meist
national bestimmte, externe Einflussfaktoren sind politische Maßnahmen und
rechtliche Rahmenbedingungen. Politische Interventionen tragen oft zur
Verfestigung der alten Strukturen in Altindustrieregionen bei. Staatliche
Subventionen und politische Sonderregelungen vermindern häufig die Bereitschaft
von Wirtschaftsregionen zur Anpassung an global veränderte Rahmenbedingungen.
Der Status Quo einer national bedeutenden Schlüsselindustrie wird aus Gründen
der Arbeitsplatzsicherung und Gewerbeeinnahmen künstlich erhalten und eine
dynamische Weiterentwicklung vieler Wirtschaftsregionen damit verhindert.
Rechtliche Rahmenbedingungen im Sinne des Bau- und Planungsrechts oder des
Umweltrechts haben ebenfalls oft eine hemmende Wirkung auf die Weiterentwicklung von Wirtschaftsregionen. Politisch bestimmte Sonderregelungen des
Umweltschutzes oder planungsrechtliche Regelungen, bspw. Bestandschutz, tragen
häufig zur Verfestigung der alten Strukturen bei.46
2.2.2.2
Interne Einflussfaktoren
Interne Einflussfaktoren, die sich auf die Entwicklung von Wirtschaftregionen im
Allgemeinen und auf die Entwicklung von Altindustrieregionen im Besonderen
auswirken, sind die Verfügbarkeit von Flächen, eine gute Infrastruktur und
qualifizierte Arbeitskräfte. Die Verfügbarkeit von Flächen ist in alten Industrieregionen sowohl quantitativ als auch qualitativ problematisch. Aufgrund der hohen Dichte
an industriellen Betrieben gibt es nur wenige Freiflächen, die zudem meist den
angesiedelten Großbetrieben gehören. Diese stehen Neuansiedlungen innovativer
Branchen oft skeptisch gegenüber und nutzen die Flächen primär als Vorrats- oder
Spekulationsgrundstücke.47 Einhergehend mit dem wirtschaftlichen Niedergang
werden zwar vermehrt Flächen frei, die jedoch wiederum qualitative Mängel
aufweisen. Unzureichende Erschließung, Parzellierung und hohe Umwidmungskosten stehen einer Neuvermarktung der Flächen oft gegenüber. Darüber hinaus sind
viele Brachflächen mit Altlasten kontaminiert. Da die Verursacher nicht mehr
auszumachen sind, obliegen die hohen Wiederaufbereitungskosten oft den
finanzschwachen Kommunen.48 Ähnliche Probleme weist die Infrastrukturausstattung vieler Altindustrieregionen auf. Die Infrastruktur wurde an den Bedürfnissen der
alten Industriebetriebe ausgerichtet und entspricht daher nicht den Ansprüchen
neuer Wachstumsbranchen. Diese sind weniger auf Binnenwasser- und
Schienenanbindungen sondern auf effektive Straßen- und Luftverkehrsanbindungen
angewiesen. Qualifizierte Arbeitskräfte sind für die Ansiedlung von Betrieben aus
neuen Wachstumsbranchen sehr wichtig. Die Arbeitskräfte in Altindustrieregionen
sind oft durch eine einseitige Qualifikationsstruktur gekennzeichnet, die nicht den
Ansprüchen neuer Wachstumsbranchen entspricht.49 Hinzu kommt, dass die
regionalen Lohn- und Lohnnebenkosten in Altindustrieregionen oft sehr hoch sind.
Je nach Industriebranche gelten unterschiedliche Arbeitsbedingungen und
arbeitsrechtliche Sonderregelungen. Dies ergibt für die bestehenden Altindustriebetriebe einen Wettbewerbsnachteil und hemmt die Ansiedlung neuer Betriebe.
Weiterhin entscheidend für die Regionalentwicklung sind die regionalen Akteure.
46
47
48
49
Vgl. Junkernheinrich, Martin (1989): a.a.O.
Vgl. Schrader, Manfred (1993): a.a.O.
Vgl. Junkernheinrich, Martin (1989): a.a.O.
Vgl. Hamm, Rüdiger & Wienert Helmut (1990): a.a.O.
18
Die Kooperation der Unternehmer, Gewerkschaften und Politiker beruht auf
jahrelanger Zusammenarbeit. Die Akteure sind von der Bedeutung der angesiedelten Schlüsselindustrien überzeugt und bilden gemeinsam starke Interessengemeinschaften. Die bestehenden Strukturen sollen möglichst konserviert werden um den
Status Quo zu erhalten. Externer Anpassungsdruck wird durch politische
Interventionen oft vermindert und dadurch die Bereitschaft zur Anpassung an neue
Rahmenbedingungen verhindert.50 Schließlich ist das Image einer Wirtschaftsregion
entscheidend für dessen Weiterentwicklung. In Altindustrieregionen ist häufig
sowohl das Selbst- als auch das Außenimage negative behaftet. Dies behindert die
Anziehung von neuen Investoren, qualifizierten Arbeitskräften und unterstützt
stattdessen die Abwanderung junger und qualifizierter Arbeitskräfte. Altindustrieregionen werden häufig nach innen als auch nach außen als Regionen mit einer
veralteten Wirtschaftsstruktur, einer schlechten Lebensqualität und hohen
Umweltproblemen wahrgenommen.51
Die erläuterten Einflussfaktoren verdeutlichen, dass die wirtschaftliche Entwicklung
einer Region sowohl von außen als auch von innen stark beeinflusst wird. Externe
Einflüsse verändern die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kontinuierlich. Um
wettbewerbsfähig zu bleiben müssen sich sowohl die Unternehmen als auch die
Wirtschaftsstandorte den neuen Rahmenbedingungen anpassen. Dabei spielen die
internen Strukturen eine wichtige Rolle. Entscheidend ist, dass die regionalen
Akteure die veränderte Rahmenbedingung erkennen und die regionalen Strukturen
anhand der neuen Anforderungen ausrichten. Dieser Argumentation folgend ist der
Niedergang ehemals prosperierender Wirtschaftsregionen auch auf die mangelnde
Fähigkeit oder Bereitschaft einer regionalen Anpassung zurück zu führen.
Altindustrieregionen entstehen also aufgrund regionsinterner Hemmnisse zur
Veränderung der „veralteten“ Strukturen. Obwohl dieser Erklärungsansatz zur
Entstehung von Altindustrieregionen schlüssig ist, bleibt die Umsetzung einer
rechtzeitigen Anpassung der regionalen Strukturen an neue Rahmenbedingungen in
der Realität oft schwierig. Essentielle externe Entwicklungen werden oft erst spät als
solche erkannt und somit kann erst zeitverzögert darauf reagiert werden. Hinzu
kommt, dass jede Region durch individuelle Strukturen geprägt ist und demnach die
internen Hemmnisse unterschiedlichste Gründe haben. Insofern bieten die
erläuterten Einflussfaktoren wichtige Erklärungsansätze, jedoch muss jede
Altindustrieregion hinsichtlich ihrer spezifischen Hemmnisse und Entwicklung
betrachtet werden.
2.3 Strategien zur Revitalisierung von Altindustrieregionen
Für die Revitalisierung von Altindustrieregionen gibt es verschiedenste
Entwicklungsstrategien. Sowohl wirtschaftstheoretische Entwicklungsstrategien als
auch fallbeispielbasierte Entwicklungsstrategien geben wichtige Hinweise für eine
effektive Revitalisierung von Altindustrieregionen. Die folgende Untersuchung
basiert auf einer zielorientierten Auswahl an Entwicklungsstrategien und
Fallbeispielen.
50
51
Vgl. Schrader, Manfred (1993): a.a.O.
Vgl. Junkernheinrich, Martin (1989): a.a.O.
19
2.3.1 Wirtschafstheoretische Entwicklungsstrategien
Zur Revitalisierung von Altindustrieregionen gibt es unterschiedliche, sich zum Teil
ergänzende, Entwicklungstheorien. Jede Altindustrieregion basiert auf einer
individuellen Entwicklung und ist durch spezifische Problematiken geprägt. Insofern
gibt es keinen allgemeingültigen Ansatz zur Revitalisierung von Altindustrieregionen. Aus regionalwirtschaftlicher Perspektive zeigen das „Traditionelle Wachstumsmodel“, das „Konzept der Kreativen Milieus“ und die „Theorie der Kreativen
Klasse“ wichtige Ansätze auf, um regionales Wachstum in Altindustrieregionen zu
generieren.
2.3.1.1
Traditionelles Wachstumsmodell
Als Traditionelles Wachstumsmodell werden die Vorstellungen des 19. und frühen
20. Jahrhundert zum städtischen und regionalen Wachstum bezeichnet. Der
Stadtökonom Thompson gilt als ein Vertreter dieses Konzepts. Demnach erfolgt das
ökonomisch induzierte Wachstum einer Region in drei Phasen. In der ersten Phase
etablieren die ansässigen Unternehmen des produzierenden Gewerbes ein stabiles
Wachstum. Neben dem regionalen Markt wird zunehmend auch der überregionale
Markt mit Produkten aus der Region versorgt. In der zweiten Phase siedeln sich
komplementäre Unternehmen des produzierenden Gewerbes an. Aufgrund der
steigenden Nachfrage nach unternehmensnahen Dienstleistungen kommen
zunehmend Dienstleistungsunternehmen hinzu. Der steigenden Diversität der
Branchen und der steigenden Anzahl der Arbeitsplätze im sekundären Sektor folgt
also eine Zunahme der Arbeitsplätze im tertiären Sektor. Das Einkommen und die
Kaufkraft der ansässigen Bewohner steigt mit der Folge, dass sich ebenfalls
konsumentennahe Dienstleistungsunternehmen in der Region ansiedeln. In der
dritten Phase expandieren die angesiedelten Unternehmen des sekundären und
tertiären Sektors von der regionalen über die nationale bis zur internationalen
Ebene.52
Für die Revitalisierung von Altindustrieregionen ist die Erkenntnis bedeutend, dass
die Ansiedlung von Betrieben aktueller Wachstumsbranchen die Ansiedlung
weiterer branchennahen Unternehmen nach sich zieht. Bei den aktuellen
Rahmenbedingungen gelten jedoch weniger Betriebe des produzierenden
Gewerbes, sondern vielmehr Unternehmen aus der wissensbasierten Wirtschaft
oder der High-Tech-Branche als potenzielle Wachstumsmotoren. Die erfolgreiche
Ansiedlung solcher Betriebe könnte einen wirtschaftlichen Aufschwung etablieren
und damit positive Effekte für die gesamte Region bringen.
2.3.1.2
Konzept der Kreativen Milieus
Das Konzept des Kreativen Millieus wurde von der sog. GREMI-Gruppe („Groupe
de Recherche Européen sur les Milieux Innovateurs“), bestehend aus Soziologen
und Regionalwissenschaftlern, entwickelt. Das Konzept besagt, dass der
ökonomische Erfolg einer Region maßgeblich von der Qualität der Verflechtungsbeziehungen zwischen den regionalen Akteuren abhängt. Dabei stellt sich ein Milieu
„als eine spezifische Konstellation von ökonomisch, sozialen, kulturellen und
politischen Akteuren und Elementen mit spezifischen Organisations- und
Umgangsformen dar. Das Milieu versorgt die Unternehmen die ihm angehören mit
52
Vgl. Friedrichs, Jürgen (1994): Revitalisierung von Städten in Altindustrialisierten Gebieten Ein
Modell und Folgerungen, in: Geographische Zeitschrift, Band 82 1994, S.133–153.
20
dynamischen Impulsen und umgekehrt wird das Milieu durch die Interaktion der
Unternehmen reproduziert.“53 Regionale Netzwerke etablieren ein aktives Milieu in
dem durch kollektive Lernprozesse Innovation stattfindet.54 In wirtschaftlich
monostrukturierten Regionen dominiert oft das Milieu der bestehenden
Großbetriebe das Milieu der gesamten Region. Standardisierte Verfahren und
ausgereifte Techniken unterbinden dabei häufig kreative Entwicklungen. Kleine und
mittlere Unternehmen sind im Gegensatz zu Großunternehmen auf Kooperationen
mit anderen Unternehmen angewiesen. Arbeitsteilung und Spezialisierung erfordern
Kooperationen, um optimale und kostengünstige Abläufe zu sichern. Folglich wird
durch die Kooperation regionaler Unternehmen die Entwicklung eines kreativen
Millieu gefördert.55
Für die Revitalisierung von Altindustrieregionen ist die Erkenntnis bedeutend, dass
alte Strukturen zugunsten von neuen Netzwerken aufgebrochen werden müssen.
Insbesondere kleine und mittlere Betriebe sollten in die regionalen Netzwerke
optimal eingebunden werden. Ein kreatives Milieu als weicher Standortfaktor ist
bedeutend, um einen erfolgreichen Strukturwandel einzuleiten. Dazu sollten in
Altindustrieregionen Förderungen für kleine und mittlere Unternehmen und deren
Vernetzung geschaffen werden.
2.3.1.3
Theorie der Kreativen Klasse
Die Theorie der Kreativen Klasse wurde vom amerikanischen Ökonom Florida
entwickelt. Die Grundaussage dieser Theorie besagt, dass „Wirtschaftskraft,
Wirtschaftswachstum und technologischer Fortschritt […] [einer Region] umso
stärker [ist], je höher der Anteil der kreativen Klasse an der Zahl der Beschäftigten
vor Ort ist.“56 Angehörige der Kreativen Klasse sind Menschen die in hochkreativen
Berufen (bspw. Mathematiker, Ingenieure, Künstler) und in kreativen Berufen (bspw.
Manager, Anwälte, Ärzte) arbeiten. Diese generieren einen kreativen „Output“ und
entwickeln innovative Lösungswege für verschiedenste Problematiken. Sie werden
zum wichtigsten Faktor für Unternehmen der kreativen Wirtschaft, so dass entgegen
den bisherigen Theorien nicht die Arbeitskräfte den Unternehmen, sondern die
Unternehmen den Arbeitskräften an einen Standort folgen. Die Ansiedlung der
kreativen Klasse wird also zur Voraussetzung für regionales Wachstum. Dabei
muss eine Region über die drei Standortfaktoren Talente, Technologie und Toleranz
verfügen, „um attraktiv für kreative Menschen zu sein, Innovationen zu schaffen und
wirtschaftliches Wachstum zu bewirken.“57 Florida definiert Talent als das kreative
Potenzial welches die Angehörigen der Kreativen Klasse mitbringen. Als
Technologie gilt die Konzentration von Betrieben der Wissensbranche in der
Region. Toleranz beschreibt schließlich die kulturelle Offenheit der Region und ihrer
Gesellschaft. Offenheit gegenüber Neuem und Anderem ist wichtig um kreative
Menschen anzuziehen. Standorte die über die drei „Ts“ verfügen, bezeichnet Florida
als Creative Centers, dessen wichtigstes Kriterium ein offenes Klima ist, in dem
53
54
55
56
57
Häußermann, Hartmut (1992): a.a.O., S.14.
Vgl. Kraft, Lutz (2006): Entwicklung räumlicher Cluster – Das Beispiel Internet– und E–
Commerce–Gründungen in Deutschland, Schriftenreihe der European Business School Band
57, Wiesbaden.
Vgl. Häußermann, Hartmut (1992): a.a.O.
Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung (Hrsg.)(2007): Talente Technologie und Toleranz
– wo Deutschland Zukunft hat, Köln, Online–Dokument: http://www.berlin–
institut.org/fileadmin/user_upload/Studien/TTT_Webversion.pdf, Stand 24. Januar 2011, S.6.
Ebenda, S.7.
21
kreative Menschen leben möchten und beste Voraussetzungen haben um ihre
Ideen und ökonomischen Konzepte zu verwirklichen.58
Für die Revitalisierung von Altindustrieregionen ist die Erkenntnis bedeutend, dass
neben harten Standortfaktoren weiche Standortfaktoren an Bedeutung gewinnen.
Die Lebensqualität und das gesellschaftliche Klima innerhalb einer Region sind
entscheidend für die Ansiedlung von gefragten Fachkräften. Insbesondere die
Offenheit gegenüber Neuem erfordert in Altindustrieregionen ein Umdenken der
ansässigen Akteure. Eine erfolgreiche Revitalisierung muss also die weichen
Standortfaktoren mit einbeziehen und die Bedeutung von Fachkräften anerkennen,
um einen erfolgreichen Strukturwandel einzuleiten.
Die erläuterten Entwicklungstheorien bieten unterschiedliche Ansätze für die
Revitalisierung von Altindustrieregionen. Bei gemeinsamer Betrachtung der Ansätze
wird deutlich, dass sowohl harte als auch weiche Standortfaktoren für die
Generierung wirtschaftlicher Impulse von Bedeutung sind. Altindustrieregionen
müssen im Wettbewerb um Unternehmen und qualifizierten Arbeitskräfte die
„veralteten“ Strukturen aufbrechen. Eine hohe Lebensqualität, effektive
Kommunikationsprozesse zwischen den regionalen Akteuren und eine effektive
Vermarktung der Region sind für eine positive Regionalentwicklung wichtig. Da jede
Altindustrieregion spezifischen Herausforderungen gegenübersteht, ist es sinnvoll
die verschiedenen Ansätze der Entwicklungstheorien für ein maßgeschneidertes
Entwicklungskonzept zu kombinieren. Um ein kreatives Milieu auszubilden, müssen
entsprechende Firmen entsprechender Branchen in der Region angesiedelt sein.
Neue Unternehmen, sowohl Großunternehmen als auch kleine und mittlere
Unternehmen, werden nur durch entsprechende Standortfaktoren angezogen.
Insbesondere für kreative Branchen sind qualifizierte Arbeitskräfte von hoher
Bedeutung. Diese ziehen wiederum in solche Regionen, die ihnen gute
Voraussetzungen im Sinne einer hohen Lebensqualität, einem offenen
gesellschaftlichen Klima und guter Entwicklungsmöglichkeiten, bieten. Insofern sind
die verschiedenen Faktoren stark miteinander verbunden und werden nicht
losgelöst voneinander zur erfolgreichen Entwicklung in einer Altindustrieregion
führen.
2.3.2 Fallbeispielbasierte Entwicklungsstrategien
Aufbauend auf den theoretischen Entwicklungsansätzen werden in der Literatur
häufig regionale Fallbeispiele zur Revitalisierung von Altindustrieregionen
untersucht. (Bspw. Liverpool, Vgl. Zehner, Klaus (2010)) Aufgrund der Individualität
jeder Altindustrieregion ergibt sich eine Vielfalt an spezifischen Revitalisierungsmaßnahmen. Diese können in drei Kategorien zusammengefasst werden. Zum
einen in Strategien der „Externen Diversifizierung“, zum zweiten in Strategien der
„Internen Diversifizierung“ und zum dritten in „Zugpferdstrategien“.
2.3.2.1
Strategien der Externen Diversifizierung
Die Strategien der externen Diversifizierung basieren auf den gleichen Prinzipen wie
das Konzept des „Traditionellen Wachstumsmodells“. Unternehmen aus innovativen
Wirtschaftzweigen, gekennzeichnet durch neue Technologien und junge
58
Vgl. Ebenda.
22
Produktionsgruppen, werden innerhalb der Altindustrieregionen angesiedelt.
Dadurch werden neue Ressourcen in die Region gebracht, die wiederum neue
Wachstumsimpulse in der Region generieren. Von entscheidender Voraussetzung
für die Anziehung innovativer Unternehmen ist das Außenimage der Region. Eine
positive Vermarktung des regionalen Standorts trägt entscheidend zur Generierung
externer Wachstumsimpulse bei. Insbesondere für Altindustrieregionen, als
Regionen mit einem negativen Außenimage, ist die Einrichtung einer Institution der
Wirtschaftsförderung daher sinnvoll. Diese Institution vertritt die wirtschaftlichen
Interessen der Region nach außen und entwickelt eine effektive Marketingstrategie
für den regionalen Standort.59 Darüber hinaus werden Altindustrieregionen häufig
durch politische Interventionen unterstützt. Durch umfangreiche Förderprogramme
und wirtschaftliche Sonderregelungen, wie bspw. die Ausweisung von Sonderwirtschaftszonen, sollen wirtschaftliche Impulse in der Region gesetzt werden.60
2.3.2.2
Strategien der Internen Diversifizierung
Die Strategien der internen Diversifizierung basieren auf den endogenen
Potenzialen einer Altindustrieregion. Vorhandene Marktnischen werden ermittelt und
die dazugehörigen Wirtschaftsaktivitäten gefördert. Anstatt neue Ressourcen in die
Region zu importieren, werden die endogenen Ressourcen genutzt und
ausgebaut.61 Obwohl jede Altindustrieregion unterschiedliche endogene Potenziale
aufweist, zeigt sich bei vielen Altindustrieregionen ein Trend hin zur Neuinterpretation und Neunutzung ehemaliger Industrieareale. Anstatt die baulichen Hinterlassenschaften flächendeckend abzureißen, werden sanierte Industriebauten zunehmend
als Veranstaltungsorte für Kulturevents oder Bürostandorte der Privatwirtschaft
genutzt. Die Industriekultur und der Industrietourismus werden als Mittel zur
Regionalentwicklung in Altindustrieregionen eingesetzt. Eine steigende Etablierung
dieser Maßnahmen zeigt sich unter anderem durch die Einrichtung des von der
Europäischen Union geförderten europaweiten Netzwerks „European Culture of
Industrial Heritage“ oder die 2009 erstmals stattgefundene Internationale Messe für
Tourismus des Industrieerbes und des Untertagetourismus in Zabrze.62
2.3.2.3
Zugpferdstrategien
Bei Zugpferdstrategien konzentrieren sich die regionalen Akteure auf die
Umsetzung einer wesentlichen Maßnahme, die zukünftig kennzeichnend für die
Region stehen soll. Das bislang negative oder unbeachtete Image einer
Altindustrieregion soll durch ein imageorientiertes Leuchtturmprojekt positiv
verändert werden. Die imageverbessernden Impulse sind besonders auf Investoren
und Besucher ausgerichtet. Ein positiver Außeneffekt entsteht insbesondere, wenn
die Region dies als Alleinstellungsmerkmal vermarkten kann.63 Beispielhaft für
Zugpferd Strategien sind die Eröffnung von Musicals, die regelmäßige Durchführung
59
60
61
62
63
Vgl. Friedrichs, Jürgen (1994): a.a.O.
Vgl. Zehner, Klaus (2010): Von Liverpool zu „Livercool“ – Strukturwandel und wirtschaftliche
Erneuerung einer Weltstadt des 19. Jahrhunderts, in. Geographische Rundschau, Heft 2 2010,
S.34–40.
Vgl. Friedrichs, Jürgen (1994): a.a.O.
Vgl. Gelhar, Martina (2010b): a.a.O.
Vgl. Friedrichs, Jürgen (1994): a.a.O.
23
von international anerkannten Messen oder die Auszeichnung mit imageträchtigen
Titeln.64
Die erläuterten Entwicklungsstrategien zeigen eine Vielfalt an unterschiedlichen
Ansätzen zur Revitalisierung von Altindustrieregionen auf. Aufbauend auf den
Erkenntnissen der theoretischen Modelle, wird deutlich, dass je nach Region nur
angepasste und kombinierte Strategien zur langfristigen Revitalisierung von
Altindustrieregionen geeignet sind. In Praxisbeispielen, in denen die Strategien der
externen Diversifizierungen angewandt wurde hat sich gezeigt, dass die reine
Fokussierung auf die Anwerbung externer Unternehmen nur kurzfristige Effekte für
eine Region bringt. Die oft übereilte Ansiedlung neuer Unternehmen unter
Missachtung der endogenen Potenziale etabliert kein nachhaltiges Wachstum in
einer Region. Eine Ausrichtung auf endogene Potenziale scheint daher sinnvoll, ist
jedoch ein mühsamer und langer Weg. Zukunftsträchtige Potenziale müssen als
solche zunächst erkannt und zudem stark gefördert werden. Insofern wirken sich
diese Strategien oft erst mittel- oder langfristig positiv aus. Die Zugpferdstrategie ist
hingegen eine Strategie mit klar abschätzbaren kurz- und mittelfristigen Effekten für
eine Region. Jedoch sind im Wettbewerb der Regionen Nischen für Zugpferdstrategien mit Alleinstellungsmerkmal rar geworden.65 Insofern scheint eine kombinierte
Entwicklungsstrategie, ausgerichtet an den jeweiligen Herausforderungen der
Region, für ein langfriste Revitalisierung am sinnvollsten zu sein.
2.4 Zwischenfazit
Es wird deutlich, dass die Herausforderungen und Problematiken, denen
Altindustrieregionen gegenüber stehen, komplex und vielschichtig sind. Der
Raumtypus Altindustrieregion ist nicht allgemeingültig zu definieren. Vielmehr
zeichnet sich jede Altindustrieregion durch spezifische Strukturmerkmale, einer
individuellen Entwicklung sowie – daraus resultierend – durch unterschiedliche
endogen anzupassende Revitalisierungsstrategie aus.
Gemeinsam ist den meisten Altindustrieregionen, dass sich diese aufgrund eines
wirtschaftlichen Niedergangs von ehemals prosperierenden Wirtschaftsstandorten
hin zu Altindustrieregionen entwickelt haben. Ausgelöst durch einen internen
Anpassungsstau wurden die alten Strukturen den extern veränderten Rahmenbedingungen nicht angepasst. Ein Zusammenspiel aus externen veränderten
Rahmenbedingungen und regionsinternen Hemmnissen führte zu einer Krise für die
gesamte Region. Der Problematik des Anpassungsstaus steht der Herausforderung
entgegen, die alten Strukturen der niedergehenden Industriebranchen aufzubrechen
und an die Anforderungen neuer Wachstumsbranchen anzupassen. Im Zuge eines
Strukturwandels obliegt es der Region, die endogenen Potenziale zu stärken und
zielgerichtete Entwicklungsstrategien einzuleiten, um neues wirtschaftliches
Wachstum zu generieren. Insbesondere Altindustrieregionen müssen dabei neben
den harten Standortfaktoren die weichen Standortfaktoren entwickeln, um sich als
attraktive Region für Investoren, Arbeitnehmer und Bewohner im globalen
Wettbewerb der Regionen zu positionieren.
64
65
Vgl. Boldt, Kai–W. & Gelhar, Martina (2010): Duisburg Von der Stadt Montan zum Drehkreuz
des Westens, in: Geographische Rundschau, Heft 2 2010, S.26–33.
Vgl. Friedrichs, Jürgen (1994): a.a.O.
24
3
Gemeinschaftsaktion Kulturhauptstadt Europas
Im Folgenden wird die Gemeinschaftsaktion Kulturhauptstadt Europas untersucht.
Im ersten Schritt werden die Idee, die Zielsetzung, die Organisation und das
aktuelle Auswahlverfahren der Gemeinschaftsaktion dargestellt. Im zweiten Schritt
wird die Entwicklung der Initiative Kulturhauptstadt Europas, aus politischer und
rechtlicher Perspektive sowie künstlerischer und konzeptioneller Perspektive,
erörtert. Im dritten Schritt folgt eine Untersuchung des Faktors Kultur der als
zentrales Mittel im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas eingesetzt wird. Im vierten
Schritt wird untersucht welche Auswirkungen die Kulturhauptstadt Europas auf
Städte und Regionen hat. Dies geschieht in Anlehnung an die im ersten Kapitel
erörterten Herausforderungen, denen Altindustrieregionen oft entgegen stehen.
Dazu werden zum einen die Ziele ehemaliger Kulturhauptstädte und zum anderen
die Auswirkungen der Kulturhauptstadt auf ausgewählte Strukturbereiche
ehemaliger Kulturhauptstädte dargestellt. Schließlich wird ein zusammenfassendes
Fazit gezogen, in welchem die Möglichkeiten der Kulturhauptstadt Europas für die
Unterstützung von Altindustrieregionen herausgestellt werden.
3.1 Einordnung der Europäischen Kulturhauptstadtinitiative
Die Initiative „Kulturhauptstadt Europas“ ist eine Gemeinschaftsaktion der
Europäischen Union. Eingebunden in das europäische Rahmenprogramm „Kultur“
(2007 - 2013) wird die Initiative von der Generaldirektion Bildung und Kultur der
Europäischen Kommission verwaltet, überwacht und finanziell gefördert. Das
übergeordnete Ziel des Programms „Kultur“ ist es, „durch den Ausbau der
kulturellen Zusammenarbeit zwischen Kulturakteuren aus Ländern, die am
Programm beteiligt sind, zur Förderung des Kulturraums, den die Europäer
miteinander teilen und der auf einem gemeinsamen kulturellen Erbe gründet,
beizutragen und damit die Entstehung einer Europabürgerschaft zu begünstigen.“66
Projekte und Initiativen die diesem Ziel dienen, darunter die Gemeinschaftsaktion
Kulturhauptstadt Europas, werden in der Förderperiode 2007 bis 2013 mit einem
Gesamtbudget von 400 Millionen Euro durch das Rahmenprogramm Kultur
unterstützt.67
3.1.1 Idee und Zielsetzung
Im Rahmen der Gemeinschaftsaktion Kulturhauptstadt Europas wird jedes Jahr
mindestens eine europäische Stadt mit dem Titel Kulturhauptstadt Europas
ausgezeichnet. Diese Stadt darf den Titel ein Jahr lang tragen und muss das
entsprechende Kulturhauptstadtjahr nach speziellen Vorgaben ausgestalten. Das
offizielle Ziel der Gemeinschaftsaktion Kulturhauptstadt Europas ist es, „den
Reichtum und die Vielfalt der europäischen Kulturen sowie ihre Gemeinsamkeiten
herauszustellen und einen Beitrag zum gegenseitigen Verstehen der europäischen
66
67
Europäische Kommission Generaldirektion Bildung und Kultur (Hrsg.)(2010a): Programmleitfaden – Programm Kultur 2007–2013, Online–Dokument:
http://eacea.ec.europa.eu/culture/programme/documents/2010/may/DE.pdf, Stand 24. Januar
2011.
Vgl. Europäischen Kommission Generaldirektion Bildung und Kultur (Hrsg.)(2010c): Programm
"Kultur": eine bedeutende Investition in Kultur, Online–Dokument:
http://ec.europa.eu/culture/our–programmes–and–actions/doc411_de.htm, Stand 24. Januar
2011.
25
Bürger zu leisten.“68 Zur Umsetzung dieses Ziels hat die Europäische Union
spezifische Kriterien zur konkreten Ausgestaltung des Kulturhauptstadtjahres
vorgegeben. Als erstes Kriterium gilt die Einbindung der Europäischen Dimension
ins Programm für das Kulturhauptstadtjahr. Die Bewerberstädte müssen „ihren
Bezug zu, ihren Platz in und ihre Zugehörigkeit zu Europa ebenso dar[…]legen wie
die gegenwärtige Beteiligung am Kunst- und Kulturleben.“69 Insbesondere dem
Dialog und dem Austausch mit kulturellen Akteuren anderer Länder kommt eine
hohe Bedeutung zu. Als zweites Kriterium gilt die Beteiligung der Bürger am
Kulturprogramm. Das Kulturhauptstadtjahr soll Anziehungskraft auf europäischer
und internationaler Eben erzeugen und gleichzeitig Interesse und Begeisterung bei
der lokalen Bevölkerung wecken. Die Balance zwischen lokalem Interesse und der
Förderung des europäischen Tourismus gilt als besondere Herausforderung für die
Ausgestaltung des Kulturhauptstadtjahres. Als drittes Kriterium gilt die Initiierung
einer nachhaltigen Wirkung des Kulturprogramms auf die mittel- und langfristige
Stadt- und Regionalentwicklung. Das Kulturhauptstadtjahr soll kein „vorübergehendes Feuerwerk von Kulturveranstaltungen“70 werden, sondern in den Prozess einer
nachhaltigen Stadt- und Regionalentwicklung eingebunden werden. Das
Kulturhauptstadtprogramm, gemessen an den erläuterten Kriterien, gilt als
maßgeblicher Entscheidungsfaktor zur Wahl einer Kulturhauptstadt. Die
Europäische Kommission betont: „a city is not chosen as a European Capital of
Culture solely for what it is, but mainly for what it plans to do for a year that has to
be exceptional.”71 Insofern ist jede Stadt der Europäischen Union potenzieller
Anwärter auf den Titel Kulturhauptstadt Europas.72
3.1.2 Organisation und Auswahlverfahren
Die 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union fungieren reihum als Gastgeber der
Veranstaltung Kulturhauptstadt Europas. Nach einem einvernehmlich beschlossenen Rotationsprinzip werden seit 1985 mindestens eine und seit 2006 mindestens
zwei Städte der Europäischen Union jährlich als Kulturhauptstadt Europas
ausgezeichnet. Zusätzlich können Nichtmitgliedstaaten der Europäischen Union,
basierend auf der ehemaligen Initiative „Europäische Kulturmonate“, ebenfalls
Kulturhauptstädte stellen.73
Das Auswahlverfahren zur Kulturhauptstadt ist ein langjähriger Prozess. In jedem
Gastgeberland finden eine Vorauswahl und eine Endauswahl zur Bestimmung der
jeweiligen Kulturhauptstadt statt. Beide Auswahlverfahren werden von einer eigens
eingerichteten, unabhängigen Auswahljury geleitet. Diese setzt sich zusammen aus
sechs nationalen und sieben europäischen Experten des Kultursektors. Die Phase
zur Vorauswahl startet sechs Jahre vor Beginn des eigentlichen Kulturhauptstadt68
69
70
71
72
73
Europäische Union (Hrsg.)(2006): Beschluss Nr. 1622/2006/EG Des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 24. Oktober 2006 über die Einrichtung einer Gemeinschaftsaktion zur
Förderung der Veranstaltung „Kulturhauptstadt Europas“ für die Jahre 2007 bis 2019,
Luxemburg, S.2.
Europäische Kommission Generaldirektion Bildung und Kultur (Hrsg.)(2010b): Leitfaden für
Bewerbungen als „Kulturhauptstadt Europas“, Online–Dokument:
http://ec.europa.eu/culture/pdf/doc633_de.pdf, Stand 24. Januar 2011.S.12.
Ebenda, S.14.
Europäischen Kommission Generaldirektion Bildung und Kultur (Hrsg.)(2011): European Capital
of Culture, Online–Dokument: http://ec.europa.eu/culture/our–programmes–and–
actions/doc413_en.htm, Stand 24. Januar 2011.
Vgl. Ebenda.
Vgl. Ebenda.
26
jahres. Die zuständige Behörde des jeweiligen Gastgeberlandes veröffentlicht die
Aufforderung zur Einreichung der Bewerbungen aller interessierten Städte. Die für
die Durchführung des Wettbewerbs zuständige Stelle, normalerweise das nationale
Kulturministerium, lädt die Auswahljury zur Sichtung und Beurteilung der
Bewerbungen ein. Auf Grundlage der im europäischen Rechtsbeschluss
festgelegten Kriterien bestimmt die Auswahljury die Städte, welche in die engere
Auswahl zur Kulturhauptstadt Europas kommen. Diese werden aufgefordert eine
detaillierte Bewerbung für die Endauswahl einzureichen. Spätestens neun Monate
nach der Vorauswahlsitzung tritt die Auswahljury erneut zusammen, um die
detaillierteren Bewerbungen der Städte zu beurteilen. Hierbei dienen ebenfalls die
europäischen Kriterien als Bewertungsmaßstab. Basierend auf der Endauswahl
erstellt die Jury einen Endbericht und spricht dem Gastgeberland die Empfehlung
zur Nominierung mindestens einer Stadt als Kulturhauptstadt Europas aus. Das
jeweilige Gastgeberland reicht die Nominierung mindestens einer Stadt wiederum
bei den europäischen Organen ein. Die Europäische Kommission gibt, unter
Berücksichtigung der Stellungnahme des Europäischen Parlaments und unter
Berücksichtigung des Berichts der Auswahljury, eine Empfehlung an den Rat der
Europäischen Union. Der Rat ernennt darauf hin offiziell die Stadt, welche vier Jahre
später den Titel Kulturhauptstadt Europas für ein Jahr tragen wird.
Nach der offiziellen Ernennung wird aus den sieben europäischen Experten der
Auswahljury eine neue Überwachungs- und Beratungsjury gebildet. Diese Jury
begleitet, berät und überprüft die Vorbereitungsphase der nominierten Kulturhauptstadt bis zum eigentlichen Kulturhauptstadtjahr. Basierend auf Fortschrittsberichten,
erstellt von den Kulturhauptstadtveranstaltern, verfolgt die Jury die Vorbereitungen.
Darüber hinaus finden zwei Treffen, eine Halbzeitkontrolle und eine Endzeitkontrolle, zwischen den Kulturhauptstadtveranstaltern und der Jury statt. Die Jury erteilt
Empfehlungen und erstellt schließlich einen Überprüfungsbericht zum Stand der
Vorbereitungen der jeweiligen Kulturhauptstadt. Dieser Bericht wird der
Europäischen Kommission übermittelt. Auf Grundlage des Berichts wird spätestens
drei Monate vor Beginn des Kulturhauptstadtjahres entschieden, ob die designierte
Kulturhauptstadt ihre geplanten Vorhaben und die Empfehlungen der Jury effektiv
umgesetzt hat. Bei einer positiven Bewertung der Vorbereitungen, wird der Stadt die
Auszeichnung zu Ehren von Melina Mercouri (Initiatorin zur Idee der Kulturhauptstadt Europas) von der Europäischen Kommission verliehen. Neben dem
symbolischen Wert ist mit der Auszeichnung ein Preisgeld verbunden. Dieses Geld
stellt den gemeinschaftlichen Beitrag zur Finanzierung der Veranstaltung
Kulturhauptstadt Europas dar. Die Förderung beträgt pro Kulturhauptstadt 1,5
Millionen Euro und wird aus dem europäischen Rahmenprogramm „Kultur“
finanziert. Zusätzlich zu dieser Förderung obliegt der designierten Stadt die
Möglichkeit weitere Fördermittel durch das Rahmenprogramm „Kultur“ oder durch
die europäischen Strukturfonds für einzelne Projekte des Kulturhauptstadtprogramms zu akquirieren.74
Nach Beendigung des Kulturhauptstadtjahres gibt die Europäische Kommission
eine unabhängige Evaluierung des Kulturhauptstadtjahres in Auftrag. Im Rahmen
dieser Untersuchung werden die jeweiligen Effekte des Kulturhauptstadtjahres
74
Vgl. Europäischen Kommission Generaldirektion Bildung und Kultur (Hrsg.)(2010d): Auswahl
einer Kulturhauptstadt, Online–Dokument: http://ec.europa.eu/culture/our–programmes–and–
actions/doc413_en.htm, Stand 24. Januar 2011.
27
ermittelt. Als Bewertungsmaßstab gelten wiederum die im europäischen
Rechtsbeschluss festgelegten Kriterien. Den Kulturhauptstädten wird empfohlen
bereits vor Beginn des Kulturhauptstadtjahres Mechanismen zu entwickeln, mit
denen die Auswirkungen des Kulturhauptstadtjahres effektiv evaluiert werden
können.75
3.2 Entwicklung der Europäischen Kulturhauptstadtinitiative
Der Titel Kulturhauptstadt Europas wurde in der Zeit von 1985 bis 2010 an
insgesamt 42 Städte verliehen. Während dieser 25 jährigen Entwicklung hat sich
das europäische Instrument Kulturhauptstadt Europas stark gewandelt. Eine
differenzierte Betrachtung der politisch-rechtlichen Neuerungen und der
künstlerisch-konzeptionellen
Veränderungen
verdeutlicht
die
wichtigsten
Entwicklungsphasen der Initiative Kulturhauptstadt Europas.
3.2.1 Entwicklung der politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen
Die politisch-rechtliche Perspektive zeigt die Entwicklung der Kulturhauptstadtinitiative hinsichtlich der veränderten politischen Rahmenbedingungen und den daraus
folgenden rechtlichen Beschlüssen auf. Anhand der rechtlichen Entschließung von
1985, des ersten Reformbeschlusses von 1999 und des zweiten Reformbeschlusses von 2006 lässt sich diese Entwicklung in drei Phasen einteilen.
3.2.1.1
Rechtliche Entschließung aus dem Jahr 1985
Die ehemalige griechische Kulturministerin Melina Mercouri initiierte auf der ersten
Sitzung der für Kultur zuständigen Ratsvertreter der Europäischen Gemeinschaft
(1983) die Idee zur Einrichtung einer als „Kulturstadt Europas“ betitelten Initiative.
Sie kritisierte den rein wirtschaftlichen Band der Europäischen Gemeinschaft und
argumentierte: „We must recognize the diversities and the differences amongst the
people of Europe. The determining factor of European identity lies precisely on
respecting these diversities with the aim of creating a dialogue between the cultures
of Europe. It is time for our voice to be heard as loud as that of the technocrats.
Culture, art and creativity are not less important than technology, commerce and the
economy.”76 Obwohl die Europäische Gemeinschaft zu der Zeit über keine
vertragsrechtliche Zuständigkeit im Kulturbereich verfügte, fand Mercouris
Projektvorschlag großen politischen Anklang. Verstärkt durch die innereuropäischen
Krisen der 1980er Jahre (Auseinandersetzungen in der Agrarpolitik, wachsende
Akzeptanzschwierigkeiten der Europäischen Integration, Probleme der griechischen
Ratspräsidentschaft im Jahr 1983) fand die Initiative zur Kulturhauptstadt, als
positives Gegengewicht zu den aktuellen Problemen, die Zustimmung aller
Mitgliedstaaten der damaligen Europäischen Gemeinschaft. Im Jahr 1985
verabschiedete der Rat der Kulturminister formell die „Entschliessung für die
alljährliche Benennung einer Kulturstadt Europas“. Folglich gründet der Beginn der
Initiative Kulturstadt Europas auf einer intergouvernementalen Zusammenarbeit der
75
76
Vgl. Ebenda.
Zit. in: Mittag, Jürgen (2008b): Die Idee der Kulturhauptstadt Europas Vom Instrument
Europäischer Identitätsstiftung zum tourismusträchtigen Publikumsmagneten, in: Mittag Jürgen
(Hrsg.): Die Idee der Kulturhauptstadt Europas Anfänge, Ausgestaltung und Auswirkungen
Europäischer Kulturpolitik. Essen, S.55.
28
europäischen Mitgliedstaaten. Zur Wahl der ersten Kulturstädte Europas galt somit
das Einstimmigkeitserfordernis.77
Die Vorgaben zur Ausgestaltung der Initiative waren in der ersten Richtlinie stark
begrenzt. Die Kulturstädte konnten weitgehend frei über ihr Kulturprogramm
entscheiden. Der Entschluss gab lediglich weitgefasste Vorgaben vor: „Durch diese
Veranstaltung sollten der europäischen Öffentlichkeit besondere kulturelle Aspekte
der Stadt, der Region oder des betreffenden Landes zugänglich gemacht werden.
Auch könnte die betreffende Stadt zum Mittelpunkt einer Reihe von kulturellen
Beiträgen aus anderen Mitgliedstaaten gemacht werden, die vor allem den
Einwohnern der betreffenden Region zugute kommen. Zwischen diesen beiden
Polen können vielfältig Schwerpunkte gesetzt […] werden.“78 Darüber hinaus wurde
bestimmt, dass pro Jahr nur eine Stadt als Kulturstadt Europas benannt werden
durfte, die Auswahl der Stadt zwei Jahre vor der Titelvergabe fest stehen musste
und dass jeder Mitgliederstaat nach einem alphabetisch vorgegebenen
Rotationsprinzip als Veranstalter auftreten durfte. Basierend auf dieser Grundlage
wurde die griechische Hauptstadt Athen 1985 zur ersten Kulturstadt Europas
ernannt. Nachfolgend basierten alle Kulturhauptstädte bis einschließlich 2004 auf
diesem rechtlichen Entschluss.79
3.2.1.2
Rechtlicher Beschluss aus dem Jahr 1999
Die Kulturstadtinitiative entwickelte sich schnell zu einem bekannten Kulturevent.
Aufgrund der steigenden Popularität und der wachsenden Nachfrage der Städte,
wurde die Initiative nach Beendigung der ersten Rotationsrunde weiter geführt. Mit
der griechischen Stadt Thessaloniki begann 1997 die zweite Runde der Kulturstädte
Europas. Da die Reihenfolge der zweiten Runde nicht klar geregelt war, kam es
schnell zu politischen Interventionen. Das Prinzip gleichberechtigter Rotation wurde
unterbrochen und zugunsten von Lobbystrategien und politischen Interessen
vernachlässigt. So basierte bspw. die Nominierung von Stockholm für das
Kulturstadtjahr 1998 hauptsächlich auf dem Umstand, dass Schweden 1995 der
Europäischen Union beitreten sollte und vorab ein Referendum der Bevölkerung
über den Beitritt entscheiden würde. Mit der Auswahl zur Kulturhauptstadt Europas
sollte das Referendum positiv beeinflusst werden. Basierend auf den intergouvernementalen Entscheidungsverfahren, wurde die Initiative also zunehmend als
politisches Instrument genutzt. Dieser Trend führte zu verstärkten Konflikten
zwischen den Mitgliedstaaten und gipfelte in der Entscheidung für das Jahr 2000.
Angesichts des symbolträchtigen Jahres und der hohen Bewerberzahlen konnte
sich der Rat nicht auf eine Auswahl zur Kulturstadt Europas einigen. Stattdessen
wurden alle neun Bewerberstädte akzeptiert.80 Die angestrebte Koordination
zwischen den Städten erwies sich jedoch als äußert problematisch, so dass der
77
78
79
80
Vgl. Ebenda.
Europäische Gemeinschaften (1985): Entschliessung der im Rat vereinigten für Kulturfragen
zuständigen Minister vom 13. Juni 1985 für die alljährliche Benennung einer Kulturhauptstadt
Europas, Luxemburg, S.2.
Vgl. Ebenda.
Vgl. Mittag, Jürgen (2008b): a.a.O.
29
Versuch mehrere Städte zu nominieren in diesem Maße nicht mehr wiederholt
wurde.81
Die erste Studie („European Cities of Culture and Cultural Months“ von John
Myerscough) über die Kulturstädte von 1985 bis 1994 wurde im Jahr 1994
veröffentlicht. Diese belegte zwar die positiven Effekte der Titelvergabe für die
jeweiligen Städte, kritisierte allerdings die mangelnde Vorbereitung vieler Städte.
Myerscough betont “Most of the Cities of Culture received their designation without
any prepared plans or published intentions.“82 83
Die im Vertrag von Maastricht festgelegten vertragsrechtlichen Grundlagen zur
europäischen Kulturpolitik gab schließlich den Rahmen zur Reform der
problembehafteten Kulturhauptstadtinitiative. Im Jahr 1999 wurde, basierend auf
dem Kulturartikel 128 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,
die zwischenstaatlich geregelte Kulturstadtinitiative in eine Gemeinschaftsaktion der
Europäischen Union umgewandelt.84 Der „Beschluss über die Einrichtung einer
Gemeinschaftsaktion zur Förderung der Veranstaltung Kulturhauptstadt Europas für
die Jahre 2005 - 2019“ stellte neue rechtsverbindliche Regelungen auf. Den
Kulturhauptstädten wurden konkrete Ziele sowie Planungs- und Evaluierungskriterien an die Hand gegeben. Dabei wurde eine Liste an Zielen aufgestellt, die sowohl
europäische Aspekte als auch kulturelle und städtische Aspekte umfasste. Formell
wurde der Titel von „Kulturstadt Europas“ in „Kulturhauptstadt Europas“ („European
Capital of Culture“ / ECOC) umbenannt, die Laufzeit des Kulturprogramms auf ein
Jahr fixiert und ein neuer Rotationsverlauf festgelegt. Die europäischen Institutionen
wurden am Auswahlverfahren beteiligt, so dass der Rat den Titel auf Empfehlung
der Europäischen Kommission und unter Stellungnahme des Europäischen
Parlaments zu vergeben hatte. Erstmals wurde die Einrichtung einer Auswahljury,
bestehend aus sieben europäischen Experten, festgelegt. Die Aufgabe der Jury
bestand in der Bewertung der Bewerberstädte. Darüber hinaus wurde die
Vorlaufzeit von zwei Jahre auf vier Jahre vor Beginn des Kulturhauptstadtjahres
erweitert. Die Kulturhauptstädte von 2005 bis 2009 basierten auf diesem Beschluss
während, für die Kulturhauptstädte von 2010, 2011 und 2012 bereits die
Übergangsregelungen des zurzeit aktuellen Beschlusses von 2006 galten und
gelten.85
Die Europäische Osterweiterung stellte die Kulturhauptstadtinitiative im Jahr 2004
erneut vor eine Herausforderung. Ohne das alte Rotationsprinzip vollkommen zu
überwerfen, wurde im Jahr 2005 mit einem Änderungsbeschluss eine Tandemstruktur festgelegt. Ab 2009 sollten jeweils zwei Städte pro Kulturhauptstadtjahr mit dem
Titel ausgezeichnet werden. Dazu sollte jeweils einer der 15 alten Mitgliedstaaten
und einer der 12 neuen Mitgliedstaaten als Gastland dienen. Im „Beschluss zur
81
82
83
84
85
Vgl. Pachaly, Christina, (2008): Kulturhauptstadt Europas Ruhr 2010 – Ein Festival als
Instrument der Stadtentwicklung, Graue Reihe des Instituts für Stadt– und Regionalplanung
Technische Universität Berlin Heft 12, Berlin.
Myerscough, John (1994): European Cities of Culture and Cultural Months – Full Report Study
prepared for the Network of Cultural Cities of Europe, Glasgow, S.9.
Vgl. Ebenda.
Vgl. Mittag, Jürgen (2008b): a.a.O.
Vgl. Europäische Union (Hrsg.)(1999): Beschluss Nr. 1419/1999/EG Des Europäischen
Parlaments und des Europäischen Rates vom 25. Mai 1999 über die Einrichtung eine
Gemeinschaftsaktion zur Förderung der Veranstaltung „Kulturhauptstadt Europas“ für die Jahre
2005 bis 2019, Luxemburg, S.1.
30
Änderung über die Einrichtung einer Gemeinschaftsaktion zur Förderung der
Veranstaltung Kulturhauptstadt Europas für die Jahre 2005 bis 2019“ wurde die
neue Reihenfolge zur Rotation der Veranstaltung festgelegt.86
3.2.1.3
Rechtlicher Beschluss aus dem Jahr 2006
Der „Beschluss über die Einrichtung einer Gemeinschaftsaktion zur Förderung der
Veranstaltung Kulturhauptstadt Europas für die Jahre 2007 bis 2019“ ist die zurzeit
letzte Reform der Kulturhauptstadtinitiative. Stark beeinflusst wurde diese Reform
von der 2004 veröffentlichten Studie „European Cities and Capital of Culture and the
European Cultural Month (1995 - 2004) “ von Robert Palmer. Die Studie untersuchte
die Kulturhauptstädte von 1995 bis 2004 und stellte fest, dass die Auszeichnung
„hinsichtlich der Medienresonanz, der kulturellen und touristischen Entwicklung
sowie der Sensibilisierung der Einwohner für die Bedeutung der Wahl ihrer Stadt
positive Auswirkungen“87 hatte. Dahingegen zeigte die Studie jedoch auch einige
Kritikpunkte am Konzept der Kulturhauptstadt Europas auf. Ein zentraler Punkt war
die unzureichende Evaluierung vieler Kulturhauptstädte. „robust evaluation and the
methodical collection and dissemination of practice and knowledge”88 wurde als
unerlässlich angesehen, um eine positive Weiterentwicklung der Initiative zu
sichern. Darüber hinaus bezeugte die Studie eine oftmals unzureichende
Einbindung der Europäischen Dimension sowie eine zu starke Einbindung rein
politischer Zielsetzungen in das Kulturhauptstadtprogramm. Schließlich betonte die
Studie „The EU should focus efforts on enhancing the visibility of the ECOC
designation, and improve procedures for selection of ECOC and the administration
of the scheme.”89 90 Vor diesem Hintergrund wurde die Reform des Jahres 2006
dazu genutzt, um das Auswahlverfahren transparenter zu gestalten. Die Vorlaufzeit
für das Kulturhauptstadtjahr wurde auf sechs Jahre erweitert, der Wettbewerb
zwischen den Städten durch die Einführung der Vorauswahl und der Endauswahl
gestärkt sowie die Zusammensetzung der Auswahljury durch unabhängige Experten
neu geregelt. Darüber hinaus enthielt der Beschluss von 2006 eine neu fixierte
Kriterienliste, welche die Stärkung der Europäischen Dimension, die Einbindung der
Bürger und die Forderung der Nachhaltigkeit des Kulturhauptstadtjahres betonte.
Die ebenfalls neu aufgenommene Regel zur Überwachungs- und Beratungsjury
sowie der Beschluss zur externen Evaluation des Kulturhauptstadtjahres trugen
ebenfalls den Kritikpunkten Rechnung.91 Während die Kulturhauptstädte von 2010
und 2011 und 2012 noch den Übergangsbestimmungen des aktuellen Beschlusses
unterlag bzw. unterliegen, tritt dieser Beschluss für die Kulturhauptstädte ab 2013
vollkommen in Kraft.92
3.2.2 Entwicklung der künstlerischen und konzeptionellen Ausgestaltung
Die künstlerisch-konzeptionelle Perspektive zeigt die Entwicklung der Kulturhauptstadtinitiative hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung auf. Dabei stehen die
86
87
88
89
90
91
92
Vgl. Europäische Union (Hrsg.)(2005)Beschluss zur Änderung über die Einrichtung einer
Gemeinschaftsaktion zur Förderung der Veranstaltung Kulturhauptstadt Europas für die Jahre
2005 bis 2019“, Luxemburg.
Europäische Union (Hrsg.)(2006): a.a.O.
Palmer, Robert (2004): European Cities and Capitals of Culture – Study prepared for the
European Commission Part I+II, Brüssel, S.23.
Ebenda, S.23.
Vgl. Ebenda.
Vgl. Mittag, Jürgen (2008b): a.a.O.
Vgl. Europäische Union (Hrsg.)(2006): a.a.O.
31
Städte und ihre Kulturprogramme im Vordergrund. Diese Entwicklung lässt sich
ebenfalls in drei Phasen aufteilen. Die erste Phase umfasst die Kulturhauptstädte
von 1985 bis 1989, darauf folgt eine Phase der Kulturhauptstädte von 1990 bis 2006
und die dritte Phase umfasst die Kulturhauptstädte ausgehend von 2007.
3.2.2.1
Kulturhauptstädte Europas der Jahre 1985 bis 1989
Die ursprüngliche Idee der Kulturhauptstadtinitiative zielte darauf ab, die Völker der
Mitgliedstaaten einander näher zu bringen. Mittel zum Zweck sollte die europaweite
Publizierung eines Bildes der „auf gemeinsamen Werten beruhenden und doch
vielfältigen europäischen Kultur“93 sein. In diesem Sinne erschien es zu Beginn der
Initiative sinnvoll, bereits anerkannte europäische Kulturmetropolen mit dem Titel
Kulturhauptstadt Europas auszuzeichnen. Mit der Auszeichnung der Städte Athen,
Florenz, Amsterdam, West-Berlin und Paris wurden in den 1980er Jahren also
ausnahmslos Städte gewählt, die ohnehin prägend für die Entwicklung der
europäischen Kultur waren. Im Sinne der Kulturförderung richteten diese Städte ihr
meist auf wenige Wochen oder Monate beschränktes Kulturstadtprogramm auf ihre
jeweiligen kulturellen Schwerpunkte aus. Das Athener Kulturprogramm behandelte
schwerpunktmäßig den Ursprung der klassischen Kultur des Westens, während das
Kulturprogramm in Florenz primär auf die Renaissance ausgerichtet war. Paris
integrierte das Kulturprogramm hingegen in die Feier zum 200. Jahrestag der
Französischen Revolution.94 Myerscough stellte in seiner Studie heraus: „The
designation City of Culture is given to the city rather than to an event, and not
always at the request of the city concerned, in the early days.“95 In diesem Sinne
zeichneten sich die ersten Kulturstadtjahre durch eine geringe Vorbereitungszeit,
einen niedrigen Geldetat und einer kaum sichtbaren europäischen Ausrichtung aus.
Der Titel wurde vornehmlich als Rahmen für bereits geplante oder regelmäßig
stattfindende Kulturevents genutzt und weniger zur gezielten Präsentation der
vielfältigen Kulturen Europas. Dennoch gelten die Bemühungen, insbesondere zur
Professionalisierung der frühen Kulturhauptstädte, als wichtiger Schritt in der
Entwicklung der Initiative.96
3.2.2.2
Kulturhauptstädte Europas der Jahre 1990 bis 2006
Ein wichtiger Wendepunkt in der Ausgestaltung der Kulturhauptstadtinitiative ergab
sich 1990 durch die Nominierung der schottischen Stadt Glasgow. Die Stadt
Glasgow war weniger durch eine prägnante kulturelle Vergangenheit, sondern
vielmehr durch vielfältige Probleme des industriellen Niedergangs gekennzeichnet.
„The title of European City of Culture was in Glasgow`s case bringing the status
rather than the status of the city bringing the title.”97 Die ursprüngliche Idee der
Kulturhauptstadtinitiative wurde neu interpretiert und mit Projekten sozialer,
kultureller und ökonomischer Zielsetzungen ausgefüllt. Die Stadt Glasgow
entwickelte erstmals ein einjähriges Kulturprogramm, das neben der europäischen
Ausstrahlung insbesondere auf eine nachhaltige Stadtentwicklung, Tourismusent-
93
94
95
96
97
Oerters, Kathrin (2008): Die finanzielle Dimension der europäischen Kulturhauptstadt–Von der
Kulturförderung zur Förderung durch Kultur, in: Mittag Jürgen (Hrsg.): Die Idee der Kulturhauptstadt Europas Anfänge, Ausgestaltung und Auswirkungen der Europäischen Kulturhauptstadt,
Essen, S.97.
Vgl. Mittag, Jürgen (2008b): a.a.O.
Myerscough, John (1994): a.a.O., S.9.
Vgl. Mittag, Jürgen (2008b): a.a.O.
Zit. in: Oerters, Kathrin (2008): a.a.O., S.98.
32
wicklung und Wirtschaftsentwicklung abzielte. Basierend auf einer langjährigen
Vorbereitung, einem nachhaltig integriertem Konzept und dem Einsatz eines hohen
Geldetats konnte Glasgow viele der selbst gesetzten Ziele verwirklichen. Aufgrund
dieser innovativen Neuausrichtung wurde das Kulturhauptstadtjahr 1990 zur
Referenz für viele der folgenden Kulturhauptstädte.98 Basierend auf dem Konzept
Glasgows, im Sinne des Grundsatzes „Förderung durch Kultur“, verfolgten viele der
folgenden Kulturhauptstädte ähnliche Ansätze. Dabei können grundlegend zwei
konzeptionelle Trends unterschieden werden. Städte wie Dublin (1991), Madrid
(1992) und Lissabon (1994) zielten mit der Kulturhauptstadtinitiative auf die
Verstärkung und Neubelebung ihrer bereits vorhandenen kulturellen Stärken und
Potenziale. Das Kulturhauptstadtjahr wurde traditioneller, in Anlehnung an die
ersten Kulturhauptstädte, gestaltet. Städte wie Antwerpen (1993), Kopenhagen
(1996) und Stockholm (1998) waren bis zum jeweiligen Kulturhauptstadtjahr kaum
als kulturelle Metropolen von außen wahrgenommen worden. Das Kulturhauptstadtjahr wurde in diesen Städten verstärkt durch partizipative Strategien ausgestaltet.
Allen Städten dieser zweiten Phase war gemein, dass sie je nach endogenen
Voraussetzungen vom vielbeschworenen „Glasgow-Effekt“ der Kulturhauptstadtinitiative profitieren wollten. Im Sinne eines Städtelifting- und Marketinginstruments
verfolgten die Städte vornehmlich das Ziel der Förderung des Tourismus, die
Aufbesserung des Images oder die Stärkung der Wirtschaft. Die ursprüngliche
Zielsetzung der Initiative zur Generierung eines europäischen Mehrwerts wurde
dabei oft sekundär behandelt.99
3.2.2.3
Kulturhauptstädte Europas ab dem Jahr 2007
Eine weitere Wendung in der Ausgestaltung der Kulturhauptstadtjahre fand im Jahr
2007 statt. Erstmals wurde eine Kulturhauptstadt aus den alten Mitgliedsstaaten
zusammen mit einer Kulturhauptstadt aus den neuen Mitgliedsstaaten der
Europäischen Union für ein gemeinsames Kulturhauptstadtjahr ernannt. Das erste
Tandem von einer west- und einer osteuropäischen Stadt waren Luxemburg und
Sibiu im Jahr 2007. Bis zum Jahr 2019 werden weitere Doppelbesetzungen der
Kulturhauptstadt Europas folgen. Als Grundsatz dieses Auswahlschemas galt und
gilt es, jeweils zwei Gastgeberländer auszuwählen, die möglichst viele Schnittstellen
und Kooperationsansätze gemeinsam haben. Folglich stärkte die Zusammenführung von Städten aus Ost- und Westeuropa den kooperativen Ansatz der Initiative
und schien zugleich die Europäische Dimension der Gemeinschaftsaktion neu zu
beleben. „Bereits im Fall von Luxemburg und Sibiu 2007 ist deutlich geworden, dass
zunehmend europäische Schlagwörter Einzug in das Programm halten und
Auswirkungen auf die Ausgestaltung des Kulturjahres haben“.100 Dem europäischen
Mehrwert, schien durch diese Entwicklung wieder mehr Gewicht zuzukommen.
Neben der verstärkten europäischen Kooperation zeichnete sich das Kulturhauptstadtjahr 2007 ebenfalls durch einen erstmals regionalen Kooperationsansatz aus.
Die Kulturhauptstadt Luxemburg setzte das Kulturhauptstadtjahr zusammen mit der
Großregion Saar-Lor-Lux in grenzüberschreitender Kooperation um. Die
Kulturhauptstadt aus dem Jahr 2010 „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“,
verstärkte diesen regionalen Kooperationsansatz. Erstmals wurde eine
Kulturhauptstadt in einer engen regionalen Kooperation mit 53 Kommunen
98 Vgl. Ebenda.
99 Vgl. Mittag, Jürgen (2008b): a.a.O.
100 Ebenda, S.91.
33
durchgeführt.101 Insbesondere vor dem Hintergrund des Konzepts „Europa der
Regionen“ könnte der regionalen Ebene bei den zukünftigen Kulturhauptstädten
Europas eine verstärkte Bedeutung zukommen.102
Die 25 jährige Entwicklung der Initiative Kulturhauptstadt Europas ist von einer
starken Eigendynamik geprägt. Der Rat der vereinigten Minister schuf ein
europäisches Instrument, das zunächst „außerhalb der konstitutionellen Grundlage
zum Gegenstand europäischer Politik wurde.“103 Auf recht vagen und mehrdeutigen
Formeln aufbauend und durch einen vorläufigen und zieloffenen Charakter definiert,
oblag es den jeweiligen Kulturhauptstädten die Initiative konkret auszugestalten. Mit
der Zeit nutzen die Städte den Titel zunehmend als wirksames Instrument der
Stadtentwicklung. Das europäische Kulturfest wandelte sich zum institutionellen
Großevent, welches zunehmend mit hohem finanziellem und intellektuellem
Aufwand verbunden war. Mit der steigenden Popularität wurden aber auch vermehrt
Kritikpunkte laut: Unprofessionelle Vorbereitung oder eine unzureichende
nachhaltige Wirkung des Kulturhauptstadtjahres erforderten mit der Zeit einen
immer stärkeren Regelungsbedarf. Durch die Vergemeinschaftung nahmen sich die
Europäischen Organe der Initiative an und setzten mit der Reform von 2006 ein
umfangreiches Regelwerk zur Kulturhauptstadt Europas auf. Darin sind sowohl die
ursprünglichen Ziele der Europäischen Union zur Herausstellung der Vielfalt der
europäischen Kulturen, sowie die Ambitionen der jeweiligen Städte zur nachhaltigen
Stadtentwicklung aufgenommen. Auf der Konferenz der Europäischen Kommission
„Celebrating 25 years of European Capitals of Culture“ im Jahr 2010 wurde
resümiert: „After 25 years, the ECoC title still has a high potential and it has
developed a strong brand value.”104 Für eine positive Weiterentwicklung gilt es „to
retain and to expand this brand value in the long term, it is essential to ensure that
the title remains credible and therefore to pay close attention to the quality and
prestige of every new Capital and the process and strategies around their
development.”105 Es wird deutlich, dass auch zukünftig sowohl die Europäische
Union als auch die jeweiligen Kulturhauptstädte aktiv an der Ausgestaltung der
Initiative Kulturhauptstadt Europas mitwirken müssen, um eine positive
Weiterentwicklung zu sichern.106
101
102
103
104
Vgl. Ebenda.
Vgl. Pachaly, Christina, (2008): a.a.O.
Mittag, Jürgen (2008b): a.a.O., S.92.
Europäische Kommission Generaldirektion Bildung und Kultur (Hrsg.) (2010c): Summary of the
European Commission conference „Celebrating 25 years of European Capitals of Culture“ –
Brussels, Brüssel, 23–24 March 2010, S.12.
105 Ebenda, S.12.
106 Vgl. Ebenda.
34
Abb. 4 Kulturhauptstädte Europas von 1985 bis 2010
1985
Athen (Griechenland)
1986
Florenz (Italien)
1987
Amsterdam (Niederlande)
1988
(West) Berlin (Bundesrepublik Deutschland)
1989
Paris (Frankreich)
1990
Glasgow (Großbritannien)
1991
Dublin (Irland)
1992
Madrid (Spanien)
1993
Antwerpen (Belgien)
1994
Lissabon (Portugal)
1995
Luxemburg (Luxemburg)
1996
Kopenhagen (Dänemark)
1997
Thessaloniki (Griechenland)
1998
Stockholm(Schweden)
1999
Weimar (Deutschland)
2000
Avignon (Frankreich) Bergen (Norwegen) Bologna (Italien) Brüssel
(Belgien) Helsinki (Finnland) Krakau (Polen) Prag (Tschechische
Republik) Reykjavik (Island) Santiago de Compostela (Spanien)
2001
Porto (Portugal) Rotterdam (Niederlande)
2002
Salamanca (Spanien) Brügge (Belgien)
2003
Graz (Österreich)
2004
Lille (Frankreich) Genua (Italien)
2005
Cork (Irland)
2006
Patras (Griechenland)
2007
Luxemburg - Region (Luxemburg) Sibiu (Rumänien)
2008
Liverpool (Großbritannien) Stavanger (Norwegen)
2009
Linz (Österreich) Vilnius (Litauen)
2010
Essen – Ruhrgebiet (Deutschland) Pécs (Ungarn) Istanbul (Türkei)
Entwurf:
Quelle:
Eigene Darstellung, Frankfurt 2010
Mittag, Jürgen (2008a): Einleitung, in: Mittag Jürgen (Hrsg.): Die Idee der Kulturhauptstadt
Europas Anfänge, Ausgestaltung und Auswirkungen Europäischer Kulturpolitik. Essen, S.11.
35
3.3 Kultur als Handlungsfeld der Europäischen Kulturhauptstadtinitiative
Seit Beginn der Initiative Kulturhauptstadt Europas stand die Kultur im Mittelpunkt
der Initiative. Der Kultur wurde in unterschiedlichster Art und Weise eingesetzt, um
die jeweiligen Ziele der Kulturhauptstädte umzusetzen. Das Verständnis darüber
was Kultur ist und wie Kultur im Rahmen des Kulturhauptstadtprogramms eingesetzt
wird, variierte jedoch von Kulturhauptstadt zu Kulturhautstadt. „No two cities are
alike and no two cities handle the yearlong jamboree in the same manner. […] Even
agreeing on what is meant by “culture” can be a program in itself.”107 Die jeweilige
Auslegung des Kulturbegriffs stellte die Basis zur konkreten Ausgestaltung des
jeweiligen Kulturhauptstadtjahres dar.
3.3.1 Einordnung des Kulturbegriffs
Für den Begriff Kultur gibt es in der Fachliteratur bis heute keine allgemeingültige
Definition. Vielmehr ergeben sich unterschiedlichste Begriffsbestimmungen je
nachdem in welchem Zusammenhang und von welcher Betrachtungsperspektive
aus der Begriff verwendet wird. Eine Differenzierung zwischen dem ethnologischen,
dem soziologischen und dem geographischen Kulturbegriff veranschaulicht die
Mehrdeutigkeit des Begriffs Kultur. Ethnologisch gesehen umfasst Kultur alle
Gewohnheiten und Fähigkeiten (Kunst, Glauben, Wissen), die sich der Mensch
durch das Leben in einer Gesellschaft aneignet. Diese Lebensweise, basiert auf
einem gedanklichen System das gemeinsame Wissensinhalte und Glaubensvorstellungen umfasst und als Grundlage für die menschlichen Entscheidungen dient. Der
soziologische Kulturbegriff bezeichnet alles Materielle und Nichtmaterielle, das vom
Menschen zielgerichtet geschaffen wird. Die innovativen Errungenschaften werden
von Generation zu Generation weitergegeben und weiterentwickelt. Nach dieser
Auffassung ist Kultur ein Lebensstil der sich vordergründig durch eine Alltagskultur
(Sport, Bücher, Musik) ausdrückt. Der geographische Kulturbegriff basiert auf einer
geographischen Grenze, einer gegenseitig verständlichen Sprache und
Ähnlichkeiten von Institutionen und ökonomischen Systemen. Kultur wird als eine
Mischung von eigenen Erfahrungen und Gegebenheiten von Menschen innerhalb
eines Raumes definiert. Einhergehend mit allen drei Kulturbegriffen gilt der
Grundsatz, dass „Kultur ein sich ständig wandelndes und lebendiges Phänomen“108
ist. Basierend auf einer andauernden Weiterentwicklung und den unterschiedlichen
Betrachtungsperspektiven wird deutlich, dass Kultur kein statischer, sondern ein
vielfältiger, sich wandelnder Begriff ist.109
3.3.2 Kultur im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadtinitiative
Im Rahmen der Initiative Kulturhauptstadt Europas wird der Reichtum und die
Vielfalt der europäischen Kulturen als zentraler Aspekt hervorgehoben. Die
Unterschiede sowie die Gemeinsamkeiten der europäischen Kulturen gilt es
während des Kulturhauptstadtjahres herauszustellen und zu würdigen.110 Dabei
werden jedoch weder durch die Rechtsbeschlüsse der Gemeinschaftsaktion
107 Europäische Kommission Generaldirektion Bildung und Kultur (Hrsg.)(2010e): European
Captials of Culture: the road to success – From 1985 to 2010, Brüssel, S.3.
108 Beaujean Katja & Eser Thiemo (2002): Kultur als räumlicher Entwicklungsfaktor im EUREK und
in der transnationalen Zusammenarbeit unter INTERREG, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 4/5 2002, S.211.
109 Vgl. Ebenda.
110 Vgl. Europäische Union (Hrsg.)(2006):a.a.O.
36
Kulturhauptstadt Europas noch durch den, der Initiative zugrunde liegenden KulturArtikel 151 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (ab 2009
Artikel 167 des Vertrags von Lissabon) bestimmt, wie die Europäische Union den
Begriff Kultur definiert. Im Vertrag von Maastricht wurde im Jahr 1992 erstmals die
Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft für kulturpolitisches Handeln
rechtsverbindlich festgelegt. Im Vorfeld von Maastricht hatte sich ein Ausschuss der
Europäischen Kommission mit der Frage, was Kultur für die Europäische
Gemeinschaft bedeute, auseinander gesetzt und wie folgt beantwortet: „Kultur ist
die Gesamtheit der zahlreichen, verschiedenartigen Sitten und Gebräuche, die in
allen Bereichen des täglichen Lebens ihren Ausdruck finden. In der Kultur spiegeln
sich unser jeweiliger Lebensstil, unsere Traditionen und Ideale wider. In ihr wurzeln
unsere Dialekte und unser Liedgut. Sie ist bestimmend dafür, wie wir eine
Liebeserklärung machen und wie wir unsere Toten beerdigen. Kultur ist somit das
bedeutsamste und stärkste Charakteristikum der menschlichen Gemeinschaft. […]
Kultur steht in engem Zusammenhang mit den direkten und indirekten Lernprozessen und der menschlichen Entwicklung schlechthin. Als dynamisches, in ständiger
Wandlung befindliches Element stellt sie eine Verbindung zwischen der
Vergangenheit und der Gegenwart dar.“111 Obwohl die juristische Fassung des
Kultur-Artikels 128 des Vertrags von Maastricht auf den Arbeiten des Ausschusses
basiert, wurde die Begriffsdefinition bewusst nicht in den Vertrag übernommen. Der
kulturpolitische Handlungsspielraum sollte nicht durch einen definierten Kulturbegriff
begrenzt werden. Dieser Grundsatz wurde auch in den folgenden Reformverträgen
beibehalten, so dass es bis heute keine offizielle Definition des Begriffs Kultur
seitens der Europäischen Union gibt. Der Initiative Kulturhauptstadt Europas liegt
seitens der Europäischen Union also keine einheitliche Definition des Begriffs Kultur
zugrunde. Vielmehr besteht ein unbestimmtes Kulturverständnis, dass den
Kulturhauptstädten die Integration von vielfältigen Interessenslagen, Zugängen und
Erwartungshaltungen für die Ausgestaltung des Kulturhauptstadtjahres ermöglicht.
Jede Kulturhauptstadt darf und muss den Kulturbegriff neu definieren.112
Die Studie “European Cities and Capital of Culture” zeigt, dass den bisherigen
Kulturhauptstädten jeweils verschiedene Kulturbegriffe zugrunde lagen. Es wird
belegt, dass die Auslegung des Kulturbegriffes bei vielen Kulturhauptstädten durch
die Zielsetzungen des Kulturhauptstadtjahres bestimmt wurde. “ECOC programs
were developed in relation to different definitions of culture”.113 Dabei basierten die
Kulturhauptstadtprogramme der meisten Kulturhauptstädte auf einem breiten
Kulturverständnis. „Cultural programs can also be charted along a scale that ranges
from traditional or classical forms of art and presentation to contemporary and
innovative forms of art and presentation.”114 Aufgrund wirtschaftlicher und sozialer
Gründe wollten die Kulturhauptstädte mit einem breiten Kulturverständnis möglichst
viele Zielgruppen ansprechen. Dadurch wurde zum einen der wirtschaftliche Profit
und zum anderen die Akzeptanz des Kulturhauptstadtjahres gefördert. „As a result
the ECOC program instantly became more inclusive, since it encompassed many
111 Bundeszentrale für Politische Bildung (Hrsg.)(2004): Europa fördert Kultur – Maastricht, Online–
Dokument: http://www.bpb.de/publikationen/GDHE9S,3,0,Europa_f%F6rdert_Kultur.html#art3,
Stand 24. Januar. 2011.
112 Vgl. Kühn, Manfred (2009): Regenerierung der Städte – Strategien der Politik und Planung im
Schrumpfungskontext, Wiesbaden.
113 Palmer, Robert (2004): a.a.O., S.64.
114 Ebenda, S.65.
37
things which involved people who were not (or were not thought to be) interested in
art.”115
Der Gemeinschaftsaktion Kulturhauptstadt Europas liegt ein offener Kulturbegriff
zugrunde. Seitens der Europäischen Union sollte ein möglichst breiter Handlungsspielraum bei kulturpolitischen Aktionen gesichert werden. Insofern haben die
Kulturhauptstädte als ausführende Instanz der Kulturhauptstadtinitiative, vielfältige
Möglichkeiten das Kulturhauptstadtjahr auszugestalten und Kultur nach eigener
Definition umzusetzen.116
3.4 Erfahrungen ehemaliger Kulturhauptstädte Europas
Die Erfahrungen der bisherigen Kulturhauptstädte zeigen auf, welche konkreten
Auswirkungen mittels Kultur im Rahmen der Kulturhauptstadtinitiative bisher erreicht
werden konnten. Dazu bietet die von der Europäischen Kommission in Auftrag
gegeben Studie „European Cities and Capital of Culture and the European Cultural
Month (1995 - 2004)“ von Robert Palmer einen zusammenfassenden Überblick. Die
Studie baut auf den Ergebnissen der Vorgängerstudie von John Myerscough
(„European Cities of Culture and Cultural Months“) auf, ist jedoch primär auf die
Untersuchung der Kulturhauptstädte von 1995 bis 2004 fokussiert. Dabei wurden
insbesondere die organisatorischen und finanziellen Aspekte sowie die sozialen,
wirtschaftlichen und kulturellen Auswirkungen der jeweiligen Kulturhauptstädte
analysiert. Methodisch basiert die Studie auf der Auswertung einschlägiger
Dokumente, schriftlicher Umfragen und Experteninterviews. Die jeweiligen Ziele der
Kulturhauptstädte sowie die konkreten Auswirkungen auf ausgewählte Strukturbereiche der Kulturhauptstädte, dargestellt in der Studie, geben einen Überblick über
die Möglichkeiten welche die Kulturhauptstadt Europas den bisherigen Titelträgern
bot.
3.4.1 Ziele der Kulturhauptstädte Europas
Die offiziellen Ziele der Kulturhauptstadtinitiative boten, unter anderem aufgrund des
unbestimmten Kulturbegriffs, vielfältige Interpretationsmöglichkeiten. „From the very
inception of ECOC, no city used the official wording when expressing […] [the] aim
and either added to or most often replaced the EU`s stated aim with a series of
alternative aims more aligned to its particular interests and ambitions.”117 Insofern
haben die zurückliegenden Kulturhauptstädte eine Reihe an unterschiedlichen
Zielsetzungen und Ambitionen mit dem Titel zur Kulturhauptstadt Europas
verbunden. Gemeinsam war allen zurückliegenden Kulturhautstadtstädten, dass sie
mehrere Ziele mit unterschiedlicher Priorität verfolgten. Zielsetzungen, die von
vielen Städten mit einer hohen Priorität verfolgt wurden, waren die internationale
Profilierung der Stadt, eine Verbesserung des Selbst- und Außenimages sowie die
Steigerung der Tourismuszahlen. Zielsetzungen vieler Städte mit geringerer Priorität
waren städtische Revitalisierungsmaßnahmen, eine Stärkung der Wirtschaft und
eine Vernetzung mit anderen Europäischen Städten. Es wird deutlich, dass die
115 Ebenda, S.136.
116 Vgl. Ebenda.
117 Ebenda, S.47.
38
europäische Dimension der Kulturhauptstadtjahre häufig hinter den Zielen zur Stadtund Regionalentwicklung zurück gestellt wurde.118
3.4.2 Auswirkungen der Kulturhauptstädte Europas
In der Studie wurden anhand verschiedener Perspektiven die konkreten
Auswirkungen der Kulturhauptstadt Europas auf die jeweiligen Städte untersucht.
Vor dem Hintergrund der Herausforderungen, denen Altindustrieregionen generell
gegenüber stehen (siehe Kapitel 2), werden im Folgenden insbesondere die
Auswirkungen auf den Städtebau und die Infrastruktur, die Auswirkungen auf das
Image und den Tourismus, sowie die Auswirkungen auf die Ökonomie behandelt.
3.4.2.1
Auswirkungen auf den Städtebau und die Infrastruktur
Infrastrukturelle Entwicklungsprojekte sowie städtebauliche Revitalisierungsmaßnahmen wurden von vielen Kulturhauptstädten als Ziele des Kulturhauptstadtjahres
benannt. Diese Ziele hatten meist eine niedrige Priorität, waren jedoch oft
entscheidend als Mittel zum Zweck für höher priorisierte Ziele, wie die Förderung
des Tourismus und die Stärkung des Images. Den kulturorientierten Maßnahmen
wie beispielweise Bauarbeiten an Museen, Theatern oder Galerien kam oft eine
stärkere Bedeutung zu als den nicht kulturorientierten Maßnahmen wie bspw.
Bauarbeiten an Bahnhöfen, Straßen oder Hotels.
Die gesamten Maßnahmen ehemaliger Kulturhauptstädte zur Verbesserung des
Städtebaus und der Infrastruktur ließen sich der Studie zufolge in vier Kategorien
zusammenfassen. Die erste Kategorie umfasste Maßnahmen zur Verbesserung der
Verkehrsinfrastruktur. Sowohl Flughäfen und Bahnhöfe als auch Parkhäuser wurden
im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas erneuert oder neu erbaut. Die zweite
Kategorie umfasste Maßnahmen zur Verbesserung der öffentlichen Anlagen.
Grünanlagen, wie Stadtparks, Stadtplätze oder Flusspromenaden, wurden
verschönert und neu gestaltet. Darüber hinaus haben viele Kulturhauptstädte das
öffentliche Beleuchtungssystem für das Kulturhauptstadtjahr erneuert. Die dritte
Kategorie umfasste Erneuerungsmaßnahmen der Baustruktur in den Kulturhauptstädten. Stadtbezirke wurden in unterschiedlichster Art und Weise verändert. So
wurden bspw. einzelne historische Gebäude zu Museen oder Galerien umgenutzt,
ganze historische Zentren restauriert oder ehemalige Industrieareale durch kreative
Quartiere neu genutzt. Die vierte Kategorie umfasste den Neubau von Veranstaltungsorten. Ausgerichtet auf spezielle Kulturhauptstadtevents wurden neue
Veranstaltungsorte erschlossen, erbaut und vernetzt. Viele Städte errichteten neue
Museen, Theater oder große Mehrzweckgebäude.
Obwohl die meisten solcher Maßnahmen im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas
durchgeführt wurden, waren nur wenige dieser Maßnahmen durch die Kulturhauptstadt direkt initiiert. Viele der Projekte waren bereits vor der Auszeichnung zur
Kulturhauptstadt in Planung und wurden lediglich im Zeitraum der Vorbereitungen
zum Kulturhauptstadtjahr fertig gestellt. „Many such projects nevertheless benefited
from the catalytic effect of the ECOC […] and from the optimism and ambition that
surrounded many ECOC.“119Die Auswirkungen der Kulturhauptstadt auf den
Städtebau und die Infrastruktur bestand insbesondere darin, dass bereits
entwickelte Projekte umgesetzt, geplante Projekte schneller fertig gestellt und
118 Vgl. Ebenda.
119 Ebenda, S.17.
39
stockende Projekte wieder neu belebt wurden. Insofern konnte die Kulturhauptstadt
insbesondere dafür genutzt werden um Investitionen in Maßnahmen des
Städtebaus und der Infrastruktur zur fördern und die Notwendigkeit der
Fertigstellungen der Planungen bis zum Kulturhauptstadtjahr zu erhöhen. Als
sichtbares Erbe der Kulturhauptstädte kamen sowohl den Baumaßnahmen
einzelner Gebäude als auch solcher ganzer Stadtquartiere eine wichtige Bedeutung
zu.120
3.4.2.2
Auswirkungen auf das Image und den Tourismus
Eine internationale Profilierung und die Stärkung des Tourismus wurden bei der
Zielsetzung der Kulturhauptstadt Europas von vielen Städten hoch priorisiert.
Sowohl die positiven Effekte auf die Wirtschafts- als auch auf die Imageentwicklung
gingen mit diesem Ziel einher. Darüber hinaus galt die Besucheranzahl einer
Kulturhauptstadt, seit Beginn der Initiative, als entscheidendes Vergleichskriterium
zur Bewertung von Kulturhauptstadtjahren. „Attracting visitors […] becomes one of
the main pieces of evidence to be cited for the success of an ECOC.”121
Während des Kulturhauptstadtjahres verzeichneten die meisten Städte ein starkes
Wachstum der Tourismuszahlen. Der durchschnittliche Zuwachs an Übernachtungsgästen lag in den Kulturhauptstädten zwischen 1995 und 2003 bei 12%. Die
Spannweite reichte dabei von einem Zuwachs der Übernachtungsgäste von 23 % in
Graz und einer Abnahme der Übernachtungsgäste von -6,7% in Prag. Insbesondere
kleine Kulturhauptstädte mit einem niedrigen Ausganswert erfuhren einen starken
Zuwachs an Touristen, während der Effekt in größeren Städten häufig kaum
auszumachen war. Generell hielt die positive Entwicklung des Tourismus sowohl bei
den kleinen als auch bei den großen Städten nach dem Kulturhauptstadtjahr an.
Zwar verzeichneten fast alle Städte einen Abschwung der Tourismuszahlen im
Folgejahr des Kulturhauptstadtjahres, dennoch war der Abschwung sehr viel
geringer als der Aufschwung während des Kulturhauptstadtjahres. Die stärkste
Besuchergruppe des Kulturhauptstadtjahres waren die lokalen Anwohner. Mit einem
Anteil zwischen 30-40% lagen sie über dem Anteil inländischer Besuchern (20-30%)
und den Besuchern aus dem Ausland (10-20%). Insbesondere Blockbuster Events
zogen viele Besucher an: „This hints at a pareto-effect in visitor attendance, where
20% of the events are likely to attract 80% of the audience.”122
Die Förderung der Besucherzahlen war bei vielen Städten mit dem Ziel der
Verbesserung des Images verbunden. Die Stadt sollte attraktiver werden, um
sowohl Besucher als auch Investoren langfristig anzuziehen. Viele Kulturhauptstädte zielten darauf ab, ein Kulturimage zu entwickeln oder das bestehende kulturelle
Image zu verbessern. Insofern sollte die kulturelle Dimension der Stadt gestärkt
werden. Die Entwicklung des Images war allerdings schwer zu messen. Aufgrund
dessen wurde in der Studie auf Untersuchungen der „Association for Tourism and
Leisure Education“ verwiesen. Anhand von regelmäßigen Besucherbefragungen
wurde in dieser Untersuchungsreihe die Imageentwicklung der Kulturhauptstädte
Rotterdam, Porto und Weimar untersucht. Während bei Rotterdam eine positive
internationale Imageentwicklung festgestellt wurde, verzeichnete Weimar keine
Veränderungen im internationalen Image und Porto einen negativen Imageeffekt. Im
120 Vgl. Ebenda.
121 Ebenda. S.127.
122 Ebenda, S.127.
40
Gegensatz zu Rotterdam hatten Porto und Weimar eine Verbesserung des
internationalen Images jedoch nur mit einer geringen Priorität verfolgt.
Die Erfahrungen bisherige Kulturhauptstädte zeigen, dass im Bereich des
Tourismus und des Images positive Effekte im Rahmen der Kulturhauptstadt erzielt
werden konnten. Am Beispiel der negativen Tourismusentwicklung in Prag wurde
jedoch deutlich, dass die Auszeichnung alleine keine positiven Effekte bewirkt. Die
Kulturhauptstädte mussten vielmehr intensiv und zielorientiert die Förderung des
Tourismus bzw. die Verbesserung des Images verfolgen. Darüber hinaus wurde in
der Studie darauf hingewiesen, dass die genauen Tourismuszahlen sowie die
Kausalität zwischen Kulturhauptstadt und steigenden Tourismuszahlen schwer zu
ermitteln war.123
3.4.2.3
Auswirkungen auf die Ökonomie
Nur wenige, der in der Studie untersuchten Kulturhauptstädte, formulierten klar
definierte wirtschaftliche Zielsetzungen. Die Förderung der Wirtschaft war jedoch an
viele andere Zielsetzungen gekoppelt. Beispielsweise brachten erhöhte
Tourismuszahlen ein Einkommen in Gastronomie oder Hotellerie mit sich,
städtebauliche Revitalisierungsmaßnahmen förderten das Baugewerbe oder die
Förderung von Kunst- und Kreativwirtschaft schaffte neue Arbeitsplätze. Aufgrund
fehlender Zielsetzungen und unzureichender Informationen konnten in der Studie
kaum wirtschaftliche Erfolge bei den jeweiligen Kulturhauptstädten evaluiert werden.
Aufbauend auf den Einschätzung und Erfahrungen der befragten Experten der
jeweiligen Kulturhauptstädte wurden in der Studie lediglich Möglichkeiten
aufgezeigt, in denen am ehesten ökonomische Erfolge durch die Kulturhauptstadt
generiert werden konnten. Demnach gab es fünf Sets von wirtschaftlichen Effekten,
um die Verbindung zwischen der regionalen Wirtschaft und der Auszeichnung zur
Kulturhauptstadt zu erfassen. Das erste Set umfasste die Auswirkungen, welche
durch das Event direkt generiert wurden. Das Management der Kulturhauptstadt,
die Ticketverkäufe zu Kulturhauptstadtveranstaltungen und das Merchandising
waren Beispiele, durch die direktes Einkommen erwirtschaftet wurde. Darüber
hinaus wurden in diesen Bereichen auf kurzfristige Sicht Arbeitsplätze geschaffen.
Das zweite Set umfasste die wirtschaftlichen Effekte, die durch die Ausgaben der
Besucher erzeugt wurden. Sowohl Tages- als auch Übernachtungsgäste brachten
der Gastronomie, der Hotellerie sowie dem Einzelhandel Einkommensgewinne. In
diesen Bereichen wurden ebenfalls neue Arbeitsplätze geschaffen. Je nach
Nachhaltigkeit des Tourismuswachstums waren diese kurzfristig oder langfristig
angelegt. Das dritte Set umfasste die Investitionstätigkeiten, die direkt mit der
Kulturhauptstadt verbunden waren. Städtebauliche Revitalisierungsmaßnahmen
oder Infrastrukturprojekte förderten das Baugewerbe und schafften ebenfalls auf
mittelfristiger und langfristiger Ebene neue Arbeitsplätze. Das vierte Set umfasste
wirtschaftliche Effekte, die aufgrund der Verbesserung der städtischen Attraktivität
entstanden. Investoren wurden angezogen und dadurch wirtschaftliche Folgeeffekte
generiert. In der Studie wurde darauf hingewiesen, dass die Kausalität zwischen der
Kulturhauptstadtauszeichnung und den Investitionstätigkeiten bis dahin nicht klar
belegbar war. Das fünfte Set umfasste die Steigerung des Images der Stadt durch
die Kulturhauptstadtauszeichnung. Verbunden mit einer steigenden Attraktivität des
Wirtschaftsstandortes sollten insbesondere qualifizierte Arbeitnehmer angezogen
123 Vgl. Ebenda.
41
werden. Jedoch war der Studie zufolge auch hierbei die Kausalität nicht klar
belegbar. Trotzdem wurde die Steigerung des Images und des Bekanntheitsgrades
als positiver Effekt für die Wirtschaft bisheriger Kulturhauptstädte gewertet.
Aufgrund fehlender Informationen konnte die Studie keine klaren Aussagen zur
Auswirkung der Kulturhauptstadt auf die Wirtschaft treffen. Dennoch scheint die
Kulturhauptstadt, basierend auf den Einschätzungen bisheriger Kulturhauptstadtakteure, in kurzfristiger Perspektive Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Entwicklung zu
bieten.124
3.5 Zwischenfazit
Es wird deutlich, dass die Gemeinschaftsaktion Kulturhauptstadt Europas als ein
dynamisches und vielfältiges Instrument eingesetzt werden kann. Sowohl die
Europäische Union als auch die Kulturhauptstädte selber haben die Kulturhauptstadtinitiative stetig geprägt. Eine kontinuierliche Weiterentwicklung und eine
beständige Offenhaltung des Kulturbegriffs machen die Initiative zu einem flexiblen
Instrument, das sowohl auf städtischer als auch auf regionaler Ebene vielfältig, im
Rahmen der kulturellen Entwicklung, eingesetzt werden kann. Trotz der vielfältigen
Möglichkeiten ist eine zielorientierte Ausgestaltung des Instruments Kulturhauptstadt Europas wichtig. Jede Kulturhauptstadt setzt das Instrument in einem
unterschiedlichen Kontext ein und daher muss das Instrument gut angepasst
werden. Als entscheidender Faktor zur erfolgreichen Umsetzung der Kulturhauptstadt Europas gilt es deshalb das Programm an endogenen Rahmenbedingungen
der jeweiligen Stadt auszurichten.
Die Erfahrungen zurückliegender Kulturhauptstädte zeigen, dass das Instrument
bereits in unterschiedlichst geprägten Städten erfolgreich eingesetzt wurde.
Insbesondere die Kulturhauptstadt Glasgow 1990 verdeutlichte, dass auch
Altindustrieregionen von der Auszeichnung profitieren können. Im Rahmen der
Kulturhauptstadtinitiative haben ehemalige Kulturhauptstädte bereits positive Effekte
im Bereich der städtebaulichen Revitalisierung, des Images oder der Wirtschaftsförderung erzielt. Darüber hinaus scheint die Kulturhauptstadt Europas Altindustrieregionen eine gute Möglichkeit zu bieten um mittels der Kultur neue Impulse in den
jeweiligen Regionen zu generieren. Die Etablierung neuer Netzwerke, die
Diskussion aktueller Probleme und die Sichtweise der Region aus einer kulturellen
Perspektive können in Altindustrieregionen neue Prozesse anstoßen und dabei
helfen den Anpassungsstau sowie die veraltenden Strukturen zu überwinden.
Endscheidend bleibt aber auch hier, dass die Möglichkeiten der Kulturhauptstadt
Europas an die endogenen Herausforderungen der jeweiligen Altindustrieregion
angepasst werden müssen.
124 Vgl. Ebenda.
42
4
Evaluation der Kulturhauptstadt
„Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“
Im Folgenden werden die Auswirkungen der Kulturhauptstadt „Glasgow 1990,
Cultural Capital of Europe“ auf die altindustriell geprägte Stadt Glasgow untersucht.
Im ersten Schritt wird die wirtschaftliche Entwicklung der Region Glasgows hin zur
Altindustrieregion dokumentiert. Daran anschließend werden wichtige Herausforderungen, denen die Stadt Glasgow in der Zeit vor der Ernennung zur Kulturhauptstadt gegenüber stand erarbeitet und erläutert. Im zweiten Schritt wird die
Entwicklung und Konzeption der Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital
of Europe“ dokumentiert. Im dritten Schritt folgt eine gezielte Untersuchung der
Auswirkungen der Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“ auf
die zentralen Problematiken, mit denen sich die Stadt Glasgow vor der Ernennung
zur Kulturhauptstadt auseinander zu setzen hatte. Schließlich wird ein zusammenfassendes Fazit gezogen, in denen die Auswirkungen der Kulturhauptstadt Europas
auf die Altindustriestadt Glasgow bewertet werden.
4.1 Altindustrieregion Glasgow
Die Stadt Glasgow ist eine historisch gewachsene Stadt, die hinsichtlich ihrer
wirtschaftlichen Entwicklung eng mit der ihr umgebenden Region verbunden ist.
Ausgehend vom 18. Jahrhundert hat sich der Raum Glasgow zu einer prosperierenden Wirtschaftsregion entwickelt. Mitte des 20. Jahrhunderts erlebte die Region
einen wirtschaftlichen Niedergang und entwickelte sich zur Altindustrieregion.
Stadtentwicklungsmaßnahmen haben in der Stadt Glasgow einen Strukturwandel
eingeleitet. Dennoch stand die Stadt Mitte der 1980er Jahre vor großen strukturellen
Herausforderungen. Diese waren weitestgehend durch die schwerindustrielle
Vergangenheit begründet.
4.1.1 Abgrenzung des Untersuchungsraumes
Die Stadt Glasgow, namentlich zurück zu führen auf den keltischen Begriff „Glasg
Ghu“ zu deutsche Grünes Tal, liegt im Vereinigten Königreich von Großbritannien
und Nordirland (Vereinigtes Königreich). Im Südwesten des Teilstaates Schottland
ist die Stadt im bevölkerungsreichten Raum des Teilstaates, dem sogenannten
„Central Belt“, nahe dem Schottischen Hochland angesiedelt. Der Fluss Clyde
verbindet die Stadt mit dem Firth of Clyde, welcher wiederum in den Atlantischen
Ozean mündet.125
Der Teilstaat Schottland genießt seit dem Jahr 1999 einen teilautonomen Status im
Vereinigten Königreich. Dem schottischen Parlament wurden, als gesetzgebendes
Gremium, Kompetenzen der schottischen Innenpolitik übertragen. Darüber hinaus
wurde Schottland mit der Verwaltungsreform aus dem Jahr 1996 neu strukturiert.
Die zweistufige Verwaltungsstruktur, bestehend aus „Regions“ und „Districts“, wurde
durch die einstufige Verwaltungsstruktur der „Unity Authorities“ ersetzt. Im Raum
Glasgow gingen aus einem Teilbereich der ehemaligen „Strathclyde Region“ und
dem ehemaligen „District Glasgow City“ die neue „Unity Authority Glasgow“
125 Vgl. Greiner, Johann (2005): Stadtmarketing in Europa – Glasgow und Stuttgart im Vergleich,
Marburg.
43
hervor.126 Die Verwaltungsinstanzen des „Strathclyde
Strathclyde Regional Council“
Council und des
„Glasgow District Council“ wurden durch die Verwaltungsinstanz des „Glasgow City
Council“ ersetzt. Dieser fungiert seitdem
seitdem als offizielle Verwaltungsinstanz der
d Unity
Authority Glasgow. Seine Aufgaben umfassen unter anderem Aspekte der
Raumplanung, polizeiliche Angelegenheiten, soziale Aspekte sowie kulturelle
Angelegenheiten.127 Die administrativen Grenzen des Glasgow City Council werden
im folgendem zur Abgrenzung
ung der Stadt Glasgow herangezogen.
Die Stadt Glasgow umfasst eine Einwohneranzahl von rund 585.000 Menschen und
ist damit die bevölkerungsreichste Stadt des Teilstaates Schottlands und die
drittgrößte Stadt des Vereinigten
Verein
Königreichs. Auf einer Gesamtfläche
äche von rund 175
Quadratkilometern ist die Stadt in zehn Stadtteile eingeteilt.128 Ausgerichtet an den
Wahlkreisen des „Westminster Parliament“ kann die Stadt in folgende Stadtteile
eingeteilt werden (Abb. 5): Glasgow North West, Glasgow
lasgow North, Glasgow North
East, Glasgow East, Glasgow
sgow South, Glasgow South West und
und Glasgow Central.129
Abb. 5 Glasgow Stadtgebiet und Stadtteile
Stadtgebiet
Stadtteile
Entwurf: Eigene Darstellung, Frankfurt 2010
Quelle:
Grafische Grundlage: Glasgow City Council (Hrsg.)(2010b):Glasgow City
Plan 3 - Development Plan Scheme, Online-Dokument.
Online
Die Stadt Glasgow ist stark mit ihrem Umland verbunden. Abgegrenzt als
Ballungsraum, Stadtregion oder Metropolregion wurden bis zur
zu Gegenwart
unterschiedliche Einzugsbereiche des Raumes Glasgow definiert. Für die
wirtschaftliche Entwicklung der Stadt ist die Abgrenzung des Raums Glasgow als
„Glasgow and Clyde Valley Conurbation“ von besonderer Bedeutung (Abb.
(
6). Die
Glasgow and Clyde Valley Conurbation umfasst eine Einwohnerzahl von rund 1,7
126 Vgl. Sturm, Roland (2008a): Regierung und Verwaltung, in: Informationen zur politischen
Bildung, Nummer 262 2008, S.8–16.
S.8
127 Vgl. Greiner, Johann (2005): a.a.O.
128 Vgl. Glasgow City Council (Hrsg.)(2010a): Key Facts, Glasgow, Online–Dokument:
Online Dokument:
http://www.glasgow.gov.uk/en/AboutGlasgow/Factsheets/Glasgow/KeyFacts.htm, Stand 24.
http://www.glasgow.gov.uk/en/AboutGlasgow/Factsheets/Glasgow/KeyFacts.htm,
Januar 2011.
129 Vgl. Scottish Politics Research Unit (HRsg.)(o.J.): Glasgow Council maps, Online–Dokument:
Online
http://www.alba.org.uk/maps/glasgowmaps.html, Stand 24. Januar 2011.
44
Millionen Menschen und eine Gesamtfläche von rund 3.500
3 500 Quadratkilometern.
Quadratkilometer
Verwaltungstechnisch setzt sich der Ballungsraum aus den Unity Authorities South
Lanarkshire, North Lanarkshire, East Dunbartonshire, West Dunbartonshire,
Inverclyde, Renfrewshire, East Renfrewshire und Glasgow City zusammen. Die
Stadt Glasgow stellte dabei von Beginn an das ökonomische,
ökonomische politische und
kulturelle Zentrum dieses Ballungsraumes dar.130 Die Umgrenzung der Glasgow
and Clyde Valley Conurbation werden im Folgenden zur Abgrenzung der Region
Glasgow herangezogen.
Abb. 6 Glasgow and Clyde Valley Conurbation
Entwurf: Eigene Darstellung, Frankfurt 2010
Quelle:
Grafische
he Grundlage: Glasgow City Council (Hrsg.)(2010b):Glasgow City
Plan 3 - Development Plan Scheme, Online-Dokument.
Online Dokument.
4.1.2 Wirtschaftliche Entwicklung
Die Region Glasgow, einschließlich der Stadt Glasgow, wurde ausgehend vom 18.
Jahrhundert kontinuierlich durch die
die wirtschaftliche Entwicklung geprägt. Die
Entwicklung hin zur prosperierenden Wirtschaftsregion, als auch der folgende
ökonomische Niedergang zur Altindustrieregion, hat Glasgow stark beeinflusst. Die
D
Wirtschaftsentwicklung
twicklung ist in eine Phase des wirtschaftlichen
ftlichen Aufschwungs und eine
Phase des wirtschaftlichen Niedergans zu untereilten.
4.1.2.1
Wirtschaftlicher Aufschwung
Die Entwicklung Glasgows zu einer prosperierenden Wirtschaftsregion ist
insbesondere durch zwei Faktoren begründet. Zum ersten galt Glasgows Lage
L
nahe
dem Atlantischen Ozean lange Zeit als Standortvorteil. Innerhalb des Vereinigten
Verein
130 Vgl. Glasgow and the Clyde Valley
Valley Structure Plan Joint Committee (Hrsg.)(o.J): Facts and
Figures of the Glasgow & Clyde Valley Structure Plan Area, Online–Dokument:
Online Dokument:
http://www.gcvcore.gov.uk/facts_figures/facts.htm, Stand 24. Januar 2011.
45
Königreichs war Glasgow eine der westlichst gelegenen Städte, die zudem einen
direkten Zugang zum Atlantischen Ozean aufweisen konnte. Zum zweiten verfügte
die Region Glasgow über reichhaltige Rohstoffvorkommen. Ausgehend vom
Erdzeitalter Karbon hatten sich Steinkohlevorkommen und Eisenerzvorkommen
über mehrere Millionen Jahren in der Region gebildet. Die sogenannten
kohleführenden Flöze und die eisenerzführenden Flöze konzentrierten sich südlich
der Stadt Glasgow in der ehemaligen Grafschaft Lanarkshire. Die Industrialisierung
Glasgows wurde von diesen beiden Standortfaktoren maßgeblich bestimmt.
Im 18. Jahrhundert entwickelte sich Glasgow zunächst zu einer bedeutenden
Handelsstadt. Ausschlaggebend war der „Act of Union“ aus dem Jahr 1707. Durch
den Zusammenschluss Schottlands und Englands zum Königreich Großbritannien
wurde die schottische Stadt Glasgow Mitglied der größten Kolonialmacht des 18.
Jahrhunderts. Glasgow, angebunden an den Atlantischen Ozean, profitierte schnell
von den Handelsbeziehungen zwischen den britischen Überseekolonien und dem
Königreich Großbritannien. Vom „Port of Glasgow“ war die Reisezeit nach Amerika
kürzer als von den meisten anderen britischen Städten. So wurde Glasgow zum
Umschlagplatz für Güter die von Amerika nach Europa transportiert, und für solche
die von Europa nach Amerika verschifft wurden. Das Haupthandelsgut stellte für
lange Zeit der Tabak dar. Bis zum Jahr 1775 entwickelte sich dieser zum
wichtigsten Wirtschaftszweig Westschottlands, wovon Glasgow als Handelsplatz
stark profitierte.131 Die sogenannten „Tobaccolords“ erwirtschafteten hohe Beträge
und investierten diese wiederum in die Entwicklung des Wirtschaftstandortes
Glasgow. Der Fluss Clyde wurde für die Schifffahrt ausgebaut und der Haupthafen,
bis dahin in der ehemaligen Grafschaft Inverclyde lokalisiert, wurde in die Stadt
Glasgow verlegt. Darüber hinaus wurde die Eisenbahnanbindung der Stadt
ausgebaut.132 Der amerikanische Unabhängigkeitskrieg setzte dem Tabakhandel
ein abruptes Ende. Daraufhin verschob sich der britische Handel zunehmend auf
die westindischen Inseln. Baumwolle, Rum und Zucker wurden zu den neuen
Importgütern der Handelsstadt Glasgow.
Begründet durch das Importgut Baumwolle entwickelte sich die Stadt zum
Industriestandort. „Aufbauend auf den traditionellen Kompetenzen in der
Leinenverarbeitung entwickelte sich nach 1780 eine prosperierende Baumwollindustrie. Um 1835 war die Textilherstellung zur Leitindustrie der Region geworden,
was den Beginn des Industriezeitalters in Glasgow markiert.“133 Diese Entwicklung
wurde durch die Entwicklung der Dampfmaschine bestärkt. Durch den Einsatz von
Dampfmaschinen konnten die Webstühle maschinell betrieben und zur
Massenproduktion genutzt werden. Konzentriert auf den Süden und Westen der
Region entstanden Spinnereien, Färbereien, Webereien und parallel dazu Betriebe
der chemischen Industrien.134 „Power looms began to be introduced in the first
decade of the 19th century and by 1829 there were 10,000 people at work in
131 Vgl. Enge, Thorsten (2005): Cluster im Strukturwandel alter Industrieregionen – Das Ruhrgebiet
und Glasgow im Vergleich, Dortmund.
132 Vgl. Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.)(1988): Erneuerung
einer alten Industriestadt–Galsgow`s miles better, Schriftenreihe Forschung des Bundesministers für Raumordnung Bauwesen und Städtebau Heft 454, Dortmund.
133 Enge, Thorsten (2005): a.a.O., S.47.
134 Vgl. Ebenda.
46
Scotland as power loom weavers, mostly in and around Glasgow.”135 Im 19.
Jahrhundert entwickelte sich Glasgow zu einem der wichtigsten Zentren der
Baumwollindustrie in Europa.136
Neben der Textilindustrie entwickelte sich die Schwerindustrie zu einer weiteren
Wachstumsbranche der Region. Das Fundament dieser Entwicklung stellten die
regionalen Kohlevorkommen und Eisenerzvorkommen dar. Diese waren östlich der
Stadt Glasgow in der ehemaligen Grafschaft Lanarkshire konzentriert. „Kohle und
Eisen bildeten für zahlreiche Branchen dieser Zeit einen unverzichtbaren Input. Hier
niedrige Transportkosten zu haben war ein bedeutender Wettbewerbsvorteil.“137 Um
die Transportkosten möglichst gering zu halten wurde die Eisenindustrie, zur
Produktion von Roheisen, im östlichen Umland der Stadt Glasgow angesiedelt. Der
direkte Zugriff auf Kohle und Erze waren ein bedeutender Standortvorteil. Die
Erfindung der Dampfmaschine löste, ebenso wie in der Textilindustrie, in der
Schwerindustrie einen Entwicklungsschub aus. Im Bergbau konnte der Kohleabbau
gefördert werden und auch der Maschinenbau in der Region wurde maßgeblich
beeinflusst. „With the growth in the use of steam engines there appeared small
engine shops where mechanics tinkered, repaired, coddled and refined the
temperamental machines. Steam obsessed in the inquiring minds of the age, and
the eighteenth century is punctuated with attempts of varying degrees of success to
apply the new power to transport.”138 Die Ingenieure in Glasgow erkannten früh die
innovative Anwendung der Dampfmaschine als Antrieb und entwickelten diesen
Ansatz konsequent weiter. Glasgow wurde so zum Zentrum für Lokomotivbau und
Schiffbau. Einhergehend mit der regionalen Nachfrage nach Eisen entwickelte sich
die Eisenindustrie ebenfalls weiter. Die Stahlindustrie, als Weiterentwicklung der
Eisenindustrie, wurde in der Region Glasgow befördert. An den traditionellen
Standorten der Eisenindustrie wurden bis 1885 zehn Stahlproduzenten errichtet.
Insbesondere der Maschinenbau wurde zum stärksten Abnehmer der regionalen
Stahlproduktion.
Im Rahmen der Schwerindustrie, entwickelte sich der Glasgower Schiffbau zur
stärksten Wirtschaftsbranche. Entlang des Flusses Clyde entstand eine
umfangreiche Schiffbauindustrie. Gefördert wurde die Schiffbauindustrie durch eine
hohe Nachfrage auf dem britischen Markt. Ausschlaggebend für die Etablierung des
Schiffbaustandorts Glasgow war jedoch die Innovationsfähigkeit der Glasgower
Unternehmer im 19. Jahrhundert. Die Dampfmaschine als neuer Antriebe für Schiffe
und die Einführung neuer Schiffsrümpfe aus Stahl machten den Standort am Clyde
zum innovativen Pionierstandort. Einhergehend mit dem technologischen
Paradigmenwechsel von Segelschiffen aus Holz zu Dampfern aus Eisen und Stahl,
entwickelte sich Glasgow zu einem der führenden Schiffbaustandorte der Welt. In
der Zeit zwischen 1870 bis 1913 lag der Anteil des Standorts Glasgow am
gesamten britischen Schiffbau zwischen 25% und 40%. Zum Höhepunkt der
Werftindustrie beschäftigten die 39 Werften am Clyde rund 60.000 Beschäftigte in
der Schiffbauindustrie. Hinzu kamen weitere 40.000 Zulieferbeschäftigte. Der
Ausdruck „Clyde built“ wurde in der Werftindustrie zu einem weltweit geachteten
135 Moss, Michael (2004): Industrial Revolution 1770s to 1830s, in: TheGlasgowStory Consortium
(Hrsg.): The Glasgow Story, Online–Dokument: http://www.theglasgowstory.com/storyc.php,
Stand 24. Januar 2011.
136 Vgl. Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.)(1988): a.a.O.
137 Enge, Thorsten (2005): a.a.O., S.48.
138 Zit. in: Enge, Thorsten (2005): a.a.O., S.49.
47
Qualitätsprädikat und verdeutlicht die wirtschaftliche Bedeutung die der Schiffbau
für die Region bis ins 20. Jahrhundert einnahm.
Der wirtschaftliche Erfolg der Region Glasgow war im Verbund der Schiffbauindustrie, dem Maschinenbau, der Eisen- und Stahlindustrie und der Textilindustrie
begründet.139 Diese hatten eine gegenseitig verstärkende Wirkung. „At the end of
the nineteenth century, however, there was hardly a branch of engineering that was
not represented in Glasgow. The concentration of population and of industrial and
commercial power confirmed Glagsow`s position as the economic hub of Scotland
and one of the greatest workshops of the world. By 1890 Glasgow was a world
metropolis with a justifiable claim to be the Second City of the Empire.”140
Einhergehend mit dem wirtschaftlichen Aufschwung hatten sich die Strukturen der
Stadt Glasgow stark verändert. Der Aufschwung der Stadt zum zweiten Zentrum
des Vereinigten Königreichs spiegelte sich im Städtebau wieder. Im 18. Jahrhundert
investierten viele der erfolgreichen Händler in prachtvolle Wohngebäude und
öffentliche Parkanlagen. Spektakuläre Häuser und Monumente prägten die Stadt
und verliehen ihr einen viktorianischen Architekturstil. Mit Beginn der Industrialisierung wurde das Stadtbild zunehmend durch Industrieanlagen geprägt. Große
Industrieareale wurden von den Unternehmern in Anspruch genommen. Damit
einhergehend veränderte sich die Stadtstruktur durch eine rasante Bevölkerungszunahme. Arbeiter und ihre Familien aus dem Schottischen Hochland, England sowie
Irland wurden durch die hohe Nachfrage nach Industriearbeitern in die Stadt
gezogen. Während im Jahr 1780 rund 43.000 Einwohner in Glasgow lebten, stieg
die Einwohnerzahl bis zum Jahr 1841 auf 274.000 Bewohner an. Die jährliche
Steigerungsraten lagen bei bis zu 30%. Der Höchststand der Bevölkerungsentwicklung wurde im Jahr 1912 mit einer Einwohneranzahl von etwas mehr als einer
Millionen Menschen verzeichnet.141 Innerhalb kürzester Zeit wurden neue
Arbeitersiedlungen errichtet. Die ehemaligen Stadtstrukturen wurden weitestgehend
überformt und die Stadtgrenzen weiter nach außen verschoben. Die Stadt Glasgow
verschmolz zunehmend mit den Vororten. Viele der Arbeitersiedlungen bestanden
aus viergeschossigen Mietshäusern, den sogenannten „Tenement Häusern“, in
denen Arbeiterfamilien auf engstem Raum wohnten. „For most working families in
Glasgow, home was a tenement house in which they occupied one or two rooms.
Here they shared a common entrance, as well as a shared toilet and wash-house. In
the same space, people washed, cooked, slept, lived and died.”142 Der hohe
Bevölkerungszuwachs verschärfte den Wohnungsdruck und die steigende
Bevölkerungsdichte der Stadt. „Trotz enormer Bautätigkeit galten auch noch am
Ende des 19. Jahrhunderts Glasgows Arbeitersiedlungen als Orte katastrophaler
hygienischer Bedingungen. Ein Gürtel von Slumvierteln entwickelte sich um die
Stadt.“143 Gestärkt wurden die katastrophalen Lebensverhältnisse durch einen
unzureichenden Umweltschutz. So flossen Mitte der 1870er Jahre rund 40 Millionen
Gallonen (über 150 Millionen Liter) Abwasser in den zentral gelegenen Stadtfluss
Clyde. Dominiert durch die industriellen Abwässer verkam der Clyde zunehmend
139
140
141
142
Vgl. Ebenda.
Zit. in: Ebenda, S.54.
Vgl. Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.)(1988): a.a.O.
Fraser, Hamish (2004): Industrial Revolution 1770s to 1830s Everday Life The Home, in:
TheGlasgowStory Consortium (Hrsg.): The Glasgow Story, Online–Dokument:
http://www.theglasgowstory.com/story.php?id=TGSCA04, Stand 24. Januar 2011.
143 Greiner, Johann (2005): a.a.O., S.107.
48
zum offenen Abwasserkanal, und verstärkte dadurch die schlechten Lebensbedingungen vieler Arbeiterfamilien.144
4.1.2.2
Wirtschaftlicher Niedergang
Die Entwicklung der Region Glasgow zur prosperierenden Industrieregion war
weitestgehend durch die Verbundwirtschaft, bestehend aus dem Schiffbau, dem
Maschinenbau, der Eisen- und Stahlindustrie und der Textilindustrie, begründet. Der
enge Verbund der verschiedenen Industriebranchen war jedoch zugleich
ausschlaggebend für den wirtschaftlichen Niedergang der Region. Die Textilindustrie kam bereits früher als die anderen Branchen in eine Krise. Bedingt durch starken
Konkurrenzdruck mit Standorten in der englischen Grafschaft Lancashire, den
Vereinigten Staaten von Amerika und Asien ging die Textilindustrie in Glasgow
bereits Mitte des 19. Jahrhunderts nieder.145 Obwohl mit dem Niedergang viele
Arbeitsplätze verloren gingen, blieben verheerende Auswirkungen auf die
Arbeitsstruktur der Region aus. Die Schwerindustrie als wachsende Wirtschaftsbranche, insbesondere der Schiffbau, löste die Textilindustrie als regionale
Leitindustrie ab. Das Verhältnis von Textilarbeitern zu Werftarbeitern kehrte sich in
dem Zeitraum von 1861 bis 1911 von 9 zu 1 auf 40 zu 1 zugunsten des Schiffbaus
und der Folgeindustrien um.146 Im Saldo gingen also keine Arbeitsplätze verloren,
sondern es wurden neue Industriearbeitsplätze in der Region geschaffen. Durch
den Niedergang der Textilindustrie, entwickelte sich die Region jedoch zu einem
stark monostrukturierten Raum der Schwerindustrie.
Während der Niedergang der Textilindustrie durch den Aufschwung der
Schwerindustrie kompensiert werden konnte, stellte sich der Niedergang der
Schwerindustrie als sehr viel folgenreicher dar. Bereits zu Anfang des 20.
Jahrhunderts zeigten sich erste Anzeichen eines Niedergangs. Die Nachfrage der
Rüstungsindustrie während der beiden Weltkriege, die konjunkturellen Aufschwüngen in den Nachkriegszeiten und die Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren
führten dazu, dass der endgültige Niedergang der Glasgower Schwerindustrie erst
ab den 1950er Jahren einsetzte.147 Ausschlaggebend waren dafür zunächst extern
veränderte Rahmenbedingungen. Nach dem zweiten Weltkrieg brach das britische
Kolonialreich endgültig zusammen und setzte die Handelsstadt Glasgow der
Herausforderung
neuer
Welthandelsbeziehungen
entgegen.
Technische
Weiterentwicklungen lösten den Rohstoff Kohle als Energieträger zunehmend ab,
so dass auch die Glasgower Abbaugebiete einer veränderten Nachfrage gegenüber
standen. Darüber hinaus wurde der Schiff- und Maschinenbau weltweit durch neue
Einflussfaktoren bestimmt. Neue Techniken und veränderte Standortanforderungen
setzten den Glasgower Schiff- und Maschinenbau zunehmend unter Druck.148
Die Akteure des Schiffbaus am Standort Clyde kümmerten sich zunächst wenig um
diese Entwicklungen. Nach dem zweiten Weltkrieg behaupteten sich am Clyde 36
Schiffbauunternehmen und die Werften Glasgows beschäftigten rund 28.000
Menschen. Der Anteil des Standorts Clyde an der Produktion des weltweiten
Schiffbaus betrug im Jahr 1947 rund 18%. Doch die veränderten Rahmenbedingun144 Vgl. Ulsamer, Cordula (1991): Eine Reise zum Rande Europas – Schottland das Nordseeöl und
die britische Wirtschaft, Schondorf.
145 Vgl. Greiner, Johann (2005): a.a.O.
146 Vgl. Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.)(1988): a.a.O.
147 Vgl. Enge, Thorsten (2005): a.a.O.
148 Vgl. Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.)(1988): a.a.O.
49
gen machten sich auch hier bald bemerkbar. Aufgrund unzureichender
Anpassungen an neue Entwicklungen, erlebte der Glasgower Schiffbau einen
schleichenden Zusammenbruch. Während der gesamte britische Schiffbau den
Weltmarkt mit einem Produktionsanteil von 57% im Jahr 1947 noch klar anführte,
fiel der Anteil in den nächsten 50 Jahren auf unter 1% zurück. Diese Entwicklung
zeigte sich auch am schottischen Standort Glasgow. Der Niedergang am Clyde war
insbesondere durch den steigenden Konkurrenzdruck mit den neuen Schiffbaustandorten in den Vereinigten Staaten von Amerika, Deutschland und Japan beeinflusst.
Insbesondere die asiatischen Standorte setzten neue Maßstäbe durch niedrige
Lohnkosten und zunehmende Massenproduktion einfacher Schiffskonstruktionen.
Zudem konnte die Nachfrage von immer größeren Schiffen am Standort Clyde nicht
bedient werden. Während die japanischen Unternehmer Werften mit zu geringen
Wassertiefen konsequent an Standorte größerer Wassertiefen verlegte, wagte
keiner der Werftbetreiber am Clyde die traditionellen Standorte der ebenfalls zu
kleine Werften zu verlagern. Vielmehr wurde an den traditionellen Strukturen und
eingefahrene Routineabläufen festgehalten. Im Gegensatz zu den neu gebauten
Werften in Amerika und Asien stammten die Werften in Glasgow noch aus Zeiten
vor den beiden Weltkriegen. Die Strukturen hatten sich historisch entwickelt und
über Jahrzehnte etabliert. Dass dies durchaus hinderlich war zeigte sich bspw. bei
der Einführung des Dieselmotors. Die Akteure des Schiffbaustandorts am Clyde
setzten zunächst auf die Weiterentwicklung der bewährten Dampfmaschine als
Schiffsantrieb anstatt die neue Entwicklung des Dieselmotors mitzutragen. In den
1950er Jahren setzte sich der Dieselmotor als dominierender Antrieb endgültig
durch, was zugleich einen technologischen Paradigmenwechsel darstellte. „Für
diese neue Technologie fehlte im Schiffsmaschinenbau am Clyde die notwendigen
fachlichen Kompetenzen, und zugleich galt die Dampfturbine in der Region als der
natürliche Nachfolger der Dampfmaschine.“149 Anstatt die bewährten Strukturen
aufzubrechen und sich auf die neue Entwicklung auszurichten, hielten die Akteure
am Altbewährten fest. Anhand dieses Beispiels wird deutlich, dass die Werften am
Clyde ihre Innovationskraft verloren hatten. Als Folge davon lösten sich die
britischen Reedereien zunehmend von den heimischen Werften. Eine verringerte
Nachfrage führte zum Konkurs vieler Werften und einhergehend damit zu immensen
Arbeitsplatzverlusten in der Region.150 Bis zum Jahr 1990 schlossen 37 der einst 39
Werften. Die zwei bestehenden Werften am Clyde beschäftigten nur noch rund
6.000 Arbeiter.151 Diese Werften waren auf die Herstellung von Kriegsschiffen
spezialisiert und hatten damit, im Gegensatz zu den Standorten in Asien, ein
hochwertiges, technisch anspruchsvolles Feld belegt.
Die Entwicklung der dominierenden Industriebranche des Schiffbaus stand in enger
Korrelation mit der Entwicklung der regionalen Eisen- und Stahlindustrie. Die
Schiffbauten der regionalen Werften stellten den Hauptabnehmer für die regionale
Eisen- und Stahlproduktion dar, welche wiederum stark an den regionalen
Kohleabbau gekoppelt war. Die Einbrüche des Schiffbaus wirkten sich also direkt
auf die heimische Stahlindustrie und folglich ebenso auf den heimischen Bergbau
aus. Hinzu kamen veränderte Rahmenbedingungen im Welthandel. Der
149 Enge, Thorsten (2005): a.a.O., S.69.
150 Vgl. Ebenda.
151 Vgl. Schiller, Tobias (2007): Glasgow 1990 – Ruhrgebiet 2010 Aus Industriestädten werden
Kultur(haupt)städte – Kultur als Motor der Revitalisierung altindustrieller Städte und Regionen –
Ein Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung?, Diplomarbeit, Tübingen.
50
Zusammenbruch der britischen Kolonialmacht veränderte die Außenhandelsoptionen der britischen Stahlproduzenten. Auch die Bedeutung der Standortvorteile für
die Stahlproduktion veränderte sich. Sinkende Transportkosten, erhöhte Nachfrage
nach hochwertigen Erzen und veränderte Produktionsverfahren machten den
Anschluss an Ladehäfen zunehmend wichtiger als den Anschluss an Kohlevorkommen. Zusätzlich verstärkt durch die weltweite Stahlkrise in den 1970er Jahren
ging die Eisen- und Stahlindustrie in der Region Glasgow bis in die 1990er Jahre
vollkommen nieder. Im Jahr 1992 wurde das letzte Werk der Eisen- und
Stahlindustrie im Raum Glasgow geschlossen.152
Die Strukturen der Stadt Glasgow wurden durch den wirtschaftlichen Niedergang
stark geprägt. „Zunehmend wurde die Stadt seit dem Ende der 50er Jahre eine
riesige Konzentration brachliegender Kapazitäten: von Menschen, Fabriken,
Wohnhäusern.“153 Durch die Prozesse der Deindustrialisierung verloren viele
Menschen ihren Arbeitsplatz. Im Zeitraum von 1971 bis 1981 wurden im
produzierenden Gewerbe rund 38% der Arbeitsplätze abgebaut.154 Da die Region
stark durch die Verbundwirtschaft geprägt war, standen kaum kompensierende
Arbeitsplätze zur Verfügung. Vielmehr erschwerten die altindustriellen Strukturen
und die periphere Lage in Europa die Ansiedlung neuer Industriebranchen in
Glasgow. Etliche Großbetriebe gingen bankrott und hinterließen verfallene
Industriebetriebe und kontaminierte Industrieflächen. Andere Betriebe zogen aus
der Region ab und mit ihnen häufig die leistungsstarken und qualifizierten
Bürgerschichten.155 Allein im Zeitraum von 1960 bis 1980 reduzierte sich die
Einwohnerzahl Glasgows um über 25%.156 Das Stadtbild wurde von diesen
negativen Entwicklungen stark beeinträchtigt. Aufgrund der steigenden Armut und
der mangelnden Finanzkraft von Wohnungseigentümern und den Kommunen
blieben notwendige Erneuerungen der Wohnquartiere aus. Obwohl der Abzug vieler
Einwohner die Bevölkerungsdichte Glasgows erleichterte, blieben die schlechten
Lebensbedingungen dennoch bestehen. Insofern waren insbesondere die
Wohnsituation der zurück gebliebenen Arbeiterfamilien und die Entwicklung der
zahlreichen Industriebrachen innerhalb der Stadt, Herausforderungen im Sinne
einer durchdachten und strukturierten Neuplanung für die Kommunen.157
4.1.3 Ansätze der Stadtentwicklungspolitik
Durch den Niedergang der Schwerindustrie stand die Stadt Glasgow einem
umfassenden Strukturwandel gegenüber. Die Stadtentwicklungspolitik der lokalen
Verantwortungsträger ging einher mit zentral gesteuerten strukturpolitischen
Maßnahmen der britischen Zentralregierung. Ausgehend von den 1950er Jahren ist
die Stadtentwicklungspolitik in drei Phasen einzuteilen.
4.1.3.1
Phasen der Stadtentwicklungspolitik
Die erste Phase der Stadtentwicklungspolitik Glasgows ist auf die Jahre von 1950
bis 1970 datiert und folgte der Prämisse der Dezentralisierung. Da der wirtschaftli152 Vgl. Enge, Thorsten (2005): a.a.O.
153 Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.)(1988): a.a.O., S.29.
154 Vgl. Gómez, María (1998): Reflective Images The Case of Urban Regeneration in Glasgow and
Bilbao, in: Journal of Urban Regional Research, Nummer 22.1 1998, S.106–221.
155 Vgl. Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.)(1988): a.a.O.
156 Vgl. Greiner, Johann (2005): a.a.O.
157 Vgl. Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.)(1988): a.a.O.
51
che Niedergang der Leitindustrien in der Nachkriegszeit erst langsam von den
lokalen Akteuren wahrgenommen wurde, konzentrierte sich die Stadtentwicklungspolitik zunächst auf das offensichtliche Problem der desolaten Wohnverhältnisse.
Ein Großteil der Bevölkerung Glasgows lebte auf engstem Raum. Die Dichtewerte
lagen in den 1950er Jahren bei 800-1400 Einwohnern je Quadratkilometer. Zur
Verminderung der Wohndichte wurde im Jahr 1946 der „Clyde-Valley Regional
Plan“ im Auftrag der Zentralregierung von den lokalen Verantwortlichen entworfen.
Mit der Umsetzung des Plans wurden zwei Strategien verfolgt. Zum ersten wurden
„New Towns“ außerhalb der Stadtgrenzen gegründet und bestehende Vororte
konsequent erweitert. Zum zweiten wurden „Periphal Housing Estates“ als
Hochhaussiedlungen in den Randgebieten der Stadt errichtet. Rund eine halbe
Millionen Menschen sollten dem Plan zufolge von der Innenstadt in die neuen
Siedlungen umgesiedelt werden. Parallel dazu wurden in der Innenstadt
„Comprehensive Development Areas“ ausgewiesen. In diesen Sanierungs- und
Abbruchgebieten wurden mittels Flächensanierung die historisch gewachsenen
Strukturen vieler Tenement Siedlungen systematisch zerstört. Diese Flächen sollten
zum Neubau entdichteter Wohnbebauung genutzt werden. Diese Stadtentwicklungsstrategie wurde bis in die 1970er Jahre verfolgt. Im Rückblick wurde diese
Politik als „kommunalpolitisch legitimierte Stadtzerstörung“158 bewertet und war in
weiten Teilen fehlgeschlagen. Der Abriss historisch gewachsener Strukturen und
wertvoller Bausubstanzen wurde ebenso wie die Errichtung monotoner, und später
zu sozialen Brennpunkten verkommener, Hochhaussiedlungen kritisiert. Darüber
hinaus zogen insbesondere die jungen und qualifizierten Einwohnerschichten in die
„New Towns“, denen wiederum Betriebe und Unternehmen folgten. Die Innenstadt
verlor, bestärkt durch den wirtschaftlichen Niedergang und dadurch ausgelösten
Abwanderungswellen, in kurzer Zeit über 400.000 Einwohner und die wenigen
starken Unternehmen. Die Dezentralisierungspolitik verstärkte somit den natürlichen
Prozesse der Deindustrialisierung und hat der Stadt Glasgow insgesamt mehr
geschadet als geholfen. Diese Erkenntnis setzte sich jedoch nur langsam durch. Im
Jahr 1974 wurden die Flächensanierungen schließlich gestoppt.159
Die zweite Phase der Stadtentwicklungspolitik währte von 1970 bis 1980 und
umfasste Maßnahmen der erhaltenden Stadterneuerung. In dieser Zeit war der
Niedergang der alten Industrien bereits stark voran geschritten. Hohe Arbeitslosenzahlen und zunehmende Betriebsschließungen prägten das Stadtbild der Stadt
Glasgow. Die Zentralregierung in London reagierte auf den ökonomischen
Niedergang zunächst mit einer umfangreichen Subventionspolitik. Eingebunden in
die Ideologie des Wohlfahrtstaates der amtierenden Regierung sollten umfangreiche
Umbauprozesse in den veralteten Industriestrukturen mittels staatlicher
Subventionen initiiert werden. Die Förderung war zunächst auf wenige Jahre
beschränkt, dauert dennoch bis Ende der 1970er Jahre an. Bedingt durch die hohe
Arbeitslosigkeit, der Angst vor sozialen Unruhen und durch politische Interventionen
hatte sich die Zentralregierung zunehmend in die Belange der niedergehenden
Industrien Großbritanniens, darunter die Schwerindustrie in Glasgow, verwickelt.
Verstaatlichungen und Subventionen konnten den alten Industrien Glasgows jedoch
nicht zu neuem Wachstum verhelfen.160 Das Stadtbild von Glasgow wurde in dieser
Zeit zunehmend von verlassenen Industrieanlagen geprägt. Hinzu kamen die
158 Greiner, Johann (2005): a.a.O., S.109.
159 Vgl. Ebenda.
160 Vgl. Enge, Thorsten (2005): a.a.O.
52
großen innerstädtischen Brachareale die von den Flächensanierungen früherer
Konzepte herrührten. Die neue Stadtentwicklungspolitik versuchte diese Missstände
zu beheben und verfolgte eine Stärkung der innerstädtischen Gebiete. Es sollten
keine weiteren Abrisse stattfinden, sondern Teile der historischen Bausubstanz und
des viktorianischen Architekturstils erhalten bleiben.161 Der „Strathclyde Regional
Report“ wurde im Jahr 1976 erarbeitet und legte Maßnahmen zur Revitalisierung
des Zentrums und der regionalen Wirtschaftsförderung fest. Zur Umsetzung trug
die, im Jahr 1975 auf Initiative der Zentralregierung gegründete, „Scottish
Development Agency“ bei. „Als zentrale Institution und wichtiges Instrument zur
Förderung der schottischen Wirtschaft durch die britische Regierung in London
sollte die SDA [Scottish Development Agency] zukünftig den Strukturwandel hin zur
Dienstleistungsgesellschaft begleiten.“162 In Glasgow wurden mittels der Scottish
Development Agency die ersten Großprojekte zur Revitalisierung der Kernstadt und
zur Förderung der lokalen Wirtschaft eingeleitet.163
Die dritte Phase der Stadtentwicklungspolitik ist auf den Zeitraum der 1980er Jahre
datiert und wurde als „New Urban Politics“ benannt. Mit dem Regierungsantritt der
Londoner Zentralregierung unter Margret Thatcher im Jahr 1979 änderten sich die
politischen Rahmenbedingungen für die alten Industrien im gesamten Vereinigten
Königreich. Das Prinzip der „Mixed Economy“ aus verstaatlichten und privatwirtschaftlichen Unternehmen wurde durch die Einführung der privatwirtschaftlichen
Marktwirtschaft beendet. „Ziel der Politik Thatchers war es, „die britische Wirtschaft
von nicht wettbewerbsfähigen Strukturen zu befreien, die unternehmerische
Initiative zu fördern und die Menschen aus der vermeintlichen Passivität von
Empfängern sozialer Leistung heraus zu holen.“164 Als Folge dieser Politik wurden
die verstaatlichten Betriebe der Glasgower Schwerindustrie innerhalb kurzer Zeit
der Privatwirtschaft zugeführt. Ohne die Unterstützung staatlicher Subventionen
gingen weitere Unternehmen bankrott und die Arbeitslosigkeit in der Region stieg in
kurzer Zeit rapide an.165 Die Probleme in Glasgow verschärften sich. Zum
Höhepunkt der Krise gründete sich im Jahr 1985 die Vereinigung „Glasgow Action“.
Diese setzte sich aus führenden Persönlichkeiten der Glasgower Wirtschaft
zusammen und fungierte als private Förderinitiative. In Kooperation mit der
Kommune und der Scottish Development Agency zielte die Initiative darauf ab, die
Glasgower Innenstadt zum Ort moderner Dienstleistung zu entwickeln. Mitte der
1980er Jahre erstellte das Beratungsbüro „McKinsey&Co.“ eine StärkenSchwächen-Analyse des Standorts Glasgow. Die Empfehlung sah die Schaffung
von Nutzflächen für neue Verwaltungs- und Dienstleistungsbetriebe sowie die
Verbesserung des städtebaulichen Erscheinungsbildes vor. Unter Einbezug dieser
Forderungen wurde der „Glasgow Area Central Local Plan“ im Jahr 1986 erarbeitet.
Mittels dieses Plans wurden wichtige Quartiere des Glasgower Zentrums
umfangreich revitalisiert und wirtschaftlich aufgewertet. Der baulichen Aufwertung
und der Etablierung als Dienstleistungsstandort stand jedoch lange Zeit das
schlechte Image Glasgows entgegen. Sowohl das Selbstimage als auch das
Außenimage der Stadt wurden bis in die 1980er Jahre weitestgehend von der
161
162
163
164
Vgl. Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.)(1988): a.a.O.
Greiner, Johann (2005): a.a.O., S.117.
Vgl. Ebenda.
Sturm, Roland (2008b): Entwicklung Großbritanniens seit 1945, in: Informationen zur politischen
Bildung, Nummer 262 2008, S.6.
165 Vgl. Enge, Thorsten (2005): a.a.O.
53
Wahrnehmung Glasgows als „Rough City“166, geprägt durch Verwahrlosung, Gewalt
und Drogenmiseren, dominiert.167
4.1.3.2
Zentrale Projekte der Stadtentwicklung
Der Herausforderung zur Verbesserung des schlechten Images wurde in den
1980er Jahren mit der Inwertsetzung des kulturellen Erbes der Stadt begegnet. Die
kulturellen Einrichtungen der Stadt, die „Scottish Opera“, das „Scottish Ballet“ und
das „Glasgow Citizen Theatre“ wurden zum Ausgangspunkt der neuen
Entwicklungsstrategie. Diese sah vor, Glasgow zur Kulturtourismusdestination und
zum Konferenz- und Tagungsstandort zu entwickeln. Nach Etablierung der Idee
wurde diese konsequent umgesetzt. Die Eröffnung der „Burrell Collection“, die
Imagekampagne „Glasgow`s Miles Better“, die Eröffnung des „Scottish Exhibition
and Conference Centre“ und das „Glasgow Garden Festival“ haben wesentlich zur
Etablierung der Glasgower Kulturdestination beigetragen.
Als Ausgangspunkt der Inwertsetzung des kulturellen Erbes Glasgows gilt die
Eröffnung der „Burrell Collection“. Der wohlhabende Reeder Sir William Burrell hatte
der Stadt Glasgow bereits im Jahr 1944 eine Kunstsammlung von über 8.000
Exponaten geschenkt. Die Sammlung setzte sich aus wertvollen Originalen antiker
und orientalischer Künstler zusammen, aber auch Gemälden von Degas,
Rembrandt und Bellini waren Teil der Sammlung. Im südwestlich gelegenen Pollok
Park wurde im Jahr 1983 ein Ausstellungsgebäude für die Sammlung erbaut. Die
Burrel Collection war zu dieser Zeit das größte britische Museum außerhalb
Londons. „The priceless Burrell Collection is one of the premier attractions of
Scotland. A key feature is the splendid harmony between collection, building and
surounding parkland.”168 Innerhalb kurzer Zeit erreichten die Besucherzahlen der
Ausstellung einen Jahreswert von über einer Millionen Menschen.169
Die Imagekampagne „Glasgow`s Miles Better“ wurde im Jahr 1984 gestartet und
endete im Jahr 1990. Mit der Headline „Glasgow`s Miles Better“ und dem
personifizierten Smiley „Mr. Happy“ sollte der positive Wandel Glasgows vermarktet
werden. Der Slogan war dabei zweideutig lesbar, zum einen als „Glasgow is miles
better“ und zum anderen „Glasgow smiles better“.170 Das Ziel der Kampagne
bestand sowohl in der Verbesserung des Selbst- als auch des Außenimages der
Stadt Glasgow. „Glasgow had long suffered from negative images as a dirty,
dangerous place synonymous with razor gangs and football violence. Not only did
this lower the morale of its citizens, but it greatly hampered efforts to generate a
tourist industry, to make Glasgow a visitor centre, and to attract dispersed
businesses and inward investment.”171 Zum einen verfolgte die Imagekampagne
eine verbesserte Wahrnehmung der Stadt durch die Glasgower Bürger. Diesen
wurde das Bild einer deutlich aufgewerteten Stadt vermittelt.172 Zum anderen zielte
die Kampagne auf die Vermarktung Glasgows als attraktiven Dienstleistungsstand-
166 Greiner, Johann (2005): a.a.O, S.123
167 Vgl. Ebenda.
168 Glasgow City Council (Hrsg.)(2007): Cultural Renaissance The 1980s and 1990s, Online–
Dokument: http://www.glasgow.gov.uk/en/AboutGlasgow/History/Cultural+Renaissance.htm,
Stand 24. Januar 2011.
169 Vgl. Greiner, Johann (2005): a.a.O.
170 Vgl. Semsek, Hans (2006): Schottland Edingurgh Glasgow Highlands, Ostfildern.
171 Glasgow City Council (Hrsg.)(2007): a.a.O.
172 Vgl. Greiner, Johann (2005): a.a.O.
54
ort, als Stadt der Künste und als Stadt der Bildung. Dabei erreichte die Imagekampagne eine starke internationale Aufmerksamkeit. Über Jahre stand „Glasgow`s
Miles Better“ symbolisch für den Wandel der Stadt Glasgows.173
Ein wichtiger Schritt zu Etablierung Glasgows als Konferenz- und Tagungsstandort,
stellte die Eröffnung des „Sottisch Exhibition and Conference Centre“ im Jahr 1985
dar. Architektonisch auffällig, wurde das Ausstellungs- und Konferenzzentrum in
Form einer Muschel direkt an der Nordseite des Flusses Clyde erbaut. Es stand
symbolisch für den Beginn der städtebaulichen Neugestaltung der größtenteils
brachliegenden Flächen am Fluss Clyde. Als eines der größten Ausstellungszentren
Schottlands etablierte sich der Standort schnell für britische und internationale
Konferenzen, Ausstellungen und Konzerte. Die Besucherzahlen stiegen schnell auf
eine Millionen Besucher pro Jahr an.174
Das „National Garden Festival“ führte die Entwicklung der alten Brachflächen am
Clyde fort. Von April bis September 1988 fand auf einer Brachfläche südlich des
Flusses Clyde das dritte britische „Garden Festival“ statt. „The Festival was sited on
the desolate landscape of the former Princes Dock, Govan on the south bank of the
Clyde. The 60-acre site was transformed to accommodate a horticultural haven of
112 gardens containing thousands of shrubs, trees and plants cultivated throughout
Scotland.”175 Darüber hinaus wurde das „Garden Festival“ zum Anlass genommen
die infrastrukturelle Anbindung des Flusses Clyde an die City zu verbessern.
Insgesamt besuchten über vier Millionen Menschen das Graden Festival, so dass
es wichtige Impulse zur Etablierung Glasgows als Touristendestination sowie zur
Verbesserung des Glasgower Images initiierte.176
Die Stadtentwicklungspolitik hatte sich seit den 1980er Jahre stark verändert.
Erhaltende Strukturpolitik und die Fokussierung auf die Innenstadt standen
zunehmend im Mittelpunkt. Insbesondere die neue Inwertsetzung der kulturellen
Potenziale der Stadt Glasgow hatte maßgeblich zur Entwicklung der Stadt
beigetragen.
4.1.4 Strukturelle Herausforderungen im Jahr 1986
Die Entwicklung Glasgows war seit dem zweiten Weltkrieg bis zu den 1980er
Jahren durch einen kontinuierlichen Niedergang der dominierenden Industriebranchen geprägt. Die ehemals prosperierende Wirtschaftsregion hatte sich zur
Altindustrieregion entwickelt. Erste Ansätze eines gesteuerten Strukturwandels
wurden zu Beginn der 1980er Jahre deutlich. Insbesondere durch die, von der
Zentralregierung eingerichtete, Scottish Development Agency wurde die Stärkung
der Stadt Glasgow als Dienstleistungsstandort und als Tourismusdestination in
Kooperation mit den lokalen Verwaltungsinstanzen vorangetrieben. Mitte der 1980er
Jahre stand die Stadt dennoch vielen Herausforderungen gegenüber. Diese waren
weitestgehend durch den wirtschaftlichen Niedergang und die altindustrielle
Prägung begründet. Im Folgenden werden die Problematiken denen die Stadt
Glasgow Mitte der 1980er Jahren gegenüber stand untersucht. Die Untersuchung
173
174
175
176
Vgl. Schiller, Tobias (2007): a.a.O.
Vgl. Greiner, Johann (2005): a.a.O.
Glasgow City Council (Hrsg.)(2007): a.a.O.
Vgl. Greiner, Johann (2005): a.a.O.
55
ist auf die Bereiche Wirtschaft und Arbeitsmarkt, Städtebau und Stadtbild sowie
Außenimage und Tourismus fokussiert.
4.1.4.1
Wirtschaft und Arbeitsmarkt
Die Wirtschaftsstruktur der Stadt Glasgow wurde bis in die späten 1980er Jahre
vom Niedergang der alten Industriebranchen dominiert. Der Bestand alter
Strukturen, im Sinne von ungenutzten Brachflächenarealen, leer stehender
Industrieanlagen und teils rückständiger Infrastrukturausstattung, behinderten lange
Zeit die Ansiedlung neuer Wachstumsbranchen in der Stadt.177 „Glasgow [has] not
been able to attract any of the manufacturing inward investment which has come to
Scotland as a result of the cheap production environment, but also the strategy of
services in the city has not been effective”178 Die Maßnahmen der “New Urban
Politics” initiierte erstmals entscheidende Impulse zur zukünftigen Wirtschaftsentwicklung. Die Stärkung des Dienstleistungssektors, die Verbesserung der
Lebensqualität und des Images leiteten einen langsamen aber stetigen Prozess zur
Förderung der lokalen Wirtschaft ein. „Die Stadt war seit dem 15. Jahrhundert ein
geistiges Zentrum mit Kathedrale und Universität, seit dem 18. Jahrhundert eine
Handelsstadt, im 19. und 20. Jahrhundert eine Industriestadt und sie befindet sich
jetzt in einer Phase als postindustrielle Stadt noch auf der Suche nach einem neuen
ökonomischen Paradigma.“179 Aufbauend auf den endogenen Potenzialen, sollte
sich zukünftig der öffentliche Dienstleistungssektor im Bereich der Gesundheitswirtschaft, der Verwaltung und des Bildungsbereichs und der private Dienstleistungssektor im Bereich der Finanzwirtschaft als wachstumsstark erweisen. Zusätzlich
sollten sich die Biotechnologie, die Creative Industries sowie die Tourismusbranche
zu Wachstumsbranchen der Stadt Glasgow entwickeln.180
Mitte der 1980er Jahren standen diese Entwicklungen jedoch noch ganz am
Anfang. Begründet durch verschiedenste Hemmnisse der Altindustrieregion
Glasgow, lag die Wirtschaftskraft der Region zu dieser Zeit noch deutlich unter dem
britischen Durchschnitt. Die Unternehmen des produzierenden Gewerbes gingen
deutlich zurück und der Dienstleistungssektor entwickelte sich in Glasgow zunächst
nur zögerlich. Lediglich der öffentliche Dienstleistungssektor entsprach im
Durchschnitt dem nationalen Wachstum. „However the reason behind this trend was
the decision to locate various branches of national public sector administration in
Glasgow and the conurbation.”181 So wurde bspw. die Verwaltung der Scottish
Development Agency, mit Zuständigkeitsbereich ganz Schottlands, nicht in
Edingburgh sondern in Glasgow angesiedelt.182 Dagegen verzeichnete der private
Dienstleistungssektor in Glasgow zunächst nur ein geringes Wachstum. In den
1980er Jahren errichteten die „Bank of England“, die „Clydesdale Bank“ und das
Finanzinstitut „Scottish Amicable Life Assurance Society“ jeweils Niederlassungen
in der Stadt. Diese Ansiedlungen stellten zwar den Anfang für die Entwicklung
Glasgows zum Finanzwirtschaftsstandort dar, konnten jedoch Mitte der 1980er
Jahre erst ein geringes Wachstum aufweisen. Zusammenfassend zeigten sich Mitte
177
178
179
180
181
182
Vgl. Enge, Thorsten (2005): a.a.O.
Gómez, María (1998): a.a.O., S.118.
Enge, Thorsten (2005): a.a.O., S.151.
Vgl. Ebenda.
Gómez, María (1998): a.a.O., S115.
Vgl. Schiller, Tobias (2007): a.a.O.
56
der 1980er Jahre erste positive Entwicklungen im Glasgower Dienstleistungssektor,
die jedoch noch ganz am Anfang standen.183
Die langsame aber stetige Entwicklung im Dienstleistungssektor konnte die
Problematik der steigenden Arbeitslosigkeit in Glasgow nicht verhindern. Die
Arbeitslosenquote stieg bis Mitte der 1980er Jahre an und lag im Jahr 1986 bei rund
21,5%. „A continuing decline of the manufacturing and traditional service sector,
accompanied by modest growth in modern services, with an associated notable rise
in female participation in the labour market. [It was summarized that] the
predominant symptom of decline was the growth of unemployment, and particularly
long-duration unemployment. This became particularly marked over the period
1979-85.”184 Die Entwicklung des Arbeitsmarktes in der Region Glasgow, dargestellt
in Abb. 7, zeigt den kontinuierlichen Abbau an Arbeitsplätzen im produzierenden
Gewerbe für den Zeitraum von 1961 bis 1981. Die abgebauten Stellen konnten
durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor nicht kompensiert
werden, so dass ein negatives Saldo bei der Arbeitsplatzentwicklung zu
verzeichnen war.
Abb. 7 Entwicklung der Arbeitsplätze aufgeteilt nach Wirtschaftssektoren
600
Produzierendes Gewerbe
Dienstleistung
Arbeitsplätze [in Tsd.]
Gesamt
400
200
0
1961
1971
1978
1981
Entwurf: Eigene Darstellung, Frankfurt 2010
Quelle:
Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
(Hrsg.)(1988): Erneuerung einer alten Industriestadt - Galsgow`s miles
better, Schriftenreihe Forschung des Bundesministers für Raumordnung
Bauwesen und Städtebau Heft 454, Dortmund.S.29.
Verstärkt wurde diese Problematik durch die häufig unzureichende Qualifikation
ehemaliger Industriearbeiter für Stellen im Dienstleistungsbereich. „Whereas in the
past unskilled assembly-line work offered employment for many Glasgow school
leavers (post)modern labour markets increasingly require employees with some
183 Vgl. Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.)(1988): a.a.O.
184 Gómez, María (1998): a.a.O., S.108.
57
degree of education qualification.”185 Durch diesen Umstand wurde die
Langzeitarbeitslosigkeit vieler arbeitsloser Industriearbeiter sowie die Arbeitslosigkeit vieler junger Schulabsolventen deutlich verstärkt.186
Die Wirtschaftsstruktur der Stadt als auch der Region Glasgow waren Mitte der
1980er Jahre im Umbruch. Die Betriebe des produzierenden Gewerbes gingen
kontinuierlich nieder, während sich die Branchen des Dienstleistungssektors erst
zögerlich entwickelten. Daraus resultierte eine hohe Arbeitslosenzahl mit einem
hohen Anteil an Langzeitarbeitslosen und junger Arbeitslosen. Ausgehend von Mitte
der 1980er Jahre galt es, in der Stadt und in der Region Glasgow neue
Wirtschaftstrukturen zu schaffen, Wachstumsbranchen anzusiedeln und nachhaltige
Arbeitsplätze sowohl im qualifizierten als auch gering qualifizierten Bereich zu
schaffen.
4.1.4.2
Städtebau und Stadtbild
Die städtebauliche Entwicklung der Stadt Glasgow wurde, ausgehend vom 19.
Jahrhundert, zunehmend von der Industrialisierung geprägt. Die Textilindustrie, die
Eisen- und Stahlproduktion und die Schiffbauindustrie hatten die Stadtentwicklung
Glasgows nachhaltig beeinflusst. Ausgebaut zum „Workhouse of the World“187
waren mit der Industrialisierung umfangreiche Flächeninanspruchnahmen durch die
Industriebetriebe einhergegangen. Gedrängte Fabriken, Lagehallen und Kai Häfen
prägten das Stadtbild Glasgows ebenso wie zahlreiche vom Industriestaub
geschwärzte Fassaden. Parallel dazu waren die historischen Stadtstrukturen
zunehmend durch neue Arbeitersiedlungen überformt worden. Das starke
Bevölkerungswachstum hatte enorme Bautätigkeiten für neue Wohnsiedlungen
erforderlich gemacht. Mit der Deindustrialisierung, während des wirtschaftlichen
Niedergangs, gingen viele Betriebe bankrott oder wurden in andere Regionen
verlagert. In der Stadt Glasgow verblieben große Industriebrachen und unzählige
leer stehende Industriebetriebe. Die starke Bevölkerungsabwanderung und die
Dezentralisierungspolitik der 1960er Jahre verschärften den Leerstand und die
Brachflächenentwicklung in der Stadt Glasgow.188 Das Stadtbild veränderte sich
radikal und von dem einstigen Stadtbild einer wohlhabenden Wirtschaftsregion,
geprägt durch den viktorianischen Architekturstil aus dem 18. Jahrhundert, war
kaum etwas geblieben.
Das Ausmaß der Brachflächenentwicklung Mitte der 1980er Jahre verdeutlicht die
Tab. 1. Innerhalb von knapp zehn Jahren hatte sich die Brachflächenproblematik in
Glasgow verschärft. Rund 9% der Stadtfläche wurden durch Brachflächen in
Anspruch genommen. Dabei lag die Durchschnittsgröße der rund 1350
Brachflächen deutlich über einem Hektar. Da ein Großteil der Brachflächen am Ufer
des Fluss Clyde entstanden und viele der Flächensanierungen in der Innenstadt
durchgeführt worden waren, lagen viele der Brachflächen nahe oder im Zentrum der
Stadt. Insofern wurde das Stadtbild Glasgows maßgeblich durch die Brachflächen
beeinflusst. Dabei wirkte sich die Brachflächenproblematik negativ auf unterschiedlichste Bereiche aus. „Art und Umfang verlassener Produktionsflächen bilden in
185
186
187
188
Pacione, Miachael (2009): Urban Geographie – A global Perspective, New York, S.201.
Vgl. Ebenda.
Greiner, Johann (2005): a.a.O. S.101.
Vgl. Ebenda.
58
einer Stadt nicht nur als `eyesore` (Augenweh) ein Problem, sondern vor allem auch
als sichtbares Zeichen des Niedergangs: findet sich niemand der in so eine Fläche
investieren will, dann ist eine ungünstige Auswirkung auf die gesamte Umgebung
vorprogrammiert.“189 Die Mehrheit der städtischen Brachflächen stellten industrielle
Brachen dar. Rund 90% der Brachflächen aus dem Jahr 1986 waren durch den
industriellen Niedergang entstanden
Tab. 1 Entwicklung der Brachflächen in Glasgow
Brachen
1977
Brachen
1984/1985
1054
1364
Gesamtumfang der Brachflächen
1562 ha
1870 ha
Durchschnittsgröße einer Brachfläche
1,48 ha
1,37 ha
7,7%
9,2%
Brachflächen
Anzahl der Brachflächen
Anteil am Stadtgebiet
Entwurf: Eigene Darstellung, Frankfurt 2010
Quelle:
Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
(Hrsg.)(1988): Erneuerung einer alten Industriestadt-Galsgow`s miles
better, Schriftenreihe Forschung des Bundesministers für Raumordnung
Bauwesen und Städtebau Heft 454, Dortmund, S.82.
Für die Brachflächen in der gesamten Region Strathclyde wurden im Jahr 1986
Umnutzungsmöglichkeiten untersucht. Da ein Großteil der regionalen Brachflächen
im Glasgower Stadtgebiet lag, sind die Erkenntnisse ansatzweise auf die Stadt zu
übertragen. Die Umnutzungsmöglichkeiten, der Brachflächen waren je nach Brache
sehr unterschiedlich. Ein Großteil der Brachflächen (40% der Brachen in der
gesamten Strathclyde Region) konnten zunächst keiner Weiternutzung zugeführt
werden. (Abb. 8). Gründe dafür waren unter anderem eine hohe Kontamination mit
Altlasten oder eine Weigerung der Eigentümer zum Verkauf bzw. zur Aufbereitung
der Flächen.
Seitens der Verwaltung war die Abteilung „Policy and Intelligence Unit“ des District
Councils für die Flächen- und Nutzungsverteilung in der Gesamtstadt zuständig. In
Kooperation mit der Regionalplanung und der Scottisch Development Agency,
sollten die Flächen nach Möglichkeit einer wirtschaftlichen Wiedernutzung zugeführt
werden. Um Investoren anzuziehen, wurden seitens der Verwaltung drei Strategien
verfolgt. Zum ersten wurden Flächen aufbereitet, zum zweiten wurden alte
Gebäudeeinheiten abgerissen und durch effektive Neubauten ersetzt und zum
dritten fanden Umfeldverbesserungen statt. In den 1980er Jahren waren mittels
dieser Strategie zunächst punktuelle Eingriffe erfolgt, eine flächendeckende
189 Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.)(1988): a.a.O., S.33.
59
Entwicklung der Brachflächen erfolgte aufgrund finanzieller Restriktionen nur
langsam.190
Parallel zur Entwicklung der Brachflächen wurde die Innenstadt Glasgows durch
Maßnahmen des Denkmalschutzes und der Fassadenreinigung aufgewertet. Das
Ziel war es „augenscheinliche Missstände zu beseitigen und somit optischpsychologische Investitionshemmnisse abzubauen.“191
Abb. 8 Nutzungsmöglichkeiten industrieller Brachflächen in der Region
Strathclyde 1986
Entwurf: Eigene Darstellung, Frankfurt 2010
Quelle:
Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
(Hrsg.)(1988): Erneuerung einer alten Industriestadt-Galsgow`s miles
better, Schriftenreihe Forschung des Bundesministers für Raumordnung
Bauwesen und Städtebau Heft 454, Dortmund, S.84.
Das Stadtbild der Stadt Glasgow war Mitte der 1980er Jahre stark von den
Hinterlassenschaften der Altindustrien geprägt. Große Brachflächenareale und
verödete Mietshausviertel verstärkten das Bild von Desinvestition und städtischem
Verfall. In den 1980er Jahren wurden erstmals Maßnahmen unternommen um diese
Missstände zu beseitigen. Fokussiert auf die Innenstadt wurde das Stadtbild
zunächst optisch aufgebessert und erste Revitalisierungsmaßnahmen von zentralen
Quartieren durchgeführt. Seit Mitte der 1980er Jahre galt es die städtischen
Aufwertungsmaßnahmen konsequent weiter zu führen und die brachliegenden
Flächen konstruktiver Neunutzungen zuzuführen.
190 Vgl. Ebenda.
191 Vgl. Ebenda, S.86.
60
4.1.4.3
Außenimage und Tourismus
Die Außenwahrnehmung der Stadt Glasgow wurde lange Zeit durch die
Industriealisierung dominiert. In Zeiten prosperierender Wirtschaft, war Glasgow das
wirtschaftliche Zentrum Schottlands und die zweitwichtigste Industriestadt im
Vereinigten Königreich. In der Außenwahrnehmung stand der wirtschaftliche Erfolg
lange Zeit an erster Stelle. Mit dem wirtschaftlichen Niedergang änderte sich diese
Wahrnehmung. Einhergehend mit steigender Arbeitslosigkeit, der Abwanderung
qualifizierte Bevölkerungsschichten und größer werdender sozialer Probleme,
wurde Glasgow zunehmend als schmutzige, raue und unkultivierte Stadt
wahrgenommen.192 In den nationalen Medien überwogen die negativen
Schlagzeilen. Eine Langzeitstudie aus den 1980er Jahren bestätigt, dass Glasgow
in den Medien durchweg als dreckig, verslumt, gewalttätig und politisch radikal
dargestellt wurde.193 „Wenn Ende der 1970er Jahre ein Drehort für einen Kino- oder
Fernsehfilm gesucht wurde, der dokumentarisch zum Thema Drogen in
Großbritannien berichten wollte, oder man auf der Suche war nach Tatorten für
einen Krimi oder eine Krimi-Serie, dann wurde sehr häufig zuerst in Glasgow
gesucht.“194 Diese negative Imagezuschreibung dominierte lang Zeit die öffentliche
Wahrnehmung der Stadt. Selbst über die ersten sichtbaren Zeichen des
Strukturwandels blieb dieses Image weitestgehend bestehen. Die städtebaulichen
Maßnahmen zu Beginn der 1980er Jahre und die langsame aber stetige
Wirtschaftsförderung des Standorts Glasgow wurden von außen kaum wahrgenommen. „So zeigten auch bspw. die Briten jahrzehntelang praktisch keine
Bereitschaft, ihre Vorstellung von Glasgow der veränderten Wirklichkeit
anzupassen. Dazu kommt, dass negative Schlagzeilen immer stärker, eindrücklicher sind und länger im sowieso selektiven Gedächtnis blieben; zumal dann wenn
sie Vorurteile bestätigen.“195 Trotz sichtbarer Veränderungen stand die Stadt lange
der Herausforderung eines negativen Images gegenüber. Den neu gefassten Zielen
der „New Urban Policies“, die Entwicklung Glasgows zum Dienstleistungsstandort
und zur Tourismusdestination, stand das negative Image lange Zeit entgegen. „It
should not be forgotten that Glasgow at that moment had the reputation of being
locked into a downward spiral of decline, in which the city`s negative image was a
major disincentive to potential investors.”196
Einhergehend mit den umfangreichen Revitalisierungsmaßnahem der Glasgower
Innenstadt, wurde im Jahr 1984 die Imagekampagne „Glasgow`s Miles Better“
gestartet. Der Wandel der Stadt Glasgow von einer altindustriellen Stadt hin zu
einer post-industriellen Stadt wurde dadurch vermarktet. Sowohl das Selbstimage
der Glasgower Einwohner als auch und das Außenimage der Stadt konnte durch die
Kampagne positiv beeinflusst werden. Dieser Erfolg zeigte sich unter anderem in
der Tourismusentwicklung der Stadt Glasgow. Einhergehend mit den strukturellen
192 Vgl. Blotevogel, Hans et.al.(1999): Regionalmarketing für das Ruhrgebiet: Internationale
Erfahrungen und Bausteine für eine Region mit Zukunft – „Strukturwandel an der Ruhr im
internationalen Vergleich“ Ein Projekt des Initiativkreises Ruhrgebiet, Essen.
193 Vgl. Staatskanzlei des Landes Nordrhein–Westfalen(Hsg.)(2007): Strukturwandel durch Kultur–
Städte und Regionen im postindustriellen Wandel, Online–Dokument:
http://www.u.kulturserver.de/shop/freedownload_send.php3?file=freeware/servicebuero/struktur
wandel_kultur_staatskanzlei.pdf&mimetype=application%2Fx–coremedia–dynamic, Stand 24.
Januar 2011.
194 Greiner, Johann (2005): a.a.O., S.124.
195 Blotevogel, Hans et.al.(1999): a.a.O., S.45.
196 Gómez, María (1998): a.a.O., S.111.
61
Verbesserungen der kulturellen Infrastruktur, angestoßen durch die Burrell
Collection und die Stärkung Glasgows als Konferenz- und Tagungsstandort durch
die Eröffnung des Scottish Exhibition and Conference Centre, stiegen die
Besucheranzahlen ab Mitte der 1980er Jahren an.197 Zugleich wurde auch das
„Greater Glasgow Tourismus Board“ in den 1980er Jahren gegründet. Die
Darstellung in Abb. 9 verdeutlicht die positive Tourismusentwicklung. Vom Jahr
1962 bis zum Jahr 1984 hatten sich die Touristenzahlen mehr als verdoppelt.
Darüber hinaus blieben die erhöhten Tourismuszahlen in den folgenden Jahren
relativ konstant. Obwohl zu diesen Zahlen keine qualitative Befragung der Besucher
vorliegt, spricht diese Entwicklung dafür, dass die kulturtouristischen Maßnahmen in
den 1980er Jahre positive Effekte auf den Tourismus in Glasgow erzielen
konnten.198
Abb. 9 Entwicklung des Tourismus
Touristen [in Mio.]
2,0
1,0
0,0
1962
1984
1986
1988
Entwurf: Eigene Darstellung, Frankfurt 2010
Quelle:
Garcia, Beatriz (2009): From Glasgow 1990 to Liverpool 2008 - Retracing
two decades of culture-led regeneration initiaties and their long term legacies, Liverpool, Online-Dokument:
http://www.liv.ac.uk/impacts08/Papers/BG%282009-1017%29istanbul.pdf, Stand 24 Januar 2011.
Das Außenimage der Stadt Glasgow wurde Mitte der 1980er Jahre noch stark von
den industriellen Klischees bestimmt. Die Veränderungen der Stadt Glasgow
wurden von außen kaum wahrgenommen. Durch erste Maßnahmen, wie die
Imagekampagne aus dem Jahr 1984, hatten sich die Touristenzahlen ab den
1980er Jahren positiv entwickelt. Trotzdem stand die Etablierung der Stadt Glasgow
197 Vgl. Blotevogel, Hans et.al.(1999): a.a.O.
198 Vgl. Garcia, Beatriz (2009): From Glasgow 1990 to Liverpool 2008 – Retracing two decades of
culutre–led regeneration initiaties and their long term legacies, Liverpool, Online–Dokument:
http://www.liv.ac.uk/impacts08/Papers/BG%282009–10–17%29istanbul.pdf, Stand 24 Januar
2011.
62
als Tourismusdestination noch ganz am Anfang. Ausgehend von Mitte der 1980er
Jahre galt es die positive Imageentwicklung weiter zu führen und das touristische
Potenzial der Stadt weiter auszubauen.
4.2 Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe”
Die Stadt Glasgow erhielt die Auszeichnung zur Kulturhauptstadt Europas für das
Jahr 1990. Als erster Titelträger der zum Zeitpunkt der Verleihung weder eine
Hauptstadt noch ein Zentrum klassischer europäischer Kultur war, wurde die
Kulturhauptstadt „Glasgow, European City of Culture 1990“ zum Pionier in der
Geschichte der Europäischen Kulturhauptstädte. Glasgow setzte den Titel
Kulturhauptstadt Europas erstmals systematisch als nachhaltiges Stadtentwicklungsinstrument ein. Ebenfalls erstmalig in der Initiative Kulturhauptstadt Europas
war das Kulturhauptstadtprogramm auf kulturelle, soziale und ökonomische
Zielsetzungen ausgerichtet und wurde als Ganzjahresprogramm ausgestaltet. Die
Kulturhauptstadt Glasgow 1990 steht daher in mehreren Hinsichten für eine
Neuinterpretation der Initiative Kulturhauptstadt Europas.
4.2.1 Vorbereitungsphase
Die Ernennung zur Kulturhauptstadt Europas 1990 basierte auf einer strukturierten
Vorbereitungs- und Bewerbungsphase. Bereits in den 1980er Jahren kam den
Verantwortlichen die Idee zur Bewerbung um den Titel Kulturhauptstadt Europas.
Mittels umfangreichen Bemühungen wurde die Bewerbung von den lokalen und
regionalen Akteuren Glasgows konsequent verfolgt.
4.2.1.1
Rechtliche Grundlagen
Der erste Beschluss der europäischen Kulturminister aus dem Jahr 1985 legte fest,
dass das Vereinigte Königreich im Jahr 1990 als Gastgeberland der Kulturhauptstadt Europas auftreten sollte. Somit galt die „Entschliessung der im Rat vereinigten
für Kulturfragen zuständigen Minister vom 13. Juni 1985 für die alljährliche
Benennung einer Kulturstadt Europas“ als rechtliche Grundlage für die Ausgestaltung der Kulturhauptstadt „Glasgow, European City of Culture 1990“. Die wenigen
Restriktionen des Beschlusses erlaubten der Stadt Glasgow eine individuelle
Ausgestaltung des Kulturhauptstadtjahres. Die inhaltliche Ausgestaltung, die
organisatorische Durchführung sowie die Finanzierung konnten, unter der
Zielsetzung der Förderung einer kulturellen europäischen Verständigung, nahezu
frei festgelegt werden. Zusätzlich zu dem europäischen Beschluss, legte das
britische „Office of Arts and Libraries“ auf nationaler Ebene Reglungen für die
Auswahl und Durchführung der Kulturhauptstadt Europas fest.199
4.2.1.2
Bewerbungsverfahren
Der Bewerbungsprozess der Stadt Glasgow zur Kulturhauptstadt Europas 1990 ist
in drei Phasen einzuteilen. Die erste Phase war die „interne Sondierungsphase“. In
den 1980er Jahren hatte die Stadt Glasgow bereits einige erfolgreiche Projekte mit
kulturellem Fokus veranstaltet. Die positiven Erfahrungen aus diesen Projekten
ließen die Verantwortlichen zu der Erkenntnis kommen, dass die Kulturhauptstadt
199 Vgl. Europäische Gemeinschaften (1985): Entschliessung der im Rat vereinigten für
Kulturfragen zuständigen Minister vom 13. Juni 1985 für die alljährliche Benennung einer
Kulturhauptstadt Europas, Luxemburg.
63
Europas, als internationales und renommiertes Kulturevent, ein ideales Mittel zur
positiven Vermarktung der post-industriellen Stadt Glasgow sei. Die Akteure der
Glasgow Action Initiative gehörten zu den ersten Befürwortern der Bewerbung,
zunehmend unterstützt vom Greater Glasgow Tourismus Board und vom Glasgow
District Council.200 Im Jahr 1985 kam der Aufruf des britischen Kulturministers zur
Bewerbung um den Titel Kulturhauptstadt Europas für das Jahr 1990. Daraufhin
wurde unter Leitung des Glasgow City Council und in Zusammenarbeit zahlreicher
kultureller Akteure ein Bewerbungskonzept für die Stadt Glasgow erarbeitet.
Als zweite Phase des Bewerbungsprozesses folgte der „Nationale Wettbewerb“. Auf
nationaler Ebene konkurrierte Glasgow mit acht weiteren Städten um den Titel
Kulturhauptstadt Europas. Zu den Konkurrenten zählten die schottische Hauptstadt
Edinburgh, die beiden Städte Cardiff und Swansea aus Wales und die englischen
Städte Bath, Bristool, Cambridge, Leeds und Liverpool. Im April 1986 reichten die
Bewerberstädte ihre Bewerbungen beim Office of Arts and Libraries ein. Bereits
sechs Monate später, am 20. Oktober 1986, gab der britische Kulturminister
Glasgow als Sieger des nationalen Wettbewerbs bekannt. Die Stadt Glasgow stand
damit als Nominierung des Vereinigten Königreichs für die Kulturhauptstadt Europas
1990 fest. Der damalige britische Kulturminister begründete die Auswahl mit
folgenden Worten: „Glasgow put forward the best case. It has an impressive range
of cultural activities and excellent facilities. The city has an international outlook and
a keen desire to expand its European connections. I am convinced that the city will
mount and finance a programme which will do credit to the UK and demonstrate to
Europe some of the most positive aspects of the arts in Britain today.”201 Die
Nominierung Glasgows als Kulturhauptstadt Europas für das Jahr 1990 wurde dem
Europäischen Kulturministerrat übermittelt.
Als dritte Phase galt die Entscheidung und Auszeichnung durch den Europäischen
Kulturministerrat. Im November 1986 wurde die britische Nominierung einstimmig
durch den Europäischen Ministerrat bestätigt. Die Stadt Glasgow wurde mit dem
Titel Kulturhauptstadt Europas 1990 ausgezeichnet.202 Die Ernennung Glasgows
löste in vielen Kreisen Europas Erstaunen aus. „The selection had considerable
shock value (and in particularly pleased Glaswegians that nowhere was this shock
more keenly felt than in Edingburgh).”203 Als Erfolgsfaktoren der Glasgower
Bewerbung, galten die hohe Professionalität und innovative Ausrichtung des
Kulturhauptstadtkonzeptes. Die inhaltliche Neuausrichtung wurde von Beginn an
durch ein professionelles Bewerbungskonzept getragen. Zudem baute das Konzept
auf der Stadtentwicklungspolitik auf. Dadurch setzte Glasgow neue Maßstäbe in der
Ausgestaltung der Initiative Kulturhauptstadt Europas. Während Paris, als
Kulturhauptstadt Europas aus dem Jahr 1989, im November des Vorjahres noch
kein tragfähiges Konzept für das Kulturhauptstadtjahr erarbeitet hatte, konnte
200 Vgl. Schiller, Tobias (2007): a.a.O.
201 Zit. in: Glasgow City Council (Hrsg.)(1992): The 1990 Story – Glasgow Cultural Capital of
Europe, Glasgow, S.7.
202 Vgl. Ebenda.
203 Mettler, Elisabeth (2008): Nachhaltige Effekte oder Strohfeuer für ein Jahr?–Die Kulturhauptstadt Glasgow 1990, Luxemburg 1995 und Weimar 1999, in: Mittag Jürgen (Hrsg.): Die Idee der
Kulturhauptstadt Europas Anfänge, Ausgestaltung und Auswirkungen der Europäischen
Kulturhauptstadt, Essen, S.134.
64
Glasgow bereits vier Jahre vor dem Kulturhauptstadtjahr mit einem professionell
ausgearbeiteten Konzept aufwarten.204
4.2.2 Konzeption „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe”
Der Glasgow District Council war die federführende Instanz bei der Bewerbung und
Durchführung der Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“. Die
Kulturhauptstadt Glasgow war demnach ein primär städtisches Projekt. Dennoch
hatte sich der Strathclyde Regional Council an den Vorbereitungen und der
Durchführung der Kulturhauptstadt beteiligt. Einzelne regionale Projekte wurden
durch seine Initiative in das Kulturhauptstadtprogramm integriert. Die organisatorische und inhaltliche Ausgestaltung der Kulturhauptstadt 1990 wurde aber auf das
Stadtgebiet Glasgow fokussiert.
4.2.2.1
Organisatorische Ausgestaltung
Der Glasgow District Council fungierte als leitende Instanz zur Vorbereitung und
Durchführung der Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“. Im
Juli 1987 wurde das „Festivals Office“, als zentrale Planungs- und Koordinationsstelle der Kulturhauptstadt, beim Glasgow District Council eingerichtet. Das Team
des Festivalbüros stand als zentraler Koordinator in enger Kooperation mit den
städtischen Kulturinstitutionen, wie dem städtischen Kulturbüro, den Theatern,
Galerien und Museen. Die Verantwortungsbereiche des Festivals Office umfassten
die Koordination der Kulturhauptstadtprojekte, die Öffentlichkeitsarbeit, die
Verwaltung der von der Stadt bewilligten Finanzmittel und die Koordination des
Sponsorings. Das Team des Festivalbüros gliederte sich, unter der Leitung des
Direktors Robert Palmer und des stellvertretenden Direktors Neil Wallace, in vier
Zuständigkeitsbereiche. Der erste Zuständigkeitsbereich umfasste die Geschäftsführung, die Finanzen und die Administration, den zweite Zuständigkeitsbereich
bildete die Programmkoordination, der dritte Bereich schloss die Öffentlichkeitsarbeit ein und der vierte Zuständigkeitsbereich umfasste das Sponsoring. Die
Programmkoordination war wiederum in verschiedene Themenbereiche unterteilt.
Projekte der „Performend Arts“, der „Visual Arts“, der „Local Arts“ und des „Sport“
wurden von jeweils eigenen Teams verwaltet und koordiniert. Die Ausführung der
einzelnen Projekte wurde meist auf andere Organisationen übertragen. Das
Festibalbüro fungierte primär als Koordinator des Kulturhauptstadtprogramms.
„Most of [the projects] were passed on to other organisations. A few remained in
house […] and were managed with ad hoc teams of extra staff.”205
Während des gesamten Vorbereitungs- und Durchführungsprozesses der
Kulturhauptstadt 1990 war das Festivals Office mit unterschiedlichsten Akteuren der
lokalen, regionalen und nationalen Ebene vernetzt. Beispielsweise hatten das
Greater Glasgow Tourismus Board, die Scottish Development Agency oder das
Office of Arts and Libraries die Prozesse der Kulturhauptstadt stets interessiert
verfolgt und teils stark unterstützt. Zur Zusammenführung der verschiedenen
Akteure wurde das „Festival`s Advisory Committee“ gegründet. Es setzte sich aus
204 Vgl. Oerters, Kathrin (2008): Die finanzielle Dimension der europäischen Kulturhauptstadt–Von
der Kulturförderung zur Förderung durch Kultur, in: Mittag Jürgen (Hrsg.): Die Idee der
Kulturhauptstadt Europas Anfänge, Ausgestaltung und Auswirkungen der Europäischen
Kulturhauptstadt, Essen, S. 97–124.
205 Myerscough, John (1994): European Cities of Culture and Cultural Months – Full Report Study
prepared for the Network of Cultural Cities of Europe, Glasgow, S.115.
65
rund 60 Vertretern unterschiedlichster künstlerischer und kultureller Institutionen
aller politischen Ebenen zusammen. Diese unterstützten und berieten das Festivals
Office hinsichtlich der Planung und Umsetzung des Kulturhauptstadtprogramms.
Das Kulturhauptstadtbudget der Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital of
Europe“ wurde vom Festivals Office verwaltet. Um die Vergabe der Finanzmittel zu
kontrollieren und demokratisch zu legitimieren, wurde zusätzlich das „SubCommittee of Festivals“ eingerichtete. Das Komitee wurde vom Direktor des
Glasgow City Council geleitet. Das Gesamtbudget der Kulturhauptstadt Glasgow
betrug rund 32,7 Millionen britische Pfund. Der wesentliche Anteil wurde von den
kommunalen Verwaltungseinheiten und von privaten Sponsoren getragen. Der
Anteil des Glasgow District Council betrug 19,2 Millionen Pfund und der Anteil des
Stratclyde Region Council betrug 12,8 Millionen Pfund. Von nationaler Ebene
wurden lediglich 0,5 Millionen Pfund und von Europäischer Seite nur 0,08 Millionen
Pfund für das Gesamtbudget aufgebracht. Dieses Basisbudget wurde im Verlauf der
Kulturhauptstadt 1990 durch Sponsorengelder erweitert. Diese wurden insgesamt
auf rund 6,5 Millionen Pfund geschätzt.206
4.2.2.2
Inhaltliche Ausgestaltung
Die inhaltliche Ausrichtung der Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital of
Europe“ unterlag der übergeordneten Zielsetzung, den positiven Wandel der Stadt
Glasgow nach außen zu vermarkten. „The motive to profit from the event arose from
the desire to demonstrate a new face of Glasgow, as a European post-industrial city
geared to growth and a commitment to using the arts as a means of communicating
its renaissance.”207 Im Rahmen der Kulturhauptstadt wurden zwei konkrete Ziele
verfolgte. Erstens galt es, das Kulturhauptstadtjahr durch ein „visible high profile
programme of cultural activities“208 auszugestalten. Zweitens sollte die Kulturhauptstadt nachhaltige Effekte für die kulturelle, soziale und ökonomische Entwicklung
der Stadt initiieren. Die Verantwortlichen strebten eine Stärkung der kulturellen
Strukturen, ein verbessertes Image, die Schaffung von Arbeitsplätzen und eine
stärkere Einbeziehung aller sozialen Gruppen in kulturellen Aktivitäten an.209
Basierend auf diesen Zielsetzungen stand die Kulturhauptstadt Glasgow 1990 unter
dem Motto „There`s a Lot Glasgowing On in 1990“.
Die Ausgestaltung des Mottos „There`s a Lot Glasgowing On in 1990“ basierte auf
der Definition eines weit gefassten Kulturbegriffs. Die Kulturhauptstadt sollte nicht
allein ein Event der kulturinteressierten Elite Glasgows werden, sondern alle
Einwohnerschichten ansprechen. Dazu wurde das Kulturverständnis weit gefasst.
„Culture is not only about art. It cannot be confined. The culture of a city is what
people do now and have done in the past. It is a process which includes all and
excludes none.”210 Neben den klassischen Künsten der Malerei, Dichtung und
Musik zählten auch Alltagkünste zum Kulturbegriff. Das Kulturhauptstadtprogramm
umfasste daher Projekte unterschiedlichster Ausrichtung, die unterschiedlichste
Zielgruppen ansprachen.211 Folglich waren in der Planung des Programms
verschiedenste Institutionen beteiligt. Das Spektrum reichte von offiziellen
206
207
208
209
210
211
Vgl. Ebenda.
Glasgow City Council (Hrsg.)(1992): a.a.O., S.27.
Myerscough, John (1994): a.a.O., S.112.
Vgl. Ebenda.
Glasgow City Council (Hrsg.)(1992): a.a.O., S.3.
Vgl. Ebenda.
66
kulturellen Institutionen über ehrenamtliche Gruppen bis zu Akteuren aus der
Privatwirtschaft. Insgesamt waren über 7.000 Akteure und Organisationen in die
Planung der rund 3.000 Veranstaltungen der Kulturhauptstadt „Glasgow 1990,
Cultural Capital of Europe“ einbezogen.212 Um den Zugang zu Veranstaltungen
sicher zu stellen waren eine Reihe der Darbietungen und Ausstellungen kostenlos
zugänglich.213 Insgesamt fungierte die Kulturhauptstadt als eine Plattform auf der
die verschiedenen Kulturen Glasgows, unabhängig von der Einteilung nach Hochund Massenkultur, präsentiert werden konnten.
Gemäß dem Motto „There`s a Lot Glasgowing On in 1990” gestaltete sich das
Kulturhauptstadtprogramm vielfältig. Das reguläre Jahreskulturprogramm der Stadt
Glasgow wurde durch das Kulturhauptstadtprogramm, basierend auf dem
erweiterten Kulturbegriff, in unterschiedlichster Weise erweitert und ergänzt. Die
Ausweitung des regulären Jahreskulturprogramms wurde auf folgende Aspekte
fokussiert: Das Angebot der bestehenden Kultureinrichtungen wurde durch
zusätzliche Darbietungen erweitert. So nahm bspw. die Burrell Collection
zusätzliche Ausstellungen in ihr Programm auf. Des Weiteren wurden zusätzliche,
zentral initiierte Projekte veranstaltet. Bspw. wurde die Theaterreihe „The Ship" als
neues Theaterspiel mit insgesamt 56 Auftritten für die Kulturhauptstadt von zentraler
Stelle entwickelt. Schließlich wurden Projekte von unabhängigen oder teils neu
gegründeten Organisationen im Kulturhauptstadtjahr getragen. So wurde bspw. das
Projekt „Call that Singing“ von einem Bürgerchor als freies Projekt initiiert. Die
kulturellen Projekte unter dem Motto „There`s a Lot Glasgowing On in 1990“ setzten
sich also aus etablierten Kulturveranstaltungen und extra für das Jahr neu
entwickelten Projekten zusammen.214 Die Vielfalt der Projekte, die im Rahmen der
Kulturhauptstadt initiiert wurden, lässt sich anhand der jeweiligen kulturellen
Zuordnung in sieben Bereiche unterteilen.
Musik: Im Rahmen der Kulturhauptstadt wurden eine Reihe musikalischer
Projekte umgesetzt. Klassische Darbietungen wurden unter anderem vom
„Scottish National Orchestra“, dem chinesisch-amerikanischen Cellist Yo Yo Mat
und dem italienischen Tenor Luciano Pavarotti geboten. Teils umfangreiche
Kooperationsprojekte, wie bspw. das Zusammenspiel zwischen dem Leipzig
Gewandhaus, dem Polnischen Kammerorchester und dem „European Community Youth Orchestra“, fanden ebenfalls während des Kulturhauptstadtjahres statt.
Im Rahmen des „Cranhill Arts Project“ wurde das ehemals etablierte Glasgower
Backcourt Concert wiederbelebt. Neben den klassischen und traditionellen
Musikprojekten, fanden auch einige Gemeinschaftsprojekte statt. Das Projekt
„Call That Singing“ lud alle interessierten Sänger das ganze Jahr über zum
gemeinsamen Singen ein. Als herausragendes Musikevent galt das Projekt „The
Big Day“. Einen ganzen Tag lang traten auf drei Bühnen innerhalb der Stadt
verschiedenste Musikgruppen auf. Das Open Air Event wurde zum best
besuchten Event des Jahres.
Theater: Das Theaterprogramm während der Kulturhauptstadtjahres war
thematisch weit gefasst. „With performances reflecting current social concerns as
much as historical ones, from Glasgow-born and based companies to ones of the
highest international standing.”215 Klassische Aufführungen standen dabei neben
außergewöhnlichen Darbietungen. Nicht nur im Theater, sondern an verschie212
213
214
215
Vgl. Greiner, Johann (2005): a.a.O. / Myerscough, John (1994): a.a.O.
Vgl. Glasgow City Council (Hrsg.)(1992): a.a.O.
Vgl. Myerscough, John (1994): a.a.O.
Glasgow City Council (Hrsg.)(1992): a.a.O., S.11.
67
densten Orten der Stadt wurden Performances aufgeführt.216 Als herausragendes
Theaterstück galt das Stück „The Ship“. Professionelle Schauspieler und Arbeiter
stellten zusammen das Arbeiten am Clyde nach. Der Bau eines Schiffes wurde in
insgesamt 56 Aufführungen originalgetreu in einer ehemaligen Werft als
Theateraufführung präsentiert.217
Tanz: Verschiedenste Tanzstile, im Einzeltanz oder im Gruppentanz, wurden im
Rahmen der Kulturhauptstadt präsentiert. Klassische Aufführungen, bspw. durch
das Scottish Ballet, standen neben innovativen und neuartigen Performances. In
Workshops konnten lokale Tänzer zusammen mit internationalen Akteuren
zusammen arbeiten. So fanden bspw. intensive Workshops unter der Leitung der
beiden Choreographen Mike Mayhew (aus Neuseeland) und Becky Edmunds
(aus England) im Kulturhauptstadtjahr statt.
Ausstellungen: Das gesamte Kulturhauptstadtjahr über fanden täglich rund 70
Ausstellungen parallel, in Glasgow statt. Die Werke moderner und klassischer
Künstler als auch lokaler und internationaler Künstler wurden in verschiedensten
Ausstellungen präsentiert. Zusätzlich gab es eine Reihe von Ausstellungen,
welche die Bürger zum Mitmachen animierten. Beispielsweise setzte sich die
Fotoausstellung „Glasgweginas by Glaswegians“ aus Fotos vom alltäglichen
Leben des Glasgower zusammen. Die Ausstellung des Springburn Museums
setzte sich mit den Veränderungen des nördlich gelegenen Stadtteils Springburn
auseinander. Das alte Springburn wurde dem neuen Springburn gegenüber
gestellt. Das Projekt „Keeping Glasgow in Stitches“, wurde im „Kelvingrove Art
Gallery and Museum“ durchgeführt. Als Zusammenarbeit zwischen professionellen Künstlern und begeisterten Amateuren, wurde für jeden Monat des Jahres
jeweils ein großes Banner genäht. Die Künstler entwarfen die Banner, welche
wiederum von den rund 600 Amateuren erstellt und genäht wurden. So entstand
bspw. ein Banner für den Monat Mai: „The May banner, entitled Painting the
Town Red, sketched by Andrew Hay, represented the socialist tradition of
Glasgow.”218
Sport: Neben den populären Fussballevents des regulären Glasgower
Jahresprogramms wurden im Rahmen der Kulturhauptstadt weitere Sportveranstaltungen präsentiert. Etablierte Events wie die „European Indoor Athletic
Championships“ wurden ebenso eingebunden wie spezifischere Sportarten,
bspw. die „World Highland Games“ oder die „UK tae-Kwon-do Team Championships“.
Film: Eine Reihe von Filmprojekten wurde im Rahmen der Kulturhauptstadt
umgesetzt. Dabei wurden sowohl politische Thematiken und soziale Aspekte als
auch lokale Thematiken in unterschiedlichsten Filmprojekten thematisiert.
Beispielsweise wurde mit dem Filmprojekt, „Points East“ die veränderten
Rahmenbedingungen von Mittel- und Osteuropa in Beziehung zur ehemaligen
UDSSR thematisiert. Darüber hinaus fand im Rahmen der Kulturhauptstadt das
„Women`s international Film Festival“ statt, welches unter anderem Mary Pickford
als „den“ weltweit höchst bezahltesten Filmdirektor früher Zeiten herausstellte.
Architektur. Viele der beschriebenen Performances haben an unterschiedlichsten Orten in Glasgow stattgefunden. Mit dem Projekt „Music in Architecture“
wurde bspw. eine Serie an Musikevents in den historischen und teils renovierten
Gebäuden Glasgows abgehalten. Insgesamt wurde die historische Bausubstanz
216 Vgl. Ebenda.
217 Vgl. Schiller, Tobias (2007): Glasgow 1990 – Ruhrgebiet 2010: a.a.O.
218 Glasgow City Council (Hrsg.)(1992): a.a.O., S.20.
68
mittels der Kulturhauptstadt neu in Szene gesetzt.219 Darüber hinaus fanden eine
Reihe von Neu- und Umbaumaßnahmen statt. Eins der wichtigsten Projekte war
der Neubau der Royal Concert Hall, die nördlich des Clyde auf der Fläche der
ehemaligen St. Andrews Hall errichtet wurde. Darüber hinaus wurden die
McLellan Gallery, das Glasgow Film Theatre und das Museum of Education
neben weiteren kleineren Bauprojekten restauriert bzw. erweitert. Einhergehend
mit den baulichen Veränderungen erhielten viele Gebäude im Rahmen der
Kulturhauptstadt ein neues Beleuchtungssystem.220
Die erläuterten Projekte der Kulturhautstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital of
Europe“ zeigen die breite Spanne an kulturellen Events auf. Durch die Erweiterung
des regulären Jahreskulturprogramms wurde die klassische Kunst insbesondere
durch experimentellere Ansätze erweitert. Mit dem Motto „There`s a Lot Glasgowing
On in 1990” sollte die kulturelle Vielfalt Glasgows herausgestellt werden. Darüber
hinaus sollte das Motto die Veränderungen Glasgows hin zu post-industriellen Stadt
aufzeigen. Glasgow wollte sich als eine lebendige Stadt im Wandel präsentieren.
4.3 Auswirkungen der Kulturhauptstadt Glasgow 1990 auf die
Altindustriestadt Glasgow
Die Mehrzahl der Projekte der Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital of
Europe“ fanden im Kulturhauptstadtjahr 1990 statt. Einige Projekte wurden bereits
im Vorfeld des Kulturhauptstadtjahres initiiert und andere Projekte auch nach 1990
weiter geführt. Eine Strategie zur strukturellen Weiterentwicklung der Projekte des
Kulturhauptstadtjahres wurde von den Verantwortlichen jedoch im Vorfeld nicht
erarbeitet. Die Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“
umfasste somit den Zeitraum ab der offiziellen Nominierung (ab 1986) bis zum Ende
des Kulturhauptstadtjahres (bis 1990). Als Evaluierungszeitraum der Auswirkungen
der Kulturhauptstadt Glasgow 1990 auf die Stadt Glasgow, wird folglich der
Zeitraum von Anfang 1986 bis Ende 1990 festgelegt. Die Veränderungen, welche in
diesem Zeitraum durch die Kulturhauptstadt Glasgow erwirkt wurden, sollen
untersucht werden. Folglich handelt es sich um eine „Ex-Post-Evaluation“. Die
Untersuchung basiert auf einer Auswertung des Kulturhauptstadtprogramms und
bisher veröffentlichter Evaluationen und Berichten zur Kulturhauptstadt „Glasgow,
Capital of Culture“.
4.3.1 Wirtschaftsstruktur und Arbeitsmarkt
Die Herausforderungen hinsichtlich der regionalen Wirtschaftstruktur und des
regionalen Arbeitsmarktes bestanden Mitte der 1980er Jahre im Niedergang der
dominierenden Industriebranchen. Neue Wachstumsbranchen waren zu diesem
Zeitpunkt kaum etabliert. Die Anzahl der Arbeitslosen stieg kontinuierlich an, wobei
der Anteil der Langzeitarbeitslosen besonders hoch war. Es galt, die Ansiedlung
neuer Wachstumsbranchen im Raum Glasgow zu fördern und eine nachhaltige
Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt zu erzielen.
4.3.1.1
Auswirkungen
Im Rahmen der Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“ wurde
die Stärkung der regionalen Wirtschaft verfolgt. Mittels der Kulturhauptstadtprojekte
219 Vgl. Ebenda.
220 Vgl. Myerscough, John (1994): a.a.O.
69
wurden sowohl direkte als auch indirekte Effekte für die Wirtschaftsstruktur erzielt.
Direkte Auswirkungen ergaben sich durch die steigenden Tourismuszahlen, die
Schaffung neuer Arbeitsplätze und die Förderung einzelner Wirtschaftsbranchen.
Indirekte Effekte wurden durch das Marketing und die Förderung des Images
initiiert.
Der Nettobetrag, den die regionale Wirtschaft während des Kulturhauptstadtjahres
erwirtschaftete, wurde häufig als übergeordneter Indikator zur Bilanzierung der
wirtschaftlichen Auswirkungen von „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“
herangezogen. Nach unterschiedlichen Angaben, wird der Nettobetrag auf eine
Summe zwischen 7,1 Millionen Pfund und 14,1 Millionen Pfund geschätzt.221 „This
figure covers the impact of additional visitor spending and of income generation at
facilities and events. It allows for induced and indirect impacts and is net of relevant
additional public sector expenditure on the City of Culture during 1990.”222 Im
Rahmen des Kulturhauptstadtjahres hatten somit diverse Wirtschaftsbranchen der
Region nennenswerte finanzielle Zusatzeinnahmen verzeichnet. Als eine der
wichtigsten Einnahmequellen der regionalen Wirtschaft galt der Tourismus. Im
Kulturhauptstadtjahr war die Anzahl der Touristen, sowohl der Tagestouristen als
auch der Übernachtungsgäste, stark angestiegen. Einhergehend mit den
steigenden Gästezahlen wurden erhöhte Einnahmen in touristisch ausgerichteten
Wirtschaftssektoren erzielt. Von den touristischen Einnahmen profitierten neben den
kulturellen Institutionen ebenso die Hotellerie und die Gastronomie der Stadt. Als
weiterer Indikator zur Bewertung der wirtschaftlichen Auswirkungen, galt die Anzahl
der geschaffenen Arbeitsplätze in Glasgow. Den unterschiedlichen Einschätzungen
zufolge, lag die Anzahl der im Jahr 1990 neu geschaffenen Arbeitsplätze zwischen
5.300 und 5.800 Stellen. Die meisten dieser Stellen wurden im kulturellen Sektor
geschaffen. Insgesamt arbeiteten im Jahr 1990 rund 21.500 Arbeitnehmer im
Kultursektor. Prozentual ist die Anzahl der Arbeitnehmer im Kultursektor, am Anteil
aller Arbeitnehmer, von 2,3% im Jahr 1986 auf 2,8% im Jahr 1990 angestiegen.
Dies lässt darauf schließen, dass zumindest ein Teil der neu geschaffenen
Arbeitsplätze auf die kulturellen Veranstaltungen der Kulturhauptstadt zurück zu
führen sind. Insgesamt wurde die Wirtschaftlichkeit der neu geschaffenen
Arbeitsplätze wie folgt bewertet. „Gross public sector cost per job was calculated at
£6,980. This compares favourably with estimates of £20,000 plus per job found in
earlier research on initiatives such as Enterprise Zones.”223 Als dritter Indikator zur
Untersuchung der wirtschaftlichen Effekte der Kulturhauptstadt, wurde die
Entwicklung einzelner Wirtschaftsbranchen untersucht. Dabei fiel insbesondere die
Entwicklung der „Creative Industries“ positiv auf. Obwohl im Rahmen der
Kulturhauptstadt kein Fokus auf die Förderung der regionale Kreativwirtschaft gelegt
wurde, verzeichnete diese Wirtschaftsbranche ein Wachstum von 3,9% im Zeitraum
von 1986 bis 1990. „Art trade, music industry, designer trades, film and video“224
wurden als Komponenten der Creative Industries definiert. Da im Rahmen der
Kulturhauptstadt zahlreiche Projekte der Creative Industries initiiert wurden, scheint
das Wachstum dieser Branchen hauptsächlich durch die Kulturhauptstadt begründet
221 Vgl. Glasgow City Council (Hrsg.)(1992): a.a.O. / Myerscough, John (1994): a.a.O.
222 Myerscough, John (1992): Measuring the impacts of the arts The Glasgow 1990 experience, in:
Journal of the Market Research Society, Heft 34/4 1992, S.30.
223 Myerscough, John (1992):a.a.O., S.330.
224 Myerscough, John (1994): a.a.O, S.126.
70
zu sein.225 Dennoch ist die Entwicklung der Kreativwirtschaft Glasgows, ebenso wie
die Entwicklung der weiteren wirtschaftlichen Indikatoren unter Vorbehalt zu
bewerten. Die Kausalität zwischen den wirtschaftlichen Effekten und den Projekten
der Kulturhauptstadt konnte nicht klar belegt werden. „There is no clear evidence of
1990 being a direct catalyst for other successes in terms of Glasgow`s economic
development such as the consistent growth in inward investment and job
creation.”226
Neben den direkten Auswirkungen, erzielten die Vermarktung der Kulturhauptstadt
Glasgows und die Maßnahmen zur Verbesserung des Außenimages positive
Effekte auf die Wirtschaftstruktur. Der Wirtschaftsstandort Glasgow profitierte
insbesondere von einer verbesserten Wahrnehmung durch Außenstehende.
Erhöhte Tourismuszahlen und positive Berichterstattungen durch die Medien, haben
dem Standort Glasgow erhöhte Aufmerksamkeit als kulturelles und wirtschaftliches
Zentrum Westschottlands gebracht. Insbesondere die hohe Lebensqualität und das
positive Arbeitsumfeld wurden nach außen vermarktet. Umfragen zufolge verstärkte
sich zum Ende des Jahres 1990 und in den Jahren danach die positive
Wahrnehmung der Stadt Glasgow deutlich.227 Die Unternehmen des Wirtschaftsstandorts Glasgow profitierten also nicht direkt durch erhöhte Umsätze sondern
vielmehr vom verbesserten Image. Die Anziehung finanzstarker Investoren, die
Ansiedlung neuer Unternehmen sowie die Anziehung qualifizierter Arbeitskräfte
wurden Einschätzungen zufolge durch das verbesserte Außenimage langfristig
gefördert. Diese Verbesserung war also maßgeblich für die Anwerbung neuer
Wachstumsbranchen und diente der nachhaltigen Stärkung der Wirtschaftstrukturen
Glasgows.
Der Untersuchung der direkten und indirekten Effekte zufolge, hat die Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“ viele positive Impulse für die
Wirtschaftsentwicklung der Stadt gebracht. Obwohl die Kausalität meist nicht direkt
gegeben war, ist die regionale Wirtschaft dennoch durch die Kulturhauptstadt
gestärkt worden. Doch insbesondere die langfristige Entwicklung Glasgows gab
auch Anlass zu einigen Kritikpunkten: “The main criticism […] is Glasgow`s failure to
resolve its social problems. Typically, 1990 success was seen in economic terms
generating low-wage jobs and benefiting elites-political, corporate, cultural or
otherwise - while doing little to alleviate the city`s underlying structural economic
problems.”228 So konnten im Rahmen der Kulturhauptstadt zwar einige Arbeitsplätze
geschaffen werden, die Arbeitslosenquote der Stadt Glasgow konnte dadurch
jedoch nicht signifikant gesenkt werden. Hinzu kam, dass viele der im Kulturhauptstadtjahr geschaffenen Arbeitsplätze als „nicht langfristig“ kritisiert wurden. „The
quality of the jobs was often relatively poor and rarely provided the transferable
skills that people need to remain in the job market in the long term.”229 Umfangreiche Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen der ehemaligen Industriearbeiter wurden im Rahmen der Kulturhauptstadt nicht geleistet.230 Rund 10 Jahre nach
225 Vgl. Ebenda.
226 Palmer, Robert (2004): European Cities and Capitals of Culture – Study prepared for the
European Commission Part I+II, Brüssel, S.168.
227 Vgl. Myerscough, John (1994): a.a.O.
228 García, Beatriz (2005): Deconstructing the City of Culture The Long–term Cultural Legacies of
Glasgow 1990, in: Urban Studies, Vol. 42 Nummer 5/6 2005, S.845.
229 Ebend, S. 861.
230 Vgl. Ebenda.
71
dem Kulturhauptstadtjahr war die Arbeitsmarktsituation immer noch schwierig: „We
still have a high level of unemployment resident workforce who are unskilled and
somehow rather are not competitive and attractive to the new jobs”231 Die
Verbesserung des Außenimages wird dahingehen weitgehend positiv bilanziert.
Zugleich wird der Prozess der Imageentwicklung als ein langwieriger Prozess
bewertet. "Glasgow seems to have solved its image problem, but it has a long way
to go before it achieves economic momentum and work for all its people.”232 Auf
langfristige Sicht haben sich in Glasgow neue Wachstumsbranchen etabliert. Die
Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“ wird die Entwicklung
vieler Wirtschaftsbranchen befördert haben, eine Kausalität ist jedoch lediglich bei
der Förderung der Kreativwirtschaft auszumachen. Zusammenfassend wird die
Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“ als positiv bewertet:
„Glasgow 1990 was valued as a backdrop for business. The initiative was part of a
evolving strategy to reclaim Glasgow`s European status as a good place to live and
work.“233
4.3.2 Städtebau und Stadtbild
Die Herausforderung hinsichtlich der städtebaulichen Entwicklung der Stadt
Glasgow bestand Mitte der 1980er Jahre in einer hohen Anzahl an Brachflächen
und einem negativen Stadtbild. Es galt, die hohe Anzahl an Brachflächen einer
nachhaltigen Neunutzung zuzuführen und die Maßnahmen zur Aufwertung des
Stadtbildes weiter zu führen.
4.3.2.1
Auswirkungen
Im Rahmen der Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“ wurde
die industrielle Vergangenheit der Region Glasgow in einigen Projekten thematisiert.
In Fotoausstellungen, Theatervorführungen oder musikalischen Projekten wurde die
industrielle Geschichte Glasgows untersucht, interpretiert und präsentiert. Die
räumlichen Hinterlassenschaften der alten Industriebetriebe standen dabei jedoch
kaum im Fokus kultureller Veranstaltungen.234 Lediglich das Theaterstück „The
Ship“ setzte eine ehemalige Werft, durch die Nutzung als Aufführungsort,
industriekulturell neu in Szene.235 Darüber hinaus wurde im Rahmen der
Kulturhauptstadt kaum mit alten Industriebrachen oder alten Industrierelikten
experimentiert. Insofern stellte die Kulturhauptstadt keine Trendwende im Umgang
mit den alten Industrieanalgen dar. Die meisten Industrierelikte wurden ab den
1980er Jahren abgerissen und die Flächen einer Neunutzung zugeführt.
In diesem Sinne fanden im Rahmen der Kulturhauptstadt einige Neubauten sowie
Erweiterungs- und Umbauten statt. Die kulturelle Infrastruktur wurde dabei deutlich
gestärkt und ausgebaut. “The most visible legacy is of course the […] brand new
Royal Concert Hall and Tramway. The McLellan Galleries, King`s Theatre, Theatre
Royal and Citizens` have all been substantially refurbished, and extensions
completed to the People`s Palace. The Dome of Discovery, The Arches Theatre, a
231 Zit. In: Helms, Gesa (2001): Glasgow The friendly city The safe city - an agency orientated
enquiry into the practices of place-marketing safety and social inclusion, Schriftenreihe Praxis
Kultur- und Sozialgeographie 23 2001, Potsdam, S.57
232 Gómez, María (1998): a.a.O., S.115.
233 Myerscough, John (1994): a.a.O., S.126.
234 Vgl. Blotevogel, Hans et.al.(1999): a.a.O.
235 Vgl. Schiller, Tobias (2007): a.a.O.
72
second auditorium in Glasgow Film Theatre, Dieter Magnus` Garnethill Park, a
relocated Scottish Mask & Puppet Centre, are all developments carried out because
of Glasgow`s Cultural Capital status.”236 Insofern hat die Kulturhauptstadt Glasgow
1990 zur städtebaulichen Weiterentwicklung, fokussiert auf kulturelle Institutionen,
beigetragen. Dabei profitierte insbesondere die Innenstadt von diesen Maßnahmen.
In Abb. 10 wird deutlich, dass die meisten der baukulturellen Projekte im Zentrum
Glasgows umgesetzt wurden. Bedeutend ist dabei, dass die Kulturhauptstadt bei
vielen Bauprojekten weniger als Initiator sondern vielmehr als Katalysator fungierte.
Viele Planungen waren bereits in Planung oder Bearbeitung, so dass das
Kulturhauptstadtjahr zum Anlass genommen wurde die Planungen umzusetzen.
Dabei wird die finanzielle Förderung durch die Kulturhauptstadt von hoher
Bedeutung gewesen sein. So galt für den Bau der Royal Concert Hall folgendes:
„plans were underway regardless of 1990, but the event helped accelerate the
process.”237
Neben den baulichen Maßnahmen wurden im Rahmen der Kulturhauptstadt
Glasgow 1990 Projekte zur Verbesserung des Stadtbildes durchgeführt. Die bereits
in den 1980er Jahren begonnene Reinigung und Renovierung der historischen
Bausubstanz wurde durch einige Projekte der Kulturhauptstadt aufgegriffen. So
wurden historische Gebäude restauriert, kulturell bespielt oder durch Beleuchtungssysteme neu in Szene gesetzt. Das besondere Stadtbild Glasgows, maßgeblich
geprägt durch die erhaltenen Gebäude des viktorianischen Architekturstils, wurde
sozusagen einem „Facelifting“ unterzogen und umfangreich aufgewertet.238
Abb. 10 Räumliche Verteilung der wichtigsten Bauprojekte
Entwurf: Eigene Darstellung, Frankfurt 2010
Quelle:
Grafische Grundlage: Scottish Politics Research Unit (HRsg.)(o.J.): Glasgow Council maps,
Online-Dokument: http://www.alba.org.uk/maps/glasgowmaps.html, Stand 24. Januar 2011.
236 Glasgow City Council (Hrsg.)(1992): a.a.O., S.33.
237 Palmer, Robert (2004): a.a.O., S.167.
238 Vgl. Myerscough, John (1994): a.a.O.
73
Die Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“ wurde zur
Weiterführung der bereits in den 1980er Jahren begonnenen Maßnahmen zur
Verbesserung des Städtebaus und des Stadtbildes, genutzt. Insbesondere auf
langfristige Sicht wurde die kulturelle Infrastruktur der Stadt erheblich aufgewertet
und positiv verändert. Kritikpunkte dieser Maßnahmen waren insbesondere die
innerstädtische Fokussierung der Baumaßnahmen. Im Rahmen der Kulturhauptstadt wurde die Innenstadt stark aufgewertet. Es wurde kritisiert, dass die
Kulturhauptstadt dadurch zur Entwicklung einer „Dual City Glasgow“ beigetragen
hätte. Begründet durch die Stadtentwicklungsmaßnahmen der 60er Jahre hatte sich
zunehmend eine Diskrepanz zwischen der Innenstadt und den Randzonen
entwickelt. Das „glanzvoll und pompöse City Center“239 stand den teils elenden und
maroden Randgebieten entgegen.240 „Glasgow has become a dual city,
characterised by cultural-led regeneration, physical renewal in the city centre
alongside the City`s large peripheral housing estates, all too frequently depicted as
residual backwaters of dependency poverty and crime.”241 Einzelne Projekte der
Kulturhauptstadt mögen diese Entwicklung bestärkt haben, insgesamt stellte
Kulturhauptstadt jedoch lediglich einen Baustein einer langjährigen Entwicklungsstrategie mit Ausrichtung auf die Innenstadt Glasgows dar.242
4.3.3 Außenimage und Tourismus
Die Herausforderung der Stadt Glasgow hinsichtlich des Außenimages bestand in
den 1980er Jahren in einer Verbesserung und Erneuerung des Außenimages. Die
Veränderung zu einer post-industriellen Stadt galt es nach außen zu vermarkten.
Ein verbessertes Außenimage sollte Glasgow sowohl wirtschaftlich stärken als auch
die Entwicklung zu einer Tourismusdestination fördern.
4.3.3.1
Auswirkungen
Im Rahmen der Kulturhauptstadt “Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“ wurde
die Entwicklung Glasgows zur Tourismusdestination gestärkt. Sowohl das
Außenimage als auch die touristische Infrastruktur wurden durch die Kulturhauptstadt maßgeblich verbessert.
Die Kulturhauptstadt Glasgow 1990 hat sich positiv auf den städtischen Tourismus
ausgewirkt. Im Zeitraum, ausgehend von der Nominierung zur Kulturhauptstadt
Europas (1986 bis 1989) stiegen die Tourismuszahlen in Glasgow bereits leicht an.
Im Kulturhauptstadtjahr (1990) stiegen die Tourismuszahlen weiter an, während sie
im Jahr 1991 wieder rückläufig waren. Die prozentuale Entwicklung des Tourismus,
dargestellt in Abb. 11 verdeutlicht den starken Anstieg während des Kulturhauptstadtjahres. Ausgehend vom Jahr 1989 haben die Übernachtungszahlen im Jahr
1990 um 11% zugenommen. Bereits die Tatsache, dass im gleichen Zeitraum der
Tourismus im gesamten Landesteil Schottland rückläufig war, lässt darauf
schließen, dass die Zunahme des Glasgower Tourismus durch das Kulturhauptstadtjahr begründet war. Unterstützt wird diese These zum einen dadurch, dass die
Besucherzahlen im Jahr 1991 wieder auf den Ausgangswert vom Jahr 1989
239 Ulsamer, Cordula (1991): a.a.O, S.427.
240 Vgl. Ebenda.
241 Mooney, Gerry (2004): Cultural Policy as Urban Transformation? Critical Reflections on
Glasgow European Capital of Culture 1990, in: Local Economcy, Vol. 19 Nummer 4, S.334.
242 Vgl. Schiller, Tobias (2007): a.a.O.
74
zurückfielen und zum anderen durch die hohe Anzahl ausländischer Übernachtungsgäste. Erstmals in der Geschichte Glasgows, stiegt die Besucherzahl
ausländischer Gäste innerhalb eines Jahres um 50% an (Abb. 12). „Glasgow moved
into third position among Britain`s top town destinations in overseas markets, behind
London (10.3 millionen) and Edinburgh (770.000). It had been fourth equal with
Birmingham in 1989 and sixth in 1986.”243 Glasgow verzeichnete im Jahr 1990 rund
450.000 Übernachtungsgäste aus dem Ausland. Während die Besucherzahlen
insgesamt nach dem Jahr 1990 zunächst wieder zurück gingen, blieb die Zahl der
ausländischen Besucher deutlich über dem Ausgangswert aus dem Jahr 1989.
Dabei lag der Anteil der ausländischen Touristen in der Stadt Glasgow auch nach
dem Jahr 1990 deutlich über dem Anteil ausländischer Besucherzahlen im
gesamten Landesteil Schottland.
Abb. 11 Entwicklung des Tourismus ausgehend vom Jahr 1989
Entwicklung des Tourismus
[Basisjahr 1989 entspricht 100%]
120%
110%
100%
90%
80%
Glasgow
Schottland
70%
60%
1989
1990
1991
1992
1993
Entwurf: Eigene Darstellung, Frankfurt 2010
Quelle:
Myerscough, John (1994): European Cities of Culture and Cultural
Months - Full Report Study prepared for the Network of Cultural Cities of
Europe, Glasgow, S.130.
Bei einer Befragung der Besucher Glasgows im Jahr 1990 wurden die kulturellen
Attraktionen der Stadt als Hauptreisegrund angegeben. Rund 66% der inländischen
Touristen und 76% der ausländischen Touristen gaben die kulturellen Attraktionen
als wichtigsten Reisegrund an. Dies bestätigt wiederum, dass die Kulturhauptstadt
den Tourismus im Jahr 1990 maßgeblich beeinflusst hat. In der Abb. 13 ist die
Verteilung der Besucher auf die kulturellen Institutionen in Glasgow aufgeführt.
Demnach wurden die Museen und Galerien der Stadt mit rund 4,9 Millionen
Besuchen weitaus häufiger besucht, als die Theater und Konzerte. Die Theater und
Konzerte verzeichneten im Kulturhauptstadtjahr rund 1,7 Millionen Besuche.
Während die Besucherzahlen der Museen und Galerien nach dem Kulturhauptstadtjahr jedoch wieder auf den Besucherwert der Zeit vor der Kulturhauptstadt zurück
243 Myerscough, John (1994): a.a.O., S.125.
75
fielen, blieben die Besucherzahlen der Theater und Konzerte nach dem Jahr 1990
relativ konstant. Es wird deutlich, dass im Rahmen der Kulturhauptstadt die
kulturelle Basis der Stadt erweitert wurde. Theater und Konzerte etablierten sich
zunehmend als kulturelle Attraktionen neben den bereits seit Jahren etablierten
Museen und Galerien der Stadt Glasgow. „Tourists averaged ten per cent of
theatres concert attendance in 1990, whereas they had been a negligible factor in
1986.”244
Entwicklung des Tourismus aus dem Ausland
[Basisjahr 1989 entspricht 100%]
Abb. 12 Entwicklung des Tourismus aus dem Ausland ausgehend
vom Jahr 1989
180%
160%
140%
120%
Glasgow
100%
Schottland
80%
1989
1990
1991
1992
1993
Entwurf: Eigene Darstellung, Frankfurt 2010
Quelle:
Myerscough, John (1994): European Cities of Culture and Cultural
Months - Full Report Study prepared for the Network of Cultural Cities of
Europe, Glasgow, S.130.
Einhergehend mit der Stärkung der Stadt Glasgow als Tourismusdestination, wurde
das Außenimage der Stadt durch die Kulturhauptstadt verbessert.245 „The city`s
image transformation from grim industrial centre to attractive creative hub, including
the growth in leisure and business tourism that resulted partly from this image
transformation.”246 Während die Auszeichnung Glasgows zur Kulturhauptstadt
Europas im Jahr 1986 bereits europaweit für Aufsehen sorgte, verbesserte sich das
Außenimage im Kulturhauptstadtjahr nachweislich. Im Zeitraum von Oktober 1989
bis September 1990 führte das Werbebüro „Saatchi & Saatchi“ in London und im
Südwesten des Vereinigten Königreichs eine Umfrage bei Erwachsenen durch
(keine Angabe der Anzahl der Befragten). Während im Jahr 1989 noch 48% der
Befragten Glasgow für „rough and depressing“ hielten, vertraten diese Meinung
Ende des Jahres 1990 nur noch 35% der Befragten. Parallel zu diesem Ergebnis
stieg die Anzahl der Befragten deren Meinung nach Glasgow „rapidly changing for
244 Ebenda, S.125.
245 Vgl. Ebenda.
246 García, Beatriz (2005): a.a.O., S.845.
76
the better“. Im Oktober 1989 dachten nur 34% der Befragten, dass Glasgow sich
schnell zum positiven ändern würde, während dies im September 1990 bereits 49%
der Befragten bejahten.247
Abb. 13 Entwicklung der Besucherzahlen aufgeteilt nach Museen, Galerien
und Theatern, Konzerten
6
Besucherzahlen in Millionen
M useen, Galerien
Theater, Konzerte
4
2
0
1985
1989
1990
1991
1992
Entwurf: Eigene Darstellung, Frankfurt 2010
Quelle:
Myerscough, John (1994): European Cities of Culture and Cultural
Months - Full Report Study prepared for the Network of Cultural Cities of
Europe, Glasgow, S.131.
Anhand dieser Zahlen wird deutlich, dass sich das Außenimage der Stadt Glasgow
im Zeitraum der Kulturhauptstadt nicht sprunghaft aber stetig verbesserte.
Insbesondere durch den Tourismus und die Medienberichte wurde dieser Prozess
in den nächsten Jahren weiter geführt. „A sustained significant long-term impact has
been the dramatic transformation of Glasgow`s image, from being perceived as a
violent post-industrial city into being celebrated as a creative cultural and leisure
centre and one of the most vibrant cities in the UK.”248 Die Berichterstattung der
Medien hatte sich durch das Kulturhauptstadtjahr positiv verändert. Insbesondere im
Jahr 1990 wurde eine umfangreiche Medienberichterstattung verzeichnet. „In the
UK alone, press coverage amounted to the equivalent of a month`s editions of the
Glasgow Herald or The Guardian. If Glasgow had been asked to pay for the amount
of newspaper space taken up with 1990 events, it would have cost more than £5.4
millionen.”249 Darüber hinaus stieg das Interesse internationaler Medien an der
Stadt. In rund 48 verschiedenen Nationen wurde von der Kulturhauptstadt Glasgow
1990 berichtet.250 Inhaltlich fielen die meisten Berichterstattungen positiv aus. So
titelte bspw. das “Wall Street Journal” im Januar 1989 “Glasgow`s No Mean City
247
248
249
250
Vgl. Myerscough, John (1994): a.a.O.
Palmer, Robert (2004): a.a.O., S.167.
Glasgow City Council (Hrsg.)(1992): a.a.O., S.24.
Vgl. Ebenda.
77
Anymore”251, der “Los Angeles Herald Examiner” im August 1990 „The ugly duckling
of Europe has turned into a swan”252 und die “Vancouver Sun” im März 1990 “Form
tough industrial town to cultural mecca.”253 Anhand der veränderten Berichterstattungen wurde die veränderte Außenwahrnehmung Glasgows deutlich. Insgesamt
wurden die Effekte der Kulturhauptstadt auf das Image der Stadt Glasgow zu den
wichtigsten Erfolgen gezählt. „In Glasgow`s case, a common claim is that the most
successful and sustainable legacy of hosting the ECOC was precisely of cultural
and symbolic nature: the transformation of Glasgows`s image.”254
Die Auswirkungen der Kulturhauptstadt “Glasgow, City of Culture 1990“ auf das
Selbstimage und auf das Außenimage der Stadt wurden weitestgehend positiv
bewertet. “Glasgow has a better reputation, today than it did in the period prior to
the late 1980s, many ordinary Glasgwegians attended 1990 events and festivals,
having exhibitions, conferences, large cultural events, new museums, new art
centers etc. created opportunities of varied and multiple kinds for some
Glasgwegians; jobs have been created in the arts and cultural sectors and tourists
see Glasgow as an attractive destination for a short-break.”255 Insbesondere das
Außenimage wurde durch das erhöhte Touristenaufkommen und die positiven
Medienberichte aus dem Jahr 1999 verbessert. Trotzdem gab es Kritikpunkte an der
Vermarktung der Kulturhauptstadt. “They revamp the image and leave reality
behind. They propagate an image which is false. There is privation and dereliction of
the housing schemes […] there is chronic unemployment and widespread […]
poverty with the usual concomitants - drug abuse and the manifold forms of
community violence. This is not the Merchant City, but this is the real Glasgow.”256
Diese Kritik ist unter anderem auf die innerstädtische Fokussierung vieler
Kulturhauptstadtprojekte zurück zu führen. Mit Blick auf die langfristige Entwicklung
Glasgows wurde häufig die Frage gestellt „what/whose Glasgow was being
represented in 1990 - and who owned 1990“257. Im Rahmen der Kulturhauptstadt
„Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“ fanden zwar Bemühungen statt, alle
Interessensgruppen in die Vorbereitung der Kulturhauptstadt zu integrieren,
dennoch wurde die Innenstadt durch die Kulturhauptstadt stärker gefördert und
vermarktet als die Randgebiete der Stadt. Somit tritt diese Kritik teilweise zu, jedoch
darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass die Kulturhauptstadt primär ein
kulturelles Programm und nur sekundär ein Programm zur Wirtschaftsförderung
oder zu Förderung sozialer Strukturen darstellt. Insofern erscheint die Fokussierung
des Programms auf das kulturelle Zentrum Glasgows durchaus berechtigt.
4.4 Zwischenfazit
Die Stadt Glasgow unterlag seit dem 18. Jahrhundert einem kontinuierlichen
Wandel. Von einer wichtigen Handelsstadt, hat sich Glasgow zu einer der
bedeutendsten Standorte der britischen Textilindustrie und schließlich zu einem
Zentrum der Schwerindustrie („Second City of the Empire“) entwickelt. Seit den
251
252
253
254
255
256
257
García, Beatriz (2005): a.a.O., S.855.
Ebenda, S.855.
Ebenda, S.855.
Ebenda, S.846.
Mooney, Gerry (2004): a.a.O., S.330.
Zit. in: Ebenda, S.331.
Ebenda, S. 338.
78
1950er Jahren setzte jedoch ein stetiger Niedergang der dominierenden
Industriebranchen ein. Bis zu den 1980er Jahren entwickelte sich die ehemals
prosperierende Wirtschaftsregion Glasgow zu einer Altindustrieregion. Eine hohe
Arbeitslosigkeit, veraltete Strukturen und ein schlechtes Außenimage stellten die
Stadt und die gesamte Region vor große Herausforderungen. Anfang der 1980er
Jahren wurden erste Maßnahmen zur Neuorientierung des Wirtschaftsstandorts
Glasgows unternommen. Die Stadt Glasgow sollte zum attraktiven Dienstleistungsstandort und zur Tourismusdestination entwickelt werden. Städtebauliche
Aufwertungsmaßnahmen der Innenstadt und eine erste Imagekampagne wurden
initiiert. Das kulturelle Erbe Glasgows und dessen Funktion als kulturelles Zentrum
Schottlands wurden dabei gezielt für die Aufwertungsmaßnahmen genutzt. Die
Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“ stellte einen Baustein
in dieser Entwicklung dar. Ausgerichtet an dem Motto „There`s a Lot Glasgowing On
in 1990” wurde der Wandel Glasgows hin zu post-industriellen Stadt im Rahmen der
Kulturhauptstadt nach innen und außen präsentiert. Basierend auf einem breiten
Kulturverständnis und ausgerichtet an kulturellen, ökonomischen und sozialen
Zielsetzungen vermarktete sich Glasgow im Rahmen der Kulturhauptstadt als
vielfältige und dynamische Stadt im Wandel.
Die Auswirkungen der Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“
auf die Altindustriestadt Glasgow sind differenziert zu bewerten. Durch die Projekte
der Kulturhauptstadt wurden positive Impulse zur nachhaltigen Revitalisierung der
Stadt initiiert, dennoch gab es insbesondere mit Blick auf die langfristige
Entwicklung ebenso Kritikpunkte. Einer der positivsten Effekte, im Hinblick auf die
altindustriellen teils starren Strukturen der Stadt, waren die im Rahmen der
Kulturhauptstadt entwickelten vielfältigen Partnerschaften. Da die Kulturhauptstadt
zum Großteil von den lokalen Verwaltungsträgern finanzierte wurde, waren
umfangreiche Kooperationen der lokalen und regionalen Akteure notwendig. Die
jeweiligen Verwaltungsakteure, die privatwirtschaftlichen Sponsoren sowie die
eingebundenen Kulturinstitutionen mussten effektiv zusammenarbeiten, um die
Kulturhauptstadt sowohl finanziell als auch organisatorisch stemmen zu können. Ein
starker Kritikpunkt an der Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital of
Europe“ war in diesem Zusammenhang, die fehlende Aufrechterhaltung viele
Kooperationen und Netzwerke nach dem Kulturhauptstadtjahr. In die Planungen zur
Kulturhauptstadt war keine Weiterführungsstrategie der Kulturhauptstadtprojekte mit
einbezogen worden. Insofern konnten, insbesondere aufgrund finanzieller
Engpässe, viele Projekte nach dem Jahr 1990 nicht weiter geführt werden.
Wahrscheinlich ist, dass einige Potenziale zur nachhaltigen Entwicklung der Stadt
Glasgow dadurch vertan wurden. Dabei muss dieser Kritikpunkt im zeitlichen
Kontext gesehen werden. „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“ war die erste
Kulturhauptstadt Europas, welche das Instrument überhaupt als Stadtentwicklungsinstrument genutzt hatte. Bereits die Erstellung eines Ganzjahresprogramms und
die Ausrichtung auf kulturelle, ökonomische und soziale Zielsetzungen stellte im
Vergleich zu den voran gegangenen Kulturhauptstädten eine enorme Pionierleistung dar. Das Fehlen einer nachhaltigen Einbindung der Kulturhauptstadt muss also
unter dem Aspekt betrachtet werden, dass Glasgow das Instrument Kulturhauptstadt Europas erstmals mit einer vollkommen neuen Ausrichtung erprobte. Vor
diesem Hintergrund ist das Gelingen des Kulturhauptstadtjahres selbst, bereits
positiv zu werten.
79
Die Auswirkungen der Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“
auf die Wirtschaftsstruktur, das Stadtbild und das Außenimage der Stadt sind teils
schwer zu messen. Eine eindeutige Kausalität zwischen den Projekten der
Kulturhauptstadt und den Entwicklung in den jeweiligen Strukturbereichen ist häufig
nicht gegeben. Generell wurden positive Entwicklungen zur Stärkung des
Wirtschaftsstandorts und zur Verbesserung des Stadtbildes im Rahmen der
Kulturhauptstadt initiiert. Als wichtigste Errungenschaft gilt vor allem die
Verbesserung des Außenimages der Stadt Glasgow. Durch die Kulturhauptstadt
konnte die Stadt auf sich aufmerksam machen und die Präsentation in nationaler
und internationaler Öffentlichkeit zu Verbesserung der Außenwahrnehmung nutzen.
Dies zeigte sich anhand der steigenden Touristenzahlen und der positiven
Berichterstattung. Dem negativen Effekt des Rückgangs des Tourismus nach dem
Kulturhauptstadtjahr steht dabei die weiterhin positive Entwicklung der ausländischen Besucherzahlen entgegen. So konnte die Kulturhautstadt zumindest teilweise
zu einer nachhaltigen Tourismusentwicklung beitragen. Zusammenfassend konnte
die Kulturhauptstadt der Altindustriestadt Glasgow dabei helfen, das teils veraltete
und klischeebehaftete Image der Stadt Glasgow zu überwinden und die Stadt in
ihrer Entwicklung zur Tourismusdestination (insbesondere des Auslandtourismus)
zu stärken.
Im Zeitraum von 1986 bis 1990 hat sich in Glasgow einiges getan. Verschiedene
Prozesse und Projekte wurden im Rahmen der Kulturhauptstadt angestoßen. Eine
nachhaltige Wirkung wurde bei vielen Projekten, durch die fehlende Weiterführung
beeinträchtigt. Dennoch hat die Kulturhauptstadt Glasgow 1990, über das Jahr 1990
hinaus, Impulse für eine nachhaltige Stadtentwicklung gesetzt.
80
5
Evaluation der Kulturhauptstadt
„RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“
Im Folgenden werden die Auswirkungen der Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen
für das Ruhrgebiet“ auf die altindustriell geprägte Region Ruhrgebiet untersucht. Im
ersten Schritt wird die wirtschaftliche Entwicklung der Region hin zur Altindustrieregion dokumentiert. Darauf aufbauend werden wichtige Herausforderungen, denen
die Region im Jahr vor der Ernennung zur Kulturhauptstadt Europas gegenüberstand, herausgearbeitet und erläutert. Im zweiten Schritt folgt eine Darstellung der
Konzeption der Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“. Im dritten
Schritt erfolgt eine gezielte Auswertung inwieweit die Kulturhauptstadt „RUHR 2010,
Essen für das Ruhrgebiet“ sich auf die Problematiken, denen das Ruhrgebiet vor
der Ernennung zur Kulturhauptstadt gegenüber stand, ausgewirkt hat. Schließlich
wird ein zusammenfassendes Fazit gezogen, in dem die Auswirkungen der
Kulturhauptstadt Europas auf das altindustriell geprägte Ruhrgebiet bewertet
werden. Im Fokus der Untersuchungen steht die gesamte Region und nicht die
innerregionalen Differenzierungen.
5.1 Altindustrieregion Ruhrgebiet
Die Entwicklung des Ruhrgebiets ist durch eine knapp 150 Jahre andauernde
Industriegeschichte geprägt. Die Entwicklung zur prosperierenden Wirtschaftsregion
und der darauf folgende wirtschaftliche Niedergang hin zur Altindustrieregion, hat
das Ruhrgebiet vor unterschiedlichste Herausforderungen gestellt. Die Umsetzung
umfangreicher Strukturmaßnahmen hat einen Strukturwandel von der Industrie- zur
Dienstleistungsgesellschaft eingeleitet. Dennoch steht die Region bis zur
Gegenwart Problematiken gegenüber, die durch die montanindustrielle
Vergangenheit begründet sind.
5.1.1 Abgrenzung des Untersuchungsraumes
Das Ruhrgebiet, namentlich zurück zu führen auf die Gegend an der unteren und
mittleren Ruhr, ist eine Region die nicht anhand klassischer raumwissenschaftlicher
Kriterien wie Homogenität oder Funktionalität abgegrenzt werden kann.258 Vielmehr
stellt das Ruhrgebiet eine in sich heterogene Region dar, die sich allein über die
regionsspezifischen Entwicklungsprozesse während des Industriezeitalters definiert.
Aufgrund dessen werden zur Abgrenzung des Ruhrgebiets üblicherweise die
administrativen Grenzen des „Regionalverbandes Ruhr“, ehemals „Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk“, herangezogen.259
Das Ruhrgebiet liegt am nordwestlichen Rand der Bundesrepublik Deutschland im
Zentralraum des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Zunehmend als eigenständige
Metropole Ruhr vermarktet, ist die Region zugleich Teil der Metropolregion Rhein-
258 Vgl. Aring, Jürgen et.al.(1989): Krisenregion Ruhrgebiet? – Alltag, Strukturwandel und Planung,
Wahrnehmungsgeographische Studien zur Regionalentwicklung Heft 8, Oldenburg.
259 Vgl. Goch, Stefan (2002): Eine Region im Kampf mit dem Strukturwandel – Bewältigung von
Strukturwandel und Strukturpolitik im Ruhrgebiet, Schriftenreihe des Instituts für Stadtgeschichte
Band 10, Essen.
81
Ruhr. Innerhalb der Region leben auf einer Fläche von 4.400 Quadratkilometer,
verteilt auf 53 eigenständige Kommunen, rund 5,3 Millionen Menschen.260
Administrativ untergliedert sich das Ruhrgebiet in die elf kreisfreien Städte Bochum,
Bottrop, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Hagen, Hamm, Herne,
Mühlheim an der Ruhr, Oberhausen und die vier Kreise Ennepe-Ruhr, Recklinghausen, Unna und Wesel. Diese haben sich im Regionalverband Ruhr zusammen
geschlossen, der schwerpunktmäßig Aufgaben der Regionalplanung übernimmt.
Zudem nehmen die Bezirksregierungen Düsseldorf, Münster und Arnsberg sowie
die Landschaftsverbände Westfalen-Lippe und Rheinland administrative Aufgaben
im Ruhrgebiet wahr. Die Abb. 14 und Abb. 15 verdeutlichen die administrative
Zergliederung der Region.261
Abb. 14 Ruhrgebiet Kreise und Kreisfreie Städte
Entwurf: Regionalverband Ruhr
Quelle:
Regionalverband Ruhr (Hrsg.)(2010): CD-Rom: Zahlenspiegel
Metropoleruhr, Essen.
Innerregional ist das Ruhrgebiet neben der administrativen Zergliederung auch
historisch, naturräumlich und siedlungsstrukturell sehr unterschiedlich geprägt. Es
wird häufig in die von Süden nach Norden verlaufenden Teilgebiete Ruhrzone,
Hellwegzone, Emscherzone und Lippezone unterteilt, wie in Abb. 16 dargestellt.
Diese Zonen weisen Heterogenität durch unterschiedliche Strukturen und
Eigenschaften auf. Bei der analytischen Betrachtung der gesamten Region
Ruhrgebiet ist diese innerregionale Heterogenität zu beachten. Die statistischen
260 Vgl. Eltges, Markus (2008): Das Ruhrgebiet – Eine regionalwirtschaftliche Analyse, in:
Informationen zur Raumentwicklung, Heft 9/10 2008, S.535–547.
261 Vgl. Regionalverband Ruhr (Hrsg.)(2011a): Politik und Verwaltung – Ruhrparlament und
Verwaltungsgliederung, Essen, Online Dokument: http://www.metropoleruhr.de/metropole–
ruhr/daten–fakten/politik–verwaltung.html, Stand 24. Januar 2011.
82
Durchschnittswerte verzerren teils die Situation der jeweiligen Teilgebiete und sind
nicht auf jede Zone, jeden Kreis oder
oder jede kreisfreie Stadt gleichermaßen zu
262
übertragen.
Abb. 15 Ruhrgebiet Regierungsbezirke und Landschaftsverbände
Regierungsbezirke
Landschaftsverbände
Entwurf: Eigene Darstellung, Frankfurt 2010
Quelle:
Grafische Grundlage:
undlage: Regionalverband Ruhr (Hrsg.)(2010): CD-Rom:
CD
Zahlenspiegel Metropoleruhr, Essen.
Abb. 16 Teilgebiet des Ruhrgebiets
Entwurf: Eigene Darstellung, Frankfurt 2010
Quelle:
Butzin, Bernhard et.al.(2008c): Nordwanderung des Bergbaus
Bergbaus im
Ruhrgebiet, in: Regionalverband Ruhr (Auftraggeber): Regionalkunde
Ruhrgebiet, Bochum, Online-Dokument:
Online Dokument: http://www.ruhrgebiethttp://www.ruhrgebiet
regionalkunde.de/grundlagen_und_anfaenge/kohle/nordwanderung_bergbau.php?p=
2,3, Stand 24. Januar 2011.
262 Vgl. Goch, Stefan (2002): a.a.O.
83
5.1.2 Wirtschaftliche Entwicklung
Das Ruhrgebiet ist eine Region, die maßgeblich von der wirtschaftlichen
Entwicklung geprägt wurde. Die Entwicklung hin zur prosperierenden Wirtschaftsregion sowie der wirtschaftliche Niedergang hin zur Altindustrieregion haben die
strukturelle Entwicklung der Region stark beeinflusst. Insofern ist die Wirtschaftsentwicklung in die Phasen des wirtschaftlichen Aufschwungs und des wirtschaftlichen Niedergangs zu unterteilen.
5.1.2.1
Wirtschaftlicher Aufschwung
Die Entwicklung des Ruhrgebiets zu einer prosperierenden montanindustriellen
Wirtschaftsregion ist primär durch die geologischen Gegebenheiten der Region
begründet. Die Steinkohlevorkommen, entstanden im Erdzeitaltern Karbon, bildeten
die natürliche Grundlage für die Industrialisierung des Ruhrgebiets.263 Die
sogenannten kohleführenden Flöze entstanden in einem Zeitraum von mehreren
Millionen Jahren in unterschiedlichen Erdtiefen der Region. Der Verlauf der
Kohleflöze erfolgte in einer Tiefenwanderung die sich von Süden nach Norden des
Ruhrgebiets erstreckte. Im Süden der Region, der Ruhrzone, traten die Flöze
führenden Erdschichten zu Tage. Nach Norden hin, in der Hellwegzone und der
Emscherzone, tauchten die Flöze immer tiefer ins Erdreich ab, so dass sie in der
Lippezone schließlich eine Tiefe von 1500 Meter erreichten. Die Kohleart welche im
Ruhrgebiet am häufigsten vorkommt ist die Fettkohle, die eine Unterart der
Steinkohle ist. 264 Die Industrialisierung des Ruhrgebiets wurde von Beginn an vom
Zusammenspiel der geologischen Gegebenheiten und den technischen Erfindungen
bestimmt. Insbesondere die Tiefenlage der Kohle und die entsprechende
Abbautechnik bestimmten die Entwicklung. Die in den tiefer gelegenen Flözen
enthaltende Fettkohle konnte bspw. erst mit Einführung des Tiefbergbaus erreicht
und abgebaut werden. Aufgrund dieser geologischen und technischen Restrektionen ist die Industrialisierung des Ruhrgebiets von Süden nach Norden,
einhergehend mit den tiefer liegenden Kohleflözen und den mit der Zeit entwickelten
technischen Abbaumöglichkeit, verlaufen.265
Bereits seit dem 16. Jahrhundert wurde im Ruhrgebiet Kohle als Energieträger
abgebaut. In der damals noch landwirtschaftlich geprägten Region wurde die zu
Tage tretende Kohle im Süden der Region von den Kleinbauern nebenberuflich
abgetragen. Mit der Einführung des Stollenbergbaus, durch zuziehende Fachleute
263 Vgl. Butzin, Bernhard et.al.(2008a): Bedeutung der Kohle für das Ruhrgebiet, in:
Regionalverband Ruhr (Auftraggeber): Regionalkunde Ruhrgebiet, Bochum, Online–Dokument:
http://www.ruhrgebiet–regionalkunde.de/grundlagen_und_anfaenge/kohle/kohle.php?p=2, Stand
24. Januar 2011.
264 Vgl. Butzin, Bernhard et.al.(2008b): Verbreitung der Kohle, in: Regionalverband Ruhr
(Auftraggeber): Regionalkunde Ruhrgebiet, Bochum, Online–Dokument: http://www.ruhrgebiet–
regionalkunde.de/grundlagen_und_anfaenge/kohle/verbreitung_kohle.php?p=2,1, Stand 24.
Januar 2011.
265 Vgl. Butzin, Bernhard et.al.(2008c): Nordwanderung des Bergbaus im Ruhrgebiet, in:
Regionalverband Ruhr (Auftraggeber): Regionalkunde Ruhrgebiet, Bochum, Online–Dokument:
http://www.ruhrgebiet–
regionalkunde.de/grundlagen_und_anfaenge/kohle/nordwanderung_bergbau.php?p=2,3, Stand
24. Januar 2011.
84
aus ehemaligen deutschen Bergbaugebieten,
hauptberuflichen Bergmanns statt.266
fand
die
Etablierung
des
Die Entwicklung zur montanindustriellen Wirtschaftsregion begann jedoch erst zu
Beginn den 19 Jahrhunderts. Ausschlaggebend war die im Jahr 1837 erstmalige
Erschließung der tiefer gelegenen Fettkohle. Die Fettkohle ermöglichte die
Erzeugung von Steinkohlenkoks, was wiederum als Brennstoff für die Roheisenproduktion von hoher Bedeutung war. Da Koks zum einen schlecht transportfähig war
und zum anderen in großen Mengen zur Eisenproduktion gebraucht wurde, galt der
direkte Zugang zu verkoksbarer Kohle lange als entscheidender Standortfaktor der
Eisen- und Stahlproduktion. Aufbauend auf dem reichhaltigen Kohlevorkommen
entwickelte sich das Ruhrgebiet schnell zu einem entscheidenden Wirtschaftsstandort, der weitestgehend von den sich selbst verstärkenden Wachstumsdynamiken der Kohle- und Stahlindustrie geprägt war.267 In den wirtschaftlich prosperierenden Zeiten um 1870 gab es im Ruhrgebiet mehr als 250 Zechen, die insgesamt ein
Fördervolumen von 16 Mio. Tonnen Kohle pro Jahr aufwiesen.268 Parallel dazu stieg
die Eisenproduktion zwischen den Jahren 1850 bis 1870 von 11.000 Tonnen
Produktionsvolumen auf 370.000 Tonnen Produktionsvolumen rasant an. Damit
einhergehend wurde ein umfangreiches Transportsystem im Ruhrgebiet geschaffen.
Sowohl der Transport von Eisenerzen in die Region als auch der Transport von
Kohle aus der Region heraus, wurde mittels Schifffahrt und Eisenbahn vollzogen.269
In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts hatten sich die Grundpfeiler des
regionalen wirtschaftlichen Verbundsystems schließlich vollkommen entfaltet. Als
ökonomisches Herzstück der Region galten zum einen die Großzechen. Diese
wurden dem Kohlevorkommen folgend zunächst (1840) in der Hellwegzone, ab
1865 in der Emscherzone und zum Ende des 19. Jahrhunderts in der Lippezone
erschlossen. Zum zweiten stellten die großen Stahlkonzerne ein wichtiges
Standbein der regionalen Wirtschaft dar. Diese wurden insbesondere in den Städten
der Hellwegzone angesiedelt. Die chemische Industrie war ebenfalls ein wichtiger
Partner der Verbundwirtschaft. Die bei den Kokereien anfallenden Kohlewertstoffe
wurden zum Ausgangsprodukt für die chemischen Industrien, die sich in der Nähe
der Kokereien und somit vornehmlich in der Hellwegzone und später in der
Emscherzone ansiedelten. Schließlich galt die Energiewirtschaft als weiterer
Grundpfeiler der regionalen Wirtschaft. Steinkohle wurde zum wichtigen
266 Vgl. Butzin, Bernhard et.al.(2008d): Ruhrzone, in: Regionalverband Ruhr (Auftraggeber):
Regionalkunde Ruhrgebiet, Bochum, Online–Dokument: http://www.ruhrgebiet–
regionalkunde.de/grundlagen_und_anfaenge/historischer_besiedlungsgang/ruhrzone.php?p=1,4, Stand 24.
Januar 2011.
267 Vgl. Butzin, Bernhard et.al.(2008e): Die vorindustrielel Phase im Ruhrgebiet, in: Regionalverband Ruhr (Auftraggeber): Regionalkunde Ruhrgebiet, Bochum, Online–Dokument:
http://www.ruhrgebiet–
regionalkunde.de/grundlagen_und_anfaenge/eisen_und_stahl/vorindustriell_eisen.php?p=3,1,
Stand 24. Januar 2011.
268 Vgl. Butzin, Bernhard et.al.(2008f): Vertiefung: Chronik des Bergbaus im Ruhrgebiet, in:
Regionalverband Ruhr (Auftraggeber): Regionalkunde Ruhrgebiet, Bochum, Online–Dokument:
http://www.ruhrgebiet–regionalkunde.de/vertiefungsseiten/chronik_bergbau.php, Stand 24.
Januar 2011.
269 Vgl. Butzin, Bernhard et.al.(2008g): Roheisenerzeugung, in: Regionalverband Ruhr
(Auftraggeber): Regionalkunde Ruhrgebiet, Bochum, Online–Dokument: http://www.ruhrgebiet–
regionalkunde.de/aufstieg_und_rueckzug_der_montanindustrie/Entfaltung_der_montanindustrie_/roheisene
rzeugung.php?p=0,2, Stand 24. Januar 2011.
85
Energieträger, der insbesondere im Zusammenspiel mit der Dampfmaschine an
Bedeutung gewann.270 Aufbauend auf den vier Grundpfeilern der regionalen
Wirtschaft hatten sich die unternehmerischen, poltischen und räumlichen Strukturen
innerhalb des Ruhrgebiets weitestgehend verfestigt. Begründet durch die
dominierende Montanindustrie entwickelte sich das Ruhrgebiet zu einer der
wichtigsten Wirtschaftsregionen Deutschlands. Der besondere Status blieb der
Region sowohl während der Zeit der beiden Weltkriege als auch während des
Wiederaufbaus erhalten. Als „Waffenschmiede Deutschlands“ im ersten Weltkrieg,
als Aufrüstungspartner des zweiten Weltkriegs und als Motor des deutschen
Wirtschaftswunders ab 1945 hatte das Ruhrgebiet eine herausragende Bedeutung
für die deutsche Wirtschaftsentwicklung. Das Ruhrgebiet entwickelte sich Mitte des
20. Jahrhunderts zum schwerindustriellen Zentrum Deutschlands und erzielte
höchste wirtschaftliche Wachstumsraten.271
Einhergehend mit der Industrialisierung des Ruhrgebiets, wurde der sogenannte
„Industrialisierungs-Urbanisierungs-Kreislauf“ in Gang gesetzt. Der wirtschaftliche
Aufschwung in allen Zweigen der Verbundwirtschaft basierte auf einem enormen
Einsatz von Arbeitskräften. Dieser Bedarf konnte in dem ehemals dünn besiedelten
landwirtschaftlich geprägten Ruhrgebiet nur durch groß angelegte Anwerbeaktionen
von Arbeitskräften befriedigt werden.272 Der ersten Einwanderungswelle aus den
deutschen Ostgebieten, folgte eine zweite Einwanderungswelle aus den südlichen
Ländern Europas (Italien, Spanien und Griechenland) und schließlich eine dritte
Einwanderungswellen von Arbeitskräften aus der Türkei.273 Folglich nahm die
Bevölkerungsanzahl im Ruhrgebiet kontinuierlich zu. Während die Region 1850
noch eine Bevölkerungsanzahl von 0,4 Millionen Bewohnern erreichte, waren es im
Jahr 1925 bereits 3,8 Millionen Einwohner274 und im Jahr 1960 erreichte die
Bevölkerungsanzahl schließlich den bisherigen Höchststand von 5,6 Millionen
Einwohnern.275 Das rasante Bevölkerungswachstum erforderte einen schnellen und
effizienten Wohnungsbau sowie die Errichtung städtischer Versorgungseinrichtungen wie Einzelhandel, Schulen und Krankenhäuser.276 Dabei „kollidierten die
Montanunternehmen in ihren räumlichen Ansprüchen und sozialen Auswirkungen
270 Vgl. Butzin, Bernhard et.al.(2008h): Ausblick, in: Regionalverband Ruhr (Auftraggeber):
Regionalkunde Ruhrgebiet, Bochum, Online–Dokument: http://www.ruhrgebiet–
regionalkunde.de/aufstieg_und_rueckzug_der_montanindustrie/Entfaltung_der_montanindustrie_/ausblick.p
hp?p=0,7, Stand 24. Januar 2011.
271 Vgl. Butzin, Bernhard et.al.(2008i): Einleitung, in: Regionalverband Ruhr (Auftraggeber):
Regionalkunde Ruhrgebiet, Bochum, Online–Dokument: http://www.ruhrgebiet–
regionalkunde.de/aufstieg_und_rueckzug_der_montanindustrie/weltkriege_und_nachkriegszeit/weltkriege_n
achkriegszeit.php?p=1 , Stand 24. Januar 2011.
272 Vgl. Butzin, Bernhard et.al.(2008j): Transportsystem und Arbeitsmarkt, in: Regionalverband
Ruhr (Auftraggeber): Regionalkunde Ruhrgebiet, Bochum, Online–Dokument:
http://www.ruhrgebiet–
regionalkunde.de/aufstieg_und_rueckzug_der_montanindustrie/Entfaltung_der_montanindustrie_/transport_
arbeit.php?p=0,6, Stand 24. Januar 2011.
273 Vgl. Fleiß, Daniela (2008): Die türkische Migrantenbevölkerung in Katernberg und das
Weltkulturerbe, in Schwarz, Angela (Hrsg.): Industriekultur, Image, Identität – Die Zeche
Zollverein und der Wandel in den Köpfen, Essen, S.123–161.
274 Vgl. Butzin, Bernhard et.al.(2008j): a.a.O.
275 Vgl. Wehling, Hans (2006): Aufbau, Wandel und Perspektiven der industriellen Kulturlandschaft
des Ruhrgebiets, in: Geographische Rundschau, Heft 1 2006, S.12–19.
276 Vgl. Butzin, Bernhard et.al.(2008i): a.a.O.
86
mit den Interessen und Möglichkeiten der vorhandenen Städten.“277 Durch den
Grunderwerb großer Areale nahmen die Industrieunternehmer bereits zu Beginn der
Industrialisierung starken Einfluss auf die Siedlungsentwicklung. Die kommunalen
Versuche eines planvollen Ausbaus mussten dabei meist hinter den ökonomisch
orientierten Ansprüchen der Montanindustrie zurück stehen. Die Errichtung von
Großzechen, Stahlwerken und werkseigenen Wohnsiedlungen wurde weitestgehend von den Industrieunternehmern geplant und umgesetzt. Erst Anfang des 20.
Jahrhunderts, mit dem wirtschaftlichen Höhepunkt der Verbundwirtschaft,
verminderte sich der zusätzliche Raumanspruch der Montanindustrie. Der
planerische Einfluss der Kommunen und des im Jahr 1920 gegründeten
Interessenverbandes
Regionalverband
Ruhr
(ehemals
Siedlungsverband
Ruhrkohlenbezirk) wuchs stetig an. In Folge dessen wurde die Entwicklung der
städtischen Zentren sowie die Erhaltung von Grün- und Freiflächen gefördert.278
5.1.2.2
Wirtschaftlicher Niedergang
„Als am 21. Mai 1951 die Montanmitbestimmung in Kraft trat und so die Bedeutung
des Ruhrgebiets und seiner Montanbeschäftigten auf der politischen Bühne klar
herausgestellt wurde, ahnte wohl niemand, dass bereits ein halbes Jahrzehnt später
der Motor der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands eine krisengeschüttelte
Region werden sollte.“279 In der Mitte des 20. Jahrhunderts begann der
wirtschaftliche Niedergang der Industrien im Ruhrgebiet. Veränderte externe
Rahmenbedingungen in Form eines steigenden internationalen Konkurrenzdrucks
sowie eine veränderte Nachfrage nach Kohle waren ausschlaggebend für die erste
Kohlekrise in den 50er Jahren. Durch die Öffnung der internationalen Märkte
standen die Kohlevorkommen des Ruhrgebiets in Konkurrenz zu billigerer
Importkohle aus Amerika und Großbritannien. Während die Steinkohlevorkommen
im Ruhrgebiet kostenintensiv aus Tiefen von bis zu 1500 Meter gefördert werden
mussten, lagen die Kohlevorkommen der Konkurrenzregionen lediglich 100 bis 400
Meter unter der Erdoberfläche. Insofern konnten die Transportkosten der
Konkurrenten durch geringe Förderkosten kompensiert und die Kohle insgesamt zu
günstigeren Preisen verkauft werden. Darüber hinaus verschärfte sich der
internationale Konkurrenzdruck dadurch, dass Erdgas, Erdöl, Elektrizität und später
auch Atomenergie verstärkt als Energieträger gefördert und genutzt wurden. Des
Weiteren verringerte sich der Kohlebedarf der klassischen Abnehmer. Die
stahlerzeugenden Industrien und die Eisenbahnen benötigten aufgrund technischer
Weiterentwicklungen zunehmend weniger Steinkohle.280 Ebenso sank der Anteil der
Steinkohle am Primärenergieverbrauch der Bundesrepublik Deutschland von 70%
im Jahr 1955 auf 22% im Jahr 1973.281 Der steigende Druck des internationalen
Wettbewerbs wurde von den regionalen Akteuren zunächst unterschätzt.
„Einhundert Jahre erfolgreiche Industrie-Erfahrungen hatten die Mentalität und das
Bewusstsein so stark geprägt, dass eine gegenläufige wirtschaftlichen Entwicklung
277 Wehling, Hans (2006): a.a.O., S.13.
278 Vgl. Ebenda, S.12ff.
279 Butzin, Bernhard et.al.(2008k): Einleitung, in: Regionalverband Ruhr (Auftraggeber):
Regionalkunde Ruhrgebiet, Bochum, Online–Dokument: http://www.ruhrgebiet–
regionalkunde.de/aufstieg_und_rueckzug_der_montanindustrie/krise_des_montansektors/krise_montansekt
or.php?p=3, 24. Januar 2011.
280 Vgl. Ebenda.
281 Vgl. Aring, Jürgen et.al.(1989): a.a.O.
87
und eine andere als montanindustriell geprägte Struktur nicht vorstellbar waren.“282
Die strukturelle Krise wurde als konjunkturelle Schwäche interpretiert und innerhalb
der Region nicht angemessen darauf reagiert. Trotz der bundesdeutschen
Ausrichtung auf Erdöl und Atomenergie blieben die Akteure des Ruhrgebiets
weiterhin montanindustriell ausgerichtet. „Das äußerte sich nicht nur in politischen
Bemühungen um eine Absicherung der führenden Position des Bergbaus, sondern
in einer regelrechten Unterordnung der Planungspolitik unter montanindustriellen
Interessen.“283 Die chronischen Absatzschwierigkeiten zwangen die Akteure jedoch
zu einer kontinuierlichen Reduzierung der Fördermengen. Im Zeitraum zwischen
1958 und 1973 mussten rund 70 Zechen im Ruhrgebiet geschlossen werden.284
Daher beschloss im Jahr 1968 der Bundestag das „Gesetz zur Anpassung und
Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus". Dies führte wiederum zur
Gründung der Ruhrkohle AG. Als Konsolidierungsunternehmen des deutschen
Steinkohleabbaus zeigte die Gründung des Unternehmens die neue Zielrichtung der
Kohlepolitik an der Ruhr auf: „War das Ziel bisher, den Bergbau aus der Krise zu
befreien, wird diese nun sozusagen als Dauerzustand akzeptiert. Eine nationale
Kohlenreserve soll die Bundesrepublik Deutschland im Notfall sicher versorgen,
aber das eigentliche Ziel ist der geordnete Rückzug aus dem Bergbau.“285 Um
diesen Rückzug sicher zu stellen, wurde 1975 der „Kohlepfenning“ als direkte
Subvention der Ruhrkohle AG eingeführt. Kraftwerksbetreibern wurden dadurch
Zuschüsse zur Verstromung deutscher Steinkohle zugesichert. Langsam setzte sich
auch innerhalb der Region die Einsicht durch, dass trotz modernster Technologie
der Steinkohlebergebau des Ruhrgebiets nicht mehr international konkurrenzfähig
war.286
Die Stahlindustrie als zweit stärkster Wirtschaftszweig der Region war bis in die
60er Jahre von der Strukturkrise nicht betroffen. In Zeiten des Kalten Krieges konnte
die Stahlproduktion im Ruhrgebiet von den internationalen Rüstungsindustrien
profitieren. In den 70er Jahren kam es jedoch auch in der Stahlproduktion zu einem
verstärkten internationalen Konkurrenzkampf. Schwellenländer nahmen verstärkt
die Produktion von Massenstählen auf. Aufgrund sinkenden Koksbedarfs und
verstärkter Nachfrage hochwertiger Erze sowie sinkender Transportkosten änderten
sich die Standortvorteile für die Stahlproduktion. Statt die Nähe zu großen
Kohlevorkommen wurde der Anschluss an leistungsfähige Lösch- und Ladehäfen
zunehmend wichtiger.287 Zum anderen wurde Stahl teilweise von neuen Werkstoffen
282 Butzin, Bernhard et.al.(2008l): Krise des Montansektors, in: Regionalverband Ruhr
(Auftraggeber): Regionalkunde Ruhrgebiet, Bochum, Online–Dokument: http://www.ruhrgebiet–
regionalkunde.de/aufstieg_und_rueckzug_der_montanindustrie/krise_des_montansektors/krise_montan.ph
p?p=3,0, Stand 24. Januar 2011.
283 Aring, Jürgen et.al.(1989): a.a.O., S.36.
284 Vgl. Ebenda.
285 Butzin, Bernhard et.al.(2008m): Strukturkrise und Lösungsansätze, in: Regionalverband Ruhr
(Auftraggeber): Regionalkunde Ruhrgebiet, Bochum, Online–Dokument: http://www.ruhrgebiet–
regionalkunde.de/aufstieg_und_rueckzug_der_montanindustrie/krise_des_montansektors/strukturkrise_loes
ung.php?p=3,1, Stand 24. Januar 2011.
286 Vgl. Butzin, Bernhard et.al.(2008l): a.a.O.
287 Vgl Butzin, Bernhard et.al.(2008n): Innerregionale Verlagerung der Standorte, in:
Regionalverband Ruhr (Auftraggeber): Regionalkunde Ruhrgebiet, Bochum, Online–Dokument:
http://www.ruhrgebiet–
regionalkun88
ersetzt. Hochfeste und leichte Kunststoffe wurden insbesondere in der Automobilindustrie anstelle von Stahl eingesetzt. Ebenso wie während der Kohlekrise, wurden
die veränderten Rahmenbedingungen der Stahlindustrie im Ruhrgebiet zunächst als
konjunkturelle Schwäche verkannt. Zusätzlich geschwächt durch die schlechte
Weltkonjunktur mussten im Ruhrgebiet mit der Zeit jedoch immer mehr unproduktive
Werke und Werksteile der Stahlproduktion geschlossen werden. In den Jahren
zwischen 1970 und 1988 wurden 12 Hüttenwerke im Ruhrgebiet stillgelegt und die
Zahl der Hochöfen halbiert. Die Stahlproduktion ging im Zeitraum von 1974 bis 1988
um 22 Millionen Tonnen zurück. Zur Marktanpassung reichten die Strukturierungsmaßnahmen jedoch nicht aus. Es wurde schnell deutlich, dass die einzige Chance
zur Wettbewerbsfähigkeit am Weltmarkt die Spezialisierung auf hochwertige Stähle
war. Die dazu notwendigen Werksveränderungen und hohen Investitionen konnten
jedoch nur wenige Ruhrbetriebe tragen. Weitere Stahlwerke mussten schließen,
wurden an andere Standorte verlegt oder wurden zusammengeschlossen.
Die Deutsche Wiedervereinigung und eine erhöhte Stahlnachfrage seitens der
Amerikaner brachte der Stahlindustrie des Ruhrgebiets wieder eine kurzfristige
Hochphase, verstärkte jedoch zugleich die zweite Kohlekrise der Region. Durch die
verstärkte Konkurrenz der osteuropäischen Länder wurde die Kohleförderung im
Ruhrgebiet weiter geschwächt. Die Ruhrkohle AG musste weitere Bergwerke
schließen oder zusammenlegen. Im Jahr 1994 wurde der Kohlepfenning vom
Bundesverfassungsgericht gekippt und damit die Subventionen des Steinkohleabbaus in Deutschland stark gekürzt. Zwar förderten der Bund und das Bundesland
Nordrhein-Westfalen die Kohleverstromung danach aus allgemeinen Steuermitteln
weiter, dennoch wurden die Subventionen stark reduziert. Daraufhin mussten
weitere Zechen im Ruhrgebiet geschlossen werden. Die politische Diskussion im
Jahr 2010 bestärkt den endgültigen Austritt des Bundes und des Landes aus der
Kohlesubvention. Die Landesregierung wird ab 2015 und die Bundesregierung ab
2018 aus der Kohleförderung aussteigen.288 Insofern werden bis spätestens 2018
auch die letzten vier Bergwerke im Ruhrgebiet stillgelegt werden. Dagegen wird die
Stahlindustrie im Ruhrgebiet, in sehr viel geringerem Ausmaß als früher, vorerst
erhalten bleiben. Spezialisierte Unternehmen auf qualitativ hochwertige Produkte
haben die Entwicklung hin zu international vernetzten Betrieben vollzogen und
behaupten sich auch weiterhin mit Standorten im Ruhrgebiet.
Der Niedergang der Industrien des Ruhrgebiets hatte neben den rein wirtschaftlichen Effekten auch große Auswirkungen auf die Einwohner und die urbane
Entwicklung im Ruhrgebiet. Durch die Stilllegung von Zechen und Stahlwerken
wurde in kürzester Zeit eine Massenarbeitslosigkeit im Ruhrgebiet ausgelöst. Im
Bergbau hatte sich die Montanbeschäftigtenanzahl vom Jahr 1957 mit 473.000
Beschäftigten auf 52.700 Beschäftige im Jahr 1999 verringert. In der Stahlindustrie
fand eine ähnliche Reduzierung statt. Während im Jahr 1960 noch 263.000
Menschen im Stahlsektor gearbeitet hatten, waren es 1999 nur noch 53.738
Arbeiter. Dabei muss beachtet werden, dass von jedem Arbeitsplatz im Bergbau
und in der Stahlindustrie bis zu zwei Arbeitsplätze im Bereich der vorgelagerten und
nachgelagerten Produktionen und der personenbezogenen Dienstleistungen
de.de/aufstieg_und_rueckzug_der_montanindustrie/krise_des_montansektors/standortverlageru
ng.php?p=3,4, Stand 24. Januar 2011.
288 Vgl. Regionalverband Ruhr (Hrsg.)(2011c): Chemie und Energie–Auf Kohle gewachsen, Essen,
Online–Dokument: http://www.route–industriekultur.de/sonstiges/daten–und–fakten/facetten–
der–region/chemie–und–energie.html, Stand 24. Januar 2011.
89
abhingen. Insofern gingen auch etliche Arbeitsplätze bei Zulieferer, bei Abnehmern
oder im Einzelhandel verloren.289 Da die Wirtschaft des Ruhrgebiets als
Montanindustrieregion stark monostrukturiert ausgerichtet war, standen innerhalb
der Region kaum kompensierende Arbeitsplätze zu Verfügung. Insofern kam es als
Folge der Arbeitsplatzverluste zu Bevölkerungsabwanderungen. Insbesondere
junge Menschen zogen weg, so dass im Jahr 1980 die Einwohnerzahl auf knapp 5
Millionen Menschen sank. Zurück blieben verstärkt immobile und benachteiligte
Menschen welche zudem oft in sozialen Problemvierteln konzentriert waren. Somit
wurde die urbane Entwicklung, einhergehend mit der hohen Arbeitslosigkeit, zur
Herausforderung vieler Kommunen innerhalb der Region.290 Der bisher an den
Industriebetrieben ausgerichtete Städtebau musste neu organisiert und geplant
werden. Dazu waren neben finanziellen Investitionen auch neue planerische
Leitlinien und städtebauliche Impulse von Nöten. Aufgrund interner Anpassungsschwierigkeiten war das Ruhrgebiet zu Beginn auf Hilfe von außen angewiesen.291
5.1.3 Strukturpolitische Entwicklungsansätze
Durch den Niedergang der Montanindustrie stand die Region einem umfassenden
Strukturwandel gegenüber. Die regionale Strukturpolitik wurde neben regionalen
Akteuren der Wirtschaft, Politik und Gesellschaft insbesondere durch die
Landespolitik geprägt. Ausgehend von den 1960er Jahren lässt sich die
Strukturpolitik des Ruhrgebiets in vier Phasen einteilen.
5.1.3.1
Entwicklungsphasen der Strukturpolitik
Die „integrierte Strukturpolitik“, datiert von 1966 bis 1974, kennzeichnet die erste
Phase der Strukturpolitik. Auf Bundesebene und Landesebene erkannten, im
Gegensatz zur regionalen Ebene, die Akteure bereits wenige Jahre nach der ersten
Kohlekrise, dass das Ruhrgebiet einem langfristigen strukturellen Wandel
gegenüber stand. Probleme die im Ruhrgebiet gelöst werden mussten, waren zum
einen die unzureichende Verkehrserschließung. Orientiert am Leitbild der
autogerechten Stadt sollte die Binnenerschließung durch den Ausbau von Straßen
verbessert werden. Zum zweiten wurde das Problem der Bodensperre im
Ruhrgebiet erkannt. Seitens der Montanindustrie bestand eine geringe Bereitschaft
zur Bereitstellung der ehemals industriell genutzten Flächen, wodurch die
Ansiedlung von Betrieben neuer Wirtschaftsbranchen maßgeblich behindert wurde.
Im Zuge einer Flächenmodernisierung sollten neue Unternehmen angezogen und
die bestehenden Unternehmen gestärkt werden. Zum dritten bestand das Problem
der Bildungsblockade im Ruhrgebiet. Zurück zu führen auf einen Beschluss von
Kaiser Wilhelm II hatten sich bis Mitte der 60er Jahre kaum Bildungseinrichtungen in
der Region entwickelt. Dieses Defizit durch sollte die Neugründung von
Bildungseinrichtungen schnell behoben werden. Zur Umsetzung der Vorhaben
wurde im Jahr 1968 das landespolitische „Entwicklungsprogramm Ruhr“ gestartet.
289 Vgl. Butzin, Bernhard et.al.(2008o): Des–Industriealisierung, in: Regionalverband Ruhr
(Auftraggeber): Regionalkunde Ruhrgebiet, Bochum, Online–Dokument: http://www.ruhrgebiet–
regionalkunde.de/erneuerung_der_wirtschaft/von_der_industrie_zur_dienstleistung/des_industriealisierung.
php?p=0,1, Stand 24. Januar 2011.
290 Vgl. Butzin, Bernhard et.al.(2008p): Rubrik Erneuerung stadtregionaler Räume, in:
Regionalverband Ruhr (Auftraggeber): Regionalkunde Ruhrgebiet, Bochum, Online–Dokument:
http://www.ruhrgebiet–regionalkunde.de/erneuerung_stadtregionaler_raeume/index.php?p=,
Stand 24. Januar 2011.
291 Vgl. Wehling, Hans (2006): a.a.O.
90
Basierend auf einem Top-Down Prinzip zielte das Programm darauf ab, eine
langfristige integrierte Entwicklungsplanung für die gesamte Region zu initiieren.
Das im Jahr 1975 erarbeitete „Nordrhein-Westfalen-Programm“ konkretisierte die
Grundsätze des Entwicklungsprogramms und stärkte den Ansatz der ReIndustrialisierung. Das Ruhrgebiet sollte wieder zum Energiezentrum Deutschlands
entwickelt werden.292
Die „zentralisierte Strukturpolitik“ ist datiert auf den Zeitraum von 1975 bis 1986.
Nachdem die Ansiedlungsförderung neuer Betriebe im Ruhrgebiet für gescheitert
erklärt worden war, fokussierte sich die Strukturpolitik, in Anlehnung an das
Nordrhein-Westfalen-Programm, verstärkt auf die Förderung der endogenen
Potenziale. Zum einen wurde die Modernisierung der Montanindustrie und zum
anderen die Förderung zukunftsweisender Technologien in kleinen und mittleren
Betrieben verfolgt. Eingebunden in das landespolitische „Aktionsprogramm Ruhr“,
wurden die Technologieprogramme Bergbau und Energie im Jahr 1974, das
Technologieprogramm Wirtschaft im Jahr 1978 und das Technologieprogramm
Stahl 1979 aufgelegt. Darüber hinaus wurde der Grundstückfonds Ruhr im Rahmen
des Aktionsprogrammes Ruhr gegründet. Angesiedelt bei der Landesentwicklungsgesellschaft und ausgestattet mit jährlich 50 Millionen Euro gelang es den Akteuren
nach und nach viele alte Industrieareale aufzukaufen und einer neuen Nutzung
zuzuführen. Darüber hinaus setzte das Aktionsprogramm erstmals neue Maßstäbe
in der regionalen Strukturpolitik. Erstmals wurden weiche Standortfaktoren in die
Strukturpolitik einbezogen. Zudem wurden erstmals bei den „Ruhrgebietskonferenzen“ im Jahr 1979 alle Akteure der Region an einen Tisch gebracht.293
Die „regionalisierte Strukturpolitik“, in den Jahren von 1987 bis 1999, setzte auf den
Ansätzen der dialogorientierten Strukturpolitik auf. Während das Aktionsprogramm
Ruhr noch nach dem „Top-Down-Prinzip“ von der Landesregierung erstellt worden
war, wurden nun neue Verfahren der Strukturpolitik angewandt. „Um die Akzeptanz
zu erhöhen, die Umsetzungsprobleme zu mindern und innenbürtige Potenziale zu
mobilisieren, mussten die Koordinationsprobleme und widerstreitenden Interessen
der vielfältigen, aus der gesamten Region stammenden Akteure bewältigt
werden.“294 Das zunächst experimentelle Programm „Zukunftsinitiative Montanregion“ des Jahres 1987 zielte in eine Regionalisierung der Strukturpolitik. Das
Ruhrgebiet wurde in sechs Teilregionen unterteilt. In jeder Teilregion sollten
konsensual die jeweiligen Probleme und Herausforderungen herausgearbeitet
werden, um maßgeschneiderte Förderungsmaßnahmen beim Land zu beantragen.
292 Vgl. Butzin, Bernhard et.al.(2008q): Phase 1 Integrierte Strukturpolitik, in: Regionalverband Ruhr
(Auftraggeber): Regionalkunde Ruhrgebiet, Bochum, Online–Dokument: http://www.ruhrgebiet–
regionalkunde.de/erneuerung_der_infrastruktur/strukturpolitik_fuer_das_ruhrgebiet/strukturpolitik_phase_1.
php?p=4,1, Stand 24. Januar 2011.
293 Vgl. Butzin, Bernhard et.al.(2008r): Phase 2 Zentralisierte Strukturpolitik, in: Regionalverband
Ruhr (Auftraggeber): Regionalkunde Ruhrgebiet, Bochum, Online–Dokument:
http://www.ruhrgebiet–
regionalkunde.de/erneuerung_der_infrastruktur/strukturpolitik_fuer_das_ruhrgebiet/strukturpolitik_phase_1.
php?p=4,1, Stand 24. Januar 2011.
294 Butzin, Bernhard et.al.(2008s): Phase 3 Regionalisierte Strukturpolitik, in: Regionalverband Ruhr
(Auftraggeber): Regionalkunde Ruhrgebiet, Bochum, Online–Dokument: http://www.ruhrgebiet–
regionalkunde.de/erneuerung_der_infrastruktur/strukturpolitik_fuer_das_ruhrgebiet/strukturpolitik_phase_3.
php?p=4,3, Stand 24. Januar 2011.
91
Den Leitlinien der Dezentralisierung, Partizipation, Kooperation und Koordination
folgend sollten die endogenen Potenziale identifiziert und mobilisiert werden. Im
Sinne „goldender Zügel“ leitete das Bundesland den Prozess dieser sogenannten
„Regionalen Entwicklungskonferenzen“ nach festgelegten Maßstäben. Neben den
regionalen Entwicklungskonferenzen gilt die „Internationale Bauausstellung
Emscher Park“ als eines der herausragenden Instrumente dieser Strukturpolitikphase.295
Eine „selbstorganisierte Strukturpolitik“ wurde ab dem Jahr 2000 verfolgt. Aus den
positiven und negativen Erfahrungen der Regionalen Entwicklungskonferenzen und
der IBA Emscher Park lernend, sollte den aktuellen Herausforderungen begegnet
werden. Insbesondere eine steigende Fragmentierung des Ruhrgebiets wurde
mittels verstärkter Kooperationsansätze vermindert. Der Regionalverband Ruhr
(ehemals „Kommunalverband Ruhrgebiet“), als regionaler Akteur, erarbeitete im
Jahr 2002 das strukturpolitische Programm „Perspektive Ruhr“. Anhand von zwölf
Kompetenzfeldern wurden die endogenen Potenziale der Region identifiziert und die
Bedeutung der regionalen Netzwerke hervorgehoben. Obwohl die Landesregierung
Nordrhein-Westfalens lange Zeit die Förderung der Metropolregion Rhein-Ruhr
favorisierte, zielten die Akteure des Ruhrgebiets zunehmend auf eine eigenständige
Entwicklung zur „Metropole Ruhr“ hin. Gestärkt wurde dieser Ansatz unter anderem
durch die Übertragung der staatlichen Regionalplanung an den Regionalverband
Ruhr im Jahr 2009.296
5.1.3.2
Internationale Bauausstellung Emscher Park
Die Internationale Bauausstellung Emscher Park (IBA Emscher Park) war ein von
1989 bis 1999 andauerndes Strukturprogramm des Bundeslandes NordrheinWestfalen. Im Rahmen der IBA Emscher Park sollten Impulse für den wirtschaftlichen Wandel einer alten Industrieregion modellhaft mittels städtebaulicher,
kultureller, sozialer und ökologischer Maßnahmen initiiert werden. Als Planungsgebiet der IBA Emscher Park wurde die, im nördlichen Ruhrgebiet liegende,
Emscherzone bestimmt.297 Diese war besonders stark von dem Niedergang der
Montanindustrie betroffen. Eine „chaotische Raumstruktur[…], eine vernutzte
ökologische Substanz sowie eine mäßige Erschließung der Fläche“298 kennzeichneten die Emscherzone zu Beginn der 90er Jahre. Zusätzlich war das ökonomischpolitische Milieu durch eine alte Wirtschaftsstruktur und eine alte Mentalität
kennzeichnet. Mit dem Ziel die altindustriellen Strukturen zukunftsfähig zu gestalten,
realisierte die privatwirtschaftliche Organisation „IBA Emscher Park GmbH“ in
Kooperation mit den Kommunen, Unternehmern und lokalen Initiativen der
Emscherzone rund 120 Projekte. Jedes dieser Projekte orientierte sich an
vorgegebenen Leitthemen und Qualitätsmerkmalen seitens der IBA Emscher Park
295 Vgl. Ebenda.
296 Vgl. Butzin, Bernhard et.al.(2008t): Phase 4 Selbstorganisierte Strukturpolitik, in:
Regionalverband Ruhr (Auftraggeber): Regionalkunde Ruhrgebiet, Bochum, Online–Dokument:
http://www.ruhrgebiet–
regionalkunde.de/erneuerung_der_infrastruktur/strukturpolitik_fuer_das_ruhrgebiet/strukturpolitik_phase_4.
php?p=4,5, Stand 24. Januar 2011.
297 Vgl. Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes Nordrhein–Westfalen
(Hrsg.)(o.J.)a: Die internationale Bauausstellung Emscher Park 1989 – 1999, Düsseldorf,
Online–Dokument: http://www.iba.nrw.de/iba/main.htm, Stand. 24. Januar 2011.
298 Rommelspacher, Thomas (1999): Das Politikmodell der IBA Emscher Park, in: Informationen
zur Raumentwicklung, Heft 3/4 1999, S.158.
92
GmbH.299 Die inhaltliche Ausgestaltung der Projekte orientierte sich an sieben
Leitthemen. Einen Überblick über die Leitlinien bietet die Abb. 17.
Das Kernstück der IBA Emscher Park war der Ausbau des Emscher Landschaftsparks. Die bestehenden regionalen Grünzüge sollten durch die Erschließung von
Brachflächen miteinander verbunden und zu einem Park umgestaltet werden.
Herausragend war dabei die bewusste Integration der altindustriellen Strukturen in
die zurück gewonnene Landschaft.300 Im Rahmen der weiteren Leitthemen wurden
neben raumstrukturellen und ökologischen auch städtebauliche und soziale sowie
wirtschaftliche Projekte umgesetzt. Durch die Einrichtung attraktiver Gewerbestandorte zur Stärkung des Dienstleistungssektors, die Modernisierung und den Neubau
von Wohnsiedlungen sowie die Entwicklung altindustrieller Standorte zu
Landmarken, Veranstaltungs- und Identifikationsorten konnte die IBA Emscher Park
wichtige Impulse in der Region initiieren.301 Die Umsetzungsstrategie der IBA
Emscher Park basierte ebenfalls auf festgelegten Grundsätzen. Dabei kam der
Mobilisierung der regionalen Akteure eine hohe Bedeutung zu. Im Rahmen der IBA
Emscher Park sollten keine Lösungsansätze von außen in die Region importiert
werden, sondern die regionalen Akteure bei der Lösung von Problemen unterstützt
werden. Insofern entwickelte die IBA Emscher GmbH keinen Masterplan, sondern
schaffte lediglich einen Rahmen durch Festsetzung von Leitthemen und
Qualitätsstandards für die projektbasierte Planung. Die jeweiligen Projekte wurden
von lokalen Initiativen erarbeitet und durch die IBA Emscher GmbH konkretisiert und
qualifiziert. „Jedes dieser Projekte soll[te] ein Trittstein sein, aus deren Summe sich
schließlich ein Weg der Erneuerung der Region zusammenfügen soll[te].“302
Zusammenfassend sind in den zehn Jahren Projektlaufzeit über 120 Projekte mit
einem Investitionsvolumen von rund 2,5 Milliarden Euro (5 Milliarden Deutsche
Mark) in der Emscherzone umgesetzt worden. Trotz einiger Kritikpunkte an der IBA
Emscher Park, wurden im Rahmen des Strukturprogramms viele positive
Entwicklungen in der Region angestoßen. Insbesondere die Erhaltung und
Entwicklung vieler Industriedenkmäler, zunächst kontrovers diskutiert, wurden in der
Rückschau als eine der größten Verdienste der Bauausstellung interpretiert.303 Mit
der offiziellen Beendigung der Internationalen Bauausstellung Emscher Park im
Jahr 1999, stellte sich „die Frage nach den Perspektiven der für die Kultur
entdeckten Industriedenkmäler.“304 Die „Route der Industriekultur“ und das
Kulturfestival „Ruhrtriennale“ veranschaulichen die Weiterführung der durch die IBA
Emscher Park gesetzten Impulse.
299 Vgl. Ebenda.
300 Vgl. Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes Nordrhein–Westfalen
(Hrsg.)(o.J.)b: Arbeitsbereiche – Emscher Landschaftspark, Düsseldorf, Online–Dokument:
http://www.iba.nrw.de/arbeitsbereiche/main.htm, Stand. 24. Januar 2011.
301 Vgl. Gatzweiler, Hans–Peter & Strubelt Wendelin (1999): Projektorientierte Planung das Beispiel
IBA Emscher Park, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 3/4 1999, S.XVII–XIX.
302 Siebel, Walter (1992): Die Internationale Bauausstellung Emscher–Park – Eine Strategie zur
ökonomischen, ökologischen und sozialen Erneuerung alter Industrieregionen, in: Häußermann,
Hartmut (Hrsg.): Ökonomie und Politik in alten Industrieregionen Europas, Berlin, S.221.
303 Vgl. Westdeutscher Rundfunk Köln (Hrsg.)(2009a): Internationale Bauausstellung Emscher
Park, Köln, Online Dokument: http://www.planet–
wissen.de/laender_leute/nordrhein_westfalen/innenhafen_duisburg/iba_emscher_park.jsp,
Stand, 24. Januar 2011.
304 Kultur Ruhr GmbH (Hrsg.)(o.J.): Chronik der Ruhrtriennale, Gelsenkirchen, Online–Dokument:
http://www.ruhrtriennale.de/de/ueber–uns/chronik/, Stand 24. Januar 2011.
93
Abb. 17 IBA Emscher Park Leitthemen
Emscher
Landschaftspark
Das zentrale Anliegen und verbindende Thema der IBA: Wiederaufbau
und Neugestaltung der geschundenden Landschaft im Emscherraum
nach ökologischen und ästhetischen Kriterien durch regionale
Grünzüge, Umwandlung ehemaliger Bauflächen in neu gewonnene
Landschaft, Vernetzung von Freirräumen und ästhetische
Interpretation des Raumes als IndustrieLandschaft.
Ökologischer Umbau
des Emscher Systems
Nachhaltige Stabilsierung des Wasserhaushaltes in der Region durch
öklogischen Umbau des Gewässers- und Abwassersytems
(Klärsystem, Gewässerumbau, Einrichtung dezentraler
Regenwassersysteme)
Arbeiten im Park
Entwicklung attraktiver und hochwertiger Gewerbestandorte für neue
Gewerbe und Dienstleistungen zur Verbesserung der Beschäftigungsund Wirtschaftsstruktur durch Wiederaufbau der Landschaft, Erhaltung
und neue Nutzung von Industriedenkmälern, Stadtentwicklung
Städtebauliche und
soziale Impulse für die
Stadtentwicklung
Städtebauliche und wirtschaftliche Entwicklung von Stadtteilen,
Aufwertung der Bahnhofsbereiche der Köln-Mindener Eisenbahn,
integrierte Entwicklung von Stadtteilen mit besonderem
Erneuerungsbedarf
Wohnen in der
Siedlung-Neubau und
Erneuerung
Denkmalgerechte Modernisierung gartenstädtischer
Arbeitersiedlungen, Neubau von Siedlungen, „Einfach und selber
Bauen“, Wohnprojekte für ältere Menschen und Alleinerziehende
Industriekultur und
Tourismus
Erhaltung und neue Nutzung industriekultureller Bauten und Anlagen
als Symbol für den Strukturwandel, Landmarken und
Identifikationspunkte, Veranstaltungs- und Spielorte
Kunst im Emscher
Landschaftspark
Künstler arbeiten in Auseinandersetzung mit der Region
Entwurf: Eigene Darstellung, Frankfurt 2010
Quelle:
Gatweiler, Hans (1999): IBA Emscher Park Leitthemen und räumliche
Übersicht, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 3/4 1999, S.XVIII.
94
Die Route der Industriekultur war eine „zentral erdachte, konzipierte und
durchgeführte Großinvestition“, die durch die Internationale Bauausstellung
Emscher Park initiiert wurde. Im Jahr 1996 wurde der Industrietourismus in die
Zielsystematik der IBA Emscher Park aufgenommen und eine Kommission zur
Erarbeitung eines Masterplans für den Tourismus im Ruhrgebiet gebildet. Als erster
Baustein dieses Masterplans wurde im Jahr 1999 die Route der Industriekultur
eröffnet.305 Erarbeitet von der „Deutschen Gesellschaft für Industriekultur“ und
getragen durch den Regionalverband Ruhr entstand ein 400 km langer Rundkurs,
bestehend aus den wichtigsten und touristisch attraktivsten Industriedenkmälern der
Region. Die Route wurde stetig weiter entwickelt und setzt sich aktuell aus 25
Ankerpunkten, 15 Aussichtspunkten und 13 Arbeitersiedlungen zusammen. Die
Ankerpunkte, als bedeutendste und bekannteste Altindustriestandorte des
Ruhrgebiets, stellen das Rückgrat der Route dar. Der Gasometer in Oberhausen,
der Innenhafen in Duisburg und die Jahrhunderthalle in Bochum sind einige der
bekanntesten Ankerpunkte der Region.306 Als Wahrzeichen des Ruhrgebiets wird
darüber hinaus oft der 55 Meter hohe Doppelbockförderturm des Areals der Zeche
Zollverein herangezogen. Als ehemals modernste Zeche Europas, konstruiert von
den Architekten Schupp und Kremmer, wurde sie im Jahr 2001 zum UNESCO
Weltkulturerbe ernannt. Als Museum, Ausstellungsort und Standort der Schule für
Management und Design zählt sie mittlerweile zu einem der bekanntesten Punkte
der Route der Industriekultur.307 Darüber hinaus ist die Zeche Zollverein ebenso wie
die gesamte Route der Industriekultur Bestandteil der „European Route of Industrial
Heritage“. Diese wurde 2003 gestartet und stellt ebenfalls ein touristisches
Netzwerk des industriellen Erbe Europas dar.308
Die Ruhrtriennale ist ein internationales Kulturfestivals, welches durch die
Expertenkommission „Kultur NRW in Europa“ im Auftrag der Landesregierung
Nordrhein-Westfalens im Jahr 1999 erarbeitet wurde. Ebenso wie die Route der
Industriekultur setzte auch die Ruhrtriennale auf den Errungenschaften der IBA
Emscher Park auf. Bereits während der Bauausstellung wurde die Umfunktionierung
der Industriedenkmäler in kulturelle Veranstaltungsorte erprobt. Die Ruhrtriennale
führte diese Idee für die kulturellen Spaten Theater, Oper, und Tanz weiter.309 „Die
faszinierenden, vor dem Verfall geretteten und ins ästhetische Bewusstsein
gerückten Hallen, stillgelegten Zechen und Kraftwerke erweisen sich als
prädestiniert für neue Formen künstlerischer Auseinandersetzung.“310 Die während
der IBA Emscher Park erhaltenen und durch die Route der Industriekultur
erschlossenen Industriedenkmäler wurden mittels der Ruhtriennale kulturell
305 Vgl. Buschmann, Walter (2005): Die Neuerfindung der Industrie als Touristenattraktion–
Mitteldeutsches Braunkohlereviert – Ruhrgebiet – Rheinisches Braunkohlerevier, in: Hartmut,
John (Hrsg.): Industrie– und Technikmuseum im Wandel – Standortbestimmungen und
Perspektiven, Bielefeld, S.235–255.
306 Vgl. Regionalverband Ruhr (Hrsg.)(2011d): Was ist die Route der Industriekultur?–Auf Kohle
gewachsen, Essen, Online–Dokument: http://www.route–industriekultur.de/index.php?idcat=3,
Stand 24. Januar 2011.
307 Vgl. Westdeutscher Rundfunk Köln (Hrsg.)(2009b): Essen – Ruhr 2010, Köln, Online Dokument:
http://www.planet–wissen.de/laender_leute/nordrhein_westfalen/essen/index.jsp, Stand, 24.
Januar 2011.
308 Vgl. Schneider, Wolfgang (2002): ERIH Die Europäische Route der Industriekultur, in:
Informationen zur Raumentwicklung, Heft 4/5 2002, S.267–270.
309 Vgl. Mundt, Julia (2008): Kulturkooperation im Ruhrgebiet: Ziele – Projekte – Erträge –
Dissertation über die Formen der Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und Wirtschaft bei
kulturellen Projekten im Ruhrgebiet, Norderstedt.
310 Kultur Ruhr GmbH (Hrsg.)(o.J.): a.a.O.
95
bespielt. Dabei findet die Ruhtriennale seit 2002 jährlich statt. In einem Zyklus von
jeweils drei Jahren wird jeweils ein Intendant mit der künstlerischen Leitung des
Festivals beauftragt.311
Die regionale Strukturpolitik hat im Ruhrgebiet einen nachhaltigen Strukturwandel
bewirkt. Es wurden in unterschiedlichster Weise ökologische, soziale und
wirtschaftliche Impulse in der Region gesetzt. Insbesondere der innovative Umgang
mit den alten Industrieranlagen, im Rahmen der IBA Emscher Park, gilt als
maßgeblicher Entwicklungsimpuls für das gesamte Ruhrgebiet.
5.1.4 Strukturelle Herausforderungen im Jahr 2006
Die Entwicklung des Ruhrgebiets war bis zum Jahr 2006 durch einen kontinuierlichen Strukturwandel geprägt. Die ehemalige montanindustrielle Region unterlag
dem Wandel von einer Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft. Dieser Wandel
wurde bestimmt von Parallelprozessen, die teils seit längerem, teils seit kürzerem
und in unterschiedlicher Ausprägung innerhalb der Region wirkten. Der Fortschritt
des Strukturwandels war je nach Perspektive unterschiedlich zu bewerten.
Eindeutig war, dass bis zum Jahr 2006 mittels eines bewussten Strukturwandels
viele positive Veränderungen im Ruhrgebiet erzielt worden waren. Darüber hinaus
stand die Region jedoch immer noch großen Herausforderungen gegenüber. Diese
Herausforderungen umfassten sowohl allgemeingültige Problematiken (bsp.
Klimawandel), sowie spezifische Herausforderungen welche durch die altindustrielle
Vorgeschichte der Region begründet waren (bsp. hoher Bevölkerungsanteil mit
Migrationshintergrund). Im Folgenden werden Problematiken denen die Region im
Jahr 2006 entgegen stand und die insbesondere auf den industriellen Niedergang
der Montanindustrie zurück zu führen sind untersucht. Die Untersuchung umfasst
die Bereiche Wirtschaftsstruktur und Arbeitsmarkt, Außenimage und Tourismus
sowie die Brachflächenentwicklung.
5.1.4.1
Wirtschaftsstruktur und Arbeitsmarkt
Die Wirtschaftsstruktur des Ruhrgebiets hatte sich ausgehend von der Industrialisierung bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts stark gewandelt. Dem Niedergang der
Montanindustrie, geprägt durch Deindustrialisierung der Betriebe, waren verstärkte
Umstrukturierungs- und Anpassungsprozesse bei den Unternehmen des
produzierenden Gewerbes und eine starke Expansion der Unternehmen des
Dienstleistungssektors gefolgt.312 Im Verlauf der Jahre hatte sich eine breit
gefächerte Wirtschaftsstruktur in der Region, teils aufbauend auf den alten
Strukturen und teils durch die Erschließung neuer Potenziale entwickelt. Die beiden
stärksten Wirtschaftssektoren im Ruhrgebiet stellten zu Anfang des 21,
Jahrhunderts die Gesundheitswirtschaft, hinsichtlich der Beschäftigungszahlen, und
die Energiewirtschaft, hinsichtlich der Jahresumsätze, dar. Als weitere Kompetenzfelder, definiert anhand wirtschaftlicher Stärke, umfangreicher Vernetzung und
innovativer Anwendungen, galten die Wirtschaftsbereiche Logistik, Chemie,
Informations- und Kommunikationstechnik und Mikrosystemtechnik.313 Basierend
311 Vgl. Kultur Ruhr GmbH (o.J.): a.a.O.
312 Vgl. Butzin, Bernhard et.al.(2008o): a.a.O.
313 Vgl. Wirtschaftsförderung Metropoleruhr (Hrsg.)(2009): Die Metropole Ruhr – Ein guter Platz
zum Leben ein guter Platz zum Investieren, Mühlheim, Online Dokument:
http://business.metropoleruhr.de/standort/standort–kompakt.html, Stand 24. Januar 2011.
96
auf diesen Kompetenzfeldern hatten sich im Ruhrgebiet mit der Zeit eine Vielzahl an
umsatzstarken Unternehmen und Konzernzentralen angesiedelt. Insgesamt hatten
16 der 100 umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands zum Anfang des 21.
Jahrhunderts ihren Sitz im Ruhrgebiet. Dazu zählten unter anderem die
ThyssenKrupp AG mit Standorten in Essen und Duisburg, die RheinischWestfälische Elektrizitätswerke RWE-AG und RWE-Energy AG mit Standorten in
Essen und Dortmund sowie der Albrecht-Discount Gruppe Aldi Süd und Aldi Nord
mit Standorten in Mühlheim und Essen. Aufbauend auf der räumlichen Verteilung
der umsatzstarken Unternehmen, zeichneten sich starke innerregionale Disparitäten
in der Region ab. Während Bochum, Dortmund, Duisburg und Essen Standorte
vieler Unternehmen waren, wiesen die Kreise Unna, Wesel und Recklinghausen
deutlich schwächere Wirtschaftsstrukturen auf.314
Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung des Ruhrgebiets wies in den Jahren von
1996 bis 2006 ein stetiges Wachstum auf. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro
Einwohner in der Region, dargestellt in Abb. 18, stieg in diesem Zeitraum mit einem
Wachstum von rund 24% kontinuierlich an. Parallel dazu verringerte sich jedoch der
Abstand zum bundesweiten Durchschnitt des BIP pro Einwohner nur gering. Das
Verhältnis des BIP pro Einwohner im Ruhrgebiet zum BIP pro Einwohner der
Bundesrepublik lag in den Jahren von 1996 bis 2006 im Verhältnis bei jeweils rund
90%.
Abb. 18 Entwicklung des Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner
30.000 €
Ruhrgebiet
NRW
Bundesrepublik
BIP pro Einwohner
28.000 €
26.000 €
24.000 €
22.000 €
20.000 €
1996
1998
2000
2002
2004
2006
Entwurf: Eigene Darstellung, Frankfurt 2010
Quelle:
Regionalverband Ruhr (Hrsg.)(2010): CD-Rom: Zahlenspiegel
Metropoleruhr, Essen.
Die Wirtschaftsstruktur des Ruhrgebiets wurde im Jahr 2006 vom tertiären Sektor
dominiert. Die Unternehmen des Dienstleistungssektors erwirtschafteten im Jahr
314 Vgl. Regionalverband Ruhr(Hrsg.)(2011b): Sitz großer Konzernzentralen, Essen, Online
Dokument: http://www.metropoleruhr.de/wirtschaft/unternehmen–
arbeitskraefte/konzernzentralen.html, Stand 24. Januar 2011.
97
2006 rund 71% der regionalen Bruttowertschöpfung (BWS). Folglich hatte sich der
Anteil des produzierenden Gewerbes am BWS bis zum Jahr 2006 deutlich
verringert. Im Jahr 2006 erwirtschafteten die Betriebe des produzierenden
Gewerbes rund 29% und die Betriebe der Land- und Forstwirtschaft rund 0,4% der
regionalen Bruttowertschöpfung. Diese Werte entsprachen, der Aufteilung nach, in
etwa den Durchschnittswerten der Bundesrepublik. Die Entwicklung der
Bruttowertschöpfung (Abb. 19), aufgeteilt nach den drei Wirtschaftssektoren,
verdeutlicht, dass dem Dienstleistungssektor mit der Zeit eine steigende Bedeutung
für die ehemals rein industriell geprägte Region zukam. Darüber hinaus zeigt die
Entwicklung, dass das produzierende Gewerbe trotz zunehmenden Bedeutungsverlustes in den Jahren von 1996 bis 2006 eine konstante Wertschöpfung erzielen
konnte.
Abb. 19 Entwicklung der Bruttowertschöpfung aufgeteilt nach
Wirtschaftssektoren
Bruttowertschöpfung in Mrd.€
100
80
Landw irtschaf t
Prod. Gew erbe
Dienstleistungen
60
40
20
0
1996
1998
2000
2002
2004
2006
Entwurf: Eigene Darstellung, Frankfurt 2010
Quelle:
Regionalverband Ruhr (Hrsg.)(2010): CD-Rom: Zahlenspiegel
Metropoleruhr, Essen.
Trotz neu geschaffener Stellen im Dienstleistungssektor war der Arbeitsmarkt im
Ruhrgebiet im Jahr 2006 durch eine hohe und steigende Arbeitslosigkeit geprägt. In
der Region waren in dem Jahr rund 1,46 Millionen Menschen als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte angestellt. Die Entwicklung, dargestellt in, Abb. 20, zeigt
einen stetigen Rückgang der Sozialversicherungsbeschäftigten im Zeitraum von
1976 bis 2006. In diesem Zeitraum sank die Anzahl der sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten im Ruhrgebiet um rund 19%. Dieser Rückgang stand einem
bundesweiten Wachstum der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 27%
gegenüber. Hinsichtlich der Entwicklung der sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten lag das Ruhrgebiet also deutlich unter dem bundesweiten
Durchschnitt. Die Differenzierung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
nach Wirtschaftssektoren verdeutlicht, dass das produzierende Gewerbe diesen
negativen Trend maßgeblich zu verantworten hatte. Die Entwicklung zeigt, dass ein
98
kontinuierlicher Zuwachs an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im
Dienstleistungssektor einem stetigen Abbau an sozialversicherungspflichtigen
Stellen im produzierenden Gewerbe gegenüber stand. Die neu geschaffenen
Stellen im tertiären Sektor konnten jedoch die Arbeitsplatzverluste im sekundären
Sektor nicht kompensieren.315 Im Zeitraum von 1998 bis 2006 wurden im
produzierenden Sektor rund 156.000 Stellen gestrichen, während im Dienstleistungssektor rund 62.000 neue Arbeitsplätze geschaffen wurden. Daraus ergab sich
insgesamt ein negatives Saldo. Diese negative Entwicklung wurde zudem durch die
hohe Einwohnerdichte im Ruhrgebiet verstärkt. Der Beschäftigungsbesatz im
Ruhrgebiet lag im Jahr 2006 mit einem Wert von 278 sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten pro 1.000 Einwohner deutlich unter dem bundesdeutschen
Durchschnittswert. Im Bundesdurschnitt kamen auf 1.000 Einwohner rund 320
Sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze.316 Diese Zahlen verdeutlichen, dass im
Ruhrgebiet, gemessen an der hohen Einwohnerzahl, zu Beginn des 21.
Jahrhunderts zu wenige Arbeitsplätze zur Verfügung standen. Entgegen der unter
dem Bundesdurchschnitt liegenden Entwicklung der sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten, entsprach dessen Verteilung auf die einzelnen Wirtschaftssektoren in
etwa den bundesweiten Durchschnittswerten. Im Jahr 2006 arbeiteten im
Ruhrgebiet rund 61% der Sozialversicherungsbeschäftigten im Dienstleistungssektor, rund 29% der Beschäftigten im produzierenden Sektor und etwa 0,7% in der
Land- und Forstwirtschaft.
Abb. 20 Entwicklung der Sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aufgeteilt
nach Wirtschaftssektoren
Sozialverspfl. Beschäftigte in Millionen
2,0
1,5
1,0
Landw irtschaf t
Prod. Gew erbe
Dienstleistungen
Insgesamt
0,5
0,0
1976
1981
1986
1991
1996
2001
2006
Entwurf: Eigene Darstellung, Frankfurt 2010
Quelle:
Regionalverband Ruhr (Hrsg.)(2010): CD-Rom: Zahlenspiegel
Metropoleruhr, Essen.
315 Vgl. Regionalverband Ruhr (Hrsg.)(2010): CD–Rom: Zahlenspiegel Metropoleruhr, Essen.
316 Vgl. Eltges, Markus (2008): a.a.O.
99
Die negative Entwicklung bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ging mit
einer steigenden Anzahl von Arbeitslosen einher. Die Entwicklung der Arbeitslosenquote, dargestellt in Abb. 21, verdeutlicht die überproportional hohe Arbeitslosequote des Ruhrgebiets im Jahr 2006. Im diesem Jahr lag die Arbeitslosenquote im
Ruhrgebiet, gemessen an den abhängigen Erwerbstätigen bei 15,1%. Der
Bundesdurchschnitt lag im gleichen Jahr bei 11,4%.317 Dabei umfasste die
Arbeitslosenstruktur im Ruhrgebiet einen hohen Anteil an Langzeitarbeitslosen.
Rund 50% der Arbeitslosen waren im Jahr 2006 bereits über ein Jahr lang
arbeitslos. Damit lag die Quote der Langzeitarbeitslosen der Region zehn
Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt.318 Einhergehend mit der hohen
Anzahl Langzeitarbeitsloser, war die Anzahl der Sozialhilfeempfänger im Ruhrgebiet
ebenfalls überdurchschnittlich hoch. 319
Abb. 21 Entwicklung der Arbeitslosenquote
20%
Arbeitslosenquote
15%
10%
5%
Ruhrgebiet
NRW
BRD
0%
1976
1981
1986
1991
1996
2001
2006
Entwurf: Eigene Darstellung, Frankfurt 2010
Quelle:
Regionalverband Ruhr (Hrsg.)(2010): CD-Rom: Zahlenspiegel
Metropoleruhr, Essen.
Die Wirtschaftsstruktur des Ruhrgebiets hatte sich im Zeitraum seit der
Industrialisierung bis zum Jahr 2006 stark gewandelt. Der Dienstleistungssektor
entwickelte sich hinsichtlich der BWS und der Beschäftigtenzahl zum wichtigsten
Wirtschaftssektor der Region. Im produzierenden Gewerbe wurden hingegen viele
Betriebe geschlossen und Arbeitsplätze abgebaut. Die BWS des produzierenden
Gewerbes blieb in den Jahren von 1996 bis 2006 jedoch nahezu konstant und
konnte sogar leicht ausgebaut werden. Dies spricht für eine effiziente Umstrukturierung vieler Produktionsbetriebe und einer Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen. Insofern befand sich die gesamtwirtschaftliche Entwicklung des
317 Vgl. Regionalverband Ruhr (Hrsg.)(2010): CD–Rom: Zahlenspiegel Metropoleruhr, Essen.
318 Vgl. Eltges, Markus (2008): a.a.O.
319 Vgl. Lackmann, Gregor (2008): Raumwirksame Bundesmittel und ihre Bedeutung für das
Ruhrgebiet, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 9/10 2008, S.583–607.
100
Ruhrgebiets bis zum Jahr 2006 auf einem guten Weg. Dennoch blieben die Umsatzund Beschäftigtenzahlen hinter den bundesdeutschen Durchschnittswerten zurück.
Insbesondere die Arbeitslosenzahlen, mit einem hohen Anteil an Langzeitarbeitslosen, stellte die Region weiterhin vor hohe Herausforderungen. Es galt die Wirtschaft
weiterhin zu stärken. Die bestehenden Potenziale galt es weiter auszubauen und zu
fördern sowie weitere Potenziale zu erschließen. Damit einher gehend galt es
zukunftsfähige, Arbeitsplätze für qualifizierte als auch gering qualifizierte
Arbeitnehmer zu schaffen.
5.1.4.2
Altindustrielle Areale und Brachflächenentwicklung
Die raumstrukturelle Entwicklung des Ruhrgebiets wurde während der 150-jährigen
Industriegeschichte weitestgehend von den Interessen und Ansprüchen der
montanindustriellen Betriebe dominiert.320 Im Zuge ungesteuerter Wachstums- und
Verdichtungsprozesse wurden bis Ende des 20. Jahrhunderts rund 30.000ha (6.8%
der Gesamtfläche des Ruhrgebiets) als Industrie- und Gewerbefläche erschlossen.321 Der Niedergang der Montanindustrie löste eine großflächige
Deindustrialisierung aus. Während die Betriebe geschlossen oder an andere
Standorte verlegt wurden, blieben die vernutzten Teilräume der Industrialisierung im
Ruhrgebiet bestehen.322 Es entstanden teils große altindustrielle Brachflächen, die
häufig mit Altlasten kontaminiert waren, jedoch zugleich wertvolle Potenzialflächen
zur Stadt- und Regionalentwicklung darstellten.323 Bis in die 1980er Jahre wurden
die brachgefallenen Industrieanlagen in der Regel vollständig abgerissen. Durch die
völlige Beseitigung der historischen Bausubstanz sollte ein neues zukunftstragendes Erscheinungsbild der Region geprägt werden.324 Die ersten Umnutzungen,
häufig dem Konsum- und Freizeitmarkt dienend, führten aufgrund fehlender
gesamträumlicher Planungen jedoch zu einem „Flickenteppich eines punktuell
renovierten Ruhrgebiets.“325 Erst im Rahmen der IBA Emscher Park wurde erstmals
ein gesamträumliches und nachhaltiges Konzept zum Umgang mit den industriellen
Hinterlassenschaften entwickelt. Durch die Etablierung der Industriekultur wurden
die ehemaligen Industrieanlagen nicht mehr lediglich als Arbeitsplatz und Zweckbau
der Montanindustrie, sondern zunehmend als architektonisch wertvolle Zeugnisse
und Orientierungspunkte der industriellen Vergangenheit wahrgenommen.326 Alte
Zechen, Stahlwerke und Halden wurden unter Denkmalschutz gestellt und mittels
kultureller Ereignisse und Bespielungen „diskursfähig, verstehbar und erlebbar“327
gemacht. Die Jahrhunderthalle in Bochum, der Gasometer in Oberhausen und die
Weltkulturerbestätte Zeche Zollverein in Essen hatten sich bis zum Jahr 2006 zu
identitätsstiftenden Wahrzeichen der Region entwickelt. Die Industriedenkmäler, mit
320 Vgl. Wehling, Hans (2006): a.a.O.
321 Vgl. Dosch, Fabian & Porsche Lars (2008): Grüne Potenziale unter blauem Himmel – Neue
Zugänge zur Flächenrevitalisierung und Freiraumentwicklung im Ruhrgebiet, in: Informationen
zur Raumentwicklung, Heft 9/10 2008, S.609–625.
322 Vgl. Expertengespräch mit Regionalverband Ruhr (a).
323 Vgl. Butzin, Bernhard et.al.(2008p): a.a.O.
324 Vgl. Wehling, Hans (2006): a.a.O.
325 Butzin, Bernhard et.al.(2008p): a.a.O.
326 Vgl. Wehling, Hans (2006): a.a.O.
327 Butzin, Bernhard et.al.(2008u): Warum Industriekultur, in: Regionalverband Ruhr (Auftraggeber):
Regionalkunde Ruhrgebiet, Bochum, Online–Dokument: http://www.ruhrgebiet–
regionalkunde.de/erneuerung_stadtregionaler_raeume/industriekultur/warum_industriekultur.php?p=3,1,
Stand 24. Januar 2011.
101
einem hohen ästhetischen und identitätsstiftenden Wert, stellten jedoch zugleich
eine hohe finanzielle Herausforderung für die Ruhrgebietskommunen dar. Sowohl
die Entwicklung und Aufbereitung der Standorte als auch die Pflege, Unterhaltung
und Weiterentwicklung war und ist bis zur Gegenwart eine finanzielle Belastung für
die Kommunen.328 Durch die Route der Industriekultur wurden viele der
Industriedenkmäler touristisch erschlossen und regelmäßig stattfindende
Veranstaltungen wie die „Ruhrtriennale“, die „Extraschicht“ oder das „Klavier
Festival Ruhr“ nutzen die Industriedenkmäler als Veranstaltungs- und
Bespielungsorte. Um die finanzielle Tragfähigkeit der jeweiligen Anlagen zu stärken,
galt es die Entwicklung, Bespielung und Vermarktung der Anlagen weiter zu
fördern.329
Mittels der Industriekultur wurden bereits viele ehemalige Industrieareale im
Ruhrgebiet effektiv umgenutzt. Dennoch nahmen die Brachflächen im Jahr 2006,
immer noch einen hohen Anteil an der Gesamtfläche der Region ein. Dieser Anteil
wurde nach unterschiedlichen Angaben auf rund 10.000ha geschätzt. Obwohl der
Dienstleistungssektor den stärksten Wirtschaftszweig in der Region darstellte,
wurde für die folgenden Jahre dennoch die Entstehung neuer Brachflächen durch
die Montanindustrie erwartet. Diese Erwartung war insbesondere durch die
Einstellung der Landes- und Bundessubventionen zur Steinkohleförderung bis zum
Jahr 2018 begründet. Die Entwicklung ausgewählter Brachflächen, dargestellt in
Tab. 2, zeigt, dass im Zeitraum von 1996 bis 2006 bereits ein Anstieg der
Zechenbrachen im Ruhrgebiet zu verzeichnen war. Dahingegen haben
Wohnbrachen und die gewerblich-industriellen Brachen durch Wiedernutzungen der
Flächen im gleichen Zeitraum deutlich abgenommen. Diese Entwicklung zeigt, dass
die Raumstruktur des Ruhrgebiets bis zum Jahr 2006 noch stark durch die
brachgefallenen montanindustriellen Flächen geprägt war. Insbesondere vor dem
Hintergrund einer rückläufigen Flächennachfrage, der sinkenden Bevölkerungsanzahl und eines negativen Wanderungssaldos stellte die Brachflächenentwicklung im
Ruhrgebiet im Jahr 2006 nach wie vor eine Herausforderung dar.330
Die Raumstruktur des Ruhrgebiets war bis zum Jahr 2006 nach wie vor von den
Hinterlassenschaften der Montanindustrie geprägt. Viele der großflächigen und
architektonisch prägnanten Industriestandorte wurden durch die Etablierung der
Industriekultur erhalten und touristisch erschlossen. Darüber hinaus bestand im
Ruhrgebiet dennoch ein großer Anteil an kleinräumigen und kulturell eher
unspektakulären altindustriellen Flächen. Diese waren zudem oft durch Altlasten
kontaminiert und dadurch nur durch hohe finanzielle Aufwendungen einer
Neunutzung zuzuführen. Insofern galt es, zum einen die Industriedenkmäler weiter
zu erschließen und finanziell tragfähiger zu machen und zum anderen die
bestehenden Brachflächen Neunutzungen zuzuführen und attraktiver zu gestalten.
328 Vgl. Jasper, Karl & Scholz, Carola (2008): Stadtentwicklung in der Städteregion Ruhr, in:
Informationen zur Raumentwicklung, Heft 9/10 2008, S.627–637.
329 Vgl. Expertengespräch mit Regionalverband Ruhr (a).
330 Vgl. Dosch, Fabian & Porsche Lars (2008): a.a.O.
102
Tab. 2 Entwicklung der Brachflächen im Ruhrgebiet
Brachen 1996 1999 in ha
Brachen 20042006 in ha
3082
3061
2712
2698
1485
1390
766
1106
Nichtgenutzte Verkehrsflächen
412
561
Summe aller Brachflächen
8456
8816
Brachflächen
Gewerbliche und industrielle Brachflächen
Halden
o
In Schüttung oder Abtragung befindlich
o
Rekultivierte Halden, auch Teile einer
Halde
Wohnbrachen
o
Baulücken
o
z.Z. ungenutzt, erschlossen
o
z.Z. ungenutzt,
vorgesehen
für
Wohnbebauung
Zechenbrachen
o
Geräumte, ungenutzte Betriebsflächen
Entwurf: Eigene Darstellung, Frankfurt 2010
Quelle:
Dosch, Fabian & Porsche Lars (2008): Grüne Potenziale unter blauem
Himmel - Neue Zugänge zur Flächenrevitalisierung und Freiraumentwicklung im Ruhrgebiet, in: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 9/10
2008, S.616.
5.1.4.3
Außenimage und Tourismus
Die Wahrnehmung des Ruhrgebiets war bis zum Jahr 2006 stark von der
montanindustriellen Vergangenheit der Region geprägt. Rund 150 Jahre hatte die
Montanindustrie das Denken und das Handeln der Region und ihrer Einwohner
bestimmt. Mit dem Niedergang der Kohle- und Stahlindustrie setzte ein regionaler
Strukturwandel ein. Mit dem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft veränderten sich zwar die Strukturen der Region, das Image „vom schwarzen
Land“331 blieb jedoch weiterhin in den Vorstellungen vieler Menschen bestehen.332
Aufgrund der steigenden Bedeutung des Faktors Image im zunehmend
globalisierten Wettbewerb der Regionen, initiierte der Regionalverband Ruhr
(ehemals Kommunalverband Ruhr) ab den 80er Jahren deutschlandweite
331 Schwarz, Angela (2008): Industriekultur, Image und Identität im Ruhrgebiet oder Die umstrittene
Frage nach dem Strukturwandel in den Köpfen, in: Schwarz, Angela (Hrsg.): Industriekultur,
Image, Identität – Die Zeche Zollverein und der Wandel in den Köpfen, Essen, S.35.
332 Vgl. Blotevogel, Hans et.al. (1999): Regionalmarketing für das Ruhrgebiet Internationale
Erfahrungen und Bausteine für eine Region mit Zukunft – „Strukturwandel an der Ruhr im
internationalen Vergleich“ Ein Projekt des Initiativkreises Ruhrgebiet, Essen.
103
Imagekampagen zur Verbesserung des Ruhrgebiet-Images. „Nicht die Wirtschaft
sollte wie bisher das Image […] der Region, sondern das Image die Wirtschaft
prägen.“333 Unter dem Motto der 80er Jahre „Ein starkes Stück Deutschland“ und
dem Motto der 90er Jahre „Der Pott kocht“ sollte sowohl das Eigenimage der
Ruhrgebietsbevölkerung als auch die Außenwahrnehmung der Region verbessert
werden. Im Rahmen der IBA Emscher Park, von 1989 bis 1999, wurde die Kultur
erstmals zielgerichtet als Imagefaktor eingesetzt.334 Das Ziel bestand darin das
Ruhrgebiet von einer proletarischen Region zu einer Kulturdestination zu
entwickeln.335 Es galt die Bilder des Wandels in der Öffentlichkeit zu kommunizieren
und das Ruhrgebiet als attraktive Region in der Wahrnehmung der Menschen zu
etablieren. Trotz der umfangreichen Imagemaßnahmen, hat das Ruhrgebiet „sein
Bild der fünfziger, sechziger Jahre bisher nicht auslöschen können.“336 Während
sich die Innenwahrnehmung der Region bis zum Jahr 2006 sukzessive verbesserte,
wurde das Außenimage des Ruhrgebiets immer noch stark durch Unwissenheit und
die Vorstellungen der alten Klischees geprägt.337
„Das beste Zeichen dafür [,inwieweit sich das Image einer Region verbessert,] ist
wie viele Menschen in die Region reisen.“338 In Anlehnung an das schlechte
Außenimage galt das Ruhrgebiet bis in die 1990er Jahre als „eine Region, aus der
man zum Erholen wegfährt.“339 Die Idee zur touristischen Etablierung des
Ruhrgebiets wurde erstmals im Rahmen der, durch die IBA Emscher Park initiierte
Industriekultur entwickelt. „Der Tourismus, als wenig konjunkturanfälliger und
zugleich wachstumsstarker Dienstleistungsbereich“340 wurde zunehmend als
wirtschaftliche Zukunftsperspektive für die Region erachtet. Im Jahr 1997 wurde der
Masterplan „Reisen ins Revier“ erarbeitet, dessen Konzept auf den drei
Hauptbausteinen Industriekultur, Entertainment und ungewöhnliche Kulturereignisse
aufbaute. Zur Umsetzung und Weiterentwicklung des Konzepts wurde die „Ruhr
Tourismus GmbH“ (ehemals „Agentur Reisen ins Revier“) im Jahr 1998 gegründet.
In ihrem Aufgabenfeld lag es, das Ruhrgebiet als Kultur- und Tourismusdestination
neu zu entwerfen und zu entdecken. Als Dachmarke der Region wurde im Jahr
1999 die Route der Industriekultur eröffnet, welche die Industriedenkmäler als
Alleinstellungsmerkmal der Region touristisch erschlossen hat. Es galt die
Potenziale der individuellen Industriegeschichte und dessen Hinterlassenschaften
effektiv zu nutzen. „Das heißt, ich komme ins Ruhrgebiet wegen des Ruhrgebiets,
nicht trotz des Ruhrgebiets.“341 Das Ruhrgebiet als Tourismusregion, zielend auf
Kultur- und Städtetouristen, stand im Jahr 2006 jedoch noch ganz am Anfang der
Entwicklung.342 Im Jahr 2006 betrug der Anteil der Übernachtungsgäste im
333
334
335
336
337
338
339
340
341
342
Schwarz, Angela (2008): a.a.O., 36f.
Vgl. Ebenda.
Vgl. Ebenda.
Zit in: Fleiß, Daniela & Strelow Dörte (2008): Urlaub im Schatten des Förderturms:
Industriekultur als Tourismusattraktion und Hoffnungsträger, in: Schwarz, Angela (Hrsg.):
Industriekultur, Image, Identität – Die Zeche Zollverein und der Wandel in den Köpfen, Essen,
S.241.
Vgl. Ebenda.
Günter, Roland (2003): 10 Jahre IBA – und was nun? – Perspektiven für die Region nach der
IBA, in: Geographische Revue Heft 1/2003, S.7–30.
Zit. in: Fleiß, Daniela & Strelow Dörte (2008): a.a.O., S.233.
Ebenda, S.228.
Zit. in: Ebenda, S.237.
Vgl. Ebenda.
104
Ruhrgebiet knapp 12% an den Übernachtungsgästen in Nordrhein-Westfalen und
rund 1,3% der Übernachtungsgäste in der gesamten Bundesrepublik.
Die Entwicklung der Touristen pro 1.000 Einwohner, dargestellt in Abb. 22,
verdeutlicht die bis dahin geringe Bedeutung des Ruhrgebiets als Tourismusdestination. Relativ zur hohen Einwohneranzahl lagen die Werte in dem Jahr deutlich
unter den Werten des Bundeslands und der Bundesrepublik.343
Abb. 22 Entwicklung der Touristen pro Tausend Einwohner
Touristen je Tausend Einwohner
5.000
4.000
Ruhrgebiet
NRW
BRD
3.000
2.000
1.000
0
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
Entwurf: Eigene Darstellung, Frankfurt 2010
Quelle:
Vgl. Tourismus NRW e.V. (Hrsg.)(2009): Übernachtungszahlen aller
Gäste in den einzelnen Regionen von 1999-2009. / Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (o.J): Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben nach
Bundesländern. / Statistisches Bundesamt (Hrsg.)(2006): Tourismus in
Deutschland 2005: Ankünfte und Übernachtungen nehmen zu - Ergebnisse der Monatserhebung im Tourismus, Wiesbaden. / Regionalverband
Ruhr (Hrsg.)(2010): CD-Rom: Zahlenspiegel Metropoleruhr, Essen.
Die regionalen Übernachtungszahlen waren im Zeitraum von 1999 bis 2006 zwar
leicht angestiegen, jedoch bleibt fraglich inwieweit dieser Trend auf einen
verstärkten Kultur- und Städtetourismus zurück zu führen ist. „Das Ruhrgebiet war
schon seit eh und je beliebte Destination für Messen, Kongresse und Tagungen.“344
Insofern haben die Geschäftsreisenden schon jeher einen hohen Anteil an den
Übernachtungsgästen in der Region ausgemacht. Einschätzungen zufolge machte
der Geschäftsreiseverkehr durchschnittlich 80% aller Übernachtungsgäste im
Ruhrgebiet aus und war zudem stark konjunkturell beeinflusst. Je nachdem welche
343 Vgl. Tourismus NRW e.V. (Hrsg.)(2009): Übernachtungszahlen aller Gäste in den einzelnen
Regionen von 1999–2009, Online–Dokument. / Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (o.J):
Übernachtungen in Beherbergungsbetrieben nach Bundesländern, Online–Dokument. /
Statistisches Bundesamt (Hrsg.)(2006): Tourismus in Deutschland 2005: Ankünfte und
Übernachtungen nehmen zu – Ergebnisse der Monatserhebung im Tourismus, Wiesbaden,
Online–Dokument.
344 Expertengespräch RUHR.2010 GmbH.
105
Messen und Tagungen in der Region stattfanden, änderte sich die Anzahl der
Geschäftsreisenden in die Region.345 Der hohe Anteil an Geschäftsreisenden
spiegelte sich zudem in den Öffnungszeiten und Auslastungen der Beherbergungsbetriebe wieder. Viele Hotels und Pensionen hatten am Wochenende geschlossen
oder hielten „einen Schmalspurbetrieb.“346 Insofern ist die leichte Zunahme an
Touristen im Zeitraum bis 2006 sowohl auf den Geschäftstourismus als auch auf
den europaweiten Trend des steigenden Städtetourismus zurück zu führen.
Es wird deutlich, dass das Außenimage des Ruhrgebiets bis zum Jahr 2006 stark
von den industriellen Klischees der Vergangenheit bestimmt wurde. Der Wandel von
der Industrieregion zur industriekulturellen Region wurde bis dato von außen kaum
wahrgenommen. Insofern stand die Entwicklung des Ruhrgebiets als Tourismusdestination für Kultur- und Städtetouristen zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch ganz
am Anfang. Es galt die kulturellen Potenziale der Region weiter zu fördern. Die
industriekulturelle Landschaft musste nach außen vermarktet und für den Tourismus
weiter erschlossen werden. Die gegenseitig verstärkenden Effekte zwischen einem
verbesserten Außenimages und eines hohen Tourismusaufkommens galt es zu
nutzen und zu stärken.
5.2 Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“
Das Ruhrgebiet erhielt, stellvertretend durch die Stadt Essen, die Auszeichnung zur
Kulturhauptstadt Europas 2010. Mit dem Titel „RUHR 2010, Essen für das
Ruhrgebiet“ war diese neben der Kulturhauptstadt aus dem Jahr 2007 (Luxemburg
und Großregion) die zweite Kulturhauptstadt überhaupt, die auf regionaler
Zusammenarbeit aufbaute. Während die Kulturhauptstadt Luxemburg in der
Kooperation mit der Großregion auf transnationale Zusammenarbeit fokussiert war,
verfolgte die Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ einen sehr
viel stärkeren innerregionalen Kooperationsansatz. Insofern wurde die Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ häufig als erste Kulturhauptstadt im
Sinne einer „Kulturhauptregion“ bezeichnet.
5.2.1 Vorbereitungsphase
Der Ernennung zur Kulturhauptstadt Europas 2010 „RUHR 2010, Essen für das
Ruhrgebiet“ ging eine mehrjährige Vorbereitungs- und Bewerbungsphase voraus.
Ausgehend von dem Jahr 2001 war die Bewerbung zur Kulturhauptstadt und die
Durchführung des Kulturhauptstadtjahres ein kontinuierlicher Prozess, der von den
regionalen Akteuren des Ruhrgebiets geleitet wurde.
5.2.1.1
Rechtliche Grundlagen
Der europäische Beschluss von 2005 zur Anpassung der Gemeinschaftsaktion
Kulturhauptstadt Europas an die europäische Osterweiterung legte fest, dass im
Jahr 2010 Deutschland und Ungarn als Gastgeberländer der Kulturhauptstädte
Europas fungieren durften. Der „Beschluss über die Einrichtung einer Gemeinschaftsaktion zur Förderung der Veranstaltung Kulturhauptstadt Europas für die
Jahre 2005 bis 2019“ aus dem Jahr 1999 galt als rechtliche Grundlage zur
Ausgestaltung dieses Kulturhauptstadtjahres im Ruhrgebiet (und in Pécs).
345 Vgl. Expertengespräch mit Ruhr Tourismus GmbH.
346 Ebenda.
106
Zusätzlich galten für die Kulturhauptstädte Europas 2010 erstmals die Übergangsbestimmungen des zurzeit aktuellen „Beschlusses über die Einrichtung einer
Gemeinschaftsaktion zur Förderung der Veranstaltung Kulturhauptstadt Europas für
die Jahre 2007 bis 2019“ aus dem Jahr 2006. Aufgrund dessen wurde bei den
Kulturhauptstädten 2010 erstmals eine Überwachungs- und Beratungsjury zur
Begleitung der Vorbereitungen bis zum Kulturhauptstadtjahr eingesetzt. Des
Weiteren wurde diesen beiden Kulturhauptstädten erstmals die Auszeichnung zu
Ehren von Melina Mercouri (Initiatorin zur Idee der Kulturhauptstadt Europas) im
Vorfeld des Kulturhauptstadtjahres verliehen.347 In den weiteren Angelegenheiten
galten die Bestimmungen des europäischen Beschlusses aus dem Jahr 1999.
Bedeutend für die Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ war
insbesondere der Artikel fünf des Beschlusses 1419/1999/EG. Dieser legte
ausdrücklich folgendes fest: „Die Städte können beschließen, die sie umgebende
Region in ihr Programm mit einzubeziehen.“348 Zusätzlich zu den europäischen
Beschlüssen hat jedes Gastgeberland eigene Beschlüsse zum nationalen
Auswahlverfahren festgelegt. In Deutschland basiert dieses Verfahren auf
Vereinbarungen, die zwischen dem Bundesrat, der Kulturministerkonferenz und
dem Auswärtigen Amt festgesetzt wurden. Diese sind im Beschluss des „Ständigen
Beirats des Bundesrates vom 08. Dezember 1999“ festgelegt.349
5.2.1.2
Bewerbungsverfahren
Das Bewerbungsverfahren des Ruhrgebiets zur Kulturhauptstadt 2010 ist in vier
Phasen einzuteilen. Zu Beginn des Prozesses fand die „interne Sondierungsphase“
statt. Im Januar 2001 entwickelten die Kulturdezernenten der Städte Bochum,
Duisburg, Essen, Gelsenkirchen und Oberhausen die Idee, sich um den Titel
Kulturhauptstadt Europas zu bewerben. Fünf Monate später wurde auf der
Kulturdezernentenkonferenz des Regionalverbandes Ruhr (ehemals Kommunalverband Ruhrgebiet) der Vorschlag für eine gemeinsame Bewerbung formuliert und ein
Vorbereitungskreis eingesetzt. Dieser erarbeitete ein Grundsatzpapier zur
Bewerbung, das im August 2001 verabschiedet wurde. Obwohl innerhalb der
Region Städte wie Essen und Bochum als treibende Kräfte, Städten wie Dortmund
und Duisburg als zweifelnde Akteure gegenüberstanden, wurde eine gemeinsame
Bewerbung der Region von Anfang an propagiert. Im Oktober 2002 wurde beim
Regionalverband Ruhr das Bewerberbüro, mit dem Auftrag mögliche Schwerpunkte
einer Bewerbung zu erarbeiten, eingerichtet. Basierend auf einer durch die
Westdeutsche Allgemeine Zeitung durchgeführte Telefonumfrage (rund 73.000
Anrufe) entschied die Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr im
Februar 2004, dass Essen Bannerstadt der Kulturhauptstadtbewerbung werden
sollte.
347 Vgl. Europäische Union (2006): Beschluss Nr. 1622/2006/EG Des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 24. Oktober 2006 über die Einrichtung einer Gemeinschaftsaktion zur
Förderung der Veranstaltung „Kulturhauptstadt Europas“ für die Jahre 2007 bis 2019,
Luxemburg.
348 Europäische Union (1999): Beschluss Nr. 1419/1999/EG Des Europäischen Parlaments und
des Europäischen Rates vom 25. Mai 1999 über die Einrichtung eine Gemeinschaftsaktion zur
Förderung der Veranstaltung „Kulturhauptstadt Europas“ für die Jahre 2005 bis 2019,
Luxemburg, S.3.
349 Vgl. Auswärtigen Amt (Hrsg.)(2008): Europäische Kulturhauptstadt, Berlin, Online–Dokument:
http://www.auswaertiges–
amt.de/DE/Aussenpolitik/KulturDialog/ZieleUndPartner/EuropKulturhauptstadt_node.html,
Stand, 24. Januar 2011.
107
Als zweite Phase folgte die „Landesausscheidung“. „RUHR 2010, Essen für das
Ruhrgebiet“ stand in Konkurrenz zu den Mitbewerber-Städten Köln und Münster des
Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Im Mai 2004 entschied eine vom Landeskulturministerium eingesetzt Jury zugunsten von „RUHR 2010, Essen für das
Ruhrgebiet“. Wurde die Bewerbung des Ruhrgebiets bis dahin von vielen Akteuren
belächelt, konnten die Bewerber mit der Landesentscheidung einen ersten Erfolg
feiern. „Wir haben es geschafft eine Stadt wie Köln aus dem Rennen zu werfen. Da
hat niemand hier in Nordrhein-Westfalen dran geglaubt. Die Bewerbung zur
Kulturhautstadt ist doch sehr belächelt worden: lass die mal machen. Auch die die
es nachher auf Landesebene zu entscheiden hatten dachten: naja gut das
Ruhrgebiet. Aber wir waren besser.“350
Die „Nationale Ausscheidung“ folgte als dritte Phase des Bewerbungsprozesses.
Deutschlandweit konkurrierte „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ mit neun
weiteren Mitbewerber-Städten (Bremen, Braunschweig, Görlitz, Halle/Saale,
Karlsruhe, Kassel, Lübeck, Potsdam, Regensburg). Im Juli 2004 reichten die
Bewerberstädte ihre Bewerberschriften beim Auswärtigen Amt ein. Im Auftrag des
Bundesrates und der Kultusministerkonferenz wurde eine Expertenjury mit der
Bewertung dieser Bewerbungen beauftragt. Im April 2005 verkündete die Jury ihre
Ergebnisse. Sie empfahl „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ und Görlitz mit
seiner polnischen Partnerstadt Zogerzelec, den Organen der Europäischen Union
vorzuschlagen. Begründet wurde die Auswahl des Ruhrgebiets unter anderem
damit, dass die Region „exemplarisch für die enormen Probleme des Strukturwandels sowie deren Lösungen“351 stehe. „Die Bewerbung Essens thematisiert diesen
Umbruch, der die Entwicklung vieler Städte, auch in den neuen Mitgliedsländern der
Europäischen Union beherrschen wird, und ist infolgedessen von grenzüberschreitender Relevanz.“352 Dabei kam bereits bei der Bewerbung den durch die IBA
Emscher Park entwickelten Industriedenkmälern ein wichtiger Anschauungseffekt
zu. „Wir haben es bei allen Jurys die damals da waren erlebt, die Art und Weise wie
wir diesen Wandel gestalten und aus Zollverein inzwischen ein Weltkulturerbe
gemacht haben, wie aus der Jahrhunderthalle ein Festivalhaus mit einem industrienaturellen Park entstanden ist, wie in Duisburg mit der gewaltigen Kraftzentrale
gewissermaßen neue Bespielungsinhalte entwickelt worden sind, das hat die immer
sehr beeindruckt.“353 Der Empfehlung der Jury folgend teilte das Auswertige Amt
dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission schließlich
„RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ und Görlitz als Bewerberstädte für das
Kulturhauptstadtjahr 2010 mit.
Zuletzt folgte die „Europäische Ausscheidung“ des Bewerbungsprozesses. Im
Januar 2006 wurde den europäischen Gremien die überarbeitete Bewerbungsschrift
„RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ übergeben und im März 2006 der
siebenköpfigen Jury in Brüssel das Konzept präsentiert. Daraufhin fiel im April 2006
die Entscheidung der Jury. „Nach einer umfassenden Debatte, welche auch die
Ziele und Kriterien der Kulturhauptstadt-Idee einschlossen, erzielte die Jury den
350 Expertengespräch beim Regionalverband Ruhr (a).
351 Betz, Gregor (2008): Von der Idee zum Titelträger – Regionale Kooperationsprozesse des
Ruhrgebiets bei der Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas 2010, in: Mittag Jürgen (Hrsg.):
Die Idee der Kulturhauptstadt Europas Anfänge, Ausgestaltung und Auswirkungen der
Europäischen Kulturhauptstadt, Essen, S.196.
352 Zit. in: Ebenda, S. 196.
353 Expertengespräch beim Regionalverband Ruhr (b).
108
Konsens, Essen aufgrund des innovativen und herausragenden Charakters und der
Wichtigkeit des Projekts, das es 2010 und darüber hinaus verwirklichen will, für den
Titel zu nominieren“354. Der Empfehlung der Jury folgend, ernannte der Europäische
Kulturministerrat im November 2006 „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ als
Kulturhauptstadt Europas. Damit standen „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“,
Pécs und Istanbul als Kulturhauptstädte Europas 2010 fest.355 Als Erfolgskriterien
der Nominierung des Ruhrgebiets zur Kulturhauptstadt wurden drei Aspekte
angeführt. „Wir haben durch drei Dinge gewonnen. Zum ersten waren wir sehr
fleißig und es war gut gemacht, keine Frage. Das zweite war, dass wir die IBA
hatten. Wir konnten die Standorte zeigen wo dieser Wandel sich vollzieht. […] Und
das dritte war die Ruhrtriennale. Natürlich hatten auch schon Mitglieder der Jury,
Auftritte der Ruhrtriennale gesehen. [Daher wusste sie] wie spektakulär Kultur in
den Industriebauten wirkt.“356
5.2.2 Konzeption „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet
Kulturhauptstadt Europas 2010“
Die „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ war eine Gemeinschaftsaufgabe der
53 Kommunen des Ruhrgebiets. Die regionale Ausrichtung der Kulturhauptstadt
wurde von der europäischen Jury als bedeutend hervorgehoben. „The main
challenge […] lays with regenerating through culture an industrial region of 53
municipalities with 5.3 million inhabitants and 140 nationalities and transforming it
into a new living metropolis.“357 Die regionale Ausrichtung war somit eine große
Herausforderung hinsichtlich der organisatorischen und inhaltlichen Ausgestaltung
der Kulturhauptstadt 2010. Eine komplexe Akteursstruktur und die Ansprüche der
verschiedenen Kooperationspartner galt es, sowohl organisatorisch als auch
inhaltlich effektiv zusammen zu bringen.358
5.2.2.1
Organisatorische Ausgestaltung
Die RUHR.2010 Kulturhauptstadt Europas GmbH „Essen für das Ruhrgebiet“
(RUHR.2010) wurde im Dezember 2006 als zentrale Trägerstruktur zur
Vorbereitung und Durchführung der Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das
Ruhrgebiet“ gegründet. Als wesentliche Zielsetzung oblag der RUHR.2010 „die
Realisierung des Kulturhauptstadtprogramms einschließlich der damit verbundenen
Marketing- und Tourismusaktivitäten, die Entwicklung von nachhaltig wirkenden
Strukturen für die Kulturmetropole Ruhr und der effektive Einsatz der bereitgestellten, sowie weiter zu akquirierender Finanzmittel.“359
Als Gesellschafter der RUHR.2010 fungierten die Stadt Essen, der Regionalverband
Ruhr, das Bundesland Nordrhein-Westfalen und der Initiativkreis Ruhr. Diese waren
in der Gesellschaftsversammlung sowie dem Aufsichtsrat der RUHR.2010 vertreten.
Darüber hinaus war der RUHR.2010 ein Kuratorium angeschlossen. Die Mitglieder,
354
355
356
357
Zit. in: Betz, Gregor (2008): a.a.O., S. 197f.
Vgl. Ebenda.
Expertengespräch beim Regionalverband Ruhr (b).
Selection Panel for the European Capital of Culture (ECOC) 2010 (2006): Report of the
Selection Meeting for the European Capitals of Culture 2010, Online–Dokument:
http://ec.europa.eu/culture/pdf/doc674_en.pdf, S.13.
358 Vgl. Pachaly, Christina, (2008): Kulturhauptstadt Europas Ruhr 2010 – Ein Festival als
Instrument der Stadtentwicklung, Graue Reihe des Instituts für Stadt– und Regionalplanung
Technische Universität Berlin Heft 12, Berlin.
359 RUHR.2010 GmbH (Hrsg.)(2008): Gesellschaftsprofil der „RUHR.2010 GmbH“, S.1.
109
herausragende Persönlichkeiten aus Politik, Kunst und Wissenschaft, berieten die
RUHR.2010 insbesondere hinsichtlich künstlerischer und europäischer Aspekte. Die
RUHR.2010 wurde von einem Geschäftsführerteam geleitet. Der ehemalige
Intendant des Westdeutschen Rundfunks Fritz Pleitgen fungierte als Vorsitzender
der Geschäftsführung und der Essener Kulturdezernent Oliver Scheytt als
Geschäftsführer der RUHR.2010. Der Geschäftsführung war wiederum das
eigentliche Team der RUHR.2010 untergeordnet. Vier künstlerische Direktoren
leiteten die Themenfelder, welchen die konkreten Projekte zur kulturellen
Ausgestaltung der Kulturhauptstadt 2010 zugeordnet waren. Das erste Themenfeld
wurde als „Stadt der Möglichkeiten“ benannt. Das zweite Themenfeld umfasste die
Projekte der „Stadt der Künste“. Das dritte Themenfeld wurde als „Stadt der
Kulturen“ benannt und das vierte umfasste die Projekte der „Stadt der Kreativität“.
Neben den Teams der jeweiligen Themenfelder bestanden weitere Teams, die das
Marketing und die Kommunikation der Kulturhauptstadt 2010 leiteten. Darüber
hinaus wurden administrative Aufgaben von weiteren Mitarbeitern der RUHR.2010
wahrgenommen.360 Die Abb. 23 veranschaulicht den Aufbau der RUHR.2010.
Abb. 23 Aufbau der RUHR.2010 GmbH „RUHR 2010, Essen für das
Ruhrgebiet“
Kuratorium
Administration
Stadt der
Kreativität
Geschäftsführer
Gesellschafter
Künstlerische Leitung
Stadt der
Kulturen
Stadt der
Künste
Marketing und
Kommunikation
Stadt der
Möglichkeiten
Entwurf:
Eigene Darstellung, Frankfurt 2010
Quelle:
Pachaly, Christina (2008): Kulturhauptstadt Europas Ruhr 2010 - Ein
Festival als Instrument der Stadtentwicklung, Graue Reihe des Instituts
für Stadt- und Regionalplanung Technische Universität Berlin Heft 12,
Berlin, S.55.
Die RUHR.2010 war eng mit verschiedenen Institutionen und Akteuren der Region
vernetzt. Insbesondere die Einbindung der 53 Kommunen des Ruhrgebiets stellte
360 Vgl. Ebenda.
110
eine organisatorische Herausforderung dar. Essen als Bannerstadt war das ganze
Jahr über Kulturhauptstadt und direkt als Gesellschafter in der RUHR.2010 GmbH
vertreten. Die weiteren Städte des Ruhrgebiets waren indirekt durch den
Regionalverband Ruhr in der RUHR.2010 GmbH vertreten und fungierten reihum
als Kulturhauptstädte. Mit dem Programm „Local Hereos“ war jede Stadt des
Ruhrgebiets für jeweils eine Woche Mittelpunkt der Kulturhauptstadt 2010. „Die
Städte gestalten das Programm ihrer Local Heroes-Woche eigenverantwortlich, sie
präsentieren zwischen lokaler Heimat, metropolitaner Herausforderung und
europäischer Dimension die eigene kulturelle Visitenkarte.“361 Darüber hinaus
ernannte jede Stadt einen Kulturhauptstadtbeauftragten, der als Verbindungsglied
zur RUHR.2010 GmbH fungierte.362
Das Kulturhauptstadtbudget wurde von der RUHR.2010 GmbH verwaltet. Das
Budget teilte sich in ein Basisbudget und ein Ausbaubudget auf. Das Basisbudget
betrug rund 48 Millionen Euro und wurde von den Gesellschaftern der RUHR.2010
GmbH und den Zuwendungsgebern der Bundesrepublik und der Europäische
Union, finanziert. Der Bund war mit 17 Millionen Euro der stärkste Geldgeber,
gefolgt vom Bundesland und dem Regionalverband Ruhr mit jeweils 12 Millionen
Euro. Die Stadt Essen beteiligte sich mit einem Budget von 6 Millionen Euro und die
Europäische Union mit 1,5 Millionen Euro. Das Ausbaubudget setzte sich unter
anderem aus Sponsorengeldern, Ticketeinnahmen und Merchandising zusammen.
Eine Vielzahl der in der Region angesiedelten Unternehmen unterstützten die
Kulturhauptstadt finanziell. Das Gesamtbudget der Kulturhauptstadt 2010 lag
insgesamt bei 61,5 Mio Euro. Die Finanzierung der Projekte der Kulturhauptstadt
Europas „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ wurde größtenteils von der
RUHR.2010 verwaltet.363 Hinsichtlich der Projektstruktur wurde dazu zwischen
Leitprojekten, Kooperationsprojekten und Infrastrukturprojekten unterschieden. Als
Leitprojekte galten öffentlichkeitswirksame Maßnahmen, welche die Programmatik
der Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ besonders
verdeutlichten. Diese Projekte wurden weitestgehend von der RUHR.2010 in
Kooperation mit den regionalen Projektautoren entwickelt. Die Finanzierung dieser
Projekte erfolgte zum Großteil aus dem Kulturhauptstadtbudget. Kooperationsprojekte wurden in Zusammenarbeit mit regionalen Partnern geplant und realisiert.
Ausgewählt durch die Akteure der RUHR.2010 wurden diese Projekte vom
Kulturhauptstadtbudget mitfinanziert. Infrastrukturprojekte waren solche Projekte die
unter anderem an die Hinterlassenschaften der IBA Emscher Park anknüpften und
den kulturgestützten Wandel weiter führten. Diese Projekte wurden durch die
Kulturhauptstadt dadurch unterstützt, dass der Titel zur Beantragung zusätzlicher
Mittel vom Bund oder der Europäischen Union genutzt werden konnte. Die
infrastrukturellen Investitionen wurden auf eine Höhe von 500 Mio. Euro
geschätzt.364
361
362
363
364
RUHR.2010 GmbH (Hrsg.)(2010): Local Hereos September – Dezember 2010, Essen, S.1.
Vgl. Expertengespräch RUHR.2010 GmbH.
Vgl. RUHR.2010 GmbH (Hrsg.)(2008): a.a.O.
Vgl. Stadt Essen & Regionalverband Ruhr (Hrsg.)(2006): Wandel durch Kultur – Kultur durch
Wandel – Bewerbung „Essen für das Ruhrgebiet – Kulturhauptstadt Europas 2010“ –
Kurzfassung Dezember 2005, Essen, Online–Dokument:
http://www.essen2010.com/Deutsch/Service/Downloads/Bewerbungsschrift_Kurzfassung.pdf,
Stand 24. Januar 2011.
111
5.2.2.2
Inhaltliche Ausgestaltung
Die inhaltliche Ausrichtung der Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das
Ruhrgebiet“ wird in der Bewerbungsschrift deutlich. „Das Ruhrgebiet ist
aufgebrochen, Kulturmetropole zu werden; aber der Weg dahin ist noch weit. Das
ehemalige industrielle Herz Europas steht vor großen Herausforderungen. Wir
haben viele Arbeitslose und müssen neue Strukturen aufbauen - mit neuen Ideen
und dem Willen und der Bereitschaft zum Wandel.“365 Das Ruhrgebiet steht einem
Paradigmenwechsel gegenüber „von einer Industriegesellschaft in der die Kultur der
Erholung von der Arbeit diente, zu einer Gesellschaft der Kreateure und Gründer,
die Kultur als Motor des Wandels verstehen.“366 Die Kulturhauptstadt Europas sollte
als Motor und Katalysator zugleich zur strukturellen Erneuerung des Ruhrgebiets
beitragen und die Transformation der montangeprägten Region zur neuen
Metropole Ruhr mittels Kunst und Kultur, unterstützen. Über das Jahr 2010 hinaus
sollte die so neu entstehende Kulturmetropole Ruhr Modellcharakter für
europäische Regionen mit ähnlichen Herausforderungen entwickeln. Aufbauend auf
diesen Zielsetzungen lautete das Motto der Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen
für das Ruhrgebiet“ „Wandel durch Kultur - Kultur durch Wandel“, welches auf dem
regionalen Leitbild „Metropole im Werden“ aufbaute.367
Die Ausgestaltung des Mottos „Wandel durch Kultur - Kultur durch Wandel“ basierte
auf einem weit gefassten Kulturbegriff. Mit dem Kulturhauptstadtprogramm sollte
nicht nur das traditionell bürgerliche Publikum angesprochen werden, sondern auch
solche Menschen, die bisher kaum interessiert an kulturellen Ereignissen waren.
Mittels leicht zugänglichen und verständlichen Informationen, barrierefreien
Zugängen zu Veranstaltungsorten und sozialen Rabattierungssystemen sollte die
Kulturhauptstadt für möglichst viele und von möglichst vielen gestaltet werden. In
diesem Sinn wurde Kultur nicht nur vom klassischen Künstler im Sinne des Malers,
Musikers oder Dichters produziert, sondern fand sich in vielen Sparten des
Alltagslebens wieder und wurde zudem durch die Industriekultur erweitert. Dieses
Verständnis des Kulturbegriffs wurde auf die Ausgestaltung der Kulturhauptstadt
konsequent übertragen. Seit Beginn des Bewerbungsprozesses wurden in einem
zentralen Projektpool Ideen und Projektvorschläge von Kommunen, Initiativen,
Institutionen und Künstlern zur Ausgestaltung des Kulturhauptstadtjahres
gesammelt.368 Insgesamt kamen rund 2.200 Projektvorschläge zusammen die von
den Akteuren der RUHR.2010 gesichtet und ausgewertet wurden. Die Auswahl der
Projekte basierte auf vorab von der RUHR.2010 definierten programmatischen
Leitlinien und qualitativen Kriterien. Im dialogischen Verfahren wurden die
geeigneten Projektideen von der RUHR.2010 und den Projektautoren gemeinsam
qualifiziert und weiter entwickelt.369 Schließlich wurden 300 Projekte mit rund 2.500
365
366
367
368
Ebenda, S. 16.
Ebenda, S.14.
Vgl. Ebenda.
Vgl. Beier, Nikolaj & Scheytt, Oliver (2010): Begreifen, Gestalten, Bewegen – Die
Kulturhauptstadt Europas Ruhr.2010 – Die Kulturhauptstadt–Bewerbung von Essen und der
Effekt auf die gesamte Region, in: Volke Kristina (Hrsg.): Intervention Kultur – Von der Kraft
kulturellen Handelns, Wiesbaden, S.43–62.
369 Vgl. Kulturhauptstadtbüro Ruhr 2010(2006): Ruhr2010 Kulturhauptstadt Europas – Mitmachen
Entwickeln Gestalten – Info für Projektautoren.
112
Veranstaltungen im Rahmen der Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das
Ruhrgebiet“ umgesetzt.370
Die Programmatik des Mottos „Wandel durch Kultur - Kultur durch Wandel“ basierte,
ebenso wie die einzelnen Kulturhauptstadtprojekte, von Beginn an auf einer stetigen
Weiterentwicklung. Die drei Grundelemente der Programmatik waren der „Mythos
Ruhr“, die „Metropole Ruhr“ und „Europa“. Diese galt es mittels Kunst und Kultur
begreifbar zu machen, zu gestalten und zu bewegen. „Ausgehend vom Mythos Ruhr
nimmt eine neue Metropole Gestalt an, die Europa mit Kunst und Kultur in
Bewegung bringt.“371 Um diesen Wandel erlebbar zu machen, galt es Bilder zu
entdecken, Theater zu wagen, Musik zu leben, Sprache zu erfahren, Kreativwirtschaft zu stärkten und Feste zu feiern. Insgesamt basierte die Programmatik der
Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ auf neun Programmfeldern.372
Mythos Ruhr – begreifen: Die historischen Zusammenhänge und das kulturelle
Erbe der Region wurden in diesem Programmfeld dargestellt. Der Mythos von
Kohle und Stahl, harter Arbeit und Solidarität, Fußball und Sport, sowie dem
Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen und Religionen wurde in verschiedenen Projekten thematisiert. Im Projekt „Schachtzeichen“ wurden für neun Tage
und Nächte rund 350 gelbe Heliumballons über den ehemaligen Fördertürmen
und Schachtanlagen der Region in einer Höhe von 80 Metern installiert. An
jedem Ballon Standort, dieser groß angelegte Rauminstallation, wurde die
Geschichte der jeweiligen Zeche durch lokale Akteure und Zeitzeugen präsentiert.373
Metropole – gestalten: Die gemeinsame Vision der Metropole Ruhr sollte in
diesem Programmfeld durch baukulturelle und künstlerische Arbeiten umgesetzt
werden. An ausgewählten Spielorten der urbanen Kulturlandschaft des
Ruhrgebiets wurden durch die Verbindung der bildenden Kunst mit Stadtplanung,
Landschaftsgestaltung und Architektur visionäre Bilder und innovative Impulse für
den Wandel der Region erzeugt. Das Projekt „Landmarke Angerpark“ wurde im
Duisburger Süden auf der Heinricht-Hildebrand-Höhe der Halde Angerpark
umgesetzt. Die Großskulptur „Tiger & Turtel - Magic Mountain“, formähnlich einer
aus Stahl und Zink erbauten Achterbahn, wurde dort als begehbare Landmarke
im Jahr 2010 installiert. Die Fertigstellung ist jedoch erst für das Jahr 2011
geplant. 374
Bilder – entdecken: Die Darstellung der historischen, gegenwärtigen und
zukünftigen Metropole Ruhr war Gegenstand dieses Programmfeldes. Die
Wahrnehmung des Ruhrgebiets sollte durch Ausstellungen und Installationen
verändert werden. Im Projekt „Mapping the Region“ arbeiteten die 20 „RuhrKunstMuseen“ zusammen. Zusammengesetzt aus mehrteiligen Ausstellungen
zielte das Projekt darauf ab den Wandel der Region zu dokumentieren und die
370 Vgl. Beier, Nikolaj & Scheytt, Oliver (2010): a.a.O.
371 RUHR.2010 GmbH „Essen für das Ruhrgebiet“ (Hrsg.)(o.J.)a: Programm, Essen, Online–
Dokument: http://www.essen–fuer–das–ruhrgebiet.ruhr2010.de/programm.html, Stand 24.
Januar 2011.
372 Vgl. Beier, Nikolaj & Scheytt, Oliver (2010): a.a.O., S.43–62.
373 Vgl. RUHR.2010 GmbH „Essen für das Ruhrgebiet“ (Hrsg.)(o.J.)b: Mythos Ruhr begreifen,
Essen, Online Dokument: http://www.essen–fuer–das–
ruhrgebiet.ruhr2010.de/programm/mythos–ruhr–begreifen/die–idee.html, Stand 24. Januar
2011.
374 Vgl. RUHR.2010 GmbH „Essen für das Ruhrgebiet“ (Hrsg.)(o.J.)c: Metropole gestalten, Essen,
Online Dokument: http://www.essen–fuer–das–ruhrgebiet.ruhr2010.de/programm/metropole–
gestalten/die–idee.html, Stand 24. Januar 2011.
113
vielfältigen Beziehungen zwischen Geschichte und Identität des Ruhrgebiets
aufzuzeigen.375
Theater – wagen: Gemeinsam mit den Festivals, Theatern, Produktionshäusern
und Akademien der Region wurden in diesem Programmfeld innovative Projekte
darstellender Künste mit Bezug auf die Transformationsgesellschaft entwickelt.
Das Projekt „Next Generation“ wurde von Jugendlichen aus der Region
entwickelt. In Zusammenarbeit mit Filmemachern, Musikern, Theatermachern
und Wissenschaftlern gingen Jugendliche aus dem gesamten Ruhrgebiet der
Frage nach, wie sie in Zukunft leben wollen. Ihre Ideen präsentierten sie auf der
Bühne des Schauspielhauses in Bochum.376
Musik – leben: Die Akteure der regionalen Musiklandschaft hatten sich im
Rahmen dieses Programmfeldes zusammengeschlossen um gemeinsame
Projekte umzusetzen. An dem Projekt „DAY OF SONG“ beteiligten sich alle
Chorverbände der Region, die Opern und Konzerthäuser, die regionalen
Musikschulen, das Chorwerk Ruhr und die Universitäten des Ruhrgebiets. Die
über 24.000 Sänger verwandelten die „Metropole Ruhr“ am 5. Juni in die
„Metropole Chor“. An unterschiedlichsten Orten, zu verschiedensten Anlässen
fanden Konzerte und Gesänge im Ruhrgebiet statt. Um 12.10 Uhr wurde von
allen Sängern an allen Orten des Ruhrgebiets das gleiche Lied gesungen.377
Sprache – erfahren: In diesem Programmfeld standen die 5,3 Millionen
Einwohner des Ruhrgebiets, aus 140 Nationen und mit ihren rund 90 aktiv
gesprochenen Sprachen im Mittelpunkt. In unterschiedlichsten Formen der
Literatur sollten die Sprachen von den Besuchern erfahrbar gemacht werden.
Das Projekt „SLAM2010“ beschäftigte sich mit der Kunst des Dichtens. Vom 10.
bis zum 13. November 2010 wurde die erste deutschsprachige Poetry SlamMeisterschaft, im Sinne eines modernen Dichterstreits, mit über 150 Poetinnen
und Poeten aus mehr als 80 Städten im Ruhrgebiet veranstaltet.378
Kreativwirtschaft – stärken: Mit nachhaltigen und strukturfördernden Projekten
wurde die Kreativwirtschaft im Ruhrgebiet im Rahmen dieses Programmfelds
gestärkt. Im Rahmen des Projekts „Kreativ.Quartiere“ arbeiteten die Verwaltungen mit den Akteuren der lokalen Kreativwirtschaft zusammen, um gemeinsam
urbane Areale zu definieren die für Kreative anziehend sind. Ohne langwierige
Bürokratie wurden Leerstände erschlossen und für Künstler und Kreative
zugänglich gemacht. Im Internet wurden diese neuen Areale im offenen Dialog
kommuniziert und diskutiert.379
Feste – feiern: Bürgern des Ruhrgebiets und Besuchern der Kulturhauptstadt
sollte in diesem Programmfeld ein kollektives Bewusstsein vermittelt werden.
375 Vgl. RUHR.2010 GmbH „Essen für das Ruhrgebiet“ (Hrsg.)(o.J.)d: Bilder entdecken, Essen,
Online Dokument: http://www.essen–fuer–das–ruhrgebiet.ruhr2010.de/programm/bilder–
entdecken/die–idee.html, Stand 24. Januar 2011.
376 Vgl. RUHR.2010 GmbH „Essen für das Ruhrgebiet“ (Hrsg.)(o.J.)e: Theater wagen, Essen,
Online Dokument: http://www.essen–fuer–das–ruhrgebiet.ruhr2010.de/programm/theater–
wagen/die–idee.html, Stand 24. Januar 2011.
377 Vgl. RUHR.2010 GmbH „Essen für das Ruhrgebiet“ (Hrsg.)(o.J.)f: Musik leben, Essen, Online
Dokument: http://www.essen–fuer–das–ruhrgebiet.ruhr2010.de/programm/musik–leben/die–
idee.html, Stand 24. Januar 2011.
378 Vgl. RUHR.2010 GmbH „Essen für das Ruhrgebiet“ (Hrsg.)(o.J.)g: Sprache erfahren, Essen,
Online Dokument: http://www.essen–fuer–das–ruhrgebiet.ruhr2010.de/programm/sprache–
erfahren/die–idee.html, Stand 24. Januar 2011.
379 Vgl. RUHR.2010 GmbH „Essen für das Ruhrgebiet“ (Hrsg.)(o.J.)h: Kreativwirtschaft stärken,
Essen, Online Dokument: http://www.essen–fuer–das–
ruhrgebiet.ruhr2010.de/programm/kreativwirtschaft–staerken/die–idee.html, Stand 24. Januar
2011.
114
Verschiedenste Feste und Events wurden zu unterschiedlichsten Anlässen
durchgeführt. Das Projekt „Still-Leben Ruhrschnellweg“ brachte am 18. Juli rund
3 Millionen Menschen zusammen. Die Autobahn A40/B1 wurde zwischen
Dortmund und Duisburg für den Kraftverkehr gesperrt zur Bühne einer Alltagskultur, die von unterschiedlichsten Akteuren an einer 60 Kilometer langen Tafel
präsentiert und gelebt wurde.380
Europa – bewegen: Das Ruhrgebiet als Kulturhauptstadt Europas hatte ein
starkes europäisches Leitmotiv, welches sich durch alle Bereiche der Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ zog. Darüber hinaus wurde
in diesem Programmfeld insbesondere die Migration und Identität in Kombination
mit Kultur und Bildung untersucht. Im Projekt „MELEZ.FESTIVAL“ ging es um die
kulturelle Vielfalt des Ruhrgebiets. MELEZ, übersetzt Mischling, war ein Festival,
welches im Jahr 2010 in einem Zug stattfand. Der Zug fuhr quer durchs
Ruhrgebiet und wurde mittels Tanz, Musik und Ausstellungen zu einem „Atelier,
Labor, Studio und zur Plattform für hochkarätige, spannende und innovative
regionale und internationale Kreativität.“381 382
Die Programmfelder der Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“
verdeutlichen das breite Kulturverständnis, welches der Kulturhauptstadt Europas
2010 zugrunde lag. Blockbuster Events, experimentelle Installationen und
klassische Kunstausstellungen wurden im Rahmen des Programms veranstaltet und
sprachen unterschiedliche Zielgruppen an. Mit dem Motto „Wandel durch Kultur Kultur durch Wandel“ wurde zudem ein individuell auf die Region zugeschnittenes
Programm erstellt. Der Wandel von der Industrieregion zur neuen Metropole Ruhr
stand im Fokus aller Programmfelder und wurde aus unterschiedlichsten
Perspektiven thematisiert. Der Industriekultur kam dabei eine bedeutende Rolle zu.
Insgesamt wurde die Kulturhauptstadt als Fortführung der IBA Emscher Park
bewertet. In Fortführung der Programmatik der IBA Emscher Park hat die
Kulturhauptstadt die Entwicklung zur Kulturmetropole weiter geführt.
5.3 Auswirkungen der Kulturhauptstadt RUHR 2010 auf die Altindustrieregion Ruhrgebiet
Bereits im Vorfeld des Kulturhauptstadtjahres, in dem Zeitraum von 2006 bis 2009,
wurden im Rahmen des Kulturhauptstadtprogramms Projekte initiiert, vorbereitet
und umgesetzt. Die Mehrzahl der Projekte fand im Kulturhauptstadtjahr selbst statt,
wobei wiederum einige Projekte erst nach dem Jahr 2010 beendet bzw.
weitergeführt wurden. Demnach ist die Kulturhauptstadt nicht auf das Jahr 2010 zu
reduzieren, sondern als ein regionaler Prozess andauernd über mehrere Jahre zu
sehen. Als Evaluierungszeitraum der Auswirkungen der Kulturhauptstadt „RUHR
2010, Essen für das Ruhrgebiet“ auf die Region wird der Zeitraum von Anfang 2006
bis Ende 2010 festgelegt. Es sollen die Veränderungen untersuchte werden, welche
sich seit der Ernennung zur Kulturhauptstadt bis zur Beendigung des offiziellen
380 Vgl. RUHR.2010 GmbH „Essen für das Ruhrgebiet“ (Hrsg.)(o.J.)i: Feste feiern, Essen, Online
Dokument: http://www.essen–fuer–das–ruhrgebiet.ruhr2010.de/programm/feste–feiern/die–
idee.html, Stand 24. Januar 2011.
381 RUHR.2010 GmbH „Essen für das Ruhrgebiet“ (Hrsg.)(o.J.)j:Melez Festival, Essen, Online
Dokument: http://www.essen–fuer–das–ruhrgebiet.ruhr2010.de/programm/europa–
bewegen/die–idee.html, Stand 24. Januar 2011.
382 Vgl. RUHR.2010 GmbH „Essen für das Ruhrgebiet“ (Hrsg.)(o.J.)k: Europa bewegen, Essen,
Online Dokument: http://www.essen–fuer–das–ruhrgebiet.ruhr2010.de/programm/europa–
bewegen/die–idee.html, Stand 24. Januar 2011.
115
Programms in der Region ereignet haben. Da es sich um eine „On-GoingEvaluation“ handelt, wird die Untersuchung anhand einer Auswertung des
Kulturhauptstadtprogramms und der qualitativen Einschätzungen der regionalen
Experten durchgeführt. Umfangreiche quantitative Auswertungen stehen zu diesem
Zeitpunkt noch nicht zur Verfügung.
5.3.1 Wirtschaftsstruktur und Arbeitsmarkt
Die Herausforderung hinsichtlich der regionalen Wirtschaftsstruktur und des
regionalen Arbeitsmarktes bestanden im Jahr 2006 darin, dass die Umsatzzahlen
der Wirtschaft und die Beschäftigtenanzahl noch immer unter dem bundesdeutschen Durchschnitt lagen. Insbesondere die Arbeitslosenquote und der Anteil der
Langzeitarbeitslosen lagen überdurchschnittlich hoch. Insofern galt es die
wirtschaftliche Entwicklung weiter zu stärken, neue Impulse zu setzten und
zukunftssichere Arbeitsplätze für qualifizierte als auch gering qualifizierte
Arbeitnehmer zu schaffen.
5.3.1.1
Programmfeld „Kreativwirtschaft – stärken“
Im Rahmen der Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ wurde mit
dem Programmfeld „Kreativwirtschaft – stärken“ auf die Förderung der Kultur- und
Kreativwirtschaft in der Region fokussiert. Entsprechend des, dem Kulturhauptstadtprogramm zugrunde liegenden, weiten Kulturbegriffs wurden Selbstständige
und Unternehmer, die mit künstlerischer oder kreativer Arbeit Geld verdienen
ebenso wie Maler, Musiker und Dichter als Künstler definiert. Eingeteilt in die drei
Förderstrategien „Menschen“, „Märkte“ und „Medien“ wurden unterschiedlichste
Projekte zur Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft im Rahmen der
Kulturhauptstadt umgesetzt.
Mit der Förderstrategie „Menschen“ wurden die Akteure und Urheber der regionalen
Kultur- und Kreativwirtschaft unterstützt. „Kreativ.Quartiere“ war ein zentrales
Projekt dieser Förderung. Bereits seit 2008 wurden in zehn Städten der Region
urbane Areale zu „Kreativ.Quartieren“ entwickelt. Basierend auf einer engen
Zusammenarbeit zwischen der jeweiligen Stadtverwaltung, Wirtschaftsförderung
und den Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft wurden die „Kreativ.Quartiere“ in
einem unbürokratischen Prozess zielorientiert anhand der individuellen
Anforderungen der Kreativbranchen entwickelt. Die neuen Standorte entstanden in
ungenutzten Leerständen, häufig auf alten Industriearealen, und sollten neben einer
Belebung städtischer Areale als Zukunftsstandorte der Kreativ- und Kulturwirtschaft
in der Region etabliert werden. Es galt Begabungsträger aus dem Ausland sowie
Hochschulabsolventen aus der Region anzuziehen. So wurde beispielsweis das
Dortmunder U als Kreativ.Quartier ausgebaut. Der U-Turm der ehemaligen
Unionsbrauerei wurde zu einem kreativen Zentrum mit Schwerpunkt auf die
Branchen Musik und Medien ausgebaut. Die Einweihung fand am Finaltag des
Kulturhauptstadtjahres, am 18.12.2010, statt.
Mit der Förderstrategie „Märkte“ wurde die strukturelle Entwicklung von Märkten und
Messen der Kultur- und Kreativwirtschaft im Ruhrgebiet gestärkt. Bereits im Vorlauf
des Kulturhauptstadtjahres wurden regionale Kommissionen für die Akteure der
einzelnen Branchen gegründet. Der Idee nach, sollten die Kreativen einer Branche
in einer Interessensgemeinschaft zusammen kommen, um eigene Förderungen, die
sie nachhaltig und selbst finanzieren, zu entwickeln. Die regionalen Kooperationen
116
sollten die Erschließung neuer Märkte und Kunden befördern. So konnte bspw. die
„Ruhr Music Commission“ die Gründung eines Ruhr Studios des Online-Radios
„ByteFM“ am Standort der ehemaligen Zeche Prinz Regent in Bochum initiiert.
Mit der Förderstrategie „Medien“ wurden insbesondere die digitalen Medien zur
Stärkung des Kultur- und Kreativstandorts Ruhrgebiet genutzt. Ein zentrales Projekt
war das „2010lab“, welches als „sparten- und themenübergreifende Web-TVPlattform, die Kunst, Kultur, Kreativität und deren Akteure multimedial zusammenführt und sichtbar“383 machen sollte. Als virtuelle kreative Stadt richtete sich die
Plattform an alle Bereiche der Kultur- und Kreativwirtschaft, um die Vernetzung
innerhalb und zwischen den einzelnen Branchen zu stärken. Dabei war die
Plattform nicht auf die Mitwirkung der regionalen Akteure begrenzt, sondern
Kreative weltweit konnten Einträge unterschiedlichster Form einstellen und an den
Diskussionen teilnehmen. Die internetbasierte Plattform wird auch nach 2010
bestehen bleiben.384
Die Kultur- und Kreativwirtschaft im Ruhrgebiet hat hinsichtlich des Umsatzes und
der Beschäftigtenzahlen in den Jahren vor der Auszeichnung zur Kulturhauptstadt
ein starkes Wachstum verzeichnet. Durch die Aufnahme der Kultur- und
Kreativwirtschaft in die Programmatik des Kulturhauptstadtprogramms wurde diese
positive Entwicklung weiter gestärkt. Der wichtigste Impuls seitens der Kulturhauptstadt bestand in der regionalen Vernetzung der Akteure der Kultur- und
Kreativwirtschaft im Ruhrgebiet. Denn auch wenn die Einschätzungen zur
Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft hintern denen der etablierten
deutschen Standorte (Hamburg, Berlin oder München) zurückbleiben, gilt die Kulturund Kreativwirtschaft des Ruhrgebiets dennoch als zukunftsfähiges Handlungsfeld,
dessen Potenziale mittels einer regionalen Abstimmung gestärkt werden können.385
Durch die Projekte der Kulturhauptstadt wurden positive Impulse insbesondere
hinsichtlich des räumlichen Angebots und der Vernetzung der kreativen Akteure
erzielt. „Also nur zu sagen ich bin kreativ, reicht nicht für eine Region. Sie brauchen
[…] ein räumliches Angebot wo der Eindruck entsteht hier ist ein kreativer Raum.“386
Im Rahmen des Projekts Kreativ.Quartiere wurden „überall solche Orte aufgespürt
und sehr viel dafür getan, dass sich die Kreativindustrie hier im Ruhrgebiet ansiedelt
und sich wohl fühlt.“387 Zusätzlich wurde die Vernetzung innerhalb der Region
gefördert. „Die Branchenkommissionen die durch die RUHR.2010 ja maßgeblich
initiiert worden sind stehen dafür, dass sich zum Beispiel die Designer und die
Designerinnen [über eine Interessensvertretung] zusammen schließen [und
überlegen], wie können wir unsere Interessen besser vertreten, was können wir
dafür tun, dass Ausschreibungen uns hier auf jeden Fall erreichen. Das sind schon
ganz wichtige Impulse der Kulturhauptstadt, gerade für die Kreativwirtschaft.“388 Als
Kritikpunkt gilt in diesem Zusammenhang die Vergabe der Aufträge durch die
Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“. „Wichtige kreative
Aufträge gingen praktisch komplett am Ruhrgebiet vorbei, die Ruhr.2010 Kampagne
wird bspw. von Hamburg aus durchgeführt. Ruhr.2010 Geschäftsführer Oliver
Scheytt betont diesbezüglich gegenüber dem WDR, dass die Ausschreibung
383
384
385
386
387
388
RUHR.2010 GmbH „Essen für das Ruhrgebiet“ (Hrsg.)(o.J.)h: a.a.O.
Vgl. Ebenda.
Vgl. Expertengespräch bei der Wirtschaftsförderung Metropoleruhr GmbH.
Expertengespräch beim Regionalverband Ruhr (b).
Expertengespräch bei der RUHR.2010 GmbH.
Expertengespräch bei der Wirtschaftsförderung Metropoleruhr GmbH.
117
europaweit gelaufen sei und die Agenturen im Ruhrgebiet zu klein seien, um einen
solchen Auftrag stemmen zu können.“389 Dies belegt, dass die Kultur- und
Kreativwirtschaft des Ruhrgebiets im Vergleich zu großen Kultur- und Kreativwirtschaftsstandorten noch relativ unbedeutend ist. Unterschiedlichen Einschätzungen
zufolge wird die Kultur- und Kreativwirtschaft in der Zukunft des Ruhrgebiets eine
dominierende oder keine dominierende Rolle einnehmen.390 So, oder so bietet sie
auf jeden Fall ein Handlungsfeld zur Stärkung und Diversifizierung des
Wirtschaftsstandorts Ruhrgebiet. Insofern ist die Förderung der Kultur- und
Kreativwirtschaft durch die Kulturhauptstadt als positiv zu bewerten. Eine Resonanz
dieser Förderung zeigte sich bereits dadurch, dass bei Absolventen ein verstärktes
Interesse bestand, sich im Rahmen der Kultur- und Kreativwirtschaft selbständig zu
machen. Neben der Kulturhauptstadt wird dazu jedoch auch der allgemeine Boom
der Kultur- und Kreativwirtschaft beigetragen haben. „Ich könnte mir vorstellen, dass
es so einen Auftrieb durch die europaweite Diskussion auch ohne die Kulturhauptstadt gegeben hätte. Nicht so stark, so kräftig, aber in einem gewissen Umfang
vielleicht schon.“391 Insofern ist die Kausalität zwischen den Projekten der
Kulturhauptstadt und dem verstärkten Interesse junger Absolventen nicht klar
belegt. Dennoch hat der bisher in der Region relativ unpopuläre Wirtschaftssektor
der Kultur- und Kreativwirtschaft durch die Kulturhauptstadt deutlich an
Aufmerksamkeit gewonnen. Insbesondere durch die Vernetzung auf regionaler
Ebene werden nachhaltige Impulse zur Entwicklung der Branchen der Kultur- und
Kreativwirtschaft erwartet.392 Einhergehend mit der Stärkung der einzelnen
Branchen stand die Zielsetzung der Anwerbung kreativer Arbeitnehmer in die
Region. „Alle Metropolen bemühen sich um Begabungsträger, Zukunftsträger. […]
Die Kulturhauptstadt war ein instrumentalisiertes Programm um das herzustellen.“393 Durch die Stärkung der Kultur- und Kreativwirtschaft sollten Begabungsträger für die Region gewonnen werden, um dadurch wiederum den gesamten
Wirtschaftsstandort Ruhrgebiet zu stärken.
5.3.1.2
Weitere Auswirkungen
Neben der expliziten Ausrichtung des Kulturhauptstadtprogramms auf die
Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft ergaben sich im Rahmen der
Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ noch weitere Effekte auf
die Wirtschaft. Direkte Effekte zeigten sich im Bereich des Tourismus und indirekte
Effekte im Bereich des Marketings und des Images.
Im Bereich des Tourismus wurden durch die Kulturhauptstadt erhöhte Tourismuszahlen für die Region generiert. Sowohl die Anzahl der Übernachtungsgäste als
auch die Anzahl der Tagesgäste stiegen im Kulturhauptstadtjahr 2010 merklich an.
Bei den Übernachtungsgästen wurde ein klarer Anstieg zum Vorjahreszeitraum
verzeichnet und auch die Tagesgästezahlen wurden als „exorbitant zufriedenstellend“394 beschrieben. Einhergehend mit den steigenden Gästezahlen wurden
389 Braun, Michael (2010): Kreativwirtschaft als Wunschdenken, in: Braun, Michael & Herlyn, Wilm
& Hobe, Betram (Hrsg.): Ruhr.2010, danach Europäische Kulturhauptstadt Eindrücke–
Meinungen–Ausblicke, Waltrop S. 101–104.
390 Vgl. Ebenda.
391 Expertengespräch bei der Wirtschaftsförderung Metropoleruhr GmbH.
392 Vgl. Ebenda.
393 Expertengespräch beim Regionalverband Ruhr (b).
394 Expertengespräch bei der Ruhr Tourismus GmbH.
118
wirtschaftliche Effekte durch die finanziellen Ausgaben der Besucher erzielt.395 Dies
verdeutlichen die Ergebnisse einer ersten Befragung des Qualitätsmonitor
Deutschland-Tourismus (Qualitätsmonitor Deutschland-Tourismus-Erste Ergebnisse
der Befragung in der Metropole Ruhr - Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010-in
Kooperation mit dem Qualitätsmonitor Deutschland Tourismus, Interner Bericht). Im
Zeitraum von Februar bis Oktober des Jahres 2010 wurden rund 1.500
Übernachtungsgästen befragt. Die vorliegenden Ergebnisse, Bestandteil der dritten
und vierten Befragungswelle, beruhen auf der Befragung von rund 700
Übernachtungsgästen. Rund 80% der Befragten gaben an bereits im Berufsleben
zu stehen (Angestellte, Beamte, Selbständige) und über ein Nettoeinkommen
zwischen 1.200 und 4.000 Euro zu verfügen. Die Mehrzahl der Besucher blieben im
Durchschnitt 4,2 Tagen im Ruhrgebiet und knapp 25% der Befragten reisten mit
öffentlichen Verkehrsmitteln (Bahn, Flugzeug, Bus) an. Die meisten der Befragten
übernachteten im Hotel, in einer Pension oder einem Gasthof. Unter den zehn
häufigsten Aktivtäten wurden neben dem Besuch kultureller Veranstaltungen
Besuche im Restaurant, Flanieren und Bummeln sowie Shoppen angegeben. Über
50% der Befragten zogen in Erwägung die Region in Zukunft wieder zu
besuchen.396 Die Zahlen der Umfrage verdeutlichen die wirtschaftlichen Effekte,
welche mit den steigenden Besucherzahlen einhergingen. Neben den direkten
Einnahmen durch Ticketverkäufe profitierten insbesondere die Hotellerie,
Gastronomie und der Einzelhandel von den Besuchern. „Die Umsätze sind natürlich
hervorragend dieses Jahr. Das betrifft die Hotellerie, Gastronomie, Einzelhandel
und alles was daran hängt. Ich denke dieses Jahre werden alle sehr zufrieden
sein.“397 Die Wiederbesuchsabsichten lassen zudem auf einen nachhaltigen Effekt
der steigenden Tourismuszahlen für die Region hoffen. Neben den erhöhten
Einnahmen wirkten sich die steigenden Tourismuszahlen ebenfalls auf den
regionalen Arbeitsmarkt aus. Sowohl für die Planung und Umsetzung der
Veranstaltungen der Kulturhauptstadt als auch für die angeschlossene Hotellerie,
Gastronomie und den Einzelhandel wurden vermehrt Arbeitnehmer benötigt. Der
Erwartung nach wurden insbesondere im Dienstleistungsbereich der TourismusBranche sowohl kurzfristig als auch langfristig neue Berufschancen für qualifizierte
und auch gering qualifizierte Arbeitnehmer geschaffen.398
Im Bereich des Marketings und der Imageförderung wurden durch die Kulturhauptstadt indirekte Effekte für die regionale Wirtschaft erzielt. Der Wirtschaftsstandort
Ruhrgebiet wurde durch ein verbessertes Außenimage erheblich gestärkt.399 Die
veränderte Wahrnehmung wurde insbesondere durch die Touristen, die in das
Ruhrgebiet reisten, deutlich. „Die Leute haben aber auch furchtbare Bilder vor sich,
wenn sie ans Ruhrgebiet denken: rauchende Schlote und Leute mit schwarzen
Gesichtern. Wenn [sie] sich dann hier umschauen, kommt sofort der Spruch: Mein
Gott, ist das Grün hier, das hätten wir ja nie gedacht.“400 Darüber hinaus
395 Vgl. Ebenda.
396 Vgl. Europäische Reiseversicherung AG & Deutschen Zentrale für Tourismus e.V.
(Projektträger) Dwif–Consulting GmbH & Manova (Operative Umsetzung)(2010): Qualitätsmonitor Deutschland–Tourismus – Erste Ergebnisse der Befragung in der Metropole Ruhr –
Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 – in Kooperation mit dem Qualitätsmonitor Deutschland
Tourismus, Interner Bericht.
397 Expertengespräch bei der Ruhr Tourismus GmbH.
398 Vgl. Ebenda.
399 Vgl. Expertengespräch bei der Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH
400 Ebenda.
119
kommunizierten die regelmäßigen Berichterstattungen der Medien positive Bilder in
die Öffentlichkeit. „Der Anzeigengegenwert der gesamten positiven Berichterstattung über die Region im Zusammenhang mit Kulturhauptstadt, Tourismus,
Besuchsmöglichkeiten, kulturellen Attraktionen, [liegt] bei etwa 250 Millionen
Euro.“401 Durch die Kulturhauptstadt wurden positive Imageeffekte erzielt, welche
die Region für regionale Unternehmen, externe Investoren sowie für regionale und
externe Arbeitnehmer attraktiver machen. Insofern erzielten die regionalen
Wirtschaftbetriebe keine direkten Einnahmen durch die Kulturhauptstadt, sondern
vielmehr eine Art Umwegrendite. Insbesondere auf lange Sicht ist ein Profit, durch
das nachhaltig verbesserte Image und den erhöhten Bekanntheitsgrad der Region
zu erwarten. Demnach wird das Anwerben qualifizierten Personals für Unternehmen, die in einer attraktiven Region liegen, einfacher. „In Deutschland werden
Ingenieure gesucht, und der junge Ingenieur mit 30 Jahren hat ein Angebot in
Ingolstadt bei Audi, bei Wolfsburg und dann vielleicht noch mal hier bei einem
Unternehmen in Bochum. Da versuchen wir natürlich, wenn in seinem Kopf die
Entscheidungsprozesse ablaufen, ihn zu motivieren: ich geh doch ins Ruhrgebiet
und nicht nach Wolfsburg oder Ingolstadt.“402 Das verbesserte Image soll somit die
Arbeitsplatzentscheidung von gefragten Arbeitnehmern beeinflussen und dadurch
den Wirtschaftsstandort der Region stärken. „Wenn sie fragen was hat die
Wirtschaft davon, [ist es der Vorteil], dass der Standort von Industrie und sonstigen
Unternehmen in einer attraktiven Region [liegt]. Dort, [in attraktiven Regionen]
siedeln sich [die Begabungsträger] in der Regel an.“403
Die Auswirkungen der Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ auf
die regionale Wirtschaftsstruktur sind schwer zu messen. Parallel laufende
Entwicklungen, wie die Finanzkrise einerseits und andere regionale Förderprogramme andererseits, verhindern eine eindeutige Differenzierung der wirtschaftlichen Effekte durch die Kulturhauptstadt. Den Einschätzungen der regionalen
Experten nach beeinflusst die Kulturhauptstadt die wirtschaftliche Entwicklung
verhalten, aber positiv. Als bedeutendster Effekt wird die positive Imageentwicklung
beurteilt. Den Erwartungen nach, werden dadurch die Unternehmen und
Arbeitnehmer in der Region gestärkt und neue Unternehmen und Arbeitnehmer von
außen angezogen. Die Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft und die
steigenden Tourismuszahlen wirken darüber hinaus ebenfalls positiv auf den
Wirtschaftsstandort. Es könnten langfristig neue Wirtschaftsbranchen in der Region
erschlossen und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Insbesondere die
Tourismusbranche bietet auf lange Sicht Potenziale, um auch gering qualifizierte
oder langzeitarbeitslose Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die
langfristige Entwicklung der regionalen Wirtschaft und des regionalen Arbeitsmarktes ab dem Jahr 2010 bleibt jedoch abzuwarten.
5.3.2 Altindustrielle Areale und Brachflächenentwicklung
Die Herausforderung hinsichtlich der altindustriellen Areale und der regionalen
Brachflächenentwicklung bestand im Jahr 2006 in zwei Aspekten. Zum einen galt
es, die durch die IBA Emscher Park erschlossenen Industriedenkmäler weiter zu
401 Ebenda.
402 Expertengespräch beim Regionalverband Ruhr (b).
403 Ebenda.
120
entwickeln, zu vermarkten und zu bespielen. Insbesondere die finanzielle
Tragfähigkeit dieser Anlagen galt es zu fördern. Zum anderen galt es, die
bestehenden Brachflächen weiter zu erschließen und einer Neunutzung zuzuführen.
5.3.2.1
Programmfeld „Metropole – gestalten“
Die raumstrukturelle und baukulturelle Dimension der Kulturhauptstadt „RUHR
2010, Essen für das Ruhrgebiet“ war Thema des Programmfelds „Metropole –
gestalten“. Vor dem Hintergrund der strukturellen Veränderungen des Ruhrgebiets
wurden in unterschiedlichsten Projekten bedeutende Orte der Region künstlerisch
und kulturell verändert, neu erfunden oder umgewidmet. Die Projekte waren den
drei Bereichen Baukultur, künstlerische Interventionen und Lichtkunst zugeordnet.
Im Bereich der Baukultur standen die zeitgenössische Architektur, die Landschaftsarchitektur, die Ingenieurbaukunst sowie industriegeschichtliche Aspekte im Fokus.
Im Projekt „Hochpunkte“ wurden sieben Standorte als Hochpunkte der Region
definiert. Dazu zählten das neue Dortmunder U, der Gasometer Oberhausen, die
Halde Emscherblick mit dem Kunstobjekt „Tetraeder“, die Halde Schurenbach mit
dem Kunstobjekt „Bramme für das Ruhrgebiet“, der Landschaftspark Duisburg Nord,
der Nordsternturm Gelsenkirchen und die Zeche Zollverein mit Schacht XII. Zur
Strukturierung der Region dienten diese als Orientierungs- und Aussichtpunkte der
Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“. Die meisten dieser
Standorte sind Hinterlassenschaften der Montanindustrie und wurden bereits
während der IBA Emscher Park zu „Ruhrgebiets-Ikonen“ erschlossen. Im Rahmen
der Kulturhauptstadt dienten diese Ikonen neben ihrer Funktion als Hochpunkte
ebenfalls als Veranstaltungsorte weiterer Kulturhauptstadtprojekte. Einige der
ehemaligen Industrieanlagen wurden zur Nutzung durch die Kulturhauptstadt
baulich weiter entwickelt. Beispielsweise wurde die Kohlewäsche auf Zeche
Zollverein zum neuen Ruhrmuseum ausgebaut, der Förderturm der Zeche
Nordstern mittels eines Glasaufbaus und einer Herkulesskulptur erweitert und der
U-Turm der ehemaligen Unionsbrauerei zum Zentrum der kreativen Industrien
umgebaut.404
Im Bereich der künstlerischen Interventionen wurden mittels Kunst und Kultur Orte
der Region neu interpretiert und künstlerisch gestaltet. Das Projekt
„EmscherKunst.2010 – Eine Insel für die Kunst“ begleitete den Umbau und die
Renaturierung des Flusses Emscher mittels künstlerischer Interventionen. Die
Emscher Insel war Ausstellungsort für 20 Werke die von rund 40 Künstlern gestaltet
wurden. Im öffentlichen Raum entstanden an ungewöhnlichsten Orten, häufig auf
alten Industriebrachen, außergewöhnliche Werke der Kunst und Kultur. Auf der
Außenhülle eines ehemaligen Faulturms in Herne wurde bspw. ein monumentales
Wandmosaik erstellt. Für die Ausstellungen stellte das Jahr 2010 jedoch lediglich
den Beginn dar. Als Biennale sind in den Folgejahren der Kulturhauptstadt
Ausstellungen für die Gesamtfläche des neu entstehenden Emschertals geplant.405
Im Bereich der Lichtkunst wurden an unterschiedlichsten Standorten in der Region
Lichtinstallationen präsentiert. Im Rahmen des internationalen Lichtkunstfestivals
„Ruhrlights Twilight Zone“ wurden die Landschaftsqualitäten entlang des Flusses
404 Vgl. Beier, Nikolaj & Scheytt, Oliver (2010): a.a.O.
405 Vgl. RUHR.2010 GmbH „Essen für das Ruhrgebiet“ (Hrsg.)(o.J.)c: a.a.O.
121
Ruhr durch Lichtinszenierungen in Szene gesetzt. So wurde etwa der Duisburger
Innenhafen durch verschiedene Lichtprojektionen künstlerisch gestaltet.406
Im Rahmen der IBA Emscher Park wurden viele der alten Industrieanlagen, als
Symbol einer traditionsreichen Vergangenheit, unter Denkmalschutz gestellt und zu
Ikonen der regionalen Industriekultur entwickelt.407 Bereits bei der Schlusspräsentation der IBA Emscher Park wurden weniger die Bauten, sondern vielmehr kulturelle
Bespielungen der Anlagen präsentiert. Dieser Ansatz wurde mit der Route der
Industriekultur und den regelmäßig stattfindenden Kulturfestivals weiter geführt. Die
Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ war eine Fortführung
dieser industriekulturellen Entwicklung.408 „Die Umnutzung von ehemals industriell
genutzten Flächen oder Räumen hat schon eine lange Geschichte. Schon zu Zeit
der IBA Emscher Park, aber auch davor und danach ist da schon viel gelaufen.
Insofern würde ich das nicht als einen wesentlichen Impuls der Kulturhauptstadt
ansehen.“409 Die Kulturhauptstadt setzte der industriekulturellen Entwicklung der
regionalen Industrieanlagen vielmehr eine „Krone“ auf. Durch die unterschiedlichen
Projekte der Kulturhauptstadt wurden die großen Industriedenkmäler mittels
künstlerischer Interventionen, Lichtinstallationen und kultureller Bespielungen neu in
Szene gesetzt. Darüber hinaus bot die Kulturhauptstadt einen Anlass die
Industriedenkmäler baulkulturell weiter zu entwickeln. Die Idee, etwa die
Kohlewäsche der Zeche Zollverein zum neuen Ruhrmuseum umzubauen, wurde
bereits während der IBA Emscher Park entwickelt. Die Umsetzung scheiterte
damals jedoch an finanziellen Schwierigkeiten. „Das wurde damals nur nicht
umgesetzt, weil die Kosten so hoch waren. Das waren damals an die 40 Millionen
Mark, heute sind es 45 Millionen Euro geworden.“410 Die Kulturhauptstadt bot also
die Möglichkeit an die Projekte der IBA Emscher Park anzuknüpfen und die
Entwicklung konsequent weiter zu führen. Die Kulturhauptstadtprojekte stärkten also
das Erbe der IBA Emscher Park. „Das ganze IBA Erbe ist natürlich sehr angreifbar.
[…] [So gab es bspw. Kritiker die sagten]: ja schon wieder 15 Millionen für irgendein
Kulturfestival, warum, wir wollen doch lieber [...] ein kleines Gewerbegebiet.
[Insofern] hat die Kulturhauptstadt zur Stabilisierung des Vorhandenen beigetragen.“411 Neben der Stabilisierung der Hinterlassenschaften der IBA Emscher Park
stellte die Kulturhauptstadt zudem den Mehrwert, den die IBA Emscher Park trotz
hoher finanzieller Ausgaben für die Entwicklung des Ruhrgebiets bedeutet hat,
heraus. Darüber hinaus ermöglichte die Kulturhauptstadt zeitgleich die touristische
und wirtschaftliche Erschließung vieler Industriedenkmälern. Beispielsweise wurde
auf der Zeche Zollverein mit der Eröffnung des neuen Ruhrmuseum der
Gastronomie- und der touristische Bereich stark aufgewertet. „Vorher war das, zwar
keine Servicewüste, aber es war noch lange nicht so attraktiv.“412 Es ist also zu
erwarten, dass die finanziellen Einnahmen vieler Industriedenkmäler durch die
Kulturhauptstadt zumindest kurzfristig gesteigert werden konnten.
406 Vgl. RUHR.2010 GmbH „Essen für das Ruhrgebiet“ (Hrsg.)(o.J.)l: Ruhrlights Twilight Zone
Internationale Lichtkunst an der Ruhr, Essen, Online Dokument: http://www.essen–fuer–das–
ruhrgebiet.ruhr2010.de/programm/metropole–gestalten/lichtkunst/ruhrlights.html, Stand 24.
Januar 2011.
407 Vgl. Schwarz, Angela (2008): a.a.O.
408 Vgl. Expertengespräch beim Regionalverband Ruhr (b).
409 Expertengespräch mit Wirtschaftsförderung Metropoleruhr GmbH.
410 Expertengespräch beim Regionalverband Ruhr (b).
411 Expertengespräch beim Regionalverband Ruhr (a).
412 Ebenda.
122
5.3.2.2
Weitere Auswirkungen
Im Rahmen der Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ standen
die „Ruhrgebiets-Ikonen“ als Wahrzeichen des strukturellen Wandels im Fokus der
Interventionen. Viele der flächenmäßig großen, und architektonisch beeindruckenden Industriedenkmäler wurden als Highlight-Projekte der Kulturhauptstadt
vermarktet. „Es ist ja auch schon genug abgerissen worden, aber diese Sachen
erhalten wir und das sind im Prinzip große Standorte. […] Für den Städtetourismus
brauchen sie große Standorte“413 Insofern wurde die Kulturhauptstadt teils als
Leuchtturmpolitik betrieben. Für die Entwicklung großer und prestigeträchtiger
Projekte konnten im Rahmen der Kulturhauptstadt finanzielle Mittel generiert
werden.414
Die Erschließung und Entwicklung kleiner und unscheinbarer Brachflächen wurde
hingegen weniger durch die Kulturhauptstadt verfolgt. Diese Brachflächen standen
vielmehr im Schatten der großen Leuchtturmprojekte. Folglich fällt die Einschätzung, inwieweit die Kulturhauptstadt als Instrument zur Entwicklung alter
Industrieareale in der Region genutzt wurde, zwiespältig aus: „Man kann zwar die
Highlights entwickeln, aber irgendeine Brache im Norden von Marl Hüls kann ich
damit nicht revitalisieren. Das sind die Schattenseiten der Leuchtturmpolitik. Für ein
Leuchtturmprojekt, mit mindestens europäischer Ausstrahlung und höchster Qualität
lassen sich ehr Mittel generieren, aber für das Normalgeschäft, was das eigentliche
Überleben sichert, klappt das nicht. Insofern sind Leuchtturmpolitiken […]
systematisch begrenzt.“415. Die Sicherung der IBA Emscher Errungenschaften
wurde daher deutlich stärker durch die Kulturhauptstadt gefördert als die „normale“
Brachflächenentwicklung.
Die Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ hat in Anknüpfung an
die IBA Emscher Park deren Hinterlassenschaften stabilisiert und gestärkt. Viele
Industriedenkmäler wurden als Leuchtturmprojekte vermarktet, künstlerisch bespielt
und teilweise baukulturell weiterentwickelt. Insbesondere die finanzielle
Tragfähigkeit vieler altindustrieller Standorte wurde im Rahmen der Kulturhauptstadt
verbessert. Durch die hohen Besucherzahlen konnten viele Industriedenkmäler,
zumindest im Kulturhauptstadtjahr, deutliche Mehreinnahmen verzeichnen. Trotz
positiver Erwartungen seitens der regionalen Experten bleibt abzuwarten, wie sich
die Besucherzahlen und damit einhergehend die finanziellen Einnahmen nach dem
Kulturhauptstadtjahr entwickeln. Die Brachflächenentwicklung bisher ungenutzter,
weniger spektakulärer Brachen wurde durch die Kulturhauptstadt weniger
vorangetrieben. Es ist zu erwarten, dass die Anzahl an Brachflächen durch die
Kulturhauptstadt nicht übermäßig verringert werden konnte.
5.3.3 Außenimage und Tourismus
Die Herausforderungen des Ruhrgebiets hinsichtlich seines Außenimages
bestanden im Jahr 2006 darin, dass es noch stark von den industriellen Klischees
der Vergangenheit bestimmt wurde. Um den Wandel zur Kulturmetropole zu
stärken, galt es die kulturellen Potentiale der Region zu fördern. Damit einherge413 Expertengespräch beim Regionalverband Ruhr (b).
414 Vgl. Ebenda.
415 Expertengespräch beim Regionalverband Ruhr (a).
123
hend sollte die industriekulturelle Landschaft für den Tourismus weiter erschlossen
werden. Es galt, die Verbesserung des Außenimage und die Förderung des
Tourismus zu erreichen.
5.3.3.1
Programmfeld „Feste – feiern“
Alle Programmfelder des Kulturhauptstadtprogramms zielten darauf ab, Besucher
für die Veranstaltungen zu gewinnen und positive Bilder der Region in der
nationalen und internationalen Öffentlichkeit zu kommunizieren. Als besonders
bedeutendes Programmfeld für die Verbesserung des Außenimages galt das
Programmfeld „Feste – feiern“. Im Rahmen dieses Programmfeldes wurde eine
Reihe besucherstarke und medienwirksamer Events veranstaltet. Die Feste „Still–
Leben“, „ExtraSchicht“ und „Loveparade“ waren als herausragende Events des
Kulturhauptstadtjahres, geplant.
Das Fest „Still-Leben“ war eines der Highlight-Projekte im Kulturhauptstadtjahr. Am
18. Juli 2010 wurde der Ruhrschnellweg (A40) zwischen Dortmund und Duisburg für
den Kraftverkehr beidseitig gesperrt und die Autobahn zwischen 11 Uhr und 17 Uhr
für Fußgänger, Radfahrer und Inlineskater freigegeben. Es wurden rund 20.000
Tische auf einer Länger von 60 Kilometern aufgebaut, an denen das Fest der
Alltagskulturen stattfand. Privatpersonen oder Vereine konnten die einzelnen Tische
anmieten und kulturelle Beiträge für das Fest liefern. Mit rund 3 Millionen Besuchern
und einem internationalen Medienaufkommen war das Fest „Still-Leben“ eines der
erfolgreichsten Events des Kulturhauptstadtjahres. „Es waren alle da, aus der
ganzen Welt: aus Nikaragua, aus China, aus Südamerika. Von überall her kamen
die Leute und haben darüber berichtet“416 Somit hat das Event sowohl bei der
Ruhrgebietsbevölkerung als auch bei den Menschen außerhalb des Ruhrgebiets
eine große Aufmerksamkeit erzielt.417
Das Fest „ExtraSchicht – Nacht der Industriekultur“ ist ein Kulturfestival das seit
2001 jährlich im Ruhrgebiet stattfindet. Im Rahmen der Kulturhauptstadt „RUHR
2010, Essen für das Ruhrgebiet“ wurde die ExtraSchicht zum „Sommerfest der
Kulturhauptstadt“. Am 19. Juni 2010 wurden von 18 Uhr bis 02 Uhr nachts rund 40
ehemalige Industrieanalagen im Ruhrgebiet zu Spielorten unterschiedlichster
Inszenierungen regionaler und internationaler Künstler. Die ExtraSchicht 2010 fand
im Rahmen der Kulturhauptstadt statt; als offizieller Veranstalter fungierte jedoch die
Ruhr Tourismus GmbH. Diese stand in Kooperation mit dem Regionalverband Ruhr,
dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr und der RUHR.2010 GmbH.418 Als „Sommerfest
der Kulturhauptstadt“ wurden rund 20 Projekte der Kulturhauptstadt in das
insgesamt 200 Projekte starke Programm der ExtraSchicht integriert. Die
Besucherzahlen der ExtraSchicht stiegen im Jahr 2010 erstmals über die Marke von
200.000 Besuchern an. Mit der Einbindung des Kulturfestivals Extraschicht, wurde
im Rahmen der Kulturhauptstadt ein bewährtes Festival der Industriekultur
416 Expertengespräch bei der RUHR.2010 GmbH.
417 Vgl. RUHR.2010 GmbH „Essen für das Ruhrgebiet“ (Hrsg.)(o.J.)l Still–Leben Ruhrschnellweg
Die Metropole feiert, Essen, Online Dokument: http://www.essen–fuer–das–
ruhrgebiet.ruhr2010.de/programm/feste–feiern/still–leben–ruhrschnellweg.html, Stand 24.
Januar 2011.
418 Vgl. Ruhr Tourismus GmbH (Hrsg.)(o.J.): Die Projektgemeinschaft, Online–Dokument:
http://www.extraschicht.de/ueber–uns/projektgemeinschaft/, Stand 24. Januar 2011.
124
inszeniert. Die Bespielung der durch den Strukturwandel geschaffenen neuen
Standorte trägt kontinuierlich zum kulturellen Image der Region bei.419
Das Fest „Loveparade“ war der tragische Höhepunkt des Kulturhauptstadtjahres.
Am 24. Juli 2010 fand die Loveparade auf dem Gelände des ehemaligen
Güterbahnhofes in Duisburg statt. Um 14 Uhr begann die Veranstaltung und endete
in einer Tragödie. In einer Massenpanik kamen 21 Menschen ums Leben und
mehrere hundert Menschen wurden verletzt. Die Loveparade wurde zwar auch im
Rahmen der Kulturhauptstadt durchgeführt; offizieller Veranstalter war jedoch die
Organisation „Lopavent“ aus Duisburg. Die Veranstaltung wurde zwar weder direkt
durch die Akteure der Kulturhauptstadt organisiert noch durch die Kulturhauptstadt
finanziert, dennoch wurde sie in der Öffentlichkeit als eine Veranstaltung der
Kulturhauptstadt wahrgenommen. Insofern hat sich die Tragödie der Loverparade
auch auf die Wahrnehmung der gesamten Kulturhauptstadt negativ ausgewirkt. Die
Fröhlichkeit und Leichtigkeit des Kulturhauptstadtjahres wurde durch die Tragödie
deutlich gedämpft und lag „wie ein schwerer Schatten“ 420 auf den weiteren
Veranstaltungen der Kulturhauptstadt.421 Im Resümee der Kulturhauptstadt „RUHR
2010, Essen für das Ruhrgebiet“ wird die Tragödie der Loveparade einen festen
Platz einnehmen.
Die Auswirkungen der jeweiligen Feste auf die Imageentwicklung des Ruhrgebiets
können zu diesem Zeitpunkt noch nicht differenziert bewertet werde. Deutlich wird,
dass die Feste dem Ruhrgebiet zumindest eine hohe mediale Aufmerksamkeit
eingebracht haben. Inwieweit die Tragödie der Loveparade die nachhaltige
Imageentwicklung der Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“
beeinträchtigen wird, bleibt fraglich. Zwar wurde bspw. auf der Podiumsdiskussion
zum Thema „Was macht die Kulturhauptstadt aus dem Ruhrgebiet“ die
Einschätzung geäußert, dass das Unglück der Loveparade keine Auswirkungen auf
die nachhaltige Wirkung der Kulturhauptstad „RUHR 2010, Essen für das
Ruhrgebiet“ haben wird,422 dennoch kann zu diesem Zeitpunkt keine abschließende
Beurteilung getroffen werden.
5.3.3.2
Weitere Auswirkungen
Die Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ konnte die
Entwicklung der Region zur Kulturdestination positiv unterstützen. Sowohl im
Bereich des Tourismus als auch im Bereich des Außenimages sind die
Einschätzungen der regionalen Experte zur Auswirkung der Kulturhauptstadt positiv.
419 Vgl. RUHR.2010 GmbH „Essen für das Ruhrgebiet“ (Hrsg.)(o.J.)o: Extraschicht – Die Nacht der
Industriekultur–Das Sommerfest der Kulturhauptstadt, Essen, Online Dokument:
http://www.essen–fuer–das–ruhrgebiet.ruhr2010.de/programm/feste–feiern/extraschicht.html,
Stand 24. Januar 2011.
420 RUHR.2010 GmbH „Essen für das Ruhrgebiet“ (Hrsg.)(o.J.)n: Erklärung von RUHR.2010 zur
Loveparade, Essen, Online Dokument: http://www.essen–fuer–das–
ruhrgebiet.ruhr2010.de/programm/feste–feiern/loveparade.html, Stand 24. Januar 2011.
421 Vgl. Ebenda.
422 Vgl. Landschaftsverband Westfalen Lippe (Veranstalter)(2010): Podiumsdiskussion Was macht
die Kulturhauptstadt aus dem Ruhrgebiet, Teilnehmer: WAZ Chefredakteur, Geschäftsführer der
RUHR.2010 GmbH, Direktor des Regionalverband Ruhr, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der
Fakultät Raumplanung TU Dortmund, Gelsenkirchen.
125
Die Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ hat sich positiv auf
die Entwicklung des Tourismus in der Region ausgewirkt.423 Während in der
Vorlaufzeit zum Kulturhauptstadtjahr kaum Veränderungen bei den Tourismuszahlen zu verzeichnen waren, sind die Touristenzahlen im Kulturhauptstadtjahr deutlich
angestiegen. Die Zahl der Übernachtungen war im Zeitraum von Januar bis
September 2010, im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 13,4% gestiegen. Damit
lag der Anstieg weit über dem landesweiten Durchschnitt der für den gleichen
Zeitraum 7,1% betrug. Der stärkste Anstieg an Übernachtungsgästen im Ruhrgebiet
wurde nach den bisher veröffentlichen Zahlen mit rund 32% im Monat Juli des
Kulturhauptstadtjahres, im Vergleich zum Vorjahresmonat, verzeichnet.424 Die
steigenden Tourismuszahlen sind eindeutig auf die Kulturhauptstadt „RUHR 2010,
Essen für das Ruhrgebiet“ zurück zu führen. Dies zeigen die Ergebnisse einer
ersten Befragung des Qualitätsmonitor Deutschland-Tourismus425 von rund 700
Übernachtungsgästen. Rund 75% der Befragten nannten die Kulturhauptstadt
„RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ als Hauptreisegrund für Ihre Fahrt ins
Ruhrgebiet. Als weitere Reisegründe wurden von 50% der Befragten das Kunstund Kulturangebot der Region sowie von rund 20% der Befragten die positiven
Berichte aus den Medien angegeben. Hinsichtlich der Frage, für welche kulturellen
Angebote der Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ die
Befragten sich am meisten interessieren, nannten rund 70% die Industriekultur und
ebenfalls 70% der Befragten die Geschichte der Region. Mit rund 60% folgten die
Feste und Events der Kulturhauptstadt. Anhand dieser Zahlen wird deutlich, dass
die meisten Besucher im Jahr 2010 wegen der Kulturhauptstadt in die Region
gekommen sind. Zudem zeigt sich der große Stellenwert der Industriekultur für den
Tourismus. „Die Industriekultur hat einen großen Stellenwert für das Ruhrgebiet,
weil es etwas Einzigartiges ist. […] In Bayern mag es grüner sein als hier […], aber
die Industriekultur gibt es dort nicht. Und ich glaube das ist auch ganz wichtig, dass
es etwas Authentisches und Einzigartiges gibt, was es woanders eben nicht gibt.
Das ist natürlich ein Grund hier her zu kommen und dann kann man auch viele
weitere Dinge entdecken.“426 Die meisten Befragten waren mit ihrem Aufenthalt in
der Region zufrieden. Auf einer Skala von 1 (äußerst begeistert) bis 6 (ehr
enttäuschend) beurteilten die befragten Gäste ihren Aufenthalt mit einer
Durchschnittsnote von 1,9 und den Besuch von Veranstaltungen der Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ mit einer Durchschnittsnote von 1,8.
Für rund 50% der Befragten kommt ein erneuerter Besuch des Ruhrgebiets in Frage
und rund 80% der Befragten würden einen Besuch des Ruhrgebiets ihren Freunden
und Bekannten empfehlen. Diese Zahlen unterstützen die These, dass viele Gäste
von dem aktuellen Erscheinungsbild der Region positiv überrascht waren. „Die
Leute die mit einer Erwartungshaltung hierher kommen, […] die knapp unter der
Tischkante ist und die sich vielleicht noch einen Ruck geben müssen für diese
Reisentscheidung, die fahren in der Regel begeistert zurück und werden das weiter
erzählen.“427 Darüber hinaus stützen diese Zahlen die positiven Erwartungen an die
423 Vgl. Expertengespräch bei der Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH
424 Vgl. RUHR.2010 GmbH „Essen für das Ruhrgebiet“ (Hrsg.)(o.J.)p: Bilanz Kulturhauptstadt
Europas RUHR.2010, Essen, Online Dokument http://www.essen–fuer–das–
ruhrgebiet.ruhr2010.de/presse–medien/zitier–bar.html, Stand 24. Januar 2011.
425 Qualitätsmonitor Deutschland–Tourismus – Erste Ergebnisse der Befragung in der Metropole
Ruhr – Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 – in Kooperation mit dem Qualitätsmonitor
Deutschland Tourismus, Internet Bericht
426 Expertengespräch bei der Wirtschaftsförderung Metropoleruhr GmbH.
427 Expertengespräch bei der Ruhr Tourismus GmbH.
126
touristische Entwicklung in der Region nach dem Jahr 2010. „Ich bin da eigentlich
ganz optimistisch, weil so wie ich das mitkriege, […] fahren viele Gäste die hier
waren sehr begeistert zurück. Und die damit einhergehende Mund-zu-Mund
Propaganda scheint mir die wirkungsvollste Werbung zu sein, wirkungsvoller als
Hochglanzprospekte.“428 Der durchschnittliche Besucher des Ruhrgebiets im Jahr
2010 war laut der Umfrage 43 Jahre alt, hatte ein hohes Bildungsniveau und reiste
mindestens zu zweit. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Übernachtungsgäste lag laut der Befragung bei 4,2 Tagen und damit über dem durchschnittlichen
Aufenthalt von Städtetouristen (2,0 Tage). Rund 85% der Übernachtungsgäste
kammen aus Deutschland. Die meisten ausländischen Besucher reisten aus den
Niederlanden, Großbritannien und Frankreich an. Die Zahlen zeigen, dass das
Event Kulturhauptstadt insbesondere von nationaler Bedeutung hinsichtlich des
Tourismus war. Daraus abgeleitet lassen die Zahlen darauf schließen, dass die
größte Aufmerksamkeit durch die Kulturhauptstadt ebenfalls auf nationaler Ebene
erzielt wurde. Darüber hinaus spricht die lange Aufenthaltsdauer für den hohen
Umfang des Programms und den vielfältigen Attraktionen in der Region.429 „Es ist
festzustellen, dass die kulturelle Vielfalt überrascht, positiv überrascht. Wir haben
das auch in diesem Jahr wiederholt erlebt, dass Leute gesagt haben: wir haben
noch 2 Tage verlängert, das müssen wir noch mitnehmen oder eben wir müssen
unbedingt wieder kommen.“430
Einhergehend mit den steigenden Tourismuszahlen hat die Kulturhauptstadt „RUHR
2010, Essen für das Ruhrgebiet“ die touristische Infrastruktur in der Region gestärkt.
„Wir haben es geschafft […] dieser Region […] auch touristisch eine Struktur zu
geben, die dem Besucher der hier her kommt eine wunderbare Lenkung durch das
gesamte Ruhrgebiet ermöglicht.“431 Dazu wurde das Ruhrgebiet in fünf Areale
aufgeteilt. Als Portalstädte dieser Areale wurden jeweils die Städte Bochum,
Dortmund, Duisburg, Essen und Oberhausen bestimmt. An markanten Orten
innerhalb dieser Städte wurde jeweils ein Visitor-Center der Kulturhauptstadt
„RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ eröffnet. Diese Besucherzentren boten den
Touristen einen Überblick über die gesamte Region. „Die Kollegen im Dortmunder
Visitor-Center sind genauso gebrieft wie die in Essen, Bochum und Duisburg und
haben alle Informationen parat. Notfalls greifen sie zum Telefonhörer und rufen die
Kollegen in Essen an.“432 Der Erfolg der Kulturhauptstadt ist in diesem Zusammenhang in der Überwindung des regional stark verankerten Kirchturmdenkens zu
sehen. „Die große Herausforderung war es diese 53 Städte zusammen zu bringen,
zu vereinen. Zu sagen: ihr könnt alle stolz auf euch sein, ihr seid alle Kulturhauptstadt.“433 Unterstütz wurde diese Entwicklung von der Nominierung des Ruhrgebiets
als Partnerland auf der „Internationalen Tourismus-Börse 2009“. Durch die
Auszeichnung konnte sich das Ruhrgebiet als regionale Touristendestination,
ausgezeichnet mit dem Titel Kulturhauptstadt Europas, vor internationalem
428 Expertengespräch bei der Wirtschaftsförderung Metropoleruhr GmbH.
429 Vgl. Europäische Reiseversicherung AG & Deutschen Zentrale für Tourismus e.V.
(Projektträger) Dwif–Consulting GmbH & Manova (Operative Umsetzung)(2010): Qualitätsmonitor Deutschland–Tourismus – Erste Ergebnisse der Befragung in der Metropole Ruhr –
Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 – in Kooperation mit dem Qualitätsmonitor Deutschland
Tourismus, Interner Bericht.
430 Expertengespräch bei der Wirtschaftsförderung Metropoleruhr GmbH.
431 Expertengespräch bei der RUHR.2010 GmbH.
432 Ebenda.
433 Ebenda.
127
Publikum präsentieren. „Das wäre ohne Kulturhauptstadt nicht möglich gewesen.
Indiskutabel, da normalerweise immer nur ein Land aber keine Region genommen
wird.“434 Darüber hinaus hat sich die Vermarktung des Ruhrgebiets als Reiseregion
stark verändert. Während bis 2007 die meisten Reiseführer lediglich einzelne Städte
aus der Region unabhängig voneinander aufgeführt hatten, wurde seit den Jahren
2008 und 2009 das Ruhrgebiet zunehmend als Region aufgeführt. Viele
Reiseveranstalter hatten die Systematik der fünf Areale aufgenommen und
insbesondere zum Kulturhauptstadtjahr touristische Pakete entwickelt. So wurden
bspw. unter Dortmund nicht nur Hotels aus Dortmund gelistet, sondern auch die
kulturellen Highlights aus der Umgebung, wie bspw. das Lichtkunstmuseum in
Unna. „Das ist zum ersten mal, dass die Reiseveranstalter begriffen haben, dass
das Ruhrgebiet nicht diese einzelnen Städte sind sondern dass es eine große
Einheit ist. Die Einheit kann man natürlich auch viel besser vermarkten.“435 Unter
der Annahme, dass die geschaffenen Systematiken und Strukturen auch nach dem
Jahr 2010 bestehen bleiben, wurden durch die Kulturhauptstadt wichtige Impulse für
die weitere Entwicklung der Tourismusdestination Ruhrgebiet erzielt.
Eng verbunden mit den Entwicklungen im Bereich des Tourismus ist die
Entwicklung des Außenimages der Region. Vorausgesetzt, dass sich die
Touristenzahlen auch nach dem Kulturhauptstadtjahr weiterhin positiv entwickeln,
wird eine positive Imageveränderung erwartet. „Mir ist da gar nicht Angst und
Bange, dass der Tourismus sich sehr positiv entwickeln wird und dadurch
einhergehend auch das Image. Dieses wird sich sukzessive in Deutschland stark
wandeln, aber auch im Ausland. Wir haben sehr hohe Besucheranteile aus Benelux,
Österreich, und Frankreich. Viele werden positiv berichten, das sind alles
Botschafter. Ich glaube schon, dass wir es hinkriegen, dass sich das Image was in
der Tat noch sehr problematisch ist viel mit Unwissenheit zu tun hat, wandeln
wird.“436 Die Vermarktung des Außenimages der Region zielte insbesondere auf
den Wandel der sich in der Region vollzogen hat. „Ich bin absolut zufrieden wenn
die, die hier waren feststellen, dass es hier schon lange nicht mehr rußig ist,
sondern dass hier eine hohe Lebensqualität herrscht und auch insgesamt ein
Grundoptimismus herrscht. Es ist hier keine Region in Depression oder die immer
noch an ihrem Schicksal leidet.“437 Nach Einschätzungen der Experten sind die
Effekte der Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ auf das
Außenimage der Region auch auf lange Sicht hin sehr positiv. „Die Kulturhauptstadt
war die Möglichkeit, die Region im Rahmen eines europäischen Veranstaltungsformates als Kulturdestination relativ bekannt zu machen.“438 Insofern hat die
Kulturhauptstadt die Leuchtturmprojekte der Industriekultur nach außen vermarktet.
Die Bilder des permanenten Wandels und die hohe kulturelle Vielfalt konnten mittels
der Kulturhauptstadt nach außen getragen werden. Die Kulturhauptstadt hat dazu
beigetragen, die kulturellen Besonderheiten und die kulturelle Identität der Region
herauszuarbeiten und diese weiter zu entwickeln.439 Damit einhergehend wurde die
Marke „Ruhr“ im Zuge des Kulturhauptstadtprozesses gestärkt. So wurde der
offizielle Titel „Essen für das Ruhrgebiet“ bereits Ende 2006 durch den Titel
434
435
436
437
438
439
Expertengespräch bei der Ruhr Tourismus GmbH.
Expertengespräch bei der RUHR.2010 GmbH.
Expertengespräch bei der Ruhr Tourismus GmbH.
Expertengespräch beim Regionalverband Ruhr (a).
Expertengespräch beim Regionalverband Ruhr (b).
Vgl. Expertengespräch bei der Wirtschaftsförderung Metropoleruhr GmbH.
128
„RUHR.2010“ ergänzt und zunehmend eingetauscht. Dahinter steht die Ambition,
das Ruhrgebiet nicht nur zur „Metropole Ruhr“ zu entwickeln, sondern auch die
Marke Ruhr nach außen zu etablieren. „Der Geschäftsführer der Kulturhauptstadt
sagt immer [Ruhrgebiet] hört sich an wie Zonenrandgebiet […] oder Sonderzone.
Das sind wir nicht. Wir sind kein Gebiet, wir sind eine echte Region, die RuhrRegion.“440 Die Kurzform hat sich mittlerweile bei vielen regionalen Gesellschaften
wie dem „Regionalverband Ruhr“, der „Ruhr Tourismus GmbH“ oder der
„Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH“ durchgesetzt.441 Insofern steht Ruhr für
die Einheit der Region, die insbesondere durch den Kulturhauptstadtprozess
gestärkt wurde.
Als bedeutende Errungenschaft der Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das
Ruhrgebiet“ wird von den regionalen Experten die Verbesserungen des
Außenimages erachtet. Die Kulturhauptstadt Europas ist per se ein Instrument,
welches zur Stärkung des europäischen Tourismus beitragen soll. Dieser Effekt
wurde im Rahmen der Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“
erzielt. Die Tourismuszahlen haben im Kulturhauptstadtjahr deutlich zugenommen.
Dies ist für das Ruhrgebiet als Kulturhauptstadt Europas 2010 ein Erfolg und für das
Ruhrgebiet als altindustriell geprägte Region eine Errungenschaft. Das Ruhrgebiet
ist eine junge Tourismusdestination. Als ehemalige montanindustrielle Region hatte
die Region lange Zeit mit einem schlechten Außenimage zu kämpfen. Trotz eines
stetigen Wandels wurde die Region bis in die Gegenwart von vielen Menschen
immer noch als Region wahrgenommen in der „die Briketts durch die Luft fliegen“.
Vor diesem Hintergrund ist die Zunahme der Touristen im Jahr 2010 und deren
meist positive Beurteilung ihres Aufenthalts als besonders bedeutsam zu bewerten.
Wurde die Idee, das Ruhrgebiet zur industriekulturellen Tourismusdestination zu
entwickeln, zu Beginn der IBA Emscher Park belächelt, hat sich diese Idee langsam
aber stetig entwickelt. Die Kulturhauptstadt hat dieser Entwicklung einen
entscheidenden Impuls verliehen. Das Kulturhauptstadtjahr hat der Region eine
erhöhte deutsche und teils europäische Aufmerksamkeit gebracht. Es wurden Bilder
des regionalen Wandels und der industriekulturellen Landschaft nach außen
vermarktet. Dadurch wurden viele Touristen auf die Region aufmerksam und das
Außenimage hat sich sukzessive verbessert. Die nachhaltige Entwicklung bleibt
abzuwarten. Dennoch sind die Erwartungen hoch, dass durch die Kulturhauptstadt
eine positive Imageverbesserung erzielt werden konnte.
5.4 Zwischenfazit
Das Ruhrgebiet befindet sich seit über 150 Jahren in einem permanenten Wandel.
Ausgehend von der ehemals prosperierenden Wirtschaftsregion, bis zum Status
einer Altindustrieregion, befindet sich die Region seit den 1960er Jahren in einem
kontinuierlichen Strukturwandel. Langfristig soll das altindustriell geprägte
Ruhrgebiet zur Kulturmetropole Ruhr transformiert werden. Die Industriekultur
nimmt in diesem Prozess eine Schlüsselfunktion ein. Initiiert durch die IBA Emscher
Park wurde die industriekulturelle Landschaft durch die Route der Industriekultur
und die Ruhrtriennale konsequent weiter entwickelt. Die Kulturhauptstadt „RUHR
2010, Essen für das Ruhrgebiet“, ist eine Fortführung dieses Entwicklungsprozes440 Expertengespräch bei der Ruhr Tourismus GmbH.
441 Vgl. Beier, Nikolaj & Scheytt, Oliver (2010): a.a.O.
129
ses. Ausgerichtet an dem Motto „Wandel durch Kultur, Kultur durch Wandel“ tragen
die Projekte der Kulturhauptstadt zur strukturellen Erneuerung der Region mittels
Kunst und Kultur bei. Die Kulturhauptstadt, angelegt als nachhaltiger Entwicklungsprozess, setzte auf den Errungenschaften der IBA Emscher Park auf und hat diese
konsequent weiterentwickelt, gesteigert und intensiviert. Insofern ist die
Kulturhauptstadt, trotz vieler innovativer Projekte, weniger als neuer Entwicklungsansatz, sondern vielmehr als Weiterführung der vorrangegangenen strukturpolitischen Ansätze zu beurteilen.
Die Auswirkungen der Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ auf
die altindustriell geprägte Region Ruhrgebiet sind zu diesem Zeitpunkt als positiv zu
bilanzieren. Als wichtige Errungenschaft, des gemeinschaftlichen Projekts der 53
Ruhrgebietskommunen, gilt die Erkenntnis, dass die Region durch effektive
Zusammenarbeit der regionalen Akteure viel erreichen kann. Während die IBA
Emscher Park von der Landesregierung initiiert wurde, ist die Initiative zur
Kulturhauptstadtbewerbung aus der Region selbst gekommen. Insofern hat bereits
die Ernennung zur Kulturhauptstadt Europas 2010 das Selbstbewusstsein und den
Zusammenhalt der Region gestärkt. Der gemeinsame Titel Kulturhauptstadt
Europas bildete eine Klammer für regionale Kooperationen. In diesem Rahmen sind
innovative Formen der Zusammenarbeit und unterschiedlichste Netzwerke
entstanden. Es wurde eine Aufbruchsstimmung erzeugt, welche den bereits
eingeleiteten dynamischen Wandel der ehemaligen Industrieregion unterstützen
konnte. Insofern trug die Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“
zur Generierung neuer Impulse und zum weiteren Abbau altindustrieller Hemmnisse
und festgefahrener Strukturen in der Region bei.
Die Beurteilung der Auswirkungen der Kulturhauptstadt auf die regionale
Wirtschaftsstruktur, die Brachflächenentwicklung und das Außenimage sind zu
diesem Zeitpunkt schwer zu ermessen. Nach Einschätzungen der regionalen
Experten wurden mittels der Kulturhauptstadt sowohl Impulse zur Wirtschaftsentwicklung als auch zur Brachflächenentwicklung generiert. Die wichtigste
Errungenschaft wurde jedoch der Verbesserung des Außenimages zugesprochen.
Die Kulturhauptstadt Europas gilt primär als Kulturfestival, welches über ein Jahr
lang Touristen anzieht und die Möglichkeit zur Vermarktung prestigeträchtiger Bilder
bietet. Da das Außenimage des Ruhrgebiets stark durch industrielle Klischees
bestimmt wurde, konnten im Kulturhauptstadtjahr viele Vorurteile abgebaut und die
veränderten Strukturen der Region präsentiert werden. Die ansteigenden
Besucherzahlen und Ergebnisse von Befragungen lassen auf eine positive
Entwicklung sowohl des Außenimages, als auch der Tourismusdestination
Ruhrgebiet schließen.
Im Zeitraum von 2006 bis 2010 hat sich im Ruhrgebiet viele verändert. Inwieweit
diese Veränderungen durch die Kulturhauptstadt initiiert wurden, ist nicht immer klar
abzugrenzen. Darüber hinaus bleibt die nachhaltige Wirkung vieler Effekte erst noch
abzuwarten. Insgesamt ist jedoch an dieser Stelle ein positives Fazit zu ziehen.
130
6
Fazit und Handlungsempfehlungen
Aufbauend auf den vorangegangenen Bausteinen folgt eine zusammenfassende
Darstellung und Bewertung der Möglichkeiten, die das Instrument Kulturhauptstadt
Europas zur Revitalisierung von Altindustrieregionen bietet. Im ersten Schritt
werden die Erkenntnisse aus den theoretischen Analysen der Bausteine eins und
zwei zusammengefasst. Im zweiten Schritt folgt eine Gegenüberstellung der beiden
Kulturhauptstädte „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“ (Baustein drei) und
„RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ (Baustein vier). Darauf aufbauend werden
im dritten Schritt Handlungsempfehlungen für einen effizienten Einsatzes des
Instruments Kulturhauptstadt Europas in Altindustrieregionen formuliert.
6.1 Anknüpfungspunkte zwischen Altindustrieregionen und der
Kulturhauptstadt Europas
Die Herausforderungen, denen Altindustrieregionen gegenüber stehen, und die
Ausgestaltungmöglichkeiten, die das Instrument Kulturhauptstadt Europas bietet,
zeigen erste Anknüpfungspunkte für die Anwendung des Instruments Kulturhauptstadt Europas in Altindustrieregionen auf.
6.1.1 Die Kulturhauptstadt als Anstoß
Die Kulturhauptstadt Europas setzt in den jeweils ausgezeichneten Städten und
Regionen einen Prozess in Gang, der über mehrere Jahre ein breites Wirkungsnetz
entfaltet. In Altindustrieregionen bietet sich dadurch die Möglichkeit den internen
Anpassungsstau, geprägt durch starre Interessensgemeinschaften und Strukturen,
zu überwinden.
Bereits die Bewerbung zur Kulturhauptstadt erfordert eine intensive Kooperation
verschiedenster Akteure der lokalen, regionalen und nationalen Ebene. Dabei bietet
insbesondere die kulturelle Ausrichtung für Altindustrieregionen eine Chance zur
Etablierung neuer und innovativer Netzwerke. Die alten Interessensgemeinschaften,
aus Industrie und Politik, können durch die Einbindung verschiedenster Akteure
erneuert werden. Um eine erfolgreiche Kulturhauptstadtbewerbung zu erreichen,
sind intensive Kooperationen zwischen Kulturschaffenden und Akteuren aus Politik,
Wirtschaft und Gesellschaft notwendig. Somit werden alte Interessensgemeinschaften durch neue Akteurskonstellationen ergänzt oder abgelöst. Dies bietet wiederrum
die Chance, langjährige Handlungsweisen aus neuen Perspektiven zu überdenken.
Diskussionen und innovative Lösungsansätze können dadurch angestoßen und
wichtige Impulse für eine nachhaltige positive Entwicklung in Altindustrieregionen
generiert werden.
Neben der Etablierung nachhaltiger Netzwerke auf lokaler und regionaler Ebene
kann die Kulturhauptstadt zudem als Austauschplattform für Städte und Regionen
auf europäischer Ebene dienen. Altindustrieregionen, gekennzeichnet durch
ähnliche Strukturprobleme, haben sich in vielen Ländern Europas entwickelt. Vor
diesem Hintergrund kann die Kulturhauptstadt zum länderübergreifenden
Austausch, zur Diskussion und zur Kooperation genutzt werden. Akteure aus
Altindustrieregionen aus ganz Europa können im Rahmen der Kulturhauptstadt
leichter zusammengeführt werden, um gemeinsam Lösungsansätze für spezifische
Probleme von Altindustrieregionen zu diskutieren und „Best Practices“ auszutau131
schen. Darüber hinaus können modellhafte Projekte zur Erprobung von
Lösungsansätzen in das Kulturhauptstadtprogramm eingebunden werden. Insofern
eröffnen sich vielfältige Möglichkeiten für Altindustrieregionen, um mit anderen
Regionen mit ähnlichen Problemen in Kontakt zu treten, was wiederrum Anstöße für
die eigene Entwicklung geben kann.
Die Kulturhauptstadt als „Anstoß“ ist dabei jedoch leicht zu ersetzen. International
etablierte Events wie Weltmeisterschaften, Olympische Spiele oder Musikfestivals
können ebenfalls durch den Anstoß dynamischer Entwicklungen zur Überwindung
des Anpassungsstaus beitragen. Die kulturelle Fokussierung der Kulturhauptstadt
Europas sollte daher zielorientiert genutzt werden. Es wird deutlich, dass die
Einbindung neuer Akteure und der europaweite Austausch sowie die Erarbeitung
von „Best Practices“ im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas, vielfältige Anstöße
geben und dynamische Entwicklungen für Altindustrieregionen initiieren können.
6.1.2 Die Kulturhauptstadt als Auszeichnung
Die Initiative Kulturhauptstadt Europas hat sich zu einem der bekanntesten und
populärsten Instrumente der europäischen Kulturpolitik entwickelt. Die Anzahl der
Bewerberstädte um den Titel Kulturhauptstadt Europas ist seit Einführung der
Initiative kontinuierlich gestiegen. Altindustrieregionen bietet dies die Möglichkeit,
sich im Wettbewerb mit anderen Bewerberstädten zu behaupten und positiv
herauszustellen.
Mittels der Auszeichnung „Kulturhauptstadt Europas“ präsentieren sich die
Titelträger auf europäischer Bühne und können ihre Innen- und Außenwahrnehmung positiv beeinflussen. Insbesondere Altindustrieregionen können davon
profitieren, da sie im Vergleich zu anderen Regionen häufig ein äußerst schlechtes
Image besitzen. Mangelnde Bekanntheit und ein klischeebehaftetes Industrie-Image
haftet den Altindustrieregionen an. Der langsame aber positive Wandel, der sich in
vielen Altindustrieregionen vollzielt, wird häufig kaum wahrgenommen. Insofern
bietet die Kulturhauptstadt Europas „symbolisches Potenzial“, um die Stärken der
Region effektiv zu vermarkten. Als außergewöhnlicher Titel, im Sinne eines jährlich
wechselnden Gütesiegels, kann die Kulturhauptstadt gezielt zur Verbesserung des
Innen- und Außenimages eingesetzt werden. Für die Bewohner von Altindustrieregionen können mittels kultureller Projekte wichtige Identifikationsmöglichkeiten
entwickelt werden. Alte, häufig negativ behaftete Identitäten (bspw. alte
Industrieanlagen) können im Rahmen der Kulturhauptstadt zu neuen positiv
behafteten Identitäten (bspw. Industriekultur) umgewandelt werden. Aufbauend auf
einem positiven Selbstimage kann wiederum ein positives Außenimage etabliert
werden. Die Medien, Touristen und die Besucher dienen dabei als „Botschafter“ des
post-industriellen Wandels der Region. Die Altindustrieregion hebt sich durch die
Auszeichnung zur Kulturhauptstadt also positiv von anderen Bewerberstädten ab
und rückt für ein Jahr in die nationale und internationale Öffentlichkeit.
Die Erfahrung zurückliegender Kulturhauptstädte zeigt, dass die Kulturhauptstadt
per se kein Garant für eine langfristige positive Präsenz in der Öffentlichkeit ist. Das
Ziel eines verbesserten Images muss intensiv von der jeweiligen Kulturhauptstadt
verfolgt werden. Zusammenfassend zeigt sich, dass der Titel Kulturhauptstadt
Europas und seine gezielte Anwendung, im Rahmen des Regional- und
Stadtmarketings, Altindustrieregionen zu einem verbesserten Image verhelfen kann.
132
6.1.3 Die operationalisierte Kulturhauptstadt
Die Initiative Kulturhauptstadt Europas hat sich seit der Einführung stark verändert.
Durch das Zusammenspiel der Zielsetzungen der Europäischen Union mit den
Ansprüchen der jeweiligen Kulturhauptstädte, hat sich die Kulturhauptstadt zu
einem vielfältig nutzbaren Instrument der Stadt- und Regionalentwicklung
gewandelt. Daher bietet sich Altindustrieregionen die Möglichkeit, das Instrument
individuell ausgestaltet und ausgerichtet an den endogenen Herausforderungen, zu
nutzen.
Die Kulturhauptstadt Europas hat sich vom einfachen Kulturfest zum populären
Großevent entwickelt. Der Titel Kulturhauptstadt Europas wird von den
Kulturhauptstädten zunehmend für unterschiedlichste Zielsetzungen operationalisiert. Der offene Kulturbegriff, welcher der Kulturhauptstadtinitiative zugrunde liegt,
bietet den Kulturhauptstädten einen großen Handlungsspielraum. Gerade
Altindustrieregionen, die sich durch eine Ballung spezifischer Strukturprobleme
kennzeichnen, profitieren von der Möglichkeit einer individuellen Ausgestaltung der
Kulturhauptstadt Europas. Mittels der Kultur kann die Initiative individuell auf die
jeweiligen endogenen Herausforderungen von Altindustrieregionen angepasst
werden. Wie bereits erläutert, können im Rahmen der Kulturhauptstadt zentrale
Problematiken wie der interne Anpassungsstau in Altindustrieregionen, oder das
schlechte Image von Altindustrieregionen angegangen werden. Darüber hinaus
bietet das Instrument weitere vielfältige Möglichkeiten. Die Stärkung der regionalen
Wirtschaft, eine Verbesserung der Infrastruktur oder eine Verbesserung der
regionalen Lebensqualität kann je nach Definition des zugrundeliegenden
Kulturbegriffs, ebenfalls mittels der Kulturhauptstadt verfolgt werden. Der Boom in
der Kunst- und Kreativwirtschaft, die steigende Bedeutung kultureller Angebote für
die regionale Lebensqualität und die hohe Anziehungskraft etablierter kultureller
Einrichtungen stehen beispielhaft für die vielfältige Anwendbarkeit, die Kultur im
Rahmen der Stadt- und Regionalentwicklung bietet.
Dennoch darf das Instrument Kulturhauptstadt Europas bei der Revitalisierung von
Altindustrieregionen nicht überschätzt werden. Als zentrales Handlungsfeld der
Kulturhauptstadt gilt nach wie vor die Kultur. Am Beispiel der Wirtschaftsförderung
zeigt sich, dass die Kulturhauptstadt nicht zur umfassenden wirtschaftsstrukturellen
Erneuerung in einer Altindustrieregion eingesetzt werden kann. Die Kulturhauptstadt
kann zwar zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts beitragen, eine nachhaltige und
umfassende Wirtschaftsförderung erfordert in Altindustrieregion jedoch zusätzliche,
spezifisch auf die Wirtschaftsförderung ausgerichtete Maßnahmen. Zusammenfassend zeigt sich, dass die individuelle Ausgestaltung des Instruments Kulturhauptstadt Europas Altindustrieregionen vielfältige Möglichkeit zur Überwindung
individueller Problemlagen bietet. Als primäres Handlungsfeld des Instruments gilt
jedoch nach wie vor die Kultur. Je nach eigener Auslegung des Kulturbegriffs, kann
die Kulturhauptstadt daher zielgerichtet auf bestimmte Herausforderungen in
Altindustrieregionen ausgerichtet werden.
133
6.2 Gegenüberstellung der Kulturhauptstädte Glasgow 1990 und RUHR 2010
Die Gegenüberstellung der beiden Kulturhauptstädte „Glasgow 1990, Cultural
Capital of Europe“ und „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“, birgt wichtige
Erkenntnisse zum effektiven Einsatz des Instruments Kulturhauptstadt Europas in
Altindustrieregionen.
6.2.1 Vergleich der beiden Altindustrieregionen
Die Stadt Glasgow und die Region Ruhrgebiet sind durch ähnliche Entwicklungspfade geprägt. Beide Räume haben sich von ehemals prosperierenden
Wirtschaftsregionen zu Altindustrieregionen entwickelt. Die wirtschaftliche
Entwicklung der Stadt Glasgow war dabei ebenso wie die des Ruhrgebiets stark mit
der Entwicklung der gesamten Region verknüpft. Beide Regionen wurden lange Zeit
von monostrukturierten Industrieverbünden dominiert. Während die Glasgower
Verbundindustrie vorranging durch die Schiffbauindustrie, die Stahlindustrie und den
Bergbau geprägt war, setzte sich die Verbundindustrie des Ruhrgebiets aus der
Stahlindustrie, dem Bergbau und der chemischen Industrie zusammen.
Einhergehend mit der erfolgreichen Industrialisierung verzeichneten beide Regionen
ein starkes Bevölkerungswachstum und daraus resultierend, eine schnelle, häufig
ungesteuerte Raumentwicklung. Mitte des 20. Jahrhunderts setzte in beiden
Regionen ein wirtschaftlicher Niedergang ein, der zu umfassenden strukturellen
Problemen führte. Bedingt durch den Anpassungsstau und vielfältige interne
Hemmnisse, entwickelten sich beide Regionen zu Altindustrieregionen. Eine hohe
Arbeitslosigkeit, ein schlechtes Image und städtebauliche Missstände waren
zentrale Herausforderungen, denen beide Regionen, bedingt durch den Niedergang
der alten Industrien, lange Zeit gegenüber standen.
Zur Bewältigung des Strukturwandels, wurden sowohl Glasgow als auch das
Ruhrgebiet von außenstehenden Verwaltungsinstanzen unterstützt. Es wurden
verschiedenste Maßnahmen und Strategien zur Revitalisierung der Altindustrieregionen eingeleitet. Eine nachhaltige Strategie zur effektiven Erneuerung der
Strukturen, wurde in beiden Räumen jedoch erst ab den 1980er Jahren verfolgt. In
Glasgow wurde zu Beginn der 1980er Jahre, durch die Einbindung unterschiedlicher
Akteure („Scottish Development Agency“ etc.) eine neue Strategie verfolgt.
Fokussiert auf die Glasgower Innenstadt wurde der Dienstleistungsstandort gestärkt
und die kulturellen Potenziale der Stadt neu bewertet. Einhergehend mit städtischen
Aufwertungsmaßnahmen der historischen Bausubstanz, wurde die Eröffnung der
„Burrell Collection“, der Bau des „Scottisch Exibition Conference Centers“, das
„Glasgow Garde Festivals“ und die Imagekampagne „Glasgow`s Miles Better“
eingesetzt, um Glasgow zur Destination für Kulturtourismus und Konferenzen zu
entwickeln. Im Ruhrgebiet wurde ebenfalls eine kulturgestützte Strategie verfolgt.
Ab Mitte der 1980er Jahre wurden die weichen Standortfaktoren in der Region
verstärkt gefördert. Aufbauend auf den „Regionalen Entwicklungskonferenzen“
wurde die „IBA Emscher Park“ im Zeitraum von 1989 bis 1999 als Strukturprogramm, initiiert vom Bundesland, durchgeführt. Fokussiert auf die Emscherzone
verfolgte die IBA Emscher Park den nachhaltigen Wandel der ehemaligen
Industrieregion zu einer dynamischen post-industriellen Region. Im Rahmen der IBA
Emscher Park wurden unterschiedlichste Ziele verfolgt. Im Rückblick wird
insbesondere die Etablierung der Industriekultur als bedeutsam bewertet.
Ausgehend von der IBA Emscher Park und aufbauend auf der etablierten Route der
134
Industriekultur sowie dem etablierten Festival Ruhrtriennale, sollte das Ruhrgebiet
zur Kulturmetropole und zur Tourismusdestination entwickelt werden.
Sowohl in Glasgow als auch im Ruhrgebiet wurde die Kultur also zur Revitalisierung
der Altindustriestadt bzw. der Altindustrieregion herangezogen. Während in
Glasgow, ausgehend vom ökonomischen Niedergang vermehrt einzelne
Kulturprojekte für einen effektiven Strukturwandel eingesetzt wurden, leitete das
Ruhrgebiet stattdessen ein langjähriges Strukturprogramm ein.
6.2.2 Vergleich der beiden Kulturhauptstädte
Die Altindustriestadt Glasgow und die Altindustrieregion Ruhrgebiet wurden beide
zu Kulturhauptstädten Europas ausgezeichnet. Dabei ergaben sich hinsichtlich der
Ausgestaltung der beiden Kulturhauptstädte sowohl Gemeinsamkeiten als auch
Unterschiede.
Ein entscheidender Unterschied liegt zunächst im Zeitpunkt der Auszeichnung zur
Kulturhauptstadt Europas. Während Glasgow bereits im Jahr 1986 zur Kulturhauptstadt Europas für das Jahr 1990 ausgezeichnet wurde, bekam das Ruhrgebiet die
Auszeichnung zur Kulturhauptstadt Europas für das Jahr 2010 erst im Jahr 2006
verliehen. Insofern standen beide Kulturhauptstädte zum Zeitpunkt der
Auszeichnung unterschiedlichen Voraussetzungen gegenüber. Während Glasgow
als Altindustriestadt im Jahr 1986 den direkten Folgen des ökonomischen
Niedergangs gegenüber stand, hatte das Ruhrgebiet als altindustriell geprägte
Region bis zum Jahre 2006 bereits einen positiven Strukturwandel initiiert. Der Titel
Kulturhauptstadt wurde Glasgow also zu einem sehr viel früheren Zeitpunkt der
post-industriellen Entwicklung verliehen als dem Ruhrgebiet. Bedingt durch die
zeitliche Diskrepanz unterlagen beide Kulturhauptstädte zudem jeweils
unterschiedlichen Rechtsvorgaben. Während Glasgow den Auflagen der
„Entschliessung der im Rat vereinigten für Kulturfragen zuständigen Minister vom
13. Juni 1985 für die alljährliche Benennung einer Kulturhauptstadt Europas“
unterlag, hatte sich das Ruhrgebiet nach den Vorgaben des „Beschlusses über die
Einrichtung einer Gemeinschaftsaktion zur Förderung der Veranstaltung
Kulturhauptstadt Europas für die Jahre 2005 - 2019“ zu richten. Neben
unterschiedlichen Verfahrensanforderungen, oblagen der Kulturhauptstadt
„Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“ dadurch sehr viel geringere inhaltliche
Auflagen zur Ausgestaltung des Titels als der Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen
für das Ruhrgebiet“.
Eine Gemeinsamkeit der beiden Titelträger ist deren jeweils besondere Bedeutung
in der Entwicklung der europäischen Kulturhauptstadtinitiative. „Glasgow, European
Capital of Culture 1990“ war, im Vergleich zu den vorangegangenen Kulturhauptstädten, die erste Kulturhauptstadt die zum Zeitpunkt der Auszeichnung kein
traditionelles Kulturzentrum Europas war. Zudem nutzte Glasgow den Titel erstmals
als Instrument der Stadt- und Regionalentwicklung. Das Ruhrgebiet war hingegen
die erste Kulturhauptstadt, die den Titel im Sinne einer „Kulturhauptregion“ durch
intensive regionale Kooperationen aller Ruhrgebietskommunen ausgestaltete. Somit
wurde die Kulturhauptstadt im Fall Glasgows erstmals zur Revitalisierung einer
Altindustriestadt und im Fall des Ruhrgebiets erstmals zur Revitalisierung einer
gesamten Altindustrieregion genutzt. Hinsichtlich der Ausgestaltung der beiden
Kulturhauptstadtprogramme ergab sich dadurch wiederum ein prägnanter
135
Unterschied. Während in Glasgow die Projekte der Kulturhauptstadt mehrheitlich
auf das Stadtgebiet fokussiert waren, wurden die Projekte der Kulturhauptstadt
„RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ im gesamten Ruhrgebiet umgesetzt. Der
Wirkungsbereich des Kulturhauptstadtprogramms wurde im Ruhrgebiet also weiter
gefasst als in Glasgow.
Begründet durch die altindustrielle Entwicklung der Räume, waren die übergeordneten Ziele der beiden Kulturhauptstädte „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“
und „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ wiederum recht ähnlich. Ausgerichtet
an den jeweils endogenen Herausforderungen setzten Glasgow und das Ruhrgebiet
den Titel Kulturhauptstadt gezielt zur Förderung eines effektiven Strukturwandels
ein. Neben kulturellen Zielsetzungen verfolgten die beiden Kulturhauptstädte
insbesondere die Verbesserung des Außenimages und die Stärkung des
Wirtschaftsstandorts. Das Motto „Wandel durch Kultur – Kultur durch Wandel“ der
Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ und das Motto „There`s a
Lot Glasgowing On in 1990“ der Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital of
Europe“ verdeutlichen diese Ambitionen.
Zum Erreichen der Zielsetzungen wurde der Ausgestaltung beider Kulturhauptstädte
ein offener Kulturbegriff zugrunde gelegt. Die klassische Kultur wurde durch
vielfältige Aspekte der Massenkultur erweitert. Bei der Kulturhauptstadt Glasgow
kam neben der klassischen Kultur auch der Alltagskultur eine hohe Bedeutung zu,
während bei der Kulturhauptstadt im Ruhrgebiet zusätzlich die Industriekultur einen
hohen Stellenwert einnahm. Basierend auf der breiten Kulturdefinition waren beide
Kulturhauptstädte bestrebt, möglichst viele Zielgruppen mit dem Kulturhauptstadtprogramm anzusprechen. Während bei den Vorbereitungen zur Kulturhauptstadt in
Glasgow bereits eine Vielzahl an verschiedensten Akteuren mit einbezogen wurde,
richtete sich der Projektpool zur Ideenfindung der Kulturhauptstadt im Ruhrgebiet
zusätzlich an die gesamte interessierte Öffentlichkeit. Das Kulturhauptstadtprogramm der Kulturhauptstadt Glasgow wurde als Erweiterung des städtischen
Jahreskulturprogramms entworfen. Im Ruhrgebiet wurden ebenfalls etablierte
Kulturevents integriert, dennoch erscheint die Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen
für das Ruhrgebiet„ deutlich losgelöster vom regionalen Jahreskulturprogramm
entworfen worden zu sein.
Zurück zu führen auf die unterschiedlichen Beteiligungsstrukturen und die
unterschiedliche Anlehnung an das Jahreskulturprogramm, war die Kulturhauptstadt
Glasgow insgesamt klassischer ausgerichtet als die Kulturhauptstadt „RUHR 2010,
Essen für das Ruhrgebiet“. Dabei spielt der zeitliche Kontext der beiden
Kulturhauptstädte eine wichtige Rolle. Das gesellschaftliche Verständnis von Kultur
war im Jahr 2010 bereits deutlich offener und vielfältiger als noch im Jahr 1986.
Folglich sind aus heutiger Perspektive im Rahmen der Kulturhauptstadt „RUHR
2010, Essen für das Ruhrgebiet“ vielfältigere und innovativere Projekte umgesetzt
worden als im Rahmen der Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital of
Europe.“ Gerade aus der Perspektive des Jahre 1986 sind jedoch viele der
damaligen Projekte ebenfalls als innovativ und experimentell zu bewerten.
6.2.3 Vergleich der Auswirkungen durch die Kulturhauptstädte
Die Auswirkungen der Kulturhauptstadt „Glasgow Capital of Culture, 1990“ auf die
Altindustriestadt Glasgow und die Auswirkungen der Kulturhauptstadt „RUHR 2010,
136
Essen für das Ruhrgebiet“ auf die altindustriell geprägte Region Ruhrgebiet sind
differenziert zu bewerten.
Zunächst unterscheiden sich die beiden Kulturhauptstädte hinsichtlich des
räumlichen Wirkungsgrades voneinander. Die Kulturhauptstadt aus dem Jahr 1990
umfasste primär das Stadtgebiet Glasgows, während die Kulturhauptstadt aus dem
Jahr 2010 die gesamte Region Ruhrgebiet einschloss. Hinsichtlich der altindustriellen Handlungsfelder, erscheint die Ausrichtung einer Kulturhauptstadt auf die
regionale Ebene sinnvoller. Glasgow war ebenso wie das Ruhrgebiet wirtschaftsstrukturell stark mit der Region Glasgow verbunden. Insofern waren die strukturellen
Probleme, begründet durch den Niedergang der alten Industrien, nicht auf das
Stadtgebiet begrenzt sondern prägten sowohl die Stadt als auch die Region.
Aufgrund der vielfältigen regionalen Verflechtungen ist zu erwarten, dass die
regionale Ausrichtung der Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“
nachhaltiger auf die Altindustrieregion wirkt als die Kulturhauptstadt „Glasgow
Capital of Culture, 1990“.
Neben der räumlichen Differenzierung zeigen sich ebenfalls Unterschiede
hinsichtlich des zeitlichen Wirkungsgrades. Beide Kulturhauptstädte erhielten die
Auszeichnung zur Kulturhauptstadt Europas vier Jahre vor dem eigentlichen
Kulturhauptstadtjahr. Diesen Vorlauf nutzten beide Titelträger, um bereits vor dem
jeweiligen Kulturhauptstadtjahr erste kulturelle Projekte zu initiieren. Unterschiedlich
wurde hingegen die Weiterführung der Kulturhauptstadtprojekte nach dem
Kulturhauptstadtjahr gehandhabt. In Glasgow wurden zwar einzelne Projekte nach
dem Jahr 1990 weitergeführt, eine umfassende und strukturierte Weiterführung
blieb jedoch aus. Insbesondere mangels finanzieller Fördermittel konnten viele der
kulturellen Projekte und Kooperationen nach dem Kulturhauptstadtjahr nicht weiter
geführt werden. Im Ruhrgebiet, 20 Jahre später, wurden bereits während der
Planung zur Kulturhauptstadt Varianten einer Nachfolgeorganisation der
RUHR.2010 GmbH angedacht und diskutiert. Nach aktuellem Stand, wird die
RUHR.2010 GmbH bis Ende des Jahres 2011 sukzessive aufgelöst. Die Aufgaben
der RUHR.2010 werden für die Zeit nach dem Jahr 2011 auf drei Tochtergesellschaften des Regionalverbands Ruhr (Kultur Ruhr GmbH, Ruhrgebiet Tourismus
GmbH, Wirtschaftsförderung Metropoleruhr GmbH) aufgeteilt. Hinsichtlich der
finanziellen Absicherung haben die 53 Kommunen des Ruhrgebiets mehrheitlich
beschlossen, jährlich insgesamt 2,4 Millionen Euro in gemeinsame Kulturprojekte zu
investieren. Zusätzlich wurden bereits während des Kulturhautstadtjahres weitere
Mittel zur Weiterführung einzelner Projekte und Kooperationen bei verschiedensten
Institutionen beantragt. Zum jetzigen Zeitpunkt ist somit zu erwarten und zu hoffen,
dass die Impulse der Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ in
einem stärkeren Umfang durch die Akteure der Region weiter getragen werden als
im Falle Glasgows.
Die konkreten Auswirkungen der Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural Capital
of Europe“ und der Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ sind
unter Berücksichtigung der unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen
Wirkungsfelder zu bewerten. Als zentrale Herausforderungen wurden in beiden
Altindustrieregionen die Strukturbereiche Wirtschaft und Arbeitsmarkt, Stadtbild und
Raumstruktur und das Außenimage definiert. Hinsichtlich der Auswirkungen der
Kulturhauptstadt auf die einzelnen Strukturbereiche ergaben sich viele Gemeinsamkeiten. In beiden Fällen wurde deutlich, dass das Instrument Kulturhauptstadt
137
Europas primär zur Besserung des städtischen bzw. regionalen Images und nur
sekundär zur Wirtschaftsförderung und zur strukturierten Raumentwicklung in
altindustrialisierten Räumen beitragen konnte.
Die Wirtschafstruktur der Altindustriestadt Glasgow und der altindustriell geprägten
Region Ruhrgebiet wurde durch die jeweilige Auszeichnung zur Kulturhauptstadt
teils direkt und teils indirekt beeinflusst. Die direkte Etablierung neuer Wachstumsbranchen und eine Senkung der Arbeitslosenquote konnte im Fall von Glasgow
ebenso wenig wie im Ruhrgebiet durch die Kulturhauptstadt erzielt werden. Die
Projekte der Kulturhauptstadt haben in beiden Fällen vielmehr Impulse zur Stärkung
und Profilierung des jeweiligen Wirtschaftsstandorts initiiert. Am stärksten profitierte
sowohl in Glasgow als auch im Ruhrgebiet die Kultur- und Kreativwirtschaft. In
Glasgow galt die Schaffung neuer Arbeitsplätze im Kultursektor und im Ruhrgebiet
die Etablierung regionaler Netzwerke als wichtigster Effekt für diese Branche.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Förderung der Kultur- und
Kreativwirtschaft in Glasgow, im Gegensatz zum Ruhrgebiet, nicht explizit verfolgt
wurde. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Kulturhauptstadt für Standorte
an denen die Kultur- und Kreativwirtschaft bereits angesiedelt ist, als effektives
Förderungsinstrument genutzt werden kann. Neben der Kultur- und Kreativwirtschaft profitierten in beiden Räumen zudem die tourismusorientierten Wirtschaftsbranchen von der Kulturhauptstadt. Mit den erhöhten Besucherzahlen gingen
erhöhte Einnahmen bei den jeweiligen Kulturinstitutionen, der Hotellerie, der
Gastronomie sowie des Einzelhandels einher. In Glasgow erhöhten sich die
Tourismuszahlen allerdings nur im Kulturhauptstadtjahr selbst und kehrten im
folgenden Jahr wieder auf das Ausgangsniveau zurück. Dabei blieb der Anteil
ausländischer Besucher jedoch auch in den Folgejahren des Kulturhauptstadtjahres
erhöht. Die Kulturhauptstadt konnte daher zumindest teilweise zur langfristigen
Stärkung des tourismusorientierten Wirtschaftssektors beitragen. Neben den
direkten Auswirkungen ergaben sich insbesondere durch das verbesserte
Außenimage indirekte Effekte auf die jeweiligen Wirtschaftsstandorte. Im Rahmen
der Kulturhauptstadt konnten sich Glasgow und das Ruhrgebiet jeweils in der
nationalen und internationalen Öffentlichkeit präsentieren. Dabei waren beide
bemüht die jeweiligen wirtschaftlichen Stärken und die Attraktivität des Standorts
zum Wohnen und Arbeiten positiv zu vermarkten. Die wirtschaftlichen Folgeeffekte
des verbesserten Images sind in beiden Fällen schwer zu messen. Den
Einschätzungen und Erwartungen nach, wurde dadurch die Anziehung von
qualifizierten Arbeitnehmern, Unternehmern und Investoren gefördert.
Das Stadtbild der Altindustriestadt Glasgow und die Raumstruktur der altindustriell
geprägten Region Ruhrgebiet wurden ebenfalls durch die jeweiligen Kulturhauptstadtprojekte beeinflusst. Die Revitalisierung von Altindustrieanlagen war in
Glasgow und im Ruhrgebiet von je her recht unterschiedlich verfolgt worden.
Während zunächst in beiden Räumen viele Industriebrachen abgerissen wurden,
wurden im Ruhrgebiet im Rahmen der IBA Emscher Park viele alte Industrierelikte
unter Denkmalschutz gestellt. Im Gegensatz zu Glasgow, erhielt die Industriekultur
im Ruhrgebiet eine zunehmend wichtige Bedeutung. Die beiden Kulturhauptstädte
gingen hinsichtlich des Umgangs mit den alten Industrieanlagen, von unterschiedlichen Rahmenbedingungen aus. In Glasgow wurde die Industriegeschichte durch
Projekte der Kulturhauptstadt thematisiert, die alten Industrieanlagen jedoch kaum
ins Kulturhauptstadtprogramm einbezogen. Stattdessen wurde durch unterschied138
lichste Projekte der Kulturhauptstadt, die Aufwertungsmaßnahmen der viktorianischen Bausubstanz weiter geführt. Sowohl vor als auch während der Kulturhauptstadt zielten die Baumaßnahmen vorranging auf die innerstädtischen Quartiere und
ließen die problematischen Randzonen der Stadt außen vor. Im Ruhrgebiet stand
hingegen die Industriekultur im Mittelpunkt der Kulturhauptstadt. Die Kulturhauptstadt war eine Weiterführung der IBA Emscher Park. Die erschlossenen
Industrieanlagen wurden kulturell bespielt, neu in Szene gesetzt oder baulich
erweitert. Im Zuge von Leuchtturmprojekten wurden insbesondere die „RuhgebietsIkonen“ weiter entwickelt und als Alleinstellungsmerkmal nach außen vermarktet. Im
Schatten dieser Leuchtturmpolitik stand hingegen die „normale“ Brachflächenentwicklung unspektakulärer Brachen. Sowohl in Glasgow als auch im Ruhrgebiet
stand die kulturelle Infrastruktur im Fokus der baulichen Maßnahmen. Dabei waren
viele dieser Projekte bereits vor der jeweiligen Kulturhauptstadt geplant und initiiert
worden. Mittels der Kulturhauptstadt wurden insofern weniger neue Projekte initiiert
sondern vielmehr die Umsetzung und Fertigstellung von Projekten katalysiert.
Das Außenimage der Altindustriestadt Glasgow und der altindustriell geprägten
Region Ruhrgebiet wurde durch die jeweilige Kulturhauptstadt maßgeblich
verbessert. Beide Räume standen vor der Ernennung zur Kulturhauptstadt der
Herausforderung eines schlechten Images gegenüber. Glasgow, wahrgenommen
als dreckige und kriminelle Arbeiterstadt, und das Ruhrgebiet, wahrgenommen als
depressive und schwarze Region, setzten den Titel Kulturhauptstadt gezielt zur
Vermarktung eines besseren Images ein. Beide Räume präsentierten sich als
kulturelle Metropolen Europas. Während Glasgow primär die viktorianische
Architektur als Alleinstellungsmerkmal etablierte, nutze das Ruhrgebiet die
prägnanten Anlagen der Industriekultur zur Vermarktung eines Alleinstellungsmerkmals. Darüber hinaus zielte das Ruhrgebiet auf eine einheitliche Vermarktung
der gesamten Region, unter der Marke „RUHR“. Hinsichtlich der Imageverbesserung waren beide Kulturhauptstädte erfolgreich. Gemessen an den positiven
Medienberichten und den gestiegenen Besucherzahlen konnten beide Räume vom
Kulturhauptstadtjahr profitieren. Die Übernachtungszahlen stiegen in beiden
Kulturhauptstadtjahren um über 10% an. Zudem konnten beide einen erhöhten
Anzeigengegenwert positiver Berichterstattungen erzielen. In Glasgow verbesserte
sich das Außenimage auf langfristige Sicht und auch im Ruhrgebiet schätzen die
Experten die zukünftige Imageentwicklung positiv ein. Diese Entwicklung ist
insbesondere vor dem Hintergrund des äußerst negativen Images der Stadt
Glasgow vor 1986 und des Ruhrgebiets vor 2006 als Erfolg zu sehen. Als
Altindustrieregionen hatten die beiden Kulturhauptstädte mit sehr viel stärkeren
Klischees zu kämpfen als viele andere Städte und Regionen. Das verbesserte
Außenimage und die Stärkung der beiden Standorte als Tourismusdestinationen
durch die Kulturhauptstadt ist somit als positiv zu bewerten.
139
6.3 Handlungsempfehlungen zum effizienten Einsatz der
Kulturhauptstadt Europas in Altindustrieregionen
Ableitend aus den vorangegangenen Erkenntnissen werden im Folgenden
Handlungsempfehlungen für den effizienten Einsatz des Instruments Kulturhauptstadt Europas in Altindustrieregionen formuliert.
6.3.1 Zielorientierter Einsatz
Die Bewerbung einer Altindustrieregion um den Titel Kulturhauptstadt Europas sollte
von Beginn an wohl überlegt sein. Obwohl das Kulturhauptstadtjahr nur ein Jahr
andauert, erfordert die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung einer
Kulturhauptstadt viel Zeit und Engagement der Akteure. Nach dem aktuellen
Rechtsbeschluss der Europäischen Union werden die Kulturhauptstädte bereits vier
Jahre vor dem Kulturhauptstadtjahr ernannt. Zuzüglich des Bewerbungsverfahrens
und einer intensiven Vor- und Nachbereitungszeit umfasst der Zeitaufwand für die
Durchführung einer Kulturhauptstadt also etwa acht Jahre. Einhergehend mit der
langen Bearbeitungszeit und durch die Popularität der Auszeichnung ist zudem ein
hohes Finanzvolumen notwendig. Um ein, dem Titel angemessenes Kulturhauptstadtjahr durchzuführen müssen viele Gelder akquiriert werden. Ab dem Jahr 2000
lag der Etat der Kulturhauptstädte zwischen 8 Millionen Euro und 60 Millionen Euro.
Da die Europäische Union lediglich 1,5 Millionen Euro bereit stellt, müssen
zwangsläufig weitere öffentliche und private Sponsoren gefunden werden. Die
Durchführung der Kulturhauptstadt ist also mit einem hohen zeitlichen, finanziellen
und personellen Aufwand verbunden. Altindustrieregionen sollten daher im
Vorhinein den Aufwand gegen den Nutzen abwägen. Dabei dürfen die vielfältigen
Möglichkeiten, die das Instrument bietet nicht überschätz werden. Als Haupthandlungsfeld der Kulturhauptstadt gilt die Kultur. Altindustrieregionen sollten daher
gezielt überlegen inwieweit die Kultur tatsächlich zur Bewältigung der jeweiligen
Herausforderungen eingesetzt werden kann. Insbesondere aufgrund des hohen
finanziellen Aufwands gilt es den Einsatz der Kulturhauptstadt genau zu
überdenken. Die Abwägung gegenüber andere Förderungsinstrumenten, die häufig
geringere finanzielle Mittel erfordern, ist dabei entscheidend. Die größten Potenziale
für Altindustrieregionen liegen bei der Anwendung der Kulturhauptstadt Europas in
der Imageverbesserung, während die Wirtschaft und die Raumentwicklung nur
sekundär mit dem Instrument gefördert werden können. Im Vorfeld einer Bewerbung
sollten Altindustrieregionen also den potenziellen Nutzen der Kulturhauptstadt dem
hohen Aufwand gegenüber setzen.
6.3.2 Definition der kulturellen Potenziale
Jede Bewerberstadt der Kulturhauptstadt Europas sollte bereits zu einem frühen
Zeitpunkt die kulturellen Wirkungsfelder, die im Rahmen einer Kulturhauptstadt
verfolgt werden, eingrenzen. Dazu gilt es den Kulturbegriff inhaltlich abzugrenzen.
Altindustrieregionen sollten diese Abgrenzungen hinsichtlich ihrer endogenen
Herausforderungen treffen. Da Altindustrieregionen häufig keine Zentren der
klassischen Kultur sind, bietet sich die Wahl eines breiten Kulturverständnisses an.
Dabei ist es wichtig die kulturellen Potenziale der Region zu erkennen und zu
fördern. Die Bewerber müssen sich die Frage stellen, welche Art von Kultur sie im
Rahmen der Kulturhauptstadt verwenden können und vermarkten möchten. Die
beiden Beispiele „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“ und „RUHR 2010,
140
Essen für das Ruhrgebiet“ haben den Kulturhauptstadtjahren jeweils ein
unterschiedliches Kulturverständnis zugrunde gelegt. Glasgow orientierte sich
deutlich stärker an der klassischen Hochkultur und vermarktete insbesondere die
viktorianische Baukultur, während das Ruhrgebiet den Schwerpunkt auf die
Industriekultur legte. Für Altindustrieregionen ist die Erkenntnis bedeutend, dass
nicht alle Altindustrieregionen automatisch für die Etablierung der Industriekultur
geeignet sind. Der langjährige Prozess des Ruhrgebiets zeigt, dass die
Industriekultur aus der Region heraus entwickelt werden muss. Viele Altindustrieregionen haben einen Großteil ihres industriellen Erbes bereits abgerissen oder die
bestehenden Altindustrieanlagen eignen sich nicht für identifikationsstiftende
Kulturattraktionen. Insofern sollte die Industriekultur nicht per se zum Handlungsfeld
in Altindustrieregionen ernannt werden. Es ist wichtig sich intensiv mit der eigenen
Geschichte und Gegenwart auseinander zu setzen und endogene kulturelle
Potenzialen aufzudecken. Dies ist wichtig, um die Kulturhauptstadt möglichst
authentisch und einmalig auszugestalten und um eine Einbindung der Projekte in
die nachhaltige Regionalentwicklung zu garantieren.
6.3.3 Nachhaltige Einbindung
Die Projekte der Kulturhauptstadt Europas sollten von Beginn an in einen
nachhaltigen Entwicklungsprozess eingebunden werden. Für Altindustrieregionen
erscheint daher die Ausrichtung des Kulturhauptstadtprogramms auf die gesamte
Region sinnvoll. Anhand Glasgows und anhand des Ruhrgebiets werden die
zahlreichen Wechselbeziehungen zwischen Städten und ihrem Umland in einer
Altindustrieregion deutlich. Im „Europa der Regionen“ und im zunehmend
globalisierten Wettbewerb zwischen den Regionen erscheint eine regionale
Ausrichtung der Kulturhauptstadt für Altindustrieregionen daher zweckmäßig. Die
gesamte Region sollte in eine abgestimmte und langfristige Strategie eingebunden
werden, in der die Kulturhauptstadt als ein Baustein von vielen fungiert. Sowohl
„Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“ als auch „RUHR 2010, Essen für das
Ruhrgebiet“ hatten bereits vor der Kulturhauptstadt Erfahrungen mit kulturgestützten
Maßnahmen gesammelt. Zur effektiven Ausgestaltung einer Kulturhauptstadt ist
dies besonders wichtig. So konnten bspw. die Akteure im Ruhrgebiet von den
Erfahrungen durch die IBA Emscher Park stark profitieren. Zusätzlich bauten viele
Kulturhauptstadtprojekte auf den Errungenschaften der IBA Emscher Park auf und
haben dadurch die angestoßenen Entwicklungen in der Region weitergetragen und
gestärkt. Die Weiterführung der Impulse, welche durch die Kulturhauptstadt initiiert
werden, ist somit ebenfalls unerlässlich. Insbesondere die finanziellen Mittel sollten
bereits im Vorfeld bereit gestellt werden. Am Beispiel der Kulturhauptstadt Glasgow
zeigte sich, dass durch die fehlende Nachbereitung der Kulturhauptstadt wichtige
Impulse und etablierte Kooperationen nach dem Jahr 1990 verloren gingen. Somit
muss die Kulturhauptstadt, gerade in Altindustrieregionen, auf einer intensiven
Vorbereitung aufbauen und wiederrum umfangreich nachbereitet werden, um
nachhaltige Auswirkungen zu erzielen.
141
7
Ausblick
Die vorliegende Diplomarbeit zeigt wesentliche Erkenntnisse hinsichtlich der
zentralen Fragestellung auf: Welche Möglichkeiten bietet das Instrument
„Kulturhauptstadt Europas“, um Altindustrieregionen bei der Bewältigung ihrer
spezifischen Herausforderungen im Strukturwandel zu unterstützen? Aufbauend auf
der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Raumtypus Altindustrieregion und
der Gemeinschaftsaktion Kulturhauptstadt Europas sowie der Evaluation der beiden
Kulturhauptstädte „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“ und „RUHR 2010,
Essen für das Ruhrgebiet“ konnten wichtige Erkenntnisse für einen effizienten
Einsatz des Instruments Kulturhauptstadt Europas in Altindustrieregionen gewonnen
werden.
Die dynamische Entwicklung der Kulturhauptstadtinitiative und die vielfältigen
Handlungsfelder von Altindustrieregionen eröffnen weitere Forschungsfelder
hinsichtlich des Themenkomplexes Altindustrieregionen und Kulturhauptstadt
Europas. Aufbauend auf den vorliegenden Erkenntnissen bieten sich folgende
weiterführende Untersuchungen an:
Eine Ausweitung der Datenerhebung zur Ex-Post-Evaluation der Kulturhauptstadt
„Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“. Aufgrund des frühen Evaluierungszeitraums (1986 - 1990) konnten ihm Rahmen dieser Diplomarbeit nur ansatzweise direkte Vergleichsdaten erhoben werden. Die vorangegangene Untersuchung basiert zum Großteil auf der Auswertung von Sekundärliteratur. Zur
effektiveren Datenerhebung erscheinen drei Dinge notwendig: erstens mit den
jeweiligen Verwaltungsinstanzen in Kontakt zu treten, zweitens vor Ort in
Archiven nach Vergleichsdaten zu recherchieren und drittens Expertengespräche
mit ehemaligen Akteuren der Kulturhauptstadt zu führen.
Eine Überführung der On-Going-Evaluation der Kulturhauptstadt „RUHR 2010,
Essen für das Ruhrgebiet“ in eine Ex-Post-Evaluation nach dem Jahr 2010. Da
die Kulturhauptstadt zum Zeitpunkt der Bearbeitung noch im Gange war, basiert
ein Großteil der Evaluation auf Einschätzungen und Meinungen der Experten vor
Ort. Es wird interessant sein, ob sich die Erwartungen im Rahmen einer Ex-PostEvaluation bestätigen oder abweichende Entwicklungen eintreten.
Eine weiterführende Analyse der Gemeinschaftsaktion Kulturhauptstadt Europas.
Es ist zu erwarten, dass sich die Kulturhauptstadtinitiative durch das Zusammenspiel zwischen den Anforderungen der Europäischen Union und den Ansprüchen
der designierten Kulturhauptstädte auch zukünftig dynamisch weiter entwickeln
wird. Ausgehend von der Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das
Ruhrgebiet“ wird es zum einen interessant sein, ob die regionale Ebene bei
zukünftigen Kulturhauptstädten gestärkt wird und zum anderen in welcher Art und
Weise zukünftig Altindustrieregionen von der Kulturhauptstadtinitiative gebrauchen machen werden
143
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Europas, Luxemburg.
Europäische Union (Hrsg.)(1999): Beschluss Nr. 1419/1999/EG Des Europäischen Parlaments und
des Europäischen Rates vom 25. Mai 1999 über die Einrichtung eine Gemeinschaftsaktion zur
Förderung der Veranstaltung Kulturhauptstadt Europas für die Jahre 2005 bis 2019, Luxemburg.
Europäische Union (Hrsg.)(2005)Beschluss zur Änderung über die Einrichtung einer
Gemeinschaftsaktion zur Förderung der Veranstaltung Kulturhauptstadt Europas für die Jahre 2005
bis 2019“, Luxemburg
Europäische Union (Hrsg.)(2006): Beschluss Nr. 1622/2006/EG Des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 24. Oktober 2006 über die Einrichtung einer Gemeinschaftsaktion zur Förderung der
Veranstaltung Kulturhauptstadt Europas für die Jahre 2007 bis 2019, Luxemburg.
Expertengespräche und Podiumsdiskussionen:
Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH: Expertengespräch am 26.10.2010.
Regionalverband Ruhr (a): Expertengespräch (Bereich Planung) am 04.10.2010.
Regionalverband Ruhr (b): Expertengespräch (Referat Kultur und Sport) am 27.10.2010.
Ruhr Tourismus GmbH: Expertengespräch am 29.10.2010.
RUHR.2010 GmbH „Essen für das Ruhrgebiet“: Expertengespräch am 08.10.2010.
Wirtschaftsförderung Metropoleruhr GmbH: Expertengespräch am 25.01.2010.
Landschaftsverband Westfalen Lippe (Veranstalter)(2010): Podiumsdiskussion: Was macht die
Kulturhauptstadt aus dem Ruhrgebiet, Moderator: Wilhelm Klümper (WAZ Chefredakteur),
Teilnehmer: Oliver Scheytt (Geschäftsführer der RUHR.2010 GmbH), Heinz-Dieter Klink (Direktor
des Regionalverband Ruhr), Achim Prossek (Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fakultät
Raumplanung TU Dortmund), 08.10.2010, Gelsenkirchen.
XVIII
Anhang
Leitfäden der Expertengespräche: Allgemeine Fragenblöcke
Teil A: Herausforderungen des Ruhrgebiets
Welchen wichtigen Herausforderungen steht das Ruhrgebiet ihrer Meinung nach aktuell
gegenüber?
Teil B: Übertragbarkeit
Inwieweit lassen sich diese Einschätzungen, über die Wirksamkeit
Kulturhauptstadt Europas, auf andere Altindustrieregionen übertragen?
des
Instruments
Teil C: Abschließende Einschätzung
Welches sind ihrer Meinung nach die bedeutsamsten Aspekte der Kulturhauptstadt „RUHR 2010,
Essen für das Ruhrgebiet“ hinsichtlich eine positive Weiterentwicklung des Ruhrgebiets?
Gibt es ihrer Meinung nach noch weitere Aspekte, die bisher nicht thematisiert wurden?
Leitfäden der Expertengespräche: Spezifische Fragenblöcke
Teil D: Wirtschaft im Ruhrgebiet
Welchen Beitrag leistet die Kulturhauptstadt zur Stärkung der Wirtschaft im Ruhrgebiet?
Werden mittels der Kulturhauptstadt innovative Impulse im Ruhrgebiet intiiert?
Ist das Instrument Kulturhauptstadt Europas ihrer Meinung nach ein wirksames Instrument zur
langfristigen Stärkung der Wirtschaft im Ruhrgebiet?
Teil E: Arbeitsmarkt im Ruhrgebiet
Welchen Beitrag leistet die Kulturhauptstadt hinsichtlich des Arbeitsmarktes im Ruhrgebiet?
Welche neuen Arbeitsplätze werden durch die Kulturhauptstadt im Ruhrgebiet geschaffen?
Welche Arbeitnehmergruppen werden davon angesprochen?
Welche Arbeitslosengruppen profitieren von den neu geschaffenen Arbeitsplätzen im Ruhrgebiet?
Ist das Instrument Kulturhauptstadt Europas ihrer Meinung nach ein wirksames Instrument zur
langfristigen Stärkung des Arbeitsmarktes im Ruhrgebiet?
Teil F: Außenimage des Ruhrgebiets
Welchen Beitrag leistet die Kulturhauptstadt zur Verbesserung des Außenimage des
Ruhrgebiets?
Wie hat sich das Außenimage des Wirtschaftsstandorts Ruhrgebiet durch die Kulturhauptstadt
verändert?
Welches sind ihrer Meinung nach die effektivsten Mittel die im Rahmen der Kulturhauptstadt zur
Verbesserung des Außenimage des Ruhrgebiets eingesetzt wurden?
Ist das Instrument Kulturhauptstadt Europas ihrer Meinung nach ein wirksames Instrument zur
langfristigen Verbesserung des Außenimage des Ruhrgebiets?
Teil G: Tourismus im Ruhrgebiet
Welchen Beitrag leistet die Kulturhauptstadt zur Förderung des Tourismus im Ruhrgebiet
Welche Touristen kommen aufgrund der Kulturhauptstadt ins Ruhrgebiet?
Hat die Kulturhauptstadt den Tourismus als regionalen Wirtschaftsfaktor gestärkt?
Ist das Instrument Kulturhauptstadt Europas ihrer Meinung nach ein wirksames Instrument zur
langfristigen Förderung des Tourismus im Ruhrgebiet?
Teil H: Brachflächen
Welchen Beitrag leistet die Kulturhauptstadt zur Umnutzung von Brachflächen im Ruhrgebiet?
XIX
Von wem wurden die Kulturhauptstadtprojekte zur Umnutzung und Weiterentwicklung (alter)
Industrieareale initiiert?
Welche Ziele langen den Umnutzungen und Weiterentwicklungen zugrunde?
Was wäre mit den (alten) Industriearealen ihrer Meinung nach passiert, wenn es die
Kulturhauptstadt Europas „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ nicht gegeben hätte?
Ist das Instrument Kulturhauptstadt Europas ihrer Meinung nach ein wirksames Instrument zur
effektiven Umnutzung ehemaliger Brachflächen im Ruhrgebiet?
Teil I: IBA Emscher Park.
Wie schätzen sie die Bedeutung der IBA Emscher Park für die Entwicklung Ruhrgebiets ein?
Wäre die Kulturhauptstadt „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet ihrer Meinung nach ohne die
IBA möglich gewesen?
Können die Errungenschaften der IBA Emscher Park durch die Kulturhauptstadt gestärkt werden?
XX
Kulturhauptstadt Europas – Ein Instrument zur Revitalisierung von Altindustrieregionen
Evaluierung der Kulturhauptstädte „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“
und „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“
Das Ruhrgebiet wurde für das Jahr 2010 mit dem Titel „RUHR 2010, Essen für das Ruhrgebiet“ als Kulturhauptstadt Europas ausgezeichnet. In Weiterführung einer Reihe von altindustriell geprägten Kulturhauptstädten, Glasgow (1990), Lille (2004) und Liverpool (2008),
setzte das Ruhrgebiet den Titel Kulturhauptstadt Europas ebenfalls gezielt zur Überwindung
altindustrieller Hemmnisse ein. Die vorliegende Arbeit nimmt die kürzlich zu Ende gegangene
Kulturhauptstadt zum Anlass, um der Frage nachzugehen inwieweit die Auszeichnung Kulturhauptstadt Europas zur Revitalisierung von Altindustrieregionen beitragen kann.
Zunächst werden der Raumtypus Altindustrieregion und das Instrument Kulturhauptstadt
Europas eingehend analysiert. Aus theoretischer Perspektive und unter Einbeziehung der
Europäischen Studie „European Cities and Capitals of Culture – Study prepared for the European Commission“ können erste Anknüpfungspunkte zwischen den Herausforderungen von
Altindustrieregionen und den Ausgestaltungsmöglichkeiten der Kulturhauptstadt Europas erarbeitet werden. Es wird deutlich, dass die Kulturhauptstadt Europas als Anstoß, als imagewirksame Auszeichnung und als vielfältig einsetzbares Instrument wirken und dadurch die zentrale
Problematik des Anpassungsstaus in Altindustrieregionen verbessern kann.
Die beiden Kulturhauptstädte „Glasgow 1990, Cultural Capital of Europe“ und „RUHR 2010,
Essen für das Ruhrgebiet“ werden als praktische Beispiele hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf
die jeweiligen altindustriellen Räume evaluiert. Die Kulturhauptstadt „Glasgow 1990, Cultural
Capital of Europe“ wird mittels einer Ex-Post-Evaluation und die Kulturhauptstadt „RUHR 2010,
Essen für das Ruhrgebiet“ mittels einer On-Going-Evaluation ausgewertet. Aus praktischer
Perspektive und durch die Gegenüberstellung der beiden Beispiele können wichtige Erkenntnisse zur Wirksamkeit der Kulturhauptstadt in Altindustrieregionen gewonnen werden. Es
wird deutlich, dass die Auszeichnung Kulturhauptstadt Europas primär zur Verbesserung des
Außenimages genutzt wurde. Den Auswirkungen hinsichtlich der Wirtschaftsförderung und der
Raumentwicklung kam in beiden Fällen eine sekundäre Bedeutung zu.
Aufbauend auf den gewonnen Erkenntnissen werden Handlungsempfehlungen für Altindustrieregionen zum effizienten Einsatz des Instruments Kulturhauptstadt Europas formuliert. Es
wird deutlich, dass die Durchführung einer Kulturhauptstadt den Einsatz hoher personeller,
finanzieller und zeitlicher Ressourcen bedarf. Für Altindustrieregionen ergibt sich daher die
Notwendigkeit, die Bewerbung als auch die Durchführung einer Kulturhauptstadt zielorientiert
abzuwägen. Darüber hinaus gilt es die endogenen kulturellen Potenziale klar und frühzeitig zu
definieren und den Kulturhauptstadtprozess in eine nachhaltige kulturgestützte Entwicklung
auf regionaler Ebene einzubinden.
Arbeitspapiere zur Regionalentwicklung
Elektronische Schriftenreihe des Lehrstuhls Regionalentwicklung und Raumordnung
Band 11, April 2011
ISSN 1869-3814