Viktor Wechselberg eröffnet Faberge
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Viktor Wechselberg eröffnet Faberge
November 2013 (Nr. 45) Die deutschsprachige Zeitung zum Leben in Piter Stadtnachrichten S. 3 >>> 3-Tage-Visafreiheit jetzt auch für Flugpassagiere Thema S.5 >>> Quo vadis, Kapitalismus Gesprächsrunde Kultur S. 7 >>> Jazzkonzerte mit Harald Rüschenbaum www.spzeitung.ru Wirtschaft S. 10>>> Petersburger MANWerk offiziell eröffnet Vermischtes S. 11>>> Typisch Russland: Kein Land des Lächelns Viktor Wechselberg eröffnet Faberge-Museum in Petersburg Im Narischkin-Schuwalow-Palast am Fontanka-Kanal wurde das Petersburger FabergéMuseum eröffnet. Die Stadt wurde um eine wichtige Attraktion reicher, zugleich wurde ihr ein Stück eigener Geschichte aus den Jahren vor der Oktoberrevolution zurückgegeben. eva.- Die Einweihungsfeier war mit einer ganzen Reihe prominenter Köpfe bestückt: Der Oligarch Viktor Wechselberg, Russlands Kulturminister Wladimir Medinsky, der Petersburger Vizegouverneur Wassiliy Kidschedschi, sowie die Verantwortliche der Fabergé-Sammlung im Kreml Tatiana Muntjan und der Direktor des neuen Museums Wladimir Worontschenko traten vor die Presse. Von allen war wohl Viktor Wechselberg der wichtigste, denn aus seinem Besitz stammt der grösste Teil der Ei mit Zarenporträt. Die russische Herrscherfamilie gehörte zu den besten Kunden des Juweliers. Bild: www.gov.spb.ru Museumssammlung. 2004 hatte er mit dem Kauf der Forbes-Sammlung der Fabergé-Eier für rund 120 Millionen Dollar für weltweites Aufsehen gesorgt. Schon damals hatte er angekündigt, er wolle die Kunstwerke in ihre Heimat zurückbringen. Offenbar war es aber nicht so einfach, einen richtigen Standort für das Museum zu finden. So gestand Wechselberg an der Pressekonferenz ein, er habe bisweilen nicht mehr daran geglaubt, dass er sein Vorhaben verwirklichen könne. Vor dem Petersburger Palast waren noch andere Lokalitäten in Moskau im Gespräch. Dass die Eier schliesslich in ihre “Heimatstadt” zurückkehrten, ist auch ein Verdienst der früheren Petersburger Gouverneurin Valentina Matwijenko, die seit 2011 als Vorsitzende des Föderationsrates in Moskau amtet und dort kräftig lobbyierte. Der deutsch-baltische Juwelier Carl Peter Fabergé (1846-1920) hatte in seiner Petersburger Werkstatt in den Jahren 1885 bis 1917 rund 50 Eier aus kostbarsten Metallen und Edelsteinen hergestellt. Jedes Ei wurde einem bestimmten Motiv oder einem historischen Ereignis gewidmet – eine ganze Reihe wurde von der russischen Zarenfamilie angekauft. Durch die Revolution wurde der Juwelier Fabergé zur Emigration nach Genf gezwungen. Seine kostbaren Eier wurden in alle Welt zerstreut, und bis heute ist lediglich der Verbleib von 43 Exemplaren bekannt. Durch das neue Museum bekommt St. Petersburg ein Stück seiner glanzvollen Geschichte zurück – gleichzeitig wird die Stadt um eine wichtige Touristenattraktion reicher, die mindestens ebenso viel Prestige besitzt wie zum Beispiel das Bernstein-Zimmer im Katharinen-Palast in Puschkin. Auf einen Schlag wurde damit noch ein weiteres Problem gelöst – der relativ heruntergekommene Narischkin-Schuwalow-Palast erhielt dank der Museumsgründung die dringend benötigte Sanierung. Das Museum soll im Dezember für die Öffentlichkeit geöffnet werden. Die konkreten Eintrittspreise wurden nicht genannt, doch sollen sie sich im erschwinglichen Rahmen bewegen und Vergünstigungen für Kinder, Studenten und Rentner bieten. Eklat beim Schaubühne-Gastspiel: „Kosaken“ gegen „Tod in Venedig“ Aus Protest gegen die Vorführung der Schaubühne-Produktion „Tod in Venedig / Kindertotenlieder“ des Regisseurs Thomas Ostermeier haben Unbekannte in der Nacht auf den 22. November das Gebäude des St. Petersburger Maly Dramatitscheski-Theaters mit Schimpfwörtern beschmiert. rian.- Die Hass-Worte waren an den künstlerischen Leiter des Hauses, Lew Dodin, gerichtet. Darüber hinaus richteten drei Personen, die sich als „Petersburger Kosaken“ Schon kurz nach dem Anschlag wurden die Schmierereien mit gelber Farbe übermalt. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold bezeichnen, einen Brief an das Nachrichtenportal Fontanka.ru, in dem die Aktion begründet wird. Die Verfasser des Briefs bezeichnen das von Dodin organisierte „Winterfestival“ als ein „satanisches Fest“ und äußern ihre Empörung darüber, dass der Regisseur eine Produktion auf das Programm setzen ließ, das gegen das Verbot der „Homo-Propaganda“ verstoße. Wie es im Brief weiter heißt, haben die Verfasser ihre Meinung über die Vorführung an den Wänden am Theatereingang hinterlassen. Darüber hinaus ließen sie dort einen Schweinskopf mit der Aufschrift „Dodin“ zurück. Auf Fontanka.ru wird die Vermutung geäußert, dass die Produktion der Berliner Schaubühne, die an dem Abend gespielt wurde, die Empörung der „Kosaken“ ausgelöst hatte. Nach Abschluss der Vorführung betrat Regisseur Thomas Ostermeier die Bühne und sagte, seine Truppe habe Angst gehabt, nach Russland zu reisen, nachdem sie von dem vor kurzem angenommenen Gesetz über das „Verbot der Homo-Propaganda“ erfahren habe. Zum Abschluss der Ansprache äußerte Ostermeier seine Hoffnung darauf, dass das Gesetz nicht mehr in Kraft sein werde, wenn das Theater mit dem nächsten Gastspiel nach Russland komme. Mit diesen Worten erntete er eine fünfminütige Ovation. Wie Fontaka.ru vermutet, sind die Namen der Briefverfasser – „Denis Gortschin, Iwan Olchowitsch und Wassili Suchatschenko“ – erfunden. November 2013 (Nr. 45) Stadtnachrichten Neues Unwetter fegte über Petersburg hinweg Seite 2 Dacheinsturz bei Einkaufszentrum in Riga - 54 Todesopfer rian.- Das Unglück ereignete sich am 21. November als das 500-QuadratmeterDach des Einkaufszentrums Maxima herunterstürzte. 54 Menschen wurden dabei getötet, über 40 zum Teil schwer verletzt. Als Ursache vermutet die Polizei Konstruktions- beziehungsweise Baufehler. Auch wird nicht ausgeschlossen, dass auf dem Dach Baustoffe gelagert wurden und dass diese den Einsturz provozierten. Greenpeace-Aktivisten auf freiem Fuss - gegen Kaution eva.- Nach dem Sturmtief “Christian” ist noch ein “namenloses” Unwetter über Petersburg und das Leningrader Gebiet gezogen und hat für einige Verheerungen gesorgt. Wiederum bewahrte der geschlossene Damm die Stadt vor grösseren Überschwemmungen. Mit Windgeschwindigkeiten bis zu 20 Metern pro Sekunde rauschte der Wind durch Nordwestrussland und sorgte für Stromausfälle in 108 Gemeinden bei rund 10.000 Bewohnern. Der Sturm riss Fahrleitungen herunter und sorgte für Verspätungen bei den Vorortszügen zum Witebsker und Baltischen Bahnhof. In Petersburg wurden durch den orkanartigen Wind 259 Bäume umgestürzt, und an 26 Orten deckte er die Dächer ab. Da der Damm bei Kronstadt geschlossen war, musste die Fähre “Princess Maria” aus Helsinki eine turbulente Nacht auf offener See verbringen. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold eva.- 29 der insgesamt 30 Greenpeace-Aktivisten, die beim Versuch festgenommen worden waren, eine russische Ölplattform in der Barentssee zu entern, sind nach zwei Monaten Haft in Petersburg gegen Kaution freigelassen worden. Lediglich der Funker des Eisbrechers “Arctic Sunrise” ist aus unbekannten Gründen noch immer in Haft. Eingang zur Metro “Spasskaja” auf dem Heumarkt eröffnet Die Metrostation “Spasskaja”, die den Knotenpunkt am Sennaja Ploschad zur ersten Dreierstation Petersburgs machte, hat endlich einen Ausgang bekommen. Das Gebäude ist allerdings noch ein Provisorium und soll später in ein Einkaufszentrum integriert werden. eva.- Die “Spasskaja”, mit der 2009 der frühere Verlauf der Linie 4 (gelb) geändert und durch die neue Linie 5 (violett) zu den neuen Stationen “Obwodni Kanal” und “Wolkowskaja” geleitet wurde, war während vier Jahren lediglich unterirdisch von den beiden Umsteigestationen “Sennaya Ploschad” und “Sadowaja” erreichbar. Nun hat sie ihr eigenes Vestibül, das in seiner ganzen Pracht von Gouverneur Georgi Poltawtschenko Das Portal der Metrostation “Spasskaja” soll später in ein Einkaufszentrum integriert werden. Bild: gov.spb.ru eingeweiht wurde. Der Eingangsbereich ist mit einem Mosaik ausgeschmückt, das den “Heumarkt” mit seinen Verkaufsständen, Händlern und dem Volk im 19. Jahrhundert zeigt. Unter den Figuren sind ebenfalls die Porträts von Schriftstellern wie Puschkin, Tolstoi oder Gogol zu erkennen, die einst auf dem grossen Platz verkehr- ten und ihn in ihren Werken verewigten. Der überirdische Ausgang mit modernen Rolltreppen hat rund zwei Milliarden Rubel (50 Millionen Euro) gekostet und bedeutet eine wichtige Entlastung für die Metropassagiere, die nun direkt von oben zu ihren Zügen gelangen können. Bis jetzt mussten sie sich auf einem relativ umständlichen unterirdischen Weg von einer der beiden Schwesterstationen zum Ziel bewegen, was während der Rush-hour oft zu einer grossen Drängelei führte. Das Gebäude, in dem sich das neue Portal befindet, ist jedoch nur ein Provisorium. Es soll später in den Einkaufskomplex “Pik-2” integriert werden, der in den kommenden Jahren vor dem schon bestehenden Glas- und Stahlkomplex “Pik-1” errichtet werden soll. Bisher sind jedoch keine Details bekannt, weil die Neugestaltung des Heumarkts, zu der auch der Wiederaufbau der abgerissenen Kirche gehören soll, noch nicht bis ins letzte beschlossen ist. Laut Fontanka.ru ist die nächste Eröffnung einer Metrostation erst 2015 zu erwarten, wenn die Arbeiten an der Station “Sportivnaja” abgeschlossen sind. Wegen der schwierigen Grundwasserverhältnisse muss die Petersburger Metro in grosser Tiefe gebaut werden, was die Bauzeit stark verlängert. Im Gegensatz zu Moskau, wo die Tunnels nur einige Meter unter dem Boden gebaut werden können und jährlich mehrere neue Stationen eröffnet werden, entwickelt sich das Petersburger Metro Netz sehr langsam. November 2013 (Nr. 45) Stadtnachrichten Fall Starowoitowa verjährt – entgehen Auftraggeber ihrer Strafe? Die Ermittlungen zum Killermord an der Petersburger Stadtabgeordneten Galina Starowoitowa von 1998 gehen in eine weitere Runde. Der vermeintliche Mitorganisator des Verbrechens Michail Gluschenko soll auch den Killer angeheuert haben – doch vielleicht kann er nach 15 Jahren gar nicht mehr dafür belangt werden. eva.- Der Mafioso und Ex-Politiker Michail Gluschenko, der bereits als Organisator des Mords an der engagierten Politikerin angeklagt worden war, wurde nun offiziell auch als Autor des brutalen Verbrechens beschuldigt. Gluschenko sitzt Michail Gluschenko: Organisator oder auch Drahtzieher? momentan eine achtjährige Haftstrafe wegen Erpressung der Brüder Schewtschenko um zehn Millionen Dollar ab, parallel wird er wegen der Beteiligung an einer Reihe anderer Verbrechen verhört. Bereits 2005 wurden acht Männer wegen der Beteiligung am Starowoitowa-Mord zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Gluschenkos Rolle als Mitorganisator gilt bereits als einiger Zeit als erwiesen, doch das Rätselraten um die Hintermänner des Mords ging weiter. Stets wurde vermutet, dass hochrangige Persönlichkeiten aus Politik oder Business die Beseitigung der “unbequemen” Politikerin angeordnet hatten, die im Herbst 1998 vor ihrer Wohnung erschossen wurde. Die Schwester der Politikerin, die 1998 im Treppenhaus erschossen wurde, glaubt nicht an die neueste Version der Ermittler. Wie sie gegenüber der Nachrichtenagentur Ria Novosti sagte, sei es durchaus möglich, dass Gluschenko Mitorganisator gewesen sei, aber auf keinen Fall der Drahtzieher. “Sie kannten einander nicht einmal – sie hatten nichts miteinander zu tun. Ich möchte den Moment erleben, wenn herauskommt, wer ihn auf diese Idee gebracht hat.” Dank der 15-jährigen Verjährungsfrist könnte der Auftraggeber des Killermords seiner Strafe entgehen, schreibt Fontanka.ru. Im Fall von Gluschenko ist noch unklar, ob die Verjährungsklausel auf ihn angewendet werden kann. weil er noch in andere schwere Verbrechen verwickelt ist und weiter gegen ihn ermittelt wird. Im Zusammenhang mit der Verjährungsfrist tauchen noch andere Fragen auf – zum Beispiel warum die Ermittler solange brauchten, um seine Schuld als Auftraggeber zu ermitteln, obwohl seine leitende Rolle in diesem Fall schon lange feststeht? 3-Tage-Visafreiheit auch für Flugpassagiere – aber nur eingeschränkt Die Forderung der russischen Tourismusindustrie nach Visafreiheit besteht schon lange und wurde teilweise auch umgesetzt. Seit 2009 können Fähr- und Kreuzfahrttouristen für drei Tage visafrei nach St. Petersburg kommen, was zu einer starken Zunahme von Besuchern geführt hat. Seither verlangen auch andere Städte nach einem solchen Privileg. eva.- Die russische Staatsduma hat deswegen mit einem Gesetz die dreitätige Visafreiheit auf Flugpassagiere ausgeweitet. Man erhofft sich damit, die jährlichen Touristenzahlen, die derzeit mit 2,1 Millionen etwa auf dem Niveau von Honduras oder Laos liegen, stark zu steigern. Allerdings ist die Regelung stark eingeschränkt und hat eine sehr protektionistische Note. Transitpassagiere der folgenden russischen Flughäfen werden von der Visapflicht befreit: Petersburg, Moskau (Domodjedowo, Vnukovo, Was für Touristen auf dem Wasser gilt, soll auch für jene aus der Luft gelten: drei Tage visafreier Aufenthalt in Russland. Bild: Wikimedia Commons Scheremetjewo), Kasan, Jekaterinburg, Sotschi, Chabarowsk, Nowosibirsk, Wladiwostok und Kaliningrad. Nur Staatsbürger aus 20 Ländern kommen in den Genuss der Erleichterung, darunter Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Frankreich, Finnland, Belgien, Polen, Schweden, USA, Kanada, Australien, Japan, China, Singapur, usw. Ausserdem gilt die dreitägige Visumsbefreiung nur für Passagiere russischer Airlines – Rossia, Aeroflot, Transaero, Utair und S7. Diese können dank dieser protektionistischen Regelung ihre Gewinne kräftig erhöhen, so wird allein im Fall von Aeroflot mit zu-sätzlichen Einnahmen von 30 Milliarden Rubel gerechnet. Die Bestimmung wird mit Sicherheitsfragen begründet. Offenbar werden schon bei der Reservierung von Reisen vom russischen Migrationsdienst die Pass- daten der Passagiere abgefragt, um allfälligen unerwünschten Personen bereits im Anfangsstadium eine Absage zu erteilen. Und natürlich hat man mit dieser Praxis bei russischen Airlines am wenigsten Probleme. Auf Anfrage wurde die neue Regelung von der Pulkowo-Flughafenleitung begrüsst. Allerdings würde man sich dort in Zukunft eine Ausweitung der dreitägigen Visafreiheit auf weitere Nationen und Fluggesellschaften wünschen. Seite 3 Zirkusreifer Geldraub auf der Petersburger Ringautobahn eva.- Während eines spektakulären Überfalls auf einen Geldtransporter der Bank “Otkrytie” auf der Ringautobahn (KAD) wurde am 27. November die Rekordsumme von 150 Millionen Rubel (rund 3,4 Millionen Euro) gestohlen. Die Gangster machten in drei schwarzen Autos, zwei Infiniti und ein Toyota, Jagd auf den als normalen Lastwagen getarnten Geldtransporter. Auf der Höhe der Ausfahrt Sofiiskaja Uliza/ Obuchowskaja Oborona keilten sie den Lastwagen ein, drängten ihn gegen die Leitplanken und brachten ihn zum stehen. Von der anderen Seite parkierte einer der Wagen so, dass auch von dieser Seite die Fahrerkabine blockiert war und die Wachmänner eingeschlossen waren. Von den sechs maskierten Männern hielt einer die Wachmannschaft mit einer Kalaschnikow in Schach, während sich die übrigen an die kostbare Ladung machten. Schnell und offenbar bestens informiert über den Verschluss des Lastwagens rissen die Räuber mit einer Trosse und vorbereiteten Haken zuerst den hochgeklappten Lift an der Rückseite heraus, um an die Türen zu kommen. Diese wurden mit Brecheisen geknackt, und der Raub konnte schnell und ohne grosses Aufsehen umgeladen werden. Erst nach einer halben Stunde konnte die Polizei verständigt und eine Fahndung organisiert werden, die jedoch erfolglos blieb. Die gestohlene Summe wurde zunächst mit 139 Millionen Rubel angegeben, später wurde der Betrag nach oben korrigiert. Da dies bereits der fünfte Raub innerhalb eines Jahres ist, nimmt man an, dass die Räuber einen Informanten in der Bank haben. Ansonsten wäre der unauffällige Lastwagen kaum als Geldtransport wahrgenommen worden. November 2013 (Nr. 45) Stadtnachrichten Endlich Winter - Petersburg im Schneegestöber eva.- Der dunkle Herbst mit immer kürzer werdenden Tagen ist in Petersburg immer besonders trist. Der Schnee bringt zwar Eis und Kälte, aber auch ein bisschen mehr Helligkeit mit sich. Für dieses Jahr haben die Meteorologen einen milden Winter prognostiziert. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold Seite 4 Metro-Bettlerring ausgehoben eva.- Die Petersburger Polizei hat einen Bettlerring festgesetzt, der während Jahren in der Metro duch Sklavenarbeiter Geld erbetteln liess. Dazu wurden Invalide aus der Provinz und aus dem GUS-Raum unter falschen Versprechungen in die Stadt gelockt. Dort wurden ihnen die Dokumente abgenommen und sie wurden geschlagen, um sie zur Arbeit in der Untergrundbahn gefügig zu machen. In einer Polizeiaktion wurden in einem Haus im Petersburger Vorort Anino sieben Bettlersklaven gefunden. Eine Frau fand man im Estrich mit Spuren von Misshandlungen. Ausserdem wurde eine grosse Mengen an Kleingeld sichergestellt. Die Bettlermafia, die täglich einen “Umsatz” von bis zu 70.000 Rubel machte, wurde schon 2002 gegründet. Tag der nationalen Einheit: Aufmärsche, Kreuzgang, Pogrome und zwei Morde Der diesjährige Tag der nationalen Einheit am 4. November verlief friedlich auf der einen, brutal und ausländerfeindlich auf der anderen Seite. Während Tausende friedlich am Kreuzgang der russisch-orthodoxen Kirche über den NewskiProspekt beteiligten, machten andere Jagd auf Ausländer – zwei Migranten wurden dabei umgebracht. eva.- Erstmals seit der Oktoberrevolution versammelten sich Mitglieder der russischorthodoxen Kirche wieder zu einem Kreuzgang über den Newski-Prospekt. Mit offiziell über 50.000 Teilnehmern war das einerseits eine Demonstration der Macht der neu erstarkten Kirche, die von Gouverneur Georgi Poltawtschenko jede erdenkliche politische Unterstützung erhält. Gleichzeitig war es die friedlichste Kundgebung dieses umstrittenen Feiertages. Ein Gemisch an Kirchgän- Am Kreuzgang über den Newski-Prospekt nahmen mehre Zehntausend Gläubige teil. Bild: Ria Novosti gern, Kosaken und anderen nationalistisch-patriotischen Gruppierungen (sogar verkleidete Rotarmisten waren darunter) marschierte mit der Ikone der Kasaner Gottesmutter von der Kasaner Kathedrale über die Malaja Morskaja hin zur Isaakskathedrale. Der Umzug war stark gesichert durch OmonSonderpolizei und freiwillige Helfer und verlief ohne Zwischenfälle. Am Nachmittag des selben Tages startete ein Pulk von mehreren hundertNationalisten ab der Metro “Gorkowskaja” zu einem genehmigten “Russischen Marsch” über die Troitzki-Brücke zum Suworow-Platz. Die Menge, die maximal 1500 Personen umfasste, bestand aus Vertretern sämtlicher rechter und ultrarechter Gruppierungen – von der “Nationaldemokratischen Partei” bis hin zur “Bewegung für das Recht auf freien Waffenbesitz”. Im Fahnenwald dominierten die imperialen gelb-schwarzweissen Trikoloren. Skandiert wurde “Ehre für Russland” und “Russland den Russen”. Bei ihren Auftritten sprachen sich die Anführer vorwiegend für die Einführung des Visazwangs für Bewohner sämtlicher zentralasiatischer Länder aus. Aber schon kurz nach Ablauf des offiziellen Teils lief die Aktion aus dem Ruder. Teile der Demonstranten versuchten auszureissen und auf den Newski Prospekt und den Schlossplatz weiter zu marschieren. Die Polizei schritt rasch ein und nahm an diesem Tag insgesamt 80 Personen fest. Der erneute Versuch, auf dem ApraksinMarkt ein Pogrom gegen ausländische Händler anzuzetteln, unterband die Polizei mit strengen Personenkontrollen ab dem Gostiny-DworKaufhaus. Trotzdem kam es an den Metrostationen “Udelnaja” und “Rybazkoe” zu Aktionen gegen Ausländer und Massenschlägereien. An der “Udelnaja” begann eine Gruppe von etwa 40 vermummten Männern, Ausländer auf dem Perron und in den Waggons der haltenden Züge zu schlagen. Danach gingen sie nach oben, wo sie die Marktstände “nichtslawischer” Händler angriffen und teilweise umkippten. An der “Rybazkoe” verlief alles nach demselben Schema zuerst im Bereich der Metro, wo Jagd auf Migranten mit asiatischem Aussehen gemacht wurde, die Opfer teilweise blutig geschlagen wurden. Später fand die Polizei in der Nähe der Station einen Toten aus Zentralasien, der mit Messerstichen “hingerichtet” worden war. Am selben Tag wurde ebenfalls im Süden der Stadt an der Uliza Richarda Sorge ein Mordopfer aus Kirgisien mit starken Schnitt- und Stichverletzungen gefunden – hinter beiden Morden vermutet die Polizei Rechtsradikale. Der “Tag der Nationalen Einheit” wurde 2004 von Präsident Wladimir Putin als arbeitsfreier Feiertag zum Gedenken an den Sieg über die polnisch-litauischen Truppen im 17. Jahrhundert eingeführt. Der Gedenktag wird jährlich von allen rechten und ultrarechten Gruppierungen für so genannte “Russische Märsche” in allen grossen Städten Russlands benutzt, wobei es regelmässig zu Ausschreitungen kommt. November 2013 (Nr. 45) Thema Quo vadis, Kapitalismus? Gespräch über eine in die Jahre gekommene Gesellschaftsform Im Rahmen des Deutsch-russischen Salons im Deutschen Generalkonsulat St. Petersburg stellten sich der österreichische Wirtschaftsjournalist und Buchautor Wolf Lotter und der russische Ökonom und Publizist Dmitri Travin den Fragen zum Thema “Kapitalismus”. Als Moderator versuchte Russland-Korrespondent Stefan Scholl die Aktualität und Zukunftsperspektiven dieser bald 200 Jahre alten Gesellschaftsordnung zu ergründen. Von Eugen von Arb Obschon die beiden Kapitalismus-Experten sehr verschiedene Ausgangspunkte hatten, trafen sie sich im Verlauf des Gesprächs auf einer Linie. Wolf Lotter, der sein Buch “Zivilkapitalismus. Wir können auch anders” mitgebracht hatte, ging vom Kapitalismus als positive Erscheinung, einem Instrument der Gesellschaft zur Weiterentwicklung aus. Paradoxerweise seien die meisten Ökonome Antikapitalisten, weil der Kapitalismus sehr negativ behaftet sei, meinte er. Dabei habe er trotz der negativen Erscheinungen wie zum Beispiel Kinderarbeit und Elendsquartiere im ersten Jahrhundert seiner Existenz (1840-1940) zu einer Verdoppelung der Lebenserwartung und zu einer mehrfachen Erhöhung des Durchschnittseinkommens geführt. Lotter schreibt die meisten negativen Erscheinungen, wie etwa der Kriegskapitalismus, der Beeinflussung durch die politischen Machthaber und durch die Bürokratie zu. “Kapitalismus ist ein Instrument und keine Weltanschauung – diese wird darübergestülpt”, erklärte er dem Publikum im Bismarcksaal. Monopole und Korruption entstünden nur dort, wo der Wettbewerb fehle und führten zu einer Einengung des Kapitalismus. Deshalb hätten viele Regimes, die sich nach aussen als kapitalistisch bezeichneten, die wichtigsten Grundlagen des freien Markts beseitigt. Das Dritte Reich sei beispielsweise alles andere als kapitalistisch gewesen, weil es eine Planwirtschaft wie in der Sowjetunion betrieben habe. “Könige und Tyrannen brauchen keinen Kapitalismus”, unterstrich er. Kapitalismus schaffe kein Glück, aber er biete vielen Menschen die Möglichkeit, ihr persönliches Glück zu schaffen, erklärte Lotter. Leider habe in vielen Ländern eine “Entfremdung” gegenüber dem Kapitalismus stattgefunden. Geld und Wirtschaft gälten als etwas unanständiges, und viele Menschen seien bequem geworden und wollten nur noch Geld verdienen, aber selbst nichts aufbauen. Selbst in grossen Unternehmen sei dadurch eine Bürokratenkaste entstanden. Dadurch mache man sich abhängig und spiele in die Hände der Ausbeuter, statt den Kapitalismus als Werkzeug zur Unabhängigkeit wahrzunehmen. Dmitri Travin – Publizist und Professor an der Europäischen Universität St. Petersburg – ging vom Kapitalismus als geringeres Übel aus. “Der Kapitalismus ist eine schlechte Regierungsform, aber alle anderen sind noch schlechter”, zitierte er Churchill. Dies habe man 1917 leider nicht gewusst als die Oktoberrevolution losbrach. Hatte Lotter bereits auf die Vielseitigkeit des Kapitalismus mit 750 verschiedenen Formen weltweit aufmerksam gemacht, so wies Travin auf die grosse Erfahrung hin, welche die Menschheit mit dieser Gesellschaftsform und all ihren Fehlern mittlerweile Seite 5 Wolf Lotter (v.l), Stefan Scholl und Dmitri Travin beleuchteten im Gespräch verschiedene Aspekte des Kapitalismus, einer umstrittenen Gesellschaftsform. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold gewonnen habe. Wie Lotter machte auch Travin den Staat und seine Bürokratie als wichtigste Gegner des Kapitalismus bzw. der Bürger aus, weil sie den freien Wettbewerb durch ihre Regulierungen behinderten. Im Kapitalismus beute der Mensch den Menschen aus, aber es sei eine Illusion, zu glauben, im Sozialismus herrschten Gleichheit und Brüderlichkeit. Eine Staatsbürokratie sei nie menschenfreundlich, sondern korrupt und nur auf ihre eigenen Bedürfnisse eingestellt. Das habe in der Sowjetunion dazu geführt, dass Wurst statt Raketen hergestellt worden sei. Als ihm während seines Studiums der Gegensatz zwischen dem Kapitalismus (reich und effizient) und dem Sozialismus (arm und korrupt) bewusst geworden sei, habe er sich dazu entschlossen, sich mit dem Kapitalismus auseinander zu setzen. Sowohl Lotter wie auch Travin bezeichneten den Kapitalismus als wichtigen Antrieb zur Demokratisierung. Der wachsende Wohlstand führe mit der Zeit automatisch zu einem Bedürfnis nach geistiger Freiheit bei den Menschen – das sei auch in Russland oder China so, argumentierte der Petersburger Ökonom. Auch Präsident Putin sei zu Beginn seiner Regierungszeit kein Gegner der Dekokratie gewesen, doch habe der Reichtum dank dem hohen Ölpreis Reformen unnötig gemacht und nun wolle das Regime die Pfründe der Macht- und Geldelite bewahren, erklärte Travin nüchtern. Russland sei im übrigen in den meisten Bereichen sowjetisch geblieben, da ein freier Markt durch Macht- und Geldmonopole weitgehend verhindert werde. Daher sei auch das Klima für ausländische Investoren schlecht und die Entwicklung der russischen Wirtschaft verlaufe nur schleppend. “Bei uns wird jeden Tag gestohlen”, sagte Travin und wies auf die Milliarden von Rubel hin, die regelmässig durch Korruption bei Regierungsaufträgen “verschwinden”. Die Korruption könne vom Staat nicht besiegt werden, sondern nur durch freien Wettbewerb und die Kontrolle der Gesellschaft. Daher seien die Proteste, wie sie vom Oppositionellen Alexei Nawalny betrieben würden, der Anfang der Demokratie in Russland. Wolf Lotter sprach Missstände staatlicher Einmischung in Deutschland an, wo wegen der hohen Einkommenssteuern Milliardenbeträge durch Schwarzarbeit abgezweigt werden. Er habe Verständnisse für Handwerker, die schwarz arbeiteten, meinte er. Der Staat sorge mittels hoher Steuern in erster Linie für sich – daher sei es normal, dass sich die Bürger um ihre Bedürfnisse sorgten. Auch Themen wie Terrorismus oder Krieg im Zusammenhang mit dem Kapitalismus wurden angesprochen. Travin und Lotter deuteten Terrorbewegungen als Folge von Konflikten zwischen mehr und weniger entwickelten Gesellschaften, die in der globalisierten Welt aufeinander stossen. Glücklicherweise hätte sich vielerorts die Form der Auseinandersetzungen geändert, und die Menschen hätten verstanden, dass es besser sei, einander etwas zu verkaufen, statt aufeinander zu schiessen.. Lotter warb für einen “Volkskapitalismus”, wie ihn der deutsche Bundeskanzler Ludwig Erhard proklamiert hatte. Das Wissen in der Bevölkerung über die Ökonomie müsse dringend verbessert werden. Die Menschen müssten lernen zu fordern und der Staat müsse sich als Dienstleister verstehen. “Es mangelt an neuen Ideen in der ganzen Welt” – meinte er enthusiastisch und gab damit gleichzeitig das Schlusswort. November 2013 (Nr. 45) Petersburger Dialog in Geldnot rian.- Beim traditionellen russisch-deutschen Petersburger Dialog sind Finanzierungsprobleme entstanden. Nach Angaben der deutschen Seite haben mehrere Unternehmen auf die materielle Unterstützung des Forums verzichtet. Experten sehen die Ursache dafür nicht nur darin, dass Berlin derzeit mit Problemen der Regierungsbildung beschäftigt ist, sondern auch in einer Abkühlung der russischdeutschen Beziehungen. Notfalls kann allerdings die russische Seite die notwendige finanzielle Unterstützung für das Forum erweisen. Garri Kasparow beantragt Lettlands Staatsbürgerschaft – abgelehnt rian.- Der Schachweltmeister und russische Oppositionspolitiker Garri Kasparow hat in Lettland um die Staatsbürgerschaft ersucht. „Als Bürger Lettlands würde ich die Möglichkeit bekommen, mich ohne Einschränkung im Namen von Demokratie, Frieden und Gerechtigkeit sowohl in Russland als auch in anderen Ländern politisch zu betätigen, wo Menschenrechte und demokratische Normen verletzt werden“, zitierten lettische Medien aus dem Brief Kasparows. Zugleich wollte der Antragsteller die russische Staatsbürgerschaft beibehalten. Wie es in dem Brief hiess, war er in jungen Jahren mit Lettland verbunden, wo er in den 70er Jahren einen wichtigen Sieg im Schachspiel errungen habe. Die Mutter seines Sohnes Vadim sei Staatsbürgerin Lettlands und besuche regelmäßig Riga. Kasparow verwies darauf, dass er als Bürger Lettlands einen gewichtigen Beitrag zur Ausbildung von Schülern und Studenten leisten könnte. Mittlerweile wurde Kasparows Antrag abgelehnt. Vermischtes Seite 6 “Made in Germany” – Marken-Mythen in Russland Wer in Russland einkaufen geht, kann sich bisweilen in einem ParallelDeutschland wähnen. Stifte von Erich Krause, Geschirr von Gipfel, Schuhe von Thomas Münz, Zwei-MeisterBier oder Haushaltsgeräte von Hansa. Die Marken klingen deutsch, sind aber zwischen Rhein und Oder völlig unbekannt. Der Grund dafür ist der unbeirrbare Glaube der Russen an deutsche Qualität und der Einfallsreichtum der eigenen Geschäftsleute. rian.- Im vergangenen Jahr verkaufte Deutschland Güter im Wert von 38 Milliarden Euro nach Russland, ein Plus von 10 Prozent zum Vorjahr. Auch russische Unternehmer wollen an dieser Liebe für „Made in Germany“ verdienen. So wurden in den vergangenen Jahren reihenweise Marken unter falscher Flagge gegründet, die den Konsumenten deutsche Herkunft vorgaukeln sollten. Tatsächlich stammen die Waren meist aus Fabriken in China oder direkt in Russland. Einer der Pioniere auf dem Gebiet ist Dmitri Beloglazov, der Anfang der 90er-Jahre mit dem Import von Schreibwaren aus China begann und später eigene Werke in Russland gründete. Um den Verkauf anzukurbeln, erfand die Werbeagentur Megapro in seinem Auftrag den deutsch klingenden Markennamen Erich Krause. In wenigen Jahren avancierte der russische Newcomer zum Marktführer für Bürowaren. „Wir haben damals beobachtet, dass ausgerechnet deutsche Schreibwaren als besonders langlebig galten“, erklärt Beloglazow gegenüber dem Magazin „Sekret Firmy“ seine Idee. Tatsächlich zählt für Russen die Herkunft einer Marke mehr als für Konsumenten anderer Länder. Laut einer Studie der Kölner Beratungsgesellschaft Globeone ist das “Eins, zwei - Wähle aus!” H.P. Baxxter legt in Russland für Mediamarkt los. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold Ursprungsland des Produkts für gut 60 Prozent der Käufer in Russland sehr wichtig, während in Indien oder Brasilien nur jeweils ein Drittel dieses Kriterium als besonders wichtig betrachten. Außerdem haben knapp 90 Prozent ein positives Bild von deutschen Marken, während lediglich ein Prozent Firmen aus der Bundesrepublik mit Skepsis begegnet. Um an dieser Beliebtheit der Deutschen mitzuverdienen, lassen sich russische Unternehmen einiges einfallen. Die klassische Methode ist die Gründung einer BriefkastenGmbH in Deutschland, die als Muttergesellschaft fungiert. Auch wenn die Gründer von Erich Krause später keinen Hehl aus ihrer Schummelei gemacht haben, prangt auf den Stiften noch immer die Adresse einer GmbH in Erftstadt. Deutlich dicker tragen andere Firmen auf. Die Schuhkette Thomas Münz, die allein in Moskau mehrere Dutzend Geschäfte hat, hatte sich sogar eine schöne Legende ausgedacht, die bis vor kurzem auf der Webseite zu finden war. Der Namensgeber Thomas Münz sei demnach ein Schuster aus dem deutschen Guben, der seinerzeit die anatomische Leiste erfand und den Grundstein für das angebliche Traditionsunternehmen gelegt hat. Auch der Geschirrhersteller Gipfel appelliert in seiner Selbstdarstellung an jahrhundertealte Traditionen brandenburgischer Meister- betriebe. Dass die Produkte von Erich Krause, Münz und Co. fast ausschließlich in Russland oder anderen ehemaligen Sowjetrepubliken zu finden sind, verschweigen die Hersteller dagegen. Im Internet formiert sich derweil Widerstand gegen die so genannten Werwolf-Marken. Auf Seiten wie truebrands.ru sammeln User Informationen über solche Firmen. Kopiert werden nämlich bei weitem nicht nur deutsche Marken. Vor allem bei Mode-Labels gibt es einige russische Hersteller, die sich gerne einen italienischen oder englischen Anstrich verpassen. Dabei reicht es mitunter, die Adressen der angeblichen Firmensitze in Europa zu prüfen, um sie zu überführen. Im Falle von Thomas Münz liegt es mitten in einem Düsseldorfer Wohngebiet, zudem werden Anrufe unter der angegebenen Nummer auf Russisch begrüßt. Dennoch startete das Unternehmen kürzlich eine Werbekampagne mit dem deutschsprachigen Slogan „Qualität hat einen Namen. Thomas Münz“. Noch dreister versuchte es bis vor kurzem der Hersteller von Haushaltsgeräten Bork. Das Unternehmen, ebenfalls mit einer GmbH in Berlin präsent, führte nicht nur den Schriftzug Germany im Logo. Es behauptete auch, seine teuren, in Edelstahloptik gehaltenen Produkte würden in Deutschland hergestellt, was dem Unternehmen schließlich Ärger mit der Konkur- renz und den Behörden einbrachte. Die französische SEB-Group, die Namen wie Rowenta und Tefal im Sortiment führt, schwärzte Bork bei der Moskauer Wettbewerbsbehörde an. Das Unternehmen musste zwar nur wenige Tausend Euro Strafe zahlen. wechselte allerdings den Schriftzug „Germany“ im Logo gegen „Industrial“ aus und auch in der Werbung wird Deutschland nirgends mehr erwähnt. Deutsche Unternehmen kümmern die Werwolf-Marken dagegen wenig, solange es sich nicht um direkte Piraterie wie etwa in China handelt. Viel lieber reiten auch sie auf der Liebe zu deutschen Produkten. Ritter Sport zum Beispiel verzichtet, anders als etwa in Frankreich oder den USA, auf eine Übersetzung des berühmten Werbespruchs: Quadratisch, Praktisch, Gut. Eine Kombination, die auch für die meisten Russen zu verstehen ist. Und auch der Elektronikhändler Media Markt preist seine Läden in kyrillischen Lettern als deutschen „Fantastisch Markt“ an. Zusätzliches Deutschland-Flair versprüht in den Werbespots der Elektronikkette ScooterFrontmann H.P. Baxxter. In einem Interview mit dem Fernsehsender RTL verriet der Musiker, dass er dafür eigens einen russischen Satz pauken musste. Im Vergleich zu den russischen FantasieMarken klingt sein deutscher Akzent jedenfalls echt. November 2013 (Nr. 45) Im Krieg geraubte Bände kommen zurück nach Pawlowsk rian.- 125 Bände aus der Bibliothek der russischen Zarenfamilie in Pawlowsk, die während des Zweiten Weltkrieges von den deutschen Okkupanten verschleppt wurden, kehren wieder nach Russland zurück. Die wertvollen Bücher befanden sich bis zuletzt im Besitz der Familie von der Schulenburg. Die Eigentürmer der wertvollen Bände konnten dank dem von Prof. Wolfgang Eichwede geleiteten Forschungsprojekt „Russische Museen im Zweiten Weltkrieg“ und Ermittlungen gefunden werden, die Journalisten der „Süddeutschen Zeitung“ geführt hatten. Bis dahin wurden die Bücher – es handelt sich unter anderem um Werke deutscher Klassiker und Memoiren französischer Staatsmänner – im Schloss Falkenberg, Bayern, aufbewahrt, das der Familie von der Schulenburg gehört. Friedrich Werner von der Schulenburg, bis zum Zeitpunkt des Überfalls auf die UdSSR der deutsche Botschafter in Moskau, hatte zunächst zum engsten Kreis der Vertrauen von Adolf Hitler gehört, die im März 1942 zu einer Ausstellung von aus Sowjetrussland verschleppten Kunst- und Kulturschätzen in Berlin eingeladen wurden. Bei der „Veranstaltung“ durfte der Diplomat wertvolle Gegenstände aus der Bibliothek des Staatlichen Museumsreservats Pawlowsk auswählen und zu seinem Besitz machen: historische Werke, Briefe von Marie Antoinette und von Graf Mirabeau, eine alte Ausgabe der gesammelten Werte von Gotthold Efraim Lessing und vieles andere. Im Juli 1944 gehörte von der Schulenburg zu den Teilnehmern der Verschwörung gegen Hitler und wurde hingerichtet. Kultur Seite 7 Japan aus der Perspektive russischer Künstler eva.- Das Städtische Skulpturenmuseum zeigt in der Ausstellung “Art en face - Japan” die vielen Seiten des traditionellen und des modernen Japan. Am 10. Dezember um 18.30 Uhr hält der Museumsmitarbeiter und Kurator der Ausstellung Artem Malagaschwili in der Ausstellung einen Vortrag darüber, wie das Land der aufgehenden Sonne besser wahrgenommen werden kann. Dabei werden die traditionellen Wurzeln erklärt und die Kontraste zur europäischen Kultur hervorgehoben. Ausstellungssaal des städtischen Skulpturenmuseums, Newski Prospekt 179/2. Eintritt 25 Rubel (Vortrag),50-100 Rubel (Museum). Тel. 314-12-14. www.gmgs.ru Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold Jazzkonzerte mit Harald Rüschenbaum und “Ars Nova” Der deutsche Schlagzeuger Harald Rüschenbaum und das Ensemble geben wiederum eine Reihe von Konzerten in der Vorweihnachtszeit. pd.- Das künstlerische Zusammenspiel des Münchner Jazz-Schlagzeugers Harald Rüschenbaum und dem Petersburger Pianisten Piotr Kornew besteht schon seit vielen Jahren. Harald Rüschenbaum, der in Deutschland bereits seit 20 Jahren ein Jugendorchester leitet, tritt in Russland jeweils mit dem Ensemble «Ars Nova» unter der Leitung von Piotr Kornew auf. An den Petersburger Konzerten nimmt dieses Jahr auch die talentierte russische Sängerin Nadeschda Owtscharuk teil. Zu beginn der Neunzigerjahre abgeschafft und nach zwei Jahrzehnten wieder eingeführt: die Schuluniform kehrt wieder an die russischen Schulen zurück. Bild: Wikimedia Commons 12./ 13. Dezember 14.00 Meisterkurs. Staatliche Petersburger Universität für Kunst und Kultur. Dworzowaja Nabereschnaja 2/4. Eintritt frei. Tel. 314-11-32. www.spbguki.ru 12. Dezember 20.00 Konzert im JFC-Klub. Schpalernaja ul. 33. Eintritt 300-800 Rubel. Tel. 272-98-50. www. jfc-club.spb.ru 13. Dezember 19.00 Konzert in der Petersburger JazzPhilharmonie. Sagorodni Pr. 27. Eintritt 600 Rubel. Tel. 764-85-65. www.jazz-hall.spb.ru 14. Dezember 19.00 Deutscher Weihnachtsabend und Konzert. Derschawin-Palast. Fontanka 118, Eintritt 1000 Rubel. Tel. 906-80-06. www.museumpushkin.ru 12. Oktober 19.00. Theater «Baltiisky Dom», Alexandrowski-Park 4. Eintritt 300-2000 Rubel. Tel. 23235-39. www.baltic-house.ru November 2013 (Nr. 45) Kultur Seite 8 Animationsfilm „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ Konzertabend mit Stefan Kagl pd.- Der Münchner Organist interpretiert Werke von Bach, Charles Tournemire, Camille Saint-Saëns, Joseph Guy Ropartz, Jean Langlais und Louis Vierne. Stefan Kagl wurde 1963 in München geboren, absolvierte die dortige Musikhochschule bei Klemens Schnorr und die Kantorenschule bei Jean Langlais. An der Kantorenschule wurde er mit dem «Prix de Virtuosité» ausgezeichnet, die Musikhochschule schloss er mit dem Orgel- und Kirchenmusikdiplom ab. 1988 trat er erstmals in Paris, London und Haarlem auf, wo er als erster Organist den Cesar Franck-Preis gewann. 1991-1996 war er Kantor in Bad Kissingen, und 1997-2002 in Rudolstadt. 2002-2005 war er Kantor in Herford und Leiter des dortigen «Orgelsommer»-Festivals. Daneben unternahm er Tourneen mit Auftritten und Aufnahmen weltweit. 6. Dezember 19.00. Eintritt 6001500 Rubel. Konzertsaal des Mariinski Theaters, ul. Pisarewa 20, Eingang von der ul. Dekabristow 37. Tel. 326-41-41. www. mariinsky.ru Gottesdienste während der Festtage 24. Dezember 20.00. Heiligabend. Gottesdienst auf Russisch und Englisch. 31. Dezember 19.00. Gottesdiest zum Silvester. Römisch-katholische Kirche Mariä Heimsuchung. Mineralnaja ul. 21. Tel. 310-04-66. www.visitmaria.ru Der Märchenfilm der Regisseurin Lotte Reiniger entstand 1926 nach Motiven der «Geschichten aus 1001 Nacht». Er zählt zu den wichtigsten deutschen Werken der Filmgeschichte überhaupt. So wurde er 2003 von der internationalen «Online Film Critics Society» als einziger deutscher Film unter die 100 besten animierten Langfilme aller Zeiten gewählt. Die fantasievolle, poetische Schönheit des Scherenschnitt-Silhouettenfilms mit seinen kunstvoll gestalteten Märchenfiguren und orientalischen Landschaften bezaubert uns noch heute, obwohl die Computer-Animation längst neue Wege gegangen ist. Das Jenaer Ensemble «KlangEssenz» begleitet die Vorführung live mit der Originalmusik zu diesem Stummfilm, komponiert von Wolfgang Zeller. 6. Dezember 19.00. Deutsch-russisches Begegnungs-zentrum an der Petrikirche. Newski Pr. 22-24. Tel. 570-40-96. www.drb.ru Tap‚N bass «reduced to the max» - Stepptanz und Bass In einer seltenen Kombination unterhalten der Stepptänzer Thomas Marek und der Bassist Kurt Holzkämper ihr Publikum. Tap ‚N bass «reduced to the max». So heißt das Motto des Stepptänzers Thomas Marek und des Bassisten Kurt Holzkämper. Verpackt in einer mitreißenden Live Show voller Überraschungen und Ideen, präsentiert sich ihr abendfüllendes Programm Tap ´N Bass. Tap ´N Bass ist eine Mischung aus Tanz-, Personality – und Comedyshow. Charismatisch und mit viel Witz agieren Marek und Holzkämper in ihrer furiosen Bühnenshow mit den wahrscheinlich «langweiligsten» Instrumenten der Welt: Stepptanz und Bass. In spannenden Arrangements und Choreographien wechseln sich leise Töne mit fulminanten Funkgrooves ab, und zeigen Stepptanz abseits jeglicher Klischees oder Kategorien. Die musikalische Bandbreite des Duos reicht von Rhythm´n Blues über Jazz bis hin zu Funk und Drum´n Bass. Die absolute Stärke von Tap ´N Bass ist das Zusammenspiel auf der Bühne und die Kommunikation mit dem Publikum, welches sich bestimmt beim Wippen, Schnippen oder Tippen ertappt. Eintritt 200 Rubel. Loft «Skorochod», Moskowski Prospekt 107, Korpus 5, 3. Stock. Tel. 987-66-90 www.skorohod.me Am 14. Dezember 13.00 - 14.30 und 15.00 - 16.30 wird Thomas Marek in der Steppschule «Dance Fabrique» (ul. Kasanskaja 7, Korpus B, Auditorium 602) einen Meisterkurs in Technik und Choreographie geben. Niveau der Teilnehmer: fortgeschritten. Kosten für die die beiden Kursteile: 1500 Rubel. Anmeldung unter Tel. +7-911921-69-25 oder auf der Webseite der Schule www.dfspb.ru Saitenzupfen und Steppschuh-Klappern erwartet die Besucher der Darbietung Tap ‚N bass «reduced to the max». Bild: PD November 2013 (Nr. 45) Kultur Programm des Deutsch-Russischen Begegnungszentrums Seite 9 «Deutsches Haus» am Internationalen Weihnachtsmarkt pd.- Vom 19. Dezember bis 12. Januar 2014 findet auf dem Pionerskaja Ploschad beim Jugendtheater TJUS der traditionelle internationale Weihnachts- und Neujahrsmarkt statt. Die Besucher erwarten Köstlichkeiten aus allen Teilnehmerländern und vielen Regionen Russlands, sowie verschiedene Darbietungen und Konzerte. Für alle Sportsfreunde steht wie jedes Jahr eine moderne Kunsteisbahn bereit. Unter den Teilnehmern sind auch Uwe und Kerstin Dörfers, die das «Deutsche Haus» betreiben. An diesem Stand finden Sie gebrannte Mandeln, Lebkuchenherzen und Glühwein wie an jedem richtigen Christkindlmarkt. Die Alpen, der Stolz der Schweiz, werden am Schweizer Abend am 9. Dezember im DRB vorgestellt. Bild: Wikimedia Commons 3. Dezember 18.30 Treffen in der Gesellschaft für deutsche Sprache. Gemischtnationale Ehen. Sprach- und Mentalitätsprobleme im Blick des internationalen Privatrechts. Referent: M. Scholz, Rechtreferat im GK. V. Nekrassov, Vorsitzender des GfdS – Zweiges in St. Petersburg. Auf Deutsch. 4. Dezember 18.30 Vortragsreihe «Kunstdenkmäler». Mit Goethe durch Sizilien. Teil II. Referent A. Leporck, Kunstforscher, wiss. Mitarbeiter der Eremitage. Auf Russisch. Eintritt frei, Kollekte. 7. Dezember 15.00 Literaturabend. Die Veranstaltung ist dem Nobelpreisträger und deutschen Bühnenautor Gerhart Hauptmann gewidmet. Mit der Laientheatertruppe «Petersburger Deutsche» unter der Leitung von Iwan Preis. Auf Russisch. Bibliothek № 3 des Kalininskij Stadtgebiets, Kondratjevsky Prospekt, 83/1. Tel. 543-39-86. 10. Dezember 19.00 Jugendklub «Äpfel und Maracujas». Deutsch-russischer Jugenddialog. Leiterin O. Ozhiganova. Auf Russisch und Deutsch. 9. Dezember 18.30 Schweizerische Begegnungen im DRB 2013. Die Schweiz und Europa. Grußwort und Vortrag von Herrn Michael Faillettaz, Generalkonsul der Schweiz in Sankt Petersburg. Anschließend Filmvorführung “Die Alpen” und Aperitif mit Wein und Käse aus der Schweiz. 12. Dezember 18.30 Buchpräsentation. Zum 250-jährigen Bestehen der deutschen Kolonien rund um St. Petersburg. Präsentation des Buches von Dr. Phil. L. Puseikina «Deutsche im St. Petersburger Gouvernement: Geschichte, Sprache, Lieder» mit musikalischer Begleitung des russlanddeutschen Chors «Lorelei», Leiterin N. Kraubner. Auf Russisch. 22. Dezember 13.00 – 15.00 Kindertag. Spiele, Literatur, erzieherische und kreative Aufgaben für Kinder von 4 bis 10 Jahren. Auf Russisch und Deutsch. Anmeldung erforderlich unter: [email protected] Konzerte 11. November 18.30 Deutscher Musikabend. Heidelberger Absolventen – Schumann, Borodin, Strawinsky. Gesang und Moderation T. Hollerbach, A. Soleil; A. Alexandrow (Klavier). 16. Dezember 18.30 Weinachtskonzert mit Vortrag.Referent: Geor- gij Goshev. Darsteller: T. Hollerbach, A. Soleil; A. Alexandrow (Klavier). Auf Russisch. 17. Dezember 18.30 Damenklub mit deutscher Weihnachtsmusik. Referentin Dr. Phil. M. Schitinskaja. Auf Russisch. 19. Dezember 18.30 Deutscher Musikabend. Der Pianist Igor Urjasch interpretiert Werke deutscher Komponisten. Eintritt frei, Kollekte. 23. Dezember 18.30 Musiksalon mit Ludmila Truschtalevskaja (von Krüdener). Weihnachtskonzert.Gesang und Klavier: L.Truschtalevskaja und L. Jeremin. Auf Russisch. «Deutsch-russisches Begegnugnszentrum an der Petrikirche. Newski Prospekt 22/24. Tel. 57040-96. www.drb.ru 19. Dezember bis 12. Januar 2014. Pionerskaja Pl. Täglich 12.00-22.00. www.rozhdestvo. spb.ru Operndiva Anna Netrebko trennt sich von Erwin Schrott rian.- Operndiva Anna Netrebko hat die Trennung von ihrem uruguayischen Lebensgefährten Erwin Schrott bekanntgegeben. Wie die aus Südrussland stammende Star-Sopranistin über ihren New Yorker Pressesekretär mitteilte, sei der Grund für das Ende des sechsjährigen Bundes „die intensiven Terminkalender, die uns keine Möglichkeit bieten, zusammen zu sein“. In der Mitteilung für die Presse, aus der die Moskauer Zeitung „Komsomolskaja Prawda“ zitiert, heißt es: „Wir schätzen die Zeit, die wir zusammen verbracht haben, sehr und werden natürlich gemeinsam unseren Sohn Tiago erziehen. November 2013 (Nr. 45) Wirtschaft MAN-Lastwagen-Werk in St. Petersburg offiziell eröffnet Der Produktionsstart des Petersburger MANLastwagen-Werks wurde wegen bürokratischer Probleme um mehrere Monate verzögert. Ab Juli lief die Herstellung, und am 5. November feierte man das 100. Fahrzeug, das mittlerweile in Schuschari vom Band gelaufen ist. eva.- Der Petersburger Gouverneur Georgi Poltawtschenko, der neben den MAN-Generaldirektoren Anders Nielsen und Thomas Schneiderheinze sowie der deutschen Generalkonsulin Heike Peitsch anwesend war, gab sich befriedigt von der Erweiterung des Petersburger Auto-Clusters durch den deutschen MAN-Konzern. Er kündigte an, dass die hiesige Autoindustrie bis 2018 rund eine Million Fahrzeuge Deutsche Brummis lassen russische Herzen höher schlagen. Gouverneur Poltavtschenko auf Testfahrt. Bild: gov.spb.ru herstellen würde. Zur Erinnerung erhielt er einen ModellLastwagen und wurde auf eine Ehrenrunde in einem MAN-Laster mitgenommen. Eigentlich hätte die Fabrik, deren Bau für 25 Millionen Euro 2011 in einem Memorandum beschlossen worden war, bereits im vergangenen Jahr anlaufen sollen. Aber eine fehlende Lizenz verhinderte den Start, so dass das Werk vorerst nur im Testbestrieb lief. Das Werk wird noch einige Zeit brauchen, um die maximale Produktionskapazität von geplanten 6000 Fahrzeugen pro Jahr zu erreichen. Auch die vorgesehenen 230 Arbeitsplätze sind bisher nur etwa zur Hälfte besetzt, schreibt Fontanka. ru. Ausserdem muss noch die Zufahrt zum Werksgelände ausgebaut, eine Busverbindung für die Angestellten organisiert und ein Ausbildungszentrum errichtet wer- den – der Gouverneur versprach seine Unterstützung. Für den Moment beschränkt sich die MAN-Fabrik auf die Montage der sechs populärsten Modelle, in erster Linie Muldenkipper und Universalfahrzeuge. Später soll das Angebot ausgebaut und möglicherweise auf Busse für die Petersburger Verkehrsbetriebe und Spezialfahrzeuge für die Arktis ausgeweitet werden. Die Komponenten für die Laster stammen grösstenteils aus ausländischen MAN-Filialen, lediglich die Getriebe kommen aus den KAMAZWerken in Nabereschnie Tschelny, mit dem der grosse deutsche Automobilzulieferer ZF aus Friedrichshafen zusammenarbeitet. In Russland hält MAN unter den europäischen Lastwagenherstellern einen Marktanteil von 23 Prozent. Seite 10 Lebensmittelpreise in Russland steigen rian.- Die Preissteigerung auf dem russischen Lebensmittelmarkt ruft wachsende Besorgnis hervor. Letzte Woche hat das Kartellamt gegen 80 Unternehmen ermittelt, die einer Preisabsprache im HühnereierSektor verdächtigt werden. Die Kartoffelpreise steigen dermaßen stark, dass die Behörden darüber nachdenken, das Verbot für die Kartoffeleinfuhr aus der EU zu lockern. Laut der Statistikbehörde Rosstat sind auch die Milch- und Gemüse-Preise im zurückliegenden Monat rapide angestiegen. Zugleich wird eine Verlangsamung des Wachstums bei den Einnahmen der Bevölkerung registriert. In der entstandenen Situation wirkt sich dies nicht nur negativ auf die allgemeine Wirtschaftslage aus, sondern verschärft auch die sozialen Spannungen. Master-Bank verliert Lizenz – neues Bankensterben in Sicht? Nachdem die russische Zentralbank der MasterBank am 20. November die Lizenz entzogen hat, wird mit weiteren Schliessungen gerechnet. Viele Kunden legen darum ihre Guthaben bei staatlichen Banken an. Der Staat will den Bankensektor stärker kontrollieren und den Anteil von “Schwarzgeld” senken. eva.- Als die Zentralbank der Master-Bank wegen undurchsichtiger Geschäftstätigkeit und Verdacht auf Geldwäsche die Lizenz strich und sie unter Zwangsverwaltung stellte, staunte man nicht schlecht im Bankengewerbe. Laut Fontanka.ru galt die Bank als solides Geldinstitut, das sich in den vergangenen Jahren gut entwickelte. Die Bank mit einem Eigenkapital von 9,1 Milliarden Rubel und einem wachsenden Gewinn von bis zu 5,4 Milliarden Rubel (2012) verfügte sowohl in St. Petersburg wie Bankbranche und Sparer zitten - werden der Master-Bank weitere Banken folgen? Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold auch in Moskau über ein grosses Netz von Geldautomaten und rund 2000 Angestellte. Die Masterbank wurde 1992 gegründet und gehörte zu den 100 grössten Banken Russlands. Seit 2008 gehörte Igor Putin, ein Vetter des Präsidenten, dem Aufsichtsrat der Bank an. Sämtliche Transaktionen wurden ab dem Stichdatum eingestellt und alle Kreditkarten der Bank annulliert. In verschiedenen Niederlassungen der Bank kam es zu Durchsuchungen durch die Finanzpolizei. Doch im Gegensatz zu früheren Bankschliessungen kam es diesmal nicht zu Panik unter den Kunden, denn ab dem 4. Dezember soll die Agentur für Guthabenversicherungen (ASV) mit der Auszahlung von Einlagen bis zu 700.000 Rubel beginnen. Damit sind die Guthaben von 95 Prozent aller Kunden abgedeckt. Schlimmer sieht es für Organisationen aus, die ihre Gelder bei der MasterBank deponiert hatten, die meist um ein Mehrfaches die versicherte Summe überschreiten. In St. Petersburg sind dies bedeutende Firmen, darunter mehrere RestaurantKetten (Ginza Project, Coffee House), die Supermarktkette O’key, sowie russlandweite Organisationen, wie die Versicherungen “Rossgosstrach”, “Reso” und der Mobilfunker “Beeline”. Das Schicksal ihrer Gelder hängt von den weiteren Folgen des Lizenzentzugs sowie von der Liquidität der Bank ab. Das Aus für die Master-Bank hat aber auch noch andere Folgen – darunter jene, dass vermehrt Gelder bei staatlichen Banken angelegt wer- den. So vermeldete die Bank “VTB24“ in den Tagen nach der Schliessung der MasterBank einen Anstieg neuer Anleger um rund einen Drittel über dem monatlichen Durchschnitt. Die Sberbank wollte zwar die Situation nicht kommentieren, doch wird angenommen, dass die Entwicklung dort ähnlich ist. Die “Rettung” von Guthaben auf Konten in staatlichem Besitz ist nicht ganz unbegründet, denn es wird mit weiteren Lizenzentzügen gerechnet. Zwar soll es kein Bankensterben wie 2004 oder 2008 geben, doch kursieren bereits inoffizielle “schwarze Listen” mit weiteren Schliessungs-Kandidaten. Mit verstärkter Kontrolle versucht der russische Staat, die Banken zu einer transparenten Geschäftspraxis zu zwingen und so Geldwäsche und Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Nach Angaben der Weltbank beträgt der Anteil an “Schwarzgeld” in Russland rund 40 Prozent des Bruttoinlandprodukts (zirka 800 Milliarden US-Dollar). November 2013 (Nr. 45) Vermischtes Typisch Russland: Kein Land des Lächelns Von Eugen von Arb Russland ist eine ServiceWüste - darüber beklagen sich nicht nur Ausländer, sondern auch die Russen selbst. Grossfirmen und die Tourismusbranche versuchen denn auch krampfhaft, die Fremdsprachenkenntnisse ihres Personals zu verbessern und Unfreundlichkeit und Gleichgültigkeit gegenüber der Kundschaft auszurotten - mit wechselndem Erfolg. Ich erinnere mich gut, wie ich in meinem ersten Russland-Jahr in einem Supermarkt regelrecht angeschnauzt wurde - der Grund: Ich hatte mich erfrecht, mit einer 500-RubelNote (rund 15 Franken) zu bezahlen, und der Kassiererin war das Wechselgeld ausgegangen. Daran ist in Russland der Kunde schuld, er ist hier oft der Untertan. Ironischerweise trug die Angestellte auf ihrem Revers einen Anstecker mit dem Slogan “Wir lieben unsere Kunden”. Sie hatte der westlich orientierten Marketing-Abteilung gehörig das Konzept vergeigt. “Fotografieren verboten!” Die GUM-Verkäuferin macht der gehässigen Tradition des Sowjet-Geschäfts alle Ehre. Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold Die Unverschämtheit dieser Person machte mich baff, aber noch viel mehr erstaunte mich, wie sich die Frau herausgenommen hatte, ihre schlechte Laune zu zeigen. Dieses völlige Fehlen an Selbstbeherrschung wäre in der Schweiz ein plausibler Kündigungsgrund. Mich faszinierte diese Art von Freiheit, seine Gefühle zu zeigen, ohne Rücksicht auf das Geschäft. Gleichzeitig kamen mir Erinnerungen an meine Studentenzeit hoch als ich als “Supermarkt-Sklave” arbeitete: Immer gute Laune zeigen, trotz Schwerstarbeit, miesem Lohn und noch mieserer Behandlung. Stets lächelnd auf die Zähne beissen, auch wenn der Rücken kracht und die Knie scheuern. Die Lädeli-Floskeln - “Ist es recht so?”, “Darf es sonst noch etwas sein?”, das eingefrorene Zucker-Lächeln, der Verkäufer, die mit der Ware auch gleich noch ihre Seele verkaufen. Dieses Andienern auf Schritt und Tritt fehlt hier völlig, und es geht mir mittlerweile gehörig auf den Geist, wenn ich auf Schweiz-Besuch bin. Da ist mir der ehrliche, wenn auch bisweilen rauhe oder einfach reservierte Ton hinter dem russischen Tresen lieber. Es stört mich auch nicht, wenn die Angestellten dahinter auf einem Stuhl sitzen und ein Buch lesen, solange niemand etwas von ihnen will. Dafür reichen sie mir geduldig alles aus der Auslage zur ausgiebigen Begutachtung, auch wenn es zuoberst auf dem Gestell steht und ich nichts kaufe. Nicht selten kommt es sogar vor, dass sie mir vom Kauf eines Produkts direkt abraten - ganz einfach, weil es schlecht ist. Sowas habe ich in der Schweiz nicht erlebt - es ist eine Art geschäftsschädigende Kundenfreundlichkeit. Der St. Petersburger Herold mm.- Der St. Petersburger Herold (Online) ist aus dem Bedürfnis entstanden, ein Internet- und Informationsportal für die deutschsprachige Gemeinde von St. Petersburg zu betreiben. Um nicht mit der altehrwürdigen St. Petersburgischen Zeitung verwechselt zu werden, wurde unsere Online Zeitung “St. Petersburger Herold” genannt. Die gleichnamige politische Zeitung wurde 1871 als religiös und politisch unabhängiges Medium von St. Petersburger Bürgern deutscher Sprache gegründet. Der St. Petersburger Herold wurde in Folge eine bedeutende überregionale Zeitung und wurde von den Seite 11 Polen befürwortet Abschaffung der Visumspflicht für Russen rian.- Polen befürwortet laut seinem Botschafter in Moskau, Wojciech Zajączkowski, die Idee eines visafreien Reiseverkehrs zwischen der EU und Russland. „Die EU-Visapolitik gegenüber Russland, muss flexibler und offener sein. Sie muss auf die Abschaffung der Visapflicht abzielen“, äußerte der Botschafter. Vorläufig werde eine Visaerleichterung auf der Ebene der EU-Kommission diskutiert, fügte er an. Das polnische Konsulat in der russischen Exklave Kaliningrad arbeite „an der Grenze seiner Möglichkeiten“. 2012 hätte es fast 130 000 Visa sowie 1000 Passierscheine im Rahmen des Grenzverkehrs ausgestellt. Ende 2006 nahm das Europäische Parlament eine Verordnung an, die es den Mitgliedsstaaten gestattet, bilaterale Abkommen über den kleinen Grenzverkehr an den Landaußengrenzen mit benachbarten Drittländern zu schließen. Impressum Der St. Petersburger Herold erscheint einmal monatlich. Der Inhalt besteht aus Beiträgen der gleichnamigen Internet-Zeitung www. spzeitung.ru. Redaktion: Markus Müller (mm.), Eugen von Arb (eva.). Anna Smoljarowa (smol.), Luisa Schulz (ls.). Redaktionsadresse: [email protected] www.spzeitung.ru Telefon: 8-921-988-51-19 Der Petersburger Herold wird unterstützt von: So sah das Original des “St. Petersburger Herold” aus. Bild: Ausstellung “Deutsche in St. Petersburg”. damaligen Leitmedien im Westeuropäischen Raum stark beachtet und rege zitiert. In der liberalen, kritischen und politisch akzentuierten Tradition des “alten St. Petersburger Herold” finden wir unser Leitbild für unsere neue Zeitung. Der St. Petersburger Herold ist auch ein „MitmachPortal“ – sie können eigene Beiträge online Veröffentlichen. Wir bitten Sie von dieser Möglichkeit rege Ge- braucht zu machen. 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