Berenberg Magazin No. 15
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Berenberg Magazin No. 15
BERENBERG BERENBERG NO15 DAS M AGA Z I N F Ü R W I RTSC H AF T, G ES E L LSC H AF T & LE B E N SA RT DAS MAGAZIN FÜR WI RTSCH AFT, GESE LLSCHAFT & LEBENSART N 15 O 1 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 1 24.10.13 16:05 2 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 2 21.10.13 10:07 3 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 3 21.10.13 10:07 Porsche empfiehlt und Mehr unter www.porsche.de oder Tel. 01805 356 - 911, Fax - 912 (Festnetzpreis 14 ct/min; Mobilfunkpreise max. 42 ct/min). Es liegt in unserer Natur, alles beschleunigen zu wollen. Selbst den Fortschritt. Der neue Panamera S E-Hybrid. Emotion trifft Effizienz. In einem Plug-in-Hybrid mit einer Systemleistung von 306 kW (416 PS). Die neue Lithium-Ionen-Batterie kann extern aufgeladen werden und ermöglicht eine rein elektrische Reichweite von 36 km im NEFZ. Der Verbrauch: durchschnittlich 3,1 l/100 km. Ganz so, wie es sich für einen Technologieführer gehört. 4 Kraftstoffverbrauch (in l/100 km) kombiniert 3,1; CO2-Emissionen 71 g/km; Stromverbrauch kombiniert 16,2 kWh/100 km BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 4 23.10.13 10:46 Foto: Berenberg EDITORIAL Liebe Kunden, verehrte Freunde unseres Hauses, die Bundestagswahl ist vorüber, die Abgeordneten der Freien Demokraten haben ihre Sessel im Reichstag geräumt. Bis auf einen. Hermann Otto Solms behält sein Büro als ehemaliger Vizepräsident des Deutschen Bundestags noch vier Jahre. Werner Funk und Hans Peter Schütz sprachen mit dem FDP-Wirtschaftsexperten über Fehler der Vergangenheit und Chancen in der Zukunft. Wahre Abenteuer standen auch einer kleinen Gruppe Wagemutiger um Arved Fuchs bevor. Sie segelten auf den Spuren der Kabeljaufischer auf einem 80 Jahre alten Trawler entlang der norwegischen Küste zu den Lofoten – manchmal bei Windstärke zehn. Unser Autor Peter Sandmeyer und Fotograf Harald Schmitt schlossen sich der Truppe an. Wer es etwas komfortabler mag, dem sei Wien empfohlen. Die österreichische Hauptstadt bietet ein unvergleichliches Angebot an Geschichte und Kultur, Lebensart und kulinarischen Genüssen. Das richtige Ziel für ein langes Wochenende in der kühlen Jahreszeit. Beim Anvisieren des Ziels steht dem Golfprofi ein Mann zur Seite. Er läuft mit ihm zusammen über den Platz, trägt die schwere Tasche, reicht ihm den Schläger, säubert den Ball. Doch welche Bedeutung hat ein Caddie wirklich? Wie tief ist die Beziehung zwischen ihm und dem Star im Rampenlicht? Welchen Einfluss hat der Caddie auf die sportliche Leistung? Hans Borchert hat sich dem Thema genähert und kommt zu überraschenden Erkenntnissen. Viel Vergnügen bei der Lektüre von BERENBERG N° 15 ! Ihre 5 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 5 24.10.13 15:55 Inh Als einziger Freidemokrat verfügt Hermann Otto Solms noch über ein Büro im Reichstag – die Geschäfts ordnung gibt dem ehemali gen Vizepräsidenten des Bundestags dieses Privileg. Im Gespräch analysiert Solms die Fehler der Vergan genheit und die Aussichten in der Zukunft: „Wir haben eine faire Chance.“ 18 Eine Reise in die Finsternis Auf den Spuren der legen dären Kabeljaufischer aus dem 19. Jahrhundert segelte eine kleine Gruppe von Forschern und Abenteurern auf einem 32 STÄDTEREISEN POLITIK Brückenkopf der FDP ABENTEUER 10 Mehr als einen Trip wert Wie keine andere Stadt in Mitteleuropa übt Wien mit seinem unvergleichlichen Angebot von Geschichte und Lebensart, Museen, Musik ereignissen und Mehlspeisen 80 Jahre alten Trawler entlang eine unwiderstehliche Anzie der norwegischen Küste zu den hungskraft auf Connaisseure Lofoten – ein Bericht über das aller Länder aus – ein Bericht Verlassen der Komfortzone. aus einer Traumstadt. 6 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 6 25.10.13 14:33 halt MENSCHEN 40 Wie wird man ein Star? Karriereplanung von Kindheit an, wütend an die richtigen Türen treten und Sex-Appeal, unglaublicher Sex-Appeal: Scarlett Johansson zählt zu den gesuchtesten Stars des Jahrzehnts. Und ist auch noch ungewöhnlich gescheit. SPORT 52 Ein Paar unter Par Jeder Mensch wirft einen Schatten, der von Deutschlands bestem Golfer Martin Kaymer heißt Craig Connelly. Der Schotte ist sein Mann an der Tasche und ständiger Wegbegleiter bei allen Turnieren. Caddies sind eine Spezies für sich, und ihre Aufgaben gehen weit über das Tragen des Golfbags EDITION Albert Watson – Fotograf der Stars 8 POLITIK FDP-Schatzmeister Hermann Otto Solms über die Chancen seiner Partei ABENTEUER Auf den Spuren der Lofotenfischer STÄDTEREISEN Unwiderstehliches Wien 10 18 32 MENSCHEN Porträt Scarlett Johansson – ebenso sexy wie gescheit 40 T H E AT E R Hamburgs neue Schauspielhaus-Chefin Karin Beier SPORT Golf-Caddies – eine Spezies für sich hinaus. UHRMACHER Handwerk mit goldenem Boden 46 52 58 AUTOMOBILE Die neue Mercedes S-Klasse 62 BERENBERG NEWS Meldungen 64 IMPRESSUM Herausgeber: Berenberg Neuer Jungfernstieg 20, 20354 Hamburg; Projektleitung: Karsten Wehmeier; Redaktion: Dr. Werner Funk (v. i. S. d. P.); Emanuel Eckardt, Constanze Lemke, Farimah Justus Adresse: Dr. Werner Funk, Mittelweg 157, 20148 Hamburg; Lektorat: www.lektornet.de Anzeigen: Armin Roth, Telefon (040) 361 31-425, [email protected] Druck: NEEF + STUMME premium printing GmbH & Co. KG, Schillerstraße 2, 29378 Wittingen Repro: Allzeit Media Consult, 22767 Hamburg; Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion. Keine Gewähr für unverlangt eingesandte Manuskripte oder Fotomaterialien Titelfoto: Albert Watson „Sebastian in Issey Miyake“, 1989 Fotos Inhalt: Steffen Roth; Harald Schmitt, Peter Rigaud, ddp images/Camera Press, Dorothea Schmid 7 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 7 23.10.13 11:44 EDITION Watsons Welt Mick Jagger als Leopard, Kate Moss in Marokko, Alfred Hitchcock, Ziyi Zhang als Geisha, eine Reisegesellschaft im Straßenkreuzer und eine Schöne in Benin Der Fotograf Albert Watson ist ein überaus vielseitiger Künstler. Er porträtierte Hollywoodlegenden wie Jack Nicholson und Clint Eastwood, fotografierte den Boxer Mike Tyson oder Apple-Gründer Steve Jobs. Die Art, wie er die Filmschönheiten Angelina Jolie und Scarlett Johansson ins Bild setzte oder Musiker wie Sade, David Bowie und Marilyn Manson, ließ ihn selbst zur Legende werden. Watson hat sich nie auf einen Stil festgelegt, er ist ein Wanderer zwischen den Genres, der Cowboys beim „Calgary Stampede“ ebenso gern fotografierte wie die Königin von England, Alfred Hitchcock („Die Vögel“) mit einer gerupften Gans, Mick Jagger als Leopard oder Supermodel Kate Moss nackt in der Wüste Marokkos. Und doch ist jedes Bild von ihm unverkennbar und unverwechselbar ein echter Watson. Albert Watson, 1942 in Edinburgh in Schottland geboren, ist von Geburt an auf einem Auge blind. Er studierte Grafikdesign in Dundee, wechselte zum Filmstudium ans London Royal College of Art, zog 1970 in die USA und lebt heute in New York. Er führte Regie bei rund 650 Werbefilmen, schuf Filmplakate (unter anderem für „The Da Vinci Code“ oder „Kill Bill“) und zählt zu den Großmeistern der Modefotografie. Supermodels wie Naomi Campbell folgten ihm aufs Wort, er agierte in Tausenden Modeshootings hinter der Kamera, prägte das Erscheinungsbild der Marken Prada und Chanel. Sein Lebenswerk ist Kosmos in unendlich vielen Facetten: Stills oder bewegte Bilder, Porträts oder Reportagen, Werbefilme, inszenierte Szenen oder Milieustudien, Reisebilder aus Las Vegas oder Marrakesch, farbig oder schwarz-weiß. Watsons Bilder machen Auflage, zu seinen Bewunderern zählen Abermillionen Zeitschriftenleser und -leserinnen der Magazine „Rolling Stone“ oder „Vogue“, für die er einige Hundert Titel lieferte, aber auch Mohammed VI., König von Marokko, der ihn zum offiziellen Hoffotografen ernannte. Seine Fotografien sind Meisterwerke der Lichtregie und der Komposition, Gelegenheitsarbeiten, Auftragswerke, Markenartikelwerbung, von den Museen längst als Fotokunst erkannt. Seine Bilder wurden im Metropolitan Museum of Art in New York und in der National Portrait Gallery in London gezeigt, wanderten in einer spektakulären Einzelausstellung durch Europa (unter anderem in die Hamburger Deichtorhallen). Seine frühen Vintage-Abzüge, die er selbst in der Dunkelkammer ans Licht holte, sind heute viele Tausend Dollar wert, eine gut erhaltene der Titelseite von „GQ“ aus den 70er-Jahren kostet schon mal 600 Dollar. Die Branchen-Bibel „Photo District News“ kürte Albert Watson zu „einem der 20 einflussreichsten Fotografen aller Zeiten“. Porträtfoto: Gloria Rodríguez Albert Watson – Der Künstler mit der Kamera 8 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 8 24.10.13 13:59 Das zeigt auch sein Einsatz für ein Baumwollprojekt im westafrikanischen Benin. Dass Cotton Made in Africa einen ausgewiesenen Werbe- und Modefotografen darum bat, Baumwollpflanzer in Benin zu fotografieren, war ein mutiger Schritt. Die Initiative soll 420.000 Vertragsbauern in Westafrika zu nachhaltigem Anbau bewegen. Sie verleiht auch das gleichnamige Gütesiegel der Organisation Aid by Trade, 2005 gegründet von dem Hamburger Unternehmer Michael Otto. Der Auftrag war delikat. Allzu lange haben Fotografen den Schwarzen Kontinent wie Kolonialherren hinter der Kamera in Besitz genommen, die sich nicht für die Menschen und ihre Lebensverhältnisse interessierten, sondern für die fotogene Exotik unbekleideter Naturvölker. Watson begegnete ihnen mit Respekt. „Wir standen morgens um sechs auf, frühstückten, fuhren langsam über rumpelige Schotterpisten ins Land, und wenn ich etwas Interessantes sah, hielten wir an, und ich arbeitete bis in den Abend“, erzählt er. Zwei Wochen war er unterwegs und kam mit beeindruckenden Bilddokumenten zurück. Auf den Fotos sind Kleinbauern in ihrem Lebensumfeld zu sehen, authentische Porträts, anrührend in ihrer Würde und – bei Watson unvermeidlich – in ihrer Schönheit. Für Watson war es eine Pionierreise in fotografisches Neuland: Zum ersten Mal hat er digital fotografiert. EDITION NO 15 Albert Watson „Sebastian in Issey Miyake” (1989) 76 x 61 cm, Edition von 25, ab 6200 Euro (ungerahmt / inkl. MwSt.) Bezugsquelle: CAMERA WORK Photogalerie Kantstraße 149 D-10623 Berlin Tel.: +49 (0) 30/310077-45 Fax: +49 (0) 30/310077-50 http://www.camerawork.de 9 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 9 24.10.13 15:58 „Wir haben 10 HERRMAN OTTO SOLMS, Sie gelten derzeit als der wohl am wenigsten umstrittene Politiker Deutschlands, als rundum akzeptiertm wenigsten umstrittene Politiker Deutschlands, als rutene Politiker Deutschlands, a BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 10 24.10.13 14:10 POLITIK eine faire Chance“ Vor der Bundestagswahl ließen die hessischen Liberalen Her mann Otto Solms, der für sie von 1980 bis 2013 im Bundestag gesessen hatte, nicht mehr auf dem Spitzenplatz der Landes liste antreten. Daraufhin verzichtete Solms, der mit vollem Namen Hermann Otto Prinz zu SolmsHohensolmsLich heißt, darauf, noch einmal für die FDP anzutreten. Jetzt sitzt er nach dem Scheitern der FDP als einziger Liberaler doch noch im Bundestag: Als ehemaliger Bundestagsvizepräsident hat er für vier Jahre Anspruch auf Büroräume und Mitarbeiter. Ist die angepeilte parlamentarische Wiederkehr im Jahr 2017 tatsächlich ein realistisches Ziel? Herr Solms, lassen Sie uns mit der Schuldfrage beginnen. Warum ist die FDP nach mehr als 60 Jahren Bundestag bei der Bundestagswahl so kläglich gescheitert? Wir müssen uns auf unsere Ziele und unser Profil kon zentrieren. Wir dürfen uns nicht nach unserem Verhältnis zu anderen Parteien definieren. Sie wird eine schwere Aufgabe. Doch wir haben eine faire Chance. Wären Ihre Chancen besser, wenn es künftig eine schwarz-rote Koalition gibt? Ich glaube, dass das unerheblich ist. Warum? Wenn ich Ihre Frage mit einem Satz beantworten darf: Die FDP hat ihren Markenkern vernachlässigt, die Grund botschaften sind nicht mehr durchgedrungen. Müsste am Anfang der Ursachenforschung nicht eine detaillierte Fehleranalyse stehen? Wir haben sie von der FDP bisher nicht gehört! Hat sie in der FDP-Führung denn bisher nicht stattgefunden? Und ist sie vielleicht mit Ihrer Analyse identisch? Nachdem der alte Vorstand zurückgetreten ist, muss die Partei eine neue Führung wählen. Diese wird eine gründliche Analyse vornehmen – mit dem Ziel, die FDP wieder auf ihre Kernbotschaften auszurichten: Schutz der Bürgerrechte, Chancengerechtigkeit in der Bildung und Durchsetzung der Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft. Zu Christian Lindner als neuem Vorsitzenden sehe ich gegenwärtig keine Alternative. Die politische Wiederbelebung der FDP hat der künftige FDP-Vorsitzende Lindner einmal als so schwierig bezeichnet wie die Besteigung des Mount Everest barfuß und ohne Sauerstoffmaske. Ist das wirklich so dramatisch? Das ist jetzt für uns wirklich etwas Neues. Wir wissen noch nicht, wie sich das gestalten lässt, wenn man außerhalb der parlamentarischen Szene agiert. Und wann wollen Sie oben sein? Das Projekt heißt: Wiederaufstieg 2017. Und dass wir es in diesen vier Jahren schwer haben, überhaupt politisch sichtbar zu bleiben, ist eines der zu lösenden Probleme. Wer ist der Hauptschuldige am Scheitern der FDP, Guido Westerwelle? Oder muss man da weiter zurück in der Parteigeschichte, etwa bis zu Hans-Dietrich Genscher oder Otto Graf Lambsdorff? Ich will nicht über die Schuld Einzelner reden. Schuld tragen alle. Jeder hat seinen Teil beigetragen, der da mitgewirkt hat. Ich werfe mir selbst vor, meine häufig abweichende Meinung nicht deutlicher vorgetragen zu haben. Sie haben vor der Wahl 2009 ein schlüssiges Steuerkonzept ausgearbeitet, in das Sie viel Zeit investiert haben. Allerdings ist das Konzept dann irgendwie verschwunden. Wenn Sie in den Koalitionsvertrag von 2009 schauen, dann werden Sie feststellen, dass die Elemente dieses Steuer papiers drinstehen. Das haben wir so vereinbart. Aber es ist nicht realisiert worden. Warum nicht? Die Union und Finanzminister Schäuble haben es einfach nicht gemacht. Konnten Sie denn keinen Druck auf die CDU/CSU ausüben, gerade in diesem politischen Kernbereich der FDP? Ich kann nur sagen, es ist nicht umgesetzt worden. Ich war schließlich nicht in der Regierung. Und wir stellten nicht den Finanzminister. Eigentlich war das Finanzministerium doch Ihr politisches Lebensziel. 11 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 11 24.10.13 14:10 POLITIK „Es war ein Fehler der FDP, vor der Bundestagswahl Ihr Parteifreund Kubicki hat vor etlichen Monaten – lange vor der Bundestagswahl – gesagt, die FDP „hat als Marke generell verschissen“. Sie selbst sind auch dieser Meinung … Das ist das, was ich mit der Vernachlässigung des Markenkerns der FDP meine. Wie kann man dann einen besseren Markenkern auf bauen und so formulieren, dass er in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Mir ging es nicht um den Ministerposten. Mir ging es darum, einer allzu komplizierten wirtschafts- und arbeitsfeindlichen Gesetzgebung im Steuerbereich etwas Einfaches, Verständliches und Wachstumsfreundliches entgegenzusetzen. Das ist schwierig, aber machbar. Ich wollte zeigen und habe gezeigt, dass es geht. Ich hatte die Hoffnung, dass es in der schwarz-gelben Koalition gelingen würde. Aber die Bereitschaft in der Union war dazu nicht vorhanden. Welche konkreten Fehler hat Philipp Rösler in der Koa lition gemacht? Dass er kein kollegiales Miteinander an der Parteispitze geschafft hat? In der FDP hört man jetzt, dass die Abstimmung der beiden Teams um Rösler und Brüderle schlecht, ja letztlich feindselig war. Rösler sei immer wieder als „Fippsie“ verspottet worden. Stimmt das? Ich kann das aus meiner Sicht nicht bestätigen. Das sind doch nur Parolen aus der zweiten Reihe. Die wahren Gründe für das Scheitern liegen tiefer. Wie sinnvoll war es in Ihren Augen, die Zukunft der FDP auf den politischen Oldie Brüderle zu setzen? Es war ja zu sehen, dass es die junge Truppe nicht schafft. Deswegen wollte man sie ergänzen durch einen älteren, angesehenen, erfahrenen Politiker. Aber das ist jetzt doch kein Grund, Rainer Brüderle zum Hauptschuldigen zu machen. Er hat mit voller Kraft und unter körperlichen Schmerzen gekämpft. An ihm lag es nicht. Die erste Reaktion in der Öffentlichkeit ist doch, dass viele sagen, jetzt wird uns die liberale Stimme fehlen. Die einen, weil sie sie positiv vermissen, die anderen, weil sie die FDP gern weiterhin als Gegner hätten. Es wird sich dann herausstellen, ob die anderen Parteien die Lücke, die die FDP hinterlässt, schließen können oder ob nicht die Linksdrift der CDU dazu führt, dass die von der FDP hinterlassene Lücke noch größer wird. Dann wird man sich nach der FDP zurücksehnen. Am Abend der Bundestagswahl war eines überdeutlich: Bei allen Parteien – von links bis rechts – war die Häme, die Schadenfreude über das Scheitern der FDP außerordentlich ausgeprägt. Wie erklären Sie das, warum waren die alle so froh, dass die FDP aus dem Bundestag weg war? Ich fand das primitiv und charakterlos. Aber es hat wohl damit etwas zu tun, dass die FDP über Jahrzehnte der Schlüssel zur Macht war. Das war für die anderen Parteien lästig. Nur dass die FDP Positionen vertrat, die für die Mittelschicht der Gesellschaft existenziell sind, das wird sich jetzt erst im Laufe der nächsten Monate und Jahre herausstellen. Vielleicht hätten zum Schluss Sie keine Zweitstimmen kampagne machen sollen? War sie ein Fehler? Sie kam bei den Wählern ja überhaupt nicht an. Sie war jedenfalls nicht erfolgreich. Darüber hinaus war es ein Fehler der FDP, die bayerische Landtagswahl nur eine Woche vor der Bundestagswahl zuzulassen. Weil die FDP in Bayern traditionell schwach ist? Ja. Und dann hat die Union Angst gehabt, mit Blick zurück auf die vorangegangene Niedersachsenwahl. Deshalb hat sie einen massiven Angriff auf die Zweitstimmenkampagne der FDP inszeniert. Das hat uns dann die Niederlage bei der Bundestagswahl eingebracht. 12 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 12 24.10.13 14:13 die bayerische Landtagswahl nur eine Woche zuzulassen“ Ist der Untergang der FDP nicht eher damit zu erklären, dass sie sich vor allem als die Partei der Besserverdienenden präsentiert hat? Dieser, schon damals unberechtigte Vorwurf, stammt aus den 90er-Jahren. Wahr ist, dass heute statistisch erwiesen die Grünen die Partei der Besserverdienenden sind. Für unsere Niederlage gibt es viele Ursachen, die man diskutieren muss. Vier Jahre vorher, im Jahr 2009, als wir so erfolgreich waren wie nie zuvor, ist uns vorgeworfen worden, wir hätten uns verengt auf eine Ein-Thema-Partei. Aber das hat uns den großen Erfolg 2009 gebracht. Wenn man sein Thema vernachlässigt, bleibt der Erfolg aus. Wie man heute sieht. Die Grünen haben ihre Existenz mit dem Thema Umweltpolitik begründet und damit gut gelebt. Jetzt haben sie sich in dieser Wahl auf das Spielfeld der anderen begeben, haben bei der Finanz- und Steuerpolitik mit sozialistischen Steuererhöhungen die SPD links überholen wollen und damit ihr Kernthema vernachlässigt. Dafür sind sie bestraft worden. Muss die FDP zurückfinden zu einem Reformlibera lismus, der auch soziale Dimensionen kennt? Die FDP ist die Partei der sozialen Marktwirtschaft. Die soziale Komponente ist unverzichtbarer Teil dieses Konzepts. Wir sehen unsere Hauptaufgabe dabei in Ist die Berufung von Nicola Beer zur FDPGeneralsekre tärin ein Signal dafür, dass in der FDP wieder eine Bildungs politik diskutiert wird, die im Alltag funktioniert? Chancengerechtigkeit und Ausbildung spielen auch künftig eine zentrale Rolle in der FDP. Ich kenne Frau Beer, die wie ich aus Hessen kommt, sehr gut. Sie ist eine gescheite Frau, gut ausgebildet, am Anfang arbeitete sie in der Rechtspolitik, dann war sie Staatssekretärin für Europafragen, hat sich dabei in die europäische Problematik sehr gut eingearbeitet, ist jetzt Kultusministerin. Sie hat in diesem Amt einen neuen Anfang durchgesetzt: nämlich den Schulen mehr Eigenständigkeit beim Unterricht zu geben. Hat die FDP im Wahlkampf vielleicht einen zu euro skeptischen Kurs gefahren, etwa über die Rolle des sehr eurokritischen Abgeordneten Frank Schäffler? Und dadurch der Alternative für Deutschland (AfD) Wähler zugetrieben, die sonst vielleicht FDP gewählt hätten? der Schaffung von Arbeitsplätzen. Das ermöglicht den betroffenen Menschen, ohne soziale Bevormundung ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Wer allerdings unverschuldet in Not gerät, muss sich auf den Sozialstaat verlassen können. Das ist ein ganz schwieriges Thema. Weil hier ökonomischer Sachverstand den politischen Zielsetzungen gelegentlich entgegensteht. Ökonomisch sind die Argumente vom AfD-Vorsitzenden Lucke häufig richtig. Aber in Europa geht es um mehr. Man kann die europäische Zusammenarbeit mit dem Ziel einer friedensstiftenden Wirkung nicht aufrechnen gegen diese ökonomischen Argumente. Deswegen hat der Kollege Frank Schäffler einen Mitgliederentscheid angestrengt. Und das ist schließlich ein Weg der demokratischen Willensbildung. Und dazu gehört, wenn das Parteivolk gesprochen hat, der Souverän in der Partei, dass sich dann die unterlegene Seite der gewinnenden Seite fügt. Das haben in dieser Frage die Unterlegenen 13 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 13 24.10.13 14:13 POLITIK „Wir brauchen eine anerkannte Führung der Partei im nicht getan. Und das hat der FDP geschadet, wie man am Wahlergebnis sieht. keiner – weder in den Wahlprogrammen noch in ihrem Auf treten nach der Wahl. Ist es nicht ein sehr guter Ratschlag, den Lindner der Partei gegeben hat mit dem Gedanken, die FDP dürfe sich nicht mehr so eng an die CDU binden wie in der Vergangenheit? Und sie müsse auch mehr gesellschaftliche Sensibilität zeigen. Kurz: Muss die neue FDP nicht deutlich auf Distanz gehen zur eigenen schwarzgelben Vergangenheit, in der sie nur ein Anhängsel der Frau FDP Wahlplakate 1957, 1972, 1976, 2002 Merkel war? Frank Schäffler, des sen ökonomische Ar gumente ich häufig teile, sollte mit uns gemeinsam daran arbeiten, dass die Risiken für Finanzkri sen im Euroraum ab gebaut werden. Das heißt: Langfristig müssen Stabilitätspakt und Nobailout Gebot wieder gelten. Gemeinschaftshaftung für die Schul den der Eurostaaten – wie bei Eurobonds – darf es nicht geben. Aber auf dem Weg dorthin sind Hilfen über den ESM von stabilisierender Wirkung, wenn sie gegen strikte Auf lagen freigegeben werden. Droht die Gefahr, dass die Grünen das verbliebene Marktsegment im Bundestag übernehmen? Bei den Grünen heißt es bereits: „Wir Grünen müssen wieder die Partei der Freiheit werden.“ Das „Wieder“ ist ganz schön frech, weil sie das ja nie wa ren. Diese Drohung ist nicht glaubwürdig. Und die Gefahr, dass sie die Rolle der wirtschaftsnahen Partei übernehmen, ebensowenig – im Gegenteil: Sie haben ja bereits die Sozial demokraten bei Forderungen nach Staatseingriffen, Gebo ten, Verboten und anderen Zumutungen weit überholt. Aber die Tatsache, dass die FDP nicht fähig war, die Freiräume der Bürger ausreichend zu verteidigen, können die Grünen als Chance sehen, die Rolle der Liberalen zu übernehmen, ihre Positionen besetzen und damit die Wiederbelebung der FDP sehr erschweren? Jede Partei möchte doch ein möglichst großes Stück vom Fell der erlegten FDP haben. Da müssten die anderen Parteien erst einmal diese libe ralen Positionen der FDP vertreten. Das sehe ich aber bei Wie ich schon sagte: Wir dürfen uns nicht im Verhältnis zu anderen Parteien de finieren. Soweit wir das getan haben, müssen wir uns davon lösen. Wir müssen als unabhängige Kraft mit unseren Bot schaften antreten. Was soll man denn unter dem Begriff des „mitfühlenden Liberalismus“ verstehen, von dem Lindner häufig redet? Dieser Begriff ist in der Vergangenheit einmal aufgetaucht. Von mir stammt er nicht. Und ich kann damit auch nicht sehr viel anfangen. Die anderen Parteien glauben, ihre Politik sei umso sozialer, je höher ihre Sozialausgaben sind. Wir sagen, Politik ist umso sozialer, je niedriger sie sind. Denn wir wollen, dass möglichst wenige Menschen in die Abhängigkeit von sozialen Zuwendungen geraten. Wir kon zentrieren uns darauf, dass der Markt ihnen Arbeit und Brot und Arbeitsplätze verschafft, weil sie dann nicht mehr von sozialen Zuwendungen abhängig sind. Man kann bei ande ren Parteien den Eindruck haben, es sei ihr Wunsch, dass die Menschen von sozialen Zuwendungen leben, weil sie dann von ihnen als Zuwendungsgebern abhängig bleiben. Ist das das neue, große liberale Thema der FDP? Eindeutig ja. Denn die Bürger sind umso freier, je selbst bestimmter und unabhängiger sie agieren können. Wolfgang Kubicki hat Herrn Lindner schon einmal als ein „Juwel der Partei“ bezeichnet. Sehen Sie das auch so? Fotos: dpa PictureAlliance, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Deutsches Historisches Museum Rund 430.000 frühere FDP-Wähler sind zur AfD übergelaufen. Welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen. Schäffler aus der FDP rauswerfen? Hans-Dietrich Genscher hat den Austritt oder Ausschluss Schäfflers aus der FDP bereits nahegelegt. 14 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 14 24.10.13 14:16 Bund und eine bessere in einigen Ländern“ Immerhin hat er als Generalsekretär der FDP schon einmal hingeschmissen … Bei seiner Kündigung als Generalsekretär gab es unter schiedliche Meinungen über den Kurs der FDP. Und da war es ein Akt der Ehrlichkeit, das Amt abzugeben und nicht weiterzumachen. Nirgendwo ist der Abstieg der FDP deutlicher geworden als in dem bisher so starken FDP-Landesverband BadenWürttemberg. Lag das am FDP-Spitzenkandidaten Dirk Niebel? Der hat von sich sogar geglaubt, er sei der geborene nächste FDP-Vorsitzende. Nein, das liegt an der latenten Führungskrise, die dort schon seit vielen Jahren herrscht. Auch das ist ein Hinweis für die künftige Führung der Partei im Bund. Wir brauchen eine aner kannte Führung der Partei im Bund und eine bessere in eini gen Ländern. Nur dann können wir wieder erfolgreich sein. Er hätte damals ja auch seinen Hut in den Ring werfen können. Er sei zu jung, hat er damals gesagt. Jetzt, zwei Jahre später, ist er nicht mehr zu jung? Er hat sich damals für zu jung gehalten. Es ist gleichgültig, ob er es war oder nicht. Er hat da mals konsequent gehandelt. Werden Sie noch einmal das Amt des FDP-Bundesschatzmeisters übernehmen, das Ihnen Lindner angetragen hat? Er hat es mir angeboten, und ich bin bereit, das Amt an zunehmen, wenn die Voraussetzungen stimmen. Es ist eine schwierige Aufgabe, aber sie ist machbar. Haben Sie Lust auf diesen Job? Lust habe ich keine. Aber ich sehe natürlich auch, dass sta bile Parteifinanzen ein wichtiger Faktor sind, um das Vertrau en in die Zukunftsfähigkeit der Partei zurückzugewinnen. Sie dienen einer Partei, die Sie persönlich nicht mehr für den Bundestag kandidieren lassen wollte … Ich diene doch nicht der Partei, ich diene der Durchsetzung der liberalen Idee. Und diese Durchsetzung braucht eine liberale Partei, auch wenn ich nicht immer mit ihr einver standen bin. Das ist in jeder Partei so. Wären Sie damit einverstanden, wenn Kubicki Stellvertretender Parteichef wird, nachdem die Generalsekretärin Frau Beer geworden ist? Ich fände es sehr gut, wenn Wolfgang Kubicki dies würde. Er ist jedenfalls eine authentische Persönlichkeit. Die Men schen wollen in der Politik solche Persönlichkeiten, an denen sie sich orientieren können, weil die Entscheidungen in der Sache oft kompliziert und schwer verständlich sind. Warum ist die FDP zu einer Partei verkümmert, mit der sich die Menschen nicht mehr identifizieren wollten? Weil der nichts Besseres mehr einfiel, als Steuergeschenke an Hoteliers zu verteilen. Obwohl die Idee von der CSU stammte, haben die Medien sie uns angerechnet. Sie konnte uns aber auch angerech net werden, weil wir nicht entschieden dagegen aufgetre ten sind. Im Übrigen stand das auch völlig im Widerspruch zu den steuerpolitischen Ideen, die die Partei auf meinen Vorschlag hin verabschiedet hatte: ein einfaches Steuer recht ohne Ausnahmen. Unsere letzte Frage: Wissen Sie, wer einmal gesagt hat: „Die Idee des Liberalismus muss erst wieder neu erarbeitet werden. Sie hat im Lauf der Zeit so viel an Klarheit, Schärfe und Magnetismus verloren, dass sie erst wieder wie neues Tageslicht vor der Bevölkerung aufsteigen muss.“ Friedrich Naumann. Und wann war das? Anfang des Jahrhunderts. letzten Wir danken Ihnen für dieses Gespräch. DAS GESPRÄCH FÜHRTEN HANS PETER SCHÜTZ UND WERNER FUNK | FOTOS: STEFFEN ROTH 15 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 15 24.10.13 14:14 Erste Klasse. Fünf Sterne. Siebter Himmel. Was Sie wünschen, steht an erster Stelle: die Lufthansa First Class 16 lufthansa.com BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 16 21.10.13 13:22 Erleben Sie die First Class unter den ersten Klassen: Entspannen Sie im exklusiven Ambiente unserer Lounge, lassen Sie sich in der Limousine zum Flieger bringen, genießen Sie Sterneküche über den Wolken – und Sie werden verstehen, warum die Lufthansa First Class im PassagierRating von Skytrax die Bestnote von Fünf Sternen erhalten hat. 17 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 17 21.10.13 13:22 RU A BE BN RT I KE U E R ... MANCHMAL KÖNNTE EINEM BANGE WERDEN Jahrhundertelang kreuzten Fischer im Januar die norwegische Küste hinauf, um vor den Lofoten arktischen Kabeljau zu fischen, das Gold des Meeres. Arved Fuchs und seine Crew segelten auf ihren Spuren – manchmal bei Windstärke zehn 18 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 18 21.10.13 13:25 D er deutsche Standardsarg ist zwei Meter lang, 70 Zentimeter breit und 65 Zentimeter hoch. Meiner Koje fehlen in jeder Richtung 15 Zentimeter. Hätte ich etwas Humusduft in der Nase, könnte ich hier trotzdem ein ziemlich authentisches Gefühl dafür entwickeln, wie ich die nächsten Jahrhunderte verbringen werde. Doch zum Gefühl der ewigen Ruhe passt das sägende Geräusch 60 Zentimeter über meinem Kopf nicht. Arved Fuchs schnarcht. Der Sound des Abenteuers. Wir beide liegen an Backbord. An Steuerbord, auf der gegenüberliegenden Seite unserer anderthalb Quadratmeter 19 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 19 21.10.13 13:25 ABENTEUER Lang ist die Fahrt die norwegische Küste hinauf, es gibt viel Wind, Schnee und schlechte Sicht, aber auch klare Tage und Flaute. Die Crew nutzt sie für einen Imbiss an Deck und zum Angeln. Wegen der frühen Dunkelheit muss der Fang bei Stirnlicht zerlegt werden kleinen Vorschiffkajüte, schlafen Harald und Bernhard, der Fotograf und der Koch. Ein paar Meter hinter uns, in der Kajüte mittschiffs, befinden sich weitere sechs Kojen sowie der große Esstisch, der Herd und ein stattlicher Ofen. Auch bei uns vorn bollert es Tag und Nacht. Die Öfen sind wichtig. Draußen ist es eiskalt. Es ist Anfang Januar, und wir sind vor der Küste Norwegens – zehn Mann auf einem 82 Jahre alten Schiff aus Holz von 18 Meter Rumpflänge, das nach Norden segelt. Ziel: die Lofoten. Beim frostigen Aufbruch am 28. Dezember in Flensburg rutschten den Hafenguckern vor lauter Kopfschütteln die Prinz-HeinrichMützen vom Schädel. Warum tun wir das? Weil wir fasziniert sind von einem besonderen Kapitel europäischer Seefahrtsgeschichte und es nacherleben wollen. Es hat zu tun mit einem spektakulären Naturphänomen. Jedes Jahr im frühen Frühjahr ziehen gewaltige Kabeljauschwärme aus der eisigen Barentssee zu den wärmeren Gewässern der Lofoten, die noch von einem Ausläufer des Golfstroms erreicht werden, um dort zu laichen. In solcher Menge versammelt sich der Kabeljau dort, so sagt eine alte norwegische Quelle, „dass ein Eisenstein, der gut 6 ½ Pfund auf die Waage bringt, an eine Schnur gebunden nicht auf den Grund kommt, so dicht stehen die Fische“. Und deswegen machten sich jedes Jahr gleich nach Weihnachten seit Jahrhunderten überall an der norwegischen Küste die Fischer auf den Weg nach Norden, um bei der großen Ernte auf dem Meer dabei zu sein. E s war wie ein Goldrausch, der allerorten ausbrach. Socken wurden gestrickt, Pullover gestopft, Stiefel geteert und „Lofotkisten“ mit Hartbrot, Butter, Käse, Pökelfleisch und Wurst gepackt. Dann stellten die Männer in ihren großen offenen Booten aus geklinkerten Planken einen Mast auf, hissten das Segel und fuhren los. Tage-, manchmal wochenlang waren sie unterwegs, bei Sturm, Nebel und Schnee. Sie schliefen in einem engen Verschlag achtern auf dem Boot oder unter dem Segel, sie bekamen tagelang nichts Warmes zu essen und wurden immer wieder bis auf die Haut durchnässt von Wasser, das dann gefror. Aber sie hielten durch, weil Armut sie antrieb und die Hoffnung, am Ende der Fangsaison die Schulden beim Dorfkrämer bezahlen zu können und vielleicht sogar noch etwas übrig zu behalten. Es ist eine Geschichte har- 20 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 20 21.10.13 13:26 21 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 21 24.10.13 14:25 ABENTEUER Blaue Stunde auf dem Westfjord. Das Festland bleibt zurück, voraus liegen die Lofoten ten Kampfes und stillen Heldentums, die der norwegische Schriftsteller Johan Bojer in seinem Roman „Die Lofot fischer“ Anfang des 20. Jahrhunderts ebenso authentisch wie fesselnd erzählt hat. Gemessen an den Bedingungen, unter denen die Lofot fischer damals fuhren, haben wir es luxuriös. Unter Deck haben wir immerhin ein Dach über dem Kopf und einen warmen Ofen vor den Füßen. Außerdem hat jeder seine eigene Koje, seinen Rückzugsplatz, den er mit einer Schiebe klappe nach außen verschließen kann. Die „Dagmar Aaen“, das Expeditionsschiff von Arved Fuchs, ist ein dänischer Segelkutter, der früher von Esbjerg aus auf Fangreise in die Nordsee und den Nordatlantik ging. Segel, Maschine, Elek trik und Elektronik wurden modernisiert, doch der Kom fort unter Deck ist im Originalzustand erhalten. Es gibt zwei enge Klos, aber weder Dusche noch Waschmaschine. Wer mitfährt, weiß, dass er unterwegs viel für den Erhalt des natürlichen Säureschutzmantels seiner Haut tun wird. Warmduscher und olfaktorische Sensibilisten sind fehl am Platz. „Es rauscht wie Freiheit. Es riecht wie Welt“, reimte Joachim Ringelnatz in seiner Hymne auf Segelschiffe. Auf dieser Reise rauscht es eher wie volle Regenrinne, und es riecht wie nasse Socke. Segeln kann sich ziehen. Das Skagerrak ist starkwindig und schauervoll. Nach zehn Tagen haben wir gerade mal Bergen erreicht, Metropole des Regens – an 243 Tagen pro Jahr prasselt er auf die Stadt – und früher der wichtigste Außenposten der deutschen Hanse. Hier wurden der Kabel jau in Form von Stockfisch und Lebertran umgeschlagen und zu viel Geld gemacht. Die Pfeffersäcke verdienten am Fisch besser als die Fischer. Als Bergen hinter uns liegt, liegt vor uns eine lange Fahrt durch die norwegischen Fjorde. Sie sind vorbildlich bestückt mit Tonnen und Leuchtfeuern aller Art, außerdem zeigt uns die elektronische Seekarte jederzeit, wo wir sind und wo wir hinmüssen. Und dann gibt es auch noch das „Automatic Identification System“, kurz AIS, das jedes Schiff, das uns begegnet oder uns überholen will, mit seinem Namen, seinem Kurs und seiner Geschwindigkeit in die Seekarte einblendet. Analog dazu werden auch wir auf der Brücke des anderen Schiffs wahrgenommen. Das ist beruhigend, denn das Fahr wasser schlägt immer wieder plötzliche Haken, sodass man an Deck erst im letzten Moment erkennt, wo es weitergeht und wer uns entgegenkommt. Manchmal werden die Fjorde so eng, dass einem bange werden könnte, links und rechts himmelstürmende Wände aus glattem Granit und dazwi schen wie eingeklemmt klein und rot unser Schiff. Es ist unvorstellbar, wie sie sich früher ohne Radar, GPS und alle unsere modernen Hilfsmittel in diesem Gewirr von Fjorden, Fahrwasserverzweigungen, Buchten, Schären und Inseln zurechtgefunden haben, in dem sich auch noch die Strö mungen mit den Gezeiten ständig verändern. Nach Sicht? Aber 20 Stunden am Tag ist es Nacht! Und dazu haben wir noch Neumond. Der Himmel ist dunkel, das Land schwarz, das Wasser grau, wir fahren die meiste Zeit durch Dun kelheit, Düsterkeit und Finsternis – Gerhard Richter hätte seine Freude. D och die vier Stunden Licht pro Tag sind eine Sensation. Zuerst bildet sich über dem dunklen Massiv der Berge im Osten ein schwacher rötli cher Schein, ein Scheinchen, möchte man sagen, so zart ist er. Aber dann verbreitert sich der Streifen, spendet Licht, schließlich so viel, dass sich die Silhouetten der Schä ren schwarz aus dem dunklen Wasser schälen, die Sterne verblassen; das Meer und die Felsen nehmen Farbe an. Die Sonne bleibt verborgen hinter den Bergen, doch sie füllt den östlichen Himmel jetzt mit einer Essenz von Morgenlicht. Es ist wie Genesis in Zeitlupe: „Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.“ 22 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 22 24.10.13 14:32 Außer Sonnenauf- und Sonnenuntergang, die man beide nicht sehen kann, passiert nicht viel. Vier Stunden Wache, vier Stunden Freiwache, der Rhythmus des Bordlebens. Man zieht das Ölzeug an, starrt in die Dunkelheit, sucht die nächste Tonne, achtet auf Kurs und Karte, verfolgt über AIS die anderen Schiffe. Es sind wenige. Dann die Freiwache. Man schläft, liest, spielt Karten; Bernhard bereitet das Essen vor, heute „Spirelli à la Bernàrd“ mit scharfer Sahnesoße; Fabian, gelernter Konditor, backt ein Brot, was schon wegen des wunderbaren Dufts, der plötzlich unter Deck den üblichen Mief vertreibt, für allgemeine Freude sorgt. Das Leben an Bord hat seinen eigenen Pulsschlag. Die Zeit vergeht eigentlich nicht, sie ist aufgehoben. Man könnte die Tage an Bord der „Dagmar Aaen“ ereignisarm nennen. Aber keiner empfindet es so. Vielleicht ist es auch gerade das Fehlen der Ereignisse, die sonst das Leben bestimmen, das zu einer anderen Art von Ereignis wird. Reduktion als Sensation – viele Segler kennen dieses Gefühl. Mit dem 66. Breitengrad nähern wir uns dem Polarkreis, ein kräftiges Hoch bestimmt inzwischen das Wetter, es ist eisig, und morgens überzieht eine feine, aber gemeine Eisschicht das Deck. Wir rutschen herum wie Statisten bei „Holiday on Ice“, verteilen Streusalz und kratzen den Kompass frei. Beides nützt nicht viel. Kräftiger südöstlicher Wind drischt Wellen gegen den Rumpf, die sich klatschend in Gischtfontänen verwandeln und dann als Sprühregen niedergehen. Überall bilden sich Rutschbahnen und Eiszapfen – auf dem Deck, an den Niedergängen, an Strecktauen, Seereling, Fendern, Ankerspill. Es sieht malerisch aus, aber wer einmal versucht hat, mit gefrorenem Tauwerk einen Palstek zu formen, pfeift auf die Schönheit und flucht über den Frost. Der Dauerfrost hat noch eine weitere unangenehme Folge: Die Teermasse, mit der die Deckplanken verfugt sind, wird hart und brüchig, sie bröselt unter unseren Schritten. Jeden Tag muss das Deck jetzt sorgfältig gefegt und der schwarze Staub beseitigt werden, sonst tragen wir ihn in die Kajüten und schleppen ihn in die Kojen. Die Wachen werden unangenehm, besonders die „Hundewache“ von Mitternacht bis vier Uhr. Vier Stunden Kälte und Nässe sind gefühlte acht Stunden, und mit erstarrten Fingern und Füßen kann man locker noch einmal zwei dazurechnen. Die Füße schützen wir mit dick gefütterten Polarstiefeln, die für weit grimmigere Temperaturen geschaffen sind und daher ihre Aufgabe ziemlich souverän erfüllen. Mit den Händen ist es schon schwieriger. Denn bei den notwendigen Arbeiten an Deck kann man unmöglich dicke Stulpen tragen. Die Kleidung besteht aus diversen Schichten Funktionsunterwäsche, Fleecejacken und -hosen sowie Daunenwesten und Segelbekleidung. Mehr geht nicht, sonst kann man sich nicht bewegen. M ehr ließe sich auch in den engen Kajüten gar nicht unterbringen. Der Platz ist knapper als beengt. Wenn sich beim spärlichen Kajütlicht um sieben Uhr morgens die vier Männer im Vorschiff aus ihren Kojen winden und auf engstem Raum mehrere Schichten Kleidung, dicke Socken und Stiefel anziehen, lässt sich auf den ersten Blick schwer herausfinden, wer in diesem Knäuel zu welchem Namen gehört. Alle haben verfilzte Haare auf dem Kopf, Bärte oder Bartstoppeln im Gesicht und einen unterdrückten Fluch auf den Lippen, weil auch der dritte Versuch, auf einem Fuß stehend den Stiefel über den anderen Fuß zu ziehen, wegen des Seegangs wieder fehlgeschlagen ist und sich beim Umkippen gegen die Wand zu den blauen Flecken an der Schulter ein weiterer gesellt hat. Ein solcher Tagesbeginn verlangt von den Beteiligten nicht nur Selbstdisziplin und Rücksichtnahme, sondern auch die Fähigkeit zu viel vorsätzlichem Humor. In Bodø haben wir den Polarkreis hinter uns und den Westfjord vor uns, eigentlich eine zum Nordatlantik hin 23 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 23 21.10.13 13:28 ABENTEUER „Happy Birthday!“ Steuermann Volker hat Geburtstag, die Crew weckt ihn mit einem Ständchen. Auf dem Frühstückstisch prangt eine selbst gebackene Torte offene, große Bucht, berüchtigt und gefürchtet. Sie ist die letzte große Hürde, die genommen werden musste, bevor die Fischer die Inseln der Lofotenkette und ihre Fang gründe erreichten. Mit seiner moderaten Wassertemperatur von sechs Grad lockt der Westfjord die Kabeljauschwärme an, er ist einer der fruchtbarsten Äcker des Meeres, aber er ist auch ein Massenmörder. Im Februar 1848 raubte er beispielsweise in einer einzigen Nacht 500 Fischern das Leben. Es sind die jähen Wetterwechsel, die den Fjord so unberechenbar machen. Stürme entwickeln sich plötzlich und unvermittelt. Warmes und kaltes Meerwasser prallt aufeinander und lässt undurchdringliche Nebelbänke ent stehen Heftige Weststürme türmen die Wogen zu mörderi schen Höhen auf. Die Wellen, steil und tückisch, laufen auf die Küste zu und explodieren dort an Klippen und Untie fen. Wehe dem Schiff, das sich von ihnen nicht freihalten kann. Der Westfjord ist ein Seerevier, vor dem man auch heute noch größten Respekt hat und deswegen den Wetter bericht lieber von zwei Stationen abhört. Das tun wir. Ergebnis: Gleich morgen haben wir die besten Aussichten, danach ist ein schweres Sturmtief im Anzug. Also los. Es ist ein Erlebnis der besonderen Art, an einem Januar sonntag morgens um sieben Uhr in einen winterklaren Sternenhimmel hineinzusegeln. Kurz nach zehn geht die Sonne auf, verharrt knapp über dem Horizont und färbt das Meer blutrot. Und gegen Mittag steigt dann aus diesem ro ten Meer vor uns die Zackenlinie einer gewaltigen weißen Wand auf – die Kette der Lofotenberge, steil aus dem At lantik aufragend, fast 200 Kilometer lang, 1000 Meter hoch, durchzogen von spitzen Gipfeln, scharfen Graten, Zinnen und Bastionen, eine Skulptur, deren Imposanz den Atem stocken lässt. Und je näher wir kommen, desto beeindru ckender wird dieses Joint Venture aus Bergen und Ozean, das wirkt, als seien die Alpentäler geflutet und nur noch die Gipfel ragten aus dem Meer. Es ist schon lange wieder dunkel, als wir die Küste erreichen, uns noch ein Stück nach Nordosten tasten und dann auf die Ansteuerungstonne des Hafens von Henningsvær zuhalten, einem der klassischen Fischerplätze der Inseln. Es wird Zeit, in den Hafen zu kommen. Der Wind hat bedrohlich aufgefrischt. Und noch vor dem traditionellen Bier nach dem Festmachen fallen die ersten Schneeflocken. Wenn die Fischer der alten Zeit an ihren Fangplätzen angekommen waren, nahmen sie den Mast von Bord ihrer Boote; gefischt wurde mit Rudern. Sie bezogen ein „Ror buer“, wörtlich und auch ziemlich zutreffend übersetzt 24 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 24 24.10.13 14:40 Vier Fälle von Kabeljau Im Aquarium von Ålesund füttert sie ein Taucher. Auf einem Holzgerüst in Henningsvær trocknen ihre Köpfe. Auf dem Fischmarkt von Bergen warten sie auf Käufer. Im Speicher von Ragnar Riksheim lagern sie gedörrt und fertig für den Export nach Afrika mit „Ruderer-Bude“, meistens eine erbärmliche Holzhütte mit Grasdach, die innen über einen Vorraum für Netze, Riemen, Tauwerk und Vorräte verfügte und dahinter über einen dämmrigen Hauptraum, der Küche, Aufenthaltsraum und Schlafraum zugleich war; man muss ihn sich wohl noch voller vorstellen als die Kajüte der „Dagmar Aaen“ und ganz sicher stickiger – zwölf Männer teilten sich sechs Kojen, auf dem Herd kochten Kartoffeln und Fisch, überall trockneten nasse Klamotten, und Pfeife geraucht wurde auch noch. Hier hockten sie dann nicht nur morgens vor und abends nach dem Fischen, sondern auch tagsüber, wenn Sturm und Schnee sie im Hafen festhielten – so wie uns jetzt. „Husvarver“, Hauserschütterer, nennen sie hier diesen Sturm, der mit sieben bis acht Beaufort aus Südwest weht und im Lofotenwinter alltäglich ist. Es ist ein ziemlich gutes Gefühl, jetzt nicht auf See zu sein. Der heulende Wind treibt Schnee vor sich her, manchmal so dicht, dass man die andere Seite des Hafens nicht sehen kann. Um neun Uhr morgens wird es hell, um zehn wieder dunkel. Panzerkreuzergraue Wolken schlucken jedes Licht und schütten die nächste Schneepackung über dem Ort aus. Schnee, Schnee, Schnee. D er Ort, ein Fischerdorf, das auf zwei kleinen Inseln vor der Südspitze der großen Lofoteninsel Austvågøya liegt und mit seinen bunten Holzhäusern ein langes geschütztes Hafenbecken umschließt, hält Winterruhe. Nur ein paar Kinder schieben ihre Ranzen auf Schlitten zur Schule, später schieben Hausfrauen ihre Schlitten zum Laden von Leif Johansen & Co., wo es Butter, Brötchen, Socken, Zeitungen, Angelbedarf und elf Sorten eingelegten Hering gibt und wo im Vorraum kostenloser Kaffee steht und ein paar beschäftigungslose Fischer die Zeit totschlagen. Die anderen Geschäfte sind fast alle geschlossen, auch das „Lofoten Arctic Hotel“, das Café, das Fischrestaurant. Eine Kneipe gibt es nicht. Kurz nach 14 Uhr ist Sonnenuntergang, dann werden auch die Möwen still, die tagsüber in kreischenden Rudeln flach über dem Hafen kreisen. Unser Schiff liegt im Hafenbecken wie eingefroren im Eis. Unter Deck bullern die beiden Kanonenöfen vorn und mittschiffs, die Crew liest, spielt Skat, döst, schippt Schnee. Allmählich gehen die Witze aus, trotz Torben, der eigent- 25 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 25 21.10.13 13:39 ABENTEUER „Vorleinen los, los achtern!“ Die „Dagmar Aaen“ hat abgelegt und verlässt den Hafen von Moskenes lich immer noch einen weiß. Wir haben jetzt viel Zeit zum Kochen, es gibt Linsensuppe süßsauer, Hähnchencurry mit Reis, selbst gemachte Pizza. Das Essen und das Zusammensitzen danach sind die Highlights des Tages. A ber dann ist morgens plötzlich ein neuer Geruch in der Luft, fischig, streng und scharf, beinahe beißend. Er ist so etwas wie eine olfaktorische Fanfare – ein untrügliches Signal: Der Skrei ist da, die Saison hat begonnen. Mitten in Henningsvær hält ein großer Truck und entlädt Plastikcontainer voller schenkellanger Fische, geschlachtet, ausgenommen und kopflos. Ein Gabelstapler bringt die Behälter auf einen Hügel oberhalb der Schule, wo mächtige Holzgerüste stehen und die Fischleiber jetzt paarweise zum Trocknen aufgehängt werden: Kabeljau auf dem Weg zum Stockfisch, der Fisch mit der Lizenz zum Stinken. Bis zum 12. Juni, dem traditionellen „Abhängetag“ werden die Fische jetzt an der Luft dörren, dabei mehr als 80 Prozent ihres Gewichts verlieren und ganz Henningsvær unter eine Duftglocke setzen, die einem das Gefühl gibt, schon durch schieres Einatmen zu einer Omega-3-Sättigung zu kommen. Dass gerade hier auf den Lofoten ganze Quadratkilometer von Trockengerüsten bedeckt sind und weltweit die größte Stockfischproduktion stattfindet, hat drei einfache Gründe: die Luft, den Fisch und das Zusammentreffen beider. Die Luft nämlich darf nicht zu trocken, aber auch nicht zu feucht sein und die Temperatur weder zu hoch noch zu niedrig. Ist die Luft zu trocken, trocknet der Fisch zu schnell, was schlecht für die Qualität ist, ist sie zu feucht, vergammelt er; ist die Temperatur zu hoch, wird der Fisch von Würmern und Fliegen verdorben, ist sie zu niedrig, gefriert er. Und für die optimale Trocknung muss auch noch der richtige Wind wehen, am besten einer mit ozeanischen Salzanteilen. Alle diese Bedingungen treffen auf den Lofoten – und nur dort – auf das Wunderbarste zusammen. Deswegen ist Stockfisch von den Lofoten so etwas wie Emmentaler aus dem Emmental – das Original. Und mitten hinein in diese optimalen Verhältnisse schwimmt dann noch der ideale Fisch: Skrei, ein Meeresbewohner mit Migrationshintergrund. In seinem Namen steckt die gleiche Sprachwurzel wie im deutschen Wort „schreiten“, man übersetzt ihn mit „der Wanderer“. Kabeljau gibt es nämlich an allen Küsten des Nordatlantiks und seiner Nebenmeere, in Deutschland am bekanntesten ist der Dorsch der Ostsee. Die meisten dieser Populationen aber unternehmen nur kleinere Wanderungen zwischen ihren Fress-, Laich- und Überwinterungsgründen. Doch der Skrei ist anders und einzigartig, ein Kabeljau mit besonderer Wanderlust und von besonderer Güte. Er wächst auf in der eisigen Barentssee und deswegen besonders langsam. Und er legt bis zu den Lofoten eine rund 1000 Kilometer lange Wanderung zurück. Es sind das langsame Wachstum und die lange Wanderung, die das weiße Fleisch dieses Kabeljaus unvergleichlich machen, fest, zart, mager und aromatisch. Zudem enthält die Leber des Fischs unter allen Nahrungsmitteln den höchsten Gehalt an lebensnotwendigem Vitamin D, das eigentlich durch UV-Bestrahlung der Haut im menschlichen Körper selbst gebildet wird, aber in den sonnenarmen nördlichen Breiten auf andere Weise aufgenommen werden muss, wenn nicht Grippe oder Knochenerkrankungen wie Rachitis drohen sollen. Lebertran, gewonnen aus Kabeljauleber, war deswegen schon das universelle Vorbeugungs- und Heilmittel für unsere Großmütter und Großväter – und ein Exportschlager Norwegens. Wie auch der Stockfisch selbst. In der Lagerhalle von Ragnar Riksheim in Henningsvær stapelt er sich auf großen Paletten in allen Qualitäten. Der 1,90 Meter große Händler, ein Mann in den Sechzigern von aristokratischer 26 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 26 21.10.13 13:38 Erscheinung, führt den Besucher hindurch wie ein Fürst durch sein Schloss. Der durchdringende Duft raubt einem den Atem. Riksheim mag diesen Geruch, er mag auch den Geschmack. Lässig greift er eine „Westre Magro“-Qualität vom Stapel, beschnüffelt sie, bricht sie dann auseinander, bröselt das faserige Trockenfleisch auseinander, kostet und zeigt sich zufrieden. „Westre Magro“ gehört zur ersten Wahl, dem „Prima Lofot Kabeljau“; Fische dieser Güte verpacken seine Arbeiter sorgfältig in luftige Kartons und versenden sie darin. Trockenfische minderer Qualität formen sie mit einer hydraulischen Presse stapelweise zu handlichen Paketen und binden sie mit Draht zusammen. Die Merkmale und Differenzierungen der unterschiedlichen Qualitäten sind eine Wissenschaft für sich. Das Fleisch eines guten Stockfischs soll beispielsweise so transparent sein, dass das Licht einer Lampe, die man hinter ihn hält, hindurchscheint. Z weitausend Tonnen Kabeljau verarbeitet Riksheim in seinem Betrieb pro Jahr. 90 Prozent verkauft er nach Italien, vor allem die Qualitäten der ersten Wahl. Die dritte Wahl und unterste Qualitätsstufe heißt „Afrika“ und wird auch dorthin exportiert, ebenso wie die gesondert getrockneten Fischköpfe, die pro Stück für zwei Cent verkauft werden und überwiegend in Nigeria landen, wo sie die Grundlage einer beliebten Fischsuppe bilden. Die innige Beziehung der Italiener zum Stockfisch geht auf einen Schiffbruch im Jahre 1431 zurück. Der venezianische Kapitän und Kaufmann Pietro Querini und ein paar Mitüberlebende konnten sich auf eine kleine Schäre nahe der Lofoteninsel Røst retten, wurden dort von den Fischern der Insel entdeckt, gerettet und wieder aufgepäppelt. Querini fühlte sich laut dem Bericht, den er nach seiner Heimkehr für den Senat von Venedig verfasste, wie „im ersten Kreis des Paradieses“. Er pries die Freundlichkeit und Freigiebigkeit der Insulaner und hob ihre Schönheit und Unbefangenheit hervor – „vor unseren Augen zogen sie sich nackt aus, wenn sie schlafen gehen wollten“. Aber zu den paradiesischen Erfahrungen zählte er ausdrücklich auch „i stocfisi seccano al vento e al sole senza sale“, den Stockfisch, der nur vom Wind und von der Sonne getrocknet, ohne Salz und „duri come legno“, hart wie Brennholz, sei. Die Schiffbrüchigen traten ihre Heimreise an, und die Fischer gaben ihnen 60 Stockfische mit – eine gute Investition. Als die katholische Kirche die Fastenvorschriften mal wieder verschärfte und den Gläubigen verbot, mittwochs und freitags Fleisch, Eier und Milchspeisen zu essen, wurde der Stockfisch in Italien zum kulinarischen Renner. In Norwegen war er das nie. Da isst man den Skrei lieber frisch. Am liebsten gekocht und zusammen mit Rogen und gebratener Leber als „Mølje“, dem Festessen der alten Fischer. Als Vorspeise serviert man heute gern panierte Kabeljauzungen – eine Delikatesse. Gefangen wird der Fisch heute nicht viel anders als vor 100 Jahren, mit Netzen, Angeln oder Langleinen. Roy Korneliussen, 58 Jahre alt, zehn Jahre jünger aussehend, Kapitän und Fischer auf dem knapp elf Meter langen Trawler „Piraya“, bevorzugt Köder und Haken, weil die geangelten Fische eine bessere Qualität haben als die von einem Netz zusammengepressten. Deswegen fischt Roy mit einer Art Angelmaschine, die sieben Köder und Haken im Wasser automatisch auf und ab bewegt. Er muss nur noch auf einen Knopf drücken, dann wird die Leine aufgeholt, und der Fischer kann die Fische von den Haken lösen. Die zappelnden Seelachse schmeißt er zurück ins Wasser, den Kabeljaus schneidet er die Kehle durch. Es läuft gut. Zu gut. Es gibt aus Sicht der Fischer zu viel Skrei dieses Jahr, die Preise verfallen. Die Fischereibiologen aber jubeln. Die Bestände sind auf einem historischen Höchststand – seit dem Zweiten 27 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 27 21.10.13 13:38 ABENTEUER Mythisches Sinnbild Nordlicht galt den Fischern früher als himmlische Spiegelung gewaltiger Fischzüge im Meer Weltkrieg hat es nicht mehr so viel Wanderkabeljau gegeben wie jetzt. Damit hat sich das strenge Schutzprogramm der letzten Jahre ausgezahlt. 1947 holten noch 20.533 Fischer in einer Saison knapp 146 Tonnen Kabeljau aus dem Meer. Danach ging es steil bergab. Das Meer wurde leer. Zur Jahrtausendwende herrschte Alarmstufe Rot. Denn die Norweger hatten zwar inzwischen rigorose Schutzmaßnahmen für die Wanderer aus dem Polarmeer verabschiedet, doch die Skrei-Bestände wurden schon in der Barentssee von isländischen und russischen Trawlern so dezimiert, dass immer weniger Fische die Wanderung zu den Lofoten überhaupt noch antraten. Erst ein gemeinsames Abkommen mit Russland brachte den Durchbruch. Heute wird das gesamte Seegebiet zwischen Nordkap, Spitzbergen und Nowaja Semlja genau überwacht, wechselnde Schutzzonen werden für die Fischerei gesperrt, und der gesamte Bestand an arktischem Kabeljau wird von Experten fortlaufend analysiert und kontrolliert. P arallel dazu verfeinerte Norwegen auch sein eigenes Schutzprogramm. Dessen Grundlage ist eine genaue Fangstatistik, für die schon von Bord der Fischerboote Daten über Größe, Gewicht, Geschlecht der gefangenen Fische an Meldestellen entlang der Küste übermittelt werden. Diese Angaben werden dann von Wissenschaftlern ausgewertet und mit weiteren Daten aus der Luftbeobachtung der Schwärme, aus Kontrollfängen und Eieruntersuchungen nach dem Ablaichen abgeglichen. Die Kombination aller Untersuchungen und Daten führt schließlich zur Festlegung der zulässigen Fangmengen für das folgende Jahr und der Quoten, die den Fischern zugeteilt werden. Und auch Roy Korneliussen muss jederzeit, im Hafen wie auf See, mit einer strengen Kontrolle rechnen und einer drakonischen Strafe, wenn er gegen irgendeine Bestimmung verstoßen hat. Endlich hat sich der „Husvarver“ ausgetobt. Mit einem Schlag ändert sich das Wetter. Es hört auf zu schneien, klart auf, der Wind nimmt ab auf passable fünf Beaufort. Ein Wetterfenster, von dem unklar ist, wie lange es offen bleiben wird. Wir wollen nach Værøy segeln, der vorletzten kleinen Lofoteninsel im Südwesten. Rascher Aufbruch also. Es ist zwar schon später Nachmittag, aber wir schütteln den Schnee von den Segeln, fegen das Deck und tram- peln auf den gefrorenen Festmacherleinen herum, bis das Eis in den Knoten knirschend bricht und wir sie wieder durch die Klüsen ziehen können. Dann folgt ein Traum. Wir segeln durch eine lange Dämmerung in eine helle sternenfunkelnde Nacht, die lakenweißen hohen Berge der Lofotkette an Steuerbord, den glitzernden Westfjord an Backbord, den aufgehenden Vollmond hinter uns und guten Wind in den Segeln. Man guckt und schweigt vor Andacht und Glück. Leider wird der gute Wind bald zum bösen Wind, er nimmt rasend schnell rasend stark zu, der Traum ist ausgeträumt. Das erste Reff wird eingebunden, kurz darauf folgt das zweite, dann das dritte. Dazu muss das Schiff in den Wind gedreht werden. Ein Kampf mit dem zwölf Meter langen Großbaum, mit schwerem Tuch auf dem jetzt stampfenden, wild tanzenden und haltlos torkelnden Schiff. Danach fallen wir wieder ab, gehen auf Kurs. Der Wind hat mittlerweile 40 Knoten, in Böen 45 Knoten erreicht. Es ist beängstigend, wie schnell dieser Wetterumschwung passiert. Wir tragen immer noch zu viel Segelfläche. Der Klüver muss runter. Zum Festmachen des Segels müssen zwei aus der Mannschaft mit einem Lifebelt gesichert nach vorn, das Klüvernetz entern, das unter dem Klüverbaum gespannt ist. Bei jeder Welle fahren sie Achterbahn, bekommen eine eisige Salzdusche ab. Die beiden befinden sich quasi außerhalb des Schiffs in einer 28 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 28 24.10.13 14:47 ungeheuer exponierten Lage. „Witwenmacher“ wurde der Klüverbaum bei den alten Segelschiffleuten genannt. Die Bedeutung dieses Wortes wird in dieser stürmischen Nacht deutlich. Nur unter Fock und dreifach gerefftem Großsegel laufen wir vor Wind und Wellen. Rauschefahrt. Atemberaubend, furchteinflößend und faszinierend zugleich. Ein Wetter wie dieses in einem offenen Boot überleben? Unmöglich. Es ist eine der Nächte, die einen Schiffsführer einsam macht. Welchen Kurs soll er steuern? Eigentlich hält man sich bei solchem Wetter von Land frei, riskiert es nicht, in einem Hafen einzulaufen mit den Klippen und unberechenbaren Kreuzseen davor, sucht lieber die offene See und läuft ab, bis der Sturm vorüber ist. Aber es gibt hier keine offene See. Vor uns liegt eine Passage, die für ihre Gefährlichkeit geradezu legendär ist – der Moskenes-Strom, Vorbild aller Gruselfiktionen vom „Mahlstrom“, dessen Wirbel die Schiffe in die Tiefe saugen. Der Strom beherrscht die Enge zwischen der großen Insel Moskenesøya und der kleineren Værøy, vier bis fünf Kilometer breit, und er ist einer der weltweit stärksten Gezeitenströme im offenen Meer. Der Meeresboden zwischen den Inseln ist nur 40 bis 60 Meter tief, der Westfjord bis zu 900 Meter. Wenn sich beim Gezeitenwechsel die Wassermassen zwischen Westfjord und Atlantik durch diese flache Meeresenge pressen, beträgt der Höhenunterschied zwischen dem Wasserspiegel innerhalb und außerhalb des Moskenes-Stroms bis zu fünf Meter, die Flut wird also zu einer regelrechten Flutwelle mit Wirbeln und gefährlichen Strudeln und einer Geschwindigkeit von bis zu sechs Knoten. Die Sogwirkung, die bei Flut davon ausgeht, saugt die Kabeljauschwärme geradezu hinein in den Westfjord und treibt sie den Fischern in die Netze. Aber genauso würde uns diese Flutwelle jetzt ansaugen, und wenn sie gegen den Wind läuft, würden sich vor uns Monsterwellen aufbauen, schwere brechende Seen, die alles unter sich begraben und kaputt schlagen können, was nicht stark genug ist. Die „Dagmar Aaen“ ist ein stabiles Schiff und hat schon manchen Sturm abgewettert, aber bei der Abwägung der Risiken entscheidet sich Arved Fuchs doch lieber für den Hafen. Auch das ist riskant, wir müssen, um im Sturm steuerfähig zu bleiben, mit ziemlich hohem Tempo auf die enge Hafeneinfahrt zu- und hindurchfahren, um dann abrupt aufzustoppen und nicht gegen die Kaimauer zu krachen. Und das alles bei Dunkelheit und Sturm und in einem unbekannten Hafen. Aber alles geht gut. Jetzt bewährt sich, dass die Crew an Bord eingespielt ist und absolut professionell arbeitet, obwohl die meisten keine Profis sind, sondern Freunde und Freiwillige, die ihren Urlaub in diese Reise investieren. G enauso schnell, wie er gekommen ist, zieht der Sturm am nächsten Tag wieder ab und lässt nur Wind zurück. Er war noch einmal eine eindrucksvolle Lektion der Gefahren, mit denen die Fischer früher rechnen mussten. Auf allen Friedhöfen der Inseln stehen Gedenksteine für die, die ihr Grab auf See gefunden haben. Die „Dagmar Aaen“ segelt wieder. Zuerst nach Værøy, dann zurück über den Westfjord mit nordöstlichem Kurs, Richtung Hinnøya, Harstad und später zum Endpunkt dieser Reise nach Tromsø. Die Tage jetzt im Februar sind schon deutlich länger, jede Woche nimmt das Licht um eine knappe Stunde zu. Die Dämmerungsphasen am Vormittag und Nachmittag sind endlos, die Sonne steigt noch nicht weit über den Horizont, und sie feuert auf der flachen Kurve ihrer Bahn alle Varianten von Rot und Orange in den Himmel und auf das Meer, wo sich das Licht dann in tausend Facetten in Wolken und Wellen bricht, eine ganze Skala von Farben glimmt auf und verlöscht wieder, Tomatenrot, auberginefarbenes Violett, Mangogelb, immer neue Töne und Mischungen; 29 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 29 24.10.13 14:47 ABENTEUER Arved Fuchs über seine Erfahrungen, seine Gefahrvolles Leben Wenn die Fischer in ihren offenen Booten vom Sturm überrascht wurden, hatten sie kaum eine Chance. Auf jedem Lofoten Friedhof steht ein Gedenkstein für die Ertrunkenen. 1947 im über vollen Hafen von Henningsvær gab es auch die Gefahr, dass auf einem Schiff Feuer aus bricht Zehn Männer, die bei Dunkelheit und Kälte wochenlang eingesperrt sind auf 18 Meter Schiff, das klingt konflikt trächtig. Wie viel Streit gab es? Es muss nicht zwangsläufig Streit geben. Jeder ist ja ein gebunden in einen Tages und Arbeitsablauf. Wache gehen, Reinschiff machen, filmen, fotografieren, reparieren, navi gieren etc. Konflikte entstehen eher dann, wenn die Leute Zeit haben – also beispielsweise im Hafen. Es muss aber jeder eine soziale Kompetenz mitbringen. Selbstdarsteller oder Wichtigtuer sind dem Bordklima unzuträglich. Wie oft mussten Sie auf Ihren Reisen schon eingreifen, um eine Auseinandersetzung zu verhindern? Viel seltener, als man es erwartet. Natürlich gibt es gelegent lich Konflikte zwischen einzelnen Crewmitgliedern. Das ist aber eher die Ausnahme als die Regel. Viele Crewmitglieder segeln schon seit Jahren zusammen, kennen sich und freuen sich aufeinander. Wie suchen Sie die Crewmitglieder für Ihre Reisen aus? Wer darf mit, wer nicht? Zunächst werden bestimmte Kompetenzen benötigt: Steuer leute, ein Koch, Maschinist, Fotograf etc. Viele haben eine Doppelfunktion. Das Schiff fahren, Wache gehen muss irgend wie jeder, darüber hinaus gibt es aber Spezialisierungen. ein grandioses Präludium für das Nordlicht, das an klaren Tagen bei Dunkelheit folgt. „Heringsblitz“ nannten es die Fischer, wenn der Himmel von den grünen und violetten Bögen und Bändern des Nordlichts erhellt wurde. Die geheimnisvoll fluktuierenden Bilder, die der Sonnenwind ans Firmament malte, galten ihnen als Spiegelung gewaltiger Fischschwärme im Meer. Noch einmal zieht die grandiose Kulisse der Lofotenberge an Backbord vorbei, ertrunkenes Hochgebirge mit unglaublichen Farben, Formen und Konturen. Die Inseln sind heute ein beliebtes Urlaubsziel – im Sommer. Aber niemand soll denken, er kenne sie, wenn er diese berauschende Welt nicht auch im Winter gesehen hat. T E X T: P E T E R S A N D M E Y E R FOTOS : H A RA L D SC H M I T T Ein altes Seemannswort sagt: Frau an Bord ist schlimmer als Mann über Bord. Sie fahren aber auch mit Frauen. Wie sind die Erfahrungen? Alles alter Quatsch von gestern. Wir haben oft Frauen im Team, und ich habe festgestellt, dass ein gemischtes Team viel harmonischer und leichter zu führen ist als ein reines Männerteam. Bei Frauen gilt das genauso, wie mir Frauen versichert haben. Ein gemischtes Team ist ein Stück Norma lität, das in einem Alltag, der oft extrem ist, guttut. Finden Sie immer genügend Crewmitglieder? Die Fahrten der „Dagmar Aaen“ sind ja alles andere als Kreuzfahrten, Komfort ist ein Fremdwort. Trotzdem sind Menschen mit ganz normalen Berufen an Bord, Bauunternehmer, Tisch ler, Autohändler, Journalisten. Manche investieren ihren einzigen Urlaub in eine solche Reise. Warum? Einen Mangel an Bewerbern gibt es nicht. Für mich stellt sich eher die umgekehrte Frage: Wer von den vielen Bewerbern 30 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 30 21.10.13 13:44 P e Philosophie, seine Pläne ist für ein solches Leben geeignet? Das herauszufinden ist nicht immer ganz einfach. Unsere Crewmitglieder kommen aus allen Berufs- und Altersschichten. Mehr Männer als Frauen. Viele Menschen suchen das ultimative Naturerlebnis oder auch die Herausforderung auf verschiedenen Ebenen. Erleben Sie als Schiffsführer an Bord manchmal einsame Stunden? Jeder Schiffsführer kennt diese einsamen Stunden. Nicht dass man physisch isoliert wäre – es ist oftmals der Weg der einsamen Entscheidungsfindung in schwierigen Situationen. Weder die Verantwortung noch die Entscheidung kann einem jemand abnehmen. Eine Fehlentscheidung bedeutet Gefahr für Leib und Leben aller an Bord. Deshalb muss die Entscheidung die richtige sein, und diese Verantwortung macht einsam. Zudem kann man nicht immer Everybody’s Darling sein. Man muss auch gelegentlich unpopuläre Entscheidungen treffen und sich damit vielleicht ein wenig in die Isolation bringen. Ihre schlimmste Erfahrung? Schwer zu sagen – die Eispressungen 1994 in Sibirien, wo wir um ein Haar das Schiff verloren hätten, vielleicht. Aber es gab auch andere Situationen, die schlimm waren. Und Ihr größter Triumph? Eine Aufgabe gemeistert zu haben, von der gesagt wurde: Das geht nicht, das kann man nicht machen. Das scheinbar Unmögliche doch möglich zu machen, wie etwa den Nordpol mit einem Segelschiff erstmals zu umrunden. Das sind Momente des Glücks. eine Expedition eigentlich wirtschaftlich? Es gibt viele verschieden Aspekte. Grundsätzlich gilt: Eine Expedition ist ein Unternehmen, und ein Unternehmen ist eine Expedition. Es gibt da viele Analogien zum Unternehmensalltag. Die Rückschlüsse muss jeder selbst ziehen. Wenn man sich die bisherigen Reisen der „Dagmar Aaen“ anguckt, dann war sie eigentlich schon überall, von Grönland bis zur Antarktis und von Polynesien bis Sibirien. Warum fahren Sie trotzdem immer wieder los, was gibt es noch zu entdecken? Es gibt noch viele Projekte, die mich interessieren – ich weiß nicht, ob ich sie alle werde realisieren können. Träume sind der Treibsatz, der mich aufbrechen lässt, und ich habe noch genug davon. Auch wenn es keine weißen Flecken mehr auf der globalen Landkarte gibt – auf meiner ganz persönlichen Landkarte gibt es sie noch. Entdecken Sie unterwegs auch noch Neues an sich selbst? Mit zunehmendem Alter verlagern sich die Interessen. Mich interessieren heute andere Dinge als mit 25 oder 35 Jahren. Gott sei Dank ist das so. Die Aufgabenstellungen sind andere geworden – mir geht es heute mehr um Inhalte und weniger darum, sportliche Höchstleistungen zu erbringen oder sich und der Welt zu beweisen, dass man zum Nordpol oder Südpol laufen kann. Ich bin in solchen Dingen viel gelassener geworden. Und mit jeder veränderten Aufgabenstellung bemerkt man auch neue Facetten an sich selbst. Das ganze Leben – besonders auf Expeditionen – ist eben ein sehr dynamischer Prozess ständiger Veränderungen. Sie halten nicht nur Vorträge über Ihre Reisen, sondern werden auch zu besonderen Veranstaltungen für Manager und Führungskräfte eingeladen. Was kann eine Führungskraft aus Ihren Erfahrungen lernen? Sie sind mit 24 zu Ihrer ersten Expedition aufgebrochen, in diesem Sommer haben Sie Ihren 60. Geburtstag gefeiert. Wann sind Sie zu alt für Abenteuer? Es geht nicht darum, dass ich einem Banker oder Manager erzähle, wie er seinen Job zu machen hat oder wie er sich selbst oder andere motiviert. Das wäre ja völlig absurd und vermessen. Ich kann nur über den Bereich sprechen, von dem ich etwas verstehe – und das sind Expeditionen. Wie etwa funktioniert eine Expedition? Wie sieht bei uns Teamwork aus? Wie machen wir Risikoanalysen, wie gehen wir mit Gefahrenmomenten um etc. Auch die Frage: Wie funktioniert Das Abenteuer, so wie ich es sehe, ist ein kreativer Vorgang, der zunächst im Kopf stattfindet: Die Bereitschaft, gedanklich aufzubrechen, geht allem anderen voran. Nicht zu früh zufrieden zu sein und alles zu hinterfragen, sich einzulassen auf Projekte der unterschiedlichsten Art. Das hat zunächst mal mit dem Alter nichts zu tun. Solange ich körperlich fit bleibe, werde ich sicher weiter unterwegs sein. Segeln kann ich auch noch mit 80. 31 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 31 22.10.13 12:40 STÄDTEREISEN Wien 32 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 32 21.10.13 13:52 Was diese Stadt von allen anderen Metropolen unterscheidet, ist die kultivierte Lebensart, das entspannte Zeitunglesen im Kaffeehaus und das Überangebot an faszinierenden Museen, Musikereignissen und Mehlspeisen 33 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 33 22.10.13 12:30 STÄDTEREISEN Blaue Stunde Die Onyx Bar im Haas-Haus liegt nur einen Katzensprung vom Stephansdom entfernt 34 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 34 21.10.13 13:58 T E X T: D O R I A N I V E N FOTOS: PETER RIGAUD W eich gelandet, über blank gewienerte schwarze Fliesen des Flughafens zum CAT geschlendert, dem City Airport Train, der alle halbe Stunde in einem Wimpernschlag Wien Mitte erreicht. 16 Minuten braucht er dafür. Angekommen in der Unterwelt, im U-Bahn-Netz, das dem Flaneur die Stadt nahe bringt, „einidrahn“ würde der Wiener es nennen. In keiner Stadt Europas werden öffentliche Verkehrsmittel so intensiv genutzt: 907 Millionen Fahrgäste waren im letzten Jahr damit unterwegs, so viele Menschen leben derzeit in Nord- und Südamerika. Hinein in die Stadt, deren Charme sich selbst Glücksforscher nicht entziehen können. In der internationalen Mercer-Studie, die weltweit die Lebensqualität in 221 Städten untersucht, hält Wien seit vier Jahren unangefochten den ersten Platz (vor Zürich und Auckland). Was für eine Hauptstadt, die zu einem Drittel aus Wald oder Bauernland besteht, davon 600 Hektar als Weinbaugebiet! Auch charmant: Eine UNO-Studie ermittelte Wien als wohlhabendste Stadt der Welt. Wien im Sommer. Kaiserwetter, die Stadt ein Festplatz des Laisser-faire, der Hofgarten ein Tagtraum der Gelassenheit, Liegewiese für Liebespaare und Familien, und am Rande das Palmenhaus, Café, Brasserie, Bar. Zeit für einen Eiskaffee mit Schlagobers. Asketen wählen „Null Komma Josef“, das alkoholfreie Bier. Hinter dem Zaun tost der Verkehr über den Ring. Eine Stadtmauer aus Palästen umschließt das Innere der Stadt, fünf Kilometer lang, ab Mitte des 19. Jahrhunderts anstelle der alten Stadtmauer entstanden: Eine Parade repräsentativer Baudenkmäler sichert die Festung der Tradition, Palais an Palais, Börse, Banken, Theater- und Opernhäuser im Stil der Neorenaissance, geadelt als kulturelles Welterbe, uneinnehmbar für die Architektur der Moderne. Der Sturm der Entrüstung, den der Umbau des Haas-Hauses in den 1990erJahren durch den Wiener Stararchitekten Hans Hollein am Stephansdom auslöste, ist unvergessen. H ochhäuser dürfen nicht in die Altstadt hinein. Die Avantgarde geht weit draußen in Stellung. Am Prater (U2 Richtung Aspernstraße, Station Messe-Prater) steht der Campus WU unmittelbar vor seiner Eröffnung. Fünf Architektenbüros aus Sendai in Japan, London, Barcelona, Madrid und Hamburg haben hier das größte Universitäts- Lebendige Schatzkammern Das MuseumsQuartier, drei von 25 Tizians und das Café im Kunsthistorischen Museum Wien bauvorhaben der Welt realisiert: Wiens neue Wirtschaftsuniversität für 25.000 Studenten, mit einem total schrägen Bibliotheksgebäude der irakischen Architektin Zaha Hadid in der Mitte (Website: campuswu.at). Hans Holleins 2001 errichteter Media Tower durfte dagegen ganz nah ans Wiener Stadtbild vorrücken, aller- 35 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 35 24.10.13 14:55 STÄDTEREISEN Publikumserfolge Hofmöbel im Museumsquartier, das Burgtheater und das Leopold am Leopold Museum dings nur bis zum Donaukanal. Ein schräger Typ, 80 Meter hoch, vollkommen verglast, mit einem InfoScreen auf dem Dach. Gleich daneben ragt nun auch das Sofitel Wien in den Himmel, erbaut vom französischen Architekten Jean Nouvel. Über dem Restaurant Le Loft im 18. Stock leuchtet weithin sichtbar eine Art fotografischer Indian Summer, ein Deckenbild der Schweizer Videokünstlerin Pipilotti Rist. Weitblick wie im Landeanflug über der Stadt, ein Schwe bezustand, in dem sich nur das Licht verändert, das Funkeln um den illuminierten Stephansdom, der wie eine verzau berte Insel aus dem immer reicher wogen den Lichtermeer emporwächst. Das Hoch gefühl steigert sich noch bei erstklassiger französischer Küche mit erlesener interna tionaler Weinkarte. Hier möchte man bleiben. Gern auch zur Nacht in einem der grauen, schwar zen oder weißen Zimmer in kühler Strenge kompromisslosen Designs (sofitelvienna stephansdom.com). Oder eher behaglich in einem der legendären Grandhotels Impe rial, Sacher und Bristol? Oder doch lieber im neuen Palais Hansen Kempinski am Ring mit osmanischem Spa? Gern auch im Do & Co, dem Designhotel im HaasHaus am Stephansdom, mit der allabendlich von den Schönen der Stadt frequentierten Onyx Bar. Oder im Levante Parliament, dem cool umgestalteten Sanatorium von 1908 mit Wellness und GourmetRestaurant Nemtoi. Am Ende eingecheckt im Altstadt Vienna, einem Design hotel hinter der historischen Fassade eines Patrizierhauses auf dem Spittelberg, dem Künstlerviertel im 7. Bezirk. Die 42 Zimmer und Suiten reichen kaum für die Kunstsamm lung des Hausherrn Otto Ernst Wiesenthal, die er generös über Flure und Zimmer verteilte. Sanft entschlummert in Robert’s Place, dritter Stock, einer ruhigen Junior Suite mit Badewanne von Philippe Starck und einer wilden Poolparty an der Wand: „Greetings from Cuba“, ein Acrylbild des 36 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 36 21.10.13 14:15 „Wer sich vornimmt, jeden Tag ein anderes Museum zu besuchen, ist zehn Monate unterwegs“ jungen Wiener Beauty-Pop-Painters Maximilian Otte. Das Frühstück lässt keine Fragen offen. Wiens Pfund, mit dem es wuchern kann, ist es, Gäste zu verwöhnen, das einzige Problem ist die Fülle der Optionen. Die vielen Hundert Antworten auf die einfache Frage: Wohin gehen? Die Innenstadt lockt mit den diplomatischen Vertretungen internationaler Labels, ein begehbares Serail für den Kaufrausch arabischer Prinzen und ihrer Familien, mit Logenplätzen in Cafés und Restaurants. W ien ist ein Schatz! Opulent ausgestattet mit Kulturgütern und Kulturinstitutionen; Kultur und Lebensart sind der Markenkern der Stadt Wien, ihr Kapital, das Geheimnis ihrer Sogwirkung auf mehr als zwölf Millionen Besucher im Jahr. Sie lustwandeln über das Kopfsteinpflaster der kaiserlichen Hofburg, des größten Museumskomplexes der Stadt, strömen in die Schlösser Schönbrunn und Belvedere, gehen verloren in Wiens Museen. Kulinarisches Wien Klassiker im Topf: Der Tafel spitz im Plachutta an der Oper zergeht auf der Zunge Also hinein in den kuppelgekrönten Prachtbau des Kunsthistorischen Museums, über die Prunktreppe zum kulturellen Welterbe. Da lächelt Raffaels zauberhafte „Madonna im Grünen“, lockt der reich ausgestattete Van-Bereich (van Cleve, van Dyck, van Eyck, van der Goes, van der Weyden und van Delft), schimmert Österreichs einziger Vermeer, „Die Malkunst“. Aus der weltgrößten Sammlung echter Bruegels sticht der berühmte „Turmbau zu Babel“ hervor. Unglaublich, wie dieses Bild, millionenfach reproduziert, tausendmal gesehen, nun auf Augenhöhe seine ganz eigene Magie entwickelt. Erfrischend lebendig blicken die Alten Meister ins 21. Jahrhundert, die Cranachs, Holbeins und Dürers, die „junge Venezianerin“, die mehr als drei Jahrzehnte in Deutschland auf dem Fünfmarkschein durch alle Hände ging. Dürer ist auch ein Superstar der Albertina, die 140 Zeichnungen und Aquarelle besitzt, darunter den berühmten „Feldhasen“ und die „Betenden Hände“. Die Albertina mit dem schrägen, von Hans Hollein entworfenen Flugdach ist eines der meistbesuchten Museen der Stadt. Davor hat Alfred Hrdlicka sein Mahnmal gegen Krieg und Faschismus errichtet. Auf dem Rücken des „Straßenwaschenden Juden“ hat der Künstler Stacheldraht angebracht, weil gedankenlose Besucher darauf Platz genommen hatten. Kunstmüde? Erschöpft? Immer noch neugierig? Zur Gemäldegalerie der Akademie der Künste am Schillerplatz sind es sieben Minuten zu Fuß. In langen Fluren reiht sich Wiener Legenden Apfelstrudel warm, zuckersüß und mit Charme serviert wie die zahllosen Kaffeespezialitäten Wer sich vornimmt, jeden Tag ein anderes Museum, eine andere Sammlung in Wien zu besuchen, und keinen Tag Pause macht, ist zehn Monate unterwegs, hat fünf Beethoven-Gedenkstätten besucht, die Albertina, das Schloss Schönbrunn, aber auch das Condomi-Museum, das Fälschermuseum, das Geldmuseum und das Josephinum – und war immer noch nicht auf dem Zentralfriedhof. Was allein die Habsburger im Vollrausch ihrer Kunstleidenschaft zusammengetragen haben, lässt sich kaum im Vorübergehen erfassen, aber es ist einen Versuch wert. 37 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 37 23.10.13 11:23 STÄDTEREISEN „Unverwechselbar: Wiener Schmäh, Wiener Klassik, eine erlesene Sammlung bedeutender Werke von Rem brandt, Tizian und Goya. Und das schreckliche Meisterwerk schwarzen Humors und anschaulich grausamer Höllenqua len, das „Weltgerichtstriptychon“ von Hieronymus Bosch. Von hier aus sind es noch einmal sieben Minuten zum MQ. Das MuseumsQuartier ist mit rund 40 kulturellen Ein richtungen auf dem Gelände der ehemaligen kaiserlichen Hofstallungen eines der weltweit größten Kunst und Kul turareale, ein multikultureller Naschmarkt der Erbauung, Ruhezone und Erlebniswelt zu gleich, mit entspanntem Zugang zu den Themen Musik, Mode, Theater und Tanz, Literatur, Game Culture und Street Art, Design oder Fotografie. lesen. Und auch zum zugewanderten Espresso wird Wie ner Hochquellenleitungswasser im Achtelglas ohne Mehr kosten serviert. Das Café Drechsler wurde von Sir Terence Conran renoviert, hat aber keinen Schaden genommen. Beim Sacher stellt sich der Mitnehmeffekt ein. Die Sacher torte, deren Rezept seit 181 Jahren geheim gehalten wird, gibt es in verschiedenen Größen, auch im Versand. Das Meinl, eine Wiener Melange aus Restaurant, Delikatessenge schäft und Straßencafé, bietet Logenplätze mit Blick auf den Graben und shoppende Burkas. Im Hawelka gibt es immer noch Buchteln, und vielleicht werden die Gäste einmal so berühmt wie Elias Canetti, Arthur Miller und Andy Warhol, die auch hier gesehen wurden. Allerdings leidet es etwas itten der schlichte Kubus des unter touristischem Dichtestress. Leopold Museums in weiß Im Sperl, von internationalen leuchtendem Muschelkalk, 2001 Gastrokritikern als Österreichs vom Architektenbüro Ortner & Nummer eins bewertet, ist die Ortner in Szene gesetzt. Es wid Zeit stehen geblieben, und das ist met sich dem Erbe Gustav Klimts gut so. Halb Künstlertreff, halb und Egon Schieles, deren Werke Militärcafé, wurde es einst von den der Augenarzt Rudolf Leopold Erzherzögen Joseph Ferdinand seit den 50erJahren des 20. Jahr und Karl Ferdinand angesteuert, hunderts gesammelt hat. Gleich aber auch von den Komponis nebenan, schräg in den Raum ge ten Franz Lehár und Emmerich stellt, das mumok – das museum Kálmán, den Goldjungen der Sil moderner kunst stiftung ludwig bernen Operettenära. Im Prückel wien, größtes Museum für mo am Museum für angewandte Kunst derne und zeitgenössische Kunst Institution der Muße Das Sperl, traditioneller ist neuerdings eine historische in Mitteleuropa, ein markanter Künstlertreff, zählt zu den ältesten Kaffeehäusern Musicbox zu bewundern: Die schieferschwarzer Bau mit beein der Stadt noch gut funktionierende Wur druckender Fahrstuhlarchitektur litzer begleitet den Weg zu den und einer Sammlung von rund 7000 Werken des 20. Jahr Toiletten im Keller mit Abba und Elvis, Roy Black und Fats hunderts, darunter 230 bedeutende Arbeiten von Picasso, Dominos „Ain’t That A Shame“. Rauschenberg, Warhol und Gerhard Richter Zeit für eine Mußestunde im Kaffeehaus. Wie wär’s mit ienLiebhaber suchen das Unverwechselbare, Wie dem Café Leopold? Angedockt am Museum als gläserne ner Klassik und Wiener Moderne, die Wiener Schule Passage mit Aufstiegsmöglichkeiten zum Dachgarten. Ab der Nationalökonomie und die der Architektur, Wiener 22 Uhr verwandelt es sich in einen Club. Die Wiener Kaf Schmäh, Wiener Walzer, Wiener Blut und natürlich das feehauskultur hat viele Hundert Facetten. Die Mehlspeisen original Wiener Schnitzel vom Kalb. Der original Wiener metropole der Welt pflegt ihre Traditionen. Immer noch Tafelspitz, der Kaiserwalzer unter Wiens Fleischgerichten, sind Wiens Kaffeehäuser der richtige Ort, die Zeitung zu wird beispielhaft zubereitet im Plachutta Gasthaus zur Oper W Fotos: www.peterrigaud.com M 38 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 38 21.10.13 14:16 Wiener Walzer und Wiener Schnitzel“ an der Walfischgasse (plachutta.at), Kalbfleisch, dreieinhalb Stunden im wallenden Wasser gegart, mit Apfelkren und zeitgleich mit der Brühe als Vorspeise serviert. Tafelspitz heißt das Gericht, weil der Kaiser, dem es zuerst gereicht wurde, an der Spitze der Tafel saß. Das kulinarische Wien ist alles andere als überschaubar. Doch herausragend wegen seiner fantasievollen Küche und seit Jahrzehnten Nummer eins in Wien ist Das Steirereck. Küchenchef Heinz Reitbauer, 1970 geboren, in dem Jahr, in dem sein Vater das Restaurant am Stadtpark eröffnete, liebt es „leicht und intensiv“. Nur bei ihm gibt es in Nussbutter confierte Schleie mit geschmortem Eiszapfen-Rettich, Sojasprossen und Birne. Frühzeitiges Reservieren ist ratsam. Die Zeit bis zum Termin lässt sich angenehm mit dem Betrachten der Website überbrücken (steirereck.at). A uf gleichem Niveau kocht Silvio Nickol im feinen Palais Coburg, Wiens teuerstem Hotel. Der Meister, 1975 im sächsischen Hoyerswerda geboren, unter anderem ausgebildet bei Harald Wohlfahrt (Traube Tonbach, Baiersbronn) und mit zwei Michelin-Sternen gekrönt, wird vom „Gault Millau“ als „Aufsteiger des Jahres“ hoch gelobt. Seine Gerichte heißen „Picasso“ oder „Ultra-Violett“. Es wird empfohlen, der anspruchsvollen Weinbegleitung zu den einzelnen Gängen zu folgen (Menü- und Weinkarte unter coburg.at). In der Kategorie Ethnoküche steht Kim kocht ganz oben. Die Koreanerin, erste weibliche Sushi-Meisterin in Wien, kann auf euphorische Kritiken verweisen (kimkocht.at). Das Fabios pflegt mediterrane, feine Küche, kleine Karte, aber bis ins Detail von ausgesuchter Qualität, das gilt auch für die Weinkarte. Schöne Flaniertische an den Tuchlauben (fabios.at). Hansen im alten Börsengebäude an der Wipplinger Straße 34 teilt sich den Gewölbekeller mit einem Blumensalon, deshalb fühlt man sich irgendwie im Grünen (hansen.co.at). Im Wiener Kochsalon Wrenkh am Bauernmarkt wird traditionelle Küche modern verfeinert, gern auch vegetarisch oder vegan, moderat im Preis und mit kritischem Blick auf die Herkunft der Zutaten. Der Feldversuch zur Erforschung der besten Beisln und favorisierten Würstelstände läuft seit Jahren, ist von Enthusiasmus geprägt, weil viele User ihren Senf dazugeben, kommt aber wie viele Debatten, die im Internet geführt werden, wahrscheinlich nie zu einem Ende. Am besten, man überzeugt sich selbst. SAISON IN WIEN Die Theatersaison ist die eigentliche Glanzzeit Wiens. Weit über 100 Bühnen stehen zur Wahl, falls das Burgtheater ausverkauft sein sollte. Neu im Programm des anerkannt besten Theaters deutscher Sprache: „Hamlet“ mit August Diehl (Regie: Andrea Breth), „Mutter Courage und ihre Kinder“ (Regie: David Bösch) und ab Dezember „König Lear“ mit Klaus Maria Brandauer (Regie: Peter Stein). Ein Hinweis am Rande: Von den 1193 Sitzplätzen sind nur rund 300 wirklich zu empfehlen. Die Website des Theaters hilft, sie im Fledermausflug durch den Theatersaal zu finden (www.burgtheater.at/Content.Node2/home/burgtheater/ panorama/2709.php). In der Staatsoper Wien hat am 17. November Mozarts „Zauberflöte“ unter der Leitung von Christoph Eschen- Träume in Tüll In Wien tanzen Kongresse und Schwäne im Tutu. Probenszene auf der Bühne der Staatsoper bach Premiere. Die Karten sind natürlich weg. Aber es gibt weitere Vorstellungen im Dezember und im Juni (wienerstaatsoper.at). Noch schwieriger sind Karten für den Opernball am 27. Februar 2014 zu erwischen, denn die Vorbestellungen laufen seit neun Monaten. Preise ab 180 Euro (Tischanteil für 2 Personen im 6. Stock), Ranglogen kosten 18.500 Euro. Je näher der Termin rückt, desto abenteuerlicher schießen die Preise auf dem freien Markt in die Höhe. Ähnlich umkämpft sind die Karten für das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker, das in diesem Jahr Daniel Barenboim dirigieren wird. Das Programm wird traditionell geheim gehalten. 39 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 39 21.10.13 14:16 MENSCHEN 40 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 40 25.10.13 14:33 S carlett Johansson Wie wird man ein Star? Karriereplanung von Kindheit an, wütend an die richtigen Türen treten und Sex-Appeal T E X T: J O C H E N S I E M E N S Hollywoods neue Legende Scarlett Johansson, selbst bewusst, verführerisch, ein Sexsymbol mit kühlem Verstand und klaren Vorstellungen Foto: ddp images/Camera Press I m Studio des großen New Yorker Fotografen Albert Watson stand einmal an einem Morgen ein mächtiger alter Korb, der bis zum Rand mit grünen Äpfeln gefüllt war. Jedem, der im Studio vorbeikam, wurden die Äpfel angeboten, Assistenten, Kurierfahrern: „Hey, nehmt euch die Äpfel, die müssen weg.“ Doch kaum einer nahm sie. Bis zum Mittag, als Albert Watson selbst ins Studio kam, den Korb anschaute und sagte: „Ach die Äpfel, die sind von gestern. Ich habe Scarlett Johansson daraufgesetzt und fotografiert. Sie war nackt.“ Es ging ein Raunen durch alle Mitarbeiter, und die Äpfel verschwanden in Taschen und Beuteln wie in einem Zeitrafferfilm. Das ist ein paar Jahre her und ob Scarlett Johansson wirklich nackt war, hat der schelmische Watson nie verraten. Am Abend besah er den leeren Korb wie ein geglücktes Experiment: Das Paradies, der Apfel, Scarlett Johansson als Eva, die Verführung, alles wie eine Miniatur der Schöpfungsgeschichte könnte man sagen und sich vorstellen, dass diese Äpfel in dieser Nacht wie Goldstücke durch New York getragen 41 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 41 25.10.13 14:33 MENSCHEN Vor der Kamera Scarlett Johansson in „Lost in Translation“ mit Bill Murray, als „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“, als wurden. Darauf hat Scarlett Johansson gesessen. Nackt. Oh Mann. W ichtig an dieser Geschichte ist, dass sie nur mit Scarlett Johansson funktioniert. Anne Hathaway, Kirsten Dunst oder irgendeines der aktuellen Supermodels wie Cara Delevingne nackt auf Granny-SmithÄpfeln? Ganz nett, und sonst? Eben. Aber bei Scarlett Johansson ist es die gedankliche Fortsetzung von Woody Allens Satz, sie sei „Sex auf den ersten Blick“. Sie ist auch Sex beim ersten Gedanken an sie. Oder anders formuliert: Scarlett Johansson ist Sex zum Denken. Das hat bei ihr mit Körperlichkeit, aber eben nicht mit Nacktheit zu tun; es gibt in all ihren Filmen nur ganz wenige hüllenlose Sekunden, die auch gar nicht zählen. Zählen tut die hundsgemeine wollüstige Art, mit der Scarlett Johansson angezogen so tut, als habe sie nichts an und als wisse sie gar nicht, wie sie aussieht und wie sie ihren, dann meist männlichen Zuschauern, den Verstand auf den Kopf stellt. Sie kommt da wie in Woody Allens Film „Match Point“ so zufällig blond und überschwappend um die Ecke, dass man glaubt, jemand habe sie gestern auf einer kalifornischen Obstplantage gefunden, und dass sie gar nicht wisse, was sie hier tue. Oder eben doch, so ganz genau weiß man das bei ihr dann auch nicht, und eben dieses changierende Spiel zwischen Unschuld und Berechnung macht Scarlett Johansson zu einem gefährlichen Abenteuer für jeden, der glaubt, zufrieden verheiratet oder so was zu sein. Es reicht schon, in dem Film „Vicky Cristina Barcelona“ Scarlett und der anderen, der spanischen Meisterleistung Gottes, Penélope Cruz, fünf Minuten zuzusehen, und jede zufriedene Ehe geht in die … zumindest Pause. Im Kopf jedenfalls. Scarlett ist in Wahrheit gar nicht groß, aber auf ihren 1,65 Metern, ihrem Gesicht, ihren Lippen und in ihrem Blick ist so viel konzentrierte Frau, als wäre sie die Fortsetzung von Marilyn Monroe. Aber mit intelligenten Mitteln. Und mit List. Neulich bei den Filmfestspielen in Venedig verriet Scarlett Johansson, dass sie sich von ihrem ersten Mann getrennt hätte, weil seine Eifersucht die Ehe mühsam machte, und dass sie nun einen französischen Journalisten, der in Wahrheit längst Werber ist, liebe und vielleicht auch einmal in die Politik gehen würde. Muss man nicht so ernst nehmen, aber irgendwie dachte man, dass Journalist doch kein schlechter Beruf ist. Die Auflagen sinken zwar, aber Scarlett. Oh Mann. So. Jetzt fragt man sich natürlich: Wo kommt denn so eine her, auf welcher sonnigen Orangenplantage ist die denn entdeckt worden? Auf gar keiner. Und Talent war bei ihr höchstens der Körper. Der Rest, jede Regung, jeder Blick, jedes Zwinkern, jedes Wirken sozusagen ist Ergebnis harter jahrelanger Arbeit und eiserner Berechnung. Wenn man bei anderen Stars vom Willen, nach oben zu kommen, spricht, müsste man bei Scarlett Johansson das Wollen steigern. Nach oben, bis knapp vor die Hysterie. Sie wurde 1984 als Kind einer filmverrückten Familie geboren. Ihr Vater, ein dänischer Architekt, und ihre in der Bronx geborene Mutter lebten zwischen Kinosaal und Bergen von Videokassetten zu Hause. Ständig liefen Filme im Fernsehen, und als Scarlett acht Jahre war, sah sie dort zur Kinderstunde den Menschenfresser-Thriller „Das Schweigen der Lämmer“ mit Anthony Hopkins. Und Scarlett, ihr Name kam auch von der Leinwand, benannt nach der „Vom Winde verweht“- Fotos: ddp images (2), Inez and Vinoodh/Trunk Archive, FOCUS FEATURES/Kobal Collection/ images.de, face to face 13-Jährige mit „Pferdeflüsterer“ Robert Redford, mit Jonathan Rhys Meyers in Woody Allens „Match Point“ (unten) und bereit fürs Titelfoto (rechte Seite) 42 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 42 23.10.13 11:25 Zicke Scarlett O’Hara. Scarlett, drei Minuten vor ihrem Zwillingsbruder Hunter geboren, sah, wusste und dachte nichts anderes, als Schauspielerin zu werden. Nein, nicht zu werden, „ich denke nicht, dass man Schauspielerin werden kann – man ist Schauspielerin“, sagte sie später einmal. G enauso dachte auch ihre Mutter Melanie Sloan, die ihre siebenjährige Tochter zu einer New Yorker Castingagentur brachte. Das Drama war, dass auch Scarletts Bruder Hunter mitkam und sich die Agenten mehr für den Jungen als für das Mädchen interessierten. Die Art, wie die kleine Scarlett dann in dem Büro herumschrie und tobte und gegen Türen trat, ist da bis heute überliefert. Mutter Melanie versuchte, das Kind zu beruhigen, und meldete sie in einer Ballettschule an, Hauptsache Bühne. Nee, aber nicht Ballett, Scarlett ging wieder. Ein halbes Jahr später quälte das Mädchen dann die Mutter, mit ihr durch alle New Yorker TV-Studios zu tingeln, irgendwo werde schon ein Kinderdarsteller gebraucht, schließlich sei sie eine Schauspielerin. „Scarlett neigte dazu, es zu sehr zu wollen, sodass sie manche mit ihrem Übereifer abschreckte“, schreibt der Johansson-Biograf Chris Roberts. Und so ging das weiter. Die Ehe der Eltern war mittlerweile geschieden und Scarlett ein Mädchen ohne Kindheit, jedenfalls keiner Kindheit aus Ponyhof, Rollschuhbahn oder Pyjamapartys, sondern aus Schauspielschulen, Castings, Rollenlernen und Proben. Sie kannte nur das Auge der Kamera, sie lebte nur auf, wenn das Aufnahmelicht leuchtete. Es war ein bisschen wie die Quadratur des Eislaufprinzessin-MutterKarriere-Schemas: Bei den Johanssons trieb eher die Tochter die Mutter. Mit zehn Jahren spielte sie in ihrem ersten Film, der „North“ hieß und unwichtig blieb. Mit zwölf Jahren stand sie mit Sean Connery in „Im Sumpf des Verbrechens“ vor der Kamera und flog gleichzeitig von der renommierten Lee-Strasberg-Schauspielschule, weil sie zu oft den Unterricht schwänzte. An der nächsten Schule saß sie mit Uma Thurman und Christian Slater in einer Klasse. Als Jüngste und Kleinste. Und mit 13 holte sie Robert Redford für die Hauptrolle in seinem Film „Der Pferdeflüsterer“. Sie spielte ein beinamputiertes Mädchen, das mit einem ebenfalls verletzten Pferd den Weg in die Normalität suchte. Es war eine Sensation, es war ihr Durchbruch mit einer fast unheimlichen Profihaftigkeit. „Sie ist 13 und benimmt sich wie 30“, sagte Redford später über Scarlett. Von den Dreharbeiten in Montana sind lange, teils heftige Diskussionen zwischen Redford und Scarlett und Scarletts Mutter überliefert, in denen Tochter und Mutter den Regisseur belehren wollten, wie diese und jene Szene besser zu drehen sei. Robert Redford, das muss man sich auch mal trauen. 43 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 43 21.10.13 15:43 MENSCHEN Kampagnenfähig Scarlett Johansson spricht Das klingt jetzt alles zickig, divenhaft und eben hysterisch ehrgeizig. Und war es wohl auch. Aber was soll’s, das Ergebnis war ein großer Film mit einem Mädchen in einer großen Rolle. Es war erarbeitet und nicht aus dem Ärmel gespielt. Talent hatten andere, manchmal für ein, zwei Filme, manchmal nur für einen Sommer. Können hatten wenige. Und Scarlett Johansson wollte können. Natürlich kann man jetzt einwerfen, sie habe doch keine Kindheit gehabt, keinen realen Boden unter den Füßen und so weiter. Ein Rampenlichtkind. Ja. So, wie Jodie Foster auch eines war. Und so, wie es große Musiker oder Sportler auch waren und sind. Entscheidend ist der eigene Wille, wie auch immer man ihn bewertet. Michael Jackson wollte nicht der Michael Jackson werden, sein Vater hat ihn geschlagen und auf Herdplatten tanzen lassen. Er wurde das Genie, das immer neben sich stand. Das Ende ist bekannt. Kinderstar Macaulay Culkin, der berühmte „Kevin allein zu Haus“ wollte spielen, aber nicht schauspielen, seine Eltern zwangen ihn. Heute ist er ein umherirrender Hippie ohne Boden. Es sind Kindheiten mit Verlust und ohne Gewinn. Scarlett Johansson hat Gewinn. Sich selbst. Aber die wahre Scarlett Johansson, die von heute, kommt ja noch. Aus dem Mädchen des „Pferdeflüsterer“ wurde eine junge Frau, sie bekam Formen, einen Busen und einen Po. Und selbst dieser Po konnte schauspielen. In „Lost in Translation“, diesem filmischen Kammerspiel von Sofia Coppola, eigentlich ein Zwei-Personen-Stück, gedreht in Tokio, sieht man ein paar Minuten nur ihren Po in einem durchsichtigen Slip. Er bewegt sich kaum, aber er bewegt sich. Wie ein Gesicht. Und, klingt jetzt albern, ist aber so, erzählt eine Geschichte. Nach „Lost in Translation“ kam „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“, und immer mehr formten sich Scarletts Konturen zu einer Figur, die an großes Hollywood, an Lauren Bacall in ihrer Souveränität und an Marilyn Monroe in ihrer Verletzlichkeit erinnerten. Man kann dem Profi Scarlett beruhigt unterstellen, dass sie genau mit diesen Assoziationen spielte. Scarlett selbst schiebt so etwas beiseite: „Ich mag, wie ich aussehe, ich mag meine weiblichen Formen, dass ich Brüste habe und einen Arsch. Aber das sind wirklich nur Äußerlichkeiten, mehr nicht (...) Bei Sexszenen fragen die Leute immer gleich: ‚Und? War da was? Hattet ihr wirklich Sex?‘ Hey, Leute, es ist eine ROLLE!“ Diese sehr umfassende Form gleichzeitig tradierter und moderner Weiblichkeit nahm nicht nur Hollywood, sondern auch die Mode- und Schönheitsindustrie dankbar auf. Scarlett Johansson wurde das Gesicht von L’Oréal, Louis Vuitton, Dolce & Gabbana und Calvin Klein. Sie gehört zur ersten Besetzung der Anzeigen in Blättern wie „Vogue“ oder „Harper’s Bazaar“. 2008 überraschte sie dann auch noch mit einer CD, auf der sie die Songs ihres düsteren Hauspoeten Tom Waits sang. Tom Waits und Scarlett Johansson, das rostige Reibeisen und die Muse, das war wieder ein bisschen wie die Monroe und Robert Mitchum in „Fluss ohne Wiederkehr“. In einem der Lieder singt Scarlett „… sich verlieben, heiraten und dann rums! Wie zum Teufel bin ich hier so schnell hingekommen? Ich will wirklich nicht erwachsen werden.“ Und genau da irrt sie. Sie war es schon immer. Fotos: ddp images, AdMedia/colourpress.com, Rue des Archives/SZ Photo, W Magazine/Planet PhotosMagazine/Planet Photos auf dem Parteitag der Demokraten für Barack Obama, als Cover- und Werbeikone (unten) 44 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 44 24.10.13 16:01 hgschmitz.de Gira Gira ClassiX Mit vollendeten Oberflächen und harmonisch abgerundeten Ecken setzt das Schalterprogramm Gira ClassiX neue Maßstäbe für klassisch geprägte Interieurs und moderne Inneneinrichtungen mit exklusivem Design. Passend zum Ambiente stehen Rahmenvarianten in goldglänzendem Messing, gebürsteter Bronze oder silberglänzendem Chrom zur Auswahl, jeweils ganz in Metall und in Kombination mit schwarzen oder cremeweißen Elementen. In der Designlinie ClassiX Art werden die hochwertig verarbeiteten Rahmen zusätzlich durch kunstvolle Ornamente veredelt. Abbildung: Gira ClassiX Chrom, Einsatz Chrom Made in Germany - www.gira.de/classix BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 45 45 21.10.13 15:50 RH T UE BA R TI K ER Vorhang auf für Karin Beier „Karin Beier und die besseren Regisseurinnen und Regisseure ihrer Generation wollen die Kunst selbst erneuern. Der Aufstand, den sie proben, gilt der Bequemlichkeit, der Langeweile, der Beamtenmentalität, die der Tod jeder Kunst ist“ Wolfgang Höbel, Kulturredakteur des „Spiegel“, in seinem Porträt „Karin Beier – Den Aufstand proben“ Theaterereignis des Jahres 2011 Szenen aus Elfriede Jelineks „Das Werk/Im Bus/Ein Sturz“ in Köln uraufgeführt unter der 4 6 Regie von Karin Beier BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 46 25.10.13 14:34 Fotos: Klaus Lefebrve (2) dpa Picture-Alliance (4) 47 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 47 25.10.13 14:35 T H E AT E R „Ich wünsche mir, dass Theater versucht, d H amburg. Ein Tag im September. Die Theater regisseurin Karin Beier probt Shakespeares „Was ihr wollt“ und hat ein Problem. Wie bringt man drei schwitzende Männer dazu, in eine Kiste zu steigen, in die ein einziger kaum hineinpasst? Zwei der Herren sind, gelinde gesagt, korpulent, ihre Extremitäten, Hände und Hinterteile quet schen sich unheilvoll über dem Abgrund, denn die Kiste ist, unsichtbar für den Zuschauer, nach unten offen, soll den heimlichen Abstieg zur Unterbühne gestatten. Die Herren stöhnen, verdammt, das ist zu eng. Aber Karin Beier hört es nicht. Sie liegt auf dem Rücken, mit zuckendem Zwerchfell, lacht sich schlapp. Das ist nun 17 Jahre her. Jetzt probt Karin Beier wieder in Hamburg, aber Journalisten sind nicht mehr zugelassen. Schade. Wieder ein Tag im September. An der Kirchenallee reckt sich eine Großbaustelle in den Himmel, das Deutsche Schauspielhaus, eingerüstet, verhängt, umstellt von Kränen und Containern der Gewerke, die hier heftig zugange sind. Die Sonne scheint von oben ins Haus, der Bühnenturm wird erweitert, der Schnürboden angehoben. Nichts bleibt liegen. Die Unterbühne wird mit einem elektrischen Antrieb aus gestattet, der Zuschauerraum unter strikten Vorgaben des Amtes für Denkmalschutz restauriert. Alles wird höher, schneller, sicherer. Alles wird gut. Einerseits. Andererseits: Drei Wochen vor der Premiere schießt der Eiserne Vorhang während der Bauarbeiten plötzlich in die Höhe; die Gegengewichte, die ihn am Boden halten sollen, donnern von oben durch den Bühnenboden. Wie durch ein Wunder wird niemand verletzt. Der für den 15. November geplante Beginn der Ära Karin Beier muss ver schoben werden. Das Schauspielhaus ist mit 1200 Plätzen das größte deutsche Sprechtheater, und für jeden Intendanten ein Riesenakt. Es ist das Haus der großen Namen: Gustaf Gründgens, Peter Za dek, Ivan Nagel. Und es ist das Haus des gro ßen Scheiterns. Die meisten Intendanten sind bei dem Versuch, diese Aufgabe zu stemmen, in die Knie gegangen, einige machten sich daran, das Haus leer zu spielen, aber es gab auch Leitfi guren wie Frank Baumbauer, der 2001 zum gro ßen Kummer der Hamburger Theaterfreunde nach München wechselte. Nun wird zum ersten Mal in über 100 Jahren eine Frau den Job über nehmen. K arin Beier, geboren am 14. Dezember 1965 in Köln, lernt im Nonnengymnasium, beim Orden unserer lieben Frau den Schwarm ih res Lebens kennen: William Shakespeare. Die Schule empfand sie als Glücksfall, weil Litera tur und Theater eine große Rolle spielten und weil es in diesem erzkatholischen Milieu herr liche Reibungsflächen gab für ein Mädchen mit Fotos: Klaus Lefebrve (2) dpa Picture-Alliance TEXT: EMANUEL ECKARDT Da bleibt kein Auge trocken Clownsnasen und Charaktermasken im Spiel 48 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 48 24.10.13 15:00 , die Leute wach zu küssen“ grüngefärbten Haaren und Heavy-Metal-Stickern auf der Armeejacke. Mit 16 spielt sie Lady Macbeth in einer Schüleraufführung. Die Sprache ist ihr vertraut, ihre Mutter ist Engländerin. Sie studiert Anglistik, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften, gründet mit 20 eine internationale Theatergruppe, mit der sie neun Stücke von Shakespeare in Originalsprache in Fabrikhallen und anderen unwirtlichen Orten in Szene setzt. Volker Canaris holt sie als Assistentin ans Düsseldorfer Schauspielhaus. Zwei Jahre später ist sie dort Hausregisseurin. Joachim Lux, damals als Dramaturg an ihrer Seite, erinnert, wie sie „herkömmliche Theaterusancen mit Charme und Besessenheit beiseiteschiebt, eine Künstlerin, die ungewöhnlich entschieden ihre Interessen verfolgt“. Heute ist er als Intendant des Hamburger Thalia Theaters ihr Lokalrivale. Die junge Regisseurin fällt früh aus dem Rahmen. Sie inszeniert „Romeo und Julia“ in Düsseldorf, führt das Stück auch in London auf. Aber eine Julia, die einfach nur „Wow!“ sagt, wenn Romeo ihr seine Liebe erklärt, ein Romeo, der angesichts der toten Geliebten versucht, das Gift wieder herauszuwürgen, das ist nicht der Shakespeare, wie ihn die Briten lieben. Der Kritiker des „Daily Telegraph“ schreibt, dass er den Abend lieber mit einer Wurzelbehandlung zugebracht hätte. Eine Einzelstimme. Auf dem Festland ist der Jubel groß. „Romeo und Julia“ und der „Sommernachtstraum“ werden zum Berliner Theatertreffen eingeladen, die „Nachwuchsregisseurin des Jahres“ inszeniert in Hamburg, Bochum, an den Münchner Kammerspielen und am Wiener Burgtheater. Sie führt Regie bei den Wormser Nibelungenfestspielen und bringt als Opernregisseurin unter anderem „Carmen“, „Rigoletto“, „Così fan tutte“ auf die Bühnen, „Die Entführung aus dem Serail“ sogar als Koproduktion mit der Wiener Staatsoper am Burgtheater in Wien. Sie liebt die Opernarbeit: „In dem Moment, in dem ein Sänger die richtige Leidenschaft findet, stellen sich im Zuschauerraum alle Nackenhaare auf – das schafft man im Schauspiel nie.“ Das Theater nimmt sie gefangen. Die Techniker bauen ihr einen Laufsteg über die Zuschauersitze, „damit ich während der Proben auf die Bühne rennen kann. Wenn ich sitze, langweile ich mich.“ Sie scheint keinen Stress, keine Erschöpfung zu kennen, aber sie nimmt auch Auszeiten, reist mit ihrem Mann, dem Schauspieler Michael Wittenborn, für Karin Beier Lokalrivale in Hamburg Joachim Lux, Intendant des Thalia Theaters ein halbes Jahr nach Nepal, hütet Schafe in Schottland oder arbeitet in einem Waisenhaus in Indien. 2006 kommt ihre Tochter zur Welt, im Jahr darauf wird sie Intendantin am Schauspiel Köln. Dass sie als Frau in eine Männerdomäne einbricht, findet sie nicht weiter spektakulär. Im Gegenteil. „Männer im Theaterbetrieb haben häufig den Drang, sich so darzustellen, als ob sie auf keinen Fall arbeiten, ständig auf Droge sind und irgendwie zerknirscht. Ich finde das zutiefst lächerlich und sehr deutsch. Den Frauen, die ich schätze, zum Beispiel Katie Mitchell, ist diese Attitüde fremd.“ Sie richtet in ihrem Zimmer eine Spielecke für ihre Tochter ein und macht sich an die Arbeit. Bald spielt das Schauspiel Köln in der Topliga deutscher Sprechbühnen, zweimal wird es als Theater des Jahres ausgezeichnet. Vom Start weg sprengt sie lustvoll den Rahmen jeder Konvention. Sie besetzt „König Lear“ ausschließlich mit Frauen, holt gleich in der ersten Spielzeit ein wildes Kopenhagener Performance-Kollektiv nach Köln. SIGNA bringt die Zuschauer ins Spiel. Sie finden sich in einer verstörenden Parallelwelt undurchschaubarer Psychospiele von Sex und Gewalt. „Die Erscheinungen der Martha Rubin“ locken in ein Hüttendorf irgendwo in der Stadt, mit Wirtshaus, Wahrsager und Peepshow, wo sich die ahnungslosen Mitwirkenden nach 49 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 49 22.10.13 12:41 T H E AT E R Beiermania in Köln rauschhaften Stunden im Konflikt zwischen streng religiösen Dorfbewohnern und diktatorischen Besatzern finden (freigegeben ab 18 Jahren). Ähnliche Konflikte erlebt Karin Beier bald auf politischer Ebene. Kölns Stadtväter streben nach einem Prestigeobjekt. Das in den frühen 1960er-Jahren erbaute Schauspiel- und Opernhaus soll abgerissen werden und einem glanzvollen Neubau weichen. Doch die Kassen sind leer. Der Einsturz des historischen Stadtarchivs im März 2009 reißt ein Riesenloch in den Stadtetat. Es fehlen 550 Millionen Euro. T rotzdem beschließt der Magistrat den Neubau der Oper und den Abriss des Schauspiels. Die Bürger sind auf der Zinne. Eine Initiative „Mut zu Kultur“ sammelt Unterschriften. Karin Beier plädiert gegen den Abriss und sieht sich einer Front aufgebrachter Kulturhoheiten gegenüber. Bürgermeister, Kulturreferent und Opernintendant kämpfen für den Neubau, Karin Beier für eine Sanierung, die 50 Millionen billiger wäre. In wenigen Monaten kommen 53.000 Unterschriften für das Bürgerbegehren zusammen. Der Stadtrat gibt nach. Theater und Opernhaus bleiben. Die Intendantin wird auf Kölner Art gefeiert. Ein Festwagen im Karneval zeigt sie als Befreierin. Einmischung ist Pflicht. „Im Zeitalter der Unverschämten, in der jeder Entscheidungen treffen und keiner Verantwortung tragen will, lernt jedes Kind, wie dumm es ist, Verantwortung zu übernehmen. Die Perspektive muss umgekehrt werden: Schuldig an der Demokratie wird derjenige, der keine Verantwortung übernimmt.“ Sie tut das auf ihre Art, auf der Bühne. Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek steuert eine KatastrophenTrilogie bei. Das Leitmotiv: menschliches Versagen und Menschenverachtung. Die Uraufführung von „Das Werk/ Im Bus/Ein Sturz“ wird das Theaterereignis der Spielzeit 2010/2011. „Ein Sturz“ behandelt das Verschwinden des Kölner Stadtarchivs im Abgrund von Inkompetenz und Verantwortungslosigkeit. Dem Bürgermeister wird es nicht gefallen haben, dass seine Fensterreden über die „mörderische Naturgewalt“, die das Stadtarchiv zum Einsturz gebracht haben sollten, über Lautsprecher eingespielt werden und im Theatersaal Hohnlachen, Johlen und Pfeifen auslösen. Karin Beier zeigt das Stück auch beim Hamburger Theater Festival – im Schauspielhaus, ihrer künftigen Wirkungsstätte. Mit der Spielzeit 2013/14 übernimmt sie die Leitung des Hauses an der Kirchenallee. Sie hat den Coup gut vorbereitet, reist im Februar 2011 nach Hamburg. In Hamburg sind Wahlen. Sie trifft sich mit CDUBürgermeister Christoph Ahlhaus, aber auch mit seinem Gegenkandidaten Olaf Scholz und mit den Grünen. Erst als alle Parteien ihr verbindlich zusichern, dass der Etat des Schauspielhauses kräftig aufgestockt würde, unterschreibt sie den Wechsel. Das Schauspielhaus zittert unter dem Kraftakt der Baumaßnahmen, Maschinenlärm hallt durch Flure und Foyers. Im Vorzimmer der Intendantin hält ihre Assistentin Narjes Gharsallaoui die Stellung. Das Intendantenzimmer ist leer, unbenutzt, helles Parkett, schneeweißes Mobiliar, eine weiße Récamiere, weiße USM-Schränke, ein leerer Tisch, ein paar Stühle, zwei mit rotem Plüsch. Ein schöner Raum, frei von der Aura irgendeiner Tätigkeit. Hier passiert absolut nichts. Aber in Hamburg-Ottensen, auf der Probenbühne in der Gaußstraße. Heute übt dort ein Greisenchor. Und die Intendantin, so viel ist später zu erfahren, hat sich schlapp gelacht. Fotos: dpa Picture-Alliance, interTOPICS Die Intendantin als Freiheitskämpferin im Karneval 50 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 50 25.10.13 13:30 Luxus und Lifestyle vollendet erleben Das Verlangen nach dem absolut Außergewöhnlichen findet seine ganze Erfüllung in der Exklusivität des Chalet N in Oberlech am Arlberg. Hier verbinden sich ein stilvolles Interieur-Design und die nobelste Ausstattung zu einem Ambiente auf allerhöchstem Niveau. Eingebettet in unverfälschte Natur, die den verwöhnten Gast mit ihrer Ursprünglichkeit fasziniert. K O N TA K T · www.chalet-n.com comm.ag [email protected] Foto by Sepp Mallaun © Lech Zuers Tourismus GmbH Stets persönlich für Sie bereit stehen ein Sternekoch, der Chaffeurservice sowie Butler. Das Chalet N verfügt über genügend Platz für Ihre Familie und Freunde. BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 51 25.10.13 14:48 SPORT Schattenspieler auf großer Bühne Profigolfer vertrauen ihrem Caddie blind. Wie wichtig ist der Mann an der Tasche? T E X T: H A N S B O R C H E R T N | FOTOS : D O ROT H E A SC H M I D ehmen wir Colin Byrne. Er trägt sein Turnierleibchen wie ein filigranes Kettenhemd und erinnert an Prinz Eisenherz. Scharf geschnittene Gesichtszüge, kleiner Spitzbart am Kinn – eine geradezu aristokratisch anmutende Gestalt. Geboren in Dublin. Also Ire und nicht Engländer. Sorry about that. Byrne ist der Mann an der 52 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 52 22.10.13 16:04 Allein am Abschlag Ernie Els an Loch 18 des Old Course von St. Andrews: Der Caddie tritt zurück, der Spieler ist allein am Zug. Anders auf der Driving Range (rechte Fotoleiste): Dort säubert Colin Byrne für Els Bälle, prüft auch die Länge der Übungsschläge. Stiller Beobachter an der Seite von Branden Grace ist Caddie Billy Foster. Um die Putt-Linie zu lesen, geht er zuweilen auf die Knie Seite von Ernie Els. In dieser Funktion putzt er unentwegt Bälle, säubert Schlägerblätter, trocknet Handgriffe, prüft mittels modernem Entfernungsmesser die Länge der Übungsschläge seines Herrn oder reicht ihm eine Banane. Bissfertig, die Schale geöffnet. Caddies tun das, aber Byrne ist mehr als nur Caddie. Er ist Kolumnist der „Irish Times“, ist Buchautor, ist – ja, wie soll man sagen – eine Art Golf-Psychologe und dazu ein ausgewiesener Menschensammler. Nicht der einzige übrigens in diesem Geschäft, „denn irgendwie“, so sagt er mit feinem Lächeln, „sind wir das wohl alle – Menschensammler“. Immer der eine mit dem andern – so lautet das ungeschriebene Gesetz des Profi-Golfs. Selten lebenslang, so wie Phil Mickelson und Jim Mackay. Sie sind ein Paar seit 1992. Und manchmal auch nur für eine Saison. Es gibt ohnehin keinen schriftlich fixierten Vertrag, alles basiert per Handschlag auf gegenseitigem Vertrauen. Und los geht’s. Oder eben auseinander. 53 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 53 22.10.13 16:04 SPORT Byrne kennt das Caddie-Leben seit mehr als 25 Jahren. „Man kann das nicht lernen“, sagt er am Rande der Dunhill Links Championship in Schottland. „Es gibt keine Schule, keine vorgeschriebene Ausbildung. Da ist eines Tages eine Hintertür, und durch die trittst du auf eine riesengroße Bühne. Das ist alles. Und dazu musst du nicht einmal ein guter Golfer sein. Was zählt, ist am Ende Gefühl, Erfahrung und die richtige Tasche. Will sagen: Die Chemie muss stimmen.“ H ier ein paar Namen. Sie stammen aus Byrnes Sammlung und lauten David Feherty, Paul Lawrie, Retief Goosen. Oder Alex Noren, Edoardo Molinari, Camilo Villegas. Oder eben Ernie Els. Ende der Liste und natürlich: Ende offen. Wer Byrne fragt, worauf es in seinem Job ankommt, der erhält zwei erstaunliche Antworten. „Glaube als Caddie nie, du seist der liebe Gott. Allenfalls bist du sein Schatten.“ Und: „Bewege dich immer im emotionalen Null-Modus. Jubel nicht, sei nicht enttäuscht – es gibt so viele Ups and Downs in diesem Spiel, du würdest verrückt.“ Tatsächlich sind Caddies schwerer zu lesen als ihre Spieler. Jedenfalls finden sich in ihren Gesichtern nur ganz selten besondere Regungen. Stoisch beobachten sie jeden Schlag, registrieren ausdruckslos sein Ergebnis, schultern die Tasche und machen sich auf den Weg. Wie es in ihnen aussieht – etwa wenn der Ball im hohen Rough liegt –, das geht niemanden etwas an, aber es klingt in den Worten von Byrnes Kollegen Steve Williams so: „Du musst die schlechten Gedanken hinter dir lassen, und du musst weitermachen, auch wenn die Dinge nicht gut laufen. Das ist vielleicht das Härteste überhaupt: immer positiv zu sein. Aber nur so gibst du der Geschichte manchmal eine neue Richtung.“ Williams arbeitete 13 Jahre für Tiger Woods. Er gilt als Superstar der Szene, ist vielfacher Millionär (man führt ihn in seiner Heimat Neuseeland als einen der „reichsten Sportler“), ist leidenschaftlicher Speedway-Rennfahrer, Gründer einer Stiftung, natürlich Buchautor und – wichtig dazu: Er ist auch ohne seinen ehemaligen Boss mehr als erfolgreich. Trägt dem Australier Adam Scott die Tasche, bejubelte mit ihm den Sieg beim Masters in Augusta 2013, und gemeinsam belegt das Paar Platz zwei der Weltrangliste. Obwohl „geborener Spitzenreiter“ und mehr als selbstbewusst, fügt sich Williams ganz natürlich in die überschaubar kleine Caddie-Welt. Neid, Missgunst, Rivalität – offen- sichtlich Fehlanzeige. Behauptet jedenfalls Billy Foster. „Steve ist einer von uns, und wir sind alle gleich. Kennen uns seit Jahren, reisen oft gemeinsam, helfen uns gegenseitig, sind irgendwie Teil der Familie.“ Wie Byrne ist auch Foster ein erfahrener Menschensammler. Reiselust und ein ständig nervender Vater – „ich war mit 16 Lehrling in seiner Tischlerwerkstatt, und er entließ mich mindestens dreimal die Woche“ – schickten ihn auf den Weg. „Es waren“, wie er sagt, „die Rocking Eighties. Viel Geld gab es damals noch nicht zu verdienen, wir fuhren per Anhalter, schliefen in lausigen Hotels, mussten auf der Range die Bälle noch selbst aufheben, wurden dabei oft getroffen, aber es war ein großer Spaß.“ So fing das an, und mittlerweile umfasst Fosters Portfolio Namen, die lauten unter anderem Gordon Brand Jr., Severiano Ballesteros, Darren Clarke, Sergio García, Lee Westwood und – aktuell – Berenberg-Markenbotschafter Branden Grace. Die Tasche des Südafrikaners (er tritt bei der Dunhill Links Championship als Titelverteidiger an, landet schlussendlich aber nur im Mittelfeld) ist neu, denn er und Grace sind erst seit knapp fünf Monaten ein Paar. Man gewöhnt sich noch aneinander. „Jeder Spieler ist anders“, weiß Foster. „Du versuchst dich darauf einzustellen, adaptierst sein Verhalten und findest nach und nach die richtige Ansprache.“ Der Prozess ergibt im besten Fall ein kongeniales Paar, so wie er es einmal mit Lee Westwood war. Blindes Verständnis, derselbe Humor, dieselbe Wellen- 54 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 54 23.10.13 12:41 Ein Paar unter Par Martin Kaymer und Craig Connelly sind nach kurzer Trennung wieder vereint und knüpfen mit einem Platz unter den Top Ten an alte Erfolge an. Dabei führt Connelly das Yardage Book, berät seinen Chef und versorgt ihn auf der Range mit Bällen länge. Gemeinsam stürmen sie 2011 die Weltrangliste, doch dann zieht sich Foster eine schwere Knieverletzung zu, und plötzlich ist alles aus und vorbei. „Es war bei einem Caddie-Fußballturnier, und ich habe vorsorglich nicht einmal daran teilgenommen, habe nur zum Spaß vor dem Spiel gegen den Ball getreten, bin in einem Loch hängen geblieben – und danach geradewegs in der Hölle gelandet.“ K nie kaputt, drei Operationen, 14 Monate Pause. Statt Golf englische Seifenoper im Fernsehen, die Eisbeutel auf dem Bein und im Kopf die blanke Existenzangst. Merke: Der verletzte Caddie ist schnell der vergessene Caddie. Immerhin sechs Monate hält Westwood ihm die Treue, dann kommt der Anruf. „Ich konnte ihn verstehen“, erinnert sich Billy, „aber es war so, als wäre meine eigene Frau mit meinem besten Freund durchgebrannt. Jedenfalls nichts, was ich meinem ärgsten Feind wünschen würde.“ Es gibt auf der Tour Leute, die behaupten, Foster sei seitdem ein gebrochener Mann. Aber irgendwie haben sie das alle schon einmal erlebt und sind doch weitergezogen. Mit dem nächsten Spieler und einer anderen Tasche. Rückkehr übrigens nicht ausgeschlossen, wie man an Craig Connelly sieht. Mit dem Mann aus Glasgow verbinden sich bislang Martin Kaymers größte Triumphe. Immer der eine mit dem andern – so war das von 2010 bis Anfang 2011. „Den richtigen Spieler zu finden ist für einen Caddie viel einfacher als umgekehrt“, urteilt Connelly. „Es macht klick und fühlt sich an wie verliebt.“ Eine Serie von Turniersiegen, darunter auch der Gewinn der PGA Championship, macht den Deutschen damals kurzfristig zum besten Golfer der Welt und Connelly mit rund 500.000 Euro ganz nebenbei zum bestverdienenden schottischen Caddie. Geld ist in diesen Kreisen natürlich ein großes Thema. Man redet nicht groß darüber, aber auf den letzten Spielbahnen eines Turniers, so heißt es, „liest jeder Caddie die Putt-Linie mit Dollarzeichen in den Augen“. Verständlich, denn der Löwenanteil seines Einkommens (hinzu kommen private Sponsoren oder andere Nebeneinnahmen) speist sich neben einem frei vereinbarten Fixum je Spielwoche (bis zu 2000 Euro) aus dem Anteil an den eingespielten Preisgeldern. Grundregel: Schafft der Spieler den Cut, gibt es fünf Prozent, landet er unter den Top Ten 7,5 Prozent, und bei Sieg beträgt die Börse zehn Prozent. Abzüglich Reisekosten und Spesen, denn „wie du unterwegs bist, dich verpflegst und wo du schläfst, das ist ganz allein deine Sache“, erzählt Bobby Verwey Jr., der einst Gary Player im Herbst seiner Karriere die Tasche trug. „Es ist zwar nach wie vor ein hartes Leben, und wenn die Leistung nicht stimmt, dann fliegt meist der Caddie als Erstes, aber es ist gerade heutzutage immer mehr Geld im Spiel und – überspitzt gesagt: Bei manchen Jungs fliegt der Boss im großen und sein Caddie im kleinen Learjet.“ Nicht so Connelly. Der fährt Landcruiser und leistet sich als persönlichen Luxus eine Dauerkarte auf der Tribüne von Celtic Glasgow. „Vergiss das Schlechte, behalte das Gute“ – diese vergebende Einsicht brachte ihn nach kurzzeitiger Trennung zurück an Martin Kaymers Seite. Scheidung war im April 2011, neuerliche „Hochzeit“, wie er es nennt, 2012. „Zu Anfang“, erinnert sich Connelly der damals beginnenden Probleme, „hat ein großer Moment den nächsten abgelöst, aber im Rückblick ist vieles zu schnell passiert, und leider gibt es für alles Anleitungen, nur nicht für den jähen 55 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 55 22.10.13 16:05 SPORT Kritisch beäugt Billy Foster schaffte mit Lee Westwood den Sprung auf Weltranglistenplatz eins. Gleiches strebt er jetzt mit Branden Grace an Erfolg. Es hieß, wir hätten zu viele leichte Fehler gemacht, aber ich denke, Martin stand unter einem extragroßen Druck. Er hatte den Platz von Tiger Woods eingenommen, wollte besser, immer noch besser spielen, und wenn das nicht funktioniert, dann veränderst du eben etwas – auch an der Tasche.“ H eute längst Geschichte. Gemeinsam sind sie wieder unterwegs, und wie gewohnt macht Connelly auch bei den Dunhill Links vor jedem neuen Spieltag geflissentlich seine Hausaufgaben. Wer ihm dabei zuschaut, der möchte nicht tauschen. Gespielt wird an vier Tagen auf drei unter schiedlichen Plätzen, was Dauertrab bedeutet. So sieht man ihn etwa Tag eins frühmorgens um sie ben Uhr auf den Spielbahnen von Carnoustie. Das von Caddies „Bibel“ genannte Yardage Book in der Hand läuft er über den Platz. Schaut nach der Bodenbeschaffenheit der Fairways, testet die Grasdichte im Rough, überprüft die Fahnenpositionen auf den Grüns, auch die Korrektheit der im Büchlein schon eingetragenen Angaben – etwa kleine, aus der Ferne unsichtbare Bunker oder die Neigung gen Loch abfallender Geländewellen. Notiert wird alles mit einem Bleistift, und dabei läuft immer „das eigene Kopfkino“, denn natürlich überlegt Connelly sofort: Wo sollte der Ball landen, wie und vor allem wie schnell wird er laufen, und was ist zu tun, wenn er zu kurz oder zu lang ist. Auch Schnuppern und Schnüffeln gehören zum Job, da ist ein Caddie fast so sensibel wie eine Wetterstation. Alles hat seinen Einfluss: der Luftdruck, die Temperatur, der Wind. Ein Ball in kalter Luft fliegt eben bei Nordwestwind weniger weit als ein Ball bei warmer Brise aus Südost. Kaum ist diese Arbeit erledigt, kümmert sich Connelly um das Bag, dann trifft er sich mit Martin Kaymer, und gemeinsam geht es zum Aufwärmen auf die Range. Schon die erste Begegnung am Tag ist für Caddie und Spieler ein wichtiger Augenblick. „Du sagst Hi, und danach weißt du vielleicht schon, ob dein Mann gut drauf ist.“ Sicherheit hat man darüber allerdings erst nach vier, fünf Probeschlägen. Diese Erfahrung machte jedenfalls Steve Williams mit Tiger Woods. „Schwingt er gut, dann weißt du, heute können wir eine aggressivere Linie spielen. Ist er aber unsicher und fehlt es ihm an Selbstvertrauen, dann musst du mit ihm reden. Kombiniert mit allen anderen Variablen ergibt das ein Bild, und meistens weißt du dann schon – so wird der Tag.“ Andersherum gilt: „Hast du alle Informationen, dann hat dein Spieler seinen Frieden. Er muss immer wissen, dass er sich auf seinen Caddie zu 100 Prozent verlassen kann.“ Für Kaymer und Connelly läuft es diesmal nicht schlecht. Fast fünf Stunden Spiel und drei Schläge unter Par sind ein vielversprechender Anfang, aber eben erst ein Anfang. Vor dem Klubhaus geben sie sich gegen 16 Uhr die Hand, und während Kaymer etwas zu essen bestellt, düst Caddie Connelly im Land Cruiser rund 60 Kilome ter gen Kingsbarns. Die Spielbahnen dieses Golfkurses – er ist Schauplatz von Turniertag zwei – ziehen sich atem beraubend schön entlang der wilden schottischen Küste, aber Kaymer hat dort noch keine Trainingsrunde gespielt. „Also muss ich mich jetzt genauer umschauen“, sagt Connelly, der manchmal versucht, einen Platz mit den Au gen des Architekten zu sehen, der ihn entworfen hat. „Man weiß dann umso besser, wo die Schwierigkeiten liegen und wie man ihnen im Spiel entgegentritt.“ Damit setzt er seine Kopfhörer auf und läuft beschwingten Schrittes zu Tanz musik im Ohr los. Wann der Tag endet? „Na ja, mit Materialpflege, Tasche packen und allem, was dazu gehört, so gegen 21 Uhr.“ Also 56 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 56 23.10.13 11:28 Tief bewegt Wenn Tränen fließen, ist Großes geschehen: Caddie Steve Brotherhood wird von David Howells Sieg überrascht und auch überwältigt spät. Und die Ansage für morgen? „Ganz früh aufstehen. Wir starten schon um 9.22 Uhr.“ Es gibt eine Unmenge Anekdoten über Caddies, nur leider: Der moderne Sport ist darüber hinweggezogen und produziert kaum mehr neue. Bobby Verwey Jr: „Keine Partys, keine Gelage – es herrscht absolute Disziplin. Das ist ein hochprofessionelles Geschäft, und jeder weiß: Nur die besten Caddies haben auch die besten Ergebnisse.“ W omöglich war das schon immer so. Die Geschichte hat schließlich viele legendäre Paare gesehen. Vielleicht erinnert sich noch jemand an Alfred „Big Rabbit“ Dyer? Er trug die Schläger für Gary Player. An Bruce Edwards? Er begleitete Tom Watson. Vielleicht Angelo Argea? Der zog über 20 Jahre lang mit Jack Nicklaus um die Welt. An Fanny Sunesson? Die erste Frau an der Seite eines Profi-Golfers. Es war Nick Faldo. Oder an Jeff „Squeaky“ Medlin? Seine hohe Fistelstimme trieb den jungen John Daly zum Sieg bei der PGA Championship 1991. Mit nur einem Wort vor jedem Abschlag: „Kill“. Moderne Caddies bevorzugen leisere Töne. Ohnehin haben sich diese Männer zu regelrechten Allroundern entwickeln müssen. Sind eine Art Co-Spieler, den der Profi mehr und mehr braucht. Nicht nur für Schlägerwahl oder Entfernungsangabe, sondern ebenso als Coach, Psychologe, als Taktiker, Swing-Guru, Navigator, Sicherheitschef und Unterhalter. „Es ist“, sagt einer augenzwinkernd, „wie Ehefrau zu sein, aber davon keinen klassischen Nutzen zu haben.“ Schlusstag und Finale. Kaymer und Connelly liegen gemeinsam mit Ernie Els und Colin Byrne bei 18 Schlägen unter Par und damit aussichtsreich auf einem zweiten Platz. Nebeneinander stehen die Spieler auf der Driving Range des Old Course und folgen ihrer Aufwärmroutine. Sie wissen ihre Caddies drei Schritte hinter sich, die spielen Ballmaschine und werfen ihnen wortlos blütenweiß gewienerte Kugeln zu – und hopp, hopp und hopp. Kaum zu erraten, was jetzt, was später auf der Runde in ihren Köpfen vorgeht. Steve Williams hat das einmal so geschildert: „Top-Caddies denken immer. Zuerst auf der Range: Wie ist sein Schwung heute? Welche Schläge wird er produzieren? Dann, auf dem Kurs: Was passiert als Nächstes? Wie spielt man das kommende Par 5? Aus welcher Richtung weht der Wind? Können wir das Loch direkt angreifen? Und Top-Caddies haben immer eine Strategie für die letzten drei Spielbahnen. Fall A: Dein Mann führt. Fall B: Er ist gleichauf. Fall C: Er liegt hinten. Davon hängt ab: sicher spielen oder aggressiv angreifen. Du trägst nicht einfach eine Tasche, hältst die Fahnenstange oder liest das Grün. Du denkst immer drei Schritte voraus.“ Warum auch immer: Sowohl für Kaymer/Connelly als auch für Els/Byrne reicht es bei dieser Dunhill Links Championship nicht ganz zum Sieg. Dafür triumphiert am Ende nach einem Stechen mit dem jungen Amerikaner Peter Uihlein der Brite David Howell. Ihn hatte zu Turnierbeginn so gar keiner auf der Rechnung. Natürlich hat auch Howell einen Caddie. Er heißt Steve Brotherhood, und da steht er gerade bei der Siegerehrung und fotografiert, gleich einem Schaulustigen, mit dem eigenen Handy seinen Chef. Überglücklich natürlich, denn demnächst erhält er einen Scheck in Höhe von 80.000 Dollar. „Die gönne ich ihm und seiner jungen Familie von Herzen“, sagt Howell später. „Er hat einen erstklassigen Job gemacht, er ist seit zwei Jahren ein absoluter Gewinn für mich, und dafür bedanke ich mich ausdrücklich bei ihm.“ Letzte Frage an den Caddie: Wie wird jetzt gefeiert? Brotherhood: „Ach, ich fahre jetzt sechs Stunden durch die Nacht zurück zu meiner Frau und unserer Tochter nach Nottinghamshire.“ 57 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 57 22.10.13 16:19 UHRMACHER Handwerk mit goldenem Reparatur und Wartung hochkomplizierter Zeitmesser ist ein ebenso T E X T: J A N L O R E N Z | FOTOS: GREGOR SCHLÄGER I nnen gleicht das Stammhaus „Gülden Gerd“ des Hamburger Uhren- und Schmuckherstellers Wempe einer Privatklinik für Zeitmessgeräte. Halogenlampen steuern das Licht automatisch nach Sonneneinstrahlung, in den Räumen herrscht arbeitsame Stille. Kein Radio dudelt, kein Mobiltelefon zwitschert oder blökt. Die Uhrmacher sitzen in weißen Kitteln an ergonomisch gestalteten Arbeitsplätzen mit hohen Armstützen für die ruhige Hand. Sie sind Chirurgen, die am offenen Herzen operieren, konzentriert auf das, was sie vor Augen haben, auf Winzigkeiten, Schräubchen, Stifte oder Steine, die sich nur mit der Pinzette oder einem Stück Rodico, (einer Art Uhrmacherknete) greifen lassen. Serviceleiter Taco L. Walstra, Uhrmacher und Musiker (Klavier und Saxophon) lenkt die Aufmerksamkeit des Besuchers auf das frei liegende Präzisionsuhrwerk einer „Rolex Daytona“. „Eine Uhr ist wie Musik“, sagt er mit einem Lächeln. „,Das Wohltemperierte Klavier‘ von Johann Sebastian Bach ist doch wie eine Uhr zusammengeschraubt, in der die Räder perfekt ineinandergreifen.“ Große Kunst, nur hier eben im Kleinen. Uhrmacher mögen es nicht, wenn die Tür des Operationssaals allzu oft geöffnet wird. Sie fürchten Zugluft. Besucher machen Wind, wenn sie zu schnell durch die Räume gehen. Besucher reden zu laut, stellen Fragen, lenken von der Arbeit ab. Dies ist eine Werkstatt und kein Menschenzoo für eine aussterbende Art. Ein Uhrmacher ist ein Handwerker aus einer anderen Zeit, Erfinder und Konstrukteur zugleich. Er baut Zeitmessgeräte, anfangs als filigrane Bewegungsapparate mit Glockenspiel für die Wunderkammern technikbegeisterter Fürsten. Die ersten Uhrmacher waren Schlosser und Schmiede, ein Tischler erfand den Chronometer: Der Engländer John Harrison (1693–1776), als Uhrmacher genialer Autodidakt, baute seine ersten Uhren und ihre Werke komplett aus Holz und verbrachte sein ganzes Leben damit, verstockten Hofastronomen klarzumachen, dass nur eine präzise Uhr das sogenannte Längenproblem lösen konnte. Er erfand den Schiffschronometer, mit dem es möglich war, auf hoher See 58 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 58 22.10.13 16:55 an m Boden – ein Hausbesuch o anspruchsvolles wie unverzichtbares Geschäft für den Uhrenhandel Längengrade zu ermitteln. Unglaublich: Harrisons Uhren erreichten schon vor 288 Jahren eine Genauigkeit von etwa einer Sekunde Abweichung pro Monat. Bis heute sind Uhrmacher Pioniere der Feinmechanik. Sie arbeiten als Materialforscher und Physiker, Galvaniker, Polisseure, Cadranographen, Mikromechaniker und Restauratoren. Sie sind, in aller Bescheidenheit, Meister angewandter Wissenschaft. „Das Handwerk hat sich in den vergangenen 100 Jahren kaum verändert“, erklärt Meister Walstra, „aber es gibt neue Maschinen, neue Materialien, neue Schmiermittel, neue Beschichtungen, neue Werkstoffe.“ Rad, Anker und Hemmung sind Verschleißteile, die 28.600 bis 36.000 Bewegungen in der Stunde ausführen. Die klassische Schweizer Ankerhemmung erzeugt – auf kleinstem Raum – viel Reibung. Jetzt scheint ein neues Material die Uhrenwelt zu revolutionieren: Spiralfedern aus Silizium. Spiralfedern zählen zu den kleinsten Teilen eines Uhrwerks, sind das schlagende Herz der Uhr. Silizium ist – wie Gold – antimagnetisch und lässt sich durch nichts aus dem Takt bringen. „Wir sind vom Magnetismus umgeben, von Handys und PC-Monitoren. Das iPad ist hochmagnetisch, der Induktionsherd, die Elektronik im Auto, das sind Störfelder, die auf eine Uhr einwirken. Besonders kleine Uhren sind anfällig. Deshalb ist die Demagnetisierung so wichtig.“ Tischordnung Die Automatikbaugruppe einer Rolex. Die Pinzette greift nach dem Klinkenrad aus eloxiertem Aluminium 59 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 59 23.10.13 11:30 UHRMACHER Präzision im Blick Von oben nach unten: Einsetzen eines Unruhklobens mit Spirale, zerlegtes Werk einer „Rolex Kaliber 3135“, Test der Wasserdichtigkeit einer „Wempe Zeitmeister“ und Aufspannen einer Automatikuhr zum Test auf dem Umlaufgerät Neue Werkzeuge erleichtern präzise Arbeit. Durch das Erodieren schneidet elektrischer Strom Metall im Wasserbad viel genauer, als es von Hand möglich wäre. Die Maschine wird von einem Rechner gesteuert. Rolex, unbestritten Marktführer im Luxussegment, setzt die Standards. „43 Prozent der Uhren, die zu uns gebracht werden, sind Rolex-Uhren, nicht weil sie so oft kaputtgehen, sondern einfach, weil so viele gekauft werden.“ Eine „Rolex GMT“ zu zerlegen heißt, 100 Bauteile inklusive Schrauben im Blick zu haben, gründlich zu reinigen, mit Rolex-Spezialwerkzeugen zu bearbeiten und wieder zusammenzusetzen. Zur Kontrolle gehören die Reinigung mit Ultraschall und die Dichtigkeitsprüfung. In einem geschlossenen Stahlzylinder werden 1250 Meter Wassertiefe simuliert, die Uhr durchläuft einen Tauchgang in drei Phasen zu je 20 Minuten, wird dann auf eine Heizplatte mit 36 Grad Celsius gelegt und zugleich einem Cold Spot (Kältepunkt) ausgesetzt. Wenn unter dem Glas winzige Tröpfchen Kondenswasser sichtbar werden, müssen die Dichtungsringe erneuert werden. Keine Inspektion ohne Ölwechsel. 13 verschiedene Spezialöle und Fette stehen bereit. Mit Minimalpipette an den richtigen Punkt gesetzt, garantiert ein einziges Tröpfchen harzfreies Schmiermittel eine Laufzeit von sieben Jahren. In der Polierabteilung wird mit Nesselschwabbel und Plüschmulle am Hochglanz gearbeitet und mit Mattschlagbürste an den satinierten Bereichen. Der Polisseur wendet mit zärtlich anmutenden Bewegungen seiner kuschelweichen weißen Handschuhe die Glanzstücke in seinen Händen, lässt Arbeitsspuren, feine Grate und Schweißrückstände verschwinden. Was bleibt, ist spiegelnder Glanz. Alle Uhrmacher sind auf Rolex geschult, es gibt aber auch Spezialisten für A. Lange & Söhne, Jaeger-LeCoultre, Audemars Piguet und Patek Philippe. Uhrmachermeister Ralf Borcherding hat bei Patek Philippe das Level vier erreicht, die höchste Qualifikation, Walstra stellt ihn als „unseren Olympiasieger“ vor. J unguhrmacher lernen im À-la-carte-Kurs den Umgang mit den Traditionsmarken. „Wir bilden auch UhrenSommeliers aus“, erzählt Walstra stolz. Das Problem ist, Nachwuchs zu finden. Es gibt mehr freie Stellen als gute Uhrmacher. Die Jobcenter schicken junge Leute, die für den Beruf nicht geeignet sind. Bei der Generation Nintendo, die mit Computerspielen aufgewachsen ist, zählt das Uhrma- 60 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 60 23.10.13 10:15 Jede Sekunde zählt Feinuhrmacher meister Ralf Borcherding mit einer „Lange & Söhne Zeitzone“, Schraubensortiment im Ersatzteillager, Blick in die Uhrenwerk statt und Meister Bernd Thalemann in der WempeNiederlassung am Jungfernstieg cherhandwerk nicht unbedingt zu den Trendberufen. Stillsitzen ist uncool. „Uhrmacher brauchen wie Geigenspieler nicht nur Fingerfertigkeit, sondern auch Talent“, weiß Meister Walstra. „Ganz wichtig ist das Gefühl für technische Abläufe. Das muss da sein, denn lernen kann man es nicht.“ EDV-Kenntnisse helfen nicht weiter. „Die EDV hat großen Einfluss auf die Entwicklung der Maschinen und Werkzeuge, aber keinen Einfluss auf das Handwerk. Bei allem Respekt für die Feinmotorik: Entscheidend ist der Kopf.“ „Wir kümmern uns um Uhren, die getragen werden. Manche sind Familienerbstücke“, erklärt Meister Walstra. „Nicht immer gibt es noch die Originalteile. Wir müssen sie nachbauen. Firmen wie Rolex und Patek Philippe sammeln alte Teile, kaufen sie zurück.“ Service kostet Geld. Eine komplizierte Uhr auf neuesten Stand zu bringen kann schon mal 1600 Euro kosten. „Die Werkstätten tragen sich selbst“, betont Walstra, „aber sie sind keine eigenen Profitcenter und erwirtschaften keine signifikanten Gewinne.“ L uxusuhren sind gefragt wie nie zuvor, doch im Kielwasser des Booms strudeln dunkle Geschäfte. Im Internet läuft das Geschäft mit billig gemachten Replika unter 200 Euro, die nur entfernt aussehen wie Originale, die mehr als das 100-Fache kosten. Doch es gibt auch Fälschungen, die nicht sofort als solche zu erkennen sind, weil die Fälscher mit großer Umsicht zu Werke gehen und neben hochwertigen Uhren auch Zertifikat und Originalverpackung kopieren. Die Papiere sind scheinbar in Ordnung, die Nummer stimmt. Selbst Spezialisten eines renommierten Herstellers brauchten einige Zeit, ehe sie dahinterkamen, dass da etwas nicht stimmte. Es waren Kleinigkeiten. Dass eine Fläche nicht richtig angliert und poliert wurde, dass einige Schrauben niemals die strenge Endkontrolle des Werks hätten passieren dürfen. Offenbar waren statt 100 verkaufter und registrierter Uhren 10.000 Nachbauten in Umlauf. Jemand muss dabei sehr gut verdient haben. Um dieser Kriminalität einen Riegel vorzuschieben, haben viele Hersteller die „Individualnummernverfolgung“ eingeführt. Sie wissen, an wen die Uhr ausgeliefert und von wem sie verkauft wurde. „Wir kennen den Lebenslauf der meisten Uhren, die bei uns zur Überholung abgegeben werden“, versichert Meister Walstra, „oft über Generationen hinweg.“ 61 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 61 23.10.13 10:15 AUTOMOBILE Mercedes 300 Baujahr: 1955 Leistung: 125 PS Höchstgeschwindigkeit: 160 km/h Preis: 22.000 DM „Das Beste oder nichts“? Mit beispiellosem technischem Aufwand hat Mercedes-Benz sein Flaggschiff, leistete das Spitzenprodukt des damals technologisch weltweit führenden Unternehmens aus Stuttgart gute Dienste. Heimlich, ohne Wissen der Eltern, wechselte unser Gymnasiast vom Beifahrersitz auf den Fahrersitz und lernte auf den Feldwegen seines Heimatdorfs das Autofahren. Und ohne Klagen nahm der 300er so manches Abwürgmanöver, so manch flotte Fahrt durch die Schlaglöcher der Feldwege hin: massives Holz im Armaturenbrett, satt schließende Türen, kein Knarren oder Knacken! H eute, runde 60 Jahre später, wieder das Spitzenprodukt des Hauses, der brandneue S 500 in der Lang-Version, stolze 5,36 Meter lang, gute 2000 Kilogramm schwer, begleitet von einer Betriebsanleitung von schlappen 800 Seiten, ausgestattet mit allen denkbaren Extras, die derzeit von der automobilen Spitzentechnologie bereitgehalten werden, und runde 150.000 Euro teuer. Ist dies wirklich das beste Auto, das derzeit auf dem Markt zu haben ist, erfüllt es die hohen Fotos: ©Daimler E rinnerungen tauchen auf: Ein hoch aufgeschossener Gymnasiast von vielleicht 14 Jahren sitzt neben seinem Vater und beobachtet ihn beim Autofahren – wie er mit der Lenkradschaltung umgeht und den Signalring am Lenkrad dreht, wie er die Handbremse beim Anfahren an einer Steigung löst und die Kupplung kommen lässt. Das Auto ist ziemlich neu, vielleicht zwei, drei Jahre alt. Und es ist das Beste, was es damals, Mitte der 50erJahre, zu kaufen gab: ein Mercedes 300, „der Dreihunderter“, im Volksmund auch „AdenauerMercedes“ genannt. Der Vater des Jungen hatte ihn gekauft, weil er – überwiegend mit Chauffeur – einige Zehntausend Kilometer im Jahr unterwegs war. Dafür gönnte er sich nun einmal die bequemste, sicherste und schnellste Limousine auf dem Markt. Und das war ohne Frage das Flaggschiff des Daimler-Konzerns. Es gab noch einen anderen Grund für die Anschaffung des vergleichsweise teuren Autos: Die Familie brauchte ein Fahrzeug, das auch mit sechs Personen an Bord – Eltern, vier Kinder und reichlich Gepäck – den holprigen Straßen der 50er-Jahre standhielt und nicht in die Knie ging. Das schaffte der 300er mühelos: Mit einem massiven Drehknopf am Armaturenbrett konnten die Federn verstärkt werden. Aber auch sonst 62 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 62 24.10.13 15:09 Mercedes S 500 lang Baujahr: 2013 Leistung: 450 PS Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h (abgeregelt) Preis: ab 110.000 Euro Einiges spricht dafür die S-Klasse, zur wohl komfortabelsten Limousine der Welt gemacht Erwartungen, die von der Firmenwerbung mit dem Slogan „Das Beste oder nichts“ geweckt werden? K eine Frage: Die neue S-Klasse ist – wie professionelle Autotester herausgefunden haben – den Konkurrenzprodukten von Audi und BMW in allen wichtigen Disziplinen wie Sicherheit und Straßenlage, Beschleunigung und Bremsen, Fahrleistungen und Fahreigenschaften zumindest gleichwertig, zum Teil auch überlegen. Weltweit fahren allenfalls die Autos der VolkswagenTochter Bentley, der BMW-Tochter Rolls-Royce und – mit Einschränkung – der Toyota-Tochter Lexus in dieser Liga der Luxuslimousinen: Motor und Getriebe, Quer- und Längsbeschleunigung, alles makellos. Sogar das Design, im letzten Jahrzehnt gewiss nicht die Stärke der Mercedes-Männer, scheint gelungen: Trotz seiner stattlichen Dimensionen wirkt das Auto nicht aufdringlich, sondern gut gezeichnet, mit stimmigen Proportionen und angemessen zurückhaltendem Auftritt. Warum diese Stilsicherheit im Innenraum nicht ganz durchgehalten wurde – arg viele Steppnähte, ein überkandideltes Lenkrad mit nicht weniger als drei Materialien (Leder, Holz, Aluminium) und eine à la Bentley deplatzierte Analog-Uhr –, wissen nur Eingeweihte. Aber das spielt auch keine Rolle, denn die eigentliche Stärke, der USP des Autos, ist der Komfort, das Gefühl von Ruhe und Gelassenheit. Mit ungezählten Sensoren, Elektromotoren und einer ausgefeilten Software bietet die neue S-Klasse einen wohl unerreichten Federungskomfort. Dank seines „Road Surface Scan“ werden Löcher, Rillen und sogar die in immer mehr Ortschaften verbauten Bodenschwellen von einer im Innenspiegel eingebauten Kamera erfasst und über einen Rechner in die Steuerung der Öldruckzylinder des Fahrwerks gegeben. Deshalb fährt die neue S-Klasse mit ihrem „Magic Body Control“-System in der Tat konkurrenzlos sanft über Widrigkeiten aller Art. „Der Aufbau schaukelt nicht, es gibt keine Schläge, das Auto fährt einfach weiter“, schwärmte sogar der Profi-Tester der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Noch königlicher geht es auf dem rechten Rücksitz zu, jedenfalls wenn alle Optionen wie Liegesitz, Klapptische, Fernseher, Steuergerät für Navigation und die BurmesterAudioanlage geordert und (mit einer Summe, die dem Neupreis eines VW-Golfs entsprechen dürfte) bezahlt sind. Damit verfügt der Besitzer eines S 500 L über Komfort, Entertainment-Angebot und Exklusivität eines LufthansaFirst-Class-Passagiers. Das Einzige, was er dann noch brauchen kann: einen guten – besser keinen 14-jährigen – Fahrer. 63 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 63 24.10.13 15:10 BERENBERG NEWS Vortragsabend bei Berenberg Claus Döring (Börsen-Zeitung), Dr. Hans-Walter Peters (BERENBERG), Joe Kaeser (Siemens) „Agenda 2020“ für Deutschland 150 Gäste kamen auf Einladung von Berenberg und der „Börsen-Zeitung“ zu einem Vortrag von Joe Kaeser, dem Vorstandsvorsitzenden von Siemens, in die Kassenhalle von Berenberg in Hamburg. „Regieren und Wirtschaften“ hatte der neue Siemens-Chef seinen Vortrag überschrieben – ein Thema, das bei den Gästen auf außerordentlich großes Interesse stieß. In einem seiner ersten Auftritte als Chef eines der größten deutschen Indutrieunternehmen entwarf Kaeser so etwas wie seine „Agenda 2020“: Ein eindrucksvolles Plädoyer für Innovationsbereitschaft und Offenheit, für Nachhaltigkeit und Toleranz. Sein Forderungskatalog an die künftige Bundesregierung erschien den Berenberg-Gästen so plausibel, dass sie empfahlen, das Konzept unverzüglich an das Kanzleramt weiterzureichen. BerenbergKids 100.000 Dollar für bedürftige Kinder Mehr als 100.000 Dollar kamen beim Gary Player Invitational, presented by Berenberg im renommierten Went- worth Club in London zusammen. Golfikone Gary Player (Foto), der seit Langem mit dem Hause Berenberg freundschaftlich verbunden ist und auch als Turnierbotschafter für die Berenberg Masters aktiv ist, sammelte mit seiner Stiftung in den vergangenen 30 Jahren rund 50 Millionen Dollar für bedürftige Kinder. Investorenkonferenz Intensiver Dialog zwischen Unternehmen und Investoren 114 Unternehmen aus DAX, MDAX, SDAX und TecDAX präsentierten sich Ende September bei der zweiten Berenberg and Goldman Sachs German Corporate Conference in München – ein Zuwachs von 20 Prozent im Vergleich zum letzten Jahr. 90 Prozent der DAX-30Unternehmen waren dabei. Groß war auch das Interesse auf Anlegerseite: 426 Investoren aus 22 Ländern waren gekommen, darunter 14 der 20 weltweit größten Asset Manager. „Als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt genießt Deutschland international einen hervorragenden Ruf. Gemeinsam mit Goldman Sachs bieten wir ein Forum für einen intensiven Dialog zwischen deutschen Unternehmen und internationalen Investoren“, sagt BerenbergPartner Hendrik Riehmer. 64 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 64 25.10.13 13:13 14.000 Besucher erlebten ihre Idole bei den Berenberg Masters 2013 in Köln Berenberg Masters Flagship Event der European Senior Tour Bernhard Langer hatte alles gegeben, um seinen Rückstand von nur zwei Schlägen wettzumachen. Vier Konkurrenten konnte er bei seinem einzigen Auftritt auf deutschem Boden überholen, doch Steen Tinning aus Dänemark behielt auf einer spannenden Schlussrunde die Nerven und holte sich im Golf- und Land-Club Köln den Titel bei den Berenberg Masters 2013. Insgesamt 207 Schläge (–9) hatte der Däne auf seiner Scorekarte notiert und erhielt dafür den Siegerpokal. „Es waren drei harte Tage, und ich war froh, als ich die 18 gespielt hatte“, so der 51-jährige Däne. Langer zeigte dem Publikum und seiner Mutter, die am Finaltag ihren 90. Geburtstag feierte, unglaublichen Kampfgeist und hervorragendes Golf. Doch leider fielen einmal mehr die Putts nicht wie gewünscht und verhinderten ein noch besseres Ergebnis. Am Ende blieb nach einer Runde von 68 Schlägen und einem Gesamtergebnis von 208 (–8) ein Schlag Rückstand auf den Spitzenplatz. „Ich habe heute noch besser gespielt als an den beiden ersten Tagen. Besonders die Eisenschläge sind mir hervorragend gelungen. Leider hatte ich bei den Putts richtiges Pech.“ Auf Platz drei beendete Nick Job (England) mit 209 Schlägen (–7) das Turnier. Dahinter kam mit 210 Schlägen (–6) Miguel Ángel Martín (Spanien) auf Rang vier. Nicht nur die sportlichen Leistungen der 73 Spieler waren herausragend, sondern das gesamte Turnier hat seine Position als Flagship Event auf der European Senior Tour weiter ausbauen können. „Mit mehr als 14.000 Besuchern an drei Turniertagen wurde eine neue Rekordzahl erreicht, die ich vielleicht erhofft, aber sicher nicht erwartet habe“, meinte Berenberg-Chef Dr. Hans-Walter Peters. 65 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 65 23.10.13 11:07 BERENBERG NEWS Oldtimer vor Schloss Bensberg Berenberg online Schloss Bensberg Classics Berenberg-Team fährt in die Top Ten Die Schloss Bensberg Classics hat sich in nur fünf Jahren zur hochkarätigsten Oldtimerveranstaltung in Deutschland entwickelt. Berenberg hat das aus Rallye und Concours d’Elegance bestehende Event von Anfang an als Sponsor partner unterstützt. In diesem Jahr gelang dem „1590 Beren berg Classic Team“ erstmals der Sprung unter die Top Ten der RallyeGesamtwertung. Dieter Asbach und Gunter Blum belegten mit ihrem Porsche 914/6 Platz acht. Mit drei Teams unter den ersten 20 konnte Berenberg sogar die Werk teams von Porsche, Audi und Volkswagen hinter sich lassen. Jeden Morgen um acht Uhr heißt es in unserer Niederlassung London „Ruhe, bit te!“. Fünf Videoclips werden täglich produ ziert und auf der Web site berenberg.de und auf dem Berenberg YoutubeChannel on line gestellt. „Equities in 100 seconds“ heißt Berenberg-Website ausgebaut zu das Format, mit dem einem Newsportal mit einer Vielzahl an aktuellen Informationen unsere Aktienanaly sten die wichtigsten Bewertungen des Tages vorstellen. Da Berenberg mittlerweile 500 europäische Aktienwerte beo bachtet, ist die BerenbergWebsite zu einer gefragten Platt form für Investoren geworden, die sich für europäische Un ternehmen interessieren. Neben den Videoclips, einem Blog und einer Mediathek gibt es aber auch ein breites Angebot an schriftlichen Informationen – von aktuellen volkswirtschaft lichen Nachrichten bis zu unserem gesamten Aktien und Fixed Income Research, zu dem sich jeder Interessent anmel den kann und Zugriff erhält. Fotos: Reinhard Klein, Berenberg „Equities in 100 seconds“ U N S E R E STA N D O R T E Hamburg Neuer Jungfernstieg 20 • Telefon 040 350 60-0 Boston 255 State Street • Telefon +1 617 292-82 00 Bielefeld Welle 15 • Telefon 0521 97 79-0 Genf 29, Quai du Mont-Blanc • Telefon +41 22 308 59-00 Braunschweig Vor der Burg 1 • Telefon 0531 12 05 82-0 London 60 Threadneedle Street • Telefon +44 20 32 07-78 00 Bremen Hollerallee 77 • Telefon 0421 348 75-0 Luxemburg 46, Place Guillaume II • Telefon +352 46 63 80-1 Düsseldorf Cecilienallee 4 • Telefon 0211 54 07 28-0 New York 712 Fifth Avenue • Telefon +1 646 445-72 00 Frankfurt Bockenheimer Landstraße 25 • Telefon 069 91 30 90-0 Paris 48, avenue Victor Hugo • Telefon +33 1 58 44 95-00 München Maximilianstraße 30 • Telefon 089 25 55 12-0 Shanghai 841, Yan an Road (M.) • Telefon +86 21 64 18 84-11 Stuttgart Bolzstraße 8 • Telefon 0711 490 44 90-0 Wien Schottenring 12 • Telefon +43 1 227 57-0 Zürich Kreuzstrasse 5 • Telefon +41 44 284 20-20 66 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 66 24.10.13 15:27 TRAUM | EWIGKEIT UHREN SCHMUCK JUWELEN Berlin Düsseldorf Frankfurt Hamburg München Nürnberg | Basel Bern Davos Genève Interlaken Lausanne Locarno Lugano Luzern St. Gallen St. Moritz Zermatt Zürich | Wien | Paris | bucherer.com BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 67 23.10.13 11:08 April 1819. François Constantin beginnt mit der internationalen Ausweitung der Handelstätigkeiten von Vacheron Constantin. Während einer Italienreise hält der Visionär in einem Brief an die Manufaktur jene Worte fest, die zum Leitgedanken des Unternehmens werden sollten: „faire mieux si possible, ce qui est toujours possible…“ [„das Unmögliche möglich machen“]. Getreu dem Leitgedanken, der die Geschichte des Hauses prägte, definiert Vacheron Constantin die Grenzen in der Uhrmacherkunst immer wieder neu, um seinen Kunden den höchsten Standard an Technik und Ästhetik, mit Liebe zum Detail, zu bieten. Patrimony Traditionnelle Tourbillon 14 Tage Kaliber 2260, Rotgold (5N) 18K, Versilbertes Opalin-Zifferblatt, Genf Genfer Punze, Mechanisches Uhrwerk mit Handaufzug, Tourbillon, Ø 42 mm Ref. 89000/000R-9655 Vacheron Constantin · Postfach 21 01 20 · 80671 München · Tel. +49 (0)89 55 984 325 · Fax +49 (0)89 55 984 310 www.vacheron-constantin.com · www.thehourlounge.com 68 BB_No15_vorl_RZ_vom_17102013_ac.indd 68 23.10.13 11:09