Untitled - Rote Fabrik

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Untitled - Rote Fabrik
‫طنجة‬
tanger
aus
der
asche
Tanger, die Stadt an der nordwestlichsten Spitze Marokkos, wo das Mittelmeer und der Atlantik zusammenfliessen, ist die Feriendestination manch einer vermögenderen marokkanischen Familie aus dem Süden, welche
die frische Meeresbrise der lähmenden Sommerhitze im
Landesinnern vorzieht. Doch Tanger ist primär das Tor
zu Afrika: die Stadt des Transfers von und nach Europa; allein im Sommer, der alljährlichen Stosszeit, wird
mit rund 2,7 Millionen Fahrzeugen auf den Fähren gerechnet.
Zur längst fälligen Linderung dieser Verkehrsplage für
alle Einwohner und zur Optimierung des Handelsverkehrs entstand östlich von Tanger auf dem Weg nach
Ceuta ein gigantischer neuer Hafen. Das Milliardenprojekt, das die internationalen ökologischen Standards
erfüllen soll, schuf rund 140'000 neue Arbeitsplätze.
Der alte Hafen von Tanger mit seiner typischen langen
Mole wird künftig primär touristischen Zwecken dienen und u.a. auch einen Yachthafen für die Reichen bieten, während die Verkehrslawine zusammen mit dem
Handelsverkehr auf die belastbarere neue Anlage umgewälzt wird.
Im Schatten der allsommerlich anwachsenden temporären Völkerwanderung läuft in und um Tanger eine andere, die klandestine. Tanger zieht viele Menschen aus
dem Süden an, die Europa erreichen wollen, denn die
spanischen Enklaven Ceuta und Melilla liegen nahe, und
die Strasse von Gibraltar ist lediglich 14 km breit. In den
letzten 10 Jahren sind ca. 8000 Menschen beim Versuch
ums Leben gekommen, die Meeresstrasse illegal zu überqueren; todesmutige, verzweifelte, hoffnungsbeseelte
Sans-papiers, so genannte «Harragas». Mitunter rücken
die Vorfälle an der Grenze zu Melilla die katastrophalen Lebensbedingungen der oft schwarzafrikanischen
Flüchtlinge, die in Camps in den Hügeln um Tanger hausen, jäh ins Rampenlicht. Doch im Stadtzentrum von
Tanger zeigen sich Sans-papiers kaum. Manchmal allerdings tauchen sie am Rand der Suqs auf, um in den
grossen Abfalleimern zu stochern, vor Dreck starrende
Gestalten, oft unbeschuht; man erblickt durch die Stadt
streifende jugendliche Klebstoff-Schnüffler, zu zweit, zu
dritt, abgemagert bis auf die Knochen; oder man wird
von einer heimatlosen Schwarzen mit umgegürtetem
Säugling um ein paar Dirham angegangen. Auf jeden
Fall ist die Dunkelziffer der Sans-papiers hoch, was dazu
beiträgt, dass es schwer ist, zu sagen, wie viele Einwohner Tanger tatsächlich beherbergt; die Angaben schwanken zwischen 700'000 und einer Million.
Tanger, bereits während der Weltkriege eine Hochburg
für Spionage-Affären, spielt auch eine Rolle im internationalen Terrorismus. Spuren der Al-Kaida-Attentate
in Madrid vom 11. März 2004, die 191 Menschen das Leben raubten, führten nach Tanger und Tetouan. Dorther
stammten mehrere der am Anschlag beteiligten Personen. Doch darf man nicht vergessen, dass Marokko am
16. Mai 2003 in Casablanca selbst zum Ziel eines Al-Kaida-Anschlags, bei dem 44 Menschen vorwiegend marokkanischer Herkunft umkamen, geworden ist. Eigentlich
nicht erstaunlich, denn das Land gilt als Speerspitze eines liberalen arabischen Staats und widersetzt sich hartnäckig den Übergriffen des islamistischen Fundamentalismus: König Mohammed VI, seit 1999 im Amt, im
Volksmund auch «M6» oder «le roi des pauvres» genannt,
ist gleichzeitig staatliches und religiöses Oberhaupt des
Landes; ein kluger Schachzug zur Wahrung der Macht
in einem islamischen Land. Das Regime verfolgt die Anstrengungen der Extremisten mit harter Hand. Terroristische Pläne durchkreuzt der marokkanische Geheimdienst immer wieder erfolgreich. Private Koranschulen
und Moscheen wurden nach dem Anschlag in Casablanca landesweit geschlossen, um die Vermittlung des Islam staatlich zu regulieren. Der Streit um die Mohammed-Karikaturen warf in Marokko kaum Wogen. Der
König pflegt gute Beziehungen zu den USA, ganz im Stil
seiner alawitischen Vorfahren, die 1777 unter den ersten Regierungsvertretern weltweit die USA als Nation
anerkannten. Allein in Tanger bezeugen die maghrebinische Eliteschmiede American School of Tangier, die
American Legation mit ihrer umfangreichen Bibliothek
und das rege besuchte American Language Center diese produktiven Beziehungen. Was die Stellung der Frau
in der marokkanischen Gesellschaft betrifft, so löste die-
ser Herrscher vor seiner Hochzeit mit der bürgerlichen
Lalla Selma aus Fes im Jahr 2002 – der ersten Königin,
deren Gesicht und Haar das Land erblicken durfte! – den
königlichen Harem auf, und unter seiner Regierung wurden 2004 die Rechte der Frau mit der Moudawana, dem
neuen Familienrecht, europäischen Massstäben angeglichen. Zudem herrscht heute in Marokko eine weitgehende Pressefreiheit; zensuriert wird ein Medium lediglich, wenn es das Königshaus verunglimpft, die Religion
beleidigt oder die Frage der Westsahara nicht regierungskonform behandelt. Was aber nicht verhindert,
dass die Islamisten, die in der Regierung einsitzen, sich
immer mal wieder bemerkbar machen. Zuletzt mit der
Stigmatisierung eines jugendlichen Liebespaares aus
Nador, das auf Facebook ein harmloses Kussfoto veröffentlicht hatte und danach für fünf Tage ins Gefängnis
wandern musste. Die Aktion löste zahlreiche solidarische marokkanische Kussfotos auf Facebook aus... Der
Prozess gegen den 15-Jährigen und seine 14-jährige
Freundin ist allerdings noch nicht ausgestanden; er wurde auf den 22. November vertagt. Auch die Filmzensur
ist offener geworden. Das demonstrierte bereits 2005 der
Film ‹MaRock› von Laila Marrakchi. In ihm bricht die
30-jährige Regisseurin religiöse und gesellschaftliche
Tabus, wenn sie die Liebe zwischen einer Muslima und
einem Juden schildert, auf die Drogenprobleme der Jugend und den kaschierten Umgang mit Alkohol fokussiert, die hohle Arroganz der bourgeoisen Oberschicht
entlarvt und den Finger auf die Enge eines überspannten, im Grunde menschenfeindlichen Islamismus legt. –
All dies erklärt hinreichend, weshalb Marokko extremistischen Fundamentalisten ein Dorn im Auge ist.
Hassan II (1929-1999), der Vater von Mohammed VI,
schätzte die Stadt nicht; er liess «die Schöne des Nordens» verkommen, denn er bevorzugte die traditionellen Königsstädte. Da die Kontrolle des königlichen Auges fehlte, konnten öffentliche Gelder leicht in den
Taschen korrupter Beamter verschwinden. Doch der
neue König residiert jeden Sommer hier in seinem Palast auf dem Alten Berg. Das bedeutet, dass ein ganzer
Hof inklusive Armee sowie Potentaten aus aller Welt
samt Entourage nach Tanger kommen, Regierungsvertreter und Investoren. Auch das bringt Arbeit und macht
die Anhebung der städtischen Infrastruktur notwendig.
Dazu gehört, dass sich die Sicherheit seit den rüden 80er
und 90er Jahren bedeutend erhöht hat. Sukzessive wurden alle Plätze der Stadt neu gemacht und Tanger auferstand wie ein Phönix aus der Asche. Zahlreiche alte
Häuser wurden renoviert, das Strassenbild verbessert.
Der Grand Socco, der grosse Platz vor dem Eingang zur
Medina, wurde neu gestaltet; die erste Umarbeitung des
Platzes missfiel dem König so sehr, dass er sie binnen
einer Woche dem Erdboden gleichmachen liess. Augenfällig ist auch die Renovation der Bauten aus der Kolonialzeit an der ehemaligen Avenue d’Espagne, der heutigen Avenue Mohammed VI, der palmenbestandenen
Frontroad des Hafens. Selbst der Springbrunnen auf der
Place de la France wirft wieder seinen erfrischenden
Wasserstrahlenkranz.
Vieles ist in Tanger im Auf- und Umbruch, auch kulturell... Das Theater Cervantes soll bald wieder wie in alten Glanzzeiten spielen. Im ehemaligen Cinema Rif am
Grand Socco ist eine Cinemathek entstanden, die als
Treffpunkt der jungen Intelligenzia gilt und weit über die
Region ausstrahlt. Die grossen Namen von Tanger, schillernde Zelebritäten, sind nicht mehr. So starb 1999 Paul
Bowles, der Titan von Tanger, der über 50 Jahre lang in
dieser Stadt lebte und wie kein anderer Exilautor das
tangerine Dandytum mit grosser internationaler Anziehungskraft repräsentierte. 2003 starb Mohamed Choukri, die Stimme von Tanger, dessen schonungslose Autobiographie ‹Das nackte Brot› in Marokko jahrzehntelang
verboten war und noch heute in der arabischen Welt Diskussionen auslöst. Doch der energetisch aufgeladene
Kern der Stadt, die zu den ältesten besiedelten und besungenen Zonen Nordafrikas zählt, hängt von keiner
Epoche ab. Tanger als Zone des Vergessens einerseits,
als legendenstiftende, urtümlich kreative Zone anderseits scheint von unauslöschlicher Anziehungskraft; das
straft jene Stimmen Lügen, die behaupten, es gäbe in
Tanger keine interessanten Köpfe mehr. Mohammed
Mrabet (*1940) malt und erzählt, selber illiterat, in ungebrochener Schaffenskraft weiter. Souad Bahéchar, neben Ahmed Beroho und Lotfi Akalay eine überregional
bekannte Autorin, wurde für ihren in Tanger spielenden
Roman ‹Ni fleures ni couronnes› (2000, dt. ‹Wüstenkind›)
preisgekrönt. Die Zürcher Fotografin Amsel lebt und arbeitet regelmässig in Tanger. Abdenbi Sarroukh schreibt
hier arabische Poesie in der Spiritualität eines zeitgenössischen Sufismus. Bernhard-Henri Lévy hat sich auf
dem Marshan, gleich neben dem 1921 eröffneten terrassierten Café Hafa, eine schnieke Villa mit Blick auf die
Strait gekauft. Tahar Ben Jelloun und Abdelwahab Meddeb sind oft in der Stadt anzutreffen. Alfred Hackensberger, der Journalist und Autor, hat der Stadt zahlreiche Artikel und Gedichte gewidmet. Vor wenigen Wochen
tauchte Pablo Haller, der junge Luzerner Autor, zum wiederholten Male in der Stadt auf, der er in seinem vor wenigen Monaten erschienenen Gedichtband ‹Südwestwärts 1 & 2› ein Denkmal gesetzt hatte.
Wer Marokko besucht, erfährt bald, dass hier das mythische und das magische Weltbild weiterleben bzw. unberührt von den Elementen der modernen Zivilisation,
neben ihr, weiterexistieren; Koexistenz ist das Schlüsselwort, nicht Verwischung kultureller Unterschiede.
Wie Juan Goytisolo in seinem in Tanger angesiedelten
Bewusstseinsstrom-Roman ‹Reivindicación del Conde
don Julián› (dt. ‹Rückforderung des Conde don Julián›)
geschrieben hatte: «Die Ingredienzien alle nebeneinander, ohne sich je zu vermischen, wie geologische Schichten, die sich in Jahrhunderten ablagerten, wie Flüssigkeiten von verschiedener Dichte, die im Probierglas des
Wissenschaftlers oder Gelehrten eine auf der andern
schwimmen, vereint zwar, aber nicht vermischt». Damit
verbindet sich mit Tanger eine für die heutige Zeit wegweisende Botschaft: Die Botschaft der möglichen friedlichen Koexistenz der Völker, Kulturen und Religionen.
von Florian Vetsch
tangier
undead
«And when the graves start yielding up the dead—Goddammit I pay rent in perpetuity for the old gash, now
she rise like Christ in drag»—William S. Burroughs, ‹Interzone›
In 2006, Tangier received a new central park in lieu of
two graveyards: the Muslim Sidi Bu’arāqiyya and the German and European International Zone era Mendūbīya.
For ten intense months the city unearthed their dead to
make a rushed bid for 2012 World Exposition city. For the
Grand Socco (Place du 9 Avril) to be more welcoming, fires burned incessantly for weeks at a time, casting an
ashen cloud over the city and clearing a dense jungle of
vegetation. Then bulldozers arrived to make way for wider roads and tore down the 10 ft. walls, sometimes also
known as «cache-miseres», hiding abandoned lots. Dust
that seemed to have coated signs since the International
Zone started to dislodge.
The city replaced unruly native plants with a sleek
lawn and red geraniums, the bland official flower symbolizing flag, state and monarchy. Between incineration
and excavation, the elaborately tiled, low Muslim graves and the grandiose European sepulchers, final resting
places for International Zone residents and an all but
forgotten German population before that, appeared for
a brief window of time before disappearing definitively;
the central graveyard’s ghosts, however, do not.
The impenetrable cemetery had in fact been home
for a significant population of vagrants, migrants and
misfits since at least the 1950s. Glue sniffers, alcoholics
and the down-and-out sleep on graves alongside the city’s
large stray dog population. Winding paths between gravestones were strewn with Pastis bottles and boxes of
Don Garcia Tinto. Many of the cemetery’s living residents come to Tangier either from Sub-Saharan Africa
hoping to cross to Spain or on the coattails of urban migration in the search for the new economic policies promise of employment.
Simultaneously, unregulated building, often funded by drug money, has created rapid urban sprawl and
subsumed many of the villages surrounding Tangier, displacing their residents. The latest, most ambitious economic plan includes the Tangier Exportation Free Zone
and mega ports Tanger-Med I and II, late capitalism’s
version of the International Zone in which goods rather
than people are deregulated.
When the writer Mohammed Choukri first came
to Tangier during the first wave of urban migration in
the 1950s, he describes sleeping in the Bū’arāqīya Cemetery in someone’s well-tended family plot. In ‹For
Bread Alone›, translated by Paul Bowles, Choukri finds
solace in the cemetery after his first time prostituting
himself to a Spanish man.
I was approaching the entrance of the cemetery, and it occurred to me that
a graveyard is the only place you can go into at any hour of the day or night,
without having to ask permission […] What does it mean to allow a man
sixty or seventy years old to suck on me and then give me fifty pesetas?
[…] there was no safer place than the cemetery. I think the human race respects its members more when they are dead than when they are alive.
As a country boy with no education, Choukri is on the
lowest rung in the social and economic ladder and barely manages to eke out a living – « photograph a piece of
bread» in local parlance. After teaching himself classical Arabic, he transitions to writing stories about his
struggles in hard and morbid times.
One clear spring day in 2006 during the development, passing by the destruction zone, I was approached
by a man with his hand in a black plastic bag. No sooner
had he started, «Would you like to buy an antique…» had
he pulled out a yellowed and chalky femur bone: «German?», he finished gleefully. For that month in May, the
new base economy focused on looting the graves. Many
people watched from higher ground, lingering for hours
to watch the official and unofficial pillaging of neglected tombs. Some peered inside, dreaming up biographies
for the people once buried there and futures for the spirits now freed. The demolition happened so quickly that
both the Muslim families with relatives in the graveyard
and foreign attachés with an interest in the cultural heritage hustled to demand their relatives’ bodies moved
and to save a few graves as monuments.
As early as 2003, according to a city map from the urban
planning office, the entire zone of the cemeteries was redesignated an «espace vert» – a public park, literally
«green space». The rezoning law makes use of a regulation that determines the number of years after which a
skeleton may be exhumed, which in Morocco is 40 years
after burial. The Mendūbīya gardens includes all the
prime real estate between Zankat Hassan I and the Grand
Socco and from rue d’Italie (what was before by some
maps rue de Telegraph Anglais and then Calle Josafat)
roughly halfway to rue de la Hollande. In 2006, the city
razed a Jewish cemetery near Casa Barata, a large shopping area that needed to expand. The Jewish Cemetery
with a prime view of the Mediterranean Ocean across
from the American Steps has also been endangered, and
the tiny remaining Jewish population has been fighting
to make sure it remains. A pet cemetery was similarly
demolished to make way for the coastal road that carries
summer visitors directly from the port of Tangier to the
Atlantic coast resorts.
On April 12, 2013, five years after the transformations, Tanja24.com published an article entitled: «Absence of Light Transforms Gardens into a Space for
Vice.» The article proclaims that the lack of lighting has
caused a panoply of immoral proceedings and armed
robberies in the garden and that «the ghosts of these
events pursue the neighborhood residents and the citizens of Tangier». Achamal Press wrote an article called
«The Mendūbīya Gardens Has Become a Haven for Perverts and a Theater for Armed Robberies» and Maghress.com writes, «Bū’arāqīya Cemetery in Tangier…
Brothel for the Homeless and Trashheap for Residents».
Indeed whether a cemetery, park or wasteland,
the tract of land has always served as a theater that persists in making visible the invisible underbelly of Tan-
gier. In 2000, the American School of Tangier held their
annual theatrical production in the cemetery by the
Mendūbīya Amphitheater. The actors in ‹The Tempest›
jumped through bushes and carried torches around nonactors, sleeping bums and alcoholics, as Prospero recited his generous assessment of his conspirators’ material aspirations: «These our actors /As I foretold you,
were all spirits and / Are melted into air, into thin air /
And, like the baseless fabric of this vision / The cloudcapp›d towers, the gorgeous palaces / The solemn temples, the great globe itself / Yea, all which it inherit, shall
dissolve.» The lines rhyme with Marx’s warning that «All
that is solid melts into air, all that is holy is profaned.»
Unsurprisingly, then, the new, hard-won officepark style lawn isn’t sacred either. One section that is
now park, just to the east of the Mendūbīya Historical
Administrative zone, is officially designated as a parking
area and commercial center. On October 14th of this year,
an article that has disappeared three days after its publication, proclaimed that a new building had been erected within the limits of the green space. The Association for the Protection of the Rights of Consumers in
Tangier released a statement still available on their website (rabitatanger.com) about the exploitation of the public land. Corruption often goes hand-in-hand with such
violent, rapid urban renewal projects. What happens if
Tangier loses its microcosmic grand Mediterranean and
international history and its public space as theater all
at once, especially when they are one in the same?
When the Wilaya, or City Hall, started work on the Muslim side of the graveyard, Khadija Biari, the landscaping
engineer for the City of Tangier said, «there was a scandal. People from the neighborhood were shocked.» Biari is a petite woman with tight, curly, brown-gray hair.
She is dressed in a black and white pin-striped pants suit
and stands so straight it looks like she was carved from
one solid piece of granite. When she originally came from
Rabat, she thought she would fix up the Palais de Marshan and leave but with «les grands changements», she
has been in Tangier for 7 years.
The idea for public work comes directly from the
King to the Wali, the King-appointed governor, who at
this time was Mohammad Hisād. He came to Tangier
fresh from victories renovating Marrakech for tourism.
The final product isn’t always what the King has in mind.
Earlier in 2006, the Grand Socco received a new grandiose fountain at its center, but when the King drove by
in his black, waxed convertible, he decided it wasn’t large enough and had it razed. The old architect was fired.
The process recommenced twice before the installation
of the gray-marble, disproportionate fountain that survives today.
«There is no meeting with the public required,
but in this case it was unavoidable», Biari relayed about
the cemetery project in an interview. «Though all of the
graves are more than 40 years old, people wouldn’t accept the plans to tear up the bodies. We ended up having
to consult with neighborhood NGOs, because they acted
as voices of the people. We never stopped the construction, but we tried to solve problems right on the spot.»
She named two leading NGOs as chief negotiators, Fondation Boughass (le detroit) and Fondation Tanger Medina. One thing they were able to negotiate was the preservation of a handful of graves that were known by
historians to be «shorfa», or descendants of the prophet,
family names such as Bakhali and Boun’aich.
There are projects that maintain a park and cemetery simultaneously. Mount Auburn Cemetery, Cambridge, Massachusetts, in the United States in 1831, is
the model for this kind of park. Though nowhere near to
the same extent as in a place like Mt. Auburn, Biari said
the finished product could be a quiet meditative place
where the living co-exist with the dead. Biari’s own
grandmother was buried in 1957 in the section behind
the mosque and was moved during construction.
However, many of the International Zone characters, far from saints, had no advocates. No longer connected to the society at large, with no remaining family
members to visit the graves, perhaps the International
Zone had become like a gangrened limb that needed to
be cut off to make room for the era of Globalization.
Tangier’s palimpsestic architecture bears witness to its
multivalent past and can be heard uttered by official and
the city’s notorious «fake» tour guides alike. If the
Phoenician had not left tombs dating from the 5th century B.C. carved into a rock face, the Phoenician era
would be forgotten. Instead, it is a salient fact of daily
life. Likewise the Portuguese wall erected in the 1400s
remains a legacy of the Portuguese colonial period in
Tangier among so many in Tangier’s past, is a visible
remnant.
It was just this kind of thinking that sent Hans
Tischleder, director of the Association germano-marocaine du nord into the mud and unearthly rotten smell in
1992 and again in 1995. He was looking for German
tombstones in the overgrown land that would prove the
German presence. Hans tends to throw people off due
to his traditionally inspired attire, as well as his stature
and long white hair. He wears what amounts to a djelleba but without the hood, a gandora but shorter, and with
the pants of a khasaba, which he specially designed with
his Moroccan tailor. Among the rubble, he found lone
broken angel wings and crosses planted in the ground
upside down. There were large house-like tombs, crypts,
mausoleums. Obelisks and crosses, angel and wreathes
recalled monuments like that in Place de la Concorde, or
the well-known Roman relic «Diosa Vesta», a marble statue of a woman more than 2 meters tall discovered in the
Grand Socco. He was using as a map and guide, a manuscript written in 1964 by the headmaster at the German school that existed briefly between 1909 and 1914.
Mr. Lotthammer’s book, which will be published next
year, starts out with an attempt at regaining lost information about those under the weight of marble, similar,
but unfortunately less thoroughly than ‹A Foreign Field›,
which is an amusing and informative book of gossip about
the protestant St. Andrew’s Cemetery.
The German graves were gathered and moved
under the shade of some of the original palm trees. Now
healthy and majestic, the paths designed for the cemetery were planned first and foremost around the existing
palms. Some of the other older trees were to be done
away with, until similar complaints arose from the public and spared them. While hand-choosing the graves,
Mr. Tischleder noticed some other notable figures of
Tanger and equally managed to protect them as historical monuments, a slight way down the hill from the large marble tablets commemorating Sultan Mohamed V’s
famous speech, April 9, 1947. The new monuments were
inaugurated July 16, 2007.
Prior to 1914, the Mendūbīya was the German
Legation, known as «Kaiserhaus» and the cemetery was
exclusively German. Wilhelm I had purchased it from the
Swedes during a landgrab around 1876. When the Germans were banished from the International Zone during
WWI a dahir subsequently allowed the Sultan to confiscate and liquidate their properties in 1920 and 1922, and
the land defaulted to the Sultan Abdellaziz. Other Europeans were buried there between 1920 and 1950. From
an account by Elisa Chimenti in the 1950s, was just starting to be covered over with thorned plants and cracked irreversibly. At that time she wrote advising the cemetery be cleaned lest we forget the people and stories
within forever.
In the late ‘70s, the city widened present-day rue
d’Italie. The Service d’Hygiene brought about 50 grave
stones of the rue d’Italie to the Catholic Cemetery in the
neighborhood called California and fit them into a grid
of apartment-like tomb complexes. In the fashion of outsiders huddling together, all bodies regardless of religious affiliation ended up there. To find someone, one
must refer to a dusty old set of drawers like a card catalogue at a library or a museum. The guardian doesn’t read
roman letters and the cards follow no alphabetical order.
The tombs spared include that of the mother of
Perdicarus, the Greek-American shipping magnate. In a
great story of a typical Tangerine diplomatic intrigue,
Perdicaris was kidnapped by the rebel Raisuli, and later,
after a handsome ransom had been promised for him,
wrote a letter later published in ‹The New York Times›
calling Raisuli a gentleman and defending Raisuli’s cause.
His house also stands in dilapidation in the Rmilet forest.
His tomb where he was buried with his mother stood in
the graveyard, but the plaques were stolen during construction. His mother’s plaque read: «To Margaret, widow
of C.A. Perdicaris, who «fell asleep» on the 22nd of June
1885, honored and beloved by all who knew her. A devoted wife, who was more to her son than words can express.
Beyond the shadow of the tomb effulgent radiance illuminated her vision. Erected by her son Ion Perdicaris.»
Other tombs turned monuments include Paul
Schmucker, the head of the German post office which
was located in the Petit Socco where Café Fuentes is today; Doctor Cenarro, a Spanish physician who opened
the first Center for Hygiene in Tangier, a model that became a full hospital in Tangier and Tetouan that both remain open today, and whose name was also given to the
street leading to St. Andrew’s. Otto Wilhelm Tietjen was
the Chancellor of the German Ministerial Residence.
Emma Herdman, eldest daughter of James Herdman is
buried with the memory of her devoted labour in Morocco, as an hon. missionary of the North African Mission. A biography was written about her based on her
unpublished letters. In it she has the insight, «A spontaneous native ministry gives no offense and draws, while
anything foreign repels.» Accounts tell of her work in
Fez and witnessing rebel battles with the Sultan.
One unassuming grave is that of Mr. Eduard Haessner, who was the victim of an unsolved murder in 1896
at the age of 45. He was infamous for having negotiated
the move of the Moroccan mint from France to Berlin
behind the backs of the French, which might have made
him a target for a vengeful bullet. Thomas William Reid
Esq., «who died on board ship in Tangier bay on his passage home», is accompanied to the afterworld by cautionary Psalm XXII: «Trouble is near for there is no one
to help».
As Michel Foucault said of Western civilization’s
regard for its cemeteries in his 1967 lecture ‹Of Other
Spaces, Heterotopias›: «…from the moment when people are no longer sure that they have a soul or that the body
will regain life, it is perhaps necessary to give much more
attention to the dead body, which is ultimately the only
trace of our existence in the world and in language.» In
Tangier, there are plenty of people who still believe in
the soul. A fertile emplacement, embodiment and environment for that renewal or reanimation is not any less
important. Perhaps it is even more so.
As the writer William S. Burroughs, the infamously lecherous vagrant and conceivable refugee from
corporate America, wrote on the eve of Moroccan Independence in 1954:
Live and let live is impossible. If you let live, they will kill you by creating
an environment in which you have no place and will die out. The present
psychic environment is increasingly difficult for me to endure, but there is
still leeway, slack that could be taken up at any time. Safety lies in exterminating the type that produces the environment in which you cannot live.
So I will die soon—why bother? Some form of transmigration seems to me
probable. I am now, therefore I always was and always will be.
Burroughs’ reference to «live and let live» recalls neoliberal capitalism, spreading with Coca-Cola to countries embracing nationalism and free market systems as
alternatives to colonialism. The spirit of co-ownership
and co-habitation must be constantly negotiated and
redefined, but sharing a common history and environment, one that remains staunchly in sight, makes it easier to orient towards a common, equally ephemeral and
vulnerable future.
by Simona Schneider
der Titan
von
tanger
Tanger – Wird die Begegnung mit Paul, wie ihn hier alle
ganz familiär nennen, so sein, wie alle hier in Tanger sagen – alle, die ihn vergöttern, und auch die Handvoll, die
ihn nicht ausstehen kann? Wird der Titan von Tanger,
88 Jahre alt, in seinem verdunkelten Zimmer auf dem
Bett liegen, nachmittags den ockerfarbenen Morgenmantel tragen, pünktlich den 5-Uhr-Tee mit einem Strohhalm aufsaugen und ohne Unterlaß kiffen?
«Sie müssen Paul unbedingt besuchen», rät bei unserem
Besuch 1999 Mohamed Choukri, dessen Bekanntschaft
alleine schon ein Reise nach Tanger wert ist. Choukri,
krauses Haar und dicker Oberlippenbart, gilt als einer
der wichtigsten arabischen Schriftsteller der Gegenwart.
Mittags um zwölf sitzt er fast täglich nahe dem Place de
France im Café Pilo, trinkt sein Kreativbier und entgrätet nebenbei mit den Fingern frittierte Sardellen. Früher war Choukri um diese Zeit schon so betrunken oder
zugekifft, daß er kaum mehr ansprechbar war. Aber mit
60 kennt er nun schon Maß und Ziel.
Choukris Bücher stehen zum Teil auf dem Index,
hier in Marokko und in fast allen islamischen Ländern.
Militante Moslems haben ihn ganz oben auf ihre schwarze Todesliste gesetzt. Choukri erzählt – wenn man ihn
ausfragt, sonst schweigt er einen an – nicht anders als
in seinen Büchern: Kurze Sätze, klare Worte eines bescheidenen Mannes, der sich als Teenagerganove durchschlug, mit 15 schon fast jede Nutte in Tanger beschlafen hatte und erst mit 21 lesen und schreiben lernte.
«Tanger hat nichts Eigenes. Es lebt nur vom Blut der anderen, von der Inspiration der Fremden», sagt er ohne
Pathos, ganz allgemein. Jugenderinnerungen formuliert
er beiläufig: «Ich konnte damals aus den Mülleimern der
Ausländer gut essen.»
Choukri also, der die Wohnung mit einem Eichhörnchen teilt, schätzt Pauls Arbeit hoch, aber privat
mag er ihn nicht mehr leiden. Doch das wird er erst viel
später preisgeben, wenn abermals die Rede auf die Legende der Weltliteratur, den existentialistischen Kultschriftsteller Paul Bowles kommt, zum Denkmal geworden durch seinen von Bernardo Bertolucci (‹Der letzte
Kaiser›) verfilmten Bestseller ‹Himmel über der Wüste›. Die Geschichte handelt, 1940 in Tanger geschrieben,
von Port (John Malkovich) und seiner Frau Kit (Debra
Winger), ein amerikanisches Aussteigerpärchen, das der
Zivilisation überdrüßig mit Champagner im Koffer durch
die Sahara reist. Die Suche nach dem Thrill des Orients
endet furchtbar: Port stirbt im Typhus-Delirium; Kit wird
von Beduinen vergewaltigt und verfällt dem Wahnsinn.
Das Buch sei auch eine Parabel auf Tanger, sagen viele,
die auch meinen: Paul ist Tanger, Tanger ist Paul.
Paul bleibt vorerst unauffindbar, ein Phantom.
Wer weiß, ob er sich nicht schon totgekifft hat, und keiner hat’s gemerkt. Egal, Tanger, Afrikas Schwelle nach
Europa, harrt der Entdeckung. 14 Kilometer, gerade zwei
Stunden braucht man mit der Fähre über die Straße von
Gibraltar bis zur spanischen Küste. Das moderne Tanger ist unansehnlich. In Bestlagen stehen die als «KifSilos» bezeichneten Hochhäuser leer. Auf karg-grüne
Wiesen gebaut, mit Gras finanziert. Flair entfaltet das
neue Tanger nur zwischen fünf und neun am Abend,
wenn man in den Straßencafés entlang des Boulevard
Pasteur sitzt, bei Café au lait Müßiggang zelebiert und
beiläufig den hübschen Marokkanerinnen hinterhersieht.
Das Herz der Stadt aber bildet die Medina, der Petit
Socco, ein orientalischer Souk mit verwinkelten steilstufigen Gassen. Geschäft an Geschäft, Werkstätten,
Gold- und Silberläden, kleine Cafés, ab dem Nachmittag ein arges Menschengeschiebe.
Wer nur durch den malerischen Petit Socco hetzt,
der sieht zwischen verschleierten Frauen und Männern
in langen Kaftanen nichts außer Teppich-, Lebensmittel- und Postkartengeschäften, fragt sich vielleicht, wer
all die feilgebotenen Blechtöpfe und bunten Plastikeimer kaufen soll, deren Menge den Grundbedarf ganz
Afrikas an Haushaltsgeräten decken könnte. Erst mit
viel Zeit und Ruhe und neugierigen Augen beginnt man
hinter die Fassade zu sehen.
In Cafés wechseln kleine Päckchen und größere
Banknoten im Handumdrehen den Besitzer. Viele Läden
sind nicht mehr als Camouflage. Die zivile Polizei fischt
regelmäßig, Knüppel aus dem Sack, soviele Leute ab, wie
in einen Mannschaftswagen passen. Irgendein Gauner
ist garantiert immer dabei. Der Rest sitzt mit blutigen
Nasen ein paar Stunden später wieder im Socco. Bis zum
nächsten Gauner und Gendarm.
Im Socco nistete sich einst Barbara Hutton ein,
die Woolworth-Erbin, das «little poor rich girl». Daß
eine der reichsten und unglücklichsten Frauen der Welt
diese Nachbarschaft suchte, um umgeben von Armut in
einem mondänen Goldkäfig zu leben – im Socco vergißt
man sie nicht, die Barbara und ihre glamourösen Feste,
für die der arme Socco, der schmuddelige Socco die folkloristische Kulisse abgab.
Tanger, der Mythos. Ihren Ruf verdankt die 280
00-Einwohner-Stadt dem internationalen Status, den sie
von 1923 bis bis zur Angliederung an das Königreich
Marokko im Jahr 1956 hatte. Tanger war Freihafen. «Es
herrschte pure Anarchie», erinnert sich Madame Rachel
Muyal. Sie führt seit 42 Jahren die Buchhandlung «Librairie des Colonnes», in der Truman Capote, Tennessee
Williams, Taher Ben Jalloun, Choukri, Bowles und wie
all die Tanger-Literaten hießen und heißen, lasen.
Drogen, Sex, krumme Geschäfte. Europas und
Amerikas freakige Intellektuelle, Schickis, Hippies und
Aussteiger (auch die mit Champagner im Koffer), Abenteurer und Glücksritter strömen noch immer nach Tanger. Auf den Spuren der großen Freiheit, der großen
Deals, auf den Spuren großer Namen.
Tanger, die Stadt der Erinnerung. Rick’s Bar befand sich einst im El Minzah, heute ein im maurischen
Stil auf nostalgisch renoviertes Hotel nahe dem Petit Socco. Warum der Film mit Humphrey Bogart ausgerechnet
nach Casablanca, Marokkos Kapitale der Tristesse, benannt wurde, das weiß auch der 95jährige hagere Mr. Gordon nicht, der im Minzah regelmäßig am Tresen steht. Er
ist der letzte lebende Mitbegründer des CIA.
Der Maler Henri Matisse durchlief in Tanger
seine blaue Phase, nicht nur künstlerisch. James Bond
erwählte für ‹ The Living Daylight› das Phanasie-Palais
Mandoub, das die Medina krönt, als Kulisse. In dem Palast aus tausend und mehr Nächten, feierte der Mulitmilliardär Malcolm Forbes seine pompösen arabischen
Nächte. Elizabeth Taylor honeymoonte hier mit ihrem
seinerzeit frisch angetrauten Handwerker Larry Fortensky. Stones-Gitarrist Brian Jones ließ sich in Jajouka, ein Dorf außerhalb Tangers – wie lange davor schon
Duke Ellington und Dizzy Gillespie – von den GnaouaKlängen der Sufis musikalisch inspirieren. ‹Pipes of Pan›
hieß das Album. Die Marrokaner revanchierten sich bei
dem Rolling Stone mit einem marokkanischen Song:
‹Brahim Jones, Jajouka very stoned›.
«Tanger, die Stadt der Lumpen», fluchte der
Schriftsteller Truman Capote, der wie Tennessee Williams und William S. Burrroughs selten unbekifft anzutreffen war. Burroughs, der Prophet der Beat-Generation, hat nie aufgehört zu behaupten, er wisse überhaupt
nicht, wie sein Kultbuch ‹The naked lunch› in Tanger
entstanden sei. Immer wieder beginnen oder enden Geschichten in Tanger mit Kif, das aus den nur 100 Kilometer entferten Rif-Bergen stammt.
Dort liegen die großen Hanfplantagen, die die
Europäische Union nun mit viel Subventionen in Kartoffelacker umwandeln lassen will. Doch die Hanfbauern denken gar nicht daran. Zu gut laufen die großen
Deals und auch die kleinen. Einkaufen beim Erzeuger.
Was deutschen Winzern recht ist, ist den Kif-Bauern aus
dem Rif-Gebirge nur billig. EU-Kartoffeln, igitt!
Tanger, die Laszive. Für so gut wie jeden Marokkaner, der nicht aus Tanger stammt, ist die Stadt der Inbegriff des Sündenfalls, korrupt, verrucht, verdorben,
verhurt – und verdächtig, weil man hier ganz kosmopolitisch außer Französisch, der offiziellen Zweitsprache
Marokkos, auch noch Englisch und Spanisch spricht.
Schwule finden in Tanger mühelos ihre Liebhaber, in
Straßencafés oder im Miami Beach Club. Lesben müssen vorsichtiger sein. Homosexualität ist im Islam verboten. Für Frauen ist sie selbst im liberalen Tanger ein
bißchen verbotener als für Männer.
Wenn überall sonst in Marokko, in Fez, in Rabat
oder in Casablanca, gegen zehn das Leben in Tiefschlaf
fällt, dann ist in Tanger erst einmal Schichtwechsel. Die
Gassen im Petit Socco leeren sich. Wer jetzt noch mit
Blick aufs Meer, im Café Hafa sitzt und die letzen Kringel des Joints in die laue Nachtluft bläst, der ist bald mit
sich und dem Kellner allein.
Die Nacht gehört den vagabondes und den frangines, ein
arabisch-französiches Wort, übersetzt «die Freiheitlichen». Auch bonnes soeurs werden die frangines genannt,
die guten Schwestern, die weiblichen Opfer der maroden marokkanischen Wirtschaft: Gelegenheitsprostituierte sind sie, oft geschiedene Frauen mit Kindern.
Im «Les Grottes», im «Koutoubia Palace» und im
«Flandria Palace», drei After-Midnight-Diskos mit erträglichen marokkanischer Livebands, manchmal Bauchtanz, trifft man sie. Die Regeln der guten Schwestern
sind eisern. Wenn der Aspirant nicht gefällt, dann blitzt
er ab. Wer prima ankommt, zahlt nur die Getränke plus
freiwilige Morgengabe – und vom reichlich vorhandenen mittelmäßigen Männermaterial dazwischen leben
die bonnes soeurs.
12 Uhr mittags. Mohamed Choukri sitzt im Café
Pilo, trinkt Bier, Marke Flag. Schreiben Sie gerade an
einem Buch? «Ja, es wird ‹Paul Bowles und die Einsamkeit Tangers› heißen.» Man sagt, Sie mögen Bowles nicht;
er hat Sie doch entdeckt und berühmt gemacht? «Bowles ist ein Dieb. Er hat sich für meine ersten übersetzten Bücher das Copyright unter den Nagel gerissen. Ich
sehe davon keinen Sou. Taher Ben Jalloun hat dasselbe
in Frankreich getan.» Warum verklagen Sie Bowles dann
nicht? «Er ist ein alter Herr. Grüßen Sie ihn.»
Das Haus, ein wenig einladender Betonbau, liegt
am Rande der Innenstadt. Der Lift funktioniert nicht.
Über ein dunkles Treppenhaus erreicht man die vierte
Etage. Auf dem kleinen Messingschild an der Tür steht
nur der Nachname: Bowles. Ein schnauzbärtiger Marokkaner, der Chauffeur, öffnet. Die Wohnung ist düster. Auf dem Boden, auf dem Sofa, auf den Tischen und
in überquellenden Regalen stapeln sich Zeitungen, Zeitschriften und Bücher in Spanisch, Arabisch, Französisch
und Englisch. Es riecht nach Kif, und es ist fünf Uhr.
Wie Spitzwegs armer Poet liegt Paul Bowles, ein hagerer Eremit mit weicher Stimme, in seiner Matratzengruft, schlürft den Tee mit dem Strohhalm, zieht am KifPfeifchen. Er trommelt kraftvoll und rhythmisch mit den
Fingern auf dem Teetablett, streicht sein fahles Haar
glatt und hört zu – oder tut jedenfalls so.
David und Valeria aus München – er Brite, sie Argentinierin – heißen die unangemeldeten Besucher dieses Nachmittags. Valeria ist schwanger, David noch leicht
unglücklich über die ungeplante Familienerweiterung;
und als letzte Reise, ehe sie für Jahre an ihr Kind gebunden sein werden, wollten die beiden Paul treffen, der so
viel wisse über das Leben. Aber darüber hat er alles schon
geschrieben; er zitiert sich nicht gerne selbst. Beichtvater oder Pro-Familia-Berater sind nicht seine Rollen.
Lieber erzählt er eine kleine Geschichte: Wie er
in den 30er Jahren auf einem Frachter, der ein Rhinoceros von Rangun nach Oslo brachte, mitreiste und wegen
eines Streikes der Mannschaft das Rhinoceros, das an
der Hitze zu sterben drohte, ständig mit Wasser abduschte, bis die Mannschaft den Streik beendete und
sich wieder des Nashorns annahm. «Freuen Sie sich»,
sagt er mit einer Spur von Grinsen auf dem Gesicht zu
dem Pärchen, «Sie müssen kein Rhinoceros großziehen».
David und Valeria verstehen die leise Ironie des alten
Mannes nicht. « Dürfen wir Ihnen schreiben, Paul?», fragen sie, bevor Bowles die Audienz höflich beendet. Aber
ja, sagt er, manchmal komme die Post sogar an, die man
ihm schicke.
Bowles greift zu einem kitschig blaugeblümten
Blechetui, holt einen der dünnen, gleichmäßig gedrehten Joints heraus. «Die Leute fragen mich immer, warum ich in Tanger bin. Ich weiß es nicht. Es waren immer
die Umstände, die meinen Weg bestimmten. Ich hatte
nie Pläne. Tanger ist reizvoll. Es ist durch und durch
korrupt.» Er macht eine Pause, zieht am Strohhalm und
schiebt sich ein «Peanuts Butter Cookie» in den Mund.
«Eigentlich sollte ich unangemeldete Besucher abweisen, da ich nicht mehr zum Nachdenken komme. Aber
sie fahren weit, um mich zu sehen. Nun, mit Kif läßt sich
das Leben ertragen.» Bowles raucht Kif meistens pur.
Tabak hat ihm sein Arzt vor über 15 Jahren eigentlich
verboten.
Bowles greift zu einem Katalog: «Ford Mustang
1966». Für sein silbergraues Cabrio mit weißen Ledersitzen, über 100 000 Meilen auf dem Tacho, müsse er
Ersatzteile beschaffen. Zwar saufe der Mustang zu viel
Benzin. «Aber dieses herrliche blubb-blubb des Motors
hat eben seinen Preis.» Mit Autos hat er kein Glück. Bowles’ Jaguar, Baujahr 1949, sei ihm gestohlen worden, und
in gutem Glauben habe ihn Marokkos größter Sammler,
König Hassan gekauft – ziemlich schwierig, den Jaguar
zurückzuverlangen.
Was für ein Gefühl mag es sein, Fremde zu empfangen, die einen noch sehen wollen, ehe man stirbt?
« Paul», sagt ein Freund, «macht sich einen Jux daraus».
Interviewer, die ihm große Antworten des Existentialismus abringen wollen, die ihn nach seinen homoerotischen Neigungen, nach seiner 1973 verstorbenen bisexuellen Frau Jane fragen, die verhöhnt er elegant mit
knappen oder schrägen Antworten.
Philosophierende Frager und fanatische Leser
nimmt er, der Freund von Sartre und Genet, selten ernst.
Nur vor kurzem, da habe er auf eine blöde Frage die absolut ehrliche Antwort gegeben. Ob Tanger sterbe, wenn
er, Paul, dereinst nicht mehr sei, wollte ein französischer
Reporter wissen. Bowles überlegte nicht lange. «Es wird
eine große Beerdigung geben, und später werden die
Leute an mein Grab in Tanger pilgern, so wie sie jetzt
zu mir in die Wohnung kommen».
Der alte Mann lächelt schelmisch, freut sich über
die angemessen aufrichtige Replik, zieht an seinem Joint
und verabschiedet mit mühsam geöffneten Augen den
Besucher: «Meinen Sie, ich finde in Deutschland Ersatzteile für meinen Mustang?»
von Michel Rauch
CinÉMA
THÈQUE
Yto Barrada und Bouchra Khalili im Gespräch mit Omar
Berrada über die Cinémathèque de Tanger
Eine Wahnsinnsidee
Bouchra Khalili — Alles hat mit dem Gebäude angefangen, mit seiner Schönheit und Lage, seiner Geschichte
und der Notwendigkeit es zu restaurieren und vor dem
Verfall zu bewahren. Nur zu welchem Zweck? Schon die
bloße Erwähnung des Wortes «Cinémathèque» hatte heftigste Diskussionen ausgelöst. War das nicht viel zu prätentiös? Kann die Stadt so etwas überhaupt gebrauchen?
Zumal es ja in Rabat das nationale Filmtheater mit seiner märchenhaften Sammlung marokkanischer Filme
gibt. Aber von hier nach Rabat sind es drei Autostunden... Die Erinnerung an Henri Langlois’ Beispiel war
entscheidend: Die Cinémathèque Française hatte in
Langlois’ Appartement begonnen, sogar in der Badewanne hatte er die Filmrollen gelagert. Wir fragten uns also,
wie wir uns diese Methode heimwerkermäßiger Schmuggelei zu eigen machen und sie dabei vollständig auf unserem Territorium verankern könnten. Auf dem außergewöhnlichen Flohmarkt Casa Barata realisierten wir
dann, dass wir schon dabei waren, eine Cinémathèque zu
begründen. Wir haben Super-8-Filmrollen, die älter waren als wir selbst, wortwörtlich von der Erde aufgelesen
und dabei von den Schätzen geträumt, die in ihnen geborgen sein könnten. Von da an stöberten wir weiter, im
Sperrmüll und auf Dachböden, nach Teilen einer Geschichte aus Familienfilmen und anonymen Archiven,
auch aus der Kolonialzeit, die uns nie gezeigt worden und
darum unbekannt war. Eine Sammlung zu begründen,
das hieße also auch, unser kollektives Familienalbum
wiederherzustellen.
Yto Barrada — Wir imaginierten einen Ort, der ein Hafen sein sollte, so wie Tanger. Einen Ort, an dem die Filmgeschichte mit all ihren Genres, ihrer Geografie und den
Bewegungen, die sie durchkreuzt haben, anlegen könnte. Und der in seinem Herzen eine Sammlung beheimaten würde. Aber um der Öffentlichkeit in Tanger ein anderes, von der Hegemonie kommerzieller Filme und
ihrer Dominanz in den marokkanischen Kinos befreites
Programm anbieten zu können, mussten wir das gesamte Dispositiv neu erfinden. Die Stärke des HollywoodSystems hat damit zu tun, dass es den Kinobetreibern
und Filmverleihern das Leben leicht macht. Alles wird
schlüsselfertig abgeliefert: Ein Film passiert mit 50 Kopien die Grenze und geht mit allen dazugehörigen Werbematerialien, Postern, Fotos und Trailern, in einem
Rutsch durch die Zensur, bereit für seine Konsumation.
Andere Distributionsformen existierten in Marokko
nicht. Der Zugang zu den Filmen war eine echte Herausforderung. Gemeinsam mit den drei lokalen Filmverleihern (und vielen Filmen, die gar keinen Verleih haben)
entwickelten wir zunächst neue Vertriebswege, um die
Filme, die wir zeigen wollten, in unser Kino zu bekommen und sie selbst bewerben zu können. Die Beamten in
der Zensurbehörde waren es gewohnt, im Verlauf eines
Jahres eine handvoll Filme zu genehmigen, die gleichzeitig in vielen Kinos zu sehen sind; wir verlangten von ihnen, sich jedes Jahr hunderte unveröffentlichter Filme
anzusehen.
Ein historischer Ort
Bouchra Khalili — Als ich das «Rif» im Jahr 2003 zum
ersten Mal sah, ähnelte es den alten Kinos meiner Heimatstadt Casablanca: Ein Hospiz für schlechte indische
Filme am Ende ihrer kommerziellen Auswertung, eine
zwielichtige Lokalität, in die ein Teil der Zuschauerschaft
eher nicht der Filme wegen geht. Seine glorreichen Zeiten hatte das «Rif» in den Siebzigern gesehen. Damals
gab es zu den Premieren neuer indischer Filme des häufigeren Tumulte, und die Schließer hatten sich mit Stöcken den Fans von Shashi Kapoor und anderer zu erwehren.
Yto Barrada — Als der Pachtvertrag für das «Rif» zum
Verkauf angeboten wurde, hat das Projekt und mit ihm
ein zehnjähriges Abenteuer dann wirklich begonnen. Das
1938 eröffnete «Cinéma Rif» war wie das «Vox», das
«Lux», das «Capitol» oder das «Alcázar» eines jener alten Kinos, das sich mit der Einwohnerschaft der Stadt
wandelte, bis es von ihr trotz seiner eigentlich reizenden
Atmosphäre verlassenen wurde. Zum Zeitpunkt unserer
Übernahme war es ein marginaler Ort in einem umso
zentraleren Stadtzentrum geworden. 600 leere Plätze –
wenn man von jenen vor sich hinqualmenden und während der Projektion völlig heruntergespielter Kopien
zweisprachig untertitelter Bollywoodfilme unruhig reinund rausgehenden Männergrüppchen einmal absieht.
Der Kontext
Yto Barrada — Im nationalen Zusammenhang entstand
damals in der Filmszene eine neue Dynamik, entfacht
durch die Wertschätzung der Kritik für bestimmte Filme, große Publikumserfolge einheimischer Produktionen, die Filmförderung und nicht zuletzt durch Festivals,
die in allen großen Städten am Entstehen waren. Wobei
das touristische, also ökonomische Interesse an einem
Festival wie Marrakesch, das zu einer jährlichen Großveranstaltung geworden ist, ausser Frage steht. Die ganze Welt weiss heute, dass es nicht mehr genügt, lediglich
Filme zu zeigen. Überall werden die Kinos von den «HeimKinos» bedroht. Eine Lösungsmöglichkeit besteht daher
darin, das Kino in ein Reiseziel, einen Ausgehort, eine Begegnungsstätte zu verwandeln, etwas zu bieten also, das
zu Hause nicht zu haben ist: Ein Café, eine Bibliothek,
Atelierräume, Diskussionen mit Cinéasten. Wichtige Bestandteile unseres Programms und unserer Aktivitäten
sind die Filmvermittlung für das jüngere Publikum und
die gemeinsam mit WissenschaftlerInnen durchgeführte
Organisation regelmäßiger Seminare, die sich an alle,
Amateure wie professionelle Cinéasten, richten.
Bouchra Khalili — Ein Augenblick historischen Wandels
und zugleich eine paradoxale Situation. Das marokkanische Kino erneuerte sich dank junger FilmemacherInnen, von denen einige die Stärke des Dokumentarischen
wiederentdeckten, während in Tanger die Schließung
zahlreicher Kinos zu beobachten war. War es nicht idiotisch, an der Idee der Gründung Cinémathèque festzuhalten, wo doch die Stadt und ihre BewohnerInnen sich
nicht mehr für Kino zu interessieren und die neu gebauten Multiplexe die Frage nach der Filmverwertung in
Marokko zu beantworten schienen? Überdies in dem Wissen, dass zu Beginn der Nuller Jahre auch der Markt für
illegale DVDs am Explodieren war? Man hat uns damals
nicht ernst genommen. Wir kamen zwar nicht aus der
Branche, waren aber davon überzeugt, dass die Stadt ein
schönes Kino mit schönen Filmen brauchte, und außerdem ein einladendes Café. Heute ist das Café immer voll,
es ist zu einem Treffpunkt der Jugend geworden. Und die
Filmsammlung, so anachronistisch und elitär, wie sie am
Anfang erschienen sein mag, ist genau darum ein solcher
Schatz.
Nur Geduld
Bouchra Khalili — Da keine von uns eine professionelle
Kinobetreiberin war, noch Erfahrung in dieser Domäne
gesammelt hatte, umgaben wir uns mit Freundinnen und
Freunden, die zugleich am Kino und an der Stadt interessiert waren. Das meiste haben wir en passant erlernen
müssen, z.B. das seltsame Vokabular dieses Tätigkeitsfeldes, die Sprache der Filmverleiher, zu verstehen, was
ein Rechteinhaber ist und wie man mit ihm oder ihr kommuniziert. Auch eine enorme Geduld haben wir uns im
Angesicht einer des öfteren unüberwindbar erscheinenden Bürokratie angeeignet.
Yto Barrada — Wir mussten uns organisieren und uns
eine Strategie zurechtlegen:
(1)Finanzierung
(2) Renovierungsarbeiten
(3) Gründung der Institution
(4) Schaffung einer Öffentlichkeit
(5) Nachdenken über den Fortbestand
Heute sind wir in Phase (4). Wir freuen uns, das Publikum aus beinahe allen Stadtteilen hierherkommen zu sehen. Fast 600 Kinder drängeln sich jeden Sonntag zu den
Vorführungen der «Laterne Magique».
Das Publikum von morgen
Yto Barrada — «La Laterne Magique» ist unser ganzer
Stolz: Ein Ciné-Club für Kinder zwischen sechs und elf,
mit zweisprachiger Moderation und einer Zeitschrift in
französisch und arabisch. Das Modell wurde von einem
Schweizer Verein (dt: Die Zauberlaterne, d.Ü.) entwickelt und in viele europäische Städte weitergetragen. Ihre
Hilfe und Unterstützung ermöglichte es uns, den CinéClub direkt mit unserer Eröffnung zu starten. In diesem
Jahr (i.e. 2011, d.Ü.) haben wir einen weiteren Ableger
in Beirut gründen können, im Kino Métropolis. Wir sind
mittlerweile in der vierten Saison und die «Laterne Magique» hat schon an die achthundert Abonnenten.
Bouchra Khalili — Langlois hat behauptet, dass die Herstellung von Öffentlichkeit ein Jahrzehnt benötigen würde. Diese Kinder sind also zugleich unser heutiges wie
unser zukünftiges Publikum. Sie werden mit den Eindrücken der in der Cinémathèque gesehenen Filme heranwachsen und weiterhin hierherkommen, weil die Kinoerfahrung von Kindheit an ein Teil des Lebens gewesen
sein wird. Weil sie ein Bewusstsein davon haben werden,
dass das Kino eine Geschichte hat, Geschichten erzählt,
und die Geschichte begleitet.
Die Sammlung
Bouchra Khalili — Meine Cinéphilie ist in Paris entstanden, hat aber auch etwas mit einem Mangel zu tun. Ich
kannte natürlich die marokkanischen respektive arabischen Klassiker. Der Mangel bezog sich jedoch auf Bilder unserer Geschichte. Ich habe keinerlei Filme oder
Familienfotos, die weiter zurückreichen würden, als bis
zur Generation meiner Eltern. Ich weiss nicht, wie meine Großmutter mit zehn ausgesehen hat. Als ich zum ersten Mal die Aufnahmen sah, die Gabriel Veyre 1930 in
Marokko gedreht hat, dachte ich bei jedem Mädchen: So
könnte meine Großmutter ausgesehen haben, so wie dieses Kind da. Deshalb bin ich auch sehr stolz darauf, dass
diese Filme Teil unseres Archivs sind, der Großzügigkeit von Philippe Jacquier und Marion Pranal sei Dank.
Aber Familienalben sind dafür gemacht, weitergegeben
zu werden. Die Archivierung zeitgenössischer Dokumentar- und Experimentalfilmproduktion ermöglicht eine
Art kollektiver Geschichtsschreibung, die die Geschichte in ihrer ganzen Komplexität darstellen kann. Nicht
zuletzt darum geht uns auch die Kolonialgeschichte nach
wie vor einiges an.
Ein Haus des Kinos
Bouchra Khalili — Die Cinémathèque de Tanger ist eine
Filmsammlung mit zwei Kinosälen, sie ist aber auch eine
Filmbibliothek, ein Schnittraum, ein Ort für Weiterbildung und für Seminare, ist ein Café...
All das sind Bestandteile eines Begriffs von Cinémathèque als einer freien und kostenlosen Schule, die allen
offensteht. Eine Schule ohne Lehrer und ohne Schulbuch,
in der man seine eigenen Zusammenhänge herstellt. Es
geht mit anderen Worten, auch wenn der Ausdruck «Cinémathèque» sehr institutionell klingen mag, um ein wildes und demokratisches Wissen, das von außerhalb der
Institutionen in die Welt kommt. Außerdem ist es ein
Weg, der Vereinsamung der FilmkünstlerInnen im Norden des Landes zu begegnen. Marokko ist nach wie vor
zentralisiert. Die Cinémathèque für die jungen, sich am
Beginn ihrer Arbeit befindenden Kreativen zu öffnen, ist
für uns mit der Hoffnung verbunden, dass sie sich der
Cinémathèque irgendwann bemächtigen, dass sie sie uns
einmal «stehlen» werden, um daraus ihr eigenes Schmugglernest zu machen, als das Serge Daney das Kino bezeichnet hat.
Was bringt das Ganze?
Bouchra Khalili — Objektiv betrachtet, überhaupt nichts.
Es wird nichts produziert. Und es bringt nichts ein. Anders gesagt, dient es wohl in erster Linie dazu, uns Scherereien zu machen. Aber Spaß beiseite. Ich würde sagen,
dass es nicht darum geht, «irgendetwas» herzustellen, sondern darum, Sichtbarkeit zu verleihen. Das ist nicht wenig. Man nennt diejenigen, deren Beruf es ist, Filme im
Kino zu zeigen, «exploitants» – Bewirtschafter, Ausbeuter.
Aber wir sind weniger Bewirtschafterinnen als vielmehr
«Montreusen». Léa Morin, unsere Kinoleiterin, die an der
Fémis den Studiengang Filmverleih belegt hat, agiert in
Tanger nicht wie eine Verleiherin. Sie tut viel mehr: Sie
öffnet Fenster. Die Frage nach dem «wieso, weshalb, warum» lässt sich also mit dieser Geste des Zeigens, des Öffnens von Fenstern in andere geographische, ästhetische,
historische, aber auch sozio-politische Horizonte beantworten, die von Tanger aus betrachtet weit entfernt zu sein
scheinen, die in der Kinoerfahrung aber zugleich nah und
gegenwärtig werden.
Yto Barrada — Die Cinémathèque de Tanger ist zuallererst entstanden, um eine Lücke zu füllen und einen
Stadtraum wiederzubeleben. Ein Kino nach dem anderen stellte den Betrieb ein. Es gab keine Filmschulen,
kaum Cinéasten. Gerade als die Satellitenschüsseln auf
den Balkonen auftauchten, schlossen sich mit der Durchsetzung des Schengen-Abkommens die europäischen
Grenzen. In Tanger herrschte eine unangenehme Atmosphäre der Isolation. Uns motivierte die Rettung eines
historischen Kinos, die Sorge um unsere Archive und
der Wunsch, das kulturelle Leben einer Millionenstadt,
in der weder ein Theater, eine Bibliothek, noch ein Konzertsaal existieren, mit einem Raum für Kultur, Kreativität und der Auseinandersetzung darüber zu bereichern. Die Cinémathèque ist aber auch durch den Willen
einer KünstlerInnengruppe entstanden. Man sollte sie
darum als eine künstlerische Intervention in den Stadtraum begreifen, als ein Vorhaben, das auf viele Fragen
nach dem öffentlichen Raum und den Umbrüchen in
Tanger, wie ich sie mit meiner Arbeit als Fotografin und
Filmemacherin zu stellen versuche, Antwort gibt.
‹La Cinémathèque de Tanger – Questions fréquemment
posées› ist ursprünglich und in voller Länge erschienen
in dem anlässlich der Filmreihe «Tangerine Tales» (Juli
bis November 2011 im La Virreina Centre de la Imatge
Barcelona) herausgegebenen Band ‹Album Cinémathèque
de Tanger›
Aus dem Französischen von Maximilian Linz
aus
der
asche
Tanger, die Stadt an der nordwestlichsten Spitze Marokkos, wo das Mittelmeer und der Atlantik zusammenfliessen, ist die Feriendestination manch einer vermögenderen marokkanischen Familie aus dem Süden,
welche die frische Meeresbrise der lähmenden Sommerhitze im Landesinnern vorzieht. Doch Tanger ist primär das Tor zu Afrika: die Stadt des Transfers von und
nach Europa; allein im Sommer, der alljährlichen Stosszeit, wird mit rund 2,7 Millionen Fahrzeugen auf den
Fähren gerechnet.
Zur längst fälligen Linderung dieser Verkehrsplage für
alle Einwohner und zur Optimierung des Handelsverkehrs entstand östlich von Tanger auf dem Weg nach
Ceuta ein gigantischer neuer Hafen. Das Milliardenprojekt, das die internationalen ökologischen Standards
erfüllen soll, schuf rund 140'000 neue Arbeitsplätze.
Der alte Hafen von Tanger mit seiner typischen langen
Mole wird künftig primär touristischen Zwecken dienen und u.a. auch einen Yachthafen für die Reichen bieten, während die Verkehrslawine zusammen mit dem
Handelsverkehr auf die belastbarere neue Anlage umgewälzt wird.
Im Schatten der allsommerlich anwachsenden temporären Völkerwanderung läuft in und um Tanger eine andere, die klandestine. Tanger zieht viele Menschen aus
dem Süden an, die Europa erreichen wollen, denn die
spanischen Enklaven Ceuta und Melilla liegen nahe, und
die Strasse von Gibraltar ist lediglich 14 km breit. In den
letzten 10 Jahren sind ca. 8000 Menschen beim Versuch
ums Leben gekommen, die Meeresstrasse illegal zu überqueren; todesmutige, verzweifelte, hoffnungsbeseelte
Sans-papiers, so genannte «Harragas». Mitunter rücken
die Vorfälle an der Grenze zu Melilla die katastrophalen Lebensbedingungen der oft schwarzafrikanischen
Flüchtlinge, die in Camps in den Hügeln um Tanger hausen, jäh ins Rampenlicht. Doch im Stadtzentrum von
Tanger zeigen sich Sans-papiers kaum. Manchmal allerdings tauchen sie am Rand der Suqs auf, um in den
grossen Abfalleimern zu stochern, vor Dreck starrende
Gestalten, oft unbeschuht; man erblickt durch die Stadt
streifende jugendliche Klebstoff-Schnüffler, zu zweit, zu
dritt, abgemagert bis auf die Knochen; oder man wird
von einer heimatlosen Schwarzen mit umgegürtetem
Säugling um ein paar Dirham angegangen. Auf jeden
Fall ist die Dunkelziffer der Sans-papiers hoch, was dazu
beiträgt, dass es schwer ist, zu sagen, wie viele Einwohner Tanger tatsächlich beherbergt; die Angaben schwanken zwischen 700'000 und einer Million.
Tanger, bereits während der Weltkriege eine Hochburg
für Spionage-Affären, spielt auch eine Rolle im internationalen Terrorismus. Spuren der Al-Kaida-Attentate
in Madrid vom 11. März 2004, die 191 Menschen das Leben raubten, führten nach Tanger und Tetouan. Dorther
stammten mehrere der am Anschlag beteiligten Personen. Doch darf man nicht vergessen, dass Marokko am
16. Mai 2003 in Casablanca selbst zum Ziel eines Al-Kaida-Anschlags, bei dem 44 Menschen vorwiegend marokkanischer Herkunft umkamen, geworden ist. Eigentlich
nicht erstaunlich, denn das Land gilt als Speerspitze eines liberalen arabischen Staats und widersetzt sich hartnäckig den Übergriffen des islamistischen Fundamentalismus: König Mohammed VI, seit 1999 im Amt, im
Volksmund auch «M6» oder «le roi des pauvres» genannt,
ist gleichzeitig staatliches und religiöses Oberhaupt des
Landes; ein kluger Schachzug zur Wahrung der Macht
in einem islamischen Land. Das Regime verfolgt die Anstrengungen der Extremisten mit harter Hand. Terroristische Pläne durchkreuzt der marokkanische Geheimdienst immer wieder erfolgreich. Private Koranschulen
und Moscheen wurden nach dem Anschlag in Casablanca landesweit geschlossen, um die Vermittlung des Islam staatlich zu regulieren. Der Streit um die Mohammed-Karikaturen warf in Marokko kaum Wogen. Der
König pflegt gute Beziehungen zu den USA, ganz im Stil
seiner alawitischen Vorfahren, die 1777 unter den ersten Regierungsvertretern weltweit die USA als Nation
anerkannten. Allein in Tanger bezeugen die maghrebinische Eliteschmiede American School of Tangier, die
American Legation mit ihrer umfangreichen Bibliothek
und das rege besuchte American Language Center diese produktiven Beziehungen. Was die Stellung der Frau
in der marokkanischen Gesellschaft betrifft, so löste die-
ser Herrscher vor seiner Hochzeit mit der bürgerlichen
Lalla Selma aus Fes im Jahr 2002 – der ersten Königin,
deren Gesicht und Haar das Land erblicken durfte! – den
königlichen Harem auf, und unter seiner Regierung wurden 2004 die Rechte der Frau mit der Moudawana, dem
neuen Familienrecht, europäischen Massstäben angeglichen. Zudem herrscht heute in Marokko eine weitgehende Pressefreiheit; zensuriert wird ein Medium lediglich, wenn es das Königshaus verunglimpft, die Religion
beleidigt oder die Frage der Westsahara nicht regierungskonform behandelt. Was aber nicht verhindert,
dass die Islamisten, die in der Regierung einsitzen, sich
immer mal wieder bemerkbar machen. Zuletzt mit der
Stigmatisierung eines jugendlichen Liebespaares aus
Nador, das auf Facebook ein harmloses Kussfoto veröffentlicht hatte und danach für fünf Tage ins Gefängnis
wandern musste. Die Aktion löste zahlreiche solidarische marokkanische Kussfotos auf Facebook aus... Der
Prozess gegen den 15-Jährigen und seine 14-jährige
Freundin ist allerdings noch nicht ausgestanden; er wurde auf den 22. November vertagt. Auch die Filmzensur
ist offener geworden. Das demonstrierte bereits 2005 der
Film ‹MaRock› von Laila Marrakchi. In ihm bricht die
30-jährige Regisseurin religiöse und gesellschaftliche
Tabus, wenn sie die Liebe zwischen einer Muslima und
einem Juden schildert, auf die Drogenprobleme der Jugend und den kaschierten Umgang mit Alkohol fokussiert, die hohle Arroganz der bourgeoisen Oberschicht
entlarvt und den Finger auf die Enge eines überspannten, im Grunde menschenfeindlichen Islamismus legt. –
All dies erklärt hinreichend, weshalb Marokko extremistischen Fundamentalisten ein Dorn im Auge ist.
Hassan II (1929-1999), der Vater von Mohammed VI,
schätzte die Stadt nicht; er liess «die Schöne des Nordens» verkommen, denn er bevorzugte die traditionellen Königsstädte. Da die Kontrolle des königlichen Auges fehlte, konnten öffentliche Gelder leicht in den
Taschen korrupter Beamter verschwinden. Doch der
neue König residiert jeden Sommer hier in seinem Palast auf dem Alten Berg. Das bedeutet, dass ein ganzer
Hof inklusive Armee sowie Potentaten aus aller Welt
samt Entourage nach Tanger kommen, Regierungsvertreter und Investoren. Auch das bringt Arbeit und macht
die Anhebung der städtischen Infrastruktur notwendig.
Dazu gehört, dass sich die Sicherheit seit den rüden 80er
und 90er Jahren bedeutend erhöht hat. Sukzessive wurden alle Plätze der Stadt neu gemacht und Tanger auferstand wie ein Phönix aus der Asche. Zahlreiche alte
Häuser wurden renoviert, das Strassenbild verbessert.
Der Grand Socco, der grosse Platz vor dem Eingang zur
Medina, wurde neu gestaltet; die erste Umarbeitung des
Platzes missfiel dem König so sehr, dass er sie binnen
einer Woche dem Erdboden gleichmachen liess. Augenfällig ist auch die Renovation der Bauten aus der Kolonialzeit an der ehemaligen Avenue d’Espagne, der heutigen Avenue Mohammed VI, der palmenbestandenen
Frontroad des Hafens. Selbst der Springbrunnen auf der
Place de la France wirft wieder seinen erfrischenden
Wasserstrahlenkranz.
Vieles ist in Tanger im Auf- und Umbruch, auch kulturell... Das Theater Cervantes soll bald wieder wie in alten Glanzzeiten spielen. Im ehemaligen Cinema Rif am
Grand Socco ist eine Cinemathek entstanden, die als
Treffpunkt der jungen Intelligenzia gilt und weit über die
Region ausstrahlt. Die grossen Namen von Tanger, schillernde Zelebritäten, sind nicht mehr. So starb 1999 Paul
Bowles, der Titan von Tanger, der über 50 Jahre lang in
dieser Stadt lebte und wie kein anderer Exilautor das tangerine Dandytum mit grosser internationaler Anziehungskraft repräsentierte. 2003 starb Mohamed Choukri, die Stimme von Tanger, dessen schonungslose
Autobiographie ‹Das nackte Brot› in Marokko jahrzehntelang verboten war und noch heute in der arabischen
Welt Diskussionen auslöst. Doch der energetisch aufgeladene Kern der Stadt, die zu den ältesten besiedelten
und besungenen Zonen Nordafrikas zählt, hängt von keiner Epoche ab. Tanger als Zone des Vergessens einerseits, als legendenstiftende, urtümlich kreative Zone anderseits scheint von unauslöschlicher Anziehungskraft;
das straft jene Stimmen Lügen, die behaupten, es gäbe
in Tanger keine interessanten Köpfe mehr. Mohammed
Mrabet (*1940) malt und erzählt, selber illiterat, in ungebrochener Schaffenskraft weiter. Souad Bahéchar, neben Ahmed Beroho und Lotfi Akalay eine überregional
bekannte Autorin, wurde für ihren in Tanger spielenden
Roman ‹Ni fleures ni couronnes› (2000, dt. ‹Wüstenkind›)
preisgekrönt. Die Zürcher Fotografin Amsel lebt und arbeitet regelmässig in Tanger. Abdenbi Sarroukh schreibt
hier arabische Poesie in der Spiritualität eines zeitgenössischen Sufismus. Bernhard-Henri Lévy hat sich auf
dem Marshan, gleich neben dem 1921 eröffneten terrassierten Café Hafa, eine schnieke Villa mit Blick auf die
Strait gekauft. Tahar Ben Jelloun und Abdelwahab Meddeb sind oft in der Stadt anzutreffen. Alfred Hackensberger, der Journalist und Autor, hat der Stadt zahlreiche Artikel und Gedichte gewidmet. Vor wenigen Wochen
tauchte Pablo Haller, der junge Luzerner Autor, zum wiederholten Male in der Stadt auf, der er in seinem vor wenigen Monaten erschienenen Gedichtband ‹Südwestwärts 1 & 2› ein Denkmal gesetzt hatte.
Wer Marokko besucht, erfährt bald, dass hier das mythische und das magische Weltbild weiterleben bzw. unberührt von den Elementen der modernen Zivilisation,
neben ihr, weiterexistieren; Koexistenz ist das Schlüsselwort, nicht Verwischung kultureller Unterschiede.
Wie Juan Goytisolo in seinem in Tanger angesiedelten
Bewusstseinsstrom-Roman ‹Reivindicación del Conde
don Julián› (dt. ‹Rückforderung des Conde don Julián›)
geschrieben hatte: «Die Ingredienzien alle nebeneinander, ohne sich je zu vermischen, wie geologische Schichten, die sich in Jahrhunderten ablagerten, wie Flüssigkeiten von verschiedener Dichte, die im Probierglas des
Wissenschaftlers oder Gelehrten eine auf der andern
schwimmen, vereint zwar, aber nicht vermischt». Damit
verbindet sich mit Tanger eine für die heutige Zeit wegweisende Botschaft: Die Botschaft der möglichen friedlichen Koexistenz der Völker, Kulturen und Religionen.
von Florian Vetsch
tangier
undead
«And when the graves start yielding up the dead—Goddammit I pay rent in perpetuity for the old gash, now
she rise like Christ in drag»—William S. Burroughs, ‹Interzone›
In 2006, Tangier received a new central park in lieu of
two graveyards: the Muslim Sidi Bu’arāqiyya and the
German and European International Zone era Mendūbīya.
For ten intense months the city unearthed their dead to
make a rushed bid for 2012 World Exposition city. For
the Grand Socco (Place du 9 Avril) to be more welcoming, fires burned incessantly for weeks at a time, casting an ashen cloud over the city and clearing a dense
jungle of vegetation. Then bulldozers arrived to make
way for wider roads and tore down the 10 ft. walls, sometimes also known as «cache-miseres», hiding abandoned lots. Dust that seemed to have coated signs since
the International Zone started to dislodge.
The city replaced unruly native plants with a sleek
lawn and red geraniums, the bland official flower symbolizing flag, state and monarchy. Between incineration
and excavation, the elaborately tiled, low Muslim graves and the grandiose European sepulchers, final resting
places for International Zone residents and an all but
forgotten German population before that, appeared for
a brief window of time before disappearing definitively;
the central graveyard’s ghosts, however, do not.
The impenetrable cemetery had in fact been home
for a significant population of vagrants, migrants and
misfits since at least the 1950s. Glue sniffers, alcoholics
and the down-and-out sleep on graves alongside the city’s
large stray dog population. Winding paths between gravestones were strewn with Pastis bottles and boxes of
Don Garcia Tinto. Many of the cemetery’s living residents come to Tangier either from Sub-Saharan Africa
hoping to cross to Spain or on the coattails of urban migration in the search for the new economic policies promise of employment.
Simultaneously, unregulated building, often funded by drug money, has created rapid urban sprawl and
subsumed many of the villages surrounding Tangier, displacing their residents. The latest, most ambitious economic plan includes the Tangier Exportation Free Zone
and mega ports Tanger-Med I and II, late capitalism’s
version of the International Zone in which goods rather
than people are deregulated.
When the writer Mohammed Choukri first came
to Tangier during the first wave of urban migration in
the 1950s, he describes sleeping in the Bu’arāqiyya Cemetery in someone’s well-tended family plot. In ‹For
Bread Alone›, translated by Paul Bowles, Choukri finds
solace in the cemetery after his first time prostituting
himself to a Spanish man.
I was approaching the entrance of the cemetery, and it occurred to me that
a graveyard is the only place you can go into at any hour of the day or night,
without having to ask permission […] What does it mean to allow a man
sixty or seventy years old to suck on me and then give me fifty pesetas?
[…] there was no safer place than the cemetery. I think the human race respects its members more when they are dead than when they are alive.
As a country boy with no education, Choukri is on the
lowest rung in the social and economic ladder and barely manages to eke out a living – « photograph a piece of
bread» in local parlance. After teaching himself classical Arabic, he transitions to writing stories about his
struggles in hard and morbid times.
One clear spring day in 2006 during the development, passing by the destruction zone, I was approached
by a man with his hand in a black plastic bag. No sooner
had he started, «Would you like to buy an antique…» had
he pulled out a yellowed and chalky femur bone: «German?», he finished gleefully. For that month in May, the
new base economy focused on looting the graves. Many
people watched from higher ground, lingering for hours
to watch the official and unofficial pillaging of neglected tombs. Some peered inside, dreaming up biographies
for the people once buried there and futures for the spirits now freed. The demolition happened so quickly that
both the Muslim families with relatives in the graveyard
and foreign attachés with an interest in the cultural heritage hustled to demand their relatives’ bodies moved
and to save a few graves as monuments.
As early as 2003, according to a city map from the urban
planning office, the entire zone of the cemeteries was redesignated an «espace vert» – a public park, literally
«green space». The rezoning law makes use of a regulation that determines the number of years after which a
skeleton may be exhumed, which in Morocco is 40 years
after burial. The Mendūbīya gardens includes all the prime real estate between Zankat Hassan I and the Grand
Socco and from rue d’Italie (what was before by some
maps rue de Telegraph Anglais and then Calle Josafat)
roughly halfway to rue de la Hollande. In 2006, the city
razed a Jewish cemetery near Casa Barata, a large shopping area that needed to expand. The Jewish Cemetery
with a prime view of the Mediterranean Ocean across
from the American Steps has also been endangered, and
the tiny remaining Jewish population has been fighting
to make sure it remains. A pet cemetery was similarly
demolished to make way for the coastal road that carries
summer visitors directly from the port of Tangier to the
Atlantic coast resorts.
On April 12, 2013, five years after the transformations, Tanja24.com published an article entitled: «Absence of Light Transforms Gardens into a Space for
Vice.» The article proclaims that the lack of lighting has
caused a panoply of immoral proceedings and armed
robberies in the garden and that «the ghosts of these
events pursue the neighborhood residents and the citizens of Tangier». Achamal Press wrote an article called
«The Mendūbīya Gardens Has Become a Haven for Perverts and a Theater for Armed Robberies» and Maghress.com writes, «Bū’arāqīya Cemetery in Tangier…Brothel for the Homeless and Trashheap for Residents».
Indeed whether a cemetery, park or wasteland,
the tract of land has always served as a theater that persists in making visible the invisible underbelly of Tan-
gier. In 2000, the American School of Tangier held their
annual theatrical production in the cemetery by the
Mendūbīya Amphitheater. The actors in ‹The Tempest›
jumped through bushes and carried torches around nonactors, sleeping bums and alcoholics, as Prospero recited his generous assessment of his conspirators’ material aspirations: «These our actors /As I foretold you,
were all spirits and / Are melted into air, into thin air /
And, like the baseless fabric of this vision / The cloudcapp›d towers, the gorgeous palaces / The solemn temples, the great globe itself / Yea, all which it inherit, shall
dissolve.» The lines rhyme with Marx’s warning that «All
that is solid melts into air, all that is holy is profaned.»
Unsurprisingly, then, the new, hard-won officepark style lawn isn’t sacred either. One section that is
now park, just to the east of the Mendūbīya Historical
Administrative zone, is officially designated as a parking
area and commercial center. On October 14th of this year,
an article that has disappeared three days after its publication, proclaimed that a new building had been erected within the limits of the green space. The Association for the Protection of the Rights of Consumers in
Tangier released a statement still available on their website (rabitatanger.com) about the exploitation of the public land. Corruption often goes hand-in-hand with such
violent, rapid urban renewal projects. What happens if
Tangier loses its microcosmic grand Mediterranean and
international history and its public space as theater all
at once, especially when they are one in the same?
When the Wilaya, or City Hall, started work on the Muslim side of the graveyard, Khadija Biari, the landscaping
engineer for the City of Tangier said, «there was a scandal. People from the neighborhood were shocked.» Biari is a petite woman with tight, curly, brown-gray hair.
She is dressed in a black and white pin-striped pants suit
and stands so straight it looks like she was carved from
one solid piece of granite. When she originally came from
Rabat, she thought she would fix up the Palais de Marshan and leave but with «les grands changements», she
has been in Tangier for 7 years.
The idea for public work comes directly from the
King to the Wali, the King-appointed governor, who at
this time was Mohammad Ḥiṣād. He came to Tangier fresh
from victories renovating Marrakech for tourism. The
final product isn’t always what the King has in mind.
Earlier in 2006, the Grand Socco received a new grandiose fountain at its center, but when the King drove by
in his black, waxed convertible, he decided it wasn’t large enough and had it razed. The old architect was fired.
The process recommenced twice before the installation
of the gray-marble, disproportionate fountain that survives today.
«There is no meeting with the public required, but in
this case it was unavoidable», Biari relayed about the cemetery project in an interview. «Though all of the graves are more than 40 years old, people wouldn’t accept
the plans to tear up the bodies. We ended up having to
consult with neighborhood NGOs, because they acted as
voices of the people. We never stopped the construction,
but we tried to solve problems right on the spot.» She
named two leading NGOs as chief negotiators, Fondation Boughass (le detroit) and Fondation Tanger Medina.
One thing they were able to negotiate was the preservation of a handful of graves that were known by historians to be «shorfa», or descendants of the prophet, family names such as Bakhali and Boun’aich.
There are projects that maintain a park and cemetery simultaneously. Mount Auburn Cemetery, Cambridge, Massachusetts, in the United States in 1831, is
the model for this kind of park. Though nowhere near to
the same extent as in a place like Mt. Auburn, Biari said
the finished product could be a quiet meditative place
where the living co-exist with the dead. Biari’s own
grandmother was buried in 1957 in the section behind
the mosque and was moved during construction.
However, many of the International Zone characters, far from saints, had no advocates. No longer connected to the society at large, with no remaining family
members to visit the graves, perhaps the International
Zone had become like a gangrened limb that needed to
be cut off to make room for the era of Globalization.
Tangier’s palimpsestic architecture bears witness to its
multivalent past and can be heard uttered by official and
the city’s notorious «fake» tour guides alike. If the Phoenician had not left tombs dating from the 5th century B.C.
carved into a rock face, the Phoenician era would be forgotten. Instead, it is a salient fact of daily life. Likewise
the Portuguese wall erected in the 1400s remains a legacy of the Portuguese colonial period in Tangier among
so many in Tangier’s past, is a visible remnant.
It was just this kind of thinking that sent Hans
Tischleder, director of the Association germano-marocaine du nord into the mud and unearthly rotten smell in
1992 and again in 1995. He was looking for German
tombstones in the overgrown land that would prove the
German presence. Hans tends to throw people off due
to his traditionally inspired attire, as well as his stature
and long white hair. He wears what amounts to a djelleba but without the hood, a gandora but shorter, and with
the pants of a khasaba, which he specially designed with
his Moroccan tailor. Among the rubble, he found lone
broken angel wings and crosses planted in the ground
upside down. There were large house-like tombs, crypts,
mausoleums. Obelisks and crosses, angel and wreathes
recalled monuments like that in Place de la Concorde, or
the well-known Roman relic «Diosa Vesta», a marble statue of a woman more than 2 meters tall discovered in the
Grand Socco. He was using as a map and guide, a manuscript written in 1964 by the headmaster at the German school that existed briefly between 1909 and 1914.
Mr. Lotthammer’s book, which will be published next
year, starts out with an attempt at regaining lost information about those under the weight of marble, similar,
but unfortunately less thoroughly than ‹A Foreign Field›,
which is an amusing and informative book of gossip about
the protestant St. Andrew’s Cemetery.
The German graves were gathered and moved
under the shade of some of the original palm trees. Now
healthy and majestic, the paths designed for the cemetery were planned first and foremost around the existing
palms. Some of the other older trees were to be done
away with, until similar complaints arose from the public and spared them. While hand-choosing the graves,
Mr. Tischleder noticed some other notable figures of
Tanger and equally managed to protect them as historical monuments, a slight way down the hill from the large marble tablets commemorating Sultan Mohamed V’s
famous speech, April 9, 1947. The new monuments were
inaugurated July 16, 2007.
Prior to 1914, the Mendūbīya was the German Legation, known as «Kaiserhaus» and the cemetery was
exclusively German. Wilhelm I had purchased it from the
Swedes during a landgrab around 1876. When the Germans were banished from the International Zone during
WWI a dahir subsequently allowed the Sultan to confiscate and liquidate their properties in 1920 and 1922, and
the land defaulted to the Sultan Abdellaziz. Other Europeans were buried there between 1920 and 1950. From
an account by Elisa Chimenti in the 1950s, was just starting to be covered over with thorned plants and cracked irreversibly. At that time she wrote advising the cemetery be cleaned lest we forget the people and stories
within forever.
In the late ‘70s, the city widened present-day rue
d’Italie. The Service d’Hygiene brought about 50 grave
stones of the rue d’Italie to the Catholic Cemetery in the
neighborhood called California and fit them into a grid
of apartment-like tomb complexes. In the fashion of outsiders huddling together, all bodies regardless of religious affiliation ended up there. To find someone, one
must refer to a dusty old set of drawers like a card catalogue at a library or a museum. The guardian doesn’t read
roman letters and the cards follow no alphabetical order.
The tombs spared include that of the mother of
Perdicarus, the Greek-American shipping magnate. In a
great story of a typical Tangerine diplomatic intrigue,
Perdicaris was kidnapped by the rebel Raisuli, and later,
after a handsome ransom had been promised for him,
wrote a letter later published in ‹The New York Times›
calling Raisuli a gentleman and defending Raisuli’s cause.
His house also stands in dilapidation in the Rmilet forest.
His tomb where he was buried with his mother stood in
the graveyard, but the plaques were stolen during construction. His mother’s plaque read: «To Margaret, widow
of C.A. Perdicaris, who «fell asleep» on the 22nd of June
1885, honored and beloved by all who knew her. A devoted wife, who was more to her son than words can express.
Beyond the shadow of the tomb effulgent radiance illuminated her vision. Erected by her son Ion Perdicaris.»
Other tombs turned monuments include Paul
Schmucker, the head of the German post office which
was located in the Petit Socco where Café Fuentes is today; Doctor Cenarro, a Spanish physician who opened
the first Center for Hygiene in Tangier, a model that became a full hospital in Tangier and Tetouan that both remain open today, and whose name was also given to the
street leading to St. Andrew’s. Otto Wilhelm Tietjen was
the Chancellor of the German Ministerial Residence.
Emma Herdman, eldest daughter of James Herdman is
buried with the memory of her devoted labour in Morocco, as an hon. missionary of the North African Mission. A biography was written about her based on her
unpublished letters. In it she has the insight, “A spontaneous native ministry gives no offense and draws, while
anything foreign repels.» Accounts tell of her work in
Fez and witnessing rebel battles with the Sultan.
One unassuming grave is that of Mr. Eduard Haessner, who was the victim of an unsolved murder in 1896
at the age of 45. He was infamous for having negotiated
the move of the Moroccan mint from France to Berlin
behind the backs of the French, which might have made
him a target for a vengeful bullet. Thomas William Reid
Esq., «Who died on board ship in Tangier bay on his passage home», is accompanied to the afterworld by cautionary Psalm XXII, «Trouble is near for there is no one
to help».
As Michel Foucault said of Western civilization’s
regard for its cemeteries in his 1967 lecture ‹ Of Other
Spaces, Heterotopias›: «…from the moment when people are no longer sure that they have a soul or that the body
will regain life, it is perhaps necessary to give much more
attention to the dead body, which is ultimately the only
trace of our existence in the world and in language.» In
Tangier, there are plenty of people who still believe in
the soul. A fertile emplacement, embodiment and environment for that renewal or reanimation is not any less
important. Perhaps it is even more so.
As the writer William S. Burroughs, the infamously lecherous vagrant and conceivable refugee from
corporate America, wrote on the eve of Moroccan Independence in 1954:
Live and let live is impossible. If you let live, they will kill you by creating
an environment in which you have no place and will die out. The present
psychic environment is increasingly difficult for me to endure, but there is
still leeway, slack that could be taken up at any time. Safety lies in exterminating the type that produces the environment in which you cannot live.
So I will die soon—why bother? Some form of transmigration seems to me
probable. I am now, therefore I always was and always will be.
Burroughs’ reference to «live and let live» recalls neoliberal capitalism, spreading with Coca-Cola to countries embracing nationalism and free market systems as
alternatives to colonialism. The spirit of co-ownership
and co-habitation must be constantly negotiated and
redefined, but sharing a common history and environment, one that remains staunchly in sight, makes it easier to orient towards a common, equally ephemeral and
vulnerable future.
by Simona Schneider
entre
les deux
‫في المنتصف‬
the
moving
times
Over the years, the history of William Burroughs’ rendezvous with Tangier has taken on elements of the folk
tale. Like the ‹1001 Arabian Nights›, there is an initial
framing story, i.e. the exiled Burroughs fleeing his past
arrives in Tangier to find an exotic atmosphere of permissiveness, mystery and freedom, which inspires and
permits him to write his future as the world famous author of ‹Naked Lunch›. Yet Burroughs’ journey through
Tangier and into notoriety was never simply a straight
line through the Grand Socco. Instead, Burroughs’ Tangier trek twists and turns on itself, much like the blind
alleyways of the Medina. Within this labyrinth, Burroughs was just as likely to wander aimlessly into an encounter with a Minotaur of anxiety and self-doubt,
which threatened to rip his consciousness to pieces, as
turn a corner and suddenly come to terms with his identity and experience satori. For Burroughs, Tangier was
simultaneously a place of intense ecstasy and agony.
‹Gnaoua›, a little magazine published by Ira Cohen in 1964, provides the Dream Baedeker to the ecstatic Tangier. For many collectors and historians, it is a
key primary source, which documents and preserves the
expatriate experience of Tangier as well as Burroughs’
place within it. From the very moment of its publication, ‹Gnaoua› emanated an aura of lived experience and
authenticity. Bobby Dylan brought a copy back home and
proudly displayed it on his mantelpiece as evidence that
he had taken the road to excess (although that road never actually winded through Tangier) and returned to
tell the tale.
Jeff Nuttall’s ‹My Own Mag #5› (the Special
Tangier issue) is less celebrated and sought after, but
it serves as a map which navigates a road less travelled
in the Burroughsian universe: The agony of Tangiers
as a locale of loneliness, isolation, despair, anxiety, and
fragmentation. In late 1963 and into the winter of 1964,
Burroughs stood at a crossroads in his life. In the foreword to his bibliography compiled by Joe Maynard
and Barry Miles, Burroughs writes, «1964… No. 4 Calle Larachi, Tangier. ‹My Own Mag›… smell of kerosene
heaters, hostile neighbors, stones thudding against the
door. Jeff Nuttall sent me a copy of ‹My Own Mag› and
asked me to contribute. I recall the delivery of the first
copies to which I had contributed was heralded by a
wooden top crashing through the skylight.» The activities at No. 4 Calle Larachi (drug use, homosexuality, the
constant comings and goings of British and American
expats) raised the ire of Burroughs’ Arab neighbors,
who proceeded to harass him on a daily basis. In addition, Burroughs’ attempt to connect with his son, Billy,
in Tangier was an obvious failure by late 1963. In December, Burroughs sent his son back to the States to
live with his grandparents. The experience left Burroughs exhausted.
Things did not approve after Billy left. In a letter to Brion Gysin from April 10, 1964, Burroughs writes, «You
can’t imagine or can you what Tangier is like now since
The Voice of America did a job here, worse than Paris
or any place I have experienced, the whole town solid
cunt territory and everyone knocks him or herself out
to show you how worthless they can be.» The sky was literally falling; Burroughs’ world in Tangier threatened
to crash around him. Burroughs wanted to escape from
this desperate and potentially dangerous situation. The
first issue of ‹My Own Mag› provided some much needed comic relief, which Burroughs would remember decades later. In Nelson Lyon’s copy of the first issue,
which was put up for auction in 1999, Burroughs inscribed, «this rare item ‹My Own Mag› cheered me when I
was under siege in Tangier.»
Creatively, Burroughs needed a little cheering as
well. Grove Press slated to publish the final cut-up novel, ‹Nova Express›, in hardcover, in the summer of 1964.
By this point, Burroughs realized that the cut-up as novel was something of a dead end, but maybe even more
distressing was the fact that he had run out of usable
source material. The seemingly endless Word Horde of
notes, manuscripts and drafts that resulted from the
writing and editing of ‹Naked Lunch› was exhausted.
‹The Yage Letters›, published by City Lights in 1963, mined Burroughs’ usable correspondence. Most of the let-
ters to Allen Ginsberg from the Tangier period were still
too painful and too personal to publish. Similarly, ‹Queer›,
Burroughs’ other manuscript from the 1950s, cut too
close to the bone for Burroughs to think of bringing it
before the public eye. Burroughs needed a new direction
for his writing.
Shortly after the publication of the second issue
of ‹My Own Mag› in December 1963, Nuttall and Burroughs met in England. In ‹Bomb Culture›, Nuttall writes, «Burroughs sent his first testing letters from Tangier. In the bitter winter of 1964, he came to London.»
Nuttall downplays this meeting and highlights the awkwardness of it. As Nuttall describes it, he got drunk at
the local pub with Burroughs and Tony Balch. Conversation faltered with Nuttall feeling left out. Nuttall stumbled home somewhat embarrassed and disappointed.
Yet the meeting between Nuttall and Burroughs must
have made more of an impression on both men than Nuttall lets on. It served as a fruitful feeling-out session for
further collaborations. The face-to-face solidified the
meeting of the minds that previously had occurred only
through the mail.
The Special Tangier issue of ‹My Own Mag› came
out in May 1964, spurred on by that winter meeting. In
this issue, ‹My Own Mag› hit its stride and the Burroughs / Nuttall collaboration hit the ground running.
It features Burroughs on the cover thus announcing the
fact that Burroughs was the focus of and major contributor to the magazine. Likewise, Burroughs becomes a
character in the «Perfume Jack» comic strip that runs
through every issue of ‹My Own Mag›. Clearly, Burroughs made an impression on Nuttall.
Yet I would argue that the meeting with Nuttall
ultimately proved much more pivotal for Burroughs, because it provided Burroughs with the inspiration and
means to escape his dreadful situation in Tangier. By
May 1964, it was Minutes to Go as far as Burroughs was
concerned. The Tangier Issue serves as a how-to manual on escaping a state of siege, i.e. being stuck in time
and space. «Auntie Homosap», a Dear Abby-style parody, opens the issue. The first question reads in part,
«I keep bumping my head on brick walls. Is it possible
to avoid brick walls?» These questions apply directly to
Burroughs. On one level, the brick wall represents the
blocks of standard prose that Burroughs was forcing his
cut-up work into. A later question reads, «I am continuously encased in an airtight, watertight, claustrophobic, windowless box.» ‹Nova Express› with its paragraphs designed to be read left to right, bottom to top,
straight on through, is an example of just one of the boxes in which Burroughs found himself enclosed in 1964.
Nuttall provided a breath of fresh air and ‹My
Own Mag› provided space to grow creatively. This new
publishing opportunity coincided with a new phase in
Burroughs’ writing that developed in the winter of 1964,
around the time Nuttall and Burroughs met in person.
As Barry Miles discusses in the final chapter of ‹El Hombre Invisible›, Burroughs began experimenting with the
three-column format in February 1964. Miles writes,
«At the same time as working on the photographic collages, Bill began to develop the three-column technique
he had begun to experiment with in New York in the sixties. He began to produce texts, which explored this fact
and, as usual, did a great number of them. He started
to keep a diary in February 1964, which exploited the
three-column technique. If he were to take a trip to Gibraltar, which he did frequently, he would write an account of the trip in one column, just like a normal diary: What was said by the officials, what he overheard on
the airplane. The next column would present his memories… The third column would be his reading column,
quoting from the books he had with him.»
In Issue 2 of ‹My Own Mag›, Nuttall presented
his own text in a three-column format. This may have
inspired Burroughs to explore the format in earnest
himself. In the Tangier Issue, ‹The Moving Times›, a
three-column newspaper cut-up, appears. In its simplest form, the newspaper is a variation of the grid. In
‹The Moving Times› Burroughs gives directions on how
to read the piece, guiding readers from column to column. The piece could also be read across the three columns. This crisscross and crossover effect represents
a derivation of the «read any which way» grid of « Warning Warning Warning Warning», which appeared in the
previous issue. With these experiments, we see Burroughs fighting against the confines of literary boxes
and brick walls. As Burroughs writes to Peter Michelson of the ‹Chicago Review› on February 16, 1964, «I am
attempting to get beyond the limitations of the book
page left to right and down and over.» Unlike the process of reading ‹Nova Express›, the three column cutups challenged linear paragraph structure. These experiments are all about multi-directional movement, and
they mimicked the multi-faceted flow of perception in
everyday life.
In an interview published in ‹Paris Review› in
1965, Burroughs states, «[C]ut-ups make explicit a psychosensory process that is going on all the time anyway.
Somebody is reading a newspaper, and his eye follows
the column in the proper Aristotelian manner, one idea
and sentence at a time. But subliminally he is reading
the columns on either side and is aware of the person
sitting next to him. That’s a cut-up.» ‹The Moving
Times› provided a new direction that Burroughs would
explore for over a year. In ‹The Moving Times›, the mock
newspaper is simple in layout. There are no images and
the format mimics the front page of a daily paper like
the ‹New York Times›. This would be further explored
in later issues of ‹My Own Mag›. In ‹Bomb Culture›,
Nuttall spends a few pages describing ‹The Moving
Times› in terms of Burroughs’ development. Clearly,
Nuttall realized that the material Burroughs sent for
the Tangier Issue marked an exciting new path.
Burroughs’ entrenched living situation in Tangier was also a major impetus for ‹My Own Mag #5›.
Once again the problems addressed in the «Auntie Homosap» section mirrored Burroughs’ own: «I have an
overwhelming urge to escape from the present» and «I
have been stranded on the eternal plain for days now.»
Burroughs was «under siege» in Tangier being assaulted by angry neighbors and ‹ The Moving Times› piece
in ‹My Own Mag #5› deals with this siege explicitly. Column two speaks of «paralyzing immobility», «a life every circumstance of which is regulated after an unchanging
pattern», and « Baby, it’s foreign outside has the general meaning of alien or hostile. So return to your trap
by taxi and write what you have just seen and heard.» It
should be noted that Burroughs references the ‹Tangier
Gazette› as a source for this column and as such it represents Burroughs’ present situation.
Taken as a whole, ‹The Moving Times› provides
Burroughs with a means of escape. In a research paper,
Davis Schneiderman explores Burroughs’ three-column
experiments, such as ‹The Moving Times›. Schneiderman notes that Burroughs often utilized the same front
page of the ‹New York Times› from September 17, 1899.
Numerous postcards mailed to Nuttall from this time of
siege may reveal why. The postcards are postmarked
from Gibraltar and feature scenes from the area. As Miles points out, Gibraltar was an area of fascination for
Burroughs and a key source for the new direction the
cut-ups were taking. One postcard in particular makes
reference to the Southport Gates inscribed with the date
1899 and the cut-up experiment «The Coldspring News»
(Nov 21, 1964: «Old arch there with The Coldspring
News. [Date on the arch is 1899]»). Burroughs viewed
Gibraltar as a magical place, a portal allowing travel in
time and space. The Southport Gates symbolized this
point of intersection. In part, Burroughs chose an edition of the ‹New York Times› from 1899 due to the date
inscription on the Southport Gates in Gibraltar.
Given Burroughs’ desperation to escape Tangier,
Gibraltar was literally and symbolically the way out.
Tomasz Stompor in ‹Larval Entities – William S. Burroughs’ Concept of Time› (presented at the EBSN Conference in 2012) explores the three-column experiments
in ‹My Own Mag› in terms of space-time travel, focusing on Burroughs’ use of arches in St. Louis, New York
City and Gibraltar as portals for such imaginary travel.
Stompor writes, «one might say that these three arches
can be regarded as time portals, just like the open grids
in Burroughs’ layouts, making possible the contemplation of the contingency of temporal flow, and the contingency of remembering the passage of and in time.»
‹The Moving Times› obsessively rehearses such
movement. The following examples are from the first
column, which outlines how to read the experiment:
«move back in time», «Move forward in time», «there are
many hints of your so-called future», «reading the future» and so on. In ‹The Moving Times›, Burroughs is
quite simply performing magic in an attempt to alter his
stagnant and dangerous present and write himself into
a more mobile and creative future. Burroughs believed
the cut-ups possessed this power to predict and alter
the future. In The Job, Burroughs states, «I would say
that my most interesting experience with the earlier
techniques was the realization that when you make cutups you do not get simply random juxtapositions of
words, that they mean something, and often that these
meanings refer to some future event.»
‹The Moving Times› would indeed prove magical. The piece ends with a plea from Burroughs for contact from the outside world. He requests readers to «send
along a column of your times» and he lists his address
in Tangier. As Burroughs wrote Alex Trocchi: «Response has exceeded our expectations.» Burroughs and Nuttall heard from Carl Weissner, Claude Pélieu and Mary
Beach, and attracted the notice of Ted Berrigan and Ed
Sanders. In a letter to Alex Trocchi from May 12, 1964,
Burroughs enthuses about the response to ‹The Moving
Times› and leaving Tangier: «I will let you know when I
get my travel orders. Like I say we have had an unexpectedly good response to The Moving Times which has put
me in touch with a number of people...» The ensuing
correspondence and resulting collaborations would form
the closest thing to a full-scale movement or school relating to the cut-up method that Burroughs would experience.
As suggested by ‹The Moving Times› with its references to boyhood homes and New York, Burroughs
left Tangier behind in late 1964 and briefly returned
home to St. Louis as part of a writing assignment for
Playboy. The ensuing piece, ‹St. Louis Return›, appeared
in ‹Paris Review 35› (1965). After visiting his birthplace,
Burroughs established residency in Lower Manhattan
and became immersed in the literary and art scene there, such as in the Mimeo Revolution that developed
around Ed Sanders of ‹Fuck You, a magazine of the arts›
and Ted Berrigan of C Press and ‹C: A Journal of Poetry›. Both poets published Burroughs extensively in
1964/1965, including cut-up classics like ‹APO-33› and
‹Time›. For all intents and purposes, Tangier would remain a place of the past for the rest of Burroughs’ life.
The Tangier Issue cover is green with a mimeo’d
image of Burroughs wearing a fez and smoking a cigarette. This cover conjures up images of marijuana and
kif, which seemingly plays in perfectly with the oft-told
story of Burroughs’ excesses in Tangier. Ira Cohen and
‹Gnaoua› are part of this story. On the other hand, ‹My
Own Mag› is far from a celebration of Tangier. Instead,
it serves as Burroughs’ goodbye to Tangier’s expatriate community. As such, the Tangier Issue of ‹My Own
Mag› should ultimately be viewed as Burroughs’ green
card, which enabled his return home and established his
residency within a new literary community centered
upon cut-up experimentation and publication.
by Jed Birmingham
Interzone
passages
In 1962, at the International Writers Conference in
Edinburgh, William S. Burroughs proclaimed his literary program as follows: «In my writing I am acting as a map maker, an explorer of psychic areas,
to use the phrase of Mr Alexander Trocchi, as a cosmonaut of inner space, and I see no point in exploring areas that have already been thoroughly surveyed […]» Contrary to what this quote might suggest,
it is not only psychic areas and inner spaces that provide the settings for Burroughs’ texts; geographic
locales and concepts of space feature also as prominent themes in his writing. This fact can be owed, in
part, to his transient lifestyle that begun in 1949 with
his exile to Mexico, which continued with an odyssey through Central- and South America in search
for the mythic drug yagé, and frequent shifts between the cities of Tangier, Paris, and London, after
he had crossed the Atlantic in late 1953. Even though,
Burroughs’ writing draws its material to a large extent from autobiographic experience, it is only seldom that it portrays space as continuous or realistic.
The appearance of the geographic space traversed
and recorded by the writer is not the main subject of
his interest. It is rather used as a passageway into an
imaginary setting of his own creation, and Tangier
was a city which provided many of these passageways for Burroughs.
Ever since the publication of ‹Naked Lunch›
in the summer of 1959, the notion of mapping has
been evoked within its context. The American novelist Mary McCarthy, for example, who also spoke at
the Edinburgh conference, and defended Burroughs’
contested book in an article in 1963, relates it to cartography by way of a topographic analogy:
The Naked Lunch has no use for history, which is all «ancient history»—sloughed-off skin; from its planetary perspective, there are
only geography and customs. Seen in terms of space, history shrivels into a mere wrinkling or furrowing of the surface as in an aerial relief-map or one of those pieced-together aerial photographs
known in the trade as mosaics.
McCarthy likens the fragmentary structure of ‹Naked
Lunch›, in which linear narration, and thus the continuous progress of time are suspended in favor of a
loose collection of vignettes and routines, to a collection of photographs laid out as a mosaic. It is not
clear whether she knew much about Burroughs’ writing practices, but apparently his use of photography
in the process of writing Naked Lunch shines through
in its text.
When Burroughs took off to Tangier in late
1953, his baggage contained an assortment of photographs shot during his South-American odyssey.
As an avid amateur photographer he documented his
travels and later his sojourn in Interzone – a term he
used to refer to both the deterritorialized city, and to
the manuscript of his book – capturing friends, street
scenes, and quotidian life. In the late 1950s Burroughs
began to assemble these photographs into pasted-up
composites that juxtaposed different locations without regard for topography or chronology, a mosaic
of snapshots indeed. The first mention of these composites can be found in a short text by Paul Bowles
with the simple title ‹Burroughs in Tangier›:
He lived in a damp little room whose single door opened onto the
garden of the Hotel Villa Muniriya. One wall of the room, his shooting gallery, was pock-marked with bullet holes. Another wall was
completely covered with snapshots, most of which he had taken on a
recent trip to the headwaters of the Amazon. I liked to hear about
that voyage, and always got him to talk lengthily about it.
The preparation of these composites must have played
an important role for Burroughs in the course of writing ‹Naked Lunch›, as Brion Gysin illustrates in his
account of the book’s editing process in ‹Cut-Ups: A
Project for Disastrous Success›:
The raw material of ‹Naked Lunch› overwhelmed us. Showers of fading snapshots fell through the air: Old Bull’s Texas farm, the Upper Reaches of the Amazon; («Yage country, man. See the old brujo.»), Tangier and the Mayan Codices; («Ain’t it almost too horrible.
Dig what they really up to and you wig.»), shots of boys from every
time and place. Burroughs was more intent on scotch taping his
photos together into one great continuum on the wall, where scenes
faded and slipped into one another, than occupied with editing the
monster manuscript.
When looking at ‹Naked Lunch›, a text which was
written in an exchange of gazes between pages fed
into the typewriter and a wall covered with photographs, and collated from fragments of correspondence, it becomes instantly clear that this book was
not meant to convey a coherent documentary report
based on photography as an aide to memory. The
structure of the book is overtly non-linear and the
reader is even encouraged in its «Atrophied Preface»
to «cut into Naked Lunch at any time.» In this way,
the photographic composites used in the process of
writing the book, mirror its fragmentary form by
their discontinued juxtaposition. With these early
photographic composites Burroughs created a visual map of captured moments, the memory of which
was refracted into new possible constellations, and
instead of taking the effort to form a coherent narrative, the ensemble of photographic scenes from
Mexico, Panama, Colombia, and Tangiers stimulated Burroughs to write the tales of hybrid Interzone. The shuffled images thus formed a literal backdrop to the act of writing, providing Burroughs with
an accessory interface between the written word and
creative imagination.
The bent towards such visionary poetics originates in a trance experience under the influence of
yagé that Burroughs was subject to during his travels in Central- and South America in 1953. The most
vivid account of a yagé trance is the vision of a Composite City, as recounted in the closing part of The
Yage Letters, and later included in “The Market”
section of Naked Lunch:
Yage is space time travel. The room seems to shake and vibrate with
motion. The blood and substance of many races, Negro, Polynesian,
Mountain Mongol, Desert Nomad, Polyglot Near East, Indian – new
races as yet unconceived and unborn, combinations not yet realized
passes through your body. Migrations, incredible journeys through
deserts and jungles and mountains […], across the Pacific in an
outrigger canoe to Easter island. The Composite City where all human potentials are spread out in a vast silent market.
This brief excerpt gives a distant idea of the appearance of an inconceivable city, which stands paradigmatically for Burroughs› yagé experience that
would point him towards a new poetics, which Oliver Harris identifies in The Secret of Fascination as
a «creative turn towards a visual and materially based
aesthetics.» The Composite City appears as a place
in constant flux, where geographical locations, races, and their languages incessantly transmute, forming ever-changing hybrid combinations as yet unthought-of. Identity appears to be only provisional
in this place where continuous transformation reigns.
This mutable state is emphasized once more in the
closing sentences of the Composite City section: «A
place where the unknown past and the emergent future meet in a vibrating soundless hum. Larval entities waiting for a live one.» This last sentence reveals
an additional detail about the deranged quality of the
place, which ties in with the first statement of the text:
«Yage is space time travel.» Not only are the geographical, racial, and social boundaries suspended in the
Composite City, but the flow of time is also paradoxical when the «unknown past» collides with an «emergent future.»
It seems as if the city of Tangier emanated
for Burroughs a glimmer of this utopia of transformation, as he remarked in a draft for an unpublished article in 1955 entitled «The International Zone»,
probably the closest he ever came to a realistic description of the city: «Tangier seems to exist on several dimensions. You are always finding streets,
squares, parks you never saw before. Here fact merges into dream, and dreams erupt into the real world.»
The dreamlike quality of Tangier’s cityscape was not
only fertile ground for pleasant reveries but produced for the most part spatial disorientation, as Burroughs remarks in the same article: «The Native
Quarter of Tangier is all you expect it to be: a maze
of narrow, sunless streets, twisting and meandering
like footpaths, many of them blind alleys. After four
months, I still find my way in the Medina by a system of moving from one landmark to another.»
Most critical texts on Burroughs’ relationship with
Tangier deal with such topics as: its art and litera-
ry circles, the postcolonial transition of the city, economies of desire and sexuality, and the distinguishable traces of the cityscape in the imaginary Interzone
of Naked Lunch. Yet, the attempt to retrace the real
locations that found their way into the book seems futile, for their features were refracted into distorted
images that exist in another place. With Interzone,
Burroughs created a mythical space, an imaginary
geography that harks back to the elusive character
of the spatial experience of Tangier’s Medina. Although Burroughs never used the term personally,
this approach to writing reverberates strongly with
the concept of psychogeography, defined by the founder of the Situationist International Guy Debord as:
«Étude des effets précis du milieu géographique,
consciemment aménagé ou non, agissant directement
sur les comportment affectif des individues.» Even
though Burroughs became consciously aware of the
group only at the end of the 1960s, his experiments
of that period display a visible «intellectual synchronicity» with the Situationists’ ideas, as Andrew Hussey has observed in his essay «‘Paris is about the last
place...’: William Burroughs in and out of Paris and
Tangier, 1958-60.» The difference between the Situationists and Burroughs is that he intuitively put in
to practice, what the self-proclaimed urban revolutionaries only theorized about and he did so not only
in Naked Lunch, but also in his cut-up experiments.
With the exception of Jed Birmingham’s article for this issue and a few other scattered mentions,
Tangier is seldom a topic when the cut-up experiments
are discussed. As Birmingham points out, it was in
Tangier where the fruitful collaboration with Jeff
Nuttall’s ‹My Own Mag› began, and where Burroughs
began expanding his cut-up formats with the possibilities of graphic layout. In the course of these experiments two formal structures have emerged that
would define the layouts: the grid and the three-column format. Both structures would not only serve to
enhance the possibilities of verbal montage, but also
for the purposes of a subjective mapping of the city.
As for the grid, the analogy to cartographic representation is quite obvious. It is a structure which allows for a division of space into neighboring quadrants that facilitate a quick referencing between
geographic space and the two-dimensional map surface. For the cut-up, the grid is immanent in the gesture of cutting a page along an outlined trajectory
that results in a layout pattern in which selections
of cut-up text can be allocated. During his stay at 4
Calle Larachi, Burroughs filled numerous grid and
three-column layouts with his observations of street
scenes and records of everyday life in Tangier. One
of the few published results of these experiments is
a short piece for the September 1964 edition of Esquire magazine, where Burroughs describes his pro-
Die
maske
Wenn ich vom Fischen zurückkehre, schaue ich oft bei
einem Freund vorbei, der auf dem Casabarata-Markt
einen kleinen Ramschladen führt. Er verkauft dort alles
und jedes. Eines Tages sagte er zu mir:
«Hier, Mrabet, nimm diese Maske. Ich mag sie hier nicht
mehr länger sehen. Versuche, für sie einen guten Preis
von dem Amerikaner zu erhalten, für den du arbeitest,
oder von einem seiner Freunde. Diesen Typen gefallen
exotische Sachen.»
Ich kehrte zu meinem Haus zurück, die Maske und den
schweren Fischfang auf dem Buckel. Doch bevor ich eintrat, kam mir die Idee, meinen Kindern und meiner Frau
einen Streich zu spielen und sie mit der Maske zu erschrecken. Als ich sie anzog, erschrak ich jedoch selbst,
denn die Maske liess mich durch die Wand, die Küche,
die Möbel, meine Gattin, unsere Kinder sehen: Selbst
ihre Eingeweide sah ich durch ihre Kleider hindurch.
Schockiert zog ich die Maske wieder aus und versteckte sie unter meinem Bett. Ich schwor, sie am folgenden
Tag loszuwerden.
Doch in der Nacht konnte ich mich nicht zurückhalten.
Ich nahm die Maske und ging in die Stadt, um das Maximum aus diesem ausserordentlichen Auge herauszuholen. Nie wieder möchte ich eine solch entsetzliche
Nacht erleben. Ich sah alles. Jedermanns Intimitäten.
Völlig erschöpft beschloss ich am Morgen, die Maske
loszuwerden, ohne sie zu verkaufen. Ich wollte mir nicht
vorstellen, dass irgendein Anderer – speziell ein Fremder – das Innere von allem zu sehen bekäme. Das Innere von jedem von uns. Ich ging weit hinaus bis nach Cap
Spartel und schleuderte die Maske in die starke Strömung, welche den Atlantik mit dem Mittelmeer verbindet; sie sollte für immer verlorengehen. Manchmal
durchlebe ich diese Nacht noch einmal in meinen Träumen, und jedes Mal ist es wie die Erinnerung an einen
heftigen Schmerz.
aus: Mohammed Mrabet: ‹Stories aus Tanger›
übersetzt und eingeleitet von Florian Vetsch.
(éditions sacré; Bilgerverlag, Zürich 2012)
tanger
57
cedures: «In these foreign suburbs here, a map of
Tangier on a flaking plaster wall. I look from a photo layout to the map and drive pins in the map pointing location of the photos. […] Relief map of old
words and photos.» While the layout of this piece is
rather conventional, and its content reports mainly
the procedures of his experiments and offers glimpses into Tangier’s art and literary life, the grid and
three-column layouts published in ‹My Own Mag›
come closer to the initial goal of the cut-up to suspend temporal flow by breaking out into space.
These layouts can be linked formally to
Tangier’s architecture by the structure of the arch,
which is omnipresent in the Medina, as it is an essential element of Islamic architecture. Similar as
the arch provides passage between streets, or symbolizes historical events in its monumental version,
the outlines of the columns on a page provide a passage into an imaginary geography. The cut-up texts
contained in these columns mention directly and indirectly several arches: The Southport Gates in Gibraltar, the Dewey Arch in New York, and St. Louis
as a gate for the westward expansion of the USA that
is symbolized by the Gateway Arch, built in 1964.
Still, the texts do not mention any arches in Tangier,
but one biographic detail gives a hint in this direction. Burroughs’ first address in Tangier was 1 Calle de los Arcos. A location that has disappeared and
remains a blank space despite great efforts to trace
it down in numerous searches undertaken by Oliver
Harris. It seems as if some passageways remain open
only within a brief time frame, then close forever, or
are transported into a «tunnel of old photos fallen
to the ground», as an unpublished cut-up form that
period enigmatically says.
by Tomasz Stompor
Die bleichen Körper von Europäern. Die Blutergüsse
meiner Brüder, derbe Schläge im Schatten. Ich sah das
Elend. Die Ungerechtigkeit, die das Dunkel auslöscht.
Ich sah Paare sich umarmen und entzweien. Gewalt,
Siechtum, bestialische Liebe. So viel ausgelaugtes
Fleisch, Dinge, die dir die Schamröte ins Gesicht treiben würden. Die finstersten Geheimnisse einer Stadt in
der Nacht. Wie ein Verrückter rannte ich durch die Strassen und den Strand entlang, die Augen weit aufgerissen vor der Wirklichkeit dieser Welt. Ich sah, was nicht
gesehen werden sollte und was nicht gesehen wird.
Einst fuhr ich in einem Ford P2
die Strasse von Gibraltar entlang
es hatte viel Wasser auf der Fahrbahn
keine Ahnung wo das herkam
eine scheinbar unendliche Odyssee
auf der ich schliesslich
in einer Stadt landete
mit weissen Häusern
und Sandsteintreppen
die geradewegs in den Himmel führten
so stahlblau und klar
dass er mir wie Messer in die Augen stach
«Das ist Tandscha»
sagte ein seltsamer dünner Typ geheimnisvoll
ein Morphinist
der sich kaum artikulieren konnte
und seine Frau erschossen hatte
wie man mir später flüsterte
er stellte sich mir als Lustsucher vor
gegen Drei traf sich William, wie er hiess
mit Allen, Peter, Gregory, Jack und Timothy
zum verspäteten Lunch
naked, versteht sich
einer vollgedröhnter als der andere
sie waren Steppenwölfe ohne Steppe und
ohne wirkliche Wolfsnatur
trotzdem unbändig und wild
einsam
heimatlos
schwebend zwischen Geist und Trieb
auf der Flucht vor der
kleinbürgerlichen Harmonie
und intellektueller Begrenztheit
meistens waren sie traurig
und wenn sie mal glücklich waren
sehnten sie sich nach dem Unglück
nie hielten sich Glück und Leid die Waage
mit jeder neuen blauen Stunde
begriffen sie das Leben
zunehmend als sinnlos
trotzdem hatten sie etwas Unentschlossenes
über einem Meer der Schwere
schwamm ein flüchtiger Traum aus Leichtigkeit
und die glühend heisse Sonne Marokkos
zerfrass ihre Opium-Hirne
die wie Brandung an die Klippen schlugen
wie vom Wind angetriebene
sich überstürzende Wellen
auf Untiefen und Küsten treffen
sie waren unbeugsam
getrieben von der Sehnsucht nach Leben
in diesen Tagen in Tanger
doch die Freiheit war letztlich
nur im Tod zu finden
von
Susann Klossek
the
moving
times
Over the years, the history of William Burroughs’ rendezvous with Tangier has taken on elements of the folk
tale. Like the ‹1001 Arabian Nights›, there is an initial
framing story, i.e. the exiled Burroughs fleeing his past
arrives in Tangier to find an exotic atmosphere of permissiveness, mystery and freedom, which inspires and
permits him to write his future as the world famous author of ‹Naked Lunch›. Yet Burroughs’ journey through
Tangier and into notoriety was never simply a straight
line through the Grand Socco. Instead, Burroughs’ Tangier trek twists and turns on itself, much like the blind
alleyways of the Medina. Within this labyrinth, Burroughs was just as likely to wander aimlessly into an encounter with a Minotaur of anxiety and self-doubt,
which threatened to rip his consciousness to pieces, as
turn a corner and suddenly come to terms with his identity and experience satori. For Burroughs, Tangier was
simultaneously a place of intense ecstasy and agony.
‹Gnaoua›, a little magazine published by Ira Cohen in 1964, provides the Dream Baedeker to the ecstatic Tangier. For many collectors and historians, it is a
key primary source, which documents and preserves the
expatriate experience of Tangier as well as Burroughs’
place within it. From the very moment of its publication, ‹Gnaoua› emanated an aura of lived experience and
authenticity. Bobby Dylan brought a copy back home and
proudly displayed it on his mantelpiece as evidence that
he had taken the road to excess (although that road never actually winded through Tangier) and returned to
tell the tale.
Jeff Nuttall’s ‹My Own Mag #5› (the Special
Tangier issue) is less celebrated and sought after, but
it serves as a map which navigates a road less travelled
in the Burroughsian universe: the agony of Tangiers as
a locale of loneliness, isolation, despair, anxiety, and
fragmentation. In late 1963 and into the winter of 1964,
Burroughs stood at a crossroads in his life. In the foreword to his bibliography compiled by Joe Maynard
and Barry Miles, Burroughs writes, « 1964… No. 4 Calle Larachi, Tangier. ‹My Own Mag›… smell of kerosene
heaters, hostile neighbors, stones thudding against the
door. Jeff Nuttall sent me a copy of ‹My Own Mag› and
asked me to contribute. I recall the delivery of the first
copies to which I had contributed was heralded by a
wooden top crashing through the skylight.» The activities at No. 4 Calle Larachi (drug use, homosexuality,
the constant comings and goings of British and American expats) raised the ire of Burroughs’ Arab neighbors, who proceeded to harass him on a daily basis. In
addition, Burroughs’ attempt to connect with his son,
Billy, in Tangier was an obvious failure by late 1963. In
December, Burroughs sent his son back to the States to
live with his grandparents. The experience left Burroughs exhausted.
Things did not approve after Billy left. In a letter to Brion Gysin from April 10, 1964, Burroughs writes, «You
can’t imagine or can you what Tangier is like now since
The Voice of America did a job here, worse than Paris
or any place I have experienced, the whole town solid
cunt territory and everyone knocks him or herself out
to show you how worthless they can be.» The sky was literally falling; Burroughs’ world in Tangier threatened
to crash around him. Burroughs wanted to escape from
this desperate and potentially dangerous situation. The
first issue of ‹My Own Mag› provided some much needed comic relief, which Burroughs would remember decades later. In Nelson Lyon’s copy of the first issue,
which was put up for auction in 1999, Burroughs inscribed, « this rare item ‹My Own Mag› cheered me when I
was under siege in Tangier.»
Creatively, Burroughs needed a little cheering as
well. Grove Press slated to publish the final cut-up novel, ‹Nova Express›, in hardcover, in the summer of 1964.
By this point, Burroughs realized that the cut-up as novel was something of a dead end, but maybe even more
distressing was the fact that he had run out of usable
source material. The seemingly endless Word Horde of
notes, manuscripts and drafts that resulted from the
writing and editing of ‹Naked Lunch› was exhausted.
‹The Yage Letters›, published by City Lights in 1963, mined Burroughs’ usable correspondence. Most of the let-
ters to Allen Ginsberg from the Tangier period were still
too painful and too personal to publish. Similarly, ‹Queer›,
Burroughs’ other manuscript from the 1950s, cut too
close to the bone for Burroughs to think of bringing it
before the public eye. Burroughs needed a new direction
for his writing.
Shortly after the publication of the second issue
of ‹My Own Mag› in December 1963, Nuttall and Burroughs met in England. In ‹Bomb Culture›, Nuttall writes, «Burroughs sent his first testing letters from Tangier. In the bitter winter of 1964, he came to London.»
Nuttall downplays this meeting and highlights the awkwardness of it. As Nuttall describes it, he got drunk at
the local pub with Burroughs and Tony Balch. Conversation faltered with Nuttall feeling left out. Nuttall stumbled home somewhat embarrassed and disappointed.
Yet the meeting between Nuttall and Burroughs must
have made more of an impression on both men than Nuttall lets on. It served as a fruitful feeling-out session for
further collaborations. The face-to-face solidified the
meeting of the minds that previously had occurred only
through the mail.
The Special Tangier issue of ‹My Own Mag› came
out in May 1964, spurred on by that winter meeting. In
this issue, ‹My Own Mag› hit its stride and the Burroughs / Nuttall collaboration hit the ground running.
It features Burroughs on the cover thus announcing the
fact that Burroughs was the focus of and major contributor to the magazine. Likewise, Burroughs becomes a
character in the «Perfume Jack» comic strip that runs
through every issue of ‹My Own Mag›. Clearly, Burroughs made an impression on Nuttall.
Yet I would argue that the meeting with Nuttall
ultimately proved much more pivotal for Burroughs, because it provided Burroughs with the inspiration and
means to escape his dreadful situation in Tangier. By
May 1964, it was Minutes to Go as far as Burroughs was
concerned. The Tangier Issue serves as a how-to manual on escaping a state of siege, i.e. being stuck in time
and space. «Auntie Homosap», a Dear Abby-style parody, opens the issue. The first question reads in part, «
I keep bumping my head on brick walls. Is it possible to
avoid brick walls?» These questions apply directly to
Burroughs. On one level, the brick wall represents the
blocks of standard prose that Burroughs was forcing his
cut-up work into. A later question reads, «I am continuously encased in an airtight, watertight, claustrophobic, windowless box.» ‹Nova Express› with its paragraphs designed to be read left to right, bottom to top,
straight on through, is an example of just one of the boxes in which Burroughs found himself enclosed in 1964.
Nuttall provided a breath of fresh air and ‹My
Own Mag› provided space to grow creatively. This new
publishing opportunity coincided with a new phase in
Burroughs’ writing that developed in the winter of 1964,
around the time Nuttall and Burroughs met in person.
As Barry Miles discusses in the final chapter of ‹El Hombre Invisible›, Burroughs began experimenting with the
three-column format in February 1964. Miles writes,
«At the same time as working on the photographic collages, Bill began to develop the three-column technique
he had begun to experiment with in New York in the sixties. He began to produce texts, which explored this fact
and, as usual, did a great number of them. He started
to keep a diary in February 1964, which exploited the
three-column technique. If he were to take a trip to Gibraltar, which he did frequently, he would write an account of the trip in one column, just like a normal diary: what was said by the officials, what he overheard on
the airplane. The next column would present his memories… The third column would be his reading column,
quoting from the books he had with him.»
In Issue 2 of ‹My Own Mag›, Nuttall presented
his own text in a three-column format. This may have
inspired Burroughs to explore the format in earnest
himself. In the Tangier Issue, ‹The Moving Times›, a
three-column newspaper cut-up, appears. In its simplest form, the newspaper is a variation of the grid. In
‹The Moving Times›” Burroughs gives directions on how
to read the piece, guiding readers from column to column. The piece could also be read across the three columns. This crisscross and crossover effect represents
a derivation of the «read any which way» grid of « Warning Warning Warning Warning», which appeared in the
previous issue. With these experiments, we see Burroughs fighting against the confines of literary boxes
and brick walls. As Burroughs writes to Peter Michelson of the ‹Chicago Review› on February 16, 1964, «I am
attempting to get beyond the limitations of the book
page left to right and down and over.» Unlike the process of reading ‹Nova Express›, the three column cutups challenged linear paragraph structure. These experiments are all about multi-directional movement, and
they mimicked the multi-faceted flow of perception in
everyday life.
In an interview published in ‹Paris Review› in
1965, Burroughs states, «[C]ut-ups make explicit a psychosensory process that is going on all the time anyway.
Somebody is reading a newspaper, and his eye follows
the column in the proper Aristotelian manner, one idea
and sentence at a time. But subliminally he is reading
the columns on either side and is aware of the person
sitting next to him. That’s a cut-up.» ‹The Moving
Times› provided a new direction that Burroughs would
explore for over a year. In ‹The Moving Times›, the mock
newspaper is simple in layout. There are no images and
the format mimics the front page of a daily paper like
the ‹New York Times›. This would be further explored
in later issues of ‹My Own Mag›. In ‹Bomb Culture›,
Nuttall spends a few pages describing ‹The Moving
Times› in terms of Burroughs’ development. Clearly,
Nuttall realized that the material Burroughs sent for
the Tangier Issue marked an exciting new path.
Burroughs’ entrenched living situation in Tangier was also a major impetus for ‹My Own Mag #5›.
Once again the problems addressed in the «Auntie Homosap» section mirrored Burroughs’ own: «I have an
overwhelming urge to escape from the present» and «I
have been stranded on the eternal plain for days now.»
Burroughs was «under siege» in Tangier being assaulted by angry neighbors and ‹ The Moving Times› piece
in ‹My Own Mag #5› deals with this siege explicitly. Column two speaks of «paralyzing immobility», «a life every circumstance of which is regulated after an unchanging
pattern», and « Baby, it’s foreign outside has the general meaning of alien or hostile. So return to your trap
by taxi and write what you have just seen and heard.» It
should be noted that Burroughs references the ‹Tangier
Gazette› as a source for this column and as such it represents Burroughs’ present situation.
Taken as a whole, ‹The Moving Times› provides
Burroughs with a means of escape. In a research paper,
Davis Schneiderman explores Burroughs’ three-column
experiments, such as ‹The Moving Times›. Schneiderman notes that Burroughs often utilized the same front
page of the ‹New York Times› from September 17, 1899.
Numerous postcards mailed to Nuttall from this time of
siege may reveal why. The postcards are postmarked
from Gibraltar and feature scenes from the area. As Miles points out, Gibraltar was an area of fascination for
Burroughs and a key source for the new direction the
cut-ups were taking. One postcard in particular makes
reference to the Southport Gates inscribed with the date
1899 and the cut-up experiment «The Coldspring News»
(Nov 21, 1964: «Old arch there with The Coldspring
News. [Date on the arch is 1899]»). Burroughs viewed
Gibraltar as a magical place, a portal allowing travel in
time and space. The Southport Gates symbolized this
point of intersection. In part, Burroughs chose an edition of the ‹New York Times› from 1899 due to the date
inscription on the Southport Gates in Gibraltar.
Given Burroughs’ desperation to escape Tangier,
Gibraltar was literally and symbolically the way out.
Tomasz Stompor in ‹Larval Entities – William S. Burroughs’ Concept of Time› (presented at the EBSN Conference in 2012) explores the three-column experiments
in ‹My Own Mag› in terms of space-time travel, focusing on Burroughs’ use of arches in St. Louis, New York
City and Gibraltar as portals for such imaginary travel.
Stompor writes, «one might say that these three arches
can be regarded as time portals, just like the open grids
in Burroughs’ layouts, making possible the contemplation of the contingency of temporal flow, and the contingency of remembering the passage of and in time.»
‹The Moving Times› obsessively rehearses such
movement. The following examples are from the first
column, which outlines how to read the experiment:
«move back in time», «Move forward in time», «there are
many hints of your so-called future», «reading the future» and so on. In ‹The Moving Times›, Burroughs is
quite simply performing magic in an attempt to alter his
stagnant and dangerous present and write himself into
a more mobile and creative future. Burroughs believed
the cut-ups possessed this power to predict and alter
the future. In The Job, Burroughs states, «I would say
that my most interesting experience with the earlier
techniques was the realization that when you make cutups you do not get simply random juxtapositions of
words, that they mean something, and often that these
meanings refer to some future event.»
‹The Moving Times› would indeed prove magical. The piece ends with a plea from Burroughs for contact from the outside world. He requests readers to «send
along a column of your times» and he lists his address
in Tangier. As Burroughs wrote Alex Trocchi: «Response has exceeded our expectations.» Burroughs and Nuttall heard from Carl Weissner, Claude Pélieu and Mary
Beach, and attracted the notice of Ted Berrigan and Ed
Sanders. In a letter to Alex Trocchi from May 12, 1964,
Burroughs enthuses about the response to ‹The Moving
Times› and leaving Tangier: «I will let you know when I
get my travel orders. Like I say we have had an unexpectedly good response to The Moving Times which has put
me in touch with a number of people...» The ensuing
correspondence and resulting collaborations would form
the closest thing to a full-scale movement or school relating to the cut-up method that Burroughs would experience.
As suggested by ‹The Moving Times› with its references to boyhood homes and New York, Burroughs
left Tangier behind in late 1964 and briefly returned
home to St. Louis as part of a writing assignment for
Playboy. The ensuing piece, ‹St. Louis Return›, appeared
in ‹Paris Review 35› (1965). After visiting his birthplace,
Burroughs established residency in Lower Manhattan
and became immersed in the literary and art scene there, such as in the Mimeo Revolution that developed
around Ed Sanders of ‹Fuck You, a magazine of the arts›
and Ted Berrigan of C Press and ‹C: A Journal of Poetry›. Both poets published Burroughs extensively in
1964/1965, including cut-up classics like ‹APO-33› and
‹Time›. For all intents and purposes, Tangier would remain a place of the past for the rest of Burroughs’ life.
The Tangier Issue cover is green with a mimeo’d
image of Burroughs wearing a fez and smoking a cigarette. This cover conjures up images of marijuana and
kif, which seemingly plays in perfectly with the oft-told
story of Burroughs’ excesses in Tangier. Ira Cohen and
‹Gnaoua› are part of this story. On the other hand, ‹My
Own Mag› is far from a celebration of Tangier. Instead,
it serves as Burroughs’ goodbye to Tangier’s expatriate community. As such, the Tangier Issue of ‹My Own
Mag› should ultimately be viewed as Burroughs’ green
card, which enabled his return home and established his
residency within a new literary community centered
upon cut-up experimentation and publication.
by Jed Birmingham
Hanf, Hanf,
hurra!
Kein Schiff
könnt’ Ohne
segeln!
Nach einem Jahr an der Graduate School in Columbia beschloss ich 1961 New York City zu verlassen und schnappte für 90 $ einen jugoslawischen Frachter nach Casablanca, den Kopf voller Bilder von Marokko, die sich aus
alten Filmen und den Büchern von Paul Bowles und William Burroughs nährten. Ich stach in See und träumte davon, die Wunderlampe zu finden, mit der sich die Tür zu
einem neuen Leben aufstossen liesse.
Als ich in Casablanca ankam, sah ich als Erstes eine Pyramide von Lattenkisten am Anlegeplatz und auf ihrer
Spitze vor dem nordafrikanischen Himmel die Silhouette eines Marokkaners, der auf einer Toilettenbrille
sass. Die erste Nacht verbrachte ich bis zum Morgengrauen in den menschenleeren Strassen der Medina, traf
kaum eine Seele, nur hier und da vermummte Gestalten
in Kapuzen, die in den Hauseingängen kauerten – später erfuhr ich, dass das Nachtwächter waren. Am nächsten Tag hörte ich, ein amerikanischer Soldat sei unweit
von dort, wo ich herumgewandert war, umgebracht und
kastriert worden. Vielleicht einer, der Schwierigkeiten
gesucht hatte, dachte ich, aber ich konnte mich eines
Seufzers der Erleichterung nicht erwehren.
Nachdem ich in Tanger angekommen war, ging ich zum
Zoco Chico, wo ich mich an einen der vielen Kaffeetische setzte, die den kleinen Platz umgaben. Als ich meinen ersten Minztee nippte, hatte ich das unheimliche
Gefühl, dass ich hier schon einmal gewesen war, als würde ich in einen Traum mit dem Titel «Déjà vu» eintauchen. Plötzlich realisierte ich, dass dies die Szenerie von
Tennessee Williams’ Stück ‹Camino Real› war, dessen
Uraufführung ich im letzten Jahr in New York gesehen
hatte. Auf der Amerikanischen Treppe gegenüber dem
Meer hatte ich das Tor zu Tennessees Welt durchschritten; es führte in eine geheimnisvolle Welt, aus der keiner, der sie betreten hatte, je zurückkehren würde – so
ungefähr erinnerte ich mich. Der Zoco war einer dieser
magischen Plätze, auf dem jede Person ein Archetyp ist,
und tatsächlich steckte Tennessees Stück voller Figuren
wie dem amerikanischen Kilroy – sein Name war in der
Nachkriegszeit an alle Wände gekritzelt: «Kilroy was
here». Von Eli Wallach gespielt, wurde Kilroy mit einem
Herzen dargestellt, das aus Gold und so gross wie ein
Babykopf war – zu den anderen Dramatis personae gehörten Lord Byron, Baron Charlus aus Prousts ‹Auf der
Suche nach der verlorenen Zeit›, Don Quixote und eine
alte Zigeunerin, eine Wahrsagerin, die ihre Tochter jeden Tag als frische Jungfrau feilbot.
Gleich beim Zoco Chico nahm ich ein Zimmer im Carlton Hotel, für umgerechnet 60 Cents die Nacht; eines
von den vielen Hotels, in denen ich lebte, bis ich in mein
erstes Haus in der Kasbah einzog. Ich liess meine Tasche im Zimmer Nummer 7, doch als ich nach einem
mehrstündigen Antesten der Kifcafés zurückkam, entdeckte ich, dass mein Hotelzimmer verschwunden war.
«Es gibt keine Zimmernummer 7», beharrte der Portier, und ich glaubte in einem schrägen Film mitzuspielen, bis mir klar wurde, dass ich in ein anderes Hotel
unterhalb der Strasse vom Carlton geraten war.
Innerhalb weniger Tage stiess ich auf William Burroughs, als er am Zoco sass und sich die Schuhe polieren liess. So betrat ich die Interzone, in der ich mich für
die nächsten vier Jahre aufhalten sollte. Ich wurde selbst
zu einem Charakter in der sich drehenden Traummaschine einer tangerinen Fantasie, die nicht einmal Scheherazade hätte erfinden können. Tanger war damals ein
äusserst geheimnisumwitterter Ort – ein cinematisches
Minenfeld, vollgepackt mit den heissesten Charakterdarstellern der Welt; von Zeit zu Zeit traf ich sie alle
auf dem Zoco Chico, im Café de Paris am Boulevard unweit vom Hotel Minzah oder in der Parade Bar, wo die
Mugwumps im ‹Naked Lunch› ihre Cocktails mit alabasternen Strohhalmen schlürften. Spione, Schmuggler,
Leute, die von Cheques lebten, Gauner jeder Couleur,
internationale Queens, Beatniks & Bauchtänzerinnen,
Mary Rogers (die Tochter des grossartigen amerikanischen Humoristen Will Rogers), Eugenia Bankhead (Tallulahs Schwester), Herzöge & Herzoginnen genauso wie
Zirkus-Affen & -Akrobaten. Und dann die Marokkaner
selbst. Unter ihnen lebte ich wie unter urwüchsigen Geschichtenerzählern. Bemerkenswerte Menschen, mit mehr
Magie begabt als alle, die ich sonstwo traf. Und bei all
dem sassen wir in der Medina in Abdelkaders Café, rauchten unsere Kifpfeifen und schauten auf den Palast von
Barbara Hutton hinunter, der Woolworth-Erbin, von der
man ab und zu einen Blick erhaschte, wenn sie ihr Chauffeur auf seinen starken Armen hinein- oder hinaustrug.
Glaubte ich, Pepe Le Moko zu sein und dass es mir immer gut ginge, solange ich in der Kasbah bleiben würde?
Du könntest deine süsseste Lebenserfahrung darauf verwetten, so war’s. Ich hatte alles: Drei Wünsche frei, den
Tanz der sieben Schleier und eine Begegnung mit dem Alten vom Berg. Und trotzdem ging ich fort und schlug mich
nach Shangri-La durch, wo ich auch für immer hätte bleiben können, doch das ist eine andere Geschichte.
Beschränken wir uns darauf zu sagen, dass ich in Tanger mit einem ‹Naked Lunch›-Exemplar im Rucksack
ankam & dass ich Burroughs, obwohl ich seine Einladung nach unserem ersten Treffen nicht annahm, wieder begegnete, als ich dem Geräusch einer phantomartigen Schreibmaschine nachging, welche die ganze Nacht
über im CTM-Hotel in Marrakesch klapperte, doch erst
in Paris sollten wir einander wirklich kennenlernen,
durch Brion Gysin, der mich auf die Cut-up-Technik
gebracht hatte. Brion, den ich im Beat-Hotel an der Rue
Gît-le-coeur besuchte, spielte mir Bänder mit den Jilala & den Meistermusikern von Jajouka vor sowie Bänder, die Paul Bowles für das Smithsonian Institute aufgenommen hatte. Obschon ich später Paul durch einen
Zufall traf, als ich in Marrakesch über die Djemma el
Fna schlenderte, war es die Begeisterung von Brion &
Harold Norse, den ich bereits in Tanger getroffen hatte, die mich dazu anstiftete, das Magazin ‹Gnaoua› zusammenzustellen, nach dem Namen einer islamischen
Bruderschaft, deren Patron Sidi Bilal war, nach Mohammeds schwarzem Muezzin. Es enthielt mehrere Texte
von William aus ‹The Nova Mob›, Brions inzwischen be-
rühmten Text ‹The Pipes of Pan› über die Musik & die
Rituale von Jajouka sowie Harolds fantastisches sexy
Cut-up, das ich ‹Sniffing Keyholes› taufte. Es war eine
Begegnung mit der exorzistischen Musik der Gnaoua,
die mich dazu anstiftete, dieses Magazin zu machen, das
auch das Portfolio ‹Superstars of Cinemaroc› von Jack
Smith enthielt, dessen einmalige Bilderwelt in New York
von alten Maria Montez-Filmen beeinflusst war. Damals lebte ich im Viertel Dar Baroud in einem marokkanischen Haus aus Ziegeln & verrosteten Glasfenstern,
in einer kaleidoskopischen Umgebung, die ich mit Rosalind, Irving Rosenthal & Marc Schleifer teilte, der später
NBC-Redaktor für den Mittleren Osten in Kairo wurde
und seinen Namen in Suleiman Ben Abdullah Schleifer
umwandelte. Irving hatte damals einige der bedeutendsten Literaturmagazine herausgegeben: Die reiche ZenAusgabe der ‹Chicago Review› sowie ‹Big Table›, darin
Erstveröffentlichungen aus ‹Naked Lunch›, Kerouacs ‹Old
Angel Midnight› & Gregory Corsos grosse Gedichte ‹Power & Army›. Irving vollendete gerade sein Buch ‹Sheeper›, das ich in täglicher Fortsetzung las; eine Auswahl
daraus erschien in ‹Gnaoua›, zusammen mit Gedichten
von Marc Schleifer & Philip Lamantia sowie Michael
McClures schamanistischen ‹Beast Poems›. Tatianas
‹Rock of Ectoplasm From Thunder Island›, Stuart Gordons ‹Crab Hermits Develop Language: Shall It Freely
Be?› und Irvings Übersetzung aus dem Spanischen der
Geschichten von Mohammed Ben Abdullah Yussufi, einem marokkanischen Schuhputzer, der von der Polizei
zu Tode geprügelt wurde, waren weitere Beiträge, neben speziellen Cut-up-Fotografien von Ian Sommerville, dem Mathematiker & «Dreamachine»-Theoretiker,
einer Gebrauchsanleitung fürs Aufrastern von Fotos &
George Andrews› brillianter Übersetzung von Alfred
Jarrys ‹Die andere Alkestis›. Dieses Magazin ist heute
ein wertvolles Sammlerstück – das erste Ding, das ich
je gedreht habe. Zum Glück brachten mir Irving & Marc
Schleifer die Kniffe bei; Marc hatte Kulchur Press in
New York gestartet, bevor er nach Marokko kam. Irving
& Marc hatten beide in Jack Smiths ‹Flaming Creatures›
mitgespielt, einem Meisterwerk des Neuen Amerikanischen Films. Schliesslich fuhr ich nach Belgien, wo ‹Gnaoua› gedruckt wurde. Alle sagten, das sei das beste Magazin, an dem sie je beteiligt gewesen seien.
Nachdem das Heft 1964 erschienen war, entschloss sich
Targuisti, ein alter Freund von Brion aus den Tagen des
legendären Clubs «Les 1001 Nuits de Tanger», mich jeden Tag in der Regenperiode zu besuchen, um die Zeit
totzuschlagen; wir begannen, einen Abend mit den Jilala zu planen, einer anderen religiösen Bruderschaft Marokkos, um Brions Rückkehr von 1965 zu feiern. Wir luden die Jilala ein, wie ich einst die Gnaoua in mein Haus
eingeladen hatte, damit sie ihre Trancerituale kleinen
Gruppen von Freunden vorführten, unter denen sich bisweilen der surrealistische Dichter Edouard Roditi, der
von seinen Begegnungen mit Federico Garcia Lorca oder
Hart Crane erzählte, Susan Sontag, die aus New York
angereist war, um Paul & Jane Bowles zu besuchen, oder
Alfred Chester befanden, der eines Tages früh auftauchte, als Targuisti gerade ein Schaf für die Trancenacht
schächtete; Alfred geriet in Panik und stürzte hinaus,
überzeugt, er sollte als nächstes Opfer geschlachtet werden. (Alfred, einer meiner besten Freunde, endete tragisch, als er einige Jahre später in Jerusalem Suizid beging, nachdem er sein bestes Buch ‹The Exquisite
Corpse› geschrieben hatte). M’sikseff kam in seinem
goldenen Turban, um Minztee zu machen und die Zubereitung des Essens zu überwachen. Und natürlich kamen Paul & Brion und machten Aufnahmen, die ich auf
meinem eigenen Label Trance Records herausgab. Ich
erinnere mich, dass ich, als ich nach vier Jahren in Marokko nach New York zurückkehrte, Angus MacLise in
der Cinémathèque an der 42sten Strasse traf, wo er seine ‹Dream Weapon Rituals› mit John Cale an der Bratsche aufführte, und wie intensiv beide auf die Musik der
Jilala ansprachen. Brion sagte immer, es seien die Jilala, die seine Musik spielten, die Musik, die seine Schlange steigen mache. Und bei mir war es nicht anders. In
meiner letzten Nacht in Marokko trank Farato, der Feuerschlucker, einen Kessel siedenden Wassers, während
die Frauen wild ululierten und ich schliesslich mit ihnen tanzte und mich ganz der Musik von Sidi Abdelkader Jilani hingab.
Wenn ich heute diese Worte schreibe, ist die Musik der
Jilala & der Gnaoua genauso wie die von Jajouka in ganz
Europa und Amerika bekannt, und es ist nichts Ungewöhnliches mehr, auf Gruppen solcher marokkanischer
Musiker in allen Musikzentren der Welt zu stossen.
Dreissig Jahre später lese ich selber Gedichte, trete in
New York City im Cooler mit Hassan Hakmoun an der
Gimbri auf und zeige ihm eines der seltenen Exemplare von ‹Gnaoua› mit der englischen Übersetzung eines
Lieds, das erzählt, wie die Gnaoua von den Larobia durch
die Sahara nach Marokko gebracht und im Namen des
Propheten mit Jasmin & Orangenblüten gesalbt worden
waren. Als ich Allen Ginsberg, der ebenfalls zur Ausgabe aus Indien beigetragen hatte, einige Exemplare von
‹Gnaoua› schickte, sandte er Bob Dylan eins davon; dieses Exemplar kann man auf dem Cover von ‹Bringing It
All Back Home› sehen, in der Mitte der Kamineinfassung steht es (und blickt dich an mit Skorpionaugen &
einem Schlangenlächeln. Zu meinem eigenen Erstaunen
musste ich feststellen, dass das Cover William Burroughs
gleicht: bis hin zur Spanischen Fliege auf seiner Nase).
1965 kam der Dichter, Stückeschreiber & Living Theatre-Schauspieler Mel Clay in Tanger mit Texten zu mir,
an denen er mehrere Monate lang in der Kasbah gearbeitet hatte. Ich weckte sein Interesse an der Cut-upMethode, und so begann ein Abenteuer: Wir schnitten
unsere Arbeiten zusammen und schrieben ‹The Majoon
Traveler›. Dabei wandten wir eine Technik an, die ich
«das Sieb» nannte; wir schnitten rechteckige Schlitze
auf verschiedenen Papieren aus & fuhren damit über die
Texte. Die Idee war, Wörter zu sieben, wie man Kif siebt,
um den feinen Blütenstaub zu gewinnen, aus dem das
beste Haschisch gepresst wird. Auf diese Weise habe ich
die Gedichte ‹Tangier Telegram from the Majoon Traveler› sowie ‹Coda› gemacht.
Bald darauf diskutierte ich mit George Andrews die
Idee, ein Buch über Cannabis herauszubringen. Ich
schrieb ‹The Goblet of Dreams› für ‹The Book of Grass›,
das in London bei Peter Owens Vision Press erschien,
mitherausgegeben von meinem langjährigen Freund &
holländischen Übersetzer, dem Dichter Simon Vinkenoog. Aber mein Text kam darin nicht zum Zug. Deshalb
sandte ich ihn über Alfred Chesters Agenten ans ‹Playboy Magazine›, das ihn im April 1966 in einer Nummer
brachte, die auch Beiträge von Ian Fleming & Vladimir
Nabokov, meinem früheren Professor in Cornell, enthielt.
Doch die Rechtsabteilung des Playboy hatte entschieden, ein Majoun-Rezept nicht abzudrucken. All das führte dazu, dass ich schliesslich ‹The Hashish Cookbook›
unter dem Pseudonym Panama Rose herausbrachte; es
wurde ein Underground-Bestseller.
Bevor ich Tanger verliess und nach New York zurückkehrte, wo ich die Universal Mutant Repertory Company ins Leben rief und Mylar-Fotografien zu machen begann, kam ich, wie so oft, nach Mitternacht zu Paul in
sein Apartment in Campoamor; ich warf Kieselsteine an
sein Fenster (wir hatten kein Telefon), während einem
dieser letzten Besuche entdeckte ich eine Sammlung unveröffentlichter Gedichte, die Paul in den späten 30er und
den frühen 40er Jahren in Mexiko geschrieben hatte. Diese Gedichte kamen im Magazin ‹The Great Society› heraus, das ich zusammen mit dem jungen amerikanischen
Dichter Robert Richkin edierte. Die ‹Jilala›-Schallplatte
dachte ich mir als zweite Ausgabe von ‹Gnaoua›, und ‹The
Great Society› war eine ‹Heddaoua›-Publikation. Diese
Ausgabe enthielt auch ‹The Blood Drinker›, die erste veröffentlichte Geschichte von Mohammed Mrabet. Und es
war Mrabet, der mir 1986, als ich nach Tanger zurückkehrte, sagte: «Einst waren wir jung, jetzt sind wir alt,
bald werden wir nicht mehr sein; so ist es gut.»
Während dieser letzten Kieselsteinnächte bei Paul in
Tanger beschloss ich, unsere Gespräche auf Band aufzunehmen. Als ich das Band transkribiert hatte, nahm
ich eine Schere, schnitt das Manuskript in Streifen und
tat alle Stücke, die mir gefielen, in einen Briefumschlag.
Dieser Umschlag landete irgendwie in der Columbia
University Library, wo er von Gena Dagel Caponi gefunden wurde; sie arbeitete gerade an einem Buch über
Paul Bowles, setzte das Gespräch wieder zusammen und
druckte es in «Conversations with Paul Bowles» ab; jetzt
ist es, dank Philippe Franck und Didier Devillez, auch
auf Französisch erschienen.
Nach vielen Jahren in Nepal und Indien kam ich 1987 &
1990 nach Tanger zurück. 87 schrieb ich am Tag nach
meiner Ankunft ‹From the Moroccan Journal›. Ich erwachte in meinem Hotelzimmer im Glauben, es sei fünf
Uhr nachmittags und stürzte hinaus auf den Socco, um,
als ich dort ankam, zu realisieren, dass es fünf Uhr in
der Früh war. Dann begann ich in mein Tagebuch zu schreiben und versuchte mich an alles zu erinnern. Auf dieser Reise drehte ich auch ein Video, das ich ‹The Goblet
of Dreams nannte›, das meiste bestand aus Aufnahmen
von der Djemma el Fna in Marrakesch.
1990 schrieb ich an den Cafétischen von ganz Tanger
‹Minbad Sinbad›. Als ich jemanden fragte, der mich gerade unterbrach, was «später» heisse, sagte er: «Minbad.» Und ich sagte: «Okay. Minbad, Sinbad.» So entstand der Titel meines Texts. «Das ist kein Cous-cous
aus der Dose!», wie Rubio sagen würde, der Rollstuhlphilosoph vom Zoco Chico, der seine Beine an die Gangräne verlor. Jetzt ist er in seinen Vierzigern, doch ich
erinnere mich an ihn als einen arroganten Geck von vierzehn Jahren, der mit William Burroughs ausging & einen piekfeinen Anzug trug, gleissend wie ein Kupferpfennig.
Ich könnte noch viel mehr erzählen, aber ich will hinaus
in die Strassen von Brüssel, bevor das Licht wechselt.
Zum Schluss möchte ich noch drei Sachen sagen. Nach
einer Fussnote in Dantes ‹Purgatorium›: «Jetzt komme!
siehe, wie schon steckt / Am Meridian die Sonn, und am
Gestade // Die Nacht schon mit dem Fuss Marokko
deckt!» Zweitens: In einer Kurzgeschichte von Borges
las ich einmal, dass der Ausgang der Unterwelt in Tetouan liege, unweit von Tanger. Drittens: Als ich Paul
bat, eine Akashic-Melodie zu komponieren, bat er mich
um die Bedeutung des Wortes «akashic». Ich begann
auszuführen, dass es aus dem Sanskrit stamme, von
«Akash»: lichtwärts, eine Offenbarung, ätherisch, Himmelszungen, der sublime Schrein… Er meinte: «Ach so,
du meinst Gottes Privatvideos.» Und da hast du’s.
– Mit einem speziellen Dank an Ahmed Yacoubi, Mohammed Hamri & den ganzen Rest der grossen marokkanischen Bande plus Rosalind.
im Juni 1997
Avenue Chazal, Brüssel
von Ira Cohen
(aus dem Amerikanischen von Florian Vetsch)
La
giralda
Tanger, 4. Oktober 2011
Wie die Möwen vom Dach in den
Gleitflug sich schwingen:
Hoch über dem Kanonenplatz
hinter Zimmerpflanzen
Über den abschüssigen Hang, das
Theater Cervantes
auf die Strasse von Gibraltar hinaus
– ein Rundflug.
von Florian Vetsch
fz296
With Contributions by
Jed Birmingham
Ira Cohen
Susann Klossek
Maximilian Linz
Noha Mokhtar
Mohammed Mrabet
Michel Rauch
Simona Schneider
Tomasz Stompor
Florian Vetsch
Pages 9 & 14
Burroughs, William S., Moving Times
in ‹My Own Mag Nr. 5›
Compiled by Robert Bank and Jed Birmingham.
Published by RealityStudio 2007.
Page 11
Illustration by Jeff Nuttall
in ‹My Own Mag Nr. 5›
Compiled by Robert Bank and Jed Birmingham.
Published by RealityStudio 2007.
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Seestrasse 395
Postfach 1073
8038 Zürich
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