Viktor Wechselberg eröffnet Faberge

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Viktor Wechselberg eröffnet Faberge
November 2013 (Nr. 45)
Die deutschsprachige Zeitung zum Leben in Piter
Stadtnachrichten S. 3 >>>
3-Tage-Visafreiheit jetzt
auch für Flugpassagiere
Thema S.5 >>>
Quo vadis, Kapitalismus Gesprächsrunde
Kultur S. 7 >>>
Jazzkonzerte mit Harald
Rüschenbaum
www.spzeitung.ru
Wirtschaft S. 10>>>
Petersburger MANWerk offiziell eröffnet
Vermischtes S. 11>>>
Typisch Russland:
Kein Land des Lächelns
Viktor Wechselberg eröffnet Faberge-Museum in Petersburg
Im Narischkin-Schuwalow-Palast am Fontanka-Kanal wurde das
Petersburger FabergéMuseum eröffnet. Die
Stadt wurde um eine
wichtige Attraktion reicher, zugleich wurde ihr
ein Stück eigener Geschichte aus den Jahren
vor der Oktoberrevolution zurückgegeben.
eva.- Die Einweihungsfeier
war mit einer ganzen Reihe
prominenter Köpfe bestückt:
Der Oligarch Viktor Wechselberg, Russlands Kulturminister Wladimir Medinsky,
der Petersburger Vizegouverneur Wassiliy Kidschedschi, sowie die Verantwortliche der Fabergé-Sammlung
im Kreml Tatiana Muntjan
und der Direktor des neuen
Museums Wladimir Worontschenko traten vor die Presse. Von allen war wohl Viktor
Wechselberg der wichtigste, denn aus seinem Besitz
stammt der grösste Teil der
Ei mit Zarenporträt. Die russische Herrscherfamilie gehörte
zu den besten Kunden des Juweliers. Bild: www.gov.spb.ru
Museumssammlung. 2004
hatte er mit dem Kauf der
Forbes-Sammlung der Fabergé-Eier für rund 120 Millionen Dollar für weltweites
Aufsehen gesorgt. Schon damals hatte er angekündigt, er
wolle die Kunstwerke in ihre
Heimat zurückbringen.
Offenbar war es aber nicht
so einfach, einen richtigen
Standort für das Museum zu
finden. So gestand Wechselberg an der Pressekonferenz
ein, er habe bisweilen nicht
mehr daran geglaubt, dass er
sein Vorhaben verwirklichen
könne. Vor dem Petersburger
Palast waren noch andere Lokalitäten in Moskau im Gespräch. Dass die Eier schliesslich in ihre “Heimatstadt”
zurückkehrten, ist auch ein
Verdienst der früheren Petersburger
Gouverneurin
Valentina Matwijenko, die
seit 2011 als Vorsitzende des
Föderationsrates in Moskau
amtet und dort kräftig lobbyierte. Der deutsch-baltische
Juwelier Carl Peter Fabergé
(1846-1920) hatte in seiner
Petersburger Werkstatt in
den Jahren 1885 bis 1917
rund 50 Eier aus kostbarsten
Metallen und Edelsteinen
hergestellt. Jedes Ei wurde einem bestimmten Motiv oder
einem historischen Ereignis gewidmet – eine ganze
Reihe wurde von der russischen Zarenfamilie angekauft. Durch die Revolution
wurde der Juwelier Fabergé
zur Emigration nach Genf
gezwungen. Seine kostbaren Eier wurden in alle Welt
zerstreut, und bis heute ist
lediglich der Verbleib von 43
Exemplaren bekannt. Durch
das neue Museum bekommt
St. Petersburg ein Stück seiner glanzvollen Geschichte
zurück – gleichzeitig wird
die Stadt um eine wichtige
Touristenattraktion reicher,
die mindestens ebenso viel
Prestige besitzt wie zum
Beispiel das Bernstein-Zimmer im Katharinen-Palast in
Puschkin.
Auf einen Schlag wurde
damit noch ein weiteres
Problem gelöst – der relativ
heruntergekommene Narischkin-Schuwalow-Palast
erhielt dank der Museumsgründung die dringend
benötigte Sanierung. Das
Museum soll im Dezember
für die Öffentlichkeit geöffnet werden. Die konkreten
Eintrittspreise wurden nicht
genannt, doch sollen sie sich
im erschwinglichen Rahmen
bewegen und Vergünstigungen für Kinder, Studenten
und Rentner bieten.
Eklat beim Schaubühne-Gastspiel: „Kosaken“ gegen „Tod in Venedig“
Aus Protest gegen
die Vorführung der
Schaubühne-Produktion „Tod in Venedig
/ Kindertotenlieder“
des Regisseurs Thomas
Ostermeier haben Unbekannte in der Nacht
auf den 22. November
das Gebäude des St.
Petersburger Maly Dramatitscheski-Theaters
mit Schimpfwörtern
beschmiert.
rian.- Die Hass-Worte waren
an den künstlerischen Leiter
des Hauses, Lew Dodin, gerichtet. Darüber hinaus richteten drei Personen, die sich
als „Petersburger Kosaken“
Schon kurz nach dem Anschlag wurden die Schmierereien
mit gelber Farbe übermalt. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold
bezeichnen, einen Brief an
das Nachrichtenportal Fontanka.ru, in dem die Aktion
begründet wird. Die Verfasser des Briefs bezeichnen
das von Dodin organisierte
„Winterfestival“ als ein „satanisches Fest“ und äußern
ihre Empörung darüber,
dass der Regisseur eine Produktion auf das Programm
setzen ließ, das gegen das
Verbot der „Homo-Propaganda“ verstoße. Wie es im
Brief weiter heißt, haben
die Verfasser ihre Meinung
über die Vorführung an
den Wänden am Theatereingang hinterlassen. Darüber hinaus ließen sie dort
einen Schweinskopf mit der
Aufschrift „Dodin“ zurück.
Auf Fontanka.ru wird die
Vermutung geäußert, dass
die Produktion der Berliner
Schaubühne, die an dem
Abend gespielt wurde, die
Empörung der „Kosaken“
ausgelöst hatte. Nach Abschluss der Vorführung
betrat Regisseur Thomas
Ostermeier die Bühne und
sagte, seine Truppe habe
Angst gehabt, nach Russland
zu reisen, nachdem sie von
dem vor kurzem angenommenen Gesetz über das „Verbot der Homo-Propaganda“
erfahren habe.
Zum Abschluss der Ansprache äußerte Ostermeier
seine Hoffnung darauf, dass
das Gesetz nicht mehr in
Kraft sein werde, wenn das
Theater mit dem nächsten
Gastspiel nach Russland
komme. Mit diesen Worten
erntete er eine fünfminütige
Ovation. Wie Fontaka.ru
vermutet, sind die Namen
der Briefverfasser – „Denis
Gortschin, Iwan Olchowitsch und Wassili Suchatschenko“ – erfunden.
November 2013 (Nr. 45)
Stadtnachrichten
Neues Unwetter fegte über Petersburg hinweg
Seite 2
Dacheinsturz bei
Einkaufszentrum in
Riga - 54 Todesopfer
rian.- Das Unglück ereignete
sich am 21. November als
das
500-QuadratmeterDach des Einkaufszentrums
Maxima herunterstürzte.
54 Menschen wurden dabei getötet, über 40 zum
Teil schwer verletzt. Als Ursache vermutet die Polizei
Konstruktions- beziehungsweise Baufehler. Auch
wird nicht ausgeschlossen,
dass auf dem Dach Baustoffe gelagert wurden und
dass diese den Einsturz
provozierten.
Greenpeace-Aktivisten auf freiem
Fuss - gegen Kaution
eva.- Nach dem Sturmtief “Christian” ist noch ein “namenloses” Unwetter über Petersburg und das Leningrader Gebiet gezogen und hat für einige Verheerungen gesorgt. Wiederum bewahrte der geschlossene Damm die
Stadt vor grösseren Überschwemmungen. Mit Windgeschwindigkeiten bis zu 20 Metern pro Sekunde rauschte
der Wind durch Nordwestrussland und sorgte für Stromausfälle in 108 Gemeinden bei rund 10.000 Bewohnern. Der Sturm riss Fahrleitungen herunter und sorgte für Verspätungen bei den Vorortszügen zum Witebsker
und Baltischen Bahnhof. In Petersburg wurden durch den orkanartigen Wind 259 Bäume umgestürzt, und an
26 Orten deckte er die Dächer ab. Da der Damm bei Kronstadt geschlossen war, musste die Fähre “Princess
Maria” aus Helsinki eine turbulente Nacht auf offener See verbringen. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold
eva.- 29 der insgesamt 30
Greenpeace-Aktivisten, die
beim Versuch festgenommen worden waren, eine
russische Ölplattform in der
Barentssee zu entern, sind
nach zwei Monaten Haft in
Petersburg gegen Kaution
freigelassen worden. Lediglich der Funker des Eisbrechers “Arctic Sunrise”
ist aus unbekannten Gründen noch immer in Haft.
Eingang zur Metro “Spasskaja” auf dem Heumarkt eröffnet
Die Metrostation “Spasskaja”, die den Knotenpunkt am Sennaja
Ploschad zur ersten Dreierstation Petersburgs
machte, hat endlich
einen Ausgang bekommen. Das Gebäude ist
allerdings noch ein Provisorium und soll später
in ein Einkaufszentrum
integriert werden.
eva.- Die “Spasskaja”, mit der
2009 der frühere Verlauf der
Linie 4 (gelb) geändert und
durch die neue Linie 5 (violett) zu den neuen Stationen
“Obwodni Kanal” und “Wolkowskaja” geleitet wurde, war
während vier Jahren lediglich
unterirdisch von den beiden
Umsteigestationen “Sennaya
Ploschad” und “Sadowaja”
erreichbar. Nun hat sie ihr
eigenes Vestibül, das in seiner
ganzen Pracht von Gouverneur Georgi Poltawtschenko
Das Portal der Metrostation “Spasskaja” soll später in ein Einkaufszentrum integriert werden.
Bild: gov.spb.ru
eingeweiht wurde. Der Eingangsbereich ist mit einem
Mosaik ausgeschmückt, das
den “Heumarkt” mit seinen
Verkaufsständen, Händlern
und dem Volk im 19. Jahrhundert zeigt. Unter den Figuren sind ebenfalls die Porträts von Schriftstellern wie
Puschkin, Tolstoi oder Gogol
zu erkennen, die einst auf
dem grossen Platz verkehr-
ten und ihn in ihren Werken
verewigten. Der überirdische
Ausgang mit modernen Rolltreppen hat rund zwei Milliarden Rubel (50 Millionen
Euro) gekostet und bedeutet
eine wichtige Entlastung
für die Metropassagiere, die
nun direkt von oben zu ihren Zügen gelangen können.
Bis jetzt mussten sie sich auf
einem relativ umständlichen
unterirdischen Weg von
einer der beiden Schwesterstationen zum Ziel bewegen,
was während der Rush-hour
oft zu einer grossen Drängelei führte. Das Gebäude,
in dem sich das neue Portal
befindet, ist jedoch nur ein
Provisorium. Es soll später in
den Einkaufskomplex “Pik-2”
integriert werden, der in den
kommenden Jahren vor dem
schon bestehenden Glas- und
Stahlkomplex “Pik-1” errichtet werden soll. Bisher sind
jedoch keine Details bekannt,
weil die Neugestaltung des
Heumarkts, zu der auch der
Wiederaufbau der abgerissenen Kirche gehören soll, noch
nicht bis ins letzte beschlossen ist. Laut Fontanka.ru ist
die nächste Eröffnung einer
Metrostation erst 2015 zu
erwarten, wenn die Arbeiten
an der Station “Sportivnaja”
abgeschlossen sind. Wegen
der schwierigen Grundwasserverhältnisse muss die Petersburger Metro in grosser
Tiefe gebaut werden, was die
Bauzeit stark verlängert. Im
Gegensatz zu Moskau, wo
die Tunnels nur einige Meter unter dem Boden gebaut
werden können und jährlich
mehrere neue Stationen eröffnet werden, entwickelt sich
das Petersburger Metro Netz
sehr langsam.
November 2013 (Nr. 45)
Stadtnachrichten
Fall Starowoitowa verjährt – entgehen Auftraggeber ihrer Strafe?
Die Ermittlungen zum
Killermord an der Petersburger Stadtabgeordneten Galina Starowoitowa von 1998
gehen in eine weitere
Runde. Der vermeintliche Mitorganisator des
Verbrechens
Michail
Gluschenko soll auch
den Killer angeheuert
haben – doch vielleicht
kann er nach 15 Jahren
gar nicht mehr dafür
belangt werden.
eva.- Der Mafioso und
Ex-Politiker Michail Gluschenko, der bereits als Organisator des Mords an der
engagierten Politikerin angeklagt worden war, wurde
nun offiziell auch als Autor
des brutalen Verbrechens beschuldigt. Gluschenko sitzt
Michail Gluschenko: Organisator oder auch Drahtzieher?
momentan eine achtjährige
Haftstrafe wegen Erpressung
der Brüder Schewtschenko
um zehn Millionen Dollar
ab, parallel wird er wegen der
Beteiligung an einer Reihe
anderer Verbrechen verhört.
Bereits 2005 wurden acht
Männer wegen der Beteiligung am Starowoitowa-Mord
zu langjährigen Haftstrafen
verurteilt. Gluschenkos Rolle
als Mitorganisator gilt bereits
als einiger Zeit als erwiesen,
doch das Rätselraten um die
Hintermänner des Mords
ging weiter. Stets wurde
vermutet, dass hochrangige
Persönlichkeiten aus Politik
oder Business die Beseitigung der “unbequemen”
Politikerin angeordnet hatten, die im Herbst 1998 vor
ihrer Wohnung erschossen
wurde.
Die Schwester der Politikerin,
die 1998 im Treppenhaus erschossen wurde, glaubt nicht
an die neueste Version der
Ermittler. Wie sie gegenüber
der Nachrichtenagentur Ria
Novosti sagte, sei es durchaus
möglich, dass Gluschenko
Mitorganisator
gewesen
sei, aber auf keinen Fall der
Drahtzieher. “Sie kannten
einander nicht einmal – sie
hatten nichts miteinander zu
tun. Ich möchte den Moment
erleben, wenn herauskommt,
wer ihn auf diese Idee gebracht hat.”
Dank der 15-jährigen Verjährungsfrist könnte der
Auftraggeber des Killermords seiner Strafe entgehen, schreibt Fontanka.ru.
Im Fall von Gluschenko ist
noch unklar, ob die Verjährungsklausel auf ihn angewendet werden kann. weil er
noch in andere schwere Verbrechen verwickelt ist und
weiter gegen ihn ermittelt
wird. Im Zusammenhang
mit der Verjährungsfrist tauchen noch andere Fragen auf
– zum Beispiel warum die
Ermittler solange brauchten,
um seine Schuld als Auftraggeber zu ermitteln, obwohl
seine leitende Rolle in diesem
Fall schon lange feststeht?
3-Tage-Visafreiheit auch für Flugpassagiere – aber nur eingeschränkt
Die Forderung der russischen Tourismusindustrie nach Visafreiheit
besteht schon lange und
wurde teilweise auch umgesetzt. Seit 2009 können
Fähr- und Kreuzfahrttouristen für drei Tage
visafrei nach St. Petersburg kommen, was zu
einer starken Zunahme
von Besuchern geführt
hat. Seither verlangen
auch andere Städte nach
einem solchen Privileg.
eva.- Die russische Staatsduma hat deswegen mit
einem Gesetz die dreitätige
Visafreiheit auf Flugpassagiere ausgeweitet. Man
erhofft sich damit, die jährlichen Touristenzahlen, die
derzeit mit 2,1 Millionen
etwa auf dem Niveau von
Honduras oder Laos liegen,
stark zu steigern.
Allerdings ist die Regelung
stark eingeschränkt und
hat eine sehr protektionistische Note. Transitpassagiere der folgenden russischen Flughäfen werden
von der Visapflicht befreit: Petersburg, Moskau
(Domodjedowo, Vnukovo,
Was für Touristen auf dem Wasser gilt, soll auch für jene aus der Luft gelten: drei Tage visafreier
Aufenthalt in Russland. Bild: Wikimedia Commons
Scheremetjewo),
Kasan,
Jekaterinburg,
Sotschi,
Chabarowsk, Nowosibirsk,
Wladiwostok und Kaliningrad.
Nur Staatsbürger aus 20
Ländern kommen in den
Genuss der Erleichterung,
darunter
Deutschland,
Frankreich, Italien, Spanien, Frankreich, Finnland, Belgien, Polen,
Schweden, USA, Kanada,
Australien, Japan, China,
Singapur, usw.
Ausserdem gilt die dreitägige Visumsbefreiung nur
für Passagiere russischer
Airlines – Rossia, Aeroflot,
Transaero, Utair und S7.
Diese können dank dieser
protektionistischen Regelung ihre Gewinne kräftig
erhöhen, so wird allein
im Fall von Aeroflot mit
zu-sätzlichen Einnahmen
von 30 Milliarden Rubel
gerechnet.
Die Bestimmung wird
mit Sicherheitsfragen begründet. Offenbar werden
schon bei der Reservierung
von Reisen vom russischen
Migrationsdienst die Pass-
daten der Passagiere abgefragt, um allfälligen
unerwünschten Personen
bereits im Anfangsstadium
eine Absage zu erteilen.
Und natürlich hat man mit
dieser Praxis bei russischen
Airlines am wenigsten Probleme. Auf Anfrage wurde
die neue Regelung von der
Pulkowo-Flughafenleitung
begrüsst. Allerdings würde man sich dort in Zukunft eine Ausweitung der
dreitägigen Visafreiheit auf
weitere Nationen und Fluggesellschaften wünschen.
Seite 3
Zirkusreifer
Geldraub auf der
Petersburger Ringautobahn
eva.- Während eines spektakulären Überfalls auf
einen
Geldtransporter
der Bank “Otkrytie” auf
der Ringautobahn (KAD)
wurde am 27. November
die Rekordsumme von 150
Millionen Rubel (rund 3,4
Millionen Euro) gestohlen.
Die Gangster machten in
drei schwarzen Autos, zwei
Infiniti und ein Toyota, Jagd
auf den als normalen Lastwagen getarnten Geldtransporter. Auf der Höhe der
Ausfahrt Sofiiskaja Uliza/
Obuchowskaja Oborona
keilten sie den Lastwagen
ein, drängten ihn gegen die
Leitplanken und brachten
ihn zum stehen. Von der
anderen Seite parkierte einer der Wagen so, dass auch
von dieser Seite die Fahrerkabine blockiert war und
die Wachmänner eingeschlossen waren. Von den
sechs maskierten Männern hielt einer die Wachmannschaft mit einer
Kalaschnikow in Schach,
während sich die übrigen
an die kostbare Ladung
machten. Schnell und offenbar bestens informiert
über den Verschluss des
Lastwagens rissen die Räuber mit einer Trosse und
vorbereiteten Haken zuerst den hochgeklappten
Lift an der Rückseite heraus, um an die Türen zu
kommen. Diese wurden
mit Brecheisen geknackt,
und der Raub konnte
schnell und ohne grosses
Aufsehen
umgeladen
werden. Erst nach einer
halben Stunde konnte die
Polizei verständigt und
eine Fahndung organisiert
werden, die jedoch erfolglos blieb. Die gestohlene
Summe wurde zunächst
mit 139 Millionen Rubel
angegeben, später wurde
der Betrag nach oben korrigiert. Da dies bereits der
fünfte Raub innerhalb eines
Jahres ist, nimmt man an,
dass die Räuber einen Informanten in der Bank haben. Ansonsten wäre der
unauffällige
Lastwagen
kaum als Geldtransport
wahrgenommen worden.
November 2013 (Nr. 45)
Stadtnachrichten
Endlich Winter - Petersburg im Schneegestöber
eva.- Der dunkle Herbst mit immer kürzer werdenden Tagen ist in Petersburg immer besonders trist. Der
Schnee bringt zwar Eis und Kälte, aber auch ein bisschen mehr Helligkeit mit sich. Für dieses Jahr haben die
Meteorologen einen milden Winter prognostiziert. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold
Seite 4
Metro-Bettlerring
ausgehoben
eva.- Die Petersburger
Polizei hat einen Bettlerring
festgesetzt, der während
Jahren in der Metro duch
Sklavenarbeiter Geld erbetteln liess. Dazu wurden
Invalide aus der Provinz
und aus dem GUS-Raum
unter falschen Versprechungen in die Stadt gelockt. Dort wurden ihnen
die Dokumente abgenommen und sie wurden geschlagen, um sie zur Arbeit in der Untergrundbahn
gefügig zu machen. In
einer Polizeiaktion wurden
in einem Haus im Petersburger Vorort Anino sieben
Bettlersklaven gefunden.
Eine Frau fand man im Estrich mit Spuren von Misshandlungen. Ausserdem
wurde eine grosse Mengen
an Kleingeld sichergestellt.
Die Bettlermafia, die täglich
einen “Umsatz” von bis zu
70.000 Rubel machte, wurde
schon 2002 gegründet.
Tag der nationalen Einheit: Aufmärsche, Kreuzgang, Pogrome und zwei Morde
Der diesjährige Tag der
nationalen Einheit am 4.
November verlief friedlich auf der einen, brutal
und ausländerfeindlich
auf der anderen Seite.
Während
Tausende
friedlich am Kreuzgang
der russisch-orthodoxen
Kirche über den NewskiProspekt
beteiligten,
machten andere Jagd auf
Ausländer – zwei Migranten wurden dabei
umgebracht.
eva.- Erstmals seit der Oktoberrevolution versammelten
sich Mitglieder der russischorthodoxen Kirche wieder zu
einem Kreuzgang über den
Newski-Prospekt. Mit offiziell über 50.000 Teilnehmern
war das einerseits eine Demonstration der Macht der
neu erstarkten Kirche, die
von Gouverneur Georgi Poltawtschenko jede erdenkliche politische Unterstützung
erhält. Gleichzeitig war es die
friedlichste Kundgebung dieses umstrittenen Feiertages.
Ein Gemisch an Kirchgän-
Am Kreuzgang über den Newski-Prospekt nahmen mehre
Zehntausend Gläubige teil. Bild: Ria Novosti
gern, Kosaken und anderen
nationalistisch-patriotischen
Gruppierungen (sogar verkleidete Rotarmisten waren
darunter) marschierte mit
der Ikone der Kasaner Gottesmutter von der Kasaner
Kathedrale über die Malaja
Morskaja hin zur Isaakskathedrale. Der Umzug war
stark gesichert durch OmonSonderpolizei und freiwillige
Helfer und verlief ohne Zwischenfälle.
Am Nachmittag des selben
Tages startete ein Pulk von
mehreren hundertNationalisten ab der Metro “Gorkowskaja” zu einem genehmigten
“Russischen Marsch” über
die Troitzki-Brücke zum
Suworow-Platz. Die Menge,
die maximal 1500 Personen
umfasste, bestand aus Vertretern sämtlicher rechter und
ultrarechter Gruppierungen
– von der “Nationaldemokratischen Partei” bis hin zur
“Bewegung für das Recht
auf freien Waffenbesitz”. Im
Fahnenwald
dominierten
die imperialen gelb-schwarzweissen Trikoloren. Skandiert
wurde “Ehre für Russland”
und “Russland den Russen”.
Bei ihren Auftritten sprachen
sich die Anführer vorwiegend für die Einführung des
Visazwangs für Bewohner
sämtlicher zentralasiatischer
Länder aus. Aber schon kurz
nach Ablauf des offiziellen
Teils lief die Aktion aus dem
Ruder.
Teile der Demonstranten
versuchten auszureissen und
auf den Newski Prospekt
und den Schlossplatz weiter
zu marschieren. Die Polizei
schritt rasch ein und nahm
an diesem Tag insgesamt 80
Personen fest. Der erneute
Versuch, auf dem ApraksinMarkt ein Pogrom gegen
ausländische Händler anzuzetteln, unterband die Polizei
mit strengen Personenkontrollen ab dem Gostiny-DworKaufhaus.
Trotzdem kam es an den Metrostationen “Udelnaja” und
“Rybazkoe” zu Aktionen gegen Ausländer und Massenschlägereien. An der “Udelnaja” begann eine Gruppe
von etwa 40 vermummten
Männern, Ausländer auf dem
Perron und in den Waggons
der haltenden Züge zu schlagen. Danach gingen sie nach
oben, wo sie die Marktstände
“nichtslawischer” Händler
angriffen und teilweise umkippten. An der “Rybazkoe”
verlief alles nach demselben
Schema zuerst im Bereich der
Metro, wo Jagd auf Migranten mit asiatischem Aussehen
gemacht wurde, die Opfer
teilweise blutig geschlagen
wurden. Später fand die Polizei in der Nähe der Station
einen Toten aus Zentralasien, der mit Messerstichen
“hingerichtet” worden war.
Am selben Tag wurde ebenfalls im Süden der Stadt an
der Uliza Richarda Sorge ein
Mordopfer aus Kirgisien mit
starken Schnitt- und Stichverletzungen gefunden – hinter
beiden Morden vermutet die
Polizei Rechtsradikale.
Der “Tag der Nationalen
Einheit” wurde 2004 von
Präsident Wladimir Putin als
arbeitsfreier Feiertag zum Gedenken an den Sieg über die
polnisch-litauischen Truppen im 17. Jahrhundert eingeführt. Der Gedenktag wird
jährlich von allen rechten und
ultrarechten Gruppierungen
für so genannte “Russische
Märsche” in allen grossen
Städten Russlands benutzt,
wobei es regelmässig zu Ausschreitungen kommt.
November 2013 (Nr. 45)
Thema
Quo vadis, Kapitalismus? Gespräch über
eine in die Jahre gekommene Gesellschaftsform
Im
Rahmen
des
Deutsch-russischen
Salons im Deutschen
Generalkonsulat St. Petersburg stellten sich der
österreichische Wirtschaftsjournalist und
Buchautor Wolf Lotter
und der russische Ökonom und Publizist Dmitri
Travin den Fragen zum
Thema “Kapitalismus”.
Als Moderator versuchte
Russland-Korrespondent Stefan Scholl
die Aktualität und Zukunftsperspektiven dieser bald 200 Jahre alten
Gesellschaftsordnung
zu ergründen.
Von Eugen von Arb
Obschon die beiden Kapitalismus-Experten sehr verschiedene Ausgangspunkte
hatten, trafen sie sich im Verlauf des Gesprächs auf einer
Linie. Wolf Lotter, der sein
Buch
“Zivilkapitalismus.
Wir können auch anders”
mitgebracht hatte, ging vom
Kapitalismus als positive
Erscheinung, einem Instrument der Gesellschaft zur
Weiterentwicklung aus.
Paradoxerweise seien die
meisten Ökonome Antikapitalisten, weil der Kapitalismus sehr negativ behaftet sei,
meinte er. Dabei habe er trotz
der negativen Erscheinungen
wie zum Beispiel Kinderarbeit und Elendsquartiere
im ersten Jahrhundert seiner Existenz (1840-1940)
zu einer Verdoppelung der
Lebenserwartung und zu
einer mehrfachen Erhöhung
des Durchschnittseinkommens geführt. Lotter schreibt
die meisten negativen Erscheinungen, wie etwa der
Kriegskapitalismus,
der
Beeinflussung durch die politischen Machthaber und
durch die Bürokratie zu.
“Kapitalismus ist ein Instrument und keine Weltanschauung – diese wird darübergestülpt”, erklärte er dem
Publikum im Bismarcksaal.
Monopole und Korruption
entstünden nur dort, wo der
Wettbewerb fehle und führten zu einer Einengung des
Kapitalismus. Deshalb hätten viele Regimes, die sich
nach aussen als kapitalistisch
bezeichneten, die wichtigsten Grundlagen des freien
Markts beseitigt. Das Dritte
Reich sei beispielsweise alles
andere als kapitalistisch gewesen, weil es eine Planwirtschaft wie in der Sowjetunion
betrieben habe. “Könige und
Tyrannen brauchen keinen
Kapitalismus”, unterstrich er.
Kapitalismus schaffe kein
Glück, aber er biete vielen
Menschen die Möglichkeit,
ihr persönliches Glück zu
schaffen, erklärte Lotter. Leider habe in vielen Ländern
eine “Entfremdung” gegenüber dem Kapitalismus stattgefunden. Geld und Wirtschaft
gälten als etwas unanständiges, und viele Menschen
seien bequem geworden
und wollten nur noch Geld
verdienen, aber selbst nichts
aufbauen. Selbst in grossen
Unternehmen sei dadurch
eine Bürokratenkaste entstanden. Dadurch mache
man sich abhängig und spiele
in die Hände der Ausbeuter,
statt den Kapitalismus als
Werkzeug zur Unabhängigkeit wahrzunehmen. Dmitri
Travin – Publizist und Professor an der Europäischen
Universität St. Petersburg
– ging vom Kapitalismus
als geringeres Übel aus.
“Der Kapitalismus ist eine
schlechte Regierungsform,
aber alle anderen sind noch
schlechter”, zitierte er Churchill. Dies habe man 1917
leider nicht gewusst als die
Oktoberrevolution losbrach.
Hatte Lotter bereits auf die
Vielseitigkeit des Kapitalismus mit 750 verschiedenen
Formen weltweit aufmerksam gemacht, so wies Travin
auf die grosse Erfahrung hin,
welche die Menschheit mit
dieser Gesellschaftsform und
all ihren Fehlern mittlerweile
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Wolf Lotter (v.l), Stefan Scholl und Dmitri Travin beleuchteten im Gespräch verschiedene Aspekte
des Kapitalismus, einer umstrittenen Gesellschaftsform. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold
gewonnen habe.
Wie Lotter machte auch Travin den Staat und seine Bürokratie als wichtigste Gegner
des Kapitalismus bzw. der
Bürger aus, weil sie den freien
Wettbewerb durch ihre Regulierungen behinderten.
Im Kapitalismus beute der
Mensch den Menschen aus,
aber es sei eine Illusion, zu
glauben, im Sozialismus
herrschten Gleichheit und
Brüderlichkeit. Eine Staatsbürokratie sei nie menschenfreundlich, sondern korrupt
und nur auf ihre eigenen
Bedürfnisse eingestellt. Das
habe in der Sowjetunion
dazu geführt, dass Wurst
statt Raketen hergestellt worden sei. Als ihm während seines Studiums der Gegensatz
zwischen dem Kapitalismus
(reich und effizient) und dem
Sozialismus (arm und korrupt) bewusst geworden sei,
habe er sich dazu entschlossen, sich mit dem Kapitalismus auseinander zu setzen.
Sowohl Lotter wie auch Travin bezeichneten den Kapitalismus als wichtigen Antrieb zur Demokratisierung.
Der wachsende Wohlstand
führe mit der Zeit automatisch zu einem Bedürfnis
nach geistiger Freiheit bei
den Menschen – das sei auch
in Russland oder China so,
argumentierte der Petersburger Ökonom. Auch Präsident
Putin sei zu Beginn seiner
Regierungszeit kein Gegner
der Dekokratie gewesen,
doch habe der Reichtum
dank dem hohen Ölpreis
Reformen unnötig gemacht
und nun wolle das Regime
die Pfründe der Macht- und
Geldelite bewahren, erklärte
Travin nüchtern. Russland
sei im übrigen in den meisten
Bereichen sowjetisch geblieben, da ein freier Markt durch
Macht- und Geldmonopole
weitgehend verhindert werde. Daher sei auch das Klima
für ausländische Investoren
schlecht und die Entwicklung der russischen Wirtschaft verlaufe nur schleppend.
“Bei uns wird jeden Tag gestohlen”, sagte Travin und
wies auf die Milliarden von
Rubel hin, die regelmässig
durch Korruption bei Regierungsaufträgen “verschwinden”. Die Korruption könne
vom Staat nicht besiegt
werden, sondern nur durch
freien Wettbewerb und die
Kontrolle der Gesellschaft.
Daher seien die Proteste,
wie sie vom Oppositionellen
Alexei Nawalny betrieben
würden, der Anfang der Demokratie in Russland.
Wolf Lotter sprach Missstände staatlicher Einmischung in Deutschland
an, wo wegen der hohen Einkommenssteuern Milliardenbeträge durch Schwarzarbeit abgezweigt werden.
Er habe Verständnisse für
Handwerker, die schwarz
arbeiteten, meinte er. Der
Staat sorge mittels hoher
Steuern in erster Linie für
sich – daher sei es normal,
dass sich die Bürger um ihre
Bedürfnisse sorgten.
Auch Themen wie Terrorismus oder Krieg im
Zusammenhang mit dem
Kapitalismus wurden angesprochen. Travin und Lotter
deuteten Terrorbewegungen
als Folge von Konflikten
zwischen mehr und weniger
entwickelten Gesellschaften, die in der globalisierten
Welt aufeinander stossen.
Glücklicherweise hätte sich
vielerorts die Form der Auseinandersetzungen geändert, und die Menschen
hätten verstanden, dass es
besser sei, einander etwas zu
verkaufen, statt aufeinander
zu schiessen..
Lotter warb für einen
“Volkskapitalismus”, wie
ihn der deutsche Bundeskanzler Ludwig Erhard
proklamiert hatte. Das Wissen in der Bevölkerung über
die Ökonomie müsse dringend verbessert werden. Die
Menschen müssten lernen
zu fordern und der Staat
müsse sich als Dienstleister
verstehen. “Es mangelt an
neuen Ideen in der ganzen
Welt” – meinte er enthusiastisch und gab damit gleichzeitig das Schlusswort.
November 2013 (Nr. 45)
Petersburger Dialog
in Geldnot
rian.- Beim traditionellen
russisch-deutschen
Petersburger Dialog sind
Finanzierungsprobleme
entstanden. Nach Angaben
der deutschen Seite haben
mehrere Unternehmen auf
die materielle Unterstützung des Forums verzichtet. Experten sehen die Ursache dafür nicht nur darin,
dass Berlin derzeit mit
Problemen der Regierungsbildung beschäftigt ist,
sondern auch in einer
Abkühlung der russischdeutschen Beziehungen.
Notfalls kann allerdings
die russische Seite die notwendige finanzielle Unterstützung für das Forum
erweisen.
Garri Kasparow
beantragt Lettlands
Staatsbürgerschaft –
abgelehnt
rian.- Der Schachweltmeister und russische Oppositionspolitiker Garri
Kasparow hat in Lettland
um die Staatsbürgerschaft
ersucht.
„Als Bürger
Lettlands würde ich die
Möglichkeit bekommen,
mich ohne Einschränkung im Namen von
Demokratie, Frieden und
Gerechtigkeit sowohl in
Russland als auch in anderen Ländern politisch zu
betätigen, wo Menschenrechte und demokratische
Normen verletzt werden“,
zitierten lettische Medien
aus dem Brief Kasparows.
Zugleich wollte der Antragsteller die russische
Staatsbürgerschaft beibehalten. Wie es in dem Brief
hiess, war er in jungen
Jahren mit Lettland verbunden, wo er in den 70er
Jahren einen wichtigen
Sieg im Schachspiel errungen habe. Die Mutter
seines Sohnes Vadim sei
Staatsbürgerin Lettlands
und besuche regelmäßig
Riga. Kasparow verwies
darauf, dass er als Bürger
Lettlands einen gewichtigen Beitrag zur Ausbildung von Schülern und
Studenten leisten könnte.
Mittlerweile wurde Kasparows Antrag abgelehnt.
Vermischtes
Seite 6
“Made in Germany” – Marken-Mythen in Russland
Wer in Russland einkaufen geht, kann sich bisweilen in einem ParallelDeutschland wähnen.
Stifte von Erich Krause,
Geschirr von Gipfel,
Schuhe von Thomas
Münz,
Zwei-MeisterBier oder Haushaltsgeräte von Hansa. Die
Marken klingen deutsch,
sind aber zwischen
Rhein und Oder völlig
unbekannt. Der Grund
dafür ist der unbeirrbare Glaube der Russen an
deutsche Qualität und
der Einfallsreichtum der
eigenen Geschäftsleute.
rian.- Im vergangenen Jahr
verkaufte Deutschland Güter
im Wert von 38 Milliarden
Euro nach Russland, ein Plus
von 10 Prozent zum Vorjahr.
Auch russische Unternehmer
wollen an dieser Liebe für
„Made in Germany“ verdienen. So wurden in den vergangenen Jahren reihenweise
Marken unter falscher Flagge
gegründet, die den Konsumenten deutsche Herkunft
vorgaukeln sollten. Tatsächlich stammen die Waren
meist aus Fabriken in China
oder direkt in Russland.
Einer der Pioniere auf dem
Gebiet ist Dmitri Beloglazov,
der Anfang der 90er-Jahre
mit dem Import von Schreibwaren aus China begann und
später eigene Werke in Russland gründete. Um den Verkauf anzukurbeln, erfand die
Werbeagentur Megapro in
seinem Auftrag den deutsch
klingenden Markennamen
Erich Krause. In wenigen Jahren avancierte der russische
Newcomer zum Marktführer
für Bürowaren. „Wir haben
damals beobachtet, dass ausgerechnet deutsche Schreibwaren als besonders langlebig
galten“, erklärt Beloglazow
gegenüber dem Magazin „Sekret Firmy“ seine Idee.
Tatsächlich zählt für Russen
die Herkunft einer Marke
mehr als für Konsumenten
anderer Länder. Laut einer
Studie der Kölner Beratungsgesellschaft Globeone ist das
“Eins, zwei - Wähle aus!” H.P. Baxxter legt in Russland für Mediamarkt los.
Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold
Ursprungsland des Produkts
für gut 60 Prozent der Käufer in Russland sehr wichtig, während in Indien oder
Brasilien nur jeweils ein
Drittel dieses Kriterium als
besonders wichtig betrachten.
Außerdem haben knapp 90
Prozent ein positives Bild von
deutschen Marken, während
lediglich ein Prozent Firmen
aus der Bundesrepublik mit
Skepsis begegnet.
Um an dieser Beliebtheit der
Deutschen mitzuverdienen,
lassen sich russische Unternehmen einiges einfallen. Die
klassische Methode ist die
Gründung einer BriefkastenGmbH in Deutschland, die
als Muttergesellschaft fungiert. Auch wenn die Gründer von Erich Krause später
keinen Hehl aus ihrer Schummelei gemacht haben, prangt
auf den Stiften noch immer
die Adresse einer GmbH in
Erftstadt.
Deutlich dicker tragen andere
Firmen auf. Die Schuhkette
Thomas Münz, die allein in
Moskau mehrere Dutzend
Geschäfte hat, hatte sich sogar
eine schöne Legende ausgedacht, die bis vor kurzem auf
der Webseite zu finden war.
Der Namensgeber Thomas
Münz sei demnach ein Schuster aus dem deutschen Guben, der seinerzeit die anatomische Leiste erfand und den
Grundstein für das angebliche Traditionsunternehmen
gelegt hat. Auch der Geschirrhersteller Gipfel appelliert in
seiner Selbstdarstellung an
jahrhundertealte Traditionen
brandenburgischer Meister-
betriebe. Dass die Produkte
von Erich Krause, Münz und
Co. fast ausschließlich in Russland oder anderen ehemaligen Sowjetrepubliken zu
finden sind, verschweigen die
Hersteller dagegen.
Im Internet formiert sich derweil Widerstand gegen die so
genannten Werwolf-Marken.
Auf Seiten wie truebrands.ru
sammeln User Informationen
über solche Firmen. Kopiert
werden nämlich bei weitem
nicht nur deutsche Marken.
Vor allem bei Mode-Labels
gibt es einige russische Hersteller, die sich gerne einen
italienischen oder englischen
Anstrich verpassen. Dabei
reicht es mitunter, die Adressen der angeblichen Firmensitze in Europa zu prüfen, um
sie zu überführen. Im Falle
von Thomas Münz liegt es
mitten in einem Düsseldorfer
Wohngebiet, zudem werden
Anrufe unter der angegebenen Nummer auf Russisch
begrüßt. Dennoch startete
das Unternehmen kürzlich
eine Werbekampagne mit
dem deutschsprachigen Slogan „Qualität hat einen Namen. Thomas Münz“.
Noch dreister versuchte es
bis vor kurzem der Hersteller
von Haushaltsgeräten Bork.
Das Unternehmen, ebenfalls
mit einer GmbH in Berlin
präsent, führte nicht nur den
Schriftzug Germany im Logo.
Es behauptete auch, seine teuren, in Edelstahloptik gehaltenen Produkte würden in
Deutschland hergestellt, was
dem Unternehmen schließlich Ärger mit der Konkur-
renz und den Behörden einbrachte. Die französische
SEB-Group, die Namen wie
Rowenta und Tefal im Sortiment führt, schwärzte Bork
bei der Moskauer Wettbewerbsbehörde an. Das Unternehmen musste zwar nur
wenige Tausend Euro Strafe
zahlen. wechselte allerdings
den Schriftzug „Germany“
im Logo gegen „Industrial“
aus und auch in der Werbung
wird Deutschland nirgends
mehr erwähnt.
Deutsche
Unternehmen
kümmern die Werwolf-Marken dagegen wenig, solange
es sich nicht um direkte Piraterie wie etwa in China handelt. Viel lieber reiten auch sie
auf der Liebe zu deutschen
Produkten. Ritter Sport zum
Beispiel verzichtet, anders
als etwa in Frankreich oder
den USA, auf eine Übersetzung des berühmten Werbespruchs:
Quadratisch,
Praktisch, Gut. Eine Kombination, die auch für die
meisten Russen zu verstehen
ist. Und auch der Elektronikhändler Media Markt preist
seine Läden in kyrillischen
Lettern als deutschen „Fantastisch Markt“ an. Zusätzliches Deutschland-Flair
versprüht in den Werbespots
der Elektronikkette ScooterFrontmann H.P. Baxxter. In
einem Interview mit dem
Fernsehsender RTL verriet
der Musiker, dass er dafür
eigens einen russischen Satz
pauken musste. Im Vergleich
zu den russischen FantasieMarken klingt sein deutscher
Akzent jedenfalls echt.
November 2013 (Nr. 45)
Im Krieg geraubte
Bände kommen
zurück
nach Pawlowsk
rian.- 125 Bände aus der
Bibliothek der russischen
Zarenfamilie in Pawlowsk, die während des
Zweiten Weltkrieges von
den deutschen Okkupanten verschleppt wurden,
kehren wieder nach Russland zurück. Die wertvollen Bücher befanden sich
bis zuletzt im Besitz der
Familie von der Schulenburg.
Die Eigentürmer der wertvollen Bände konnten
dank dem von Prof. Wolfgang Eichwede geleiteten
Forschungsprojekt „Russische Museen im Zweiten
Weltkrieg“ und Ermittlungen gefunden werden,
die
Journalisten
der
„Süddeutschen Zeitung“
geführt hatten. Bis dahin
wurden die Bücher – es
handelt sich unter anderem um Werke deutscher
Klassiker und Memoiren
französischer Staatsmänner – im Schloss Falkenberg, Bayern, aufbewahrt,
das der Familie von der
Schulenburg gehört.
Friedrich Werner von der
Schulenburg, bis zum
Zeitpunkt des Überfalls auf die UdSSR der
deutsche Botschafter in
Moskau, hatte zunächst
zum engsten Kreis der
Vertrauen von Adolf Hitler gehört, die im März
1942 zu einer Ausstellung
von aus Sowjetrussland
verschleppten Kunst- und
Kulturschätzen in Berlin
eingeladen wurden.
Bei der „Veranstaltung“
durfte der Diplomat wertvolle Gegenstände aus der
Bibliothek des Staatlichen
Museumsreservats Pawlowsk auswählen und zu
seinem Besitz machen:
historische Werke, Briefe
von Marie Antoinette und
von Graf Mirabeau, eine
alte Ausgabe der gesammelten Werte von Gotthold Efraim Lessing und
vieles andere. Im Juli 1944
gehörte von der Schulenburg zu den Teilnehmern
der Verschwörung gegen
Hitler und wurde hingerichtet.
Kultur
Seite 7
Japan aus der Perspektive russischer Künstler
eva.- Das Städtische Skulpturenmuseum zeigt in der Ausstellung “Art en face - Japan” die vielen Seiten des
traditionellen und des modernen Japan. Am 10. Dezember um 18.30 Uhr hält der Museumsmitarbeiter und
Kurator der Ausstellung Artem Malagaschwili in der Ausstellung einen Vortrag darüber, wie das Land der aufgehenden Sonne besser wahrgenommen werden kann. Dabei werden die traditionellen Wurzeln erklärt und die
Kontraste zur europäischen Kultur hervorgehoben. Ausstellungssaal des städtischen Skulpturenmuseums, Newski Prospekt
179/2. Eintritt 25 Rubel (Vortrag),50-100 Rubel (Museum). Тel. 314-12-14. www.gmgs.ru Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold
Jazzkonzerte mit Harald Rüschenbaum und “Ars Nova”
Der deutsche Schlagzeuger Harald Rüschenbaum und das
Ensemble geben wiederum eine Reihe von
Konzerten in der Vorweihnachtszeit.
pd.- Das künstlerische Zusammenspiel des Münchner
Jazz-Schlagzeugers
Harald Rüschenbaum und
dem Petersburger Pianisten Piotr Kornew besteht
schon seit vielen Jahren.
Harald Rüschenbaum, der
in Deutschland bereits seit
20 Jahren ein Jugendorchester leitet, tritt in Russland jeweils mit dem Ensemble «Ars Nova» unter
der Leitung von Piotr Kornew auf. An den Petersburger Konzerten nimmt dieses Jahr auch die talentierte
russische Sängerin Nadeschda Owtscharuk teil.
Zu beginn der Neunzigerjahre abgeschafft und nach zwei Jahrzehnten wieder eingeführt: die
Schuluniform kehrt wieder an die russischen Schulen zurück. Bild: Wikimedia Commons
12./ 13. Dezember 14.00
Meisterkurs. Staatliche Petersburger Universität für Kunst
und Kultur. Dworzowaja Nabereschnaja 2/4. Eintritt frei.
Tel. 314-11-32. www.spbguki.ru
12. Dezember 20.00
Konzert im JFC-Klub. Schpalernaja ul. 33. Eintritt 300-800 Rubel.
Tel. 272-98-50. www. jfc-club.spb.ru
13. Dezember 19.00
Konzert in der Petersburger JazzPhilharmonie. Sagorodni Pr. 27.
Eintritt 600 Rubel. Tel. 764-85-65.
www.jazz-hall.spb.ru
14. Dezember 19.00
Deutscher Weihnachtsabend und
Konzert. Derschawin-Palast. Fontanka 118, Eintritt 1000 Rubel. Tel.
906-80-06. www.museumpushkin.ru
12. Oktober 19.00. Theater «Baltiisky Dom», Alexandrowski-Park 4.
Eintritt 300-2000 Rubel. Tel. 23235-39. www.baltic-house.ru
November 2013 (Nr. 45)
Kultur
Seite 8
Animationsfilm „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“
Konzertabend mit
Stefan Kagl
pd.- Der Münchner Organist interpretiert Werke
von Bach, Charles Tournemire, Camille Saint-Saëns, Joseph Guy Ropartz,
Jean Langlais und Louis
Vierne. Stefan Kagl wurde
1963 in München geboren, absolvierte die dortige Musikhochschule bei
Klemens Schnorr und die
Kantorenschule bei Jean
Langlais. An der Kantorenschule wurde er mit
dem «Prix de Virtuosité»
ausgezeichnet, die Musikhochschule schloss er mit
dem Orgel- und Kirchenmusikdiplom ab. 1988
trat er erstmals in Paris,
London und Haarlem auf,
wo er als erster Organist
den Cesar Franck-Preis
gewann. 1991-1996 war
er Kantor in Bad Kissingen, und 1997-2002 in
Rudolstadt.
2002-2005
war er Kantor in Herford
und Leiter des dortigen
«Orgelsommer»-Festivals. Daneben unternahm
er Tourneen mit Auftritten und Aufnahmen weltweit.
6. Dezember 19.00. Eintritt 6001500 Rubel. Konzertsaal des
Mariinski Theaters, ul. Pisarewa
20, Eingang von der ul. Dekabristow 37. Tel. 326-41-41. www.
mariinsky.ru
Gottesdienste
während der Festtage
24. Dezember 20.00. Heiligabend. Gottesdienst auf
Russisch und Englisch. 31.
Dezember 19.00. Gottesdiest zum Silvester.
Römisch-katholische Kirche Mariä Heimsuchung. Mineralnaja
ul. 21. Tel. 310-04-66. www.visitmaria.ru
Der Märchenfilm der Regisseurin Lotte Reiniger entstand 1926 nach Motiven der «Geschichten aus 1001
Nacht». Er zählt zu den wichtigsten deutschen Werken der Filmgeschichte überhaupt. So wurde er 2003 von
der internationalen «Online Film Critics Society» als einziger deutscher Film unter die 100 besten animierten
Langfilme aller Zeiten gewählt. Die fantasievolle, poetische Schönheit des Scherenschnitt-Silhouettenfilms mit
seinen kunstvoll gestalteten Märchenfiguren und orientalischen Landschaften bezaubert uns noch heute, obwohl die Computer-Animation längst neue Wege gegangen ist. Das Jenaer Ensemble «KlangEssenz» begleitet
die Vorführung live mit der Originalmusik zu diesem Stummfilm, komponiert von Wolfgang Zeller.
6. Dezember 19.00. Deutsch-russisches Begegnungs-zentrum an der Petrikirche. Newski Pr. 22-24. Tel. 570-40-96. www.drb.ru
Tap‚N bass «reduced to the max» - Stepptanz und Bass
In einer seltenen Kombination unterhalten
der Stepptänzer Thomas Marek und der
Bassist Kurt Holzkämper ihr Publikum.
Tap ‚N bass «reduced to the
max». So heißt das Motto
des Stepptänzers Thomas
Marek und des Bassisten
Kurt Holzkämper. Verpackt in einer mitreißenden Live Show voller Überraschungen und Ideen,
präsentiert sich ihr abendfüllendes Programm Tap
´N Bass. Tap ´N Bass ist
eine Mischung aus Tanz-,
Personality – und Comedyshow.
Charismatisch
und mit viel Witz agieren
Marek und Holzkämper in
ihrer furiosen Bühnenshow
mit den wahrscheinlich
«langweiligsten» Instrumenten der Welt: Stepptanz
und Bass. In spannenden
Arrangements und Choreographien wechseln sich
leise Töne mit fulminanten
Funkgrooves ab, und zeigen Stepptanz abseits jeglicher Klischees oder Kategorien. Die musikalische
Bandbreite des Duos reicht
von Rhythm´n Blues über
Jazz bis hin zu Funk und
Drum´n Bass. Die absolute
Stärke von Tap ´N Bass ist
das Zusammenspiel auf der
Bühne und die Kommunikation mit dem Publikum,
welches sich bestimmt
beim Wippen, Schnippen
oder Tippen ertappt. Eintritt 200 Rubel.
Loft «Skorochod», Moskowski Prospekt 107, Korpus 5, 3. Stock. Tel.
987-66-90 www.skorohod.me
Am 14. Dezember 13.00 - 14.30
und 15.00 - 16.30 wird Thomas
Marek in der Steppschule «Dance
Fabrique» (ul. Kasanskaja 7,
Korpus B, Auditorium 602) einen
Meisterkurs in Technik und Choreographie geben. Niveau der Teilnehmer: fortgeschritten. Kosten für
die die beiden Kursteile: 1500 Rubel. Anmeldung unter Tel. +7-911921-69-25 oder auf der Webseite
der Schule www.dfspb.ru
Saitenzupfen und Steppschuh-Klappern erwartet die Besucher
der Darbietung Tap ‚N bass «reduced to the max». Bild: PD
November 2013 (Nr. 45)
Kultur
Programm des Deutsch-Russischen Begegnungszentrums
Seite 9
«Deutsches Haus»
am Internationalen
Weihnachtsmarkt
pd.- Vom 19. Dezember bis
12. Januar 2014 findet auf
dem Pionerskaja Ploschad
beim Jugendtheater TJUS
der traditionelle internationale Weihnachts- und
Neujahrsmarkt statt. Die
Besucher erwarten Köstlichkeiten aus allen Teilnehmerländern und vielen Regionen Russlands,
sowie verschiedene Darbietungen und Konzerte.
Für alle Sportsfreunde
steht wie jedes Jahr eine
moderne Kunsteisbahn
bereit. Unter den Teilnehmern sind auch Uwe
und Kerstin Dörfers, die
das «Deutsche Haus» betreiben. An diesem Stand
finden Sie gebrannte
Mandeln, Lebkuchenherzen und Glühwein wie an
jedem richtigen Christkindlmarkt.
Die Alpen, der Stolz der Schweiz, werden am Schweizer Abend am 9. Dezember im DRB vorgestellt. Bild: Wikimedia Commons
3. Dezember 18.30
Treffen in der Gesellschaft für deutsche Sprache. Gemischtnationale
Ehen. Sprach- und Mentalitätsprobleme im Blick
des internationalen Privatrechts. Referent: M.
Scholz, Rechtreferat im
GK. V. Nekrassov, Vorsitzender des GfdS – Zweiges in St. Petersburg. Auf
Deutsch.
4. Dezember 18.30
Vortragsreihe
«Kunstdenkmäler». Mit Goethe durch Sizilien. Teil
II. Referent A. Leporck,
Kunstforscher, wiss. Mitarbeiter der Eremitage.
Auf Russisch. Eintritt frei,
Kollekte.
7. Dezember 15.00
Literaturabend. Die Veranstaltung ist dem Nobelpreisträger und deutschen
Bühnenautor
Gerhart
Hauptmann gewidmet.
Mit der Laientheatertruppe «Petersburger Deutsche» unter der Leitung
von Iwan Preis. Auf Russisch. Bibliothek № 3 des
Kalininskij Stadtgebiets,
Kondratjevsky Prospekt,
83/1. Tel. 543-39-86.
10. Dezember 19.00
Jugendklub «Äpfel und
Maracujas». Deutsch-russischer Jugenddialog. Leiterin O. Ozhiganova. Auf
Russisch und Deutsch.
9. Dezember 18.30
Schweizerische
Begegnungen im DRB 2013.
Die Schweiz und Europa.
Grußwort und Vortrag
von Herrn Michael Faillettaz,
Generalkonsul
der Schweiz in Sankt Petersburg. Anschließend
Filmvorführung
“Die
Alpen” und Aperitif mit
Wein und Käse aus der
Schweiz.
12. Dezember 18.30
Buchpräsentation. Zum
250-jährigen
Bestehen
der deutschen Kolonien
rund um St. Petersburg.
Präsentation des Buches
von Dr. Phil. L. Puseikina
«Deutsche im St. Petersburger
Gouvernement:
Geschichte, Sprache, Lieder» mit musikalischer
Begleitung des russlanddeutschen Chors «Lorelei», Leiterin N. Kraubner.
Auf Russisch.
22. Dezember 13.00 – 15.00
Kindertag. Spiele, Literatur, erzieherische und kreative Aufgaben für Kinder
von 4 bis 10 Jahren. Auf
Russisch und Deutsch.
Anmeldung erforderlich
unter: [email protected]
Konzerte
11. November 18.30
Deutscher Musikabend.
Heidelberger Absolventen – Schumann, Borodin, Strawinsky. Gesang
und Moderation T. Hollerbach, A. Soleil; A.
Alexandrow (Klavier).
16. Dezember 18.30
Weinachtskonzert
mit
Vortrag.Referent: Geor-
gij Goshev. Darsteller:
T. Hollerbach, A. Soleil;
A. Alexandrow (Klavier).
Auf Russisch.
17. Dezember 18.30
Damenklub mit deutscher Weihnachtsmusik.
Referentin Dr. Phil. M.
Schitinskaja. Auf Russisch.
19. Dezember 18.30
Deutscher Musikabend.
Der Pianist Igor Urjasch
interpretiert Werke deutscher Komponisten. Eintritt frei, Kollekte.
23. Dezember 18.30
Musiksalon mit Ludmila
Truschtalevskaja
(von
Krüdener). Weihnachtskonzert.Gesang und Klavier: L.Truschtalevskaja
und L. Jeremin. Auf Russisch.
«Deutsch-russisches Begegnugnszentrum
an
der Petrikirche. Newski
Prospekt 22/24. Tel. 57040-96. www.drb.ru
19. Dezember bis 12. Januar
2014. Pionerskaja Pl. Täglich
12.00-22.00. www.rozhdestvo.
spb.ru
Operndiva Anna
Netrebko trennt sich
von Erwin Schrott
rian.- Operndiva Anna
Netrebko hat die Trennung von ihrem uruguayischen
Lebensgefährten Erwin Schrott
bekanntgegeben. Wie die
aus Südrussland stammende Star-Sopranistin
über ihren New Yorker
Pressesekretär mitteilte,
sei der Grund für das
Ende des sechsjährigen
Bundes „die intensiven
Terminkalender, die uns
keine Möglichkeit bieten,
zusammen zu sein“. In der
Mitteilung für die Presse,
aus der die Moskauer
Zeitung „Komsomolskaja
Prawda“ zitiert, heißt es:
„Wir schätzen die Zeit,
die wir zusammen verbracht haben, sehr und
werden natürlich gemeinsam unseren Sohn Tiago
erziehen.
November 2013 (Nr. 45)
Wirtschaft
MAN-Lastwagen-Werk in St. Petersburg offiziell eröffnet
Der Produktionsstart
des Petersburger MANLastwagen-Werks wurde wegen bürokratischer
Probleme um mehrere
Monate verzögert. Ab
Juli lief die Herstellung,
und am 5. November
feierte man das 100.
Fahrzeug, das mittlerweile in Schuschari vom
Band gelaufen ist.
eva.- Der Petersburger Gouverneur Georgi Poltawtschenko, der neben den
MAN-Generaldirektoren
Anders Nielsen und Thomas
Schneiderheinze sowie der
deutschen Generalkonsulin
Heike Peitsch anwesend war,
gab sich befriedigt von der
Erweiterung des Petersburger Auto-Clusters durch den
deutschen MAN-Konzern.
Er kündigte an, dass die hiesige Autoindustrie bis 2018
rund eine Million Fahrzeuge
Deutsche Brummis lassen russische Herzen höher schlagen.
Gouverneur Poltavtschenko auf Testfahrt. Bild: gov.spb.ru
herstellen würde. Zur Erinnerung erhielt er einen ModellLastwagen und wurde auf
eine Ehrenrunde in einem
MAN-Laster mitgenommen.
Eigentlich hätte die Fabrik,
deren Bau für 25 Millionen
Euro 2011 in einem Memorandum beschlossen worden
war, bereits im vergangenen
Jahr anlaufen sollen.
Aber eine fehlende Lizenz
verhinderte den Start, so dass
das Werk vorerst nur im Testbestrieb lief. Das Werk wird
noch einige Zeit brauchen,
um die maximale Produktionskapazität von geplanten
6000 Fahrzeugen pro Jahr zu
erreichen. Auch die vorgesehenen 230 Arbeitsplätze sind
bisher nur etwa zur Hälfte
besetzt, schreibt Fontanka.
ru.
Ausserdem muss noch die
Zufahrt zum Werksgelände
ausgebaut, eine Busverbindung für die Angestellten
organisiert und ein Ausbildungszentrum errichtet wer-
den – der Gouverneur versprach seine Unterstützung.
Für den Moment beschränkt
sich die MAN-Fabrik auf die
Montage der sechs populärsten Modelle, in erster Linie
Muldenkipper und Universalfahrzeuge. Später soll
das Angebot ausgebaut und
möglicherweise auf Busse für
die Petersburger Verkehrsbetriebe und Spezialfahrzeuge
für die Arktis ausgeweitet
werden.
Die Komponenten für die
Laster stammen grösstenteils
aus ausländischen MAN-Filialen, lediglich die Getriebe
kommen aus den KAMAZWerken in Nabereschnie
Tschelny, mit dem der grosse
deutsche Automobilzulieferer ZF aus Friedrichshafen
zusammenarbeitet. In Russland hält MAN unter den
europäischen Lastwagenherstellern einen Marktanteil
von 23 Prozent.
Seite 10
Lebensmittelpreise
in Russland steigen
rian.- Die Preissteigerung
auf dem russischen Lebensmittelmarkt ruft wachsende
Besorgnis hervor. Letzte
Woche hat das Kartellamt
gegen 80 Unternehmen
ermittelt, die einer Preisabsprache im HühnereierSektor verdächtigt werden.
Die Kartoffelpreise steigen
dermaßen stark, dass die
Behörden darüber nachdenken, das Verbot für die
Kartoffeleinfuhr aus der EU
zu lockern. Laut der Statistikbehörde Rosstat sind
auch die Milch- und Gemüse-Preise im zurückliegenden Monat rapide angestiegen. Zugleich wird eine
Verlangsamung des Wachstums bei den Einnahmen
der Bevölkerung registriert.
In der entstandenen Situation wirkt sich dies nicht
nur negativ auf die allgemeine Wirtschaftslage aus,
sondern verschärft auch die
sozialen Spannungen.
Master-Bank verliert Lizenz – neues Bankensterben in Sicht?
Nachdem die russische
Zentralbank der MasterBank am 20. November
die Lizenz entzogen hat,
wird mit weiteren Schliessungen
gerechnet.
Viele Kunden legen darum ihre Guthaben bei
staatlichen Banken an.
Der Staat will den Bankensektor stärker kontrollieren und den Anteil
von “Schwarzgeld” senken.
eva.- Als die Zentralbank der
Master-Bank wegen undurchsichtiger Geschäftstätigkeit
und Verdacht auf Geldwäsche
die Lizenz strich und sie unter
Zwangsverwaltung stellte,
staunte man nicht schlecht im
Bankengewerbe. Laut Fontanka.ru galt die Bank als solides Geldinstitut, das sich in
den vergangenen Jahren gut
entwickelte.
Die Bank mit einem Eigenkapital von 9,1 Milliarden Rubel und einem wachsenden
Gewinn von bis zu 5,4 Milliarden Rubel (2012) verfügte
sowohl in St. Petersburg wie
Bankbranche und Sparer zitten - werden der Master-Bank weitere Banken folgen? Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold
auch in Moskau über ein
grosses Netz von Geldautomaten und rund 2000 Angestellte. Die Masterbank wurde
1992 gegründet und gehörte
zu den 100 grössten Banken
Russlands. Seit 2008 gehörte
Igor Putin, ein Vetter des Präsidenten, dem Aufsichtsrat
der Bank an.
Sämtliche
Transaktionen
wurden ab dem Stichdatum
eingestellt und alle Kreditkarten der Bank annulliert.
In verschiedenen Niederlassungen der Bank kam es
zu Durchsuchungen durch
die Finanzpolizei. Doch
im Gegensatz zu früheren
Bankschliessungen kam es
diesmal nicht zu Panik unter
den Kunden, denn ab dem 4.
Dezember soll die Agentur
für Guthabenversicherungen
(ASV) mit der Auszahlung
von Einlagen bis zu 700.000
Rubel beginnen.
Damit sind die Guthaben von
95 Prozent aller Kunden abgedeckt. Schlimmer sieht es
für Organisationen aus, die
ihre Gelder bei der MasterBank deponiert hatten, die
meist um ein Mehrfaches
die versicherte Summe überschreiten. In St. Petersburg
sind dies bedeutende Firmen,
darunter mehrere RestaurantKetten (Ginza Project, Coffee
House), die Supermarktkette
O’key, sowie russlandweite
Organisationen, wie die Versicherungen “Rossgosstrach”,
“Reso” und der Mobilfunker
“Beeline”. Das Schicksal ihrer
Gelder hängt von den weiteren Folgen des Lizenzentzugs
sowie von der Liquidität der
Bank ab.
Das Aus für die Master-Bank
hat aber auch noch andere
Folgen – darunter jene, dass
vermehrt Gelder bei staatlichen Banken angelegt wer-
den. So vermeldete die Bank
“VTB24“ in den Tagen nach
der Schliessung der MasterBank einen Anstieg neuer
Anleger um rund einen Drittel über dem monatlichen
Durchschnitt. Die Sberbank
wollte zwar die Situation
nicht kommentieren, doch
wird angenommen, dass die
Entwicklung dort ähnlich ist.
Die “Rettung” von Guthaben
auf Konten in staatlichem
Besitz ist nicht ganz unbegründet, denn es wird mit
weiteren
Lizenzentzügen
gerechnet. Zwar soll es kein
Bankensterben wie 2004 oder
2008 geben, doch kursieren
bereits inoffizielle “schwarze
Listen” mit weiteren Schliessungs-Kandidaten. Mit verstärkter Kontrolle versucht
der russische Staat, die Banken zu einer transparenten
Geschäftspraxis zu zwingen
und so Geldwäsche und Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Nach Angaben der Weltbank beträgt der Anteil an
“Schwarzgeld” in Russland
rund 40 Prozent des Bruttoinlandprodukts (zirka 800
Milliarden US-Dollar).
November 2013 (Nr. 45)
Vermischtes
Typisch Russland: Kein Land des Lächelns
Von Eugen von Arb
Russland ist eine ServiceWüste - darüber beklagen
sich nicht nur Ausländer,
sondern auch die Russen
selbst. Grossfirmen und die
Tourismusbranche versuchen denn auch krampfhaft,
die Fremdsprachenkenntnisse ihres Personals zu verbessern und Unfreundlichkeit und Gleichgültigkeit
gegenüber der Kundschaft
auszurotten - mit wechselndem Erfolg.
Ich erinnere mich gut,
wie ich in meinem ersten
Russland-Jahr in einem
Supermarkt regelrecht angeschnauzt wurde - der
Grund: Ich hatte mich erfrecht, mit einer 500-RubelNote (rund 15 Franken) zu
bezahlen, und der Kassiererin war das Wechselgeld
ausgegangen. Daran ist in
Russland der Kunde schuld,
er ist hier oft der Untertan.
Ironischerweise trug die
Angestellte auf ihrem Revers einen Anstecker mit
dem Slogan “Wir lieben
unsere Kunden”. Sie hatte
der westlich orientierten
Marketing-Abteilung gehörig das Konzept vergeigt.
“Fotografieren verboten!” Die GUM-Verkäuferin macht der
gehässigen Tradition des Sowjet-Geschäfts alle Ehre.
Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold
Die Unverschämtheit dieser
Person machte mich baff,
aber noch viel mehr erstaunte mich, wie sich die Frau
herausgenommen
hatte,
ihre schlechte Laune zu zeigen. Dieses völlige Fehlen
an Selbstbeherrschung wäre
in der Schweiz ein plausibler
Kündigungsgrund.
Mich faszinierte diese Art
von Freiheit, seine Gefühle
zu zeigen, ohne Rücksicht
auf das Geschäft. Gleichzeitig kamen mir Erinnerungen an meine Studentenzeit hoch als ich als
“Supermarkt-Sklave” arbeitete: Immer gute Laune zeigen, trotz Schwerstarbeit,
miesem Lohn und noch
mieserer Behandlung. Stets
lächelnd auf die Zähne beissen, auch wenn der Rücken
kracht und die Knie scheuern.
Die Lädeli-Floskeln - “Ist
es recht so?”, “Darf es sonst
noch etwas sein?”, das eingefrorene Zucker-Lächeln,
der Verkäufer, die mit der
Ware auch gleich noch ihre
Seele verkaufen. Dieses
Andienern auf Schritt und
Tritt fehlt hier völlig, und
es geht mir mittlerweile gehörig auf den Geist, wenn
ich auf Schweiz-Besuch bin.
Da ist mir der ehrliche,
wenn auch bisweilen rauhe
oder einfach reservierte
Ton hinter dem russischen
Tresen lieber. Es stört mich
auch nicht, wenn die Angestellten dahinter auf einem
Stuhl sitzen und ein Buch
lesen, solange niemand etwas von ihnen will.
Dafür reichen sie mir geduldig alles aus der Auslage zur
ausgiebigen Begutachtung,
auch wenn es zuoberst auf
dem Gestell steht und ich
nichts kaufe. Nicht selten
kommt es sogar vor, dass
sie mir vom Kauf eines Produkts direkt abraten - ganz
einfach, weil es schlecht
ist. Sowas habe ich in der
Schweiz nicht erlebt - es ist
eine Art geschäftsschädigende Kundenfreundlichkeit.
Der St. Petersburger Herold
mm.- Der St. Petersburger
Herold (Online) ist aus dem
Bedürfnis entstanden, ein
Internet- und Informationsportal für die deutschsprachige Gemeinde von St.
Petersburg zu betreiben.
Um nicht mit der altehrwürdigen St. Petersburgischen Zeitung verwechselt
zu werden, wurde unsere
Online Zeitung “St. Petersburger Herold” genannt.
Die gleichnamige politische Zeitung wurde 1871
als religiös und politisch
unabhängiges Medium von
St. Petersburger Bürgern
deutscher Sprache gegründet.
Der St. Petersburger Herold
wurde in Folge eine bedeutende überregionale Zeitung und wurde von den
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Polen befürwortet
Abschaffung der
Visumspflicht für
Russen
rian.- Polen befürwortet
laut seinem Botschafter in Moskau, Wojciech
Zajączkowski, die Idee eines
visafreien
Reiseverkehrs
zwischen der EU und Russland. „Die EU-Visapolitik
gegenüber Russland, muss
flexibler und offener sein.
Sie muss auf die Abschaffung der Visapflicht abzielen“, äußerte der Botschafter. Vorläufig werde eine
Visaerleichterung auf der
Ebene der EU-Kommission
diskutiert, fügte er an. Das
polnische Konsulat in der
russischen Exklave Kaliningrad arbeite „an der
Grenze seiner Möglichkeiten“. 2012 hätte es fast 130
000 Visa sowie 1000 Passierscheine im Rahmen des
Grenzverkehrs ausgestellt.
Ende 2006 nahm das Europäische Parlament eine
Verordnung an, die es den
Mitgliedsstaaten gestattet,
bilaterale Abkommen über
den kleinen Grenzverkehr
an den Landaußengrenzen
mit benachbarten Drittländern zu schließen.
Impressum
Der St. Petersburger Herold
erscheint einmal monatlich.
Der Inhalt besteht aus Beiträgen der gleichnamigen
Internet-Zeitung
www.
spzeitung.ru.
Redaktion: Markus Müller (mm.), Eugen von Arb
(eva.). Anna Smoljarowa
(smol.), Luisa Schulz (ls.).
Redaktionsadresse:
[email protected]
www.spzeitung.ru
Telefon: 8-921-988-51-19
Der Petersburger Herold
wird unterstützt von:
So sah das Original des “St. Petersburger Herold” aus.
Bild: Ausstellung “Deutsche in St. Petersburg”.
damaligen Leitmedien im
Westeuropäischen Raum
stark beachtet und rege zitiert.
In der liberalen, kritischen
und politisch akzentuierten
Tradition des “alten St. Petersburger Herold” finden
wir unser Leitbild für unsere neue Zeitung.
Der St. Petersburger Herold
ist auch ein „MitmachPortal“ – sie können eigene
Beiträge online Veröffentlichen. Wir bitten Sie von
dieser Möglichkeit rege Ge-
braucht zu machen.
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zur besseren Vernetzung
und Information innerhalb der der Stadt beitragen
kann.