Diakonie kann Gleichstellung von AVR und Tarif nur mit

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Diakonie kann Gleichstellung von AVR und Tarif nur mit
Diakonie kann Gleichstellung von AVR und Tarif nur mit
Satzungsänderungen erreichen
Erfurt (epd). Die Frage, ob die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) von
Caritas und Diakonie den Tarifverträgen gleichgestellt werden
können, bleibt vorerst offen. Das vom Bundesarbeitsgericht (BAG)
in Erfurt erhoffte Grundsatzurteil zum so genannten »Dritten Weg«
blieb aus. Für weite Teile der Diakonie allerdings ist danach klar:
Ohne grundlegende Änderungen in den regionalen Satzungen ist
eine Gleichstellung nicht zu erreichen.
Die Caritas betreibt bundesweit 25.000 Einrichtungen mit
zusammen 470.000 Beschäftigten, die Diakonischen Werke 26.000
Einrichtungen mit 430.000 Beschäftigten. Die bei der Caritas
einheitlich und bei der Diakonie in weiten Teilen geltenden AVR
werden jeweils in mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern besetzten
»Arbeitsrechtlichen Kommissionen« beschlossen. Die Einstufung
dieses »Dritten Weges« als tarifgleich ist auf zwei Ebenen von
großem Interesse: Zum einen geht es um die so genannten
Öffnungsklauseln, die immer häufiger in Gesetzen auftauchen.
Damit gibt der Gesetzgeber den Tarifparteien bestimmte
Regelungskompetenzen, etwa zur Riesterrente oder zu
Teilzeitarbeit und befristeter Beschäftigung. Würden die
Arbeitsrechtlichen Kommissionen den Tarifparteien gleichgestellt,
so könnten auch Caritas und Diakonie diese Regelungsspielräume
nutzen.
Zweitens geht es um Ausgliederungen von Betriebsteilen und einen
dadurch gewünschten Tarifwechsel - beispielsweise vom BAT
(Bundesangestelltentarif) bzw. BAT-KF (kirchliche Fassung) zu den
AVR, oder von den AVR in einen privatwirtschaftlichen Tarif.
Hintergrund sind hier die in Paragraf 631a des Bürgerlichen
Gesetzbuchs (BGB) getroffenen Regelungen für den so genannten
Betriebsübergang. Danach tritt der Käufer eines Betriebes oder
Betriebsteils in die Pflichten des früheren Arbeitgebers ein. Waren
dort die Arbeitsbedingungen tariflich geregelt und gilt für den Käufer
zwingend ein anderer Tarifvertrag, so darf er diesen neuen
Tarifvertrag sofort anwenden.
Im konkreten Fall gliederte der Kirchenkreis Siegen 1998 seine
häusliche Krankenpflege in eine eigenständige gemeinnützige
GmbH aus. Die »Ambulante Diakonische Dienste Siegerland
gGmbH« trat dem Diakonischen Werk Westfalen bei und wollte
nach einer Übergangsfrist von einem Jahr statt des BAT-KF die
AVR anwenden. Kurzfristig sollten die alten Löhne zwar geschützt
sein, mittelfristig aber hätte eine halbtags beschäftigte
Krankenschwester gut 300 Mark (154 Euro) weniger im Geldbeutel
gehabt. Sie klagte (und mit ihr 35 Kolleginnen und Kollegen); nach
dem Arbeitsgericht Siegen und dem Landesarbeitsgericht (LAG)
Hamm gab ihr nun auch das BAG Recht.
Während das LAG meinte, eine Gleichstellung der
Arbeitsrechtlichen Kommission mit den Tarifparteien sei »nicht
vertretbar«, weil Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Kommission
nicht gleichermaßen unabhängig agieren könnten, äußerte sich das
BAG zu dieser Frage nicht. Grund: Das Diakonische Werk
Westfalen lässt in seiner Satzung den Einrichtungen die Wahl, ob
sie die AVR oder den BAT-KF anwenden wollen. Damit sei die
Anwendung der AVR für den Pflegedienst nicht zwingend, so das
BAG. Selbst wenn also die AVR als Tarifvertrag gelten würden,
würde es daher nach den Regeln des Betriebsübergangs keinen
automatischen Tarifwechsel geben.
Günther Barenhoff, Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks
Westfalen, räumte ein, dass Lohnkürzungen in unteren
Einkommensbereichen für die Diakonie »politisch problematisch«
seien. Andererseits wachse der Wettbewerbsdruck. Zudem zahlten
Kirche und Diakonie in ihren Niedriglohngruppen immer noch
deutlich mehr als die Privatwirtschaft. Die Gewerkschaft ver.di
begrüßte das Urteil: Es bestätige, dass »bei einem
Betriebsübergang im diakonischen Bereich nicht einseitig vom
bestehenden Tarifvertrag abgewichen werden kann«, sagte ver.diFachgruppenleiter Kirchen, Diakonie und Caritas, Günter Busch.
Nach ver.di-Einschätzung ist das Urteil in der Diakonie nahezu
bundesweit übertragbar. Nun müssten die diakonischen Werke ihre
Satzungen und gegebenenfalls auch die Landeskirchen ihre
Gesetze in der Weise ändern, dass die Anwendung der AVR
zumindest für neue Einrichtungen verbindlich ist. Erst dann, so der
Tenor des Erfurter Urteils, würde sich das BAG überhaupt erst mit
der Frage befassen, ob die AVR als tarifgleich anzusehen sind. Ob
für die Diakonie Westfalen solche Änderungen nun angestrebt
werden, wollte Geschäftsführer Barenhoff nicht sagen. Busch
allerdings bezweifelt, ob dies überhaupt zulässig wäre, und verweist
dazu auf einen Schiedsspruch der Schlichtungsstelle der
Evangelischen Kirche von Westfalen. Danach sind die
Landeskirchen nicht berechtigt, den rechtlich eigenständigen
diakonischen Einrichtungen die Anwendung bestimmter AVR oder
Tarife vorzuschreiben.
Klärung könnte ein Fall aus der Caritas schaffen. Ein Streit aus dem
St.-Joseph-Stift in Bremen liegt nach Auskunft der
Geschäftsführung bereits dem Landesarbeitsgericht der Hansestadt
vor: Das Krankenhaus wendet die AVR der Caritas an. 2001
gliederte es die Reinigungsarbeiten in eine eigenständige
Dienstleistungsgesellschaft aus. Diese wollte sofort auf den
Tarifvertrag für das Gebäudereinigerhandwerk umsteigen - und der
klagenden Raumpflegerin danach je Stunde 6,25 Mark (3,20 Euro)
weniger bezahlen. In erster Instanz gab das Arbeitsgericht der Frau
Recht und begründete dies damit, dass die AVR nicht tarifgleich
seien.
Martin Wortmann
BAG, Aktenzeichen 4 AZR 101/01
Arbeitsgericht Bremen, Aktenzeichen 5 Ca 5092/01
Schlichtungsstelle der Ev. Kirche von Westfalen, Aktenzeichen 2 M
88/00
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