- jesus-christus-erloesungsweg-zum-ewigen

Transcription

- jesus-christus-erloesungsweg-zum-ewigen
Z5 - Zeugnisse für die Gemeinde — Band 5 (2002)
iInformationen
zu diesem Buch
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ....................................................................................................................................................... 14
Zeugnisse für die Gemeinde — Nummer 31 ................................................................................................. 16
Kapitel 1: An die Lagerversammlung ......................................................................................................... 16
Kapitel 2: Unsere Missionsschule .............................................................................................................. 29
Kapitel 3: Elterliche Erziehung ................................................................................................................... 44
Kapitel 4: Ein wichtiges Zeugnis................................................................................................................. 53
Kapitel 5: Die Zeugnisse geringschätzig behandelt.................................................................................... 70
Kapitel 6: Die Angestellten in unserer Missionsschule ............................................................................... 92
Kapitel 7: Verurteilung von Eifersucht und Tadelsucht ............................................................................. 102
Kapitel 8: Der Tag des Herrn ist nahe ...................................................................................................... 107
Kapitel 9: Unkluge Heiraten ..................................................................................................................... 114
Kapitel 10: Warnungen und Ermahnungen .............................................................................................. 122
Kapitel 11: Arbeiter für Gott ...................................................................................................................... 141
Kapitel 12: Satans Gehilfen ...................................................................................................................... 146
Kapitel 13: Will ein Mensch Gott berauben? ............................................................................................ 157
Kapitel 14: Die Kraft der Wahrheit ............................................................................................................ 166
Kapitel 15: Unsere Lagerversammlungen ................................................................................................ 171
Kapitel 16: Brüderliche Liebe ................................................................................................................... 176
Kapitel 17: Fleiss bei der Arbeit................................................................................................................ 187
Kapitel 18: Umzug nach Battle Creek ...................................................................................................... 191
Kapitel 19: Weltlichkeit in der Gemeinde .................................................................................................. 197
Kapitel 20: Dürfen wir spiritistische Ärzte konsultieren? ........................................................................... 201
Kapitel 21: Aufsehen auf Jesum............................................................................................................... 209
Kapitel 22: Ruf nach Arbeitern ................................................................................................................. 212
Kapitel 23: Das Siegel Gottes .................................................................................................................. 217
Kapitel 24: Ein Aufruf ............................................................................................................................... 227
Kapitel 25: Christliche Einigkeit ................................................................................................................ 246
Zeugnisse für die Gemeinde — Nummer 32 ............................................................................................... 259
Kapitel 26: Das Werk der Diener des Evangeliums.................................................................................. 259
Kapitel 27: Christliches Wachstum ........................................................................................................... 274
Kapitel 28: Treue im Werke Gottes .......................................................................................................... 284
Kapitel 29: Der Einfluss des Unglaubens ................................................................................................. 298
Kapitel 30: Der Betrug der Sünde ............................................................................................................ 302
Kapitel 31: Kritik an Predigern .................................................................................................................. 311
Kapitel 32: Treue und Ausdauer erforderlich ............................................................................................ 316
Kapitel 33: Die Sünde der Unzufriedenheit .............................................................................................. 324
Kapitel 34: „Lobet den Herrn“ ................................................................................................................... 330
Kapitel 35: Die Verantwortung der Eltern ................................................................................................. 334
Kapitel 36: Die Erziehung der Kinder ....................................................................................................... 338
Kapitel 37: Christliche Nachsicht .............................................................................................................. 347
Kapitel 38: Weltlicher Ehrgeiz .................................................................................................................. 352
Kapitel 39: Liebe unter Brüdern................................................................................................................ 358
Kapitel 40: Kaufet die Zeit aus ................................................................................................................. 366
Kapitel 41: Die Herstellung von Wein und Most ....................................................................................... 372
Kapitel 42: Ehen mit Ungläubigen ............................................................................................................ 380
Kapitel 43: Unterhalt der Stadtmissionen ................................................................................................. 387
Kapitel 44: Der wahre Missionsgeist ........................................................................................................ 404
Kapitel 45: Junge Männer als Missionare ................................................................................................ 410
Kapitel 46: Die Wichtigkeit des Kolportagewerkes ................................................................................... 416
Kapitel 47: Das Verlagswerk .................................................................................................................... 428
Kapitel 48: Geschäft und Religion ............................................................................................................ 446
Kapitel 49: Weltliche Gesinnung — ein Fallstrick ..................................................................................... 453
Kapitel 50: Die Verantwortlichkeit des Arztes ........................................................................................... 463
Kapitel 51: Die kommende Krise .............................................................................................................. 474
Kapitel 52: Die Gemeinde das Licht der Welt ........................................................................................... 480
Kapitel 53: Josua und der Engel .............................................................................................................. 494
Zeugnisse für die Gemeinde — Nummer 33 ............................................................................................... 504
Kapitel 54: Einigkeit und Liebe in der Gemeinde...................................................................................... 504
Kapitel 55: Das Betragen im Hause Gottes .............................................................................................. 518
Kapitel 56: Religion und wissenschaftliche Erziehung ............................................................................. 528
Kapitel 57: Die Erziehung unserer Kinder ................................................................................................ 532
Kapitel 58: Gefahren für die Jugend......................................................................................................... 535
Kapitel 59: Passender Lesestoff für Kinder .............................................................................................. 544
Kapitel 60: Rat an die Jugend .................................................................................................................. 548
Kapitel 61: Weltliche Gesinnung .............................................................................................................. 557
Kapitel 62: Praktische Gottseligkeit .......................................................................................................... 560
Kapitel 63: „Euer vernünftiger Gottesdienst“ ............................................................................................ 570
Kapitel 64: Weltliche Einflüsse ................................................................................................................. 571
Kapitel 65: Bedürfnisse unserer Anstalten ............................................................................................... 578
Kapitel 66: Unsere Einrichtungen in Battle Creek .................................................................................... 583
Kapitel 67: Christlicher Einfluss im Heim und in der Gemeinde ............................................................... 597
Kapitel 68: Ein beeindruckender Traum ................................................................................................... 600
Kapitel 69: Tägliches Bibelstudium ist notwendig .................................................................................... 602
Kapitel 70: Ausbildung von Arbeitern ....................................................................................................... 609
Kapitel 71: Unheiliger Ehrgeiz .................................................................................................................. 615
Kapitel 72: „Meidet allen bösen Schein!“ .................................................................................................. 620
Kapitel 73: Liebe zu den Irrenden ............................................................................................................ 633
Kapitel 74: Gemeindepflichten ................................................................................................................. 643
Kapitel 75: Ein Brief.................................................................................................................................. 651
Kapitel 76: Gottes Liebe zu Sündern........................................................................................................ 659
Kapitel 77: Ein annehmbares Bekenntnis ................................................................................................ 665
Kapitel 78: Falsche Vorstellungen vom Bekenntnis ................................................................................. 672
Kapitel 79: Gottes Gegenwart eine Realität ............................................................................................. 681
Kapitel 80: Natur und Einfluss der „Zeugnisse“ ........................................................................................ 685
Kapitel 81: Unbegründete Berichte .......................................................................................................... 722
Kapitel 82: Ein vorgetäuschtes Wunder ................................................................................................... 727
Kapitel 83: Die Geheimnisse der Bibel — ein Beweis für ihre göttliche Eingebung ................................. 729
Kapitel 84: Der kommende Konflikt .......................................................................................................... 742
Kapitel 85: Der „American Sentinel“ und sein Auftrag ............................................................................ 750
Kapitel 86: Arbeiter im Werk .................................................................................................................... 752
Kapitel 87: Die unschätzbare Gabe.......................................................................................................... 761
Kapitel 88: Der Charakter Gottes in Christo offenbart .............................................................................. 769
Kapitel 89: Das Wort ward Fleisch ........................................................................................................... 778
Kapitel 90: Gottes Fürsorge für sein Werk ............................................................................................... 781
Vorwort
„Zeugnisse für die Gemeinde“, Band 5, umfaßt die Zeugnisse Nummer 31-33 in dem ereignisreichen
Zeitraum von 1881 bis 1889. Das Werk der Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten hatte sich
schnell entwickelt. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika dehnte es sich nach allen Richtungen
aus und erreichte auch den äußersten Westen des Landes. Damit folgten sie den Pionieren, die dorthin
gezogen waren, um das Land zu erschließen.
Außerdem wurden neue Gebiete für die Mission geöffnet. Europa wurde in Angriff genommen. Auch
Schwester E.G. White begab sich 1885 dorthin und half während ihres zweieinhalbjährigen Aufenthalts
beim Aufbau des Werkes in verschiedenen Ländern Europas.
Im Jahr 1885 reisten die Ältesten S.N. Haskell und J.O. Cortiss mit einer Gruppe von Arbeitern nach
Australien, um dort mit der Arbeit zu beginnen.
1887 begaben sich die Ältesten D.A. Robinson und C.L. Boyd nach Afrika. Bruder Abraham La Rue,
ein Laienglied, brachte im gleichen Jahr die Adventbotschaft nach Hongkong.
Neue Einrichtungen und Anstalten wurden gegründet und bereits bestehende erweitert. Das alles
brachte auch neue Probleme und Schwierigkeiten mit sich, die gelöst werden mußten.
Eine gegnerische Gruppe, die sich vor einigen Jahren von der Gemeinde getrennt hatte, machte
weiterhin Schwierigkeiten, und einer der leitenden Evangelisten gab seinen Stand für die Wahrheit auf
und war bald aktiv tätig, das Werk niederzureißen, das er zuvor mit aufgebaut hatte.
Im Herbst des Jahres 1888 wurde die Generalkonferenzversammlung in Minneapolis gehalten, die
für die Gemeinschaft der S.T.A. von so hervorragender Bedeutung war.
Als Schwester Whites Arbeit an diesem Band 5 zum Abschluss kam, zeichnete sich eine äußerst
große Krise ab, denn es gab in der Regierung der USA eifrige Befürworter eines Sonntagsgesetzes.
15
Die Prophetin sah den kommenden Kampf voraus, dem die Gemeinde begegnen muss, wenn der
abgefallene Protestantismus sich mit dem Katholizismus vereinigt, um unterdrückende Maßnahmen zu
treffen.
So werden in Band 5 der „Zeugnisse für die Gemeinde“ eine größere Anzahl Punkte angesprochen
als in allen anderen der insgesamt neun Bände. Viele Zeugnisse richten sich auch an Einzelpersonen,
deren Fälle und die ihnen erteilten Warnungen, Tadel und Ratschläge von allgemeinem Interesse
waren.
Wegen seiner zeitgemäßen Botschaften ist dieser Zeugnisband für die heutige Gemeinde von
großem Wert. Er weist uns auf die Nähe des Endes, den kommenden Kampf und die notwendige
Vorbereitung hin. Prediger und Arbeiter werden zu tieferer Weihe und Hingabe aufgerufen. Ärzte
werden beraten. Lehrer werden davor gewarnt, weltlichen Grundsätzen und Methoden zu folgen.
Studenten wird empfohlen, sich ernsthaft auf das Predigtamt vorzubereiten anstatt weltliche Berufe zu
ergreifen. Eltern bekommen Ratschläge über Haushaltsführung und Kindererziehung. Männer, die
vorgeben, neues Licht zu haben, und es anderen aufdrängen wollen, obwohl es den fundamentalen
Lehren der Gemeinde widerspricht, werden zurechtgewiesen. Die Gemeinden und ihre Glieder werden
zur Erweckung und Reformation aufgerufen.
Mögen alle Belehrungen, Ermahnungen und alle ermutigenden Worte, die in diesem vorliegenden
Band enthalten sind, jedem Leser zum Segen gereichen und ihm in der Vorbereitung auf das ewige
Leben von Nutzen sein.
Die Herausgeber.
Zeugnisse für die Gemeinde — Nummer 31
Kapitel 1: An die Lagerversammlung
Boulder, Colorado
25. September 1881
Liebe Geschwister, die ihr an der Lagerversammlung in Michigan teilnehmen werdet:
[Dieser Aufruf wurde für die Lagerversammlung in Michigan geschrieben, wurde zu jener Zeit jedoch
vergessen, aber später dann vor der Generalkonferenz im Dezember 1881 verlesen.]
Ich habe an dieser Versammlung ein tieferes Interesse als an allen anderen, die in dieser Saison
abgehalten wurden. Michigan wurde nicht die Arbeit zuteil, die ihm eigentlich zustand. Gott hat euch mit
wichtigen Einrichtungen versehen, was euch größere Verantwortlichkeiten auferlegt als jeder anderen
Vereinigung im ganzen Feld. Euch wurde großes Licht geschenkt, dem aber nur wenige gefolgt sind.
Aber ich bin zärtlich besorgt um unsere lieben Geschwister in Michigan. Die Warnung, daß der
Menschensohn bald in den Wolken des Himmels erscheinen wird, ist für viele eine vertraute
Redewendung geworden. Sie haben die wartende, wachsame Stellung aufgegeben. Der selbstsüchtige,
weltliche Geist, der sich im Lebensstil offenbart, ist ein Anzeiger der Gefühle des Herzens: „Mein Herr
kommt noch lange nicht.“ Matthäus 24,48. Einige sind in so dichte Finsternis gehüllt, daß sie öffentlich
ihren Unglauben kundtun, trotz der Erklärung unseres Heilandes, daß alle solche untreue Knechte sind,
deren Lohn mit den Heuchlern und Ungläubigen sein wird.
Unsere Prediger kommen nicht ihrer vollen Pflicht nach. Die Aufmerksamkeit des Volkes sollte auf
das bedeutungsvolle Ereignis gelenkt werden, das so nahe vor der Tür steht. Die Zeichen der Zeit
müssen ihnen lebendig vor Augen gestellt werden. Die prophetischen Gesichte von Daniel und
Johannes sagen eine Zeit moralischer Finsternis und des Verfalls voraus. Aber in der
17
Zeit des Endes — der Zeit, in der wir jetzt leben — soll das Gesicht reden und nicht verziehen. Wenn
die vorausgesagten Zeichen stattfinden, wird den Wartenden und Wachsamen geboten, aufzusehen
und ihre Häupter zu erheben, weil sich ihre Erlösung naht. Lukas 21,28.
Wenn man bei diesen Themen verweilt, wie es der Fall sein sollte, werden sich Spötter entwickeln,
die nach ihren eigenen Lüsten wandeln und sagen: „Wo ist die Verheißung seiner Zukunft? denn
nachdem die Väter entschlafen sind, bleibt es alles, wie es von Anfang der Kreatur gewesen ist.“
2.Petrus 3,4. Aber „wenn sie sagen werden: Es ist Friede, es hat keine Gefahr, — so wird sie das
Verderben schnell überfallen.“ 1.Thessalonicher 5,3. „Ihr aber, liebe Brüder, seid nicht in der Finsternis,
daß euch der Tag wie ein Dieb ergreife.“ 1.Thessalonicher 5,4. Gott sei gedankt, nicht alle werden in
der Wiege fleischlicher Sicherheit in den Schlaf gewiegt werden. Es wird Treue geben, welche die
Zeichen der Zeit erkennen. Während eine große Anzahl derer, die sich zur gegenwärtigen Wahrheit
bekennen, ihren Glauben durch ihre Werke verleugnen, werden einige bis ans Ende ausharren.
Der gleiche Geist der Selbstsucht, der Übereinstimmung mit den Gewohnheiten der Welt, der in den
Tagen Noahs herrschte, existiert auch in unseren Tagen. Viele, die sich Kinder Gottes nennen, folgen
ihren irdischen Bestrebungen mit einem Eifer, der ihr Bekenntnis Lügen straft. Sie werden bis zum
letzten Augenblick ihrer Gnadenzeit pflanzen und bauen, kaufen und verkaufen, essen und trinken und
freien und sich freien lassen. Dies ist der Zustand einer großen Anzahl unserer Geschwister. Weil die
Ungerechtigkeit überhand nimmt, erkaltet die Liebe bei vielen. Nur von wenigen kann gesagt werden:
„Ihr seid allzumal Kinder des Lichtes und Kinder des Tages; wir sind nicht von der Nacht noch von der
Finsternis.“ 1.Thessalonicher 5,5.
Ich fühle große Seelenlast, wenn ich den großen Mangel an geistlicher Gesinnung unter uns sehe.
Die Moden und Sitten der Welt, Stolz, Liebe zum Vergnügen, Liebe zum Schaugepränge, zur
Extravaganz in Kleidung, Häusern und Ländern — all dies beraubt Gottes Schatzhaus. Die Mittel, die
benutzt werden
18
sollten, um das Licht der Wahrheit in die Welt hinausstrahlen zu lassen, werden zur Befriedigung des
eigenen Ichs verwandt. Eigensüchtigen Zwecken gilt die erste Aufmerksamkeit. Die Aufgabe, Männer
für die Seelenrettung auszubilden, wird nicht so wichtig angesehen wie weltliche Unternehmungen.
Seelen gehen aus Mangel an Erkenntnis zugrunde. Diejenigen, die das Licht der gegenwärtigen
Wahrheit hatten, aber sich nicht gedrungen fühlten, ihre Mitmenschen vor dem kommenden Gericht zu
warnen, müssen sich vor Gott für die Vernachlässigung ihrer Pflicht verantworten. Das Blut von Seelen
wird an ihren Kleidern kleben.
Die alten Bannerträger werden schwach und sinken dahin. Unsere jungen Männer wurden nicht
erzogen, ihre Verantwortlichkeit Gott gegenüber zu empfinden. Es wird ihnen nur wenig Anreiz geboten,
im Werk zu arbeiten, und sie suchen sich solche Felder aus, die den höchsten Lohn bei der geringsten
Anstrengung und Verantwortung versprechen. Obgleich wir uns dem Ende nähern, ist unter uns als
Volk keine Zunahme an geistlicher Gesinnung festzustellen. Wir erkennen nicht die Größe und
Wichtigkeit der Aufgabe, die vor uns liegt. Deshalb fassen wir keine weitreichenden, umfassenden
Pläne. Es besteht ein trauriger Mangel an Männern und Frauen, die vorbereitet sind, das wachsende
Werk für diese Zeit voranzutreiben.
Wir verrichten nicht den zwanzigsten Teil von dem, was Gott von uns erwartet. Es hat ein
Abweichen von der Einfachheit des Werkes stattgefunden, und dadurch ist es kompliziert, schwer
verständlich und schwierig ausführbar geworden. Das Urteil und die Weisheit von Menschen anstatt
Gottes, haben es zu oft geleitet und beherrscht. Viele empfinden, daß sie keine Zeit haben, über Seelen
zu wachen wie solche, die darüber Rechenschaft ablegen müssen. Welche Entschuldigung werden sie
vorbringen können, daß sie das wichtige Werk vernachlässigt haben, das zu tun sie verpflichtet waren?
In unserer Missionsschule sollten junge Männer so sorgfältig und gründlich wie irgend möglich
herangebildet werden, daß sie vorbereitet sind, für Gott zu arbeiten. Aus diesem Grunde wurde die
Anstalt ins Leben gerufen. All unsere Brüder sollten sich nicht nur dafür interessieren, sondern auch
darüber wachen,
19
daß diese Einrichtung nicht zweckentfremdet und nach dem Vorbild anderer Einrichtungen dieser Art
umgestaltet wird. Stets sollten die religiösen Interessen gewahrt bleiben. Die Zeit nähert sich ihrem
Abschluß. Die Ewigkeit ist nahe. Die große Ernte muß eingesammelt werden. Was tun wir, um uns auf
diese Aufgabe vorzubereiten?
Die leitenden Männer unserer Missionsschule benötigen Frömmigkeit und Hingabe. Sie sollten die
Bibel zur Lebensregel und zu ihrem Führer machen und auf das feste prophetische Wort „als ein Licht,
das da scheint an einem finsteren Ort“ (2.Petrus 1,19) achten. Nicht einer von uns darf es sich
erlauben, auch nur für einen Augenblick sorglos zu sein, denn „des Menschen Sohn wird kommen zu
einer Stunde, da ihr‘s nicht meinet.“ Matthäus 24,44. Nur jene, die getreulich im Gutestun fortfahren,
werden Lohn empfangen. Vieles, das nicht mit Christi Sinn übereinstimmt, wird unter uns gestattet.
Ungeheiligte Prediger, Lehrer und Professoren unterstützen Satan dabei, sein Banner mitten in unseren
Festungen aufzupflanzen.
Über den Zweck unserer Missionsschule wurde immer wieder gesprochen. Aber viele sind vom Gott
dieser Welt so verblendet worden, daß sie ihre wahre Bedeutung nicht erkennen. Gott wünscht, daß
unsere jungen Männer dort zu ihm hingezogen werden, daß sie dort vorbereitet werden, Christi
Evangelium zu verkündigen. Sie sollen dort lernen, aus dem unerschöpflichen Schatzhaus des Wortes
Gottes Neues und Altes zur Unterweisung und zur Veredlung des Volkes hervorzubringen. Lehrer und
Professoren müssen sich der Gefahren dieser Zeit und des Werkes, das getan werden muß, um ein
Volk auf den Tag des Herrn vorzubereiten, bewußt werden.
Einige der Lehrer haben, anstatt mit Christo zu sammeln, eher zerstreut. Durch ihr eigenes Beispiel
haben sie diejenigen, die ihrer Obhut anvertraut sind, dazu verleitet, die Sitten und Gewohnheiten der
Weltmenschen anzunehmen. Sie verbinden ihre Studenten mit modischen, vergnügungssüchtigen
Ungläubigen und führen sie einen Schritt näher zur Welt und von Christo weg. Dies tun sie trotz aller
Warnungen vom Himmel, die nicht nur im allgemeinen, sondern ihnen ganz persönlich erteilt werden.
Wegen dieser Dinge ist des Herrn Zorn entbrannt.
20
Gott wird die Treue seines Volkes prüfen. Viele der von den bekenntlichen Dienern Gottes
begangenen Fehler sind auf ihre Eigenliebe, ihren Wunsch nach Anerkennung, ihren Durst nach
Volkstümlichkeit zurückzuführen. Auf diese Art verblendet, erkennen sie nicht, daß sie Finsternis anstatt
Licht verbreiten. „Darum gehet aus von ihnen und sondert euch ab, spricht der Herr, und rühret kein
Unreines an, so will ich euch annehmen und euer Vater sein, und ihr sollt meine Söhne und Töchter
sein, spricht der allmächtige Herr.“ 2.Korinther 6,17.18. Dies sind die Bedingungen, unter denen wir als
Gottes Kinder anerkannt werden können — Trennung von der Welt und Entsagung von allen Dingen,
die verführen, bezaubern und bestricken.
Der Apostel Paulus erklärt, daß es den Kindern Gottes nicht möglich ist, sich mit Ungläubigen zu
verbinden: „Ziehet nicht am fremden Joch mit den Ungläubigen.“ 2.Korinther 6,14. Dies bezieht sich
nicht nur auf die Ehe. Jedes enge Vertrauensverhältnis und jede Teilhaberschaft mit solchen, die weder
Gott noch die Wahrheit lieben, ist eine Schlinge.
Der Apostel fährt fort: „Denn was hat die Gerechtigkeit zu schaffen mit der Ungerechtigkeit? Was hat
das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis? Wie stimmt Christus mit Belial? Oder was für ein Teil hat
der Gläubige mit dem Ungläubigen? Was hat der Tempel Gottes für Gleichheit mit den Götzen? Ihr aber
seid der Tempel des lebendigen Gottes; wie denn Gott spricht: ‚Ich will unter ihnen wohnen und unter
ihnen wandeln und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein‘“. 2.Korinther 6,14-16. In Anbetracht
dieser Tatsachen erklärt er: „Darum gehet aus von ihnen und sondert euch ab, spricht der Herr, und
rühret kein Unreines an, so will ich euch annehmen.“ 2.Korinther 6,17. „Dieweil wir nun solche
Verheißungen haben, meine Liebsten, so lasset uns von aller Befleckung des Fleisches und des
Geistes reinigen und fortfahren mit der Heiligung in der Furcht Gottes.“ 2.Korinther 7,1.
Kommen wir diesen Bedingungen nach, wird der Herr seine Verheißungen erfüllen. Aber wir haben
ein Werk zu tun, das wir unter keinen Umständen versäumen dürfen. Mit Jesu
21
Hilfe können wir es bewerkstelligen. Wir können stets vorwärts und aufwärts drängen und ständig an
Gnade und Erkenntnis der Wahrheit zunehmen.
Die Kinder des Lichtes und des Tages sollten nicht die Schatten der Nacht und der Finsternis um
sich sammeln, von welchen die Täter der Ungerechtigkeit umgeben sind. Ganz im Gegenteil — sie
sollen treu auf ihrem Posten als Lichtträger stehen und Licht von Gott empfangen, um es über
diejenigen auszugießen, die sich in Finsternis befinden. Der Herr fordert von seinem Volk, seine
Redlichkeit zu bewahren, indem es sich von den Gewohnheiten der Gottlosen fernhält — sie nicht
berührt, sie nicht nachahmt.
Christen sind in dieser Welt ein „auserwähltes Geschlecht“, ein „heiliges Volk“, das die Tugenden
des verkündigt, der sie „von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht“ berufen hat. 1.Petrus 2,9.
Dieses Licht darf nicht verlöschen, sondern soll immer heller scheinen bis auf den hellsten Tag. Christi
Bannerträger dürfen nicht pflichtvergessen sein. Sie haben einen wachsamen Feind, der ständig auf der
Lauer liegt, die Festung einzunehmen. Einige der bekenntlichen Wächter haben den Feind in ihre
Festung eingeladen, haben sich mit ihm verbündet. In ihrem Bemühen zu gefallen, haben sie die
Trennungsmauer zwischen den Kindern Gottes und den Kindern Satans niedergerissen.
Es war nie des Herrn Absicht, daß unsere Missionsschule andere Bildungsanstalten nachahmen
sollte. Das religiöse Element sollte vorherrschen. Wenn Ungläubige diesen Einfluß wählen, ist es gut.
Wenn diejenigen, die sich in Finsternis befinden, ans Licht drängen — dann ist es ja gerade das, was
Gott beabsichtigt. Aber in unserer Wachsamkeit nachzulassen und dem weltlichen Element die Zügel
zu überlassen, um mehr Studenten zu gewinnen — das widerspricht dem göttlichen Willen. Die Kraft
unserer Schule besteht gerade darin, das religiöse Element in den Vordergrund zu stellen. Wenn Lehrer
oder Professoren den religiösen Grundsatz aufgeben, um einer weltlichen, vergnügungssüchtigen
Klasse zu gefallen, dann sollten sie als untreu betrachtet und ihrer Stellung enthoben werden.
22
Die packende Botschaft, die seit vielen Jahren in unseren Ohren klingt, daß der Herr vor der Tür
steht und wir uns bereit machen müssen, ist heute nicht von geringerer Tragweite als damals, als wir
sie zuerst vernahmen. In dieser Botschaft ist das höchste Interesse der Gemeinde und des Volkes
Gottes und das Schicksal einer unbußfertigen, gottlosen Welt für Zeit und Ewigkeit eingeschlossen. Wir
alle haben mit dem Gericht zu tun. „Denn er selbst, der Herr, wird mit einem Feldgeschrei und der
Stimme des Erzengels und mit der Posaune Gottes herniederkommen vom Himmel, und die Toten in
Christo werden auferstehen zuerst. Darnach wir, die wir leben und übrig bleiben [bis zum Kommen des
Herrn], werden zugleich mit ihnen hingerückt werden in den Wolken dem Herrn entgegen in der Luft,
und werden also bei dem Herrn sein allezeit.“ 1.Thessalonicher 4,16.17. Christus wird dann vom
Himmel kommen, um „Rache zu geben über die, so Gott nicht erkennen, und über die, so nicht
gehorsam sind dem Evangelium unsers Herrn Jesu Christi.“ 2.Thessalonicher 1,8.
Diese wichtigen Ereignisse stehen nahe bevor. Doch viele, die vorgeben, an die Wahrheit zu
glauben, schlafen. Wenn sie in ihrer gegenwärtigen Stellung der Freundschaft mit der Welt beharren,
werden sie bestimmt zur Klasse derer gezählt werden, die durch den untreuen Knecht dargestellt ist,
der in seinem Herzen sagte: „Mein Herr kommt noch lange nicht.“ Matthäus 24,48. Nur jenen, die in
Hoffnung und Glauben warten, wird Christus „ohne Sünde zur Errettung“ erscheinen. Viele haben die
Theorie der Wahrheit, kennen aber nicht die Kraft der Gottseligkeit. Wohnte das Wort Gottes im Herzen,
würde es das Leben beherrschen. Glaube, Reinheit und Übereinstimmung mit dem Willen Gottes würde
von seiner heiligenden Kraft zeugen.
Die Verantwortung der Prediger
Auf den Wächtern ruht eine feierliche Verantwortung. Wie sorgfältig sollten sie vorgehen, um das
Wort Gottes recht zu verstehen und auszulegen! „Selig ist, der da liest und die da
23
hören die Worte der Weissagung und behalten, was darin geschrieben ist.“ Offenbarung 1,3. Der
Prophet Hesekiel sagt: „Und des Herrn Wort geschah zu mir und sprach: Du Menschenkind, predige
den Kindern deines Volks und sprich zu ihnen: Wenn ich ein Schwert über das Land führen würde, und
das Volk im Lande nähme einen Mann unter ihnen und machten ihn zu ihrem Wächter, und er sähe das
Schwert kommen über das Land und bliese die Drommete und warnte das Volk, — wer nun der
Drommete Hall hörte und wollte sich nicht warnen lassen, und das Schwert käme und nähme ihn weg:
desselben Blut sei auf seinem Kopf; denn er hat der Drommete Hall gehört und hat sich dennoch nicht
warnen lassen; darum sei sein Blut auf ihm. Wer sich aber warnen läßt, der wird sein Leben
davonbringen. Wo aber der Wächter sähe das Schwert kommen und die Drommete nicht bliese noch
sein Volk warnte, und das Schwert käme und nähme etliche weg: dieselben würden wohl um ihrer
Sünde willen weggenommen; aber ihr Blut will ich von des Wächters Hand fordern. Und nun, du
Menschenkind, ich habe dich zu einem Wächter gesetzt über das Haus Israel, wenn du etwas aus
meinem Munde hörst, daß du sie von meinetwegen warnen sollst. Wenn ich nun zu dem Gottlosen
sage: Du Gottloser mußt des Todes sterben! und du sagst ihm solches nicht, daß sich der Gottlose
warnen lasse von seinem Wesen, so wird wohl der Gottlose um seines gottlosen Wesens willen
sterben, aber sein Blut will ich von deiner Hand fordern. Warnest du aber den Gottlosen vor seinem
Wesen, daß er sich davon bekehre, und er will sich nicht von seinem Wesen bekehren, so wird er um
seiner Sünde willen sterben, und du hast deine Seele errettet.“ Hesekiel 33,1-9.
Die Verantwortlichkeit der heutigen Wächter ist weit größer als zur Zeit der Propheten, weil wir uns
helleren Lichtes und größerer Vorrechte und Gelegenheiten erfreuen als sie. Es gehört zur Pflicht des
Predigers, jeden Menschen mit aller Sanftmut und Weisheit zu warnen und zu unterweisen. Er darf sich
nicht den Gewohnheiten der Welt anpassen. Als Gottes Diener muß er für den Glauben kämpfen, der
einmal den Heiligen anvertraut worden ist. Satan ist fortwährend bemüht, die
24
Festungen niederzureißen, die ihn daran hindern, zu Seelen Zugang zu finden. Während unsere
Prediger nicht mehr geistlich gesinnt und während sie nicht eng mit Gott verbunden sind, gewinnt der
Feind große Vorteile, und der Herr hält die Wächter für seinen Erfolg verantwortlich.
Ich möchte jetzt vor allen, die sich zu dieser Konferenz hier versammeln, meine warnende Stimme
erheben. Das Ende aller Dinge steht vor der Tür. Meine Geschwister, Prediger und Laienglieder, es
wurde mir gezeigt, daß ihr jetzt anders arbeiten müßt als bisher. Stolz, Eifersucht, Aufgeblasenheit und
unheilige Unabhängigkeit haben eure Tätigkeit entstellt. Wenn Männer Satan gestatten, ihnen zu
schmeicheln und sie zu erhöhen, kann der Herr wenig für sie und durch sie verrichten. Zu welch
unermeßlicher Demütigung ließ sich der Menschensohn herab, um die Menschheit emporzuheben!
Gottes Arbeiter — nicht nur die Prediger, sondern auch das Volk — benötigen die Sanftmut und Demut
Christi, wenn sie ihren Mitmenschen nützen wollen. Als Gott erniedrigte sich unser Erlöser, als er die
menschliche Natur annahm. Ja, er erniedrigte sich noch mehr. „Er erniedrigte sich selbst und ward
gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.“ Philipper 2,8. Könnte ich doch Worte finden, euch
diese Gedanken nahezubringen! Möchte doch der Vorhang beiseite gezogen werden, daß ihr die
Ursache eurer geistlichen Schwäche erkennen könntet! Könntet ihr doch den reichen Vorrat an Gnade
und Macht erkennen, der euch zur Verfügung steht! Die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten, sollen
satt werden. Wir müssen größeren Glauben üben, Gott um alle benötigten Segnungen zu bitten. Wir
müssen kämpfen, ringen, zur engen Pforte einzugehen.
Christus sagt: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.
Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so
werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.“ Matthäus 11,28.29. Ich bezeuge euch, meine lieben
Geschwister und Prediger, ja dem ganzen Volk, daß ihr diese Lektion noch nicht gelernt habt. Christus
erduldete Schande, Seelenschmerz und den bitteren Tod für uns. „Ein jeglicher sei gesinnt,
25
wie Jesus Christus auch war.“ Philipper 2,5. Ertragt Vorwurf und Beschimpfung ohne Rachegedanken,
ohne Vergeltung zu üben. Jesus starb, nicht nur um uns zu versöhnen, sondern auch um uns ein
Vorbild zu hinterlassen. Welch wundersame Herabneigung! Welch unvergleichliche Liebe! Könnt ihr,
wenn ihr den Lebensfürsten am Kreuz erblickt, Selbstsucht hegen? Könnt ihr dann noch Haß und
Rache üben?
Laßt den stolzen Geist sich in Demut niederbeugen. Laßt das harte Herz doch zerbrechen. Pflegt,
bemitleidet und erhöht nicht länger das eigene Ich. Schaut, o schaut auf ihn, den unsere Sünden
durchbohrt haben! Seht, wie er Schritt für Schritt den niederen Weg der Demut geht, um uns
emporzuheben, wie er sich zu den tiefsten Tiefen herabläßt, um uns zu retten, die wir durch Sünde
gefallen sind. Wie können wir nur so gleichgültig, so kalt, so förmlich, so stolz und so selbstgenügsam
sein?
Wer von uns folgt getreulich dem Vorbild? Wer von uns hat den Kampf gegen den Stolz des
Herzens begonnen und fortgeführt? Wer hat allen Ernstes mit der Selbstsucht gekämpft, bis sie nicht
länger mehr im Herzen wohnt und sich im Leben offenbart? Wollte Gott, daß die uns erteilten Lektionen
angesichts des Kreuzes Christi und der sich erfüllenden Zeichen des nahenden Gerichts unsere Herzen
so beeindrucken möchten, daß wir demütiger, selbstverleugnender, freundlicher zueinander, weniger
egozentrisch, weniger kritisch und williger werden möchten, einer des andern Last zu tragen, als es bis
heute der Fall gewesen ist
Es wurde mir gezeigt, daß wir als Volk uns von der Einfachheit des Glaubens und der Reinheit des
Evangeliums immer mehr entfernen. Viele befinden sich in großer Gefahr. Wenn sie sich nicht ändern,
werden sie als fruchtlose Reben vom Weinstock entfernt. Geschwister, es wurde mir gezeigt, daß wir an
der Schwelle zur ewigen Welt stehen. Wir müssen jetzt bei jedem Schritt Siege davontragen. Jede gute
Tat ist ein Same, der Frucht zum ewigen Leben trägt. Jeder errungene Erfolg bringt uns eine Sprosse
höher auf der Leiter des Fortschritts und verleiht uns geistliche Kraft für neue Siege. Jede richtige
Handlung bereitet den Weg, sie zu wiederholen.
26
Einige sind am Ende ihrer Gnadenzeit angelangt. Steht es gut um sie? Sind sie für das ewige Leben
geschickt? Wird ihr Bericht nicht ungenutzte Gelegenheiten, vernachlässigte Vorrechte, ein Leben der
Selbstsucht und der Weltlichkeit, das keine Frucht zur Verherrlichung Gottes gebracht hat, aufweisen?
Und wieviel des Werkes, das der Meister uns auftrug, blieb ungetan? Überall um uns her gibt es
Seelen, die gewarnt werden müssen. Aber wie oft wurde die Zeit damit zugebracht, dem eigenen Ich zu
dienen! Seelen starben ungewarnt und ungerettet; und dieser Bericht kam vor Gott.
Immer noch hegt der Herr Absichten der Barmherzigkeit mit uns. Es ist noch Raum zur Buße. Wir
können Geliebte Gottes werden. Ich bitte euch, die ihr das Erscheinen unseres Herrn in weite Ferne
gerückt habt, daß ihr sofort damit beginnt, die Zeit auszukaufen. Studiert Gottes Wort. Benutzt alle
diese Versammlung, einen Bund mit Gott zu schließen, jedes leichtfertige, unnütze Geschwätz und
alles wertlose, unwichtige Lesen aufzugeben. Versprecht Gott, daß ihr im kommenden Jahr die Bibel
mit Fleiß und Andacht studieren werdet, damit ihr imstande seid, mit Sanftmut und Furcht jedermann,
der euch fragt, Grund der Hoffnung zu geben, die ihr hegt. Wollt ihr nicht ohne zu zögern eure Herzen
vor Gott demütigen und euer Abweichen bereuen?
Niemand sollte auf den Gedanken kommen, daß ich je ein deutliches Zeugnis, das ich bestimmten
Personen oder dem ganzen Volk erteilt habe, bereue oder es zurücknehme. Wenn ich geirrt habe, dann
darin, daß ich die Sünde nicht entschlossener und strenger getadelt habe. Einige der Brüder haben die
Verantwortung auf sich genommen, mein Werk zu kritisieren und einen leichteren Weg vorzuschlagen,
Verkehrtheit zu korrigieren. Diesen Personen möchte ich sagen: Ich gehe Gottes Weg und nicht euren.
Was ich durch Zeugnis oder Tadel gesagt oder geschrieben habe, ist nicht zu deutlich ausgedrückt
worden.
Gott hat mir mein Werk aufgetragen. Ich muß ihm im Gericht begegnen. Diejenigen, die ihren
eigenen Weg gewählt haben, die sich gegen die klaren Zeugnisse, die ihnen gegeben wurden, empört
haben und die noch versuchten, den Glauben
27
anderer an die Zeugnisse zu erschüttern, müssen sich vor Gott verantworten. Ich nehme nichts zurück.
Ich schwäche nichts ab, um ihren Ideen entgegenzukommen oder ihre Charakterfehler zu
entschuldigen. Ich habe nicht so deutlich gesprochen, wie es der Fall erfordert hätte. Diejenigen, die in
irgendeiner Weise versuchten, die Kraft der starken Verweise abzuschwächen, die Gott mir in den
Mund legte, müssen ihrem Tun im Gericht begegnen.
Während ich in den letzten Wochen dem Tod ins Auge sah, stand mir die Ewigkeit sehr nahe. Wenn
es dem Herrn gefällt, mir aus meinem gegenwärtigen Zustand der Schwäche aufzuhelfen, hoffe ich,
durch die Gnade und Kraft von oben, treu die Worte wiederzugeben, die mir der Herr in den Mund legt.
In meinem ganzen Leben ist es mir sehr schwer gefallen, die Gefühle anderer zu verletzen oder ihren
Selbstbetrug zu zerstören, wenn ich ihnen die Zeugnisse übermittelte, die Gott mir für sie gab. Es ist
gegen meine Natur. Es bereitet mir große Pein und viele schlaflose Nächte. Jenen, die mich getadelt
und mir in ihrem menschlichen Urteil einen Weg vorgeschlagen haben, der ihnen klüger erscheint,
wiederhole ich: Ich akzeptiere euer Bemühen nicht. Überlaßt mich Gott und seiner Belehrung. Ich will
des Herrn Worte annehmen und sie dem Volk vermitteln. Ich erwarte nicht, daß alle den Tadel
annehmen und ihr Leben reformieren. Aber trotzdem muß ich meine Pflicht erfüllen. Ich möchte demütig
vor Gott wandeln und meiner Aufgabe für Zeit und Ewigkeit nachkommen.
Gott hat meinen Brüdern nicht das Werk aufgetragen, das er mir übergeben hat. Es wurde
behauptet, daß meine Art und Weise zu tadeln andere veranlaßt hat, scharf, kritisch und streng
vorzugehen. Ist es so, dann müssen sie sich dafür vor dem Herrn verantworten. Wenn andere eine
Verantwortlichkeit auf sich nehmen, die der Herr ihnen nicht aufgetragen hat; wenn sie die
Unterweisungen mißachten, die er immer wieder durch das geringe Werkzeug seiner Wahl, freundlich,
geduldig und nachsichtig zu sein, gegeben hat, — dann sind sie allein für die Folgen verantwortlich. Mit
sorgenbeladenem Herzen habe ich meine unliebsame Pflicht gegenüber meinen liebsten Freunden, ja
28
selbst meinem Ehemann, erfüllt und nicht gewagt, mich zu schonen und Tadel zurückzuhalten. Und ich
werde nicht weniger treu sein, andere zu warnen, sie gehorchen oder lassen es. Wenn ich zum Volk
rede, sage ich vieles, was ich mir nicht vorgenommen habe. Oftmals kommt der Geist des Herrn über
mich. Es scheint mir, als stünde ich außerhalb meiner selbst. Das Leben und der Charakter
verschiedener Personen stehen mir klar vor Augen. Ich sehe ihre Verirrungen und ihre Gefahr und fühle
mich gezwungen auszusprechen, was ich sehe. Ich wage nicht, dem Geist Gottes zu widerstehen.
Ich weiß, daß einigen meine Zeugnisse nicht gefallen. Sie entsprechen nicht ihren stolzen,
ungeheiligten Herzen. Immer schmerzlicher empfinde ich den Verlust, den unser Volk erleidet, weil es
versäumt, das Licht, das Gott ihm sendet, anzunehmen und zu befolgen. Meine jungen Brüder im
Predigtamt, ich bitte euch, mehr über eure feierliche Verantwortung nachzudenken. Wenn ihr euch Gott
weiht, könnt ihr in der Gemeinde und in der Welt einen machtvollen Einfluß zum Guten ausüben. Aber
euch mangelt von Herzen kommende Frömmigkeit und Weihe. Gott hat euch gesandt, sowohl durch
eure guten Werke als auch durch eure Worte und Theorien ein Licht für die Welt zu sein. Aber viele von
euch können mit den törichten Jungfrauen verglichen werden, die kein Öl in ihren Lampen hatten.
Meine Brüder, beachtet den Tadel und den Rat des Treuen Zeugen, und Gott wird für euch und mit
euch wirken. Eure Feinde mögen stark und entschlossen sein. Aber jemand, der stärker und mächtiger
ist als sie, ist euer Helfer. Laßt das Licht scheinen, und es wird sein Werk verrichten. Der Herr der
Heerscharen ist mit uns. Der Gott Jakobs ist unsere Zuflucht.
Kapitel 2: Unsere Missionsschule
[Verlesen in College Hall, Dezember 1881,
vor den Abgeordneten der Konferenz und den Leitern
des Review and Herald, des Sanatoriums und der Schule.]
Es besteht die Gefahr, daß unsere Missionsschule sich von ihrem ursprünglichen Zweck abwendet.
Gott hat seine Absicht deutlich kundgetan. Er wünschte, daß unser Volk eine Gelegenheit haben sollte,
sich in wissenschaftlichen Zweigen auszubilden und gleichzeitig mit den Anforderungen seines Wortes
bekannt zu werden. Die biblischen Themen sollten behandelt werden. Das Studium der Schrift muß in
unserem Erziehungssystem den ersten Platz einnehmen. Aus großen Entfernungen werden Studenten
in unsere Schule in Battle Creek gesandt, und zwar genau zu dem Zweck, um dort Unterweisung über
biblische Themen zu erhalten. Aber seit ein oder zwei Jahren besteht die Tendenz, unsere Schule nach
dem Muster anderer Lehranstalten auszurichten. Wenn dies geschieht, können wir Eltern nicht
ermutigen, ihre Kinder auf unsere Schule in Battle Creek zu schicken. Der sittliche und religiöse Einfluß
darf nicht in den Hintergrund gedrängt werden. In der Vergangenheit hat Gott mit den Bemühungen der
Lehrer zusammengewirkt, und viele Seelen haben die Wahrheit erkannt und angenommen. Als Resultat
ihres Schulaufenthalts sind sie in ihr Heim zurückgekehrt und lebten fortan für Gott. Als sie sahen, daß
das Studium der Bibel einen Teil ihrer Erziehung beansprucht, wurden sie veranlaßt, dies als einen
interessanten und wichtigen Gegenstand zu betrachten.
Zu wenig Aufmerksamkeit wurde der Ausbildung junger Männer zum Predigtamt geschenkt. Dies
war doch der Hauptgrund, weshalb diese Missionsschule ins Leben gerufen wurde. Auf keinen Fall darf
dies ignoriert oder als zweitrangig betrachtet werden. Seit einigen Jahren haben aber nur wenige jene
Einrichtung wohl vorbereitet verlassen, andere in der Wahrheit zu unterweisen. Einige, die unter großen
Ausgaben die Schule besuchten, um sich auf das Predigtamt vorzubereiten, wurden von
30
den Lehrern ermutigt, sich einem langjährigen Studium zu unterwerfen. Um Mittel für diesen Zweck zu
erlangen, sind sie in die Kolportage eingetreten und haben den Gedanken an das Predigtamt völlig
aufgegeben. Dies ist ganz verkehrt. Uns bleiben nicht viele Jahre für die Arbeit. Lehrer und Direktoren
sollten sich vom Geiste Gottes leiten lassen und in Übereinstimmung mit seinem offenbarten Willen
arbeiten, anstatt ihren eigenen Plänen zu folgen. Wir verlieren jedes Jahr viel, weil wir nicht beachten,
was Gott betreffs dieses Punktes gesagt hat.
Unsere Missionsschule wurde von Gott dazu bestimmt, den wachsenden Bedürfnissen in dieser Zeit
voller Gefahren und Sittenverderbnis abzuhelfen. Das Studium von Büchern allein kann den Studenten
nicht die Erziehung vermitteln, die sie brauchen. Es muß ein breiteres Fundament gelegt werden. Die
Schule wurde nicht gegründet, um den Stempel der Gedanken irgendeines Mannes zu tragen. Lehrer
und Direktor sollten als Brüder zusammenarbeiten. Sie sollten sich miteinander und mit Predigern und
leitenden Männern beraten. Vor allem müssen sie nach Weisheit von oben trachten, damit all ihre
Entscheidungen, was die Schule betrifft, Gottes Wohlgefallen finden.
Den Studenten lediglich Buchweisheit zu vermitteln, ist nicht der Zweck der Schule. Solche
Erziehung kann auf jeder weltlichen Schule erlangt werden. Es wurde mir gezeigt, daß es Satans
Absicht ist, die Erreichung des Zieles zu verhindern, weshalb diese Schule gegründet wurde. Durch
seine List verblendet, urteilen ihre Verwalter wie die Welt und ahmen ihre Pläne und Gebräuche nach.
Aber indem sie so handeln, entsprechen sie nicht dem Sinn des Geistes Gottes.
Eine weit umfassendere Erziehung wird benötigt, eine Ausbildung, die von Lehrern und Direktoren
mehr Nachdenken und Anstrengungen erfordert als die gewöhnlichen Wissenschaften. Damit der
Charakter sich voll und edel entwickeln kann, braucht er eine angemessene Disziplin. Die Studenten
sollten in der Schule eine solche Erziehung erlangen, die sie befähigt, in der Gesellschaft eine achtbare,
ehrenhafte und tugendhafte Stellung einzunehmen, entgegen den sittenwidrigen Einflüssen, welche die
Jugend verderben.
31
Es wäre angebracht, wenn mit unserer Missionsschule Land zur Kultivierung und Werkstätten unter
Anleitung von dazu befähigten Männern verbunden werden könnten, wo die Studenten in den
verschiedenen Sparten körperlicher Arbeit unterrichtet werden. Durch das Versäumnis, körperliche
Anstrengung mit der geistigen Anspannung zu verbinden, geht viel verloren. Die Mußestunden der
Studenten werden oft mit leichtfertigen Vergnügungen vergeudet, welche die körperlichen, geistigen
und moralischen Kräfte schwächen. Unter der herabwürdigenden Macht sinnlicher Genüsse oder
unzeitiger Erregung durch Liebesaffären und Eheschließung versäumen viele Studenten, jene Höhe
geistiger Entwicklung zu erlangen, zu der sie andernfalls befähigt gewesen wären.
Den Jugendlichen sollte jeden Tag aufs neue ihre Pflicht Gott gegenüber vor Augen gestellt werden.
Sein Gesetz wird fortwährend übertreten, selbst von Kindern gläubiger Eltern. Einige dieser
Jugendlichen begeben sich in Lasterhöhlen, und die Kräfte des Geistes und des Körpers leiden
darunter. Diese Klasse verführt andere, ihren verderblichen Wegen zu folgen. Während Direktoren und
Lehrer Unterweisung in den Wissenschaften erteilen, wendet Satan alle höllischen Kräfte auf, um die
Gemüter der Studenten unter seine Herrschaft zu bringen und sie dem Untergang entgegenzuführen.
Im allgemeinen besitzt die Jugend nur wenig moralische Kraft. Dies ist auf mangelnde Erziehung in
der Kindheit zurückzuführen. Eine Erkenntnis des Charakters Gottes und unserer Pflicht ihm gegenüber
darf nicht als zweitrangig betrachtet werden. Die Religion der Bibel ist der einzige Schutzwall für die
Jugend. In unseren Lehranstalten müssen Moral und Religion besondere Beachtung finden.
Die Bibel als Unterrichtsbuch
Kein anderes Studium wird jeden Gedanken, jedes Empfinden und alles Bestreben so veredeln wie
das Studium der Schrift. In diesem heiligen Wort tut Gott den Menschen seinen Willen kund. Hier
können wir lernen, was Gott von den nach seinem Bilde erschaffenen Wesen erwartet. Hier lernen wir,
wie
32
man das irdische Leben verbessern und das zukünftige Leben erlangen kann. Kein anderes Buch kann
den fragenden Geist und das sehnsüchtige Herz besser zufriedenstellen, als die Bibel es zu tun
vermag. Erlangt der Mensch eine Erkenntnis des Wortes Gottes und richtet er sich danach, dann kann
er sich aus den tiefsten Tiefen der Unwissenheit und Erniedrigung erheben und zu einem Gotteskind
und Gefährten sündloser Engel werden.
Ein klarer Begriff davon, was Gott ist, und was wir nach seinem Willen sein sollen, wird uns zu tiefer
Demut veranlassen, was uns selbst betrifft. Wer das heilige Wort in rechter Weise studiert, wird lernen,
daß der menschliche Verstand unzulänglich ist, daß menschliche Kraft und Weisheit ohne göttliche Hilfe
nur Schwäche und Unwissenheit darstellt.
Als erzieherische Kraft ist die Bibel ohne Konkurrenz. Nichts wird alle Fähigkeiten so beleben, als
wenn forschende Studenten sich mit den erstaunlichen Wahrheiten der Offenbarung befassen. Das
Gemüt paßt sich Schritt für Schritt den Gegenständen an, bei denen es verweilen darf. Befaßt sich der
Verstand nur mit gewöhnlichen Dingen, anstatt auch mit erhabenen, hohen Themen, wird er
unweigerlich geschwächt und verkümmert. Wenn er nie gefordert wird, schwierige Probleme zu
meistern und wichtige Wahrheiten zu erfassen, wird er mit der Zeit zu keiner Zunahme mehr fähig sein.
Die Bibel ist die umfassendste und lehrreichste Geschichte, welche die Menschheit besitzt. Sie kam
frisch von der Quelle ewiger Wahrheit, und eine göttliche Hand hat sie während aller Zeitalter in ihrer
Reinheit erhalten. Ihre hellen Strahlen reichen zurück in die fernste Vergangenheit, die menschliche
Forschung vergebens zu durchdringen sucht. Allein im Worte Gottes finden wir einen zuverlässigen
Bericht über die Schöpfung. Hier schauen wir die Macht, welche die Grundfesten der Erde legte und
das Himmelsgewölbe schuf. Hier nur finden wir eine Geschichte des Menschengeschlechts,
unverfälscht durch menschliches Vorurteil und menschlichen Stolz.
Im Worte Gottes findet der menschliche Geist Gegenstände für tiefstes Nachdenken und für
höchstes Bestreben. Hier können wir Zwiesprache pflegen mit Patriarchen und Propheten
33
und der Stimme des Ewigen lauschen, wie er mit den Menschen spricht. Hier sehen wir die Majestät
des Himmels, wie er sich erniedrigte, um unser Stellvertreter und Bürge zu werden, wie er mit den
Mächten der Finsternis rang und den Sieg für uns erlangte. Eine ehrfurchtsvolle Betrachtung solcher
Themen wird nicht verfehlen, das Herz zu besänftigen, zu reinigen und zu veredeln. Zu gleicher Zeit
wird sie den Geist mit neuer Kraft und Energie beleben.
Sollen Moral und Religion in einer Schule lebendig bleiben, geschieht dies nur durch eine Erkenntnis
des Wortes Gottes. Einige mögen die Meinung vertreten, daß unsere Schule ihre Beliebtheit einbüßt,
wenn religiöser Unterricht eine herausragende Bedeutung in unserem Lehrplan hat, daß
Andersgläubige die Schule dann meiden. Sehr gut; dann laßt sie andere Schulen besuchen, wo sie ein
Erziehungssystem nach ihrem Geschmack vorfinden. Unsere Schule wurde nicht nur gegründet, um in
wissenschaftlichen Fächern zu unterrichten, sondern zu dem Zweck, Wissen betreffs der erhabenen
Grundsätze des Wortes Gottes und in den praktischen Pflichten des täglichen Lebens zu vermitteln.
Dies ist die Erziehung, die heute so dringend benötigt wird. Gewinnt weltlicher Einfluß in unserer
Schule erst die Oberhand, dann verkauft sie an Weltmenschen und laßt sie die ganze Kontrolle
übernehmen. Diejenigen, die ihr Geld in jener Einrichtung investierten, werden dann eine andere Schule
gründen, die nicht nach dem Vorbild volkstümlicher Schulen oder nach den Wünschen von Direktoren
oder Lehrern verwaltet wird, sondern nach dem Plan, den Gott gelegt hat.
Im Namen meines Meisters rufe ich alle Verantwortlichen der Schule auf, wahre Gottesmänner zu
sein. Wenn der Herr uns auffordert, getrennt und abgesondert von der Welt dazustehen, wie können wir
dann nach Volkstümlichkeit trachten oder die Sitten und Gewohnheiten der Welt nachahmen? Gott hat
seine Absicht erklärt, eine Missionsschule im Lande zu haben, wo die Bibel den ihr zustehenden Platz
in der Erziehung der Jugend einnimmt. Wollen wir das Unsrige dazu beitragen, jene Absicht
durchzuführen?
34
Es mag den Anschein haben, als habe das Lehren des Wortes Gottes nur wenig Einfluß auf Herz
und Gemüt vieler Studenten. Geschah des Lehrers Werk aber in der Kraft Gottes, werden doch einige
Lehren göttlicher Wahrheit selbst im Gedächtnis des sorglosesten Studenten haften bleiben. Der Heilige
Geist wird den ausgestreuten Samen bewässern, und oftmals wird er nach vielen Tagen noch aufgehen
und zur Verherrlichung Gottes Frucht tragen.
Satan ist fortwährend bemüht, die Aufmerksamkeit des Volkes von der Bibel abzulenken. Die Worte
Gottes an die Menschen, welchen unsere erste Aufmerksamkeit gebührt, werden zugunsten von
Äußerungen menschlicher Weisheit vernachlässigt. Wie kann Er, der unendlich an Macht und Weisheit
ist, noch die Anmaßung und Frechheit der Menschen ertragen!
Durch Literatur wird allen Menschen Erkenntnis jeder Art zugänglich gemacht, und doch, wie
moralisch verdorben und oberflächlich an geistiger Erkenntnis ist ein Großteil der menschlichen
Gesellschaft. Würden die Menschen die Bibel lesen und ernsthaft studieren, welch eine Veränderung
würde dann im allgemeinen Zustand zu sehen sein!
In unserem Zeitalter, wo die Ungerechtigkeit überhand nimmt und Gottes Charakter sowie sein
Gesetz mit Verachtung behandelt wird, muß besonders darauf geachtet werden, die Jugend zu
unterweisen, Gottes geoffenbarten Willen zu studieren, zu ehren und zu befolgen. Die Furcht des Herrn
nimmt im Herzen unserer Jugend ab, weil sie versäumt, die Bibel zu studieren.
Direktor und Lehrer brauchen eine lebendige Verbindung mit Gott und sollten standhaft und furchtlos
für ihn zeugen. Stellt Gottes Wort niemals aus Feigheit oder weltlicher Politik in den Hintergrund.
Durchs Studium des Wortes werden die Studenten sowohl geistig und moralisch als auch geistlich
gefördert.
Der Zweck der Missionsschule
Unsere Schule befindet sich heute in einer Stellung, die Gott mißfällt. Mir wurden die Gefahren
vorgeführt, die dieser wichtigen Einrichtung drohen. Wenn ihre verantwortlichen
35
Männer danach streben, den weltlichen Standard zu erreichen, wenn sie die Pläne und Methoden
anderer höherer Lehranstalten nachahmen, wird Gottes Mißfallen auf unserer Schule ruhen.
Die Zeit ist gekommen, daß ich eine deutliche Sprache rede. Gottes Absicht in der Gründung
unserer Schule wurde deutlich kundgetan. Es besteht ein dringendes Bedürfnis an Arbeitern im
Erntefeld. Junge Männer, die beabsichtigen, in den Evangeliumsdienst einzutreten, können nicht eine
Anzahl von Jahren damit zubringen, eine Erziehung zu erlangen. Die Lehrer hätten für diese Situation
Verständnis aufbringen und ihren Unterricht den Bedürfnissen dieser Klasse anpassen sollen. Diese
Studenten brauchen ein kurzes und doch allumfassendes Studium der Wissensgebiete, die sie in ihrer
Arbeit benötigen werden. Es wurde mir gezeigt, daß dies nicht ausgeführt wurde.
Bruder ... hätte ein viel besseres Werk für diejenigen tun können, die sich auf das Predigtamt
vorbereiteten. Gott ist nicht zufrieden mit seiner diesbezüglichen Arbeit. Er hat sich nicht der Situation
angepaßt. Männer, die unter beträchtlichen Opfern ihr Arbeitsfeld verließen, um viel in kurzer Zeit zu
lernen, haben nicht immer die Hilfe und Ermutigung erhalten, die ihnen hätte zuteil werden sollen.
Männer in mittleren Jahren mit eigenen Familien wurden unnötigen Schwierigkeiten ausgesetzt. Bruder
... ist selbst extrem empfindlich, aber er merkt nicht, daß andere genau wie er den Stachel von Spott,
Sarkasmus und Tadel empfinden. Hierin hat er seine Brüder verwundet und Gott mißfallen.
Lehrer an der Missionsschule
Jeder Lehrer unserer Schule hat ein Werk für sich zu tun. Nicht einer unter ihnen ist frei von
Selbstsucht. Wäre der moralische und religiöse Charakter der Lehrer so, wie er sein sollte, würde ein
besserer Einfluß auf die Studenten ausgeübt werden. Die Lehrer verrichten ihre jeweilige Arbeit nicht
so, als hätten sie Gottes Verherrlichung im Auge. Anstatt auf Jesum zu schauen und sein Wesen und
Leben nachzuahmen, blicken sie auf
36
sich selbst und bemühen sich zu sehr, einem menschlichen Maßstab gerecht zu werden. Ich wünsche,
ich könnte einem jeden Lehrer das volle Gewicht seiner Verantwortlichkeit betreffs seines Einflusses,
den er auf die Jugend ausübt, nahelegen. Satan versucht unermüdlich, sich den Dienst der Jugend zu
sichern. Mit großer Sorgfalt legt er seine Schlingen für die unerfahrenen Füße aus. Gottes Volk muß
eifrig darüber wachen, daß es seinen Anschlägen nicht zum Opfer fällt.
In Gott ist Wohltätigkeit, Barmherzigkeit und Liebe verkörpert. Die wahrhaft mit ihm verbunden sind,
können untereinander nicht uneins sein. Sein Geist im Herzen wird Harmonie, Liebe und Einigkeit
schaffen. Unter Satans Kindern offenbart sich das Gegenteil. Sein Werk besteht darin, zu Neid, Streit
und Eifersucht aufzustacheln. Im Namen meines Meisters frage ich die bekenntlichen Nachfolger
Christi: Welche Früchte bringt ihr hervor?
Im Lehrsystem der allgemeinen Schulen fehlt der wesentlichste Teil der Erziehung, nämlich die
Religion der Bibel. Die Erziehung beeinflußt nicht nur in großem Maße das Leben des Studenten in
dieser Welt, sondern erstreckt sich ebenso auf die Ewigkeit. Wie wichtig ist es dann, daß die Lehrer
befähigt sind, einen rechten Einfluß auszuüben. Sie sollten Männer und Frauen mit religiöser Erfahrung
sein, die täglich göttliches Licht empfangen und es an ihre Schüler weitergeben.
Vom Lehrer sollte jedoch nicht erwartet werden, daß er das Werk der Eltern verrichtet. Viele Eltern
haben ihre Pflicht sträflich vernachlässigt. Gleich Eli versäumen sie, ihren Kindern angemessene
Beschränkungen aufzuerlegen. Dann schicken sie ihre unerzogenen Kinder auf die Schule, um jene
Erziehung zu erlangen, die sie ihnen daheim hätten geben sollen. Den Lehrern fällt eine Aufgabe zu,
die nur wenige würdigen. Wenn sie Erfolg darin haben, diese eigensinnigen Jugendlichen zu
reformieren, erhalten sie kaum Dank dafür. Wählen die Jugendlichen hingegen die Gesellschaft
übelgesinnter Gefährten und werden schlechter als zuvor, dann tadelt man die Lehrer und verdammt
die Schule.
37
In vielen Fällen gebührt der Tadel gerechterweise den Eltern. Sie hatten die erste und günstigste
Gelegenheit, ihre Kinder unter Zucht und Kontrolle zu halten, als der Geist noch gelehrig und Gemüt
und Herz für Eindrücke empfänglich waren. Aber die Trägheit der Eltern gestattet den Kindern, ihrem
eigenen Willen zu folgen, bis sie an das Schlechte gewöhnt sind.
Eltern, studiert weniger, was die Welt, und mehr, was Christus anbetrifft. Gebt euch weniger Mühe,
die Sitten und Moden der Welt nachzuahmen. Wendet hingegen mehr Zeit und Mühe auf, die Gemüter
und Charaktere eurer Kinder nach dem göttlichen Vorbild umzugestalten. Dann könnt ihr eure Söhne
und Töchter, gefestigt durch reine Moral und edle Vorsätze, dorthin schicken, wo sie für Stellungen der
Brauchbarkeit und des Vertrauens geschult werden. Lehrer, beherrscht von Liebe und Gottesfurcht,
können solche Jugendlichen vorwärts und aufwärts führen und sie dazu heranbilden, der Welt ein
Segen und eine Ehre für ihren Schöpfer zu sein.
Verbunden mit Gott, wird jeder Lehrer einen Einfluß ausüben, der seine Schüler ermutigt, Gottes
Wort zu studieren und seinem Gesetz zu gehorchen. Er wird ihre Gemüter veranlassen, ewige
Interessen ins Auge zu fassen, sich mit großen, veredelnden Gedanken und Themen zu beschäftigen,
die der schärfste Verstand trotz Einspannung aller Kräfte nicht zu ergründen vermag und die ihn
empfinden lassen, daß es darüber hinaus noch eine unerforschte Unendlichkeit gibt.
Die Übel von Selbstüberschätzung und ungeheiligter Unabhängigkeit, die der Selbstsucht
entspringen, werden unsere Brauchbarkeit sehr beeinträchtigen und unseren Untergang herbeiführen,
wenn wir sie nicht überwinden. Der Engel Gottes hat mir oft die Botschaft wiederholt: „Beratet euch
miteinander.“ Indem Satan eines Mannes Urteilskraft beeinflußt, mag er alles nach seinem Sinn
beherrschen. Er mag auch Erfolg haben, die Gemüter von zwei Personen zu verführen; wenn sich aber
mehrere Personen miteinander beraten, besteht größere Sicherheit. Jeder Plan wird besser durchdacht,
jeder Schritt voran sorgfältiger erwogen. Somit besteht weniger Gefahr für übereiltes, unbesonnenes
Vorgehen, was zu Verwirrung, Verlegenheit und Mißerfolg
38
führen könnte. In Einigkeit liegt Stärke. Trennung führt zu Schwäche und Niederlage.
Gott führt ein Volk heraus und bereitet es für die Verwandlung vor. Sind wir, die wir an diesem Werk
Anteil haben, Wächter für Gott? Trachten wir danach, vereint zu wirken? Sind wir bereit, aller Diener zu
sein? Folgen wir unserem großen Vorbild?
Meine Mitarbeiter, wir alle streuen Samen ins Lebensfeld aus. Wie die Saat ist, so wird die Ernte
sein. Wenn wir Mißtrauen, Neid, Eifersucht, Selbstliebe, bittere Gedanken und Gefühle säen, werden
wir selbst Bitterkeit ernten. Offenbaren wir aber Freundlichkeit, Liebe und Zärtlichkeit für die Gefühle
anderer, wird uns das gleiche zuteil werden.
Der Lehrer, der streng, kritisch, anmaßend und andern gegenüber gefühllos ist, muß erwarten, daß
man ihm in gleichem Geiste begegnet. Wer seine eigene Würde und Selbstachtung bewahren will, muß
achtgeben, die Selbstachtung anderer nicht unnötig zu verletzen. Diese Regel sollte selbst gegenüber
dem dümmsten, jüngsten und tölpelhaftesten Schüler sorgfältig beachtet werden. Ihr wißt nicht, was
Gott mit diesem scheinbar wenig versprechenden Jugendlichen vorhat. In der Vergangenheit hat er
manchmal Personen akzeptiert, die auch nicht mehr versprachen oder anziehender waren und hat sie
mit einem großen Werk betraut. Sein Geist, der das Herz bewegte, hat jede Fähigkeit zu tatkräftigem
Handeln erweckt. Der Herr sah in diesen rauhen, unbehauenen Steinen kostbares Material, das der
Prüfung durch Sturm, Hitze und Gewalt standhalten würde. Gott sieht nicht, wie ein Mensch sieht. Er
richtet nicht nach dem Augenschein, sondern erforscht das Herz und fällt ein gerechtes Urteil.
Der Lehrer sollte sich immer als ein christlicher Ehrenmann erweisen. Er sollte seinen Schülern
gegenüber immer die Haltung eines Freundes und Ratgebers einnehmen. Würden alle aus unserem
Volk — Lehrer, Prediger und Laienglieder — immer den Geist christlicher Höflichkeit pflegen, würden
sie viel besseren Eingang zu den Herzen des Volkes finden. Viel mehr Menschen würden veranlaßt, die
Wahrheit zu prüfen und anzunehmen.
39
Würde jeder Lehrer sich selbst vergessen und ein tiefes Interesse am Erfolg und Wohlergehen seiner
Schüler haben, daran denkend, daß sie Gottes Eigentum sind und er über seinen Einfluß auf ihr Gemüt
und ihren Charakter Rechenschaft geben muß, dann hätten wir eine Schule, wo die Engel gerne
verweilen. Jesus wird an der Arbeit der Lehrer Gefallen haben und seine Gnade in die Herzen der
Studenten senken.
Unsere Schule in Battle Creek ist ein Ort, wo die jüngeren Glieder der Familie des Herrn nach
Gottes Plan betreffs Gedeihen und Entwicklung herangebildet werden sollen. Man muß ihnen
nahelegen, daß sie zum Bilde ihres Schöpfers erschaffen wurden und daß Christus ihr Vorbild ist, dem
sie nacheifern sollen. Unsere Brüder hegen zu eingeschränkte, engstirnige Ansichten. Sie haben den
göttlichen Plan nicht immer vor Augen, sondern richten ihr Augenmerk auf weltliche Vorbilder. Blickt
dorthin, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt, und dann bemüht euch, daß eure Schüler jenem
vollkommenen Charakter ähnlich werden.
Wenn ihr euren Maßstab herabsetzt, um Volkstümlichkeit und eine höhere Schülerzahl zu erlangen,
und diesen Zuwachs dann zum Gegenstand der Freude macht, zeigt ihr große Blindheit. Wenn Zahlen
ein Beweis von Erfolg sind, dann kann Satan wohl den Vorrang beanspruchen, denn in dieser Welt sind
seine Nachfolger die absolute Mehrheit. Es ist das Maß an moralischer Kraft, von der die Schule
durchdrungen ist, an dem ihr Gedeihen gemessen wird. Es ist die Tugend, die Intelligenz und
Frömmigkeit der Seelen, die unsere Gemeinden bilden, nicht ihre große Zahl, die eine Quelle der
Freude und Dankbarkeit sein sollte.
Ohne den Einfluß göttlicher Gnade wird sich die Erziehung nicht als wirklicher Vorteil erweisen. Der
Lernende wird stolz, eitel und intolerant. Aber eine Erziehung, die unter dem veredelnden, läuternden
Einfluß des großen Meisterlehrers stattfindet, wird den moralischen Wert des Menschen in Gottes
Augen erhöhen. Sie wird ihn befähigen, Stolz und Leidenschaft zu unterdrücken und demütig vor Gott
zu wandeln, in dem Bewußtsein,
40
daß er für jede Fähigkeit, Gelegenheit und jedes Vorrecht von ihm abhängig ist.
Ich wende mich an die Arbeiter in unserer Schule. Ihr müßt euch nicht nur als Christen bekennen,
sondern müßt den Charakter Christi darstellen. All euer Unterricht sei von himmlischer Weisheit
durchdrungen. Zeigt einer in Finsternis und Verdorbenheit versunkenen Welt, daß der Geist, der euch
zum Handeln bewegt, von oben und nicht von unten ist. Wenn ihr euch völlig auf eigene Kraft und
Weisheit verlaßt, werden eure besten Anstrengungen nur wenig ausrichten. Bewegt euch jedoch Gottes
Liebe und ist Gottes Gesetz euer Fundament, dann wird euer Werk bestehen. Während Heu, Holz und
Stoppeln verzehrt werden, wird eure Arbeit die Feuerprobe bestehen. Ihr werdet der Jugend, die eurer
Obhut anvertraut ist, am großen weißen Thron begegnen müssen. Gestattet ihr, daß eure ungehobelte
Art und euer unbeherrschtes Temperament die Oberhand gewinnt, und versäumt ihr deswegen, die
jungen Leute zu ihrem ewigen Wohl zu beeinflussen, dann müßt ihr an jenem Tage dem schlimmen
Resultat eures Werkes begegnen. Durch eine Erkenntnis des göttlichen Gesetzes und Gehorsam
gegenüber seinen Vorschriften können Menschen Gottes Kinder werden. Durch Übertretung dieses
Gesetzes werden sie Knechte Satans. Einerseits können sie sich zur Höhe moralischer Vorzüglichkeit
emporschwingen, andererseits aber können sie in die tiefsten Tiefen von Sünde und Entartung
versinken. Die Arbeiter in unserer Schule sollten einen Eifer und Ernst an den Tag legen, der dem Wert
des Preises angemessen ist, den es zu erringen gilt — die Seelen ihrer Studenten, Gottes
Wohlgefallen, das ewige Leben und die Freude der Erlösten.
Laßt unsere Lehrer als Mitarbeiter Christi, ausgerüstet mit so günstigen Gelegenheiten, die
Gotteserkenntnis andern mitzuteilen, wie von oben inspiriert wirken. Die Herzen der Jugend sind nicht
so verhärtet und ihre Ideen und Meinungen festgefahren wie die von älteren Personen. Durch euer
heiliges Betragen, eure Weihe und euren Christus ähnlichen Wandel mögen sie für Christus gewonnen
werden. Es wäre weit besser, sie weniger mit dem Studium wissenschaftlicher Fächer zu belasten
41
und ihnen mehr Zeit für religiöse Vorrechte einzuräumen. Hierin wurde ein großer Fehler gemacht.
Der Zweck, den Gott mit der Errichtung der Schule beabsichtigte, wurde aus den Augen verloren.
Prediger des Evangeliums haben ihren Mangel an Weisheit von oben bewiesen, indem sie gestatteten,
daß sich ein weltliches Element mit der Schule verband. Sie haben sich mit den Feinden Gottes und der
Wahrheit vereint, gesellschaftliche Vergnügungen für die Studenten zu organisieren. Indem sie die
Jugend auf diese Weise verführten, haben sie ein Werk für Satan verrichtet. Diesem Werk mit all seinen
Folgen müssen sie vor Gottes Richterstuhl begegnen. Diejenigen, die einen solchen Weg einschlagen,
zeigen damit, daß man ihnen nicht trauen kann. Nachdem das böse Werk verrichtet ist, mögen sie ihren
Irrtum bekennen. Aber können sie ebenso leicht ihren ausgeübten Einfluß rückgängig machen? Wird
man über diejenigen, die sich des in sie gesetzten Vertrauens unwürdig erwiesen haben, je die
Segensworte aussprechen: „Ei, du frommer und getreuer Knecht“? Diese untreuen Männer haben nicht
auf dem ewigen Felsen gebaut. Ihr Fundament wird sich als loser Sand erweisen. „Wisset ihr nicht, daß
der Welt Freundschaft Gottes Feindschaft ist? Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind
sein.“ Jakobus 4,4.
Wir können unserem Einfluß keine Schranken setzen. Eine gedankenlose Handlung mag zum
Untergang vieler Seelen führen. Das Verhalten eines jeden Arbeiters in unserer Schule wird Eindrücke
auf den Gemütern der Jugendlichen hinterlassen, die weitergetragen und von anderen wiederholt
werden. Jeder Lehrer sollte es sich zum Ziel setzen, jeden Jugendlichen unter seiner Obhut darauf
vorzubereiten, ein Segen für die Welt zu sein. Dieses Ziel darf nie aus den Augen verloren werden. Es
gibt einige, die vorgeben, für Christum zu arbeiten. Aber manchmal weichen sie ab auf Satans Seite
und verrichten sein Werk. Kann der Heiland sie gute und treue Knechte nennen? Sind sie Wächter, die
der Posaune einen deutlichen Ton geben?
Ein jeder wird im Gericht nach seinen Taten in diesem Leben belohnt, seien sie gut oder böse.
Unser Heiland gebietet uns: „Wachet und betet, daß ihr nicht in Versuchung
42
fallet!“ Markus 14,38. Wenn wir Schwierigkeiten begegnen und sie in Christi Kraft überwinden, wenn wir
auf Feinde treffen und sie mit Christi Hilfe in die Flucht schlagen, wenn wir Verantwortung übernehmen
und ihr in Jesu Kraft treu gerecht werden, dann erlangen wir eine kostbare Erfahrung. Wir lernen, was
wir auf keine andere Weise hätten lernen können, daß unser Heiland in jeder Notzeit ein gegenwärtiger
Helfer ist.
In unserer Schule ist ein großes Werk zu tun, ein Werk, das die Mitarbeit eines jeden Lehrers
erfordert. Es mißfällt Gott, wenn wir einander entmutigen. Aber beinahe alle scheinen vergessen zu
haben, daß Satan ein Verkläger der Brüder ist. Sie verbinden sich mit dem Feind in seinem Werk.
Während bekenntliche Christen einander bekämpfen, legt Satan seine Netze für die unerfahrenen Füße
der Kinder und Jugendlichen aus. Diejenigen, die eine religiöse Erfahrung haben, sollten die Jugend vor
seinen Verführungen bewahren. Sie sollten niemals vergessen, daß auch sie einmal von den
Vergnügungen der Sünde bezaubert waren. Wir brauchen stündlich Gottes Gnade und Geduld. Wie
unziemlich ist es dann für uns, mit den Verirrungen unerfahrener Seelen ungeduldig zu sein. Können
wir, die ebenfalls Sünder sind, jene aburteilen, die Gott langmütig erträgt?
Wir müssen die Jugend immer als Christi bluterkauftes Eigentum betrachten. Als solches haben die
jungen Seelen Anspruch auf unsere Liebe, unsere Geduld und unser Mitgefühl. Wenn wir Jesus
nachfolgen wollen, können wir unser Interesse und unsere Zuneigung nicht auf uns und unsere Familie
beschränken. Wir können unsere Zeit und Aufmerksamkeit nicht zeitlichen Interessen widmen und die
ewigen Belange derer vergessen, mit denen wir Umgang pflegen. Es wurde mir gezeigt, daß es auf
unsere Selbstsucht zurückzuführen ist, daß heute nur einer für die Rettung seiner Mitmenschen wirkt,
wo hundert junge Männer an der Arbeit sein sollten. „Liebet einander, wie ich euch geliebt habe“ lautet
Christi Gebot. Johannes 13,34; Johannes 15,12. Betrachtet seine Selbstverleugnung, die Liebe, die er
uns erwiesen hat, und dann strebt danach, seinem Vorbild zu folgen.
43
An den jungen Männern und Frauen, die in unserer Schule als Lehrer gedient haben, hat Gott vieles
auszusetzen. Ihr seid so mit euch selbst beschäftigt gewesen und habt geistlicher Gesinnung so sehr
ermangelt, daß ihr die Jugendlichen nicht zur Heiligkeit und zum Himmel führen konntet. Wegen eures
Mangels an Liebe zu Gott und Christo sind viele nach Hause zurückgekehrt, verhärteter in ihrer
Unbußfertigkeit als je zuvor. Ohne vom Geist Christi geleitet zu sein, habt ihr Unglauben, Leichtfertigkeit
und Unfreundlichkeit ermutigt, indem ihr selbst diese Untugenden pflegtet. Ihr seid euch der Folgen
eurer Handlungsweise nicht einmal bewußt — Seelen gingen verloren, die hätten gerettet werden
können.
Viele hegen Bruder ... gegenüber ungute Gefühle. Sie beschuldigen ihn der Unfreundlichkeit, Härte
und Strenge. Aber gerade einige von denen, die ihn verurteilen, sind nicht weniger schuldig als er. „Wer
unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“ Johannes 8,7. Bruder ... hat nicht immer weise
gehandelt, und es war schwer, ihn davon zu überzeugen. Er war nicht sehr willig, Rat anzunehmen und
seine Unterrichtsmethode sowie seine Handlungsweise mit seinen Studenten zu korrigieren. Aber
diejenigen, die ihn wegen seiner Fehler verurteilten, müßten geradeso getadelt werden. Jeder Mensch
hat Charakterfehler. Der eine mag nicht die gleiche Schwäche haben, die er in seinem Bruder sieht;
aber er mag Fehler an sich haben, die in Gottes Augen viel schwerer wiegen.
Diese gefühllose Kritik untereinander ist gänzlich satanisch. Es wurde mir gezeigt, daß Bruder ...
Achtung gebührt für das Gute, das er getan hat. Behandelt ihn mit Zartgefühl. Er hat für drei gearbeitet.
Diejenigen, die so eifrig nach seinen Fehlern suchen, sollten darüber nachdenken, was sie im Vergleich
mit ihm geschafft haben. Er mühte sich ab, während andere Ruhe suchten oder ihrem Vergnügen
nachgingen. Er ist überarbeitet. Gott möchte, daß er für eine Zeitlang jede Extrabelastung beiseite legt.
Es gibt so viele Dinge, denen er seine Zeit und Aufmerksamkeit widmet, daß er keinem gerecht werden
kann.
Bruder ... sollte nicht zulassen, daß sein Kampfgeist erwacht und ihn zu Selbstrechtfertigung
verleitet. Er hat Ursache
44
zu Unzufriedenheit gegeben. Der Herr hat ihm dies durch Zeugnisse sagen lassen.
Die Studenten sollten nicht im Fehlerfinden ermutigt werden. Dieser Geist des Beklagens wird
zunehmen, wenn er ermutigt wird. Die Studenten werden sich sonst frei fühlen, die Lehrer zu kritisieren,
die sie nicht leiden mögen, und ein Geist der Unzufriedenheit und des Streites wird rasch zunehmen.
Dies muß unbedingt unterdrückt und ausgemerzt werden. Wird man diesen Übelstand korrigieren?
Werden die Lehrer ihren Wunsch nach Obergewalt aufgeben? Werden sie in Demut, Liebe und
Harmonie miteinander arbeiten? Die Zeit wird es offenbaren.
Kapitel 3: Elterliche Erziehung
Es wurde mir gezeigt, daß sehr viele Eltern, die vorgeben, an die feierliche Botschaft für diese Zeit
zu glauben, ihre Kinder nicht für Gott erzogen haben. Sie haben sich selbst nicht in Schranken gehalten
und sind erbittert, wenn irgend jemand es wagte, ihnen Schranken aufzuerlegen. Sie haben versäumt,
ihre Kinder in lebendigem Glauben jeden Tag dem Herrn zu weihen. Vielen dieser Kinder wurde
gestattet, das vierte Gebot zu übertreten, indem sie an Gottes heiligem Tag ihren eigenen
Vergnügungen nachgingen. Sie empfanden keinerlei Gewissensbisse, am Sabbat durch die Straßen zu
ziehen und sich zu amüsieren. Viele gehen, wohin sie wollen und tun, was ihnen gefällt, und ihre Eltern
fürchten sich so, ihr Mißfallen zu erwecken, daß sie, wie Eli, ihren Kindern keine Gebote auferlegen.
Diese Jugendlichen verlieren schließlich alle Achtung vor dem Sabbat und haben keine Freude an
religiösen Versammlungen oder an heiligen, ewigen Dingen. Wenn ihre Eltern sie milde zurechtweisen,
verschanzen sie sich hinter den Fehlern irgendeines Gemeindegliedes. Anstatt die ersten Anfänge
dieser Taktik zu unterdrücken, denken die Eltern genauso wie ihre Kinder — wäre dieser oder jener
vollkommen, würden auch ihre Kinder besser sein. Es wäre weit besser, wenn sie ihnen sagen würden,
daß die Sünden anderer keine Entschuldigung für sie
45
sind. Christus allein ist unser wahres Vorbild. Die Fehler von vielen würden nicht eine einzige ihrer
Verkehrtheiten entschuldigen noch im geringsten ihre Schuld vermindern. Gott hat ihnen einen Maßstab
vor Augen gestellt, der vollkommen, edel und erhaben ist. Nach diesem müssen sie sich richten,
welchen Weg andere auch einschlagen mögen. Aber viele Eltern scheinen in ihrer Liebe zu ihren
Kindern Verstand und Urteilskraft zu verlieren, und durch diese verzogenen, selbstsüchtigen,
verwöhnten Kinder wirkt Satan dann mit Erfolg, die Eltern zu verderben. Mir wurde Gottes Zorn gezeigt,
der über das ungläubige und ungehorsame alttestamentliche Israel kam. Deutlich war ihnen die Pflicht,
ihre Kinder zu unterweisen, eingeschärft worden. Das gleiche gilt für gläubige Eltern in der heutigen
Zeit. „Höre, mein Volk, mein Gesetz; neiget eure Ohren zu der Rede meines Mundes! Ich will meinen
Mund auftun zu Sprüchen und alte Geschichten aussprechen, die wir gehört haben und wissen und
unsre Väter uns erzählt haben, daß wir‘s nicht verhalten sollten ihren Kindern, die hernach kommen,
und verkündigten den Ruhm des Herrn und seine Macht und Wunder, die er getan hat.“ Psalm 78,1-4.
Kinder sind, was ihre Eltern durch Unterweisung, Zucht und Beispiel aus ihnen machen. Deshalb ist
es so überaus wichtig, daß Eltern in der Erziehung ihrer Kinder zum Dienst für Gott treu sind. Kindern
muß frühzeitig die Heiligkeit religiöser Pflichten beigebracht werden. Das ist ein sehr bedeutender Teil
ihrer Erziehung. Unsere Pflicht Gott gegenüber hat den Vorrang vor allem anderen. Strikte Befolgung
von Gottes Gesetz aus Grundsatz muß gelehrt und eingeschärft werden. „Er richtete ein Zeugnis auf in
Jakob und gab ein Gesetz in Israel, das er unsern Vätern gebot zu lehren ihre Kinder, auf daß es die
Nachkommen lernten und die Kinder, die noch sollten geboren werden; wenn sie aufkämen, daß sie es
auch ihren Kindern verkündigten, daß sie setzten auf Gott ihre Hoffnung und nicht vergäßen der Taten
Gottes und seine Gebote hielten und nicht würden wie ihre Väter, eine abtrünnige und ungehorsame
Art, welchen ihr Herz nicht fest war und ihr Geist nicht treulich hielt an Gott.“ Psalm 78,5-8.
46
Hier sehen wir, welche große Verpflichtung den Eltern übertragen ist. Kinder, die ohne Zucht
heranwachsen, deren Leidenschaften nie unterdrückt wurden, werden gewöhnlich als Erwachsene
einen Kurs einschlagen, den Gott verdammt. Sie hegen eine Vorliebe für leichtfertige Vergnügungen
und ungläubige Gefährten. Es wurde ihnen erlaubt, religiöse Pflichten zu vernachlässigen, den
Neigungen ihres fleischlichen Herzens zu folgen, und als Folge davon beherrscht Satan ihre Sinne und
Grundsätze. In ... haben die Eltern ihm gestattet, in dieser Weise zu wirken. In den meisten Fällen des
Abfalls von Gott, der sich dort ereignet hat, ist er ein Resultat von der Nachlässigkeit der Eltern, ihre
Kinder zu einem gewissenhaften religiösen Leben zu erziehen. Der Zustand dieser Kinder ist
beklagenswert. Sie bekennen sich als Christen. Aber ihre Eltern haben sich nicht die Mühe gemacht,
sie zu unterweisen, wie ein Christ sein soll — wie man der Barmherzigkeit Gottes gedenken, wie man
ihn preisen und wie man in seinem Leben Christi Leben widerspiegeln soll.
Treten diese Kinder in die Schule ein und kommen dort mit andern Studenten in Kontakt, dann
schämen sich solche, die wirklich Christen sein möchten, ihren Glauben in der Gegenwart derer
auszuleben, die doch mit soviel Licht gesegnet waren. Sie schämen sich, als eigentümlich betrachtet zu
werden und verleugnen ihre Neigung. Sie werfen ihre Rüstung ab zu einer Zeit, in der sie am meisten
benötigt wird, wenn die Mächte der Finsternis sie durch diese gottlosen Gefährten von Christo
wegführen. Sie betreten einen Pfad voller Gefahren, ohne den Schutz und die Unterstützung religiöser
Grundsätze, weil sie denken, es sei schwierig und unangenehm, ihre Religion ins Klassenzimmer, auf
den Spielplatz und in all ihre gesellschaftlichen Verbindungen mitzunehmen. Auf diese Weise setzen sie
ihre Seelen den Pfeilen Satans aus. Wo sind die Wächter dieser jungen Leute? Wo sind diejenigen, die
mit der einen Hand den Thron Gottes ergreifen und mit der anderen diese Jugendlichen umfassen, um
sie zu Christo zu ziehen? Genau hier ist der Ort, wo diese Kinder die Kraft der Religion kennenlernen
müssen und wo sie mit fester Hand zurückgehalten werden sollen.
47
Viele von denen, die so lange die göttliche Führung und seinen Schutz abgelehnt haben, stürmen
auf dem Pfad des Leichtsinns und selbstsüchtigen Vergnügens voran. Ja, mehr noch, sie machen sich
verwerflicher Handlungen und der Befleckung ihres Körpers schuldig. Dadurch wird ihr Gemüt
verdorben, und Religion ist ihnen widerwärtig. Einige sind bereits so niedrig gesunken, sind dem Weg
der Sodomiter so weit gefolgt, daß sie heute nahe daran sind zu fluchen, und die Stimme des Tadels
und der Warnung macht keinen Eindruck mehr auf sie. Sie werden nie gerettet werden, und die Eltern
sind schuld an ihrem Untergang. Die verderblichen Freuden, für die sie ein solch enormes Opfer
gebracht haben — Gesundheit, Seelenfriede und ewiges Leben — werden sich am Ende als Bitterkeit
erweisen.
Eltern, um Christi willen, erleidet in eurem wichtigsten Werk keinen Schiffbruch — im Formen des
Charakters eurer Kinder für Zeit und Ewigkeit. Ein Irrtum eurerseits in Ermangelung treuer
Unterweisung oder jene unkluge Zuneigung, die eure Augen gegenüber ihren Fehlern blind macht und
euch davon abhält, sie in Schranken zu halten, wird ihren Untergang herbeiführen. Euer verkehrtes
Verhalten mag ihrem Leben für die Zukunft eine ganz falsche Richtung geben. Ihr entscheidet, was sie
sein werden und was sie für Christus, für die menschliche Gesellschaft und für ihre eigene Seele tun
werden.
Handelt aufrichtig und gewissenhaft mit euren Kindern. Wirkt mit Tapferkeit und Geduld. Fürchtet
kein Kreuz, spart nicht an Zeit, Mühe, Last und Leiden. Die Zukunft eurer Kinder wird vom Charakter
eurer Arbeit zeugen. Eure Ergebenheit Christo gegenüber könnte durch nichts besser zum Ausdruck
kommen als im ebenmäßigen Charakter eurer Kinder. Sie sind Christi bluterkauftes Eigentum. Zählt ihr
Einfluß völlig auf seiten Christi, dann sind sie seine Mitarbeiter und helfen anderen, den Weg des
Lebens zu finden. Wenn ihr das euch von Gott übertragene Werk vernachlässigt, wird eure unkluge
Handhabung von Zucht sie unter jene Klasse stellen, die von Christo wegführt und das Reich der
Finsternis stärkt.
48
Ich spreche von Dingen, die ich kenne, zeuge von dem, was ich gesehen habe, wenn ich sage, daß
unter unserer Jugend, unter geschulten jungen Männern christlicher Eltern, eine Sünde besteht, die
sehr anstößig in Gottes Augen ist. Sie ist so allgemein, daß sie eines der Zeichen der letzten Tage
darstellt. Sie ist ein so großes Übel, daß sie entschlossen bloßgestellt und angeprangert werden muß.
Es ist die Sünde, die sie ihr früheres Gelübde der Weihe an Gott leichtfertig und verächtlich betrachten
läßt. In einer gottesdienstlichen Versammlung wurden sie vom Heiligen Geist bewegt, sich völlig unter
das blutbefleckte Banner des Fürsten Immanuel zu stellen. Aber die Eltern selbst waren so weit von
Gott entfernt, so in weltliche Geschäfte verwickelt oder wegen ihrer religiösen Erfahrung so mit Zweifeln
und Unzufriedenheit erfüllt, daß sie vollkommen ungeeignet waren, ihnen Unterweisung zu geben.
Diese jungen Leute benötigten in ihrer Unerfahrenheit eine kluge, feste Hand, ihnen den rechten Weg
zu zeigen und durch Rat und Einschränkung den falschen Weg zu versperren.
Ein religiöses Leben sollte zeigen, daß es in deutlichem Gegensatz zu einem Leben der Weltlichkeit
und der Vergnügungssucht steht. Wer Christi Jünger sein will, muß das Kreuz aufnehmen und es
Christo nachtragen. Unser Heiland lebte nicht sich selber zum Gefallen. Das gleiche erwartet er von
uns. Hohe geistliche Errungenschaften erfordern eine völlige Weihe an Gott. Aber diese Unterweisung
wurde der Jugend nicht erteilt, weil sie der Lebensführung der Eltern widerspricht. So wurde es den
Kindern überlassen, eine Kenntnis des christlichen Lebens zu erlangen, so gut es eben ging. Wenn sie
versucht wurden, die Gesellschaft von Weltmenschen aufzusuchen und sich an weltlichen
Vergnügungen zu beteiligen, haben die nachsichtigen Eltern, die ihnen nichts abschlagen wollten, —
wenn sie überhaupt etwas sagten oder unternahmen — eine so unentschiedene und undeutliche
Stellung eingenommen, daß die Kinder zu dem Schluß kamen, daß ihr Verhalten mit dem christlichen
Leben und Wesen in Übereinstimmung war.
Haben sie diesen Weg erst einmal eingeschlagen, dann beharren sie gewöhnlich dabei, bis das
weltliche Element die
49
Oberhand gewinnt und sie über ihre frühere Überzeugung spotten. Sie verachten die Einfachheit, die
sie offenbarten, als ihre Herzen noch zartfühlend waren, und sie erfinden Entschuldigungen, die
heiligen Ansprüche der Gemeinde und des gekreuzigten Heilandes zu ignorieren. Diese Klasse kann
nie zu dem werden, was sie hätte sein können, wären die Überzeugungen des Gewissens nicht erstickt
und die heiligsten, zärtlichsten Neigungen nicht abgestumpft worden. Wenn sie in späteren Jahren
Christi Nachfolger werden, wird man an ihnen immer noch die Narben sehen, die ihnen die
Unehrerbietigkeit vor heiligen Dingen zugefügt hat.
Die Eltern erkennen diese Dinge nicht. Sie sehen nicht die Folgen ihrer Handlungsweise voraus. Sie
empfinden nicht, daß ihre Kinder die zärtlichste Pflege, die sorgsamste Zucht im göttlichen Leben
benötigen. Sie betrachten sie nicht als Eigentum Christi in ganz besonderem Sinne, als Erkaufte seines
Blutes, als Siegesbeweis seiner Gnade und als befähigte Werkzeuge in Gottes Hand, um sein
Königreich aufzubauen. Satan ist ständig bemüht, diese Jugendlichen den Händen Christi zu entreißen,
und die Eltern können nicht wahrnehmen, daß der große Widersacher sein höllisches Banner direkt an
ihrer Seite aufpflanzt. Sie sind so verblendet, daß sie meinen, es sei Christi Banner.
Durch Ehrgeiz oder Trägheit, Unglauben oder Sichgehenlassen lockt Satan die Jugendlichen vom
engen Pfad der Heiligkeit, den der Herr für seine Erkauften bereitet hat, daß sie darin wandeln sollen.
Gewöhnlich verlassen sie diesen Weg nicht sofort. Sie werden nach und nach weggeführt. Haben sie
einen falschen Schritt getan, verlieren sie das Zeugnis des Heiligen Geistes, daß sie von Gott
angenommen sind. So geraten sie in einen Zustand der Entmutigung und des Mißtrauens. Sie verlieren
den Geschmack am Gottesdienst, weil das Gewissen sie verdammt. Sie wurden in Satans Schlingen
gefangen, und es gibt nur einen Weg des Entrinnens. Sie müssen umkehren, demütig bereuen und
ihren halbherzigen Kurs aufgeben. Laßt sie ihre erste Erfahrung erneuern, die sie leichtfertig behandelt
haben, jede Sehnsucht nach Gott pflegen und jene heiligen Empfindungen, die nur Gottes Geist
wecken kann, in ihren Seelen
50
hegen. Der Glaube an Christi Macht wird Kraft zum Durchhalten und Licht zur Führung vermitteln.
Eltern sollten vorbereitet sein, ihren Kindern diese praktische Unterweisung in religiöser Erfahrung
zu geben. Gott fordert dies von euch, und ihr versäumt eure Pflicht, wenn ihr es nicht tut. Unterweist
eure Kinder betreffs Gottes Methoden der Zucht und der Bedingungen zum Erfolg im christlichen
Leben. Lehrt sie, daß sie Gott nicht dienen können, wenn sich ihr ganzes Sinnen und Streben nur auf
Vorsorge für dieses Leben beschränkt. Laßt aber auch nicht zu, daß sie auf den Gedanken kommen,
sie bräuchten nicht zu arbeiten und könnten ihre Freizeit mit Nichtstun verbringen. Gottes Wort redet
diesbezüglich eine deutliche Sprache. Jesus, die Majestät des Himmels, hat der Jugend ein Beispiel
hinterlassen. Er plagte sich in der Zimmermannswerkstatt in Nazareth für das tägliche Brot ab. Er war
seinen Eltern untertan. Er trachtete nicht danach, selbst über seine Zeit zu verfügen oder seinem
eigenen Willen zu folgen. Durch ein Leben selbstsüchtiger Nachgiebigkeit kann ein Jugendlicher
niemals wirkliche Größe als Mann oder wahrer Christ erreichen. Gott verspricht uns in seinem Dienst
nicht Bequemlichkeit, Ehre oder Reichtum, aber er versichert uns, daß alle notwendigen Segnungen
uns gehören werden unter „Verfolgung“, und in der zukünftigen Welt das „ewige Leben“. Christus wird in
seinem Dienst nichts weniger annehmen als völlige Weihe. Dies ist die Lektion, die jeder von uns lernen
muß.
Wer die Bibel studiert, sich von Gott raten läßt und sich auf Christum verläßt, wird imstande sein, zu
jeder Zeit und unter allen Umständen weise zu handeln. Gute Grundsätze werden sich im täglichen
Leben offenbaren. Wird die Wahrheit für diese Zeit von Herzen angenommen und zur Grundlage des
Charakters gemacht, wird sie standhaften Vorsatz bewirken, der durch die Verlockungen zum
Vergnügen, die Veränderlichkeiten der Gebräuche, die Verachtung der Weltliebenden und des Herzens
eigenes Verlangen nach Selbstbefriedigung nicht beeinflußt werden kann. Zuerst muß das Gewissen
erleuchtet, der Wille in Unterwerfung gebracht werden. Die Liebe zur Wahrheit und Gerechtigkeit muß
die Seele beherrschen; dann wird auch ein Charakter zum Vorschein kommen, den der Himmel
gutheißen kann.
51
Wir haben markante Illustrationen von der hilfreichen Macht festen, religiösen Grundsatzes. Sogar
die Furcht vor dem Tod konnte den beinahe ohnmächtigen David nicht veranlassen, das Wasser von
Bethlehem zu trinken, für das tapfere Männer ihr Leben riskiert hatten. Die Löwengrube konnte Daniel
nicht zurückhalten, seine täglichen Gebete zu verrichten, noch konnte der Feuerofen Sadrach und seine
Gefährten bewegen, vor dem Götzenbild niederzufallen, das Nebukadnezar errichtet hatte. Junge
Männer mit festen Grundsätzen werden Vergnügen meiden, Schmerz verachten und lieber die
Löwengrube und den Feuerofen wählen, als Gott untreu zu werden. Achtet auf den Charakter von
Joseph. Seine Tugend wurde schwer geprüft; aber sein Sieg war vollständig. Dieser edle Jugendliche
bestand die Prüfung in allen Punkten. Der gleiche erhabene, unbeugsame Grundsatz zeigte sich bei
jeder Prüfung. Der Herr war mit ihm, und sein Wort war ihm Gesetz.
Solche Festigkeit und solch ungetrübter Grundsatz steht im grellsten Gegensatz zu der Schwäche
und Unzulänglichkeit der heutigen Jugend. Mit nur wenigen Ausnahmen sind sie wankelmütig und
veränderlich bei jedem Wechsel der Umstände und der Umgebung, heute in einer Hinsicht, morgen in
einer anderen. Bietet ihnen Vergnügen oder selbstsüchtige Befriedigung, und schon wird das Gewissen
geopfert, um in den Genuß dieser Dinge zu kommen. Kann man solchen Menschen vertrauen?
Niemals! Wenn keine Versuchung vorhanden ist, mag ein solcher sich richtig verhalten, so daß deine
Zweifel und Vermutungen ungerecht erscheinen. Sobald sich aber eine Gelegenheit bietet, wird er dein
Vertrauen verraten. Sein Herz ist verdorben. Gerade zu einer Zeit, wo Festigkeit und Grundsatz
gefordert sind, wird er nachgeben, und wenn er nicht zu einem Betrüger oder einem Judas wird, dann
nur deshalb, weil die passende Gelegenheit dazu fehlt.
Eltern, es sollte euer erstes Anliegen sein, dem Ruf der Pflicht zu folgen und mit Herz und Seele die
Aufgabe zu erfüllen, die Gott euch übertragen hat. Wenn ihr auch alles andere vernachlässigt, seid
jedoch hier gründlich und tüchtig. Wenn eure Kinder rein und tugendhaft aus der häuslichen Erziehung
52
hervorgehen, wenn sie nur den geringsten und niedrigsten Platz in Gottes großem Plan zum Besten der
Welt ausfüllen, kann euer Leben niemals als Fehlschlag bezeichnet und mit Reue betrachtet werden.
Die Idee, daß man dem Willen eigensinniger Kinder nachgeben müsse, ist ein Irrtum. Elisa wurde
gleich zu Beginn seines Lehramtes von der Jugend in Bethel verspottet und verlacht. Er war sehr milder
Natur, aber der Geist Gottes trieb ihn, einen Fluch über die Schmäher auszusprechen. Sie hatten von
Elias Himmelfahrt gehört, und sie machten dieses feierliche Ereignis zum Gegenstand ihres Hohns.
Elisa tat kund, daß es weder alt noch jung gestattet war, mit seiner heiligen Berufung Scherz zu treiben.
Als sie zu ihm sagten, er wäre besser auch gen Himmel gefahren wie Elia, fluchte er ihnen im Namen
des Herrn. Das schreckliche Gericht, das über sie kam, war von Gott. Danach hatte Elisa keine
Schwierigkeiten mehr in seiner Mission. Fünfzig Jahre lang ging Elisa in Bethel aus und ein, ging von
Stadt zu Stadt, durch Scharen von rauhen, wüsten, müßigen, verwahrlosten Jugendlichen hindurch.
Aber nie wieder wurde er verspottet oder seine Würde als Prophet des Allerhöchsten angegriffen.
Dieser eine Fall schrecklicher Strenge zu Beginn seiner Karriere genügte, ihm für sein ganzes Leben
Respekt zu verschaffen. Hätte er diesen Spott unbeachtet gelassen, wäre er vielleicht vom Pöbel
weiterhin verhöhnt, geschmäht und sogar getötet worden, und seine Mission, die Nation aus großer
Gefahr zu erretten, wäre verhindert worden.
Selbst Freundlichkeit muß ihre Grenzen haben. Durch unerschütterliche Strenge muß Autorität
gewahrt bleiben, oder sie wird von vielen mit Spott und Verachtung behandelt werden. Die sogenannte
Zärtlichkeit, die Schmeichelei und die Nachgiebigkeit, die der Jugend von Eltern und Erziehern
entgegengebracht werden, sind das schlimmste Übel, das ihnen begegnen kann. Festigkeit,
Entschlossenheit, positive Forderungen sind in jeder Familie notwendig. Eltern, nehmt eure versäumten
Verantwortlichkeiten in Angriff, erzieht eure Kinder nach Gottes Plan und verherrlicht den, „der euch
berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.“ 1.Petrus 2,9.
Kapitel 4: Ein wichtiges Zeugnis
Lieber Bruder ..., deinen Brief habe ich zur rechten Zeit erhalten. Während ich froh war, von dir zu
hören, wurde ich doch traurig, als ich den Inhalt las. Ähnliche Briefe hatte ich bereits von Schwester ...
und Bruder ... erhalten. Aber ich bekam keine Mitteilung von Bruder ... oder von irgend jemand, der ihn
unterstützt. Aus euren eigenen Briefen ersehe ich, welchen Weg ihr in eurem Verfahren mit Bruder ...
verfolgt.
Ich bin nicht überrascht, daß solche Dinge in Battle Creek existieren. Aber es schmerzt mich, daß
du, mein geachteter Bruder, in diese Sache verwickelt bist und dich auf der falschen Seite befindest in
Unterstützung derer, von denen ich weiß, daß sie nicht von Gott geleitet werden. Einige dieser
Personen meinen es ehrlich, aber sie sind verführt. Sie haben ihre Eindrücke von einer anderen Quelle
empfangen, nicht von Gottes Geist.
Ich war sehr vorsichtig, meine Meinung betreffs wichtiger Angelegenheiten gegenüber anderen zu
äußern, denn oftmals wird ungerechter Vorteil aus dem gezogen, was ich sage, auch wenn es in
vertraulicher Weise geschieht. Einige Personen versuchen, mir bezüglich verschiedener Punkte
Bemerkungen zu entlocken, und dann verdrehen und mißdeuten sie meine Worte, als wenn sie Ideen
und Meinungen zum Ausdruck brächten, völlig entgegen meiner wirklichen Ansicht. Diesem Tun
müssen sie vor Gottes Richterstuhl begegnen.
Als eure gegenwärtigen Schwierigkeiten begannen, entschloß ich mich zu schweigen und sich die
Dinge erst entwickeln zu lassen. Diejenigen, die so bereitwillig meinen Mann verurteilt hatten, möchten
vielleicht zu der Einsicht gelangen, daß der Geist des Murrens ihrem eigenen Herzen entstammte und
immer noch lebendig ist, obgleich der Mann, gegen den sich ihre Anklagen richteten, bereits im Grabe
schläft.
Ich wußte, daß es zur Krise kommen mußte. Gott hat seinem Volk klare und entschiedene
Zeugnisse gesandt, um einen solchen Zustand der Dinge zu verhindern. Hätten sie der Stimme
54
des Heiligen Geistes in Warnungen, Ratschlägen und Einladungen gehorcht, könnten sie sich jetzt der
Einigkeit und des Friedens erfreuen. Aber diese Zeugnisse fanden bei denen, die vorgaben, an sie zu
glauben, keine Beachtung. Folglich wichen sie weit von Gott ab und gingen seines Segens verlustig.
Um die Rettung von Menschen zu bewirken, benutzt Gott die verschiedensten Mittel. Er spricht zu
ihnen durch sein Wort, durch seine Diener und sendet ihnen durch den Heiligen Geist Warnungen,
Tadel und Unterweisung. Diese Mittel haben die Aufgabe, das Verständnis der Gemeindeglieder zu
erleuchten, ihnen ihre Pflichten, ihre Sünden und die Segnungen, die sie empfangen können, zu zeigen.
Sie sollen dadurch erweckt werden, ihren geistlichen Mangel wahrzunehmen, damit sie sich an
Christum wenden und in ihm die benötigte Gnade finden können. Viele jedoch folgen lieber ihren
eigenen anstatt Gottes Wegen. Sie sind weder im Einklang mit Gott noch können sie es sein, bis das
eigene Ich erstirbt und Christus durch den Glauben im Herzen lebt.
Jeder einzelne weist durch seine Handlungsweise entweder Christum von sich, indem er sich
weigert, seinen Geist zu hegen und seinem Beispiel zu folgen, oder er verbindet sich persönlich durch
Selbstverleugnung, Glauben und Gehorsam mit Christo. Jeder muß für sich selbst Christum wählen,
weil er uns zuerst erwählt hat. Diese Vereinigung mit Christo muß von Menschen erfolgen, die von
Natur aus in Feindschaft mit ihm stehen. Es ist ein Verhältnis äußerster Abhängigkeit, das von einem
stolzen Herzen eingegangen werden muß. Es ist ein sehr gewissenhaftes Werk, und viele, die sich
Nachfolger Christi nennen, wissen nichts davon. Dem Namen nach nehmen sie den Heiland an, aber
nicht als alleinigen Beherrscher ihrer Herzen.
Einige fühlen das Bedürfnis der Versöhnung, und mit der Anerkennung ihrer Not und dem Wunsch
nach Veränderung des Herzens beginnt ein Kampf. Ihren eigenen Willen und vielleicht die gehegten
Gegenstände ihrer Zuneigung oder Pläne aufzugeben, erfordert Anstrengung. Davor schrecken viele
zurück, sie zögern und machen einen Rückzieher. Aber dieser Kampf muß von jedem Herzen
ausgefochten werden, das wahrhaft bekehrt
55
ist. Wir haben gegen Versuchungen von außen und innen anzukämpfen. Wir müssen den Sieg über
das eigene Ich erlangen und sündhafte Neigungen und Begierden kreuzigen. Dann beginnt die
Vereinigung der Seele mit Christo. Gleichwie der trockene und scheinbar leblose Zweig dem lebenden
Baum eingepfropft wird, so müssen wir zu lebendigen Reben am wahren Weinstock werden. Die
Frucht, die Christus brachte, wird auch in allen seinen Nachfolgern erscheinen. Nachdem diese
Vereinigung stattgefunden hat, kann sie nur durch fortwährendes, ernstes, sorgfältiges Bemühen
beibehalten werden. Christus wendet seine Macht an, diese heilige Verbindung zu unterhalten und zu
schützen. Aber der abhängige, hilflose Sünder muß durch unermüdliche Kraftanstrengung das Seine
tun, sonst wird er durch Satans grausame, verschlagene Macht von Christo getrennt.
Jeder Christ muß fortwährend auf der Hut sein und jeden Zugang zur Seele bewachen, wo Satan
Eingang finden könnte. Er muß um göttliche Hilfe bitten und gleichzeitig resolut jeder Neigung zur
Sünde widerstehen. Durch Mut, Glauben und ernstes Ringen kann er Sieger sein. Er sollte jedoch
immer daran denken, daß Christus in ihm und er in Christo bleiben muß, wenn er den Sieg erlangen
will.
Eine Verbindung der Gläubigen mit Christo wird als natürliches Resultat zur Einigkeit untereinander
führen; und dieses Band der Einigkeit ist das dauerhafteste auf Erden. Wir sind eins mit Christo, wie
Christus eins mit dem Vater ist. Christen sind Reben — aber nur Reben — am lebendigen Weinstock.
Eine Rebe kann die andere nicht ernähren. Unser Leben muß vom elterlichen Weinstock gespeist
werden. Nur durch persönliche Verbindung mit Christo, durch täglichen und stündlichen Umgang mit
ihm, können wir die Früchte des Heiligen Geistes hervorbringen.
In die Gemeinde von Battle Creek hat sich ein Geist eingeschlichen, der nichts mit Christo zu tun
hat. Es ist kein Eifer für die Wahrheit, keine Liebe zu Gottes Willen vorhanden, wie er sich in seinem
Wort offenbart. Es ist ein selbstgerechter Geist. Er führt dahin, das eigene Ich über Jesum zu erhöhen
und eigene Meinungen und Ansichten höher einzuschätzen als eine
56
Verbindung mit Christo und untereinander. Traurigerweise ermangelt ihr sehr der brüderlichen Liebe. Ihr
seid eine rückfällige Gemeinde. Die Wahrheit zu wissen, eine Verbindung mit Christo zu beanspruchen
und doch keine Frucht zu bringen und keinen beständigen Glauben zu üben — dies verhärtet das Herz
in Ungehorsam und Selbstvertrauen. Unser Wachstum in der Gnade, unsere Freude, unsere
Brauchbarkeit hängen von unserer Verbindung mit Christo und dem Maß des Glaubens an ihn ab. Hier
ist unsere Kraftquelle in der Welt.
Viele von euch suchen Ehre voneinander. Aber was sind Ehre oder Beifall von Menschen für den,
der sich als Gotteskind und Miterbe Christi betrachtet? Was bedeuten die Vergnügen dieser Welt dem,
der täglich Christi Liebe erfährt, die alle Erkenntnis übertrifft? Was bedeuten demjenigen, den Gott
durch Christum angenommen hat, Verachtung und Widerstand von Menschen? Selbstsucht kann nicht
mehr in einem Herzen wohnen, das an Christum glaubt, gleichwie Licht und Finsternis nicht beieinander
wohnen können. Geistliche Kälte, Trägheit, Stolz und Feigheit schwinden, wo Glaube ist. Können
diejenigen, die so eng mit Christo verbunden sind wie die Rebe mit dem Weinstock, noch über etwas
anderes sprechen als über Jesum?
Seid ihr in Christo? Nicht, wenn ihr euch nicht als irrende, hilflose, verurteilte Sünder anerkennt.
Nicht, solange ihr euch selbst erhöht und verherrlicht. Wenn irgend etwas Gutes in euch ist, dann ist es
allein der Barmherzigkeit eines mitleidsvollen Erlösers zuzuschreiben. Eure Herkunft, euer Ruf, euer
Reichtum, eure Talente, eure Tugenden, eure Frömmigkeit, eure Wohltätigkeit oder sonst etwas in euch
oder in Verbindung mit euch werden keine Vereinigung zwischen eurer Seele und Christo zustande
bringen. Eure Verbindung mit der Gemeinde, euer Ansehen, das ihr bei den Brüdern genießt, wird euch
von keinem Nutzen sein, es sei denn, euer Glaube ist in Christo gegründet. Es ist nicht genug, an
Christum zu glauben; ihr müßt in ihm glauben. Ihr müßt euch vollkommen auf seine rettende Gnade
verlassen.
Viele von euch in Battle Creek leben dahin ohne Gebet, ohne Gedanken an Christum, ohne ihn in
ihrer Umgebung zu
57
erhöhen. Ihr habt keine Worte, Christus zu verherrlichen; ihr tut nichts, was ihn ehrt. Viele unter euch
sind Christo gegenüber so fremd, als hätten sie niemals seinen Namen gehört. Ihr besitzt nicht den
Frieden in Christo; denn ihr habt keinen wahren Grund zum Frieden. Ihr habt keine Gemeinschaft mit
Gott, weil ihr nicht mit Christo verbunden seid. Unser Heiland sagt: „Niemand kommt zum Vater denn
durch mich.“ Johannes 14,6. Ihr seid dem Werke Christi nicht nützlich. „Ohne in mir zu bleiben,“ sagt
Christus, „könnt ihr nichts tun“ — nichts, das in Gottes Augen gilt, nichts, das Christus von euren
Händen annehmen würde. Ohne Christum ist eure Hoffnung umsonst, denn er erklärt: „Wer nicht in mir
bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer,
und müssen brennen.“ Johannes 15,6.
Fortschritt in der christlichen Erfahrung ist gekennzeichnet von zunehmender Demut als Resultat
wachsender Erkenntnis. Jeder, der mit Christo verbunden ist, wird von aller Ungerechtigkeit Abstand
nehmen. In der Furcht Gottes sage ich euch: Es wurde mir gezeigt, daß viele von euch das ewige
Leben verlieren werden, weil ihr eure Hoffnung auf den Himmel auf ein falsches Fundament gegründet
habt. Gott hat es euch überlassen, „euch zu demütigen, zu erforschen und zu erkennen, was in euren
Herzen ist.“ Ihr habt die Heilige Schrift vernachlässigt. Ihr verachtet und verwerft die Zeugnisse, weil sie
eure Lieblingssünden rügen und eure Selbstgefälligkeit stören. Wenn Christus im Herzen wohnt,
offenbart sich sein Wesen im täglichen Leben. Demut regiert, wo einst der Stolz thronte.
Unterwürfigkeit, Sanftmut und Geduld werden die rauhen Konturen einer von Natur aus verkehrten,
ungestümen Gemütsart besänftigen. Liebe zu Jesum wird sich in Liebe zu seinem Volk offenbaren. Sie
ist nicht launenhaft, nicht sprunghaft, sondern ruhig, tief und stark. Das Leben des Christen entbehrt
jedem falschen Schein, ist frei von aller Verstellung, List und Falschheit. Es ist ernst, wahr und erhaben.
Christus kommt in jedem Wort zum Ausdruck. Er wird sichtbar in jeder Tat. Das Leben erstrahlt im Licht
eines innewohnenden Erlösers. In Zwiesprache mit Gott und in froher Betrachtung himmlischer Dinge
bereitet sich die Seele auf den
58
Himmel vor und arbeitet, um andere Seelen zur Herde Christi zu führen. Unser Heiland ist imstande und
willig, mehr für uns zu tun, als was wir bitten oder nur ersinnen können.
Die Gemeinde in Battle Creek benötigt einen Geist bescheidener Selbsterniedrigung. Es wurde mir
gezeigt, daß viele einen unheiligen Wunsch nach Oberherrschaft pflegen. Viele lieben Schmeichelei
und wachen eifersüchtig darüber, ob man sie geringschätzig behandelt oder vernachlässigt. Es besteht
ein harter, unversöhnlicher Geist. Da ist Neid, Streit, Wetteifer.
Um Gemeinschaft mit Gott pflegen zu können, ist nichts notwendiger als tiefste Demut. Der
Allerhöchste und Heiligste sagt: „Der ich wohne ... bei denen, die zerschlagenen und demütigen Geistes
sind ...“ Jesaja 57,15. Während ihr so eifrig danach strebt, der Erste zu sein, sollt ihr daran denken, daß
ihr in Gottes Gunst die Letzten sein werdet, wenn ihr versäumt, sanftmütigen und demütigen Geistes zu
sein. Durch Stolz des Herzens werden viele versagen, wo sie Erfolg haben könnten. „Ehe man zu
Ehren kommt, muß man zuvor leiden.“ Sprüche 18,12. „Ein geduldiger Geist ist besser denn ein hoher
Geist.“ Prediger 7,8. „Da Ephraim [mit Zittern] redete, ward er in Israel erhoben; darnach versündigten
sie sich durch Baal und wurden darüber getötet.“ Hosea 13,1. „Viele sind berufen, aber wenige sind
auserwählt.“ Matthäus 22,14. Viele hören die Gnadeneinladung, werden geprüft und erprobt; aber nur
wenige empfangen das Siegel des lebendigen Gottes. Nur wenige werden sich erniedrigen wie ein
kleines Kind, damit sie ins Königreich des Himmels eingehen können.
Wenige nur nehmen Christi Gnade in Selbsterniedrigung mit einem tiefen, dauerhaften Gefühl ihrer
Unwürdigkeit entgegen. Sie können die Offenbarungen der Macht Gottes nicht ertragen, denn diese
würden in ihnen Selbsterhöhung, Stolz und Eifersucht ermutigen. Das ist der Grund, weshalb der Herr
jetzt so wenig für uns tun kann. Gott möchte, daß jeder von euch nach der Vollkommenheit der Liebe
und Herzensdemut trachtet. Richtet eure Hauptsorge auf euch selbst, übt jene vortrefflichen
Charakterzüge, die euch auf die Gesellschaft der Reinen und Heiligen vorbereiten.
59
Ihr alle benötigt die bekehrende Macht Gottes. Ihr selbst müßt Gott suchen. Um eurer Seele willen,
versäumt dieses Werk nicht länger. All eure Schwierigkeiten entstehen aus eurer Trennung von Gott.
Eure Uneinigkeit und Meinungsverschiedenheiten sind die Frucht eines unchristlichen Charakters.
Eigentlich wollte ich schweigen und euch gehen lassen, bis ihr die Sündhaftigkeit eures Handelns
erkennen und verabscheuen würdet. Aber Abfall von Gott führt zu Herzenshärtigkeit und geistlicher
Blindheit. Der wahre Zustand wird immer weniger erkannt, bis Gottes Gnade schließlich entzogen wird,
wie einst der jüdischen Nation.
Ich möchte, daß meine Stellung klar verstanden wird. Ich bin nicht damit einverstanden, wie Bruder
... behandelt wird. In die Herzen vieler hat Satan Haßgefühle gesät. Die von ihm begangenen Fehler
gingen von Mund zu Mund, stets an Größe zunehmend, während geschäftige, klatschsüchtige Zungen
Öl ins Feuer gossen. Eltern, die niemals Sorge um die Seelen ihrer Kinder fühlten, wie es ihnen zukam,
die sie niemals in rechter Weise zügelten und unterwiesen, sind die Ersten, bitteren Widerstand zu
offenbaren, wenn ihre Kinder in der Schule gezügelt, getadelt oder korrigiert werden. Einige dieser
Kinder sind eine Schande für die Gemeinde und verunehren den Namen der Adventisten.
Die Eltern selbst verachteten Tadel. Sie verachteten auch den Tadel, der ihren Kindern zuteil wurde,
und waren nicht darauf bedacht, dies vor ihnen zu verbergen. Die Sünde der Eltern begann mit falscher
Verwaltung im eigenen Heim. Die Seelen einiger dieser Kinder werden verloren gehen, weil sie nicht in
Gottes Wort unterrichtet und daheim nicht zu Christen erzogen wurden. Anstatt ihre Kinder in ihrem
verkehrten Verhalten zu ermutigen, hätten die Eltern sie zurechtweisen und den treuen Lehrer
unterstützen sollen. Diese Eltern unterhielten selbst keine Verbindung mit Christo, deshalb
vernachlässigten sie sträflich ihre Pflicht. Was sie gesät haben, werden sie auch ernten. Die Ernte wird
gewiß kommen.
In der Schule wurde Bruder ... nicht nur mit dem verkehrten Benehmen der Kinder belastet, sondern
auch noch durch
60
das unkluge Verhalten der Eltern, die Haß gegenüber aller Zurechtweisung erzeugten und nährten.
Überarbeitung, unaufhörliche Sorge, ohne Hilfe von daheim, wo er nur Reizbarkeit begegnete, haben
ihn manchmal veranlaßt, die Selbstbeherrschung zu verlieren und unüberlegt zu handeln. Einige haben
Vorteil daraus gezogen und Fehler von geringer Bedeutung als schwere Sünde gebrandmarkt.
Die Klasse bekenntlicher Sabbathalter, die eine Brücke zwischen Christum und Belial schlagen
wollen, die mit der einen Hand die Wahrheit ergreifen und mit der andern die Welt, haben ihre Kinder
mit einer Atmosphäre umgeben, die der Religion und dem Geist Christi völlig fremd ist. Und diese
haben sie auch in die Gemeinde gebracht. Sie haben nicht gewagt, sich öffentlich gegen die Ansprüche
der Wahrheit zu wenden. Sie wagten es nicht, kühn aufzutreten und zu sagen, daß sie nicht an die
Zeugnisse glauben. Während sie bekannten, an beide zu glauben, haben sie weder dem einen noch
dem andern gehorcht. Durch ihre Handlungsweise haben sie beide verleugnet. Sie erwarten, daß der
Herr seine Verheißungen an ihnen erfüllt; aber sie weigern sich, die Bedingungen zu erfüllen, unter
denen sie gewährt werden. Sie sind nicht bereit, jeden Rivalen Christi aufzugeben. Unter dem Einfluß
der Predigt des Wortes findet eine teilweise Unterdrückung der Weltlichkeit statt, aber die Neigungen
werden nicht radikal verändert. Weltliche Wünsche, Fleischeslust, Augenlust und Stolz gewinnen
endgültig die Oberhand. Alle, die zu dieser Klasse gehören, sind bekenntliche Christen. Ihre Namen
stehen im Gemeindebuch. Eine Zeitlang führen sie scheinbar ein religiöses Leben, aber dann neigen
sich ihre Herzen schließlich zu oft dem vorherrschenden Einfluß der Welt zu.
Worin auch die Fehler von Bruder ... bestehen mögen, euer Handeln ist ungerecht und unchristlich.
Ihr habt seine Lebensgeschichte seit Jahren erforscht und nach allem gesucht, was ungünstig war, was
auch nur den Anschein von Bösem hatte, und habt ihn um eines Wortes willen als Übeltäter
abgestempelt. Ihr habt alle Kräfte angewandt, euch in eurem Kurs als Ankläger zu bestärken. Denkt
daran, Gott wird mit jedem von euch
61
in gleicher Weise umgehen. „Denn mit welcherlei Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit
welcherlei Maß ihr messet, wird euch gemessen werden.“ Matthäus 7,2. Alle, die sich an diesem
unehrenhaften Werk beteiligt haben, werden ihm wieder begegnen müssen. Was meint ihr, welchen
Einfluß euer Verhalten auf die Studenten ausgeübt hat, die auf jede Einschränkung ungeduldig
reagieren? Welche Auswirkung wird dies auf ihren Charakter und ihre Lebensgeschichte haben?
Was sagen die Zeugnisse über diese Dinge? Selbst ein einziger Charakterfehler, ein gehegter
sündiger Wunsch mag alle Macht des Evangeliums zerstören. Das Vorherrschen eines sündigen
Verlangens zeugt von der Verblendung der Seele. Jedes Hegen jenes Verlangens stärkt den
Widerwillen der Seele gegen Gott. Die mangelnde Bereitschaft, die Pflicht zu erfüllen, und sündhafte
Vergnügen sind die Bande, mit denen Satan die Menschen an seine Schlingen fesselt. Diejenigen, die
lieber sterben würden, als ein Unrecht zu begehen, sind die einzigen, die als treu erfunden werden.
Ein Kind mag eine gesunde religiöse Erziehung genießen, aber wenn Eltern, Lehrer oder Erzieher
gestatten, daß sein Charakter sich durch eine falsche Gewohnheit verbiegt, wird diese Gewohnheit,
wenn nicht überwunden, zur vorherrschenden Macht werden, und das Kind ist verloren
Das Zeugnis des Geistes Gottes an euch lautet: Unterhandelt nicht mit dem Feind. Erstickt die
Dornen, oder sie werden euch ersticken. Brecht den harten Herzensboden auf. Laßt das Werk
tiefgehend und gründlich sein. Laßt die Pflugschar der Wahrheit das Unkraut und das Dornengestrüpp
herausreißen.
Christus sprach zu den zornigen, anklagenden Pharisäern: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der
werfe den ersten Stein.“ Johannes 8,7. Waren diese sündlos, die so bereitwillig, Bruder ... verurteilten
und verdammten? Wären ihre Wesenszüge und ihr Leben genauso gründlich und öffentlich untersucht
worden, wie es mit Bruder ... geschah, wären einige weit schlechter davongekommen, als sie ihn
dargestellt haben.
Ich wage nicht länger zu schweigen. Ich wende mich an euch und an die Gemeinde in Battle Creek.
Ihr habt einen großen
62
Fehler begangen. Ihr habt jemand, dem ihr und eure Kinder Dank schuldig seid, ungerecht behandelt,
und ihr erkennt es nicht. Ihr seid für den Einfluß verantwortlich, den ihr in der Schule ausgeübt habt.
Frieden ist eingekehrt, weil die Studenten ihren Willen bekommen haben. In einer anderen Krise
werden sie genauso entschlossen und ausdauernd sein wie bei dieser Gelegenheit, und wenn sie einen
ebenso fähigen Verteidiger finden, wie sie in Bruder ... gefunden haben, werden sie wieder ihr Ziel
erreichen. Gott hat zu Lehrern, Studenten und Gemeindegliedern gesprochen, aber ihr habt seine
Worte hinter euch geworfen. Es schien euch besser, eigene Wege zu gehen, ungeachtet der Folgen.
Gott hat uns als Volk zur Rechten und zur Linken mit Warnungen, Tadel und Ratschlägen umgeben,
um uns von weltlichen Gebräuchen und weltlicher Politik zu trennen. Er fordert von uns, im Glauben
und Wesen abgesondert zu sein und einem Maßstab gerecht zu werden, der sich sehr von
Weltmenschen unterscheidet. Bruder ... kam zu euch, unbekannt mit des Herrn Verfahrensweise mit
seinem Volk. Da er neu zum Glauben gekommen war, hatte er fast alles zu lernen. Aber ihr habt ohne
Zögern seinem Urteil zugestimmt. Ihr habt seinen Geist und sein Betragen gutgeheißen, obgleich
beides nicht mit Christo in Einklang war.
Ihr habt in den Studenten einen Geist der Kritik ermutigt, den der Geist Gottes bemüht war zu
unterdrücken. Ihr habt sie verführt, Vertrauen zu mißbrauchen. Es sind nicht wenig Jugendliche unter
uns, die sehr wertvolle Charakterzüge der Erkenntnis und Grundsätze von Bruder ... erhalten haben.
Seinem Unterricht verdanken viele ihre Brauchbarkeit, nicht nur in der Sabbatschule, sondern auch in
anderen Zweigen unseres Werkes. Aber euer Einfluß hat Undankbarkeit ermutigt und die Studenten
veranlaßt, die Dinge zu verachten, die sie hätten schätzen sollen.
Diejenigen, die nicht die besonderen Prüfungen haben, denen ein anderer unterworfen ist, mögen
sich schmeicheln, daß sie besser seien als er. Führe sie jedoch in den Feuerofen der Trübsal, und sie
werden es bei weitem nicht so geduldig ertragen
63
wie derjenige, den sie getadelt und falsch beurteilt haben. Wie wenig wissen wir von der Herzensnot
eines andern! Wie wenige können sich in die Lage eines andern versetzen! Deshalb ist es so schwierig,
weisen Rat zu erteilen. Was uns angemessen erscheint, kann genau das Gegenteil sein.
Bruder ... hat sich ernstlich um Erkenntnis bemüht. Er hat versucht, den Studenten einzuprägen, daß
sie für ihre Zeit, ihre Talente und für ihre Gelegenheiten verantwortlich sind. Es ist einem Menschen, der
so mit Sorgen und schwerer Verantwortung überlastet ist, unmöglich, nicht hastig, müde und nervös zu
werden. Diejenigen, die keine Bürden auf sich nehmen, die ihre Kräfte bis zum äußersten in Anspruch
nehmen würden, wissen nichts von dem Druck, der auf denen lastet, die diese Bürden tragen müssen.
Es gibt einige in der Schule, die nur nach unliebsamen Dingen im Umgang mit Bruder ...
ausgeschaut haben. Diese Personen besitzen nicht den edlen, Christo ähnlichen Geist, der nichts
Böses denkt. Sie haben jedes unüberlegte Wort, jede Tat auf die Goldwaage gelegt und diese Dinge zu
einer Zeit in Erinnerung gerufen, als Neid, Vorurteil und Eifersucht in unchristlichen Herzen aktiv waren.
Ein Schreiber hat passend erklärt: „Des Neiders Gedächtnis ist nichts weiter als eine Reihe von
Haken, woran er seine Mißgunst aufhängen kann.“ Es gibt viele in der Welt, die es als Beweis von
Überlegenheit betrachten, sich solcher Dinge und Personen zu erinnern, die sie „nicht ertragen“
können, anstatt derer, mit denen sie in gutem Einvernehmen waren. Der große Apostel hat nicht so
gehandelt. Er ermahnt seine Brüder: „Weiter, liebe Brüder, was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht,
was keusch, was lieblich, was wohllautet, ist etwa eine Tugend, ist etwa ein Lob, dem denket nach!“
Philipper 4,8.
Neid ist nicht nur eine üble Laune, sondern eine Krankheit, die alle Fähigkeiten durcheinander
bringt. Es begann mit Satan. Er wollte der Erste im Himmel sein, und weil er nicht alle Macht und
Herrlichkeit erlangen konnte, die er sich wünschte, empörte er sich gegen Gottes Regierung. Er
beneidete unsere ersten Eltern, versuchte sie zur Sünde und ruinierte sie und damit die ganze
menschliche Rasse.
64
Der Neider verschließt seine Augen vor den guten Wesenszügen und edlen Taten anderer. Er ist
immer bereit, das Vorzügliche herabzusetzen und falsch auszulegen. Menschen bekennen oftmals
andere Fehler und geben sie auf. Aber von einem Neider ist wenig zu erhoffen. Da Neid in Wirklichkeit
ein Zugeständnis ist, daß der andere ihm überlegen ist, wird der Stolz keine Zugeständnisse zulassen.
Wird ein Versuch unternommen, den Neider von seiner Sünde zu überzeugen, wird er nur noch
verbitterter gegenüber dem Gegenstand seiner Leidenschaft, und zu oft bleibt er unheilbar.
Der neidische Mensch verbreitet Gift, wohin er auch gehen mag, indem er Freunde uneins macht
und Haß und Empörung erregt gegen Gott und Menschen. Er möchte als der Beste und Größte
angesehen werden, nicht durch gewaltige, selbstverleugnende Anstrengungen, das hohe Ziel zu
erreichen, sondern indem er selbst bleibt wie er ist, aber die Verdienste der Bemühungen anderer
herabsetzt.
In den Herzen einiger sowohl in der Gemeinde als auch in der Schule wurde Neid gehegt. Gott
mißfällt euer Verhalten. Ich bitte euch um Christi willen, behandelt jemand anders niemals so, wie ihr
Bruder ... behandelt habt. Eine edle Natur hat niemals Freude daran, einem anderen Schmerz zu
bereiten oder seine Fehler zu entdecken. Ein Jünger Christi wird sich mit Ekel davon abwenden, am
Festmahl eines Skandals teilzunehmen. Einige, die bei dieser Gelegenheit aktiv waren, haben nur die
Behandlung wiederholt, die einem der Diener des Herrn in Anfechtung zuteil wurde, der Gesundheit und
Kraft in ihren Diensten aufopferte. Der Herr übernahm die Verteidigung des Unterdrückten und wandte
das Licht seines Angesichts seinem leidenden Diener zu. Ich sah, daß diese Personen wiederum
geprüft werden würden, um zu offenbaren, was in ihren Herzen ist. Das ist jetzt geschehen.
Als David gesündigt hatte, gewährte er ihm zu wählen, ob er seine Strafe von Gott oder von der
Menschen Hände empfangen wollte. Der reumütige König wollte lieber in Gottes Hände fallen. Die
zartfühlende Barmherzigkeit der Bösen ist
65
grausam. Der irrende, sündige Mensch, der nur durch Gottes Macht auf dem rechten Weg erhalten
bleiben kann, ist immer noch hartherzig und unversöhnlich gegenüber seinem irrenden Bruder. Meine
Brüder in Battle Creek, welchen Bericht werdet ihr vor den Gerichtsschranken Gottes abzulegen
haben? Ihr habt großes Licht in Tadel, Warnungen und Einladungen empfangen. Wie habt ihr doch
diese vom Himmel gesandten Strahlen verschmäht!
Von der Zunge, die Freude am Unheil hat, der geschwätzigen Zunge, die sagt: „Berichte, und ich
werde es weitererzählen“, sagt der Apostel Jakobus, daß sie vom höllischen Feuer entzündet ist. Sie
setzt alles in Brand. Was kümmert sich der Schwätzer darum, daß er den Unschuldigen verunglimpft?
Er wird mit seiner bösen Arbeit nicht aufhören, obwohl er Hoffnung und Mut bei denen vernichtet, die
schon unter ihrer Last zusammenbrechen. Er trägt nur Sorge, seinem Hang zu Klatschgeschichten zu
frönen. Selbst bekenntliche Christen verschließen ihre Augen vor allem Reinen, Ehrbaren, Edlen und
Liebenswerten und häufen alles mögliche Zweifelhafte und Unangenehme auf, um es der Welt
kundzutun.
Ihr habt Satan die Tür geöffnet, daß er eintreten kann. Ihr habt ihm einen Ehrenplatz in euren
Untersuchungs- oder Inquisitionsversammlungen eingeräumt. Aber ihr habt der Vorzüglichkeit eines
Charakters, der sich über Jahre hinweg in treuer Pflichterfüllung entwickelte, keine Achtung gezollt.
Eifersüchtige, rachgierige Zungen haben Handlungen und Beweggründe gefärbt, um ihren eigenen
Ideen zu entsprechen. Sie haben aus Schwarz Weiß gemacht und aus Weiß Schwarz. Wenn Einwände
wegen ihrer Darstellungen erhoben wurden, haben einige gesagt: „Es ist wahr.“ Ist das eine
Rechtfertigung für euer Verhalten, wenn ihr behauptet, daß es so ist, wie ihr gesagt habt? Nein, nein.
Wenn Gott alle Anklagen, die rechtmäßig gegen euch erhoben werden könnten, dem Chirurgenmesser
übergeben wollte, wären eure Wunden tiefer und zahlreicher als jene, die ihr Bruder ... zugefügt habt.
Selbst Tatsachen können so dargelegt werden, daß ein falscher Eindruck entsteht. Ihr habt nicht das
Recht, jeden Bericht aufzugreifen und ihn dahin zu benutzen, seinen
66
Ruf und seine Nützlichkeit zu zerstören. Würde der Herr euch gegenüber den gleichen Geist
offenbaren, wie ihr ihn gegen euren Bruder offenbart habt, würde er euch ohne Barmherzigkeit
vernichten. Habt ihr keine Gewissensbisse? Ich fürchte, ihr habt sie nicht. Die Zeit ist gekommen, daß
dieser satanische Zauber gebrochen werden muß. Wenn Bruder ... so wäre, wie ihr ihn dargestellt habt
— ich weiß aber, daß es nicht so ist —, dann wäre eure Handhabung des Falles immer noch
unverantwortlich.
Wenn wir einen Vorwurf gegen unseren Bruder anhören, greifen wir diesen Vorwurf auf. Auf die
Frage „Herr, wer wird wohnen in deiner Hütte? Wer wird bleiben auf deinem heiligen Berge?“ antwortet
der Psalmist: „Wer ohne Tadel einhergeht und recht tut und redet die Wahrheit von Herzen; wer mit
seiner Zunge nicht verleumdet und seinem Nächsten kein Arges tut und seinen Nächsten nicht
schmäht.“ Psalm 15,1-3.
Was für eine Flut von Geschwätz würde verhütet werden, wenn jeder daran dächte, daß solche, die
ihm die Fehler anderer erzählen, bei einer günstigen Gelegenheit ebenso bereitwillig seine Fehler
herumerzählen werden. Wir sollten uns bemühen, so lange von allen Menschen, besonders aber
unseren Glaubensgeschwistern, Gutes zu denken, bis wir genötigt sind, unsere Meinung über sie zu
ändern. Wir sollten nachteiligen Gerüchten nicht so schnell Glauben schenken. Sie sind oft die Folge
von Neid oder Mißverständnis oder können aus Übertreibung oder unvollständiger Kenntnis der
Tatsachen hervorgehen. Wenn man der Eifersucht und dem Argwohn einmal Raum gegeben hat, wird
sich ihr Same ausbreiten wie Distelwolle. Sollte ein Bruder irregehen, dann ist es an der Zeit, deine
wahre Anteilnahme für ihn zu beweisen. Geh in freundlicher Weise zu ihm, bete mit ihm und für ihn und
denke an den unendlichen Preis, den Christus für seine Erlösung entrichtet hat. Auf diese Weise kannst
du eine Seele vom Tode erretten und eine Menge von Sünden zudecken.
Ein flüchtiger Blick, ein Wort und selbst der Tonfall können von Unaufrichtigkeit geradezu
durchtränkt sein, sie können ein Herz wie ein Pfeil mit Widerhaken treffen und ihm eine unheilbare
Wunde zufügen. Auf diese Weise kann jemand in ein
67
zweifelhaftes oder schlechtes Licht geraten, durch den Gott etwas Gutes wirken wollte, und sein guter
Einfluß ist im Keim erstickt und seine Nützlichkeit vernichtet. Unter einigen Tierarten kommt es vor, daß,
wenn eins verwundet wird und stürzt, es sogleich von den anderen überfallen und in Stücke gerissen
wird. Demselben grausamen Geist frönen Männer und Frauen, obwohl sie den Namen Christen tragen.
Sie offenbaren einen pharisäischen Eifer, andere zu steinigen, die weniger schuldig sind als sie selbst.
Es gibt einige, die auf Fehler und Mängel anderer hinweisen, um die Aufmerksamkeit von ihren eigenen
abzulenken oder um wegen ihres großen Eifers für Gott und die Gemeinde Ansehen zu gewinnen.
Vor einigen Wochen wohnte ich im Traum einer eurer Versammlungen bei, in der eine
Untersuchung vorgenommen wurde. Ich hörte den Zeugnissen zu, die von Studenten gegen Bruder ...
vorgebracht wurden. Gerade diese Studenten hatten durch seine gründliche, getreue Unterweisung
großen Nutzen empfangen. Früher konnten sie nicht genug von seinen Verdiensten erzählen. Zu der
Zeit war es noch in Mode, ihn zu schätzen. Aber inzwischen nahm alles eine andere Richtung. Diese
Personen haben ihren wahren Charakter entwickelt. Ich sah einen Engel mit einem schweren
geöffneten Buch in der Hand, in dem er jedes abgelegte Zeugnis niederschrieb. Gegenüber eines jeden
Zeugnisses waren die Sünden, Fehler und Irrtümer derer verzeichnet, die sie ablegten. Dann war der
große Nutzen aufgeschrieben, den diese Personen aus der Arbeit von Bruder ... gezogen hatten.
Wir als Gemeinde ernten die Früchte der harten Arbeit von Bruder. ... Es ist niemand unter uns, der
mehr Zeit und Nachsinnen in seinem Werk investiert hat, als Bruder. ... Er fühlte, daß er niemand hatte,
der ihn unterstützte, und war dankbar für jede Ermutigung.
Eines der größten Ziele, die durch die Gründung der Missionsschule erreicht werden sollten, war die
Trennung unserer Jugend vom Geist und Einfluß der Welt, von ihren Sitten, Torheiten und ihrer
Abgötterei. Die Schule sollte eine Schranke gegen die Unmoral dieses Zeitalters bilden, welche die Welt
genauso
68
verdorben macht wie in Noahs Tagen. Die Jugend ist bezaubert von der Sucht nach Umworbensein und
Heirat. Liebeskranke Gefühlsduselei gewinnt die Oberhand. Größte Wachsamkeit und Taktgefühl sind
notwendig, um die Jugend vor diesen verkehrten Einflüssen zu bewahren. Viele Eltern sind blind
gegenüber den Neigungen ihrer Kinder. Einige Eltern haben mir sehr zufrieden erklärt, daß ihr Sohn
oder ihre Tochter keinen Wunsch nach der Aufmerksamkeit von Mädchen bzw. jungen Männern
verspürten. In Wirklichkeit empfingen oder gaben aber gerade diese Jugendlichen heimlich solche
Aufmerksamkeiten, während die Eltern so in Weltlichkeit und Klatsch aufgingen, daß sie nichts von der
Sache wußten.
Das Hauptziel unserer Schule bestand darin, jungen Männern Gelegenheit zum Studium für das
Predigtamt zu bieten und junge Männer und Frauen auf die Arbeit in anderen Zweigen des Werkes
vorzubereiten. Diese Studenten benötigten Unterricht in gewöhnlichen Wissensgebieten, aber vor allem
das Studium des Wortes Gottes. Hierin ist unsere Schule zu kurz gekommen. Es gab niemand, der sich
Gott geweiht hatte, um sich diesem Zweig des Werkes zu widmen. Junge Männer, die vom Geiste
Gottes bewegt wurden, ins Predigtamt einzutreten, und zu diesem Zweck die Schule besuchten,
wurden enttäuscht. Es wurde keine Vorsorge für eine solche Klasse getroffen, und einige Lehrer, die
dies wußten, haben der Jugend geraten, andere Studien aufzunehmen und sich auf andere Berufe
vorzubereiten. Wenn diese jungen Leute nicht fest in ihrer Absicht waren, wurden sie veranlaßt, ihren
Plan, sich aufs Predigtamt vorzubereiten, gänzlich aufzugeben.
Solcherart sind die Folgen des Einflusses von ungeheiligten Lehrern, die nur um ihres Gehaltes
willen arbeiten, die nicht mit Gottes Geist erfüllt sind und keine Verbindung mit Christo haben. Niemand
war aktiver in diesem Werk als Bruder. ... Die Bibel sollte Hauptgegenstand des Studiums sein. Dieses
Buch, das uns zeigt, wie wir dieses gegenwärtige Leben verbringen sollen, damit wir das zukünftige,
ewige Leben erlangen können, ist für die Studenten von größerem Wert als alle anderen. Uns steht nur
eine kurze Zeitperiode zur Verfügung, mit seinen
69
Wahrheiten bekannt zu werden. Aber derjenige, der Gottes Wort studiert hatte, der den jungen Leuten
besser als alle andern Lehrer hätte helfen können, eine Schriftkenntnis zu erlangen, wurde von der
Schule getrennt.
Professoren und Lehrer haben den Zweck der Missionsschule nicht begriffen. Wir haben Geld,
Gedanken und Arbeit investiert, um sie zu dem zu machen, was Gott erwartete. Wille und Urteil solcher,
die beinahe völlig unbekannt damit sind, welche Wege Gott sein Volk geführt hat, sollten keinesfalls
beherrschenden Einfluß in dieser Schule haben. Der Herr hat wiederholt gezeigt, daß wir nicht dem
Beispiel volkstümlicher Schulen folgen sollten. Prediger anderer Kirchen verbringen Jahre mit ihrer
Ausbildung. Unsere jungen Männer müssen sie in kurzer Zeit erlangen. Wo sich heute ein Prediger
befindet, sollten zwanzig sein, die mit Gottes Hilfe auf unserer Schule vorbereitet wurden, ins Erntefeld
des Evangeliums einzutreten.
Viele unserer jüngeren Prediger und selbst einige der älteren vernachlässigen das Wort Gottes und
verschmähen auch die Zeugnisse seines Geistes. Sie wissen nicht, was die Zeugnisse enthalten und
wollen es gar nicht wissen. Sie wollen ihre Charakterfehler weder herausfinden noch korrigieren. Viele
Eltern lassen sich selbst nicht durch die Zeugnisse belehren, und deshalb können sie diese natürlich
auch ihren Kindern nicht vermitteln. Sie zeigen ihre Verachtung für das von Gott gegebene Licht, indem
sie seinen Unterweisungen direkt entgegenwirken. Männer, die im Mittelpunkt des Werkes stehen,
haben ein solches Beispiel gegeben.
Ihr habt eure Streitigkeiten vor der Welt bekanntgemacht. Meint ihr, daß ihr als Gemeinde in Battle
Creek in einem günstigeren Licht dasteht? Christus betete, daß seine Jünger eins sein möchten, wie er
mit dem Vater eins ist, damit die Welt erkennen möge, daß Gott ihn gesandt habe. Welches Zeugnis
habt ihr während der letzten paar Monate abgelegt? Der Herr schaut in jedes Herz. Er wägt eure
Beweggründe. Wer wird die Prüfung bestehen?
Kapitel 5: Die Zeugnisse geringschätzig behandelt
Healdsburg, Kalifornien
20 Juni 1882
Liebe Geschwister in Battle Creek: Ich hörte, daß das Zeugnis, das ich Bruder ... mit der Bitte
übersandte, es vor der Gemeinde zu verlesen, euch mehrere Wochen vorenthalten wurde, nachdem er
es empfangen hatte. [Dies bezieht sich auf den vorausgehenden Artikel — s. o.] Bevor ich das Zeugnis
abschickte, ließ der Geist Gottes mir Tag und Nacht keine Ruhe, bis ich euch geschrieben hatte. Diese
Aufgabe würde ich nicht selbst gewählt haben. Vor dem Tod meines Mannes beschloß ich, daß es nicht
meine Pflicht sei, irgend jemand wegen Unrechts zu tadeln oder im Recht zu verteidigen. Zu oft schon
wurden meine Werke benutzt, um mit Irrenden hart zu verfahren und andere unklug zu erhöhen, deren
Handlungsweise ich nicht im geringsten billigte. Viele erklärten die Zeugnisse zum eigenen Nutzen.
Gottes Wahrheit stimmt nicht mit den Überlieferungen der Menschen überein, noch paßt sie sich ihren
Meinungen an. Gleich ihrem göttlichen Urheber ist sie unveränderlich, dieselbe gestern, heute und in
Ewigkeit. Diejenigen, die sich von Gott trennen, werden Finsternis Licht und Irrtum Wahrheit nennen.
Aber Finsternis wird sich nie als Licht erweisen, noch Irrtum als Wahrheit.
Die Sinne vieler sind durch weltliche Gebräuche, weltliche Praktiken und Einflüsse so verfinstert und
verwirrt, daß alle Fähigkeit, zwischen Licht und Finsternis, Wahrheit und Irrtum zu unterscheiden,
zerstört zu sein scheint. Ich hatte wenig Hoffnung, daß man meine Worte verstehen würde. Als aber der
Herr so entschieden auf mich einwirkte, konnte ich seinem Geist nicht widerstehen. Da ich wußte, daß
ihr euch selbst in Satans Schlingen verstrickt hattet, sah ich, daß es zu gefährlich für mich war, stille zu
schweigen.
Seit Jahren schon hat euch der Herr den Zustand der Gemeinde vor Augen geführt. Immer wieder
wurden Tadel und Warnungen erteilt. Am 23. Oktober 1879 gab der Herr mir ein sehr eindrucksvolles
Zeugnis betreffs der Gemeinde in Battle Creek. Als ich während der letzten Monate unter euch weilte,
71
trug ich eine schwere Last für die Gemeinde, während diejenigen, um deren Seelen es ging, es
vergleichsweise auf die leichte Schulter nahmen und nicht interessiert waren. Ich wußte nicht, was ich
tun oder sagen sollte. Ich hatte kein Vertrauen in den Kurs, den einige verfolgten, denn sie taten genau
das, wovor der Herr sie gewarnt hatte.
Der Gott, dem ihr geistlicher Zustand bekannt ist, erklärt: Sie haben das Böse gehegt und sich von
mir getrennt. Jeder von ihnen ist in die Irre gegangen. Niemand ist schuldlos. Sie haben mich, die
Quelle lebendigen Wassers, verlassen und sich Brunnen gegraben, die kein Wasser geben. Viele
haben ihre Wege vor mir verdorben. Neid, Haß untereinander, Eifersucht, üble Nachrede, Wetteifer,
Streit und Bitterkeit — das sind die Früchte, die sie tragen. Und sie werden das Zeugnis nicht
annehmen, das ich ihnen sende. Sie werden ihre verkehrte Handlungsweise nicht einsehen und sich
bekehren, damit ich sie heilen könnte.
Viele schauen selbstzufrieden auf die langen Jahre zurück, während welcher sie die Wahrheit
vertreten haben. Sie empfinden, daß sie jetzt wegen der vergangenen Prüfungen und ihres früheren
Gehorsams zur Belohnung berechtigt sind. Aber diese echte Erfahrung in göttlichen Dingen während
der Vergangenheit macht sie schuldig vor Gott, weil sie nicht in ihrer Redlichkeit und Vervollkommnung
fortfahren. Die Treue des letzten Jahres wird kein Ersatz sein für die Nachlässigkeit in diesem Jahr.
Eines Menschen Wahrhaftigkeit von gestern wird seine heutige Falschheit nicht sühnen.
Viele entschuldigen ihre Mißachtung der Zeugnisse mit den Worten: „Schwester White ist von ihrem
Mann beeinflußt, die Zeugnisse sind von seinem Geist und Urteil geformt.“ Andere suchten etwas bei
mir zu finden, womit sie ihr Tun rechtfertigen konnten oder was ihnen Einfluß geben würde. Ich
beschloß dann, daß nichts mehr von meiner Feder kommen sollte, ehe nicht Gottes bekehrende Macht
in der Gemeinde zu sehen war. Aber der Herr legte meiner Seele die Last auf. Ich mühte mich ernstlich
um euch. Wieviel das meinen Mann und mich kostete, wird die Ewigkeit zeigen. Kenne ich nicht den
Zustand der Gemeinde, wenn der Herr ihn mir seit Jahren immer wieder vor
72
Augen geführt hat? Wiederholt wurden Warnungen gegeben, aber es hat kein entschiedener Wechsel
stattgefunden.
Ich sah, daß Gottes finsterer Blick auf seinem Volk ruhte, weil es sich der Welt angepaßt hat. Ich
sah, daß die Kinder von Bruder ... eine Schlinge für ihn gewesen sind. Ihre Ideen und Meinungen, ihre
Gefühle und Aussagen haben sein Gemüt beeinflußt und seine Urteilskraft verblendet. Diese
Jugendlichen neigen sehr zum Unglauben. Der Mutter Mangel an Glauben und Vertrauen in Gott hat
sich auf ihre Kinder vererbt. Ihre Zuneigung zu ihnen ist größer als ihre Weihe an Gott. Der Vater hat
seine Pflicht versäumt. Das Resultat ihrer verkehrten Vorgehensweise offenbart sich in ihren Kindern.
Als ich zur Gemeinde sprach, versuchte ich den Eltern ihre feierliche Verpflichtung ihren Kindern
gegenüber einzuprägen, denn mir war der Zustand der Jugendlichen bekannt und welche Tendenz
schuld daran war. Aber das Wort wurde nicht angenommen. Ich weiß, welche Last ich auf meinem
Herzen trug, als ich zuletzt unter euch arbeitete. Niemals hätte ich meine Kräfte bis zum äußersten
eingespannt, wenn ich mir nicht eurer Gefahr bewußt gewesen wäre. Mich verlangte danach, daß ihr
eure Herzen vor Gott demütigen und in Reue und Glauben zu ihm zurückkehren würdet.
Aber wenn ich euch jetzt ein Zeugnis der Warnung und des Tadels sende, werden viele von euch
erklären, daß es nur die Meinung von Schwester White sei. Ihr habt dadurch Gottes Geist verhöhnt. Ihr
wißt, wie der Herr sich durch den Geist der Weissagung offenbart hat. Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft sind an mir vorübergezogen. Mir wurden Angesichter gezeigt, die ich nie zuvor gesehen hatte,
und Jahre später erkannte ich sie, wenn ich sie sah. Ich wurde aus meinem Schlaf erweckt mit einer
lebhaften Wahrnehmung von Gegenständen, die mir früher vorgeführt worden waren. Ich habe um
Mitternacht Briefe geschrieben, die den Kontinent durchkreuzten, um einer Krise zu begegnen, die dem
Werke Gottes großen Schaden zugefügt haben würde. Dies ist seit vielen Jahren meine Arbeit. Eine
Macht hat mich bewegt, Verkehrtheiten zu rügen und zu tadeln, von denen ich keine Ahnung hatte. Ist
dieses Werk der letzten sechsunddreißig Jahre von oben oder von unten?
73
Angenommen — wie einige es unrechterweise erscheinen lassen wollen — ich wäre in meinem
Schreiben durch Briefe von Gemeindegliedern beeinflußt worden, wie war es mit dem Apostel Paulus?
Die Nachricht, die er aus dem Haushalt der Kloe bezüglich des Zustandes der Gemeinde zu Korinth
erhielt, veranlaßte ihn, den ersten Brief an jene Gemeinde zu schreiben. Private Briefe hatten ihn
erreicht, in welchen die bestehenden Tatsachen geschildert wurden, und in seiner Antwort legte er
allgemeine Grundregeln nieder, welche die Übel korrigieren würden, wenn man sie befolgte. Mit
großem Zartgefühl und Weisheit ermahnt er alle, eines Sinnes zu sein, damit es keine Spaltung unter
ihnen gebe.
Paulus war ein inspirierter Apostel. Doch der Herr offenbarte ihm nicht immer den genauen Zustand
seines Volkes. Diejenigen, die am Wohlergehen der Gemeinde Anteil nahmen und sahen, daß sich
Übelstände einschlichen, brachten ihm die Sache vor, und durch vorher empfangenes Licht war er
vorbereitet, den wahren Charakter dieser Entwicklungen zu beurteilen. Die wirklich nach Licht
trachteten, warfen seine Botschaft nicht als einen gewöhnlichen Brief beiseite, bloß weil der Herr ihm für
diese spezielle Zeit keine neue Offenbarung gegeben hatte. Nein, wirklich nicht. Der Herr hatte ihm die
Schwierigkeiten und Gefahren gezeigt, die sich in den Gemeinden erheben würden, damit er ihnen
gerade dann begegnen könnte, wenn sie sich entwickeln würden.
Er sollte Verteidiger der Gemeinden sein. Er sollte über Seelen wachen als jemand, der sich vor
Gott zu verantworten hatte. Konnte er es sich da leisten, den Berichten über ihren Zustand der
Gesetzlosigkeit und Trennung keine Beachtung zu schenken? Natürlich mußte er Notiz davon nehmen,
und der Tadel, den er ihnen sandte, war ebenso unter der Inspiration des Geistes Gottes geschrieben
wie jeder andere seiner Briefe. Aber als diese Verweise kamen, wollten einige die Zurechtweisung nicht
annehmen. Sie nahmen die Stellung ein, daß Gott nicht durch Paulus zu ihnen gesprochen hatte, daß
es nur seine menschliche Meinung war, und sie erachteten ihr eigenes Urteil als ebenso gut wie das
des Paulus.
74
So verhält es sich mit vielen unter unserem Volk, die sich von den alten Grenzsteinen entfernt haben
und ihrem eigenen Verständnis gefolgt sind. Welch große Erleichterung wäre es für sie, könnten sie ihr
Gewissen mit dem Glauben beruhigen, daß mein Werk nicht von Gott ist. Aber euer Unglaube wird an
den Tatsachen nichts ändern. Ihr seid fehlerhaft in eurem Charakter, in Moral und in religiöser
Erfahrung. Schließt eure Augen vor der Tatsache; aber dies wird euch kein bißchen vollkommener
machen. Das einzige Heilmittel ist, euch im Blute des Lammes zu waschen.
Wenn ihr versucht, Gottes Rat beiseite zu schieben, um euch selbst zu gefallen, wenn ihr das
Vertrauen des Volkes Gottes in die Zeugnisse, die er ihm gesandt hat, schwächt, empört ihr euch
ebenso gewiß gegen Gott wie Korah, Dathan und Abiram. Ihr kennt ihre Geschichte. Ihr wißt, wie
hartnäckig sie in ihren eigenen Ansichten waren. Sie entschieden, daß ihr Urteil besser sei als das von
Mose, und daß Mose Israel großes Unrecht tue. Diejenigen, die sich mit ihnen verbündet hatten, waren
so fest in ihrer Meinung, daß sie, trotzdem Gottes Gerichte die Leiter und Fürsten auf
aufsehenerregende Weise vernichtet hatten, am nächsten Morgen mit der Anklage zu Mose kamen: „Ihr
habt des Herrn Volk getötet.“ 4.Mose 17,6. Hier sehen wir, welche furchtbare Verblendung über das
menschliche Gemüt kommen kann. Wie schwer ist es, Seelen zu überzeugen, die von einem Geist
beseelt werden, der nicht von Gott ist. Als Botschafter Christi möchte ich euch zurufen: Gebt acht,
welche Stellung ihr einnehmt. Dies ist Gottes Werk, und ihr müßt ihm darüber Rechenschaft geben, wie
ihr seine Botschaft behandelt.
Als ich am Totenbett meines Mannes stand, war mir bewußt, daß er noch hätte leben können, wenn
andere ihren Teil der Lasten getragen hätten. In tiefer Seelenpein betete ich, daß diejenigen, die
zugegen waren, Gottes Geist nicht länger durch ihre Herzenshärtigkeit betrüben möchten. Wenige Tage
später mußte ich selbst dem Tod ins Angesicht schauen. Dann erhielt ich von Gott sehr klare
Offenbarungen betreffs meiner selbst und der Gemeinde. In großer Schwachheit trug ich euch mein
Zeugnis vor, nicht wissend, ob es meine letzte Gelegenheit war.
75
Habt ihr jene feierlichen Augenblicke vergessen? Ich kann sie nie vergessen, denn es schien mir, als
stünde ich vor Christi Richterstuhl. Euren rückfälligen Zustand, eure Herzenshärtigkeit, euren Mangel an
Harmonie, Liebe und geistlicher Gesinnung und euer Abweichen von der Einfachheit und Reinheit, die
ihr nach Gottes Wunsch bewahren solltet — ich weiß und fühle das alles. Fehlerfinden, Tadelsucht,
Neid und Streit um die höchste Stellung waren unter euch zu finden. Ich sah es und wußte, wohin es
führen würde. Ich mußte befürchten, daß die Anstrengung mich mein Leben kosten würde, mein
Interesse für euch veranlaßte mich jedoch, zu euch zu sprechen. Gott sprach an jenem Tag zu euch.
Hinterließen seine Worte einen bleibenden Eindruck?
Als ich nach Colorado ging, trug ich eine solche Last für euch auf meinem Herzen, daß ich in meiner
Schwäche viele Seiten schrieb, die auf eurer Lagerversammlung vorgelesen werden sollten. Schwach
und zitternd erhob ich mich morgens um drei Uhr, um euch zu schreiben. Gott sprach durch ein
geringes Werkzeug. Ihr mögt sagen, daß dies nur ein Brief war. Ja, es war ein Brief, aber eingegeben
vom Geist Gottes, um euch Dinge vorzuführen, die mir gezeigt worden sind. In diesen Briefen, die ich
schreibe, in den Zeugnissen, die ich bringe, führe ich euch das vor Augen, was der Herr mir gezeigt hat.
Ich schreibe in den Schriften nicht einen Artikel, der bloß meine eigenen Ideen zum Ausdruck bringt. Es
handelt sich um Dinge, die der Herr mir im Gesicht eröffnet hat — köstliche Lichtstrahlen von Gottes
Thron.
Als ich nach Oakland kam, lag mir der Zustand der Dinge in Battle Creek schwer auf dem Herzen,
und ich war in meiner Schwäche machtlos, euch zu helfen. Mir war bewußt, daß der Sauerteig des
Unglaubens an der Arbeit war. Diejenigen, welche die ausdrücklichen, klaren Anweisungen des Wortes
Gottes mißachteten, ließen auch die Zeugnisse unbeachtet, die sie drängten, dem Wort
Aufmerksamkeit zu schenken. Während meines Besuchs in Healdsburg im letzten Winter befand ich
mich viel im Gebet, niedergebeugt von Angst und Kummer. Aber einmal, während ich betete, fegte der
Herr die Finsternis
76
hinweg, und ein helles Licht erfüllte den Raum. Ein Engel Gottes war mir zur Seite, und ich schien mich
in Battle Creek zu befinden. Ich war in eurer Ratsversammlung. Ich hörte Worte und sah und hörte
Dinge, von denen ich wünsche, sie möchten, so Gott will, für immer aus meinem Gedächtnis
ausgelöscht werden. Meine Seele war so verwundet, daß ich nicht wußte, was ich tun oder sagen
sollte. Einige Dinge kann ich nicht erwähnen. Es wurde mir geboten, niemanden etwas davon wissen zu
lassen, weil sich vieles erst noch entwickelte.
Mir wurde gesagt, daß ich alles erhaltene Licht sammeln und seine Strahlen dem Volke Gottes
scheinen lassen sollte. Ich habe dies in den Artikeln für unsere Schriften getan. Monatelang bin ich
beinahe täglich morgens um drei Uhr aufgestanden und habe verschiedene Punkte gesammelt, die ich
nach den beiden letzten Zeugnissen geschrieben hatte, die ich in Battle Creek empfing. Ich schrieb
diese Themen nieder und beeilte mich, sie euch zu schicken. Dabei versäumte ich, auf mich selbst zu
achten, und so brach ich unter der Last zusammen. Es war nicht alles fertig, um euch zur
Generalkonferenz zu erreichen.
Wiederum offenbarte sich der Herr, als ich mich im Gebet befand. Ich war wieder im Geist in Battle
Creek. Ich war in vielen Häusern und hörte eure Worte bei Tisch. Ich habe nicht die Freiheit, jetzt auf
Einzelheiten einzugehen. Hoffentlich werde ich nie gezwungen sein, sie zu erwähnen. Ich hatte
außerdem verschiedene sehr eindrucksvolle Träume.
Welche Stimme werdet ihr als Gottes Stimme anerkennen? Welche Macht kann der Herr noch
gebrauchen, eure Irrtümer zu korrigieren und euch euren wirklichen Kurs zu zeigen? Welche Macht
steht ihm noch zur Verfügung, in der Gemeinde zu wirken? Wenn ihr euch weigert zu glauben, bis jeder
Schatten der Ungewißheit und jede Möglichkeit des Zweifels beseitigt ist, werdet ihr niemals glauben.
Der Zweifel, der völlige Kenntnis fordert, wird sich nie dem Glauben ergeben. Der Glaube fußt auf dem
Zeugnis, nicht auf Beweisen. Der Herr verlangt von uns, der Stimme der Pflicht zu gehorchen, selbst
wenn alle anderen Stimmen um uns herum uns drängen, den entgegengesetzten Kurs einzuschlagen.
Es erfordert ernste Aufmerksamkeit
77
unsererseits, die Stimme zu unterscheiden, durch die Gott zu uns spricht. Wir müssen der Neigung
widerstehen und sie überwinden und der Stimme des Gewissens ohne Unterhandlung und Kompromiß
folgen, damit es nicht seine Eingebungen einstellt und dem Willen und Gefühlen die Herrschaft
überläßt. Das Wort des Herrn wird einen jeden erreichen, der seinem Geist nicht widerstanden hat, der
nicht dazu entschlossen war, weder zu hören noch zu gehorchen. Diese Stimme wird vernommen in
Warnungen, Ratschlägen und Tadel. Es ist des Herrn Botschaft des Lichts an sein Volk. Wenn wir auf
deutlichere Aufrufe oder bessere Gelegenheiten warten, mag uns das Licht entzogen und wir in
Finsternis zurückgelassen werden.
Indem sie einmal versäumt haben, dem Ruf des Geistes Gottes und seines Wortes zu folgen, weil
Gehorsam ein Kreuz einschloß, haben viele viel verloren — wieviel, werden sie niemals wissen, bis die
Bücher am letzten Tag geöffnet werden. Die Bitten des Heiligen Geistes, heute mißachtet, weil
Vergnügen oder Neigung in die entgegengesetzte Richtung führen, mögen morgen machtlos sein zu
überzeugen oder auch nur zu beeindrucken. Die vorhandenen Gelegenheiten mit bereiten und willigen
Herzen zu nutzen, ist der einzige Weg, in Gnade und Erkenntnis der Wahrheit zu wachsen. Jeder von
uns sollte sich immer dessen bewußt sein, daß wir uns in der Gegenwart des Herrn der Heerscharen
befinden. Wir sollten kein Wort sprechen, keine Handlung begehen, ja nicht einmal einen Gedanken
hegen, die das Auge des Ewigen beleidigen. Wir werden dann keinen Menschen oder keine irdische
Macht fürchten, weil der große Herrscher, dessen Machtbereich das ganze Universum umfaßt, unser
persönliches Schicksal für Zeit und Ewigkeit in seinen Händen hält und all unser Wirken zur Kenntnis
nimmt. Wenn wir empfinden würden, daß wir an jedem Platz Diener des Allerhöchsten sind, wären wir
vorsichtiger. Unser ganzes Leben erhielte eine ganz andere Bedeutung für uns, eine Heiligkeit, die uns
irdische Ehren niemals geben können.
Die Gedanken des Herzens, die Worte der Lippen und jede Tat unseres Lebens werden unserem
Charakter mehr Würde verleihen, wenn Gottes Gegenwart ständig empfunden wird. Die
78
Sprache des Herzens sollte sein: „Siehe, Gott ist hier.“ Dann wird das Leben rein, der Charakter
unbefleckt, die Seele ständig auf den Herrn gerichtet sein. Ihr in Battle Creek seid nicht einem solchen
Weg gefolgt. Mir wurde gezeigt, daß ihr an einer schmerzhaften, ansteckenden Krankheit leidet, die
geistlichen Tod herbeiführen wird, wenn sie nicht aufgehalten wird.
Viele werden ruiniert durch ihren Wunsch, ein Leben der Bequemlichkeit und des Vergnügens zu
führen. Selbstverleugnung ist ihnen unangenehm. Sie trachten ständig danach, Schwierigkeiten aus
dem Weg zu gehen, die unvermeidlich mit der Treue zu Gott verbunden sind. Ihr Verlangen ist auf die
guten Dinge dieses Lebens gerichtet. Dies ist menschlicher Erfolg; aber wird er nicht erlangt unter
Verlust zukünftiger, ewiger Interessen? Die große Aufgabe unseres Lebens besteht darin, uns als treue
Diener Gottes zu erweisen, Gerechtigkeit zu lieben und Sünde zu hassen. Wir dürfen dankbar jenes
Maß gegenwärtigen Glücks und Erfolgs annehmen, das uns der Pfad der Pflicht bietet. Wir erfreuen uns
der größten Kraft, wenn wir unsere Schwäche fühlen und anerkennen. Der größte Verlust, den ihr in
Battle Creek erleiden könnt, ist der Verlust von Ernsthaftigkeit und ausdauerndem Eifer, recht zu
handeln, und der Verlust der Kraft, Versuchungen zu widerstehen, sowie der Verlust des Glaubens an
die Grundsätze von Wahrheit und Pflicht.
Niemand sollte sich schmeicheln, erfolgreich zu sein, es sei denn, er bewahrt sich ein unverletztes
Gewissen und übergibt sich ganz der Wahrheit und Gott. Wir sollten immer vorangehen und niemals
Herz oder Hoffnung zu gutem Werk verlieren, welche Schwierigkeiten uns auch begegnen, welche
moralische Finsternis uns auch umgeben mag. Geduld, Glaube, Liebe zur Pflicht — das sind die
Lektionen, die wir lernen müssen. Das eigene Ich zu unterdrücken und auf Jesum zu schauen, ist eine
tägliche Aufgabe. Der Herr wird niemals die Seele verlassen, die auf ihn vertraut und seine Hilfe sucht.
Die Krone des Lebens wird nur auf die Stirn des Überwinders gesetzt. Solange unser Leben währt, hat
jeder von uns ein ernstes, feierliches Werk für Gott zu tun. So wie Satans Macht zunimmt und seine
Verführungen sich vervielfachen, sollte die Geschicklichkeit, die Fähigkeit
79
und scharfsinnige Leitung derer zunehmen, denen Gottes Herde anvertraut ist. Wir haben nicht nur ein
persönliches Werk zur Rettung unserer eigenen Seele zu tun, sondern jedem von uns obliegt auch die
Pflicht, andere zu erwecken, das ewige Leben zu ergreifen.
Es schmerzt mich, liebe Geschwister, sagen zu müssen, daß eure sündige Nachlässigkeit, im Licht
zu wandeln, euch in Finsternis gehüllt hat. Ihr mögt jetzt aufrichtig sein, wenn ihr das Licht weder
anerkennt noch ihm gehorcht. Die Zweifel, die ihr gehegt habt, eure Nachlässigkeit, die Forderungen
Gottes zu beachten, haben euer Wahrnehmungsvermögen so verblendet, daß Finsternis euch jetzt als
Licht erscheint und Licht als Finsternis. Gott hat euch geboten, zur Vollkommenheit vorwärts zu gehen.
Christentum ist eine Religion des Fortschritts. Das Licht von Gott erstrahlt in Fülle und wartet darauf,
von uns beansprucht zu werden. Welche Segnungen der Herr auch gewährt, es gibt immer noch ein
unendliches, unerschöpfliches Vorratshaus, aus dem wir uns bedienen dürfen. Unglaube mag den
heiligen Ansprüchen des Evangeliums mit Scherz, Spott und Verleumdung begegnen. Der Geist der
Weltlichkeit mag die Vielen anstecken und die Wenigen beherrschen; das Werk Gottes mag nur unter
großen Mühen und fortwährenden Opfern unterhalten werden — aber schließlich wird es triumphieren.
Das Wort lautet: Geht voran! Tut eure persönliche Pflicht und überlaßt die Folgen den Händen
Gottes. Wenn wir vorangehen und Jesus folgen, wohin er führt, werden wir seinen Triumph erleben und
seine Freude teilen. Wir müssen am Kampf teilnehmen, wenn wir die Siegeskrone tragen wollen. Gleich
Jesum werden wir durch Leiden vollkommen gemacht. Wäre Jesu Leben leicht gewesen, könnten auch
wir der Trägheit nachgeben. Weil aber sein Leben von fortwährender Selbstverleugnung, Leiden und
Selbstaufopferung gekennzeichnet war, dürfen auch wir uns nicht beklagen, wenn wir daran teilnehmen
müssen. Wir können sicher den dunkelsten Pfad beschreiten, wenn das Licht der Welt uns führt.
Der Herr prüft und erprobt euch. Er hat Rat erteilt, gewarnt und eingeladen. All diese feierlichen
Warnungen werden
80
die Gemeinde besser oder entschieden schlechter machen. Je öfter der Herr spricht, um zu korrigieren
oder zu raten, und ihr seine Stimme mißachtet, desto entschiedener werdet ihr sie immer wieder
ablehnen, bis Gott sagt: „Weil ich denn rufe, und ihr weigert euch, ich recke meine Hand aus, und
niemand achtet darauf, und laßt fahren allen meinen Rat und wollet meine Strafe nicht: so will ich auch
lachen in eurem Unglück und euer spotten, wenn da kommt, was ihr fürchtet, wenn über euch kommt
wie ein Sturm, was ihr fürchtet, und euer Unglück als ein Wetter, wenn über euch Angst und Not kommt.
Dann werden sie nach mir rufen, aber ich werde nicht antworten; sie werden mich suchen, und nicht
finden. Darum daß sie haßten die Lehre und wollten des Herrn Furcht nicht haben, wollten meinen Rat
nicht und lästerten alle meine Strafe: so sollen sie essen von den Früchten ihres Wesens und ihres
Rats satt werden.“ Sprüche 1,24-31.
Hinkt ihr nicht auf beiden Seiten? Versäumt ihr nicht, das Licht zu beachten, das Gott euch gesandt
hat? „Sehet zu, daß nicht jemand unter euch ein arges, ungläubiges Herz habe, das da abtrete von dem
lebendigen Gott.“ Hebräer 3,12. Ihr erkennt nicht die Zeit eurer Heimsuchung. Die große Sünde der
Juden war, gegenwärtige Gelegenheiten unbeachtet zu lassen und zu verwerfen. Wenn Jesus den
Zustand seiner bekenntlichen Nachfolger heute betrachtet, sieht er niederträchtige Undankbarkeit,
leeres Formenwesen, heuchlerische Unaufrichtigkeit, pharisäerhaften Stolz und Abfall.
Die Tränen, die Christus am Fuße des Ölbergs vergoß, waren für die Unbußfertigkeit und
Undankbarkeit jedes einzelnen bis zum Abschluß der Zeit. Er sieht, wie seine Liebe verschmäht wird.
Die Vorhöfe des Seelentempels sind zu Stätten unheiligen Handels herabgewürdigt worden.
Selbstsucht, Geldliebe, Haß, Neid, Stolz, Leidenschaft — all dies ist im menschlichen Herzen zu finden.
Seine Warnungen werden verworfen, verhöhnt, seine Boten werden gleichgültig behandelt, ihre Worte
als eitle Märchen abgetan. Jesus hat gesprochen durch Gnadenbeweise, aber sie wurden nicht
anerkannt. Er sprach durch feierliche Warnungen; aber diese wurden verworfen.
81
Ich rufe euch, die ihr seit langem den Glauben bekennt und die ihr nach außen hin Christo Ehre
erweist, auf: Betrügt euch nicht selbst. Jesus möchte das ganze Herz. Allein die völlige Unterwerfung
der Seele hat in Gottes Augen Wert. „Wenn doch auch du erkenntest zu dieser deiner Zeit, was zu
deinem Frieden dient!“ Lukas 19,42. „Du ..., gerade du“ — Christus spricht dich in diesem Augenblick
persönlich an. Er beugt sich von seinem Thron in Sehnsucht und mitleidiger Zärtlichkeit zu denjenigen
herab, die ihre Gefahr nicht erkennen, die kein Mitleid mit sich selbst haben.
Viele haben den Namen, daß sie leben, sind aber geistlich tot. Diese werden eines Tages sagen:
„Herr, Herr! haben wir nicht in deinem Namen geweissagt, haben wir nicht in deinem Namen Teufel
ausgetrieben, haben wir nicht in deinem Namen viele Taten getan? Dann werde ich ihnen bekennen:
Ich habe euch noch nie erkannt; weichet alle von mir, ihr Übeltäter!“ Matthäus 7,22.23. Ein Wehe wird
über dich ausgesprochen werden, wenn du trödelst und zögerst, bis die Sonne der Gerechtigkeit
untergegangen ist. Die Finsternis ewiger Nacht wird dein Teil sein. Ach, daß doch das kalte, förmliche,
die Welt liebende Herz schmelzen möchte! Christus vergoß nicht nur Tränen für uns, sondern sein
eigenes Blut. Sind diese Offenbarungen seiner Liebe nicht imstande, uns zu tiefer Demütigung vor Gott
zu erwecken? Wir benötigen Demut und Selbsterniedrigung, damit Gott uns anerkennen kann.
Jemand, der von Gott geleitet wird, wird mit sich selbst unzufrieden sein, weil das Licht des
Vollkommenen auf ihn scheint. Aber diejenigen, die das Vorbild aus den Augen verlieren und sich selbst
höher einschätzen, als es sich gebührt, werden bei anderen Fehler sehen, die zu kritisieren sind. Sie
werden hart und argwöhnisch sein, andere verurteilen und erniedrigen, um sich selbst zu erhöhen.
Als der Herr mir letztesmal euren Fall vorführte und mir zeigte, daß ihr das euch gegebene Licht
mißachtet habt, wurde ich beauftragt, in seinem Namen deutlich zu euch zu sprechen, da sein Zorn
gegen euch erwacht ist. Diese Worte wurden an mich gerichtet: „Dein Werk ist dir von Gott aufgetragen.
82
Viele werden dich nicht anhören, denn sie weigerten sich, auf den großen Meisterlehrer zu hören. Viele
werden sich nicht ändern, denn in ihren eigenen Augen befinden sie sich auf dem richtigen Weg. Du
aber verkündige ihnen die Tadel und Warnungen, die ich dir auftrage — sie gehorchen oder lassen es.“
Ich verkündige euch das Zeugnis des Herrn. Alle, die bereit sind, sich zu ändern, werden seine
Stimme hören. Diejenigen aber, die vom Feind betrogen sind, sind auch jetzt nicht willig, zum Licht zu
kommen, damit ihr Tun nicht gerügt wird. Viele von euch können Gottes Werk und seine Gegenwart
nicht unterscheiden. Ihr wißt nicht, daß er es ist. Der Herr ist noch gnädig und bereit, allen zu vergeben,
die sich reumütig und gläubig zu ihm wenden. Der Herr sagt: „Viele wissen nicht, worüber sie stolpern.
Sie beachten Gottes Stimme nicht. Sie folgen der Sicht ihrer eigenen Augen und dem Verständnis ihrer
eigenen Herzen. Unglaube und Zweifelsucht haben die Stelle des Glaubens eingenommen. Sie haben
mich verlassen.“
Mir wurde gezeigt, daß Väter und Mütter von ihrer Einfachheit gewichen sind und die heilige
Berufung des Evangeliums vernachlässigt haben. Der Herr hat sie ermahnt, sich nicht durch
Nachahmung der Sitten und Denkweise der Welt zu verderben. Christus hätte ihnen gerne die
unermeßlichen Reichtümer seiner Gnade in reichem Maße gegeben; aber sie haben sich als unwürdig
erwiesen.
Viele erheben ihre Seelen zur Eitelkeit. Sobald sich jemand einbildet, er besitze ein Talent, das im
Werke Gottes gebraucht werden könnte, beginnt er schon, diese Gabe zu überschätzen, zu hoch von
sich zu denken und sich als Säule der Gemeinde zu betrachten. Das Werk, das er in annehmbarer
Weise verrichten könnte, überläßt er andern, die nach seiner Meinung unfähiger sind als er. Er denkt
und spricht von etwas Höherem. Er soll sein Licht vor den Menschen leuchten lassen. Doch an Stelle
von Anmut, Sanftmut, demütiger Gesinnung, Freundlichkeit, Höflichkeit und Liebe, macht sich überall
das eigene Ich und seine Wichtigkeit bemerkbar.
Christi Geist muß unser Wesen und Verhalten so beherrschen, daß unser Einfluß segnen,
ermutigen und veredeln kann.
83
Unsere Gedanken, unsere Worte, unsere Taten müssen davon zeugen, daß wir von Gott geboren sind
und Christi Frieden unsere Herzen regiert. Auf diese Weise umgeben wir uns mit dem hellen Schein,
von dem Christus spricht, wenn er sagt, daß wir unser Licht vor den Leuten leuchten lassen sollen. So
hinterlassen wir eine leuchtende Spur himmelwärts. Auf diese Weise können alle, die mit Christo
verbunden sind, wirksamere Prediger der Gerechtigkeit werden als durch die größten Bemühungen am
Rednerpult ohne diese himmlische Salbung. Lichtträger, die sich am wenigsten ihrer Leuchtkraft bewußt
sind, werfen den hellsten Schein, wie die Blumen den süßesten Wohlgeruch verbreiten, die die
wenigste Pracht aufzuweisen haben.
Unser Volk macht sehr gefährliche Fehler. Wir können niemand loben und schmeicheln, ohne ihm
großen Schaden zuzufügen. Wer es tut, wird große Enttäuschungen erleben. Die Geschwister setzen
zu großes Vertrauen in sterbliche Menschen und nicht genug Vertrauen in Gott, der niemals irrt. Das
eifrige Verlangen, Männer öffentlich zur Geltung zu bringen, ist ein Beweis des Abweichens von Gott
und von Freundschaft mit der Welt. Dieser Geist kennzeichnet unsere heutige Zeit. Er zeigt, daß die
Menschen nicht von Christi Geist beseelt sind. Geistliche Blindheit und Armut der Seele hat sie befallen.
Oft schauen Personen mit beschränktem Verstand von Jesu weg auf einen rein menschlichen Maßstab,
durch den sie sich ihrer eigenen Unbedeutsamkeit nicht bewußt werden, und deshalb schätzen sie ihre
eigenen Fähigkeiten und Begabungen zu hoch ein. Unter uns als Volk besteht eine Vergötterung
menschlicher Werkzeuge und menschlichen Talents, selbst dann, wenn es nur oberflächlicher Art ist.
Wir müssen dem Ich absterben und demütigen, kindlichen Glauben üben. Gottes Volk ist von seiner
Einfachheit abgewichen. Es hat Gott nicht zu seiner Kraft gemacht, deshalb ist es geistlich so schwach
und ohnmächtig.
Mir wurde gezeigt, daß der Geist der Welt die Gemeinde rasch durchsäuert. Ihr folgt dem gleichen
Pfad wie das alte Israel. Es besteht der gleiche Abfall von eurer heiligen Berufung als Gottes
abgesondertes Volk. Ihr habt Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis. Eure
Übereinstimmung mit
84
Ungläubigen hat des Herrn Mißfallen geweckt. Ihr kennt die Dinge nicht, die zu eurem Frieden dienen,
sie sind schnell vor euren Augen verborgen. Euer Versäumnis, dem Licht zu folgen, bringt euch in eine
ungünstigere Stellung als die Juden, über die Christus ein Wehe aussprach.
Es wurde mir gezeigt, daß der Unglaube an die Zeugnisse ständig zunimmt, so wie das Volk von
Gott abweicht. Dies findet in all unseren Reihen, im ganzen Feld statt. Aber wenige wissen, durch
welche Erfahrung unsere Gemeinden gehen müssen. Ich sah, daß Gott jetzt noch Geduld mit uns hat,
aber niemand kann sagen, wie lange noch. Niemand weiß, wie groß Gottes Barmherzigkeit ist, die er
uns erwiesen hat. Aber nur wenige haben sich von Herzen Gott geweiht. Es gibt nur wenige, die, gleich
Sternen in stürmischer Nacht, hier und dort aus den Wolken hervorleuchten.
Viele, die selbstzufrieden den Wahrheiten des Wortes Gottes lauschen, sind geistlich tot, während
sie vorgeben zu leben. Seit Jahren kommen sie zu unseren Versammlungen. Aber sie scheinen für den
Wert der offenbarten Wahrheit immer weniger empfänglich zu sein. Sie hungern und dürsten nicht nach
Gerechtigkeit. Sie haben keinen Geschmack an geistlichen oder göttlichen Dingen. Sie stimmen der
Wahrheit zu, sind aber nicht durch diese geheiligt. Weder Gottes Wort noch die Zeugnisse seines
Geistes beeindrucken sie nachhaltig. Genau in Übereinstimmung mit dem Licht, den Vorrechten und
den Gelegenheiten, die sie geringschätzig behandelten, wird ihre Verdammnis sein. Viele, die andern
die Wahrheit predigen, hegen selbst Ungerechtigkeit. Die Einladungen des Geistes Gottes, gleich
göttlicher Melodie, die Verheißungen seines Wortes, so reich und in vollem Maße, seine
Strafandrohungen gegen Abgötterei und Ungehorsam — alles das ist machtlos, das durch die Welt
verhärtete Herz zu erweichen.
Viele unter unserem Volk sind lau. Sie nehmen die Haltung der Einwohner von Meros ein, sie sind
weder dafür noch dagegen, weder kalt noch warm. Sie hören Christi Worte, befolgen sie aber nicht.
Wenn sie in diesem Zustand beharren, wird er sie mit Abscheu zurückweisen. Viele von denen, die
großes
85
Licht, viele Gelegenheiten und jeden geistlichen Vorteil hatten, preisen Christum und die Welt in einem
Atemzug. Sie beugen sich vor Gott und dem Mammon. Sie vergnügen sich mit den Kindern der Welt
und beanspruchen doch, mit den Kindern Gottes gesegnet zu sein. Sie wünschen Christum als ihren
Erlöser, wollen aber nicht sein Kreuz tragen und sein Joch auf sich nehmen. Möge der Herr euch
gnädig sein; denn wenn ihr weiter diesen Weg geht, kann euch nur Böses prophezeit werden.
Gottes Geduld hat einen Zweck; aber ihr vereitelt ihn. Er läßt zu, daß sich ein Zustand entwickelt,
der euch schließlich zur Überzeugung bringen wird, daß er abgestellt werden müßte. Doch es wird dann
zu spät sein. Gott befahl Elia, den grausamen und betrügerischen Hasael als König über Syrien zu
salben, als Geißel für das abgöttische Israel. Wer weiß, ob Gott euch nicht den Täuschungen
überlassen wird, die ihr liebt? Wer weiß, ob die Prediger, die treu, fest und aufrichtig sind, nicht die
letzten sein werden, die unseren undankbaren Gemeinden das Evangelium des Friedens anbieten? Es
mag sein, daß die Zerstörer sich schon unter Satans Hand üben und nur darauf warten, daß einige
mehr von den Bannerträgern das Feld räumen, damit sie ihren Platz einnehmen und vereint mit der
Stimme des falschen Propheten rufen können: „Friede, Friede“, wenn der Herr nicht von Frieden
gesprochen hat. Ich weine selten; aber jetzt sind meine Augen blind von Tränen. Sie fallen auf mein
Papier, während ich schreibe. Es kann sein, daß bald alle Prophezeiungen unter uns ein Ende haben,
und die Stimme, die das Volk erregt hat, nicht länger mehr ihren fleischlichen Schlummer stört.
Wenn Gott sein fremdes Werk auf Erden tun wird, wenn heilige Hände nicht länger die Bundeslade
tragen werden, wird ein Wehe auf dem Volk ruhen. Ach, daß doch du, gerade du, jetzt, an diesem
deinem Tag, die Dinge erkannt hättest, die zu deinem Frieden dienen! Ach, daß doch unser Volk mit
allem Vermögen, wie einst Ninive, Buße tun und von ganzem Herzen glauben möchte, damit Gott
seinen grimmigen Zorn von ihnen abwenden kann.
Mit welcher Pein und Seelenangst bin ich erfüllt, wenn ich sehe, wie Eltern sich der Welt anpassen
und ihren Kindern
86
gestatten, sich in einer Zeit wie dieser nach weltlichen Maßstäben zu richten. Ich bin mit Entsetzen
erfüllt, wenn mir der Zustand von Familien, die sich zur gegenwärtigen Wahrheit bekennen, offenbart
wird. Die Lasterhaftigkeit von Jugendlichen und sogar Kindern ist beinahe unglaublich. Die Eltern
wissen nicht, daß geheimes Laster Gottes Bildnis in ihren Kindern zerstört und entstellt. Die Sünden,
die Sodom kennzeichneten, bestehen unter ihnen. Die Eltern sind verantwortlich; denn sie haben ihre
Kinder nicht erzogen, Gott zu lieben und ihm zu gehorchen. Sie haben sie nicht zurückgehalten und
auch nicht eifrig in den Wegen des Herrn unterrichtet. Sie haben ihnen erlaubt, zu kommen und zu
gehen, wie es ihnen gefällt, und die Gesellschaft von Weltmenschen zu suchen. Diese weltlichen
Einflüsse, die der elterlichen Belehrung und Autorität entgegenwirken, werden hauptsächlich in der
sogenannten guten Gesellschaft gefunden. Durch ihre Kleidung, ihr Aussehen und ihre Vergnügungen
umgeben sie sich mit einer Atmosphäre, die gegen Christum ist.
Unsere einzige Sicherheit besteht darin, als Gottes abgesondertes Volk dazustehen. Wir dürfen
nicht einen Zoll breit den Sitten und Moden dieses entarteten Zeitalters nachgeben. Wir müssen jedoch
unsere moralische Unabhängigkeit bewahren und dürfen keinen Kompromiß mit den verdorbenen und
abgöttischen Praktiken eingehen.
Es wird Mut und Unabhängigkeit erfordern, uns über den Standard der christlichen Welt zu erheben.
Sie folgen nicht dem selbstverleugnenden Beispiel des Heilandes. Sie bringen kein Opfer. Sie
versuchen ständig, dem Kreuz auszuweichen, das nach Christi Worten das Zeichen der Jüngerschaft
ist.
Was kann ich tun, um unser Volk zu erwecken? Ich sage euch, daß nicht wenige der Prediger, die
dem Volk die Schrift erklären, verunreinigt sind. Sie haben verdorbene Herzen, ihre Hände sind unrein.
Doch viele rufen: „Friede, Friede“, und diejenigen, die das Böse tun, sind nicht beunruhigt. Des Herrn
Hand ist nicht zu kurz, daß er nicht helfen könne, und seine Ohren sind nicht hart geworden, zu hören;
aber es sind unsere Sünden, die uns von Gott getrennt haben. Die Gemeinde ist verdorben, weil ihre
Glieder ihre Körper beflecken und ihre Seelen entweihen.
87
Wenn alle, die sich zur Erbauung und zum Gebet versammeln, als wahre Anbeter betrachtet werden
könnten, dann würde Hoffnung bestehen, obgleich für uns noch viel zu tun übrig bliebe. Aber es ist
umsonst, uns selbst zu betrügen. Die Sachlage ist weit davon entfernt, das zu sein, als was sie
erscheint. Aus der Entfernung betrachtet, mag vieles schön erscheinen, was sich bei näherer
Untersuchung als sehr fehlerhaft erweist. In unserer Zeit hat der Geist der Untreue und des Abfalls die
Oberhand — ein Geist angeblicher Erleuchtung durch eine Erkenntnis der Wahrheit, der in Wirklichkeit
verblendetste Anmaßung ist. Es herrscht ein Geist des Widerstandes gegen das klare Wort Gottes und
die Zeugnisse seines Geistes. Es ist ein Geist abgöttischer Erhöhung menschlicher Vernunft über die
offenbarte Weisheit Gottes.
Es gibt unter uns Männer in Vertrauensstellungen, die der Meinung sind, daß den Ansichten einiger
eingebildeter sogenannter Philosophen mehr vertraut werden kann als den Wahrheiten der Bibel oder
den Zeugnissen des Heiligen Geistes. Solch ein Glaube, wie Paulus, Petrus oder Johannes ihn
vertraten, wird als altmodisch und für heute unerträglich betrachtet. Er wird als albern, geheimnisvoll
und eines intelligenten Geistes unwürdig erklärt.
Gott hat mir gezeigt, daß diese Männer wie Hasael sind, eine Geißel für unser Volk. Sie sind klüger
als das, was geschrieben steht. Dieser Unglaube gegenüber den Wahrheiten des Wortes Gottes, weil
menschliche Urteilskraft die Geheimnisse seines Wirkens nicht ergründen kann, wird in jedem
Landstrich, in allen Schichten der Gesellschaft gefunden. Er wird in den meisten unserer Schulen
gelehrt und schleicht sich in die Lektionen der Kindergärten ein. Tausende derer, die sich Christen
nennen, schenken lügenhaften Geistern Gehör. Überall werdet ihr dem Geist der Finsternis im Gewand
der Religion begegnen.
Wenn alles, was als göttliches Leben erscheint, es wirklich wäre; wenn alle, die vorgeben, der Welt
die Wahrheit zu verkünden, für die Wahrheit sprächen und nicht dagegen, und wenn sie Männer Gottes
wären, geleitet von seinem Geist — dann könnten wir etwas Erfreuliches inmitten der vorherrschenden
88
moralischen Finsternis entdecken. Aber der Geist des Antichristen hat in einem Maße die Oberhand wie
nie zuvor. Wir mögen wohl ausrufen: „Hilf, Herr! die Heiligen haben abgenommen, und der Gläubigen
ist wenig unter den Menschenkindern.“ Psalm 12,2. Ich weiß, daß viele viel zu positiv über die heutige
Zeit denken. Diese die Bequemlichkeit liebenden Seelen werden in den allgemeinen Untergang mit
hineingezogen werden. Doch wir brauchen nicht zu verzweifeln. Wir sind geneigt zu denken, daß es
auch keine wahren Christen geben kann, wenn es keine treuen Prediger gibt, aber das ist nicht der Fall.
Gott hat verheißen, daß er sich selbst seiner Herde annehmen wird, wo die Hirten untreu sind. Gott hat
seine Herde niemals völlig von menschlichen Werkzeugen abhängig gemacht. Die Tage der Reinigung
der Gemeinde werden beschleunigt. Gott will ein reines und treues Volk haben. In der gewaltigen
Sichtung, die bald stattfinden wird, werden wir besser imstande sein, die Stärke Israels zu ermessen.
Die Zeichen zeigen, daß die Zeit nahe ist, wo der Herr offenbaren wird, daß die Wurfschaufel in seiner
Hand ist und er seine Tenne gründlich reinigen wird.
Die Tage nahen schnell heran, an denen große Bestürzung und Verwirrung herrschen werden.
Satan, verkleidet als Engel des Lichts, wird — wenn möglich — auch die Auserwählten verführen. Es
wird viele Götter und viele Herren geben. Jeder Wind der Lehre wird wehen. Diejenigen, die „falscher
sogenannter Wissenschaft“ gehuldigt haben, werden dann nicht die Leiter sein. Wer auf Verstand, Geist
oder Talent gebaut hat, wird nicht an der Spitze der Kampflinie stehen. Sie hielten nicht Schritt mit dem
Licht. Denjenigen, die sich als untreu erwiesen haben, wird dann nicht die Herde anvertraut werden. Am
letzten feierlichen Werk werden nur wenige große Männer teilnehmen. Sie sind selbstzufrieden,
unabhängig von Gott, und er kann sie nicht gebrauchen. Der Herr hat treue Diener, die in der
Sichtungs- und Prüfungszeit zum Vorschein kommen werden. Es gibt kostbare Seelen, die jetzt noch
verborgen sind, die ihre Knie nicht vor Baal gebeugt haben. Sie hatten nicht das Licht, das konzentriert
auf euch geschienen hat. Aber unter einem rauhen, unscheinbaren Äußeren wird sich der helle Schein
eines
89
wahren christlichen Charakters offenbaren. Wenn wir am Tage den Himmel betrachten, können wir
keine Sterne sehen. Sie befinden sich dort, am Firmament befestigt, aber das Auge kann sie nicht
entdecken. Doch bei Nacht erkennen wir ihren wahren Glanz.
Die Zeit ist nicht weit entfernt, wo jede Seele geprüft werden wird. Das Malzeichen des Tieres wird
uns aufgedrängt werden. Diejenigen, die sich Schritt für Schritt den weltlichen Forderungen beugten
und sich weltlichen Gebräuchen angepaßt haben, werden es nicht schwer finden, den herrschenden
Mächten lieber nachzugeben, als sich dem Spott, der Beleidigung, drohendem Gefängnis und dem Tod
auszusetzen. Bei dem Streit handelt es sich um Gottes Gebote und Menschengebote. In dieser Zeit
wird in der Gemeinde das Gold von den Schlacken geschieden werden. Wahre Gottseligkeit wird sich
deutlich von Schein und Flittergold unterscheiden. Mancher Stern, den wir wegen seines Glanzes
bewundert haben, wird in Finsternis verlöschen. Spreu wird wie eine Wolke vom Wind weggetragen
werden, sogar von den Plätzen, wo wir nur Tennen reichen Weizens sahen. Alle, die den Schmuck der
Heiligkeit beanspruchen, aber nicht mit Christi Gerechtigkeit bekleidet sind, werden in der Schande ihrer
Blöße erscheinen.
Wenn fruchtlose Bäume abgehauen werden, weil sie das Land hindern, wenn Scharen falscher
Brüder von den wahren unterschieden werden, dann werden die Verborgenen offenbar werden und sich
mit Hosianna-Gesang unter Christi Banner einreihen. Diejenigen, die zögerten und sich selbst
mißtrauten, werden sich öffentlich zu Christo und seiner Wahrheit bekennen. Die Schwächsten und
Unschlüssigsten in der Gemeinde werden sein wie David — willig, alles zu tun und alles zu wagen. Je
tiefer die Nacht für Gottes Volk, desto strahlender die Sterne. Satan wird die Treuen sehr quälen; aber
in Jesu Namen werden sie mehr als Sieger sein. Dann wird die Gemeinde Christi erscheinen „schön
wie der Mond, auserwählt wie die Sonne, schrecklich wie die Heerscharen.“ Hoheslied 6,10.
Die Samenkörner der Wahrheit, die durch missionarische Tätigkeit ausgestreut wurden, werden
dann aufgehen, blühen
90
und Frucht tragen. Seelen werden die Wahrheit annehmen, Verfolgung erdulden und Gott preisen, daß
sie um Jesu willen leiden dürfen. „In der Welt habt ihr Angst [Trübsal]; aber seid getrost, ich habe die
Welt überwunden.“ Johannes 16,33. Wenn Strafgerichte die Erde überschwemmen, wenn die
Wurfschaufel die Tenne Jehovas reinigt, wird Gott seinem Volk helfen. Satans Siegeszeichen mögen
hoch erhoben werden; aber der Glaube der Reinen und Heiligen wird nicht entmutigt werden.
Elia holte Elisa vom Pflug weg und umhüllte ihn mit dem Mantel der Weihe. Der Aufruf zu diesem
großen und feierlichen Werk war an Männer gerichtet worden, die gelehrt waren und hohe Stellungen
innehatten. Wären sie in ihren eigenen Augen gering gewesen und hätten ihr Vertrauen völlig auf den
Herrn gesetzt, hätte er sie geehrt und zu Bannerträgern gemacht, bis der Sieg triumphreich errungen
war. Sie trennten sich jedoch von Gott, beugten sich dem Einfluß der Welt, und der Herr verwarf sie.
Viele haben die Wissenschaft erhöht und den Gott der Wissenschaft aus den Augen verloren. Dies
war nicht der Fall, als die Gemeinde am reinsten war.
Gott wird in unseren Tagen ein Werk verrichten, das nur wenige vorausahnen können. Er wird
solche erwecken und unter uns erhöhen, die eher durch die Salbung mit dem Heiligen Geist gelehrt
sind als durch Ausbildung in wissenschaftlichen Institutionen. Diese Möglichkeiten sollten nicht
verachtet oder verurteilt werden. Gott hat sie angeordnet; aber sie können nur äußerliche Befähigungen
vermitteln. Gott wird zeigen, daß er nicht von gelehrten, eingebildeten Sterblichen abhängig ist.
Es gibt wenig wirklich geheiligte Männer unter uns, die den Kampf mit dem eigenen Ich geführt
haben und Sieger geworden sind. Wahre Bekehrung ist eine entschiedene Veränderung der Gefühle
und Beweggründe. Sie führt zur Trennung von weltlichen Verbindungen, ist ein Forteilen aus ihrer
geistlichen Atmosphäre, ein Zurückziehen von der beherrschenden Macht ihrer Gedanken, Meinungen
und ihres Einflusses. Die Trennung verursacht beiden Parteien Schmerz und Bitterkeit. Das ist die
Feindschaft, von der Christus erklärte, daß er sie bringen würde.
91
Aber der Bekehrte wird immer den dringenden Wunsch haben, daß seine Freunde alles um Christi
willen verlassen möchten, denn er weiß, wenn sie es nicht tun, wird es schließlich zu einer endgültigen
und ewigen Trennung kommen. Der wahre Christ kann nicht leichtfertig und unbesonnen sein, während
er mit ungläubigen Freunden zusammen ist. Der Wert der Seelen, für die Christus starb, ist zu groß.
Jesus hat gesagt: „... der nicht absagt allem, was er hat, kann nicht mein Jünger sein.“ Lukas 14,33.
Was auch immer unsere Zuneigung von Gott abwendet, muß aufgegeben werden. Der Mammon ist der
Götze von vielen. Seine goldenen Ketten fesseln sie an Satan. Eine andere Klasse betet Ansehen und
weltliche Ehre an. Ein Leben selbstsüchtiger Bequemlichkeit und Freiheit von Verantwortung ist der
Götze wieder anderer. Dieses sind Satans Schlingen für unbedachtsame Füße. Aber diese
Sklavenfesseln müssen zerbrochen werden. Das Fleisch mit seinen Lüsten und Neigungen muß
gekreuzigt werden. Wir können nicht halb dem Herrn und halb der Welt angehören. Wir sind nicht
Gottes Volk, es sei denn, wir sind es ganz. Jeder Druck, jede Gewohnheitssünde muß abgelegt werden.
Gottes Wächter werden nicht „Friede, Friede“ rufen, wenn Gott nicht von Frieden gesprochen hat. Die
Stimme der treuen Wächter wird vernommen werden: „Weicht, weicht, zieht aus von dannen und rührt
kein Unreines an; geht aus von ihr, reinigt euch, die ihr des Herrn Geräte tragt!“ Jesaja 52,11.
Die Gemeinde kann sich nicht an der Welt messen, weder an der Meinung von Menschen noch an
dem, was sie einst war. Ihr Glaube und ihre Stellung in der Welt in der heutigen Zeit müssen mit dem
verglichen werden, was sie hätte sein können, wenn sie sich stets vorwärts und aufwärts bewegt hätte.
Die Gemeinde wird in der Waage des Heiligtums gewogen. Stimmen ihr moralischer Charakter und ihr
geistlicher Zustand nicht mit den Wohltaten und Segnungen überein, die Gott ihr verliehen hat, wird sie
zu leicht erfunden werden. Das Licht hat in hellen, klaren Strahlen auf ihren Weg geschienen. Sie muß
sich für das Licht von 1882 verantworten. Bleiben ihre Talente ungenutzt, ist ihre Frucht nicht
vollkommen vor Gott, ist ihr Licht zu
92
Finsternis geworden, dann wird sie tatsächlich zu leicht erfunden werden. Unser Zustand, wie er vor
Gott erscheint, scheint uns verborgen zu sein. Wir sehen, aber erkennen nichts. Wir hören, aber
verstehen nicht. Wir ruhen ganz unbekümmert, als schwebte die Wolkensäule bei Tag und die
Feuersäule bei Nacht über unserem Heiligtum. Wir geben vor, Gott zu kennen und an die Wahrheit zu
glauben, mit unseren Werken jedoch verleugnen wir ihn. Unsere Handlungsweise steht in direktem
Widerspruch zu den Grundsätzen von Wahrheit und Gerechtigkeit, von denen wir uns angeblich leiten
lassen.
Kapitel 6: Die Angestellten in unserer Missionsschule
Eine enge Verbindung der Lehrer und Studenten mit Gott ist das Fundament wahren Gedeihens
unserer Schule. Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit. Seine Vorschriften müssen als
Lebensregel anerkannt werden. In der Bibel ist Gottes Wille seinen Kindern offenbart. Überall, wo man
sie liest, ob im Familienkreis, in der Schule oder in der Gemeinde, sollten ihr alle ruhige, andächtige
Aufmerksamkeit schenken, als wäre Gott persönlich anwesend und spräche zu ihnen.
In unserer Schule wurde nicht immer ein hoher religiöser Standard gewahrt. Die Mehrzahl der
Lehrer und Studenten ist ständig bemüht, ihre Religion zu verbergen. Dies ist besonders der Fall, seit
Weltmenschen die Schule unterstützen. Christus fordert von allen seinen Nachfolgern offenes,
männliches Bekennen ihres Glaubens. Jeder muß seine Stellung einnehmen. Er muß das sein, was er
nach Gottes Willen sein soll — ein Schauspiel vor der Welt, vor Engeln und vor Menschen. Jeder Christ
sei ein Licht, das nicht unter einem Scheffel oder Bett verborgen ist, sondern das auf einem Leuchter
steht, um allen Licht zu geben, die im Hause sind.
Die Lehrer unserer Schule sollen sich weder weltlichen Gebräuchen anpassen noch weltliche
Grundsätze übernehmen. Liebe und Reinheit sind die Tugenden, die Gott am meisten schätzt. Jeder
Christ sollte diese Eigenschaften pflegen. „Wer liebhat, der ist von Gott geboren und kennt Gott.“
1.Johannes 4,7.
93
„So wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist völlig in uns.“ 1.Johannes
4,12. „Wir werden ihn sehen, wie er ist. Und ein jeglicher, der solche Hoffnung hat zu ihm, der reinigt
sich, gleichwie er auch rein ist.“ 1.Johannes 3,2.3.
Gott hat die Herzen junger Männer angerührt, sich dem Predigtdienst zu weihen. Sie haben unsere
Schule in der Hoffnung aufgesucht, dort Vorteile vorzufinden, die ihnen nirgends anders geboten
werden können. Aber Lehrer, die wenig vom Wert der Seelen wissen und nur wenig Last für ihre
Errettung empfinden, haben die ernste Belehrung durch den Geist Gottes geringgeachtet und waren
bestrebt, die Jugend von dem Weg abzuwenden, den Gott sie führen wollte.
Der Lohn eines befähigten Lehrers ist viel höher als der unserer Prediger. Dabei arbeitet ein Lehrer
bei weitem nicht so schwer und braucht sich längst nicht so großen Unbequemlichkeiten auszusetzen
wie ein Prediger, der völlig im Werk aufgeht. Diese Dinge werden der Jugend vorgelegt, und sie wurde
ermutigt, Gott zu mißtrauen und seinen Verheißungen nicht zu glauben. Viele haben den leichteren
Weg gewählt und haben sich vorbereitet, wissenschaftliche Fächer zu lehren oder andere
Beschäftigungen aufzunehmen, anstatt die Wahrheit zu verkündigen.
Auf diese Weise wurde Gottes Werk durch ungeheiligte Lehrer behindert, die vorgeben, an die
Wahrheit zu glauben, aber die Liebe zur Wahrheit nicht in ihren Herzen haben. Der ausgebildete junge
Mann ist gelehrt worden, daß seine Fähigkeiten zu wertvoll wären, um dem Dienste Christi geweiht zu
werden. Hat Gott keine Ansprüche an ihn? Wer gab die Kraft, diese geistige Disziplin und diese Bildung
zu erlangen? Wurden sie alle völlig unabhängig von Jehova erlangt?
Mancher Jugendliche, der die Welt nicht kennt, seine eigene Schwäche nicht fühlt, auch von seiner
Zukunft nichts weiß, empfindet nicht das Bedürfnis nach einer göttlichen Hand, die ihm den Weg weist.
Er sieht sich durchaus imstande, sein Lebensschifflein inmitten der Brandung selbst zu führen. Solche
Jugendlichen sollten daran denken, daß sie sich nirgends außerhalb Gottes Herrschaftsbereich
befinden, wohin sie auch gehen mögen. Sie sind nicht frei zu wählen, was sie wollen, ohne nach dem
Willen ihres Schöpfers zu fragen.
94
Talent wird immer dort am besten entwickelt und gewürdigt, wo es am nötigsten gebraucht wird.
Diese Tatsache wird jedoch von vielen übersehen, die eifrig nach Auszeichnung streben. Durch
Oberflächlichkeit in religiöser Erfahrung und geistigen Erkenntnissen begehrt ihr kurzsichtiger Ehrgeiz
einen höheren Wirkungskreis als den, den die Vorsehung ihnen zugewiesen hat. Der Herr beruft sie
nicht, wie Joseph und Daniel, den Versuchungen durch weltliche Ehren und hohe Ämter zu
widerstehen. Aber sie drängen sich selbst in gefahrvolle Positionen und verlassen den einzigen Platz,
zu dem sie befähigt sind.
Aus allen Richtungen kommt der Mazedonische Ruf zu uns „Sendet uns Arbeiter“, lautet die
dringende Bitte von Ost und West. Überall um uns her sind Felder, „weiß zur Ernte. Und wer da
schneidet, der empfängt Lohn und sammelt Frucht zum ewigen Leben.“ Johannes 4,35.36. Ist es nicht
töricht, sich von diesen Feldern abzuwenden und eine Beschäftigung anzunehmen, die nur finanziellen
Nutzen bringt? Christus wünscht keine selbstsüchtigen Arbeiter, die nur nach dem höchsten Lohn
trachten. Er beruft diejenigen, die bereit sind, um seinetwillen arm zu werden, wie er arm wurde um
ihretwillen. Was war der Anreiz, der Christus in dieser Welt geboten wurde? Beleidigungen, Spott,
Armut, Schande, Verwerfung, Verrat und Kreuzigung. Sollten die Unterhirten nach einem leichteren Los
als dem ihres Meisters trachten?
Das Wort Gottes macht die schwierigen Bestrebungen des Lebens sehr einfach. Jedem aufrichtigen
Sucher verleiht es göttliche Weisheit. Wir dürfen nie vergessen, daß wir durch Leiden erlöst worden
sind. Durch Christi kostbares Blut werden wir versöhnt. Durch Mühe, Opfer und Gefahr, durch Verluste
an weltlichen Gütern und unter Seelenqual wurde der Welt das Evangelium gebracht. Gott ruft nach
jungen Männern in der Kraft und Energie ihrer Jugend, mit ihm Selbstverleugnung, Opfer und Leiden zu
teilen. Wenn sie den Ruf annehmen, wird er sie zu seinen Werkzeugen machen, Seelen zu retten, für
die er starb. Aber er möchte, daß sie die Kosten überschlagen und ihre Arbeit mit voller Erkenntnis der
Bedingungen beginnen, unter welchen sie einem gekreuzigten Heiland dienen.
95
Ich bin kaum Herr meiner Gefühle, wenn ich bedenke, wie Gottes Absicht mit der Gründung unserer
Schule mißachtet worden ist. Diejenigen, die nur den Schein der Gottseligkeit haben, verleugnen durch
ihr ungeheiligtes Leben die Kraft der Wahrheit, die Menschen zur Erlösung weise macht. Betrachtet die
Lebensgeschichte der Apostel, die um der Wahrheit willen Armut, Schande, Mißhandlung und selbst
den Tod erduldeten. Sie freuten sich, würdig erachtet zu sein, für Christum zu leiden.
Wenn große Resultate durch ernsthaftes Bemühen und viel Leiden erreicht werden können, wer von
uns, die wir von göttlicher Gnade abhängig sind, darf sich weigern, Opfer zu bringen? Das Evangelium
Christi schließt in seine Anforderungen jede Seele ein, die von der frohen Botschaft gehört hat. Was
wollen wir Gott für alle uns verliehenen Segnungen wiedergeben? Seine unvergleichliche
Barmherzigkeit kann niemals abgegolten werden. Wir können nur durch willigen Gehorsam und
dankbaren Dienst unsere Treue bezeugen und unseren Erlöser mit Ehre krönen.
Ich habe keinen größeren Wunsch, als daß unsere Jugend mit jenem Geist reiner Religion erfüllt
werden möchte, der sie dahin bringt, das Kreuz aufzunehmen und Jesu nachzufolgen. Geht vorwärts,
ihr jungen Nachfolger Christi, von Grundsätzen geleitet und mit Gewändern der Reinheit und
Gerechtigkeit bekleidet. Euer Erlöser wird euch einer Stellung zuführen, die am besten zu eurer
Begabung paßt und wo ihr am nützlichsten sein könnt. Befindet ihr euch auf dem Pfad der Pflicht, dürft
ihr sicher sein, täglich die benötigte Gnade zu empfangen.
Die Predigt des Evangeliums ist das von Gott gewählte Mittel, Seelen zu retten. Unsere erste
Aufgabe besteht aber darin, unsere eigenen Herzen mit Gott in Übereinstimmung zu bringen. Dann sind
wir vorbereitet, für andere zu wirken. In früheren Tagen gab es ernste Erforschung des Herzens unter
unseren eifrigsten Arbeitern. Sie berieten sich miteinander und vereinigten sich zu demütigem, innigem
Gebet um göttliche Leitung. Leider hat der wahre Missionsgeist unter unseren Predigern und Lehrern
abgenommen. Doch ist Christi Kommen jetzt näher, als da wir gläubig wurden. Jeder Tag, der
vergangen
96
ist, vermindert die Frist, die uns bleibt, der Welt die Warnungsbotschaft zu verkündigen. Würde es doch
heute mehr ernste Fürbitte bei Gott, größere Demut, größere Reinheit und größeren Glauben geben.
Alle befinden sich ständig in Gefahr. Ich warne die Gemeinde, sich vor solchen in acht zu nehmen,
welche andern das Wort predigen, ohne selbst den Geist der Demut und Selbstverleugnung zu hegen,
der darin eingeschlossen ist. In einer Krise ist auf solche Männer kein Verlaß. Sie mißachten Gottes
Stimme ebenso rasch wie Saul, und gleich ihm sind viele bereit, ihr Handeln zu rechtfertigen. Als Saul
vom Herrn durch seinen Propheten zurechtgewiesen wurde, behauptete er hartnäckig, der Stimme
Gottes gehorcht zu haben, aber das Blöken der Schafe und das Gebrüll der Ochsen zeugten vom
Gegenteil. Auf die gleiche Weise behaupten heute viele, sie seien Gott treu, während ihre Konzerte und
andere Vergnügungsparties, ihr weltlicher Umgang, ihre Selbstverherrlichung und ihr eifriger Wunsch
nach Beliebtheit bezeugen, daß sie seiner Stimme nicht gehorchen. „Kinder sind Gebieter meines
Volkes, und Weiber herrschen über sie.“ Jesaja 3,12.
Einen hohen Maßstab schreibt uns das Evangelium vor. Der konsequente Christ ist nicht nur eine
neue, sondern auch eine edle Kreatur in Christo Jesu. Er ist ein unfehlbares Licht, das anderen den
Weg zum Himmel und zu Gott weist. Wer sein Leben von Christo bezieht, hat keinen Wunsch nach den
leichtfertigen, unbefriedigenden Vergnügungen der Welt.
Unter den Jugendlichen findet man eine große Vielfalt der Charaktere und Erziehung. Einige
erfuhren despotische Willkür und Strenge, die in ihnen einen Geist des Widerstandes und des Trotzes
entwickelt hat. Andere wieder waren verwöhnte Lieblinge, denen von überzärtlichen Eltern erlaubt
wurde, ihren eigenen Neigungen zu folgen. Jeder Fehler wurde entschuldigt, bis ihr Charakter
mißgestaltet war. Um mit diesen verschiedenen Gemütern fertig zu werden, benötigt der Lehrer großes
Taktgefühl und geschicktes Verhalten, aber auch Festigkeit in der Leitung.
97
Widerwillen und sogar Verachtung gegenüber notwendigen Anordnungen werden oft in Erscheinung
treten. Einige werden alle Schlauheit anwenden, um der Strafe zu entgehen, während andere völlig
gleichgültig gegenüber den Folgen der Übertretung sind. All dies wird von denen, die mit ihrer
Erziehung betraut sind, größere Geduld und Anstrengung erfordern.
Eine der größten Schwierigkeiten, mit denen die Lehrer zu kämpfen haben, ist das Versäumnis der
Eltern, mit der Verwaltung und Zucht der Schule zusammenzuarbeiten. Würden die Eltern sich
verpflichtet fühlen, die Autorität der Lehrer zu unterstützen, könnte viel Auflehnung, Laster und
Liederlichkeit vermieden werden. Eltern sollten ihren Kindern gebieten, rechtmäßige Autorität zu
respektieren und sich ihr zu unterwerfen. Sie sollten mit unermüdlicher Sorgfalt und Fleiß ihre Kinder
unterweisen, führen und in Schranken halten, bis rechte Gewohnheiten sich gefestigt haben. Mit solcher
Erziehung werden sich die Jugendlichen den Einrichtungen der Gesellschaft und den allgemeinen
Einschränkungen moralischer Verpflichtung unterwerfen.
Durch Wort und Beispiel sollte die Jugend Einfachheit in Kleidung und Benehmen, in Fleiß,
Mäßigkeit und Sparsamkeit gelehrt werden. Viele Studenten gehen sehr leichtsinnig mit Geld um, das
die Eltern ihnen geben. Sie versuchen, ihre Mitschüler durch verschwenderische Ausgaben für Schau
und Befriedigung des Ichs zu übertrumpfen. In einigen Lehreinrichtungen wurde dies als so wichtig
angesehen, daß die Kleidung für Studenten vorgeschrieben und der Gebrauch des Geldes durch
Regeln eingeschränkt wurde. Aber unvernünftige Eltern und verwöhnte Studenten werden einen Weg
finden, diese Vorschriften zu umgehen. Wir wollen keine Zuflucht zu solchen Mitteln nehmen. Wir bitten
christliche Eltern, diese Angelegenheit sorgfältig und unter Gebet zu betrachten, Rat im Wort Gottes zu
suchen und sich dann nach seinen Lehren zu richten.
Wenn es Möglichkeiten für handwerkliche Arbeit in Verbindung mit unserer Schule gäbe und die
Studenten angewiesen werden könnten, einen Teil ihrer Zeit aktiver Beschäftigung zu widmen, würde
sich dies als Schutz erweisen vor mancherlei
98
bösen Einflüssen, die in Lehrinstituten lauern. Männliche, nutzbringende Beschäftigungen, welche die
Stelle von wertlosen, verderbten Zerstreuungen einnehmen, würden dem Überschwang jugendlicher
Lebenskraft genügend Spielraum lassen und dem Charakter Ernsthaftigkeit und Stabilität verleihen. Es
sollten alle Anstrengungen gemacht werden, ein Verlangen nach moralischer, körperlicher und geistiger
Entwicklung zu ermutigen. Wenn Mädchen darin unterrichtet werden, wie man kocht, und besonders,
wie man gutes Brot backen kann, wäre ihre Erziehung von weit größerem Wert. Eine Kenntnis
nützlicher Arbeit würde in großem Maße jene krankhafte Sentimentalität verhindern, die schon
Tausende ruiniert hat und noch immer ruiniert. Die Übung der Muskeln wie auch des Gehirns wird
Freude an häuslichen Pflichten des praktischen Lebens wecken.
Die heutigen erzieherischen Bemühungen sind von Schau und Oberflächlichkeit gekennzeichnet.
Bruder ... besitzt natürliche Liebe zu System und Gründlichkeit, und durch lebenslange Übung sind sie
ihm zur Gewohnheit geworden. Gott hat diese Eigenschaften in ihm gelobt. Seine Arbeiten sind wirklich
wertvoll, weil er bei den Studenten keine Oberflächlichkeit dulden wird. In seinen anfänglichen
Bemühungen um die Gründung einer Schule wurde ihm viel Widerstand entgegengebracht. Wäre er
weniger resolut und ausdauernd gewesen, hätte er den Kampf aufgegeben. Einige Eltern versäumten,
die Schule zu unterstützen, und ihre Kinder verachteten den Lehrer, weil er ärmlich gekleidet war. Sie
ließen sich durch seine äußerliche Erscheinung gegen ihn beeinflussen. Der Herr tadelte diese
Respektlosigkeit und ermutigte den Lehrer in seiner Arbeit. Aber die Klagen und unklugen Berichte der
Kinder daheim stärkten das Vorurteil der Eltern. Während Bruder ... rechte Grundsätze und
Gewohnheiten einzuschärfen versuchte, klagten verwöhnte Kinder über ihr anstrengendes Studium. Es
wurde mir gezeigt, daß diese Kinder deshalb litten, weil ihre Gedanken sich nicht mit sauberen
Gegenständen beschäftigten. Ihre Sinne waren auf niedrige Dinge gerichtet, und Geist und Körper
waren durch die Gewohnheit der Selbstbefleckung geschwächt. Es war diese entwürdigende
Gewohnheit, nicht das zu viele Lernen, was diese
99
Kinder häufig krank machte und sie hinderte, die Fortschritte zu machen, welche die Eltern erwarteten.
Der Herr hat die allgemeine Haltung von Bruder ... gutgeheißen, als er das Fundament für die
Schule legte, die jetzt in Betrieb ist. Aber der Bruder hat zu hart gearbeitet, ohne festen, segensreichen,
stärkenden häuslichen Einfluß, der seine Last erleichtert hätte. Durch den Streß der Überarbeitung hat
er einige Fehler gemacht, die jedoch nicht halb so schwerwiegend waren wie die Fehler derer, die
bittere Gefühle gegen ihn hegten. Im Umgang mit den Jugendlichen mußte er einem Geist der
Rebellion und Herausforderung begegnen, der nach den Worten des Apostels ein Zeichen der letzten
Tage ist.
Einige Lehrer der Schule haben versäumt, die Verantwortlichkeit ihrer Stellung zu erkennen. Sie
selbst haben nicht in Christi Schule gelernt. Deshalb waren sie nicht vorbereitet, andere zu unterweisen.
Unter den Studenten gibt es müßige, verwerfliche Gewohnheiten. Sie brauchen Tadel und Zucht. Ist
es aber nicht möglich, eine Besserung herbeizuführen, dann laßt sie nicht durch Zuflucht zu Ungeduld
und Härte weiter absinken. Lehrer sollten immer bedenken, daß die Jugendlichen unter ihrer Obhut
Christi bluterkauftes Eigentum und die jüngeren Glieder der Familie des Herrn sind. Christus brachte ein
unermeßliches Opfer, um sie zu erlösen. Lehrer sollten sich stets als Missionare fühlen, um diese
Studenten für Jesum zu gewinnen. Wenn sie von Natur aus streitsüchtig veranlagt sind, sollten sie sich
sehr hüten, diesem Wesenszug nachzugeben. Diejenigen, die die kritische Periode der Jugendzeit
hinter sich haben, dürfen nie die Versuchungen und Prüfungen ihres früheren Lebens vergessen und
wie sehr sie Mitgefühl, Freundlichkeit und Liebe benötigten.
Wer dauernd mit humanitärer öffentlicher Arbeit beschäftigt ist, findet nur wenig Zeit, sich seiner
Familie zu widmen und ist in dieser Hinsicht fast ohne Familie und ohne häuslichen, geselligen Einfluß.
So erging es Bruder. ... Er befand sich ständig im Streß. Er hatte wenig Gelegenheit, die Zuneigung
seiner Kinder zu gewinnen oder ihnen die benötigte Zucht und Leitung angedeihen zu lassen.
100
In der Schule sind viele, die eine gründliche Bekehrung brauchen. Laßt niemand den Splitter im
Auge des Nächsten suchen, wenn sich ein Balken in seinem eigenen Auge befindet. Jeder sollte seinen
eigenen Seelentempel von aller Befleckung reinigen. Beseitigt Neid und Eifersucht zusammen mit allem
angehäuftem Schutt. Unter unendlichen Kosten wurden für uns hohe Vorrechte und himmlische
Kenntnisse erworben, die frei zu unserer Annahme zur Verfügung stehen. Gott hält uns persönlich
verantwortlich für das Maß an Licht und für alle Vorrechte, die er uns gewährt hat. Weigern wir uns, die
uns anvertrauten Talente zu entwickeln, verwirken wir seine Gunst.
Professor ... würde euch von sehr großem Nutzen gewesen sein, hätten ihm nicht einige
geschmeichelt und andere ihn verdammt. Er wurde verwirrt. Er besaß Charakterzüge, die unterdrückt
werden mußten. In ihrer Begeisterung schenkten ihm einige unangemessenes Vertrauen und Lob. Ihr
habt den Mann in eine Stellung gebracht, in der es für ihn schwer sein wird, sich zu erholen und seinen
wahren Zustand zu erkennen. Beide Parteien in der Gemeinde haben ihn geopfert, weil sie versäumten,
die Ratschläge des Geistes Gottes zu befolgen. Ihm ist Unrecht geschehen. Er war neu zum Glauben
gekommen und nicht darauf vorbereitet, wie sich die Dinge entwickeln würden.
Wie wenig wissen wir davon, welche Auswirkungen unser Verhalten auf unsere eigene zukünftige
Geschichte und die von anderen haben wird. Viele denken, was sie tun, sei nicht so wichtig. Es wird
ihnen nicht schaden, wenn sie wünschen, zu diesem Konzert zu gehen oder sich mit der Welt in jenem
Vergnügen zu verbinden. So leitet und beherrscht Satan ihre Wünsche, und sie erkennen nicht, daß die
Folgen sehr schwerwiegend sein können. Es mag ein Glied in der Kette von Ereignissen sein, die eine
Seele in Satans Schlingen verstrickt und ihren Untergang für ewig besiegelt.
Jede Tat, sei sie noch so unbedeutend, hat ihren Platz in dem großen Schauspiel des Lebens.
Beachtet, daß der Wunsch nach einer einzigen Befriedigung der Eßlust die Sünde mit all ihren
schrecklichen Folgen in diese Welt brachte. Unerlaubte Heiraten der Söhne Gottes mit den Töchtern
der Menschen hatten
101
einen Abfall zur Folge, der in der Vernichtung der Welt durch die Sintflut endete. Der geringste Akt der
Befriedigung des Ichs hat schon gewaltige Revolutionen zur Folge gehabt. Dies ist auch heute der Fall.
Es gibt nur wenige, die vorsichtig handeln. Gleich den Kindern Israel wollen sie den Rat nicht
annehmen, sondern folgen ihren eigenen Neigungen. Sie verbinden sich mit der Welt und wohnen
Versammlungen bei, wo man auf sie aufmerksam wird, und so gehen sie voraus und andere folgen
ihnen. Was sie einmal getan haben, werden sie auch wieder tun, und viele andere machen es ihnen
nach. Jeder unternommene Schritt hinterläßt einen bleibenden Eindruck, nicht nur auf das eigene
Gewissen und die eigenen Gewohnheiten, sondern auch bei anderen. Diese Überlegung verleiht dem
menschlichen Leben feierliche Würde.
Mein Herz schmerzt mich Tag für Tag und Nacht für Nacht, wenn ich an unsere Gemeinden denke.
Viele machen Fortschritte, aber leider in entgegengesetzter Richtung. „Der Gerechten Pfad glänzt wie
das Licht, das immer heller leuchtet bis auf den vollen Tag.“ Sprüche 4,18. Ihr Marsch geht vorwärts
und aufwärts. Sie schreiten voran von Kraft zu Kraft, von Gnade zu Gnade und von Herrlichkeit zu
Herrlichkeit. Dieses Vorrecht haben all unsere Gemeinden. Doch ach, wie anders ist es mit ihnen! Sie
benötigen göttliche Erleuchtung. Sie müssen eine völlige Wende machen. Ich weiß, wovon ich spreche.
Es sei denn, sie werden wirkliche Christen, sonst werden sie schwächer und schwächer, Spaltungen
werden zunehmen, und viele Seelen verloren gehen.
Alles, was ich zu euch sagen kann, ist: Beachtet das Licht, das Gott euch geschenkt hat, und folgt
ihm, was es euch auch kosten mag. Dies ist eure einzige Sicherheit. Ihr müßt zur Einigkeit gelangen.
Möge der Herr euch dabei helfen, auch wenn das eigene Ich dabei gekreuzigt werden muß. Sammelt
die Lichtstrahlen, die mißachtet und verworfen wurden. Sammelt sie ein mit Sanftmut, mit Zittern und
mit Furcht. Die Sünde des alten Volkes Israel bestand in der Mißachtung des ausdrücklichen Willens
Gottes und indem sie ihren eigenen Wegen nach den Eingebungen ihrer ungeheiligten Herzen folgten.
Das
102
moderne Israel folgt rasch ihren Fußstapfen, und Gottes Mißfallen ruht mit Sicherheit auf ihnen.
Es ist niemals schwierig, das zu tun, was wir gerne tun. Aber einen Weg entgegen unseren
Neigungen zu gehen, bedeutet das Kreuz aufzunehmen. Christus betete darum, daß seine Jünger eins
sein möchten, wie er mit seinem Vater eins war. Diese Einigkeit ist Christi Zeugnis für die Welt, daß
Gott ihn gesandt hat. Wenn der Eigenwille bei Schwierigkeiten aufgegeben wird, werden die Gläubigen
eins mit Christo werden. Für dieses Ziel sollten alle entschlossen beten und wirken, um damit so weit
wie möglich das Gebet Christi um Einigkeit in seiner Gemeinde zu beantworten.
Kapitel 7: Verurteilung von Eifersucht und Tadelsucht
Es ist tut mir weh, sagen zu müssen, daß unter unseren Gemeindegliedern einige ihre Zungen nicht
im Zaume halten. Man findet falsche Zungen, für welche Unheilstiften ein Labsal ist. Daneben gibt es
heimliche, tuschelnde Zungen. Man bringt Klatsch auf, mischt sich in unverschämter Weise in Dinge,
die einen nichts angehen, und zieht mit Gewandtheit über andere her. Manche von denen, die den
Klatsch lieben, tun es aus Neugierde, andere wiederum aus Eifersucht, noch andere aus Haß gegen
diejenigen, durch die der Herr zu ihnen gesprochen hat, um sie zu rügen. All diese unverträglichen
Elemente sind am Wirken. Etliche von ihnen verbergen ihre wahren Gefühle, während andere wieder
darauf brennen, alles zu verbreiten, was sie Böses voneinander wissen oder auch nur argwöhnisch
vermuten.
Ich sah, daß sogar der Geist des Meineides, der die Wahrheit in Lüge, Gutes in Böses und Unschuld
in Verbrechen verkehrt, jetzt tätig ist. Satan frohlockt über den Zustand derer, die sich als Volk Gottes
bekennen. Während viele ihre eigenen Seelen vernachlässigen, warten sie eifrig auf eine Gelegenheit,
andere zu kritisieren und zu verdammen. Alle haben Charakterfehler,
103
und ist es nicht schwer, etwas zu finden, das die Eifersucht ihnen zum Nachteil auslegen kann. „Nun
haben wir Tatsachen,“ sagen diese selbst ernannten Richter. „Wir werden ihnen schon eine Anklage
anhängen, von der sie sich nicht reinigen können.“ Sie warten auf eine passende Gelegenheit, um dann
all ihren gesammelten Klatsch als Leckerbissen aufzutischen.
In ihren Bemühungen, sich durchzusetzen, sind Personen, die von Natur aus eine starke Phantasie
haben, in Gefahr, sich selbst und andere zu täuschen. Sie fangen Ausdrücke auf, die ein anderer
unachtsam fallen läßt, ohne dabei zu bedenken, daß Worte voreilig ausgesprochen sein können und
darum gar nicht die wahren Empfindungen des Sprechers wiedergeben mögen. Jedoch werden
derartige unbedachte Bemerkungen, die oftmals zu unbedeutend sein mögen, als daß sie
erwähnenswert wären, durch Satans Vergrößerungsglas angesehen, erwogen und wiederholt, bis aus
Maulwurfshügeln Berge geworden sind. Von Gott getrennt, werden diejenigen, die bei anderen Übles
vermuten, zur Zielscheibe für Satans Versuchungen. Sie ahnen kaum etwas von der Macht ihrer
Gefühle oder der Wirkung ihrer Worte. Während sie die Irrtümer anderer verdammen, sind sie
gegenüber ihren eigenen weit größeren Fehlern nachsichtig. „Gleichmaß im Urteil ist ein Kleinod.“
Gibt es kein Gesetz der Güte, das zu beachten ist? Hat Gott Christen ermächtigt, einander zu
kritisieren und zu verdammen? Ist es ehrenvoll oder auch nur ehrlich, unter dem Vorwand der
Freundschaft den Lippen anderer die ihnen anvertrauten Geheimnisse zu entlocken und dann die so
gewonnene Kenntnis zu ihrem Nachteil zu verwenden? Besteht christliche Liebe darin, jedes in Umlauf
befindliche Gerücht aufzufangen und alles aufzudecken, was den Charakter eines andern in Verdacht
bringen kann, und dann Gefallen daran zu finden, ihn dadurch zu schädigen? Satan frohlockt, wenn er
einen Nachfolger Christi verunglimpfen oder verwunden kann. Er ist „der Verkläger der Brüder“.
Offenbarung 12,10. Sollten Christen ihm in seinem Werk helfen?
104
Gottes allsehendes Auge nimmt die Mängel aller wahr, bemerkt auch, welche Leidenschaft jeden
einzelnen beherrscht; und doch hat er Geduld mit unseren Fehlern und Mitleid mit unserer
Schwachheit. Er verlangt von seinem Volk, daß es denselben Geist der Nachsicht und Geduld hegt.
Wahre Christen werden nicht darüber frohlocken, daß sie Gelegenheit haben, die Fehler und Mängel
anderer bloßzustellen. Sie werden sich von aller Schlechtigkeit und Häßlichkeit abwenden und die
Gedanken auf das richten, was anziehend und lieblich ist. Jedes Kritisieren sowie jedes richtende und
verdammende Wort schmerzt einen Christen.
Es hat immer Männer und Frauen gegeben, die die Wahrheit bekannt, ihr Leben jedoch ihrem
heiligenden Einfluß nicht unterstellt haben; nämlich Menschen, die untreu waren, dabei aber sich selbst
getäuscht und in der Sünde ermutigt haben. Was man in ihrem Leben, ihrem Betragen und ihrem
Charakter zu sehen bekommt, ist Unglaube, und dieses schreckliche Übel frißt um sich wie der Krebs.
Wenn alle Christen, anstatt von den Fehlern anderer zu reden, ihr Spürvermögen lieber dazu
verwenden wollten, in ihrem eigenen Leben die Übel zu entdecken, die beseitigt werden müssen, dann
würden heute gesündere Verhältnisse in der Gemeinde herrschen. Manche sind ehrlich, solange sie
dadurch nichts zu verlieren haben; sobald Unaufrichtigkeit jedoch einträglicher ist, denken sie nicht
mehr daran, ehrlich zu sein. Ehrlichkeit und Unaufrichtigkeit können nicht nebeneinander in demselben
Gemüt bestehen. Mit der Zeit wird entweder Unaufrichtigkeit verbannt, so daß Wahrheit und Ehrlichkeit
die Oberhand gewinnen, oder die Ehrlichkeit wird vergessen, wenn man Unaufrichtigkeit hegt. Sie
stimmen niemals überein; sie haben nichts miteinander gemein. Das eine ist der Prophet des Baal, das
andere der wahre Prophet Gottes. Wenn der Herr seine Edelsteine sammeln wird, dann wird er mit
Wohlgefallen auf die Aufrichtigen, die Wahrhaftigen und Ehrlichen schauen. Engel sind damit
beschäftigt, Kronen für sie herzustellen, und diese sternengeschmückten Kronen werden mit hellem
Glanz das Licht widerstrahlen, welches vom Throne Gottes ausgeht.
105
Unsere Brüder im Predigtamt werden zu oft durch den Bericht von Gemeindeschwierigkeiten
belastet und nehmen zu oft in ihren Predigten darauf Bezug. Sie sollten die Glieder der Gemeinden
nicht darin bestärken, übereinander zu klagen, sondern sollten sie dazu anhalten, über ihre eigenen
Taten nachzudenken. Niemand sollte durch Berichte von Fehlern anderer Regungen des Vorurteils und
des Unwillens in seinem Innern wachrufen lassen. Man sollte stets geduldig abwarten, bis man beide
Seiten über die Frage gehört hat, und dann auch nur so viel glauben, als man sich durch unumstößliche
Tatsachen zu glauben gezwungen sieht. Es ist allezeit das einzig richtige Verfahren, nicht eher einem
bösen Gerücht Glauben zu schenken, als bis die biblische Regel streng durchgeführt worden ist. Dies
findet besonders auf solche Anwendung, die sich in geschickter Weise bemüht haben, aus solchen, die
keinen Argwohn hegten, Dinge herauszuholen, die sie gar nichts angingen und die sie besser nicht
erfahren hätten.
Um eurer Seelen willen, meine Brüder, habt stets die Verherrlichung Gottes im Auge. Schaltet das
Ich soviel wie möglich aus euren Gedanken aus. Wir nähern uns dem Ende der Zeit. Untersucht eure
Beweggründe im Lichte der Ewigkeit. Ich weiß, ihr müßt alarmiert werden. Ihr entfernt euch von den
alten Marksteinen. Eure sogenannte Wissenschaft untergräbt die Grundlage christlicher Grundsätze.
Mir ist gezeigt worden, welchen Weg ihr bestimmt einschlagen werdet, wenn ihr euch von Gott trennt.
Verlaßt euch nicht auf eure eigene Weisheit. Ich sage euch, eure Seelen schweben in Gefahr. Forscht
um Christi willen und seht, warum ihr so wenig Neigung zu religiösen Übungen habt.
Der Herr prüft und erprobt sein Volk. Gegen deine eigenen Charakterfehler magst du so streng sein,
wie du willst; sei aber gütig, mitleidig und freundlich gegen andere. Frage dich jeden Tag: Ist mein Herz
rechtschaffen oder ist es unaufrichtig? Bitte den Herrn, dich vor aller Täuschung in dieser Frage zu
bewahren. Euer ewiges Wohl steht auf dem Spiele. Während so viele nach Ehre lechzen und nach
Gewinn gieren, trachtet ihr, meine lieben Brüder im Herrn, eifrig danach, die Zusicherung
106
der Liebe Gottes zu erlangen, und ruft: Wer zeigt mir, wie ich meine Berufung und Erwählung
festmache?
Satan erforscht sorgfältig, welche Sünden in der Natur eines Menschen begründet liegen, und dann
beginnt er ihn zu ködern und zu umgarnen. Wir sind von den heftigsten Versuchungen umgeben.
Trotzdem winkt uns Sieg, wenn wir mannhaft des Herrn Schlachten schlagen. Wir sind alle in Gefahr.
Wenn wir aber demütig und unter Gebet vor dem Herrn wandeln, dann werden wir aus dem
Läuterungsprozeß köstlicher als feines Gold, köstlicher sogar als Goldes Stücke aus Ophir
hervorgehen. Sind wir dagegen unachtsam und versäumen wir zu beten, so werden wir nur wie
tönendes Erz und eine klingende Schelle sein.
Manche sind beinahe in dem Irrgarten des Zweifels verloren gegangen. Allen denen möchte ich
sagen: Gebt euren Gedanken eine andere Richtung. Richtet sie auf Gott. Je inniger Glaube und
Heiligkeit euch mit dem ewigen Gott verbinden, desto klarer und herrlicher wird euch die Gerechtigkeit
in seinem Verfahren mit euch offenbar. Macht das Leben, das ewige Leben, zum Ziel eures Strebens.
Ich weiß, in welcher Gefahr ihr euch befindet. Wenn ihr das Vertrauen zu den Zeugnissen verliert,
werdet ihr von der Bibelwahrheit abkommen. Ich bin besorgt gewesen, daß viele eine mißtrauische,
zweifelnde Haltung einnehmen könnten, und in meiner Angst um eure Seelen wollte ich euch warnen.
Wie viele werden die Warnung beachten? Würdet ihr, wenn bei der Stellung, die ihr heute den
Zeugnissen gegenüber einnehmt, ein Zeugnis gegeben würde, das euren Weg kreuzt und eure Fehler
rügt, auch nicht die geringsten Bedenken haben, es nach eurem Belieben anzunehmen oder es
teilweise oder auch ganz zu verwerfen? Das, was ihr am wenigsten anzunehmen geneigt wäret, wäre
gerade der Teil, den ihr am nötigsten braucht. Gott und Satan arbeiten nie als Partner miteinander. Die
Zeugnisse tragen entweder das Siegel Gottes oder das Satans. Ein guter Baum kann nicht faule
Früchte bringen, noch kann ein fauler Baum gute Früchte bringen. An ihren Früchten sollt ihr sie
erkennen. Gott hat geredet. Wer ist bei seinem Wort erzittert?
Kapitel 8: Der Tag des Herrn ist nahe
„Des Herrn großer Tag ist nahe; er ist nahe und eilet sehr. Wenn das Geschrei vom Tage des Herrn
kommen wird, so werden die Starken alsdann bitterlich schreien. Denn dieser Tag ist ein Tag des
Grimmes, ein Tag der Trübsal und Angst, ein Tag des Wetters und Ungestüms, ein Tag der Finsternis
und Dunkels, ein Tag der Wolken und Nebel; ein Tag der Posaune und Drommete wider die festen
Städte und hohen Schlösser. Ich will den Leuten bange machen, daß sie umhergehen sollen wie die
Blinden; darum daß sie wider den Herrn gesündigt haben.“ Zephanja 1,14-17.
„Zur selbigen Zeit will ich Jerusalem mit Leuchten durchsuchen und will heimsuchen die Leute, die
auf ihren Hefen liegen, und sprechen in ihrem Herzen: Der Herr wird weder Gutes noch Böses tun.“
Zephanja 1,12.
„Sammelt euch und kommt her, ihr feindseliges Volk, ehe denn das Urteil ausgehe, daß ihr wie die
Spreu bei Tage dahinfahrt; ehe denn des Herrn grimmiger Zorn über euch komme. Suchet den Herrn,
alle ihr Elenden im Lande, die ihr seine Rechte haltet; suchet Gerechtigkeit, suchet Demut, auf daß ihr
am Tage des Zorns des Herrn möget verborgen werden.“ Zephanja 2,1-3.
Wir nähern uns dem Ende der Zeit. Mir wurde gezeigt, daß die vergeltenden Gerichte Gottes schon
über das Land gehen. Der Herr hat uns vor den bevorstehenden Ereignissen gewarnt. Licht scheint aus
seinem Worte, aber Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker. „Wenn sie werden sagen:
Es ist Friede, es hat keine Gefahr, — so wird sie das Verderben schnell überfallen ... und werden nicht
entfliehen.“ 1.Thessalonicher 5,3.
Es ist unsere Pflicht, nach der Ursache dieser schrecklichen Finsternis zu forschen, damit wir den
Weg vermeiden, auf welchem die Menschen in eine solch große Täuschung geraten sind. Gott hat der
Welt Gelegenheit gegeben, seinen Willen kennenzulernen und zu befolgen. Er hat ihr in seinem Wort
das Licht der Wahrheit geschenkt und hat ihr Warnung, Rat und Ermahnung gesandt. Aber nur wenige
Menschen wollen seiner
108
Stimme gehorchen. Gleich dem Judenvolke ist die Mehrheit der Christusbekenner stolz auf ihre
größeren Vorzüge, erweist aber Gott keinen Dank für diese großen Segnungen. In unendlicher Gnade
wird der Welt eine letzte Warnungsbotschaft gesandt, die verkündet, daß Christus vor der Tür ist, und
die besonders auf Gottes gebrochenes Gesetz aufmerksam macht. Aber wie die Menschen vor der
Sintflut höhnend Noahs Warnung verwarfen, so verachten die Vergnügungssüchtigen auch heute die
Botschaft der treuen Diener Gottes. Die Welt geht ihren unveränderten Gang, wie immer von ihren
Geschäften und Vergnügungen in Anspruch genommen, während Gott im Begriff steht, seinen Zorn
über die Übertreter des Gesetzes auszugießen.
Unser mitleidiger Erlöser, der die Gefahren voraussah, von denen seine Nachfolger zu dieser Zeit
umgeben sein würden, gab ihnen eine besondere Warnung: „Hütet euch aber, daß eure Herzen nicht
beschwert werden mit Fressen und Saufen und mit Sorgen der Nahrung und komme dieser Tag schnell
über euch; denn wie ein Fallstrick wird er kommen über alle, die auf Erden wohnen. So seid nun wach
allezeit und betet, daß ihr würdig werden möget, zu entfliehen diesem allem, das geschehen soll, und
zu stehen vor des Menschen Sohn.“ Lukas 21,34-36. Wird die Gemeinde einen ähnlichen Weg
einschlagen wie die Welt, so wird sie dasselbe Schicksal teilen; ja, ihre Strafe wird größer sein als die
der Unbußfertigen, denn sie hat größeres Licht empfangen.
Wir als Volk glauben, mehr Wahrheit zu besitzen als irgendein anderes Volk auf Erden, deshalb
sollte auch unser Leben und Charakter in Übereinstimmung mit solchem Glauben sein. Der Tag steht
uns gerade bevor, wenn die Gerechten gleich köstlichen Garben in Bündeln gebunden werden sollen
für die himmlische Scheune, während die Gottlosen gleich dem Unkraut gesammelt werden für das
Feuer des letzten großen Tages. Aber Weizen und Unkraut wachsen zusammen bis zur Ernte. In der
Verrichtung der täglichen Pflichten werden die Gerechten bis zuletzt mit den Gottlosen in Berührung
kommen. Die Kinder des Lichts sind unter den Kindern der Finsternis zerstreut, damit der Gegensatz
von allen gesehen werden möge. Auf diese Weise
109
sollen die Kinder Gottes „verkündigen die Tugenden des, der sie berufen hat von der Finsternis zu
seinem wunderbaren Licht.“ 1.Petrus 2,9. Die in dem Herzen glühende Liebe, die in dem Leben sich
offenbarende, Christo ähnliche Harmonie wird wie ein flüchtiger Blick in den Himmel sein, der
Weltmenschen gewährt wird, damit sie seine Erhabenheit sehen und schätzen mögen.
Gleiche Seelen finden sich. Diejenigen, welche von derselben Segensquelle trinken, werden sich
enger zusammenschließen. Durch die in den Herzen wohnende Wahrheit werden die Gläubigen
einander ähnlich werden, und es wird die Bitte Christi erfüllt, daß seine Jünger eins sein möchten, wie
er mit dem Vater eins ist. Nach dieser Einheit wird jedes wahrhaft bekehrte Herz verlangen.
Unter den Gottlosen hingegen wird eine trügerische Übereinstimmung herrschen, die nur teilweise
einen beständigen Mißklang verbirgt. In ihrem Widerstand gegen den Willen und die Wahrheit Gottes
sind sie einig, während sie in jedem anderen Punkt durch Haß, Neid, Eifersucht und tödlichen Streit
getrennt sind.
Das echte und das unedle Metall sind nun so miteinander vermischt, daß nur das scharfsichtige
Auge des unendlichen Gottes mit Sicherheit zwischen ihnen unterscheiden kann. Aber der Magnet der
Wahrheit und Heiligkeit wird das echte Metall anziehen und das falsche und unechte abstoßen.
„Des Herrn großer Tag ist nahe; er ist nahe und eilet sehr;“ aber wo sehen wir den wahren
Adventsgeist? Wer bereitet sich vor, in der Stunde der Versuchung, die uns unmittelbar bevorsteht, zu
bestehen? Das Volk, dem Gott die heiligen, feierlichen, prüfenden Wahrheiten für diese Zeit anvertraut
hat, schläft auf seinem Posten. Es sagt durch seine Handlungen: Ich habe die Wahrheit, „ich bin reich
und habe gar satt und bedarf nichts“, während der treue Zeuge erklärt: „Du weißt nicht, daß du bist
elend und jämmerlich, arm, blind und bloß.“ Offenbarung 3,17.
Wie getreu bezeichnen diese Worte den gegenwärtigen Zustand der Gemeinde: „Du weißt nicht,
daß du bist elend und
110
jämmerlich, arm, blind und bloß!“ Von dem Heiligen Geist eingegebene Warnungsbotschaften werden
von den Dienern Gottes übermittelt, Charakterfehler werden den Irrenden gezeigt, aber sie sagen: Dies
ist nicht mein Fall. Ich nehme die Botschaft, die du bringst, nicht an. Ich tue das Beste, das ich kann. Ich
glaube der Wahrheit!
Jener böse Knecht, der in seinem Herzen sagte: „Mein Herr kommt noch lange nicht“, gab vor, auf
Christum zu warten. Er war ein „Knecht“, äußerlich dem Dienste Gottes ergeben, während er im Herzen
Satan anhing. Wohl verleugnet er nicht öffentlich die Wahrheit, wie dies die Spötter tun, offenbart aber
durch sein Leben die Gefühle des Herzens — daß der Herr sein Kommen verziehe. Seine
Vermessenheit macht ihn sorglos betreffs ewiger Interessen. Er lebt nach den Grundsätzen der Welt
und paßt sich ihren Gewohnheiten und Sitten an. Selbstsucht, weltlicher Hochmut und Ehrgeiz
herrschen vor. Aus Furcht, daß seine Brüder höher stehen möchten als er selbst, fängt er an, ihre
Bemühungen herabzusetzen und ihre Beweggründe anzugreifen. Auf diese Weise schlägt er seine
Mitknechte. Während er sich vom Volke Gottes trennt, verbindet er sich immer mehr mit den Gottlosen.
Er ißt und trinkt mit den Trunkenen, vereinigt sich mit weltlich Gesinnten und wird eines Geistes mit
ihnen. So wird er in fleischliche Sicherheit gewiegt und unterliegt der Nachlässigkeit, Gleichgültigkeit
und Trägheit.
Das Übel fing mit Vernachlässigung des Wachens und des stillen Gebets an, dann wurden religiöse
Pflichten versäumt und somit der Weg für alle folgenden Sünden geöffnet. Jeder Christ wird von den
Reizen der Welt, den lauten Forderungen der fleischlichen Natur und den direkten Versuchungen
Satans angefochten. Keiner ist sicher. Was auch unsere Erfahrung sein mag, wie hoch wir auch stehen
mögen, es tut uns not, beständig zu wachen und zu beten. Wir müssen täglich vom Geiste Gottes
geleitet werden, sonst beherrscht uns Satan.
Des Heilandes Belehrungen an seine Jünger wurden zum Besten seiner Nachfolger zu allen Zeiten
gegeben. Wenn er sagte: „Habt acht auf euch selbst“, so hatte er diejenigen im Auge, die nahe dem
Ende der Zeit leben. Jeder sollte es zu seiner
111
persönlichen Aufgabe machen, die köstlichen Gnadengaben des Heiligen Geistes im Herzen zu
pflegen.
Satan arbeitet mit unfehlbarer Beharrlichkeit und mit äußerster Energie, um die bekenntlichen
Nachfolger Christi in seine Reihen zu ziehen. Er wirkt mit „aller Verführung zur Ungerechtigkeit in
denen, die verloren werden“. Aber Satan ist nicht der einzige Arbeiter, durch den das Reich der
Finsternis gefördert wird. Wer zur Sünde auffordert, ist ein Versucher. Wer den großen Betrüger
nachahmt, wird sein Helfer. Wer durch seinen Einfluß ein böses Werk unterstützt, verrichtet
Sklavendienst für Satan.
Handlungen offenbaren Grundsätze und Beweggründe. Die Früchte vieler, die beanspruchen,
Pflanzen im Weinberge des Herrn zu sein, zeigen, daß sie nur Dornen und Disteln sind. Eine ganze
Gemeinde mag die verkehrte Handlungsweise etlicher Glieder billigen, dadurch wird aber das Unrecht
nicht Recht; sie kann nicht Trauben an den Dornbusch bringen.
Würden manche, die meinen, die gegenwärtige Wahrheit zu glauben, ihre wahre Stellung erkennen,
so würden sie an der Barmherzigkeit Gottes verzweifeln. Sie haben all ihren Einfluß gegen die
Wahrheit, gegen die Stimme der Warnung, gegen das Volk verwandt. Sie haben das Werk Satans
getan. Viele sind durch seine Täuschungen so betört worden, daß sie nie wieder frei werden. Durch
solch einen Zustand des Abfalls werden viele Seelen verloren gehen.
Die Gemeinde hat Warnung auf Warnung empfangen. Die Pflichten und Gefahren des Volkes
Gottes sind ihr klar gezeigt worden. Doch das weltliche Element hat sich zu stark für sie erwiesen.
Gewohnheiten, Gebräuche und Moden, welche die Seele von Gott abwenden, haben trotz der
Ermahnungen und Bitten des Heiligen Geistes seit Jahren Wurzel gefaßt, bis schließlich ihre Wege in
ihren eigenen Augen recht scheinen und die Stimme des Geistes kaum vernommen wird. Kein Mensch
vermag zu sagen, wie weit er in Sünde geraten kann, wenn er sich einmal der Macht des großen
Verführers überläßt. Satan fuhr in Judas Ischariot und veranlaßte ihn, seinen Herrn zu verraten. Satan
verleitete Ananias und Saphira, den Heiligen
112
Geist zu belügen. Wer nicht völlig Gott geweiht ist, kann verleitet werden, das Werk Satans zu tun, und
dennoch wähnen, in Christi Dienst zu stehen.
Geschwister, meine Bitte an euch ist: „Versuchet euch selbst, ob ihr im Glauben seid; prüfet euch
selbst.“ 2.Korinther 13,5. Um die christliche Liebe warm und rein zu erhalten, bedürfen wir der
beständigen Gnade Christi. Habt ihr jedes Mittel angewandt, damit „eure Liebe je mehr und mehr reich
werde“, damit ihr das Beste erkennen könnt und erfüllt seid „mit Früchten der Gerechtigkeit, die durch
Jesum Christum in euch geschehen zu Ehre und Lobe Gottes“? Philipper 1,9-11.
Viele, die fest für Gerechtigkeit und Wahrheit einstehen sollten, haben Schwachheit und
Unentschlossenheit gezeigt und dadurch Satans Angriffe ermutigt. Wer nicht in der Gnade wächst und
nicht danach strebt, den höchsten Standard göttlicher Vollkommenheit zu erlangen, wird sicherlich
überwunden werden.
Diese Welt soll für den Christen ein Land der Fremdlinge und Feinde sein. Wenn er nicht die
göttliche Rüstung zu seiner Verteidigung nimmt und das Schwert des Geistes führt, so wird er ein Raub
der Mächte der Finsternis. Der Glaube aller wird geprüft werden, und zwar so, wie das Gold im Feuer
geprüft wird.
Die Gemeinde ist aus unvollkommenen, irrenden Männern und Frauen zusammengesetzt, die
fortwährende Liebe und Nachsicht verlangen. Aber es hat lange eine allgemeine Lauheit geherrscht; ein
weltlicher Geist ist in die Gemeinde gekommen und hat Entfremdung, Tadelsucht, Bosheit, Zank und
Ungerechtigkeit mit sich gebracht.
Würden weniger Predigten gehalten werden von Männern, die im Herzen und im Leben ungeheiligt
sind und würde mehr Zeit darauf verwendet, die Seele vor Gott zu demütigen, so wäre zu hoffen, daß
der Herr zu eurer Hilfe erscheinen und eure Abtrünnigkeit heilen würde. Viele der Predigten in letzter
Zeit erzeugen eine falsche Sicherheit. Wichtige Angelegenheiten im Werke Gottes können nicht weise
von denen verwaltet werden, die so wenig wahre Verbindung mit Gott hatten, wie
113
manche unserer Prediger. Solchen Männern das Werk anzuvertrauen ist gerade, als wenn man Kindern
die Führung großer Schiffe auf dem Meer übertragen wollte. Wer der himmlischen Weisheit, der
lebendigen Kraft Gottes ermangelt, ist nicht fähig, das Evangeliumsschiff inmitten von Eisbergen und
Stürmen zu steuern. Die Gemeinde geht durch ernste Kämpfe, und viele möchten sie in ihrer Gefahr
Händen anvertrauen, die sicherlich ihren Schiffbruch herbeiführen würden. Wir brauchen jetzt einen
Lotsen an Bord, denn wir nähern uns dem Ufer. Wir als Volk sollten das Licht der Welt sein. Aber wie
viele sind törichte Jungfrauen, die kein Öl in den Gefäßen zu ihren Lampen haben. Möge der Gott aller
Gnade, reich an Barmherzigkeit und voller Vergebung, sich unser erbarmen und uns erretten, damit wir
nicht mit den Gottlosen umkommen!
In dieser Zeit des Kampfes und der Prüfungen bedürfen wir aller Unterstützung und Tröstung, die wir
aus gerechten Grundsätzen, aus fester religiöser Überzeugung, aus der bleibenden Versicherung der
Liebe Christi und aus einer reichen Erfahrung in göttlichen Dingen schöpfen können. Wir werden nur
durch beständiges Wachstum in der Gnade zu dem vollkommenen Alter von Männern und Frauen in
Christo Jesu kommen.
O, was kann ich sagen, um die blinden Augen zu öffnen, um das geistige Verständnis zu erleuchten!
Die Sünde muß gekreuzigt werden. Es muß eine vollständige, moralische Erneuerung durch den
Heiligen Geist hervorgebracht werden. Wir müssen die Liebe Gottes und einen lebendigen,
ausharrenden Glauben besitzen. Dies ist das durchs Feuer bewährte Gold, das wir nur durch Christum
erlangen können. Jeder, der aufrichtig und ernsthaft sucht, wird der göttlichen Natur teilhaftig werden.
Seine Seele wird mit einem starken Verlangen erfüllt werden, die Fülle der Liebe zu erkennen, die alle
Erkenntnis übertrifft, und indem er im göttlichen Leben fortschreitet, wird er besser imstande sein, die
erhebenden, veredelnden Wahrheiten des Wortes Gottes zu erfassen, bis er durch Schauen verwandelt
und befähigt wird, das Ebenbild seines Erlösers widerzustrahlen.
Kapitel 9: Unkluge Heiraten
Es wurde mir vorgeführt, daß die heutige Jugend nicht erkennt, in welch großer Gefahr sie sich
befindet. Es gibt viele unter den Jugendlichen, die Gott als Arbeiter in den verschiedenen Zweigen
seines Werkes einsetzen möchte. Satan tritt aber dazwischen und verstrickt sie in seinem Netz, so daß
sie Gott entfremdet und kraftlos in seinem Werk werden. Satan ist ein scharfsinniger und ausdauernder
Arbeiter. Er weiß genau, wie er die Unachtsamen verstricken kann, und es ist eine alarmierende
Tatsache, daß nur wenige seiner List entrinnen. Sie sehen keine Gefahr und hüten sich nicht vor seinen
Verführungskünsten. Er veranlaßt sie, einander Zuneigung zu schenken, ohne Weisheit von Gott zu
erbitten oder Rat von solchen einzuholen, die er gesandt hat zu warnen, zu tadeln und zu beraten. Sie
sind selbstgenügsam und wünschen keine Beschränkung.
Bruder ..., dein persönlicher Fall ist eine deutliche Illustration von dieser Tatsache. Du bist völlig
vernarrt in die Idee, heiraten zu wollen. Es ist allgemein so, daß diejenigen, deren Gedanken sich mit
diesem Thema beschäftigen, den Warnungen der Diener Gottes wenig Beachtung schenken. Das ist
auch bei dir der Fall. Ich sah, wie leicht du zu beeinflussen bist. Solltest du dich mit Gefährten von
niedriger Gesinnung verbinden, würdest du ihnen gleich werden. Es sei denn, du läßt dich von
Gottesfurcht und Liebe zu ihm leiten, oder deine Gedanken werden wie ihre Gedanken sein. Wenn sie
der Ehrfurcht ermangeln, wirst auch du unehrerbietig sein. Sind sie leichtsinnig und
vergnügungssüchtig, wirst du ihrem Kurs mit einem Eifer und einer Ausdauer folgen, die einer besseren
Sache würdig wären.
Das junge Mädchen, dem du deine Zuneigung schenkst, ist oberflächlichen Charakters. Sie hat ein
leichtfertiges Leben geführt, und ihr Verstand ist begrenzt und oberflächlich. Du hast dich jedoch
standhaft geweigert, Rat von deinem Vater, deiner liebevollen Schwester und von deinen Freunden in
der Gemeinde anzunehmen. Ich kam als Christi Sendbote zu dir. Aber deine starken Gefühle und dein
Selbstvertrauen schlossen deine Augen vor der Gefahr und deine Ohren vor den Warnungen. Du
115
bist deinem Kurs so hartnäckig gefolgt, als wüßte niemand soviel wie du oder als hinge die Rettung
deiner Seele davon ab, deinem eigenen Urteil zu folgen.
Würde jeder junge Mann, der sich zur Wahrheit bekennt, so handeln wie du, wie wäre dann wohl der
Zustand der Familien und der Gemeinde. Bedenke den Einfluß der Unehrerbietigkeit deinen Eltern
gegenüber, den du durch deinen Eigenwillen und deine Selbstgenügsamkeit erweckt hast. Du bist einer
von jener Menschenklasse, die als unbesonnen und hochmütig bezeichnet wird. Diese Verblendung hat
dein Interesse an religiösen Dingen zerstört. Du denkst nur an dich selbst anstatt an die Verherrlichung
Gottes. Diese Vertraulichkeit oder Zuneigung wird zu nichts Gutem führen. Gottes Segen kann kein
solch eigenwilliges Verhalten begleiten. Du solltest nicht so sehr darauf bedacht sein, eine eheliche
Verbindung einzugehen und die Sorge für eine Familie auf dich zu nehmen, ehe nicht dein eigener
Charakter gefestigt ist. Ich sehe die Sache so, daß du dich in großer Finsternis befindest, dir aber
deiner Gefahr nicht bewußt bist.
Die Wahrheit gestaltete dein Leben und deinen Charakter um, und du erlangtest das Vertrauen
deiner Brüder. Doch Satan sah, daß er dich verlor. Darum verdoppelte er seine Anstrengungen, dich in
seinen Schlingen zu verstricken, und er hatte wunderbaren Erfolg. Die Schwäche deiner Natur, die
bisher unentdeckt blieb, ist nun entwickelt. Du erkennst deinen Zustand nicht, obgleich er für andere
deutlich sichtbar ist. Licht kann niemand erreichen, der keine Anstrengung macht, es zu erlangen. Als
du sahst, daß deine Handlungsweise deinen Brüdern und Schwestern mißfiel, war es Zeit für dich
innezuhalten. Da solltest du darauf achten, was du tatest, solltest viel beten und dich mit Männern von
Erfahrung in der Gemeinde beraten und dankbar ihren Rat annehmen.
Du sagst: „Soll ich dem Urteil der Brüder folgen, unabhängig von meinen eigenen Gefühlen?“ Ich
antworte: Die Gemeinde ist Gottes bevollmächtigte Autorität auf Erden. Christus hat gesagt: „Was ihr
auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, soll
116
auch im Himmel los sein.“ Matthäus 18,18. Es wird der Meinung von Gemeindegliedern viel zu wenig
Respekt erwiesen. Es ist der Mangel an Achtung vor den Meinungen in der Gemeinde, was so viele
Schwierigkeiten unter den Geschwistern verursacht. Die Augen der Gemeinde mögen das in einzelnen
Gliedern entdecken, was der Irrende selbst nicht sieht. Ein paar Personen mögen ebenso blind sein wie
derjenige, der sich im Irrtum befindet; aber die Mehrheit der Gemeinde ist eine Macht, welche die
einzelnen Glieder zu kontrollieren hat.
Der Apostel Petrus sagt: „Desgleichen ihr Jüngeren, seid untertan den Ältesten. Allesamt seid
untereinander untertan und haltet fest an der Demut. Denn Gott widersteht den Hoffärtigen, aber den
Demütigen gibt er Gnade.“ 1.Petrus 5,5. Paulus ermahnt: „Die brüderliche Liebe untereinander sei
herzlich. Einer komme dem andern in Ehrerbietung zuvor.“ Römer 12,10. „Seid untereinander untertan
in der Furcht Gottes.“ Epheser 5,21. „Nichts tut durch Zank oder eitle Ehre; sondern durch Demut achte
einer den andern höher denn sich selbst.“ Philipper 2,3. Wird der Rat der Gemeinde nicht respektiert, ist
sie in der Tat machtlos. Gott hat der Gemeinde eine Stimme verliehen, die ihre Glieder unter Kontrolle
halten muß.
Wenn du von der Wahrheit anstatt vom Irrtum geleitet wirst, wirst du deinen Eltern gehorchen und
der Stimme der Gemeinde heilige Achtung entgegenbringen. Du hast mit dem festen Entschluß im
Herzen gebetet, auszuführen, was du für richtig hältst, ohne Rücksicht auf die Wünsche deiner Eltern
und der Gemeinde. Während deines ganzen Lebens ließest du dich größtenteils von selbstsüchtigen
Gefühlen leiten. Oftmals muß man, um mit den Bedingungen des Wortes Gottes übereinzustimmen und
aus Grundsatz zu handeln, seine Gefühle aufopfern.
Du fragst: „Sollten Eltern Ehegefährten auswählen, ohne die Gedanken und Gefühle ihres Sohnes
oder ihrer Tochter zu berücksichtigen?“ Ich stelle die Frage jetzt so, wie sie lauten sollte: Sollte ein
Sohn oder eine Tochter einen Ehegefährten wählen, ohne sich zuerst mit den Eltern beraten zu haben,
wenn ein solcher Schritt auch wesentlich das Glück der Eltern betrifft? Sollten Eltern sich nicht darum
kümmern dürfen, wenn ihnen
117
das Wohl ihrer Kinder wirklich am Herzen liegt? Und sollte jenes Kind, trotz des Rates und der Bitten
der Eltern, darauf bestehen, seinen eigenen Weg zu gehen? Ich antworte entschieden: Nein; und wenn
es niemals heiratet. Das fünfte Gebot verbietet eine solche Handlungsweise: „Du sollst deinen Vater
und deine Mutter ehren, auf daß du lange lebest in dem Lande, das dir der Herr, dein Gott, gibt.“
2.Mose 20,12. Hier ist ein Gebot mit einer Verheißung, die der Herr den Gehorsamen mit Sicherheit
erfüllen wird.
Kluge Eltern werden für ihre Kinder niemals Gefährten wählen, ohne ihre Wünsche zu
berücksichtigen. Niemand hatte je die Absicht, dies in deinem Fall zu tun. Aber das meiste von dem,
was die Jugendlichen unserer Tage Liebe nennen, ist nur blinde Gefühlsduselei, die in Satan ihren
Ursprung hat, um ihren Untergang herbeizuführen.
Solltest du, mein Bruder, wie du beabsichtigst, jetzt unsere Missionsschule aufsuchen, muß ich
befürchten, daß du dort fehl am Platz bist. Deine geäußerte Absicht, daß du immer in Begleitung eines
Mädchens auftreten wirst, wohin du auch gehst, zeigt mir, daß du weit davon entfernt bist, Nutzen aus
einem Aufenthalt in Battle Creek zu ziehen. Die Verblendung, in der du dich befindest, ist mehr
satanischer als göttlicher Natur. Ich möchte nicht, daß du bezüglich Battle Creek enttäuscht wirst. Dort
herrschen strenge Regeln. Liebschaften sind nicht gestattet. Die Schule würde den Studenten nichts
bringen, wenn sie in Liebesaffären verstrickt würden, wie es bei dir der Fall ist. Unsere Schule würde
bald unter Sittenverderbnis leiden. Eltern senden ihre Kinder nicht auf unsere Schule oder in unsere
Verlagsanstalt, um ein liebeskrankes, sentimentales Leben zu führen, sondern damit sie in den
Wissenschaften unterrichtet werden oder das Druckerhandwerk erlernen. Wären die Regeln so lasch,
daß den Jugendlichen gestattet würde, mit Liebschaften zu beginnen, wie es mit dir seit einigen
Monaten steht, dann wäre das Ziel verfehlt, weshalb sie nach Battle Creek gehen. Wenn du nicht völlig
Abstand von dieser Sache nehmen und mit lernbegierigem Geist und mit der Absicht, dich ernstesten
Bemühens in Demut und Aufrichtigkeit zu befleißigen, dorthin
118
gehen kannst, um enge Verbindung mit Gott bittend, — dann bleibe besser daheim.
Solltest du gehen, dann mußt du bereit sein, der Versuchung zu widerstehen und die Hände von
Professoren und Lehrern zu stärken, indem dein Einfluß völlig zugunsten von Disziplin und Ordnung
spricht. Gott möchte, daß alle, die in seinem Werk arbeiten, einander untertan sind, bereit, Rat und
Unterweisung anzunehmen. Sie müssen sich durch strengste geistige und moralische Disziplin dazu
erziehen, daß sie durch die unterstützende Gnade Gottes an Geist und Gemüt befähigt werden, andere
heranzubilden. Inniges Gebet, Demut und Ernsthaftigkeit müssen sich mit Gottes Hilfe verbinden, denn
menschliche Schwachheit und menschliche Gefühle streiten ständig um die Vorherrschaft. Jeder muß
seine Seele durch Gehorsam zur Wahrheit reinigen. Während er Gottes Verherrlichung im Auge behält,
muß er das eigene Ich erniedrigen und Jesus und seine Gnade erhöhen. Indem er so dem Licht
entgegenstrebt, wird er mit Gott bekanntwerden und seine Hilfe erlangen.
Einige derer, die die Schule besuchen, nützen ihre Zeit nicht richtig. Voll jugendlichen Elans,
verschmähen sie die Einschränkungen, die ihnen auferlegt werden. Besonders empören sie sich gegen
die Regeln, die jungen Männern nicht gestatten, jungen Mädchen ihre Aufmerksamkeit zu schenken.
Die Übel solcher Liebschaften in diesem entarteten Zeitalter sind nur zu bekannt. Würden in einer
Lehranstalt, wo so viele Jugendliche zusammentreffen, die Gebräuche der Welt in dieser Hinsicht
nachgeahmt werden, so würde dies die Gedanken in eine Richtung lenken, die dem Erlangen von
Kenntnis und ihrem Interesse an religiösen Dingen nur hinderlich wäre. Die Verliebtheit sowohl von
seiten junger Männer als auch junger Mädchen während der Schulzeit zeigt einen Mangel an gutem
Urteilsvermögen. Wie es bei dir der Fall ist, wird Vernunft und Urteilskraft von blinder Leidenschaft
beherrscht. Unter dieser bezaubernden Verblendung wird die wichtige Verantwortlichkeit, die jeder
aufrichtige Christ empfindet, beiseite gelegt. Die geistliche Gesinnung stirbt, und das Gericht und die
Ewigkeit verlieren ihre feierliche Bedeutsamkeit.
119
Jede Fähigkeit derer, die von dieser ansteckenden Krankheit — blinde Liebe — befallen werden,
wird diesem Gefühl unterworfen. Sie scheinen von Sinnen zu sein, und ihr Verhalten ist allen
widerwärtig, die es mit ansehen müssen. Mein Bruder, du hast dich zum Gesprächsstoff gemacht und
bist sehr in der Wertschätzung derer gesunken, deren Wohlwollen du würdigen solltest. Bei vielen wird
die Krise der Krankheit durch eine unreife Heirat erreicht. Wenn dann der Reiz des Neuen vorbei und
die bezaubernde Macht der Verliebtheit erloschen ist, wacht einer von ihnen oder beide auf und erkennt
die Situation, in der sie sich befinden. Sie erkennen dann, daß sie nicht zueinander passen, aber für ein
Leben lang aneinander gebunden sind. Durch ein feierliches Gelöbnis aneinander gekettet, schauen sie
mit sinkendem Mut auf das unglückliche Leben, das nun ihr Los ist. Sie sollten dann versuchen, das
Beste aus ihrer Situation zu machen; viele aber wollen es nicht. Sie werden sich entweder ihrem
Ehegelübde gegenüber als untreu erweisen oder das Joch, das sie so bereitwillig auf ihren Hals legten,
so bitter machen, daß nicht wenige feige ihr Dasein beenden.
Eine Verbindung mit eitlen, oberflächlichen und ungläubigen Gefährten wird zu moralischer
Entartung und zum Untergang führen. Dreiste, kecke junge Männer oder Mädchen mögen etwas
Anziehendes an sich haben. Sie mögen glänzende Geisteskräfte und Geschicklichkeit besitzen, das
Schlechte gut erscheinen zu lassen. Solche Personen werden eine gewisse Klasse bezaubern und
irreführen, und Seelen werden dadurch verlorengehen. Der Einfluß von eines jeden Menschen
Gedanken und Taten umgibt ihn wie eine unsichtbare Atmosphäre, die unwissentlich von allen
eingeatmet wird, die mit ihm in Kontakt kommen. Diese Atmosphäre ist häufig mit giftigen Einflüssen
angefüllt, und wenn sie inhaliert wird, ist moralische Entartung die sichere Folge.
Mein junger Bruder, könnte ich dich doch von deinem wahren Zustand überzeugen! Du mußt
bereuen, sonst kannst du nie zum Himmelreich eingehen. Viele junge Männer und Frauen, die
Gottseligkeit bekennen, wissen nicht, was es bedeutet, Christo nachzufolgen. Sie folgen nicht seinem
Beispiel im Gutestun.
120
Sie haben in ihren Herzen keine Liebe und Dankbarkeit Gott gegenüber noch bringen sie diese in
Worten und Verhalten zum Ausdruck. Sie besitzen nicht den Geist der Selbstverleugnung noch
ermutigen sie einander auf dem Weg der Heiligkeit. Wir möchten nicht, daß junge Leute in Gottes
feierliches Werk eintreten, die zwar Christum bekennen, aber keine moralische Kraft besitzen, sich auf
die Seite derer zu stellen, die mäßig und nüchtern zum Gebet sind und deren Unterhaltung sich um den
Himmel dreht, von wo sie ihren Heiland erwarten. Wir sind nicht sehr darauf bedacht, junge Leute nach
Battle Creek zu schicken, die sich Sabbathalter nennen, aber durch die Wahl ihrer Gefährten ihren
niedrigen moralischen Stand offenbaren.
Die Tür unserer Schule wird immer für solche offenstehen, die sich nicht zur Religion bekennen, und
unsere jungen Leute, die nach Battle Creek kommen, mögen sich dieser ungläubigen Gesellschaft
erfreuen, falls sie es wünschen. Wenn sie von richtigen Beweggründen geleitet werden, warum sie
diese Gesellschaft wählen, und wenn sie genügend geistliche Kraft besitzen, ihrem Einfluß zu
widerstehen, können sie eine Macht zum Guten sein. Während sie Schüler sind, können sie gleichzeitig
Lehrer sein. Der wahre Christ wählt nicht die Gesellschaft der Unbekehrten, weil er die Atmosphäre
liebt, die diese Ungläubigen umgibt, oder um Bewunderung zu erregen und Applaus zu ernten. Er sucht
Verbindung mit ihnen, um Licht und Erkenntnis zu vermitteln und sie auf eine edlere und erhabenere
Ebene zu führen — auf das breite Fundament der ewigen Wahrheit.
Jemand, der reine Beweggründe hegt, der entschlossen ist, sich Kenntnisse zu erwerben, um
rechten Gebrauch von seinen Fähigkeiten machen zu können, wird in der Schule eine Macht zum
Guten sein. Er wird einen umformenden Einfluß ausüben. Wenn Eltern die Klagen ihrer Kinder gegen
die Autorität und Disziplin der Schule annehmen, erkennen sie nicht, daß sie damit die
demoralisierende Macht stärken, die jetzt vorherrschend ist. Jeder Einfluß, der unsere jungen Leute
umgibt, muß auf seiten des Rechtes sein, denn die jugendliche Verdorbenheit nimmt zu.
121
Bei der weltlichen Jugend wird die Sucht nach Geselligkeit und Vergnügen zur alles beherrschenden
Leidenschaft. Sich zu kleiden, Besuche zu machen, der Eßlust und niederen Leidenschaften zu
huldigen und durch die Runde gesellschaftlicher Zerstreuungen zu wirbeln, scheint das große Ziel des
Daseins zu sein. Sie sind unglücklich, wenn sie allein sind. Ihr größter Wunsch ist es, bewundert und
umschmeichelt zu werden und in der Gesellschaft etwas zu gelten. Wird dieses Verlangen nicht
befriedigt, scheint ihnen das Leben unerträglich.
Diejenigen, die Gottes ganze Rüstung anlegen und jeden Tag etwas Zeit dem Nachdenken, dem
Gebet und dem Studium der Schrift widmen, werden mit dem Himmel verbunden sein und einen
rettenden, umgestaltenden Einfluß auf ihre Umgebung ausüben. Sie werden sich erhebender
Gedanken, edler Bestrebungen und klaren Verständnisses der Wahrheit und ihrer Pflicht vor Gott,
erfreuen. Sie werden ein inniges Verlangen nach Reinheit, nach Licht, nach Liebe und allen
Gnadengaben der himmlischen Geburt verspüren. Ihre ernsten Gebete werden bis hinter den Vorhang
dringen. Diese Klasse wird eine heilige Kühnheit besitzen, in die Gegenwart des Unendlichen zu treten.
Sie werden sicher sein, daß das Licht und die Herrlichkeiten des Himmels ihnen gehören. Durch diese
innige Bekanntschaft mit Gott werden sie geläutert, erhöht und veredelt. Das alles gehört zu den
Vorrechten wahrer Christen.
Abstraktes Meditieren ist nicht genug. Eifrige Geschäftigkeit ist nicht genug. Beides ist wichtig zur
Bildung eines christlichen Charakters. Aber nur die Kraft, die wir durch ernsthaftes, stilles Gebet erlangt
haben, wird uns vorbereiten, den Verlockungen der Gesellschaft zu widerstehen. Und doch sollten wir
uns nicht gänzlich von der Welt abschließen, denn unsere christliche Erfahrung soll das Licht der Welt
sein. Der Umgang mit Ungläubigen wird uns nicht schaden, wenn wir uns mit dem Vorsatz unter sie
mischen, sie mit Gott zu verbinden. Selbstverständlich müssen wir stark genug sein, ihrem Einfluß zu
widerstehen.
Christus kam in diese Welt, um sie zu retten, um den gefallenen Menschen mit dem unendlichen
Gott zu verbinden.
122
Christi Nachfolger sollen Kanäle des Lichtes sein. Während sie eine Verbindung mit Gott unterhalten,
sollen sie denen, die sich in Finsternis befinden, die auserwählten Segnungen vermitteln, die sie vom
Himmel empfangen. Henoch wurde nicht mit den Sünden befleckt, die in seinen Tagen existierten.
Warum sollte es heute mit uns geschehen? Aber wir sollten wie unser Meister Erbarmen mit der
leidenden Menschheit, Mitleid mit den Unglücklichen und eine freundliche Gesinnung gegenüber den
Gefühlen und Bedürfnissen der Armen, Betrübten und Verzweifelten haben.
Der wahre Christ wird danach trachten, anderen Gutes zu tun. Gleichzeitig wird er so sprechen und
sich verhalten, daß ihm ein stiller, geheiligter Seelenfriede erhalten bleibt. Gottes Wort fordert von uns,
unserem Heiland gleich zu sein, sein Ebenbild widerzustrahlen, seinem Beispiel zu folgen — sein
Leben zu führen. Selbstsucht und Weltliebe sind nicht die Früchte eines christlichen Baumes. Niemand
kann für sich selbst leben und Gottes Wohlgefallen haben. 5. Sept. 1879.
Kapitel 10: Warnungen und Ermahnungen
In der Gemeinde in ... ist ein Element vorherrschend, das den geistlichen Interessen im Wege steht.
Es besteht ein großer Mangel an lebendiger Gottseligkeit, an erfahrungsmäßiger Religion. Ich nenne
keine Namen. Möge jeder sein eigenes Herz prüfen und seine Unvollkommenheiten erforschen. Da sind
einige, die sich der Welt zuneigen. Durch ihre weltlichen Gespräche würdigen sie den Maßstab der
Religion herab. Ihre Herzen ermangeln der Liebe zu Gott. Wenn die Gemeinde wirklicher Hilfe bedarf,
sind sie nicht zu finden. Diese geistliche Schwäche ist eine Folge ihrer Unwilligkeit, Lasten
aufzunehmen, wann und wo sie am besten helfen könnten. Wenn es um die Ausführung eigener Pläne
und Einfälle geht, dann nehmen sie gern jede Verantwortung auf sich. Ihre Absicht ist, den eigenen
Willen durchzudrücken. Wäre es ein geheiligter Wille, könnte man nichts dagegen einwenden; aber es
ist nicht so.
123
Es besteht ein großes Bedürfnis an eifrigen, uneigennützigen Arbeitern im Werke Gottes. Ein Christ,
der Christum liebt und sich ihm geweiht hat, wird mehr Gutes in einer Gemeinde bewirken als hundert
halbbekehrte, ungeheiligte und selbstgenügsame Arbeiter. Eine Gemeinde wird niemals lebendig und
aktiv sein, es sei denn, ihre Glieder nehmen bereitwillig Lasten und Verantwortlichkeiten auf sich. In der
Gemeinde treffen die verschiedenen Temperamente und Charaktere aufeinander. In der Gemeinde in
... gibt es ein paar ergebene, gottesfürchtige, treue Seelen, die viel beten und die Lasten der Gemeinde
tragen, deren Glück im Wohlergehen ihrer Glieder besteht. Hier, wie überall, ist Satan ständig bemüht,
niederzureißen und herabzuwürdigen. Es ist die Beschäftigung des Widersachers der Seelen, jede
gedeihende Organisation, durch die Gott verherrlicht werden würde, zu schwächen und zu zerstören.
Junge Männer haben die Wahrheit angenommen und stehen eine Zeitlang ihren Mann; aber Satan
hat seine Netze ausgelegt, um sie durch unkluge Verbindungen und unkluge Heiraten zu fangen. Er
erkannte, daß dies das sicherste Mittel sein würde, sie vom Pfad der Heiligkeit wegzuführen. Eine
Zeitlang trugen einige dieser jungen Leute die Waffenrüstung des Evangeliums mit Würde und Anstand.
Solange Herz und Sinn dem göttlichen Willen untertan waren, stand es wohl um sie. Als sie aber ihre
Blicke von Jesu abwandten und sie auf unwürdige Gegenstände lenkten, gewann das eigene Ich die
Oberhand. Fleischliche Vernunft überwand weises Urteil und Redlichkeit, und es erhob sich der
Gedanke, daß die Waffenrüstung des Christen doch zu schwer sei, um von so jungen Menschen schon
getragen zu werden. Sie schicke sich für alte, erfahrene Soldaten des Evangeliums, aber für die Jugend
sei sie zu schwer. Der Versucher kam mit vielerlei Einflüsterungen, um durch Unbeständigkeit und
Wankelmut den christlichen Lebenslauf zu hindern.
Der ausdrückliche Befehl des Herzogs ihrer Seligkeit lautete: „Wachet und betet, daß ihr nicht in
Versuchung fallet!“ Markus 14,38. Doch es war zu unbequem, die Seele getreulich zu bewachen; und
die betrügerische Macht Satans und
124
das trügerische Herz lockten von Christo weg. Wenn diese jungen Männer und jungen Frauen die
Worte des Apostels: „Ihr seid nicht euer selbst; ihr seid teuer erkauft“ beachtet hätten, würden sie sich
nicht frei gefühlt haben, Gott das vorzuenthalten, was er unter unendlichen Kosten erworben hat.
Es gibt nicht einen Jugendlichen unter hundert, der seine ihm von Gott auferlegte Verantwortung
fühlt. Jede körperliche und geistige Fähigkeit sollte sorgfältig bewahrt und zur Verherrlichung Gottes
benutzt werden. Die Jugendlichen, die erlauben, daß ihre Kräfte vergeudet werden, und damit Gottes
Gaben mißbrauchen, werden zu genauer Verantwortung gezogen werden für das Gute, das sie hätten
tun können, wenn sie sich der Vorsorge bedient hätten, die durch Jesum Christum getroffen wurde. Gott
fordert die Benutzung jeder Fähigkeit.
Es sind Jugendliche in der Gemeinde in ..., die die Gnadengabe christlicher Standhaftigkeit pflegen
und zu Männern des Glaubens heranwachsen sollten. Sie sollten fest, unbeweglich und in der Wahrheit
gewurzelt und gegründet werden. Die Gemeinde benötigt genau die Hilfe, die sie nach Gottes Absicht
geben sollten. Die seinen Namen bekennen, haben ihre Kräfte nicht völlig und gänzlich ihm geweiht,
sondern in gewissem Maße dem Dienste Satans. Solche haben Gott beraubt und tun es noch. Gleich
dem untreuen Haushalter, dem ein Zentner anvertraut war, haben sie Gottes Gaben in der Welt
vergraben.
Ein weiterer Nachteil für die Gemeinde in ... ist das Menschenmaterial, das hineingekommen ist.
Dieses Material muß durch den Geist Gottes geschmolzen werden. Die Schlacken machen sich durch
rohe, ungeschliffene Wesenszüge bemerkbar, die hätten entfernt werden können, wenn diese Personen
willig gewesen wären, von Christo zu lernen. Aber sie haben sich nicht gänzlich vom Geist und den
Einflüssen der Welt getrennt. Sie berauben Gott täglich, indem sie seine Zeit, seine Gaben und seine
Kraft mit dem weltlichen Element mischen. Diese Kräfte können Gott nicht vorenthalten werden, ohne
im ewigen Verderben zu enden. Ihr seid mit einem Preis erkauft, selbst wenn ihr verlorengeht, weil ihr
euch nicht auf dem von Gott erwählten Weg retten laßt.
125
Heilige Engel wachen mit größtem Interesse, um zu sehen, ob die einzelnen Gemeindeglieder ihren
Erlöser ehren. Sie achten darauf, ob sie sich mit dem Himmel verbinden und nicht länger den Herrn
betrügen, den zu lieben, zu ehren und dem zu dienen sie vorgeben. Gott fordert das Seine. Ihr gehört
ihm durch die Erschaffung und in doppelter Weise durch die Erlösung. Aber wenn ihr zulaßt, daß das
Feuer unheiliger Leidenschaft die Augen aufleuchten läßt, wenn ihr Worte redet, welche die heiligen
Engel vertreiben, wenn ihr Arges von euren Brüdern denkt, wenn ihr eure Hände mit unrechtem Gewinn
besudelt — dann benutzt ihr eure Glieder zu Werkzeugen der Ungerechtigkeit.
Bruder ..., ich sah, daß im Himmelsbuch gegenüber deinem Namen geschrieben steht: „Zu leicht
erfunden“ — zu leicht in Geduld, Nachsicht, Selbstbeherrschung, in Demut und Sanftmut. Der Mangel
an diesen himmlischen Eigenschaften wird mit Sicherheit die Pforten des Himmels vor dir verschließen.
Gott fordert deinen Leib, deine Seele, dein ganzes Wesen mit allen Fähigkeiten als sein Eigentum. Das
hastige, unbeherrschte Temperament muß überwunden werden. Geistliche Krankheit ist die sichere
Folge davon, diesem verdrießlichen, anklagenden, mürrischen Geist nachzugeben. Und diese
Krankheit hast du dir selbst zuzuschreiben. Höre damit auf, so verdrießlich zu sein. Höre auf, hartnäckig
zu sein und das eigene Ich zu verwöhnen. Sei ein edelgesinnter, tapferer Mann für Gott. Jesus liebt
dich. Hat er nicht reichlich Vorsorge getroffen, daß du zu jeder Zeit, wenn du in Schwierigkeiten bist,
Hilfe haben kannst? „Was sollte man,“ sagt er, „doch mehr tun an meinem Weinberge, das ich nicht
getan habe an ihm? Warum hat er denn Herlinge gebracht, da ich wartete, daß er Trauben brächte?“
Jesaja 5,4. Die Frucht, die Christus beansprucht, nachdem er sich so geduldig um seine Gemeinde
bemüht hat, ist Glaube, Geduld, Liebe, Nachsicht, himmlische Gesinnung und Sanftmut. Dies sind die
Trauben, die inmitten von Sturm, Wolken und Finsternis und natürlich im Sonnenschein heranreifen.
Bruder ..., ist mit der Gemeinde verbunden, aber nicht mit dem Herrn. Seine Religion ist kränklich. Er
steht nicht recht vor
126
Gott; er ist mit Selbstliebe erfüllt. Indem er sich mit Personen verbunden hat, die nicht Christi Geist
besitzen, hat er viel verloren. Ihm mangelt es an beinahe jeder Tugend. Er selbst hat keinen Nutzen von
seinem Leben, und für die Gemeinde ist er nur ein Stein des Anstoßes. Lieber Bruder, Satan hat dich
meistens in seiner Gewalt. Deine Gedanken sind ungeheiligt. Deine Handlungen sind nicht in
Übereinstimmung mit dem Geist eines wahren Christen. Du bist schuld an deiner Krankheit. Mit der
Hilfe des göttlichen Arztes mußt du selbst für deine Gesundung sorgen. Deine moralische Kraft ist
schwach, weil es ihr an Nahrung fehlt. Du bist geistlich am Verhungern aus Mangel an biblischer
Wahrheit — dem Brot des Lebens. Du benötigst täglich Nahrung vom lebendigen Weinstock. Die
Gemeinde wird durch dich nicht gestärkt, und in deinem gegenwärtigen Zustand käme sie besser ohne
dich zurecht. Wenn irgend etwas deinen Weg kreuzt, und du deinen Willen nicht durchsetzen kannst,
verhältst du dich widerspenstig. Du bist für die Gemeinde nur eine Bürde. Du trägst im Werk keinerlei
Last. Gott hat lange Geduld mit dir gehabt, aber sie hat eine Grenze, die du, wenn du es wagst,
überschreiten kannst. Dann wird Gottes Geist nicht länger mit dir ringen, sondern dich deiner eigenen
Verdorbenheit überlassen, befleckt mit Selbstsucht und erniedrigt durch Sünde.
Bruder ... besitzt nicht den rechten Geist. Seine Neigung, andere leiten zu wollen, ist ihm zum
Schaden, denn er ist nicht zu solchem Werk geschickt. Er kann Gutes in der Gemeinde bewirken,
solange er sich nicht in den Vordergrund drängt. Seine Bemühungen können sich als Segen für die
Gemeinde erweisen, wenn er sich mehr der Sanftmut und Demut befleißigt. Andernfalls wird er eine
Last für sie sein.
Bruder und Schwester ..., auch eurem Namen gegenüber las ich im himmlischen Berichtsbuch die
Worte „zu leicht erfunden“. Ihr müßt euer eigenes Ich aufgeben und euren Seelentempel reinigen. Ihr
beide seid befähigt, ein gutes Werk zu tun, aber es ist ungeheiligt. Ihr ermangelt sehr der Einfachheit
wahrer Gottseligkeit. Würde die Gemeinde eurem religiösen Standard angepaßt, so landete sie auf
einer weltlichen, ungeheiligten Ebene. Ihr hättet für die Gemeinde von großem Segen sein können,
127
aber ihr habt sehr versagt. Jesus gebietet euch, den weltlichen Geist aufzugeben. Schwester ..., ich
sorge mich um dich und um alle, die mit deinem Einfluß in Kontakt kommen. Du nimmst einen niedrigen
Stand ein. „Was der Mensch sät, das wird er ernten.“ Galater 6,7. Durch deine Worte und Taten streust
du jetzt Samen aus. Du säst entweder aufs Fleisch oder auf den Geist. Am Tage der letzten
Abrechnung muß jeder die Sichel zur Hand nehmen und die Ernte mähen, die seine Hand gesät hat.
Dein Mann verkennt seine Aufgabe. Wenn er sein Herz demütigt wie ein kleines Kind, wenn er seine
eigene Wichtigkeit weniger empfindet und sein Bedürfnis der Hilfe Gottes um so mehr, dann mag er
einen Zustand erreichen, wo er zu Gottes Verherrlichung gebraucht werden kann. Aber so, wie er jetzt
ist, kann er die Bedürfnisse des Werkes nicht erkennen. Im Leben und Wesen so vieler ist so viel vom
eigenen Ich und so wenig von Jesu zu finden, daß Gott nichts von ihren Händen annehmen wird. Nur
wenige erkennen die Feierlichkeit der Zeit, in der wir leben — den Tag von Gottes Vorbereitung. Würdet
ihr beide euch bekehren und eure Fähigkeit einsetzen, um zu studieren, wie ihr die Gemeinde aufbauen
könnt, anstatt sie zu schwächen und dem Feind in seinem Werk zu helfen, ihre Glieder der Welt
zuzuführen — dann könntet ihr jeden Tag eine wertvolle Erfahrung machen. Bruder ... ist der Gemeinde
ein großes Hindernis gewesen. Er sollte kein Gemeindeglied sein, es sei denn, daß sein tägliches
Leben mit seinem Bekenntnis übereinstimmt. Gott hat ihn nicht als sein Kind anerkannt. Er steht heute
unter dem schwarzen Banner der Mächte der Finsternis. Er wird vollkommen von Satan beherrscht.
Solch starke, entmutigende Einflüsse haben sich beinahe als zu unüberwindbar für die Gemeinde
erwiesen. Zehn Glieder, die in Demut des Herzens wandeln, würden eine weit größere Macht in der
Welt darstellen als die ganze Gemeinde in ihrer heutigen Zahl und ihrem Mangel an Einigkeit. Je mehr
es in der Gemeinde von dem entzweienden, unharmonischen Element gibt, desto weniger Macht zum
Guten wird sie in der Welt haben.
128
Könnte ich doch euren umwölkten Sinnen die große Gefahr klarmachen, in der ihr euch befindet,
meine Geschwister. Jede Handlung, gut oder böse, bereitet den Weg für ihre Wiederholung. Wie war es
mit Pharao? In der Heiligen Schrift heißt es, daß Gott sein Herz verhärtete, und bei jeder Wiederholung
von Licht in der Offenbarung göttlicher Macht heißt es ebenso. Jedesmal, wenn er sich weigerte, sich
dem Willen Gottes zu unterwerfen, wurde sein Herz mehr verhärtet und weniger empfänglich für die
Eindrücke des Heiligen Geistes. Er säte den Samen der Halsstarrigkeit, und Gott überließ ihn dem
Wachstum. Er hätte dies durch ein Wunder verhindern können; aber das war nicht sein Plan. Er
gestattete, daß der Samen wuchs und eine Ernte nach seiner Art hervorbrachte, damit die Wahrheit der
Schriftworte bezeugend: „Was der Mensch sät, das wird er ernten.“ Galater 6,7. Wenn ein Mensch
Zweifel sät, wird er Zweifel ernten. Indem Pharao das erste Licht und jeden folgenden Lichtstrahl
verwarf, wandte er sich von einer Stufe der Herzenshärtigkeit zur andern, bis die kalte, tote Gestalt des
Erstgeborenen nur für einen kurzen Augenblick seinen Unglauben und seine Widerspenstigkeit
erschütterte, und dann, fest entschlossen, sich Gott nicht zu unterwerfen, fuhr er in seinem
eigenwilligen Weg fort, bis ihn die Wasser des Roten Meeres überwältigten.
Diese Geschichte ist zu unserm Nutzen berichtet. Genau das, was sich im Herzen Pharaos
abspielte, wird in jeder Seele stattfinden, die versäumt, dem Licht zu folgen und unverzüglich in seinen
Strahlen zu wandeln. Gott vernichtet niemand. Der Sünder vernichtet sich selbst durch seine eigene
Unbußfertigkeit. Wenn jemand einmal versäumt, die Einladungen, Ermahnungen und Warnungen des
Geistes Gottes zu beachten, wird sein Gewissen verletzt, und wenn er das nächste Mal ermahnt wird,
ist es ihm schwieriger zu gehorchen als zuvor. So geschieht es bei jeder Wiederholung. Das Gewissen
ist Gottes Stimme, die inmitten des Kampfes menschlicher Leidenschaften vernommen wird. Wird ihr
widerstanden, ist Gottes Geist betrübt.
129
Wir müssen alle gut verstehen, wie die Seele vernichtet wird. Gott gibt nicht den Befehl, daß der
Mensch nicht gerettet werden soll. Er hüllt die Augen nicht in Finsternis, die undurchdringlich wäre. Aber
der Mensch widersteht zuerst den Eingebungen des Geistes Gottes, und nachdem er ihm einmal
widerstanden hat, ist es weniger schwierig, dies ein zweites und drittes Mal zu tun, und noch leichter ist
es beim vierten Mal. Dann kommt die Ernte, die vom Samen des Unglaubens und des Widerstandes
eingeheimst werden muß. Ach, welche Ernte sündigen Nachgebens reift für die Sichel heran!
Wenn das stille Gebet und das Lesen der Schrift heute vernachlässigt wird, kann es morgen mit viel
weniger Gewissensbissen ausgelassen werden. Da gibt es eine lange Liste von Unterlassungssünden,
von denen jede ein Samenkorn ist, das in den Ackerboden des Herzens ausgestreut wird. Andererseits
wird jeder angenommene Lichtstrahl eine Ernte des Lichts hervorbringen. Der Versuchung einmal
widerstanden, gibt Kraft, ihr beim zweitenmal fester zu widerstehen. Jeder erneute Sieg, der über das
eigene Ich erlangt wird, ebnet den Weg für erhabenere und edlere Siege. Jeder Sieg ist ein Same, der
fürs ewige Leben gesät wird.
Es besteht in unseren Gemeinden im ganzen Land ein großes Bedürfnis an eifrigen, treuen,
selbstverleugnenden Arbeitern. Niemand wird eine Arbeit in der Sabbatschule oder im Mäßigkeitswerk
verrichten, ohne reichlich zu ernten, nicht erst am Ende der Welt, sondern schon im gegenwärtigen
Leben. Gerade durch das Bemühen, andere zu erleuchten und zu segnen, wird der eigene Blick klarer
und tiefgründiger werden. Je mehr wir uns mit Liebe zu Seelen einsetzen, andern die Wahrheit zu
erklären, desto deutlicher wird sie uns werden. Sie wird sich dem Auslegenden mit immer neuer
Schönheit und Kraft erschließen.
Es gibt einige gute Arbeiter in eurer Gemeinde. Diese selbstverleugnenden Seelen werden niemals
wissen, wieviel Gutes sie durch ihr ausdauerndes Bemühen im Missionsfeld bewirkt haben. Aber der
Herr hat Ansprüche an mehr Männern und Frauen in der Gemeinde, als sich ihm bereits zur Verfügung
130
gestellt haben. Einige Steine, die Gottes heiligen Tempel bilden, reflektieren das Licht, das sie von
Jesum Christum empfangen, während andere kein Licht widerstrahlen. Damit geben sie klar zu
erkennen, daß sie keine lebendigen Steine, nicht auserwählt und köstlich sind. Sie sind nicht geheiligt,
sondern ohne Gebet, schwatzhaft und ungläubig. Wahre Christen werden dem Vorbild folgen, das
unser Heiland ihnen gegeben hat und werden sanftmütig, demütig, nachsichtig, freundlich, leicht zu
ermahnen und frei von Prunksucht und Halsstarrigkeit sein.
Die Gefahren für die Jugend
Herr ... besitzt eine Natur, der sich Satan mit wunderbarem Erfolg bedienen kann. Sein Fall sollte
der Jugend als Anschauungsunterricht betreffs Heiraten dienen. Seine Frau folgte ihren Gefühlen und
Neigungen anstatt Vernunft und Urteil, als sie sich einen Gefährten wählte. War ihre Heirat von echter
Liebe geleitet? Nein, wirklich nicht. Sie war ein Resultat von Impuls — von blinder, unheiliger
Leidenschaft. Keiner von beiden war den Verantwortlichkeiten des Ehelebens gewachsen. Als die
Neuheit verblaßte und jeder besser mit dem andern bekannt wurde — wurde da ihre Liebe stärker, ihre
Zuneigung tiefer, und verbanden sich da beider Leben in schöner Harmonie? Das genaue Gegenteil
geschah. Die schlimmsten Charakterzüge begannen sich durch Übung zu vertiefen. Statt daß ihr
Eheleben sie glücklich machte, nahmen die Schwierigkeiten zu, besonders für die Frau. Gott in seiner
Barmherzigkeit hat sie geprüft, ihr Leben erhalten und ihre Prüfungszeit verlängert, damit sie die
Tauglichkeit fürs zukünftige Leben erwerben kann.
Ihr Ehemann besitzt ein sehr fehlerhaftes Wesen. Ohne völlige Umwandlung mit Hilfe der Gnade
Gottes würde er als Ehemann auch für jede andere Frau untauglich gewesen sein. Er ist so völlig von
Selbstliebe durchdrungen und Gewohnheiten der Selbstbefriedigung und Trägheit ergeben, daß er
selbst der Zucht bedarf, ehe er imstande wäre, Frau und Kinder zu erziehen. Dieses Mannes Charakter
hat eine minderwertige Prägung erhalten. Er hat grobe und widerwärtige Wesenszüge entwickelt,
131
bis es in seinem Charakter kaum noch etwas gab, was zu reformieren wäre, wie mir gezeigt wurde. Es
besteht nur eine Hoffnung für ihn, daß er sich selbst erkennt und sich so verachtet und verabscheut,
daß er nach einem neuen Herzen trachtet, wiedergeboren und eine neue Kreatur in Christo Jesu wird.
Er sollte Vernunft annehmen. Fleiß würde ein Segen für ihn sein. Seine Handlungsweise ist für Gott
abstoßend; er lädt die Versuchung geradezu ein. Seine Grobheit, seine Drohungen, sein
unbezähmbarer, unhöflicher Geist werden ihn zu einem Fluch für ihn selbst und für andere machen.
Sein Verhalten gegenüber der Mutter seiner Frau war grob und unmännlich. Beide, Mann und Frau,
sollten fortan bemüht sein, alles zu vermeiden, das zu Streit führt, um das Ehegelübde ungebrochen zu
erhalten.
Gerade solche ungeheiligten Ehen füllen die Reihen der Sabbathalter. Gott wünscht seine Kinder
glücklich zu sehen. Wenn sie von ihm lernten, würde er sie vor dem täglichen Elend bewahren, das sich
aus diesen unheilvollen Verbindungen ergibt. Viele Ehen können nur Elend hervorbringen. Und doch
beschäftigt die Jugend sich so sehr mit diesem Gegenstand, weil Satan sie dorthin führt und sie
glauben macht, sie müßten verheiratet sein, um glücklich zu werden, wenn sie noch gar nicht fähig sind,
sich selbst zu beherrschen oder eine Familie zu unterhalten. Wer nicht bereit ist, sich dem andern
anzupassen, um unschöne Meinungsverschiedenheiten und Streit zu vermeiden, sollte diesen Schritt
nicht tun. Aber dieses ist eine der verführerischen Schlingen der letzten Tage, durch welche Tausende
für dieses und das zukünftige Leben ruiniert werden. Vor Einbildung und liebeskranker Sentimentalität
sollte man sich hüten wie vor der schrecklichen Lepra. Sehr viele junge Männer und Frauen dieses
Zeitalters ermangeln der Tugend. Darum ist äußerste Vorsicht angebracht. Ein tugendhafter Charakter
ist das Fundament, um darauf zu bauen. Ist kein Fundament vorhanden, ist das Gebäude wertlos.
Diejenigen, die sich einen tugendhaften Charakter bewahrt haben, mögen wirklichen moralischen Wert
besitzen, selbst wenn sie anderer wünschenswerter Fähigkeiten ermangeln.
132
Damit eine Gemeinde gedeihen kann, müssen ihre Glieder sich ernsthaft bemühen, die kostbare
Pflanze der Liebe zu pflegen. Laßt ihr jeden Vorteil zuteil werden, damit sie im Herzen blühen kann.
Jeder wahre Christ wird in seinem Leben die Kennzeichen dieser göttlichen Liebe entwickeln. Er wird
einen Geist der Geduld, der Wohltätigkeit und der Freiheit von Neid und Eifersucht hegen. Dieser
Charakter, der sich in Wort und Tat bekundet, wird nicht abstoßen, nicht unnahbar sein noch kalt und
gefühllos gegenüber den Interessen anderer. Wer die kostbare Pflanze der Liebe hegt, wird
Selbstverleugnung üben und selbst unter Herausforderung nicht die Beherrschung verlieren. Er wird
andern keine schlechten Beweggründe und üblen Absichten unterstellen, sondern wird tief betrübt sein,
wenn er in irgendeinem der Jünger Christi Sünde entdeckt.
Die Liebe rühmt nicht sich selbst. Sie ist ein Element der Demut. Sie veranlaßt den Menschen nicht,
zu prahlen und sich selbst zu erhöhen. Liebe zu Gott und zum Nächsten wird sich nicht in unüberlegtem
Handeln offenbaren noch uns dazu verleiten, herrschsüchtig, kritisch oder diktatorisch zu sein. Die
Liebe bläht sich nicht auf. Das Herz, worin die Liebe regiert, wird sich freundlich, höflich und mitfühlend
gegen andere verhalten, ob sie unserem Geschmack entsprechen oder nicht, ob sie uns Achtung
erweisen oder uns schlecht behandeln. Liebe ist ein tätiger Grundsatz; sie stellt uns fortwährend das
Gute in anderen vor Augen. Dadurch bewahrt sie uns vor unbesonnenem Handeln, so daß wir unser
Ziel, Seelen für Christum zu gewinnen, nicht verfehlen. Die Liebe sucht nicht das Ihre. Sie wird den
Menschen nicht veranlassen, die eigene Bequemlichkeit zu suchen und der Ichsucht zu frönen. Es ist
die Hochachtung vor dem Ich, die uns so oft daran hindert, in der Liebe zu wachsen.
Es gibt arme und verborgene Menschen, deren Leben Gott annehmen und voller Brauchbarkeit auf
Erden und herrlich für den Himmel machen würde, wenn Satan nicht mit Ausdauer bemüht wäre, Gottes
Absichten zu vereiteln. Dies gelingt ihm, wenn diese Menschen sich mit solchen verheiraten, deren
Charakter dahin tendiert, sich direkt dem Weg des Lebens entgegenzustellen. Nur sehr wenige können
dieser Verwicklung siegreich
133
entfliehen. Bruder ..., du bist zu dem Experiment bereit und versuchst zu beweisen, daß du eine
Ausnahme zu dieser allgemeinen Regel bist. Joseph war einer der wenigen, die der Versuchung
widerstehen konnten. Er zeigte, daß er Gottes Ehre im Auge hatte. Er bezeugte Hochachtung für Gottes
Willen, sowohl im Gefängnis als auch am Königshof als des Königs erster Minister. Er führte seine
Religion mit sich, wohin er auch ging und in welcher Stellung er sich befand. Wahre Religion ist eine
alles durchdringende Macht. Sie verleiht allem, was der Mensch tut, Charakter. Du brauchst diese Welt
nicht zu verlassen, um ein Christ zu sein. Du kannst deine Religion mit all ihren heiligenden Einflüssen
mit allem verbinden, was du tust und sagst. Du kannst die Pflichten dort treu erfüllen, wo Gott dich
hingestellt hat, indem du dein Herz fest auf himmlische Dinge gerichtet hältst. So kannst du den Zauber
brechen, der dich jetzt durch deine unkluge Verbindung gefangen hält. Wärst du dem Licht gefolgt,
wärst du jetzt imstande, den Schlingen zu entrinnen, die diejenigen, die Gottes Willen nicht beachten,
ausgelegt haben, um deine Seele zu fangen.
Ein anderer hervorragender Charakterzug Josephs, der wert ist, von allen Jugendlichen nachgeahmt
zu werden, ist seine tiefe Ehrfurcht vor seinem Vater. Als er seinem Vater begegnet, strömen die
Tränen aus seinen Augen, und er hängt an seinem Hals und umarmt ihn zärtlich und liebevoll. Er
scheint zu fühlen, daß er nicht genug tun kann, es dem Vater behaglich zu machen für alles, was er in
den Kindheitsjahren für ihn tat, als er ihn mit wahrlich mütterlicher Liebe umgab. Er scheut keine Mühe,
um ihm bei allen Gelegenheiten seine Achtung und Liebe zu erweisen. Joseph ist ein Beispiel dafür,
was ein Jugendlicher sein sollte. Liebe zu deiner Mutter wäre ein schöner Charakterzug, der Gott
Freude bereiten würde.
Der Mangel an Achtung vor dem Rat gläubiger Eltern ist eine der hervorstechenden Sünden dieses
entarteten Zeitalters. In unserem Land gibt es viele, deren Leben dunkel und elend ist, weil sie einen
Schritt im Finstern taten. Durch eine Handlung des Ungehorsams hat mancher Jugendliche sein ganzes
Leben verdorben und das Herz einer liebevollen Mutter mit Gram
134
niedergebeugt. Gott wird dich nicht für schuldlos halten, wenn du weiter diesen Weg verfolgst. Durch
Verachtung des Rats einer gottesfürchtigen Mutter, die willig ihr Leben für ihre Kinder opfern würde,
übertrittst du das fünfte Gebot. Du weißt nicht, wohin deine Schritte dich führen.
Wieder spreche ich von den Ansprüchen einer Mutter, der Liebe einer Mutter. Es kann keine
größere Undankbarkeit geben, als die, welche die Sünde des Ungehorsams gegenüber einer
christlichen Mutter kennzeichnet. In den Tagen deiner Hilflosigkeit als Säugling wachte sie über dich.
Ihre Gebete und Tränen wurden im Himmel wahrgenommen, als sie dich liebevoll hegte und pflegte.
Um ihrer Kinder willen plagte sie sich ab; sie plante, dachte, betete und übte Selbstverleugnung.
Während deines ganzen Lebens dachte ihr treues Herz nur an dein Wohlergehen. Und doch hast du
jetzt deinen eigenen Weg gewählt. Du folgst deinem eigenen blinden, halsstarrigen Willen, trotz der
bitteren Ernte, die du einbringen wirst und der Sorge, die du ihr bereitest.
Deine Mutter hat zunehmend unter Gebrechen zu leiden. Sie braucht dich. Jede Aufmerksamkeit,
die du ihr schenkst, wird ihr sehr kostbar sein. Sie kann sich auf keines ihrer anderen Kinder verlassen.
Sie fühlen sich nicht für ihre Mutter verantwortlich. Das Vorrecht, das dir heute noch zufällt, mag bald
verloren gehen. Denke aber nicht, daß deine Mutter leiden müßte, wenn du dein Vorrecht und deine
Pflicht versäumst. Sie hat treue Freunde, die es als ein Vorrecht betrachten würden, die Pflichten zu
erfüllen, denen du dich entziehst. Gott liebt deine Mutter und wird für sie sorgen. Wenn ihre eigenen
Kinder sie vernachlässigen, wird er andere erwecken, das Werk zu tun, das sie hätten tun können. Aber
sie werden auch den Segen empfangen, der den Kindern angeboten wurde. Es ist ihr Vorrecht, die
letzten Tage deiner Mutter zu ihren besten und glücklichsten zu machen.
Ich spreche deutlich mit dir. Gott mißfällt deine Handlungsweise. Es stehen dir Schwierigkeiten
bevor, die du nicht erkennst und die vermieden werden könnten, wenn du weisen Rat annehmen
würdest. Unser Heiland ist dir mit unermüdlicher
135
Arbeit und zärtlicher Besorgnis nachgegangen, damit du klug werden und dich nicht selbst ruinieren
möchtest. Mit unendlichem Erbarmen und Liebe verlangt ihn nach dir, und er sagt: „Wie oft habe ich
deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne versammelt ihre Küchlein unter ihre Flügel; und ihr
habt nicht gewollt.“ Matthäus 23,37. Dein törichtes Herz hat sich vom Rat deiner besten Freunde
abgewandt.
Wegen der ernsten, getreulichen Warnungen, um dich vor Fehlern zu bewahren, die dein ganzes
Leben betreffen, hast du dir eingebildet, der Gemeinde von großem Nutzen zu sein. Es ist wahr, in
Jesum Christum wärest du befähigt, nützlich zu sein. Trotzdem kann der Herr und die Gemeinde ohne
dich auskommen. Wenn du willst, kannst du dich dem Heer der Nachfolger Christi anschließen. Du
kannst an ihren Kämpfen und Siegen teilhaben. Wählst du jedoch, dies nicht zu tun, dann wird das
selbstverleugnende Heer unter dem blutbefleckten Banner des Kreuzes zum sicheren Sieg vorrücken
und dich dahinten lassen. Wenn du erwählst, dein eigenes schwaches Schifflein durch des Lebens
stürmisches Meer zu steuern, dann mußt du dich für die Anmaßung und ihre Folgen verantworten.
Könntest du doch erkennen, wie schwach du bereits im Grundsatz geworden bist, wie deine Ehre
und Aufrichtigkeit gefährdet sind, dann würdest du sehen, daß Gott nicht mit dir ist und daß du der
Vertrauensstellung, die du bekleidest, nicht würdig bist. Mein Herz ist wirklich betrübt, wenn ich daran
denke, wo du heute stehen könntest, wenn du dich völlig Gott übergeben und dann erkannt hättest,
welche Macht der Feind über dich hatte.
Das Sabbatschulwerk ist wichtig. Alle, die an der Wahrheit interessiert sind, sollten bemüht sein, es
gedeihlich zu gestalten. Bruder ... hätte gut in diesem Zweig des Werkes dienen können, hätten er und
andere in der Gemeinde den rechten Kurs eingeschlagen. Aber er wurde zuviel gelobt und
umschmeichelt. Dies hat ihn fast ruiniert. Der Herr kann ohne ihn auskommen; aber er kann es sich
nicht leisten, ohne Gott auszukommen. Der Herr wird sein Werk Männern mit reinen Händen und
geheiligten Herzen anvertrauen. Deshalb ist es eine Ehre, Verantwortung in seinem Werk zu tragen.
136
Das Mäßigkeitswerk verdient ebenfalls eure besten Anstrengungen. Nur muß dafür Sorge getragen
werden, daß diese Versammlungen so erhebend und veredelnd wie nur möglich gestaltet werden.
Vermeidet oberflächliche Arbeit und alles Theaterhafte. Die den feierlichen Charakter dieses Werkes
richtig einschätzen, werden den Maßstab hochhalten. Es gibt eine Klasse, die keine wirkliche Achtung
vor den Mäßigkeitsbestrebungen hat. Diese Männer wollen am Rednerpult nur ihre Klugheit zur Schau
stellen. Es gibt andere Männer, die rein und rücksichtsvoll sind, die den Zweck des Werkes verstehen.
Diese sollte man ermutigen, in diesen wichtigen Zweigen der Reform tätig zu werden. Sie mögen keine
Verstandesgröße aufweisen, wenn sie aber rein und demütig, gottesfürchtig und treu sind, wird der Herr
ihre Arbeit annehmen.
Heute werden viele literarische Gesellschaften organisiert, aber in neun von zehn Fällen haben sie
sich als Verderben für Seelen erwiesen anstatt zu einem Segen. Dies ist so, weil ein Bündnis mit der
Welt oder mit Menschen eingegangen wird, deren Einfluß und Absicht es ist, vom Soliden zum
Oberflächlichen, von der Wirklichkeit zum frei Erfundenen hinzuführen. Literarische Gesellschaften
könnten von großem Nutzen sein, wenn sie vom religiösen Element beherrscht werden würden. Doch
früher oder später übernimmt das ungläubige Element die Oberherrschaft. Genauso ist es mit unseren
Mäßigkeitsgesellschaften. Die Feierlichkeit des Werkes ist durch die Oberflächlichkeit überdeckt, und
die Jugend, die wir doch retten wollen, wird dauernd Versuchungen ausgesetzt.
Die Tatsachen stehen uns vor Augen. Die Lastenträger unter uns sinken ins stille Grab. Die aktiven
Glieder der Gemeinde, die treuen Arbeiter in allen Reformen, haben meistens die Lebensmitte
überschritten. Ihre körperlichen und geistigen Kräfte nehmen ab. Wir sollten sehr ernsthaft darüber
nachdenken, wer sich erheben und ihre Plätze einnehmen soll. Wem können die lebenswichtigen
Interessen der Gemeinde anvertraut werden? Diese Frage müssen wir als ernstes Anliegen betrachten.
Wer wird die Verantwortung für das Werk Gottes tragen, wenn noch ein paar der Bannerträger fallen?
Wir können nur mit
137
Sorge auf die heutige Jugend blicken als diejenigen, die diese Bürden übernehmen und die
Verantwortlichkeiten tragen müssen. Sie müssen das Werk aufnehmen, wo andere es niederlegen. Der
Kurs, den sie einschlagen, wird darüber entscheiden, ob Moral, Religion und lebendige Gottseligkeit
vorherrschen oder ob Unmoral und Unglauben alles Wertvolle verderben und vergiften. Die Zukunft wird
davon bestimmt werden, wie heute das Banner emporgehalten wird.
Eltern, wollt ihr heute durch euer Verhalten zeigen, daß gesunde Beschränkung, gute Ordnung,
Harmonie und Frieden die herrschenden Prinzipien sind? Oder sollen solche, deren Lebensstil beweist,
daß sie leichtfertigen Gemüts und von niedrigem moralischem Wert sind, einen umgestaltenden,
beherrschenden Einfluß haben? Gott ruft sein gläubiges Volk auf, sich mit ihm zu verbinden und durch
demütigen Wandel in Jesu Fußstapfen ihre Seelen zu reinigen. Gott ruft euch auf, Meinungsstolz,
Kleiderstolz und Selbsterhöhung abzulegen. Laßt die guten und edlen Fähigkeiten der Seele durch
Gebrauch erstarken.
Möchten Männer und Frauen, die sich zu den feierlichsten Wahrheiten bekennen, die jemals
Sterblichen anvertraut wurden, sich nicht treu gegenüber Grundsätzen verhalten? Wenn sie die Welt
dahin beeinflussen wollen, ernsthafte Überlegungen anzustellen, dann müssen sie es tun. Ihre Kleidung
und Unterhaltung muß genau mit ihrem besonderen Glauben übereinstimmen. Die Älteren müssen die
Jungen durch Wort und Beispiel lehren, wie sie den Ansprüchen gerecht werden können, die die
Gesellschaft und ihr Schöpfer an sie stellen. Dieser Jugend muß ernste Verantwortung auferlegt
werden. Die Frage ist, ob sie imstande sein werden, Selbstbeherrschung zu üben und in der Reinheit
der ihnen von Gott verliehenen Manneswürde dazustehen und alles zu verabscheuen, was den
Anschein von Ausschweifung und Uneinigkeit hat.
Kann ich irgend etwas sagen, das Eindruck auf die Jugendlichen macht? Nie zuvor stand so viel auf
dem Spiel. Niemals hingen solche wichtigen Resultate von einer Generation ab wie von dieser, die jetzt
die Schaubühne betritt. Nicht für einen Augenblick dürfen sie denken, daß sie irgendeine
Vertrauensstellung
138
einnehmen können, ohne einen guten Charakter zu besitzen. Ebensogut können sie erwarten, Trauben
oder Feigen von Dornen und Disteln zu sammeln. Ein guter Charakter muß Stein um Stein aufgebaut
werden, jeden Tag wachsend gemäß der aufgewandten Mühe. Die Wesenszüge, die sie mit in den
Himmel nehmen wollen, müssen durch fleißiges Üben ihrer Fähigkeiten, durch Anwendung aller
Vorteile, welche die Vorsehung ihnen zur Verfügung stellt, und durch Verbindung mit der Quelle aller
Weisheit erworben werden. Setzt euch kein niedriges Ziel vor Augen. Sorgt dafür, daß euer Gemüt
keine minderwertige Prägung erhält. Die Charaktere von Joseph und Daniel sind gute Vorbilder, denen
ihr nacheifern könnt; aber Christus ist das vollkommene Vorbild.
Einige Brüder und Schwestern in der Gemeinde in ... haben gute Missionsarbeit geleistet; aber ihr
Interesse darf nicht nachlassen. Einige haben mehr getan als ihre Kräfte erlaubten, aber es war ihnen
Speise und Trank, diese Arbeit zu tun. Alle können teilhaben an diesem Werk, niemand ist entschuldigt.
Jesus wünscht, daß alle, die seinen Namen bekennen, ernste Arbeiter werden. Es ist notwendig, daß
jedes einzelne Gemeindeglied auf den Felsen Christo Jesu baut. Ein Sturm wird kommen, der das
geistliche Fundament eines jeden aufs äußerste durchrütteln und prüfen wird. Deshalb vermeidet den
sandigen Grund; macht Jagd auf den Felsen. Grabt tief; legt euer Fundament sicher. Baut, o baut für
die Ewigkeit! Baut unter Tränen und innigen Gebeten. Jeder von euch sollte von jetzt an sein Leben
durch gute Werke schmücken. In diesen letzten Tagen werden Männer wie Kaleb benötigt. Nicht
Geschäftigkeit, sondern ruhiges, demutsvolles Wirken wird unsere Gemeinden stark und ihre
Anstrengungen erfolgreich machen, nicht Schaugepränge und Aufgeblasenheit, sondern geduldiges,
andächtiges, ausdauerndes Bemühen.
Christus hat gesagt: „Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich.“ Matthäus 12,30. Nur ganzherzige, fest
entschlossene Männer und Frauen können jetzt bestehen. Christus sichtete seine Nachfolger immer
wieder, bis zu einem Zeitpunkt nur elf Männer und einige gläubige Frauen übrigblieben, um das
Fundament
139
der christlichen Gemeinde zu legen. Es gibt solche, die sich zurückhalten, wenn es Lasten zu tragen
gibt. Wenn es in der Gemeinde hoch hergeht, fangen sie die Begeisterung auf, singen und jauchzen
und sind ganz entzückt; aber beobachtet sie. Wenn das Feuer erloschen ist, werden nur wenige treue
Kalebs hervortreten und unwandelbaren Grundsatz offenbaren. Diese sind das Salz, das seine
Würzkraft bewahrt hat. Wenn die Arbeit schwerer wird, dann entwickelt die Gemeinde ihre wahren
Helfer. Diese werden nicht über sich selbst reden, sich selbst verteidigen. Ihre Persönlichkeit wird in
Jesu Christo aufgehen. Wer im Reich Gottes groß sein will, muß in Demut, Einfältigkeit des Glaubens
und Reinheit der Liebe einem kleinen Kind ähnlich sein. Aller Stolz muß aufgegeben, alle Eifersucht,
alles Streben nach Oberherrschaft überwunden und die Sanftmut und das Vertrauen eines Kindes
ermutigt werden. Alle, die sich so verhalten, werden in Christo einen Felsen der Verteidigung, einen
starken Turm finden. Auf ihn können sie ihr volles Vertrauen setzen. Er wird sie nie enttäuschen.
O, daß doch alle, die sich zur gegenwärtigen Wahrheit bekennen, sich warnen ließen, den Herrn zu
suchen. Der Gedanke an Gottes unendliche Gnade und seine unermeßliche Liebe sollte alle anregen,
seinem Beispiel zu folgen. Aber dies ist leider nicht der Fall. Einige unserer Schwestern huldigen zu
gerne dem Kleiderstolz und der Prunksucht. Sie kleiden sich ganz und gar nicht so, wie es unserem
heiligen Glauben entspricht. Dies betrifft Schwester. ... Die Welt sollte ein besseres Beispiel haben, als
diese Schwester es gegeben hat. Sie sollte ihre von Gott auferlegte Verantwortung fühlen und das
ganze Gewicht ihres Einflusses auf seiten Christi stellen und versuchen, diejenigen weniger weltlich zu
machen, mit denen sie Umgang pflegt. Sie und Schwester ... würden der Gemeinde von weit größerem
Nutzen sein, wenn sie bei sich selbst und bei anderen Einfachheit in der Kleidung ermutigten. Die
Schwestern, die sich als Schneiderinnen betätigen, studieren die Modejournale und verleiten andere in
der Gemeinde, das zu tun, was Gott mißfällt, indem sie dazu ermutigen, ihre Kleidung nach Art der Welt
zuzuschneiden und auszuschmücken. Die Bemühungen dieser Schwestern, Gutes zu tun, wären Gott
viel angenehmer, wenn
140
sich in ihrem Leben weniger Kleiderstolz und weniger leichtfertiges, weltliches Geschwätz offenbaren
würde. Es wäre besser für sie, weniger Besuche zu machen und weniger über die Prediger zu murren
und zu klagen, die sich um euch bemühen, dafür mehr zu beten und mehr in der Bibel zu lesen.
Es mißfällt dem Herrn, wie viele in der Gemeinde sich gegenüber einigen ihrer Prediger verhalten.
Er gebietet euch, eure grausamen Gespräche zu unterlassen. Laßt ermutigende Worte die Stelle eures
Murrens, eurer Unzufriedenheit und eurer Kritik einnehmen. Christus spricht zu euch durch seine
Heiligen, und ihr habt seinen Rat verachtet und seine Ermahnungen verworfen. Tut dies nicht länger.
Ältester ... hat ein Werk zu tun, nicht nur im Osten [der USA], sondern an vielen Plätzen. Gott wird mit
ihm sein und ihm Gedeihen geben, wenn er in Jesu geborgen bleibt. Er ist nicht unfehlbar. Er mag
manchmal in seinem Urteil irren. Gebt aber acht, daß ihr die Worte nicht unwirksam macht, die Gott ihm
zu sprechen gebietet.
Wenn er weiß, was Gottes Wille ist, würde er niemals zögern, ihn zu tun, und wenn es ihn sein
Leben kostete. Während viele von euch nur darüber nachdenken, wie sie sich selbst gefallen und ein
bequemes Leben haben können, geht sein ganzes Leben und Interesse im Werke Gottes auf. Während
er fürs Werk plante und nachsann, hat er manchmal Schärfe und Strenge an den Tag gelegt, die
andere veranlaßt haben, ihn falsch zu beurteilen. Seine Absicht war nicht, sich selbst Vorteile zu
verschaffen, sondern dem Werk, das er liebte. Der Herr wünscht, daß ihr die Hände seiner bewährten
Diener getreulich unterstützt. Er warnt euch hingegen, zu großes Vertrauen in die zu setzen, die neu
zum Glauben gekommen sind und deren vergangenes Leben und Wirken euch unbekannt ist.
Es ist euer Vorrecht, eine gedeihende, glückliche Gemeinde zu sein. Jeder von euch erforsche sein
eigenes Herz, reinige den befleckten Seelentempel und wache unter Gebet. Seid entschlossen, Jesum
zu suchen, bis ihr ihn gefunden habt. Laßt seine Hände nicht los, bis seine Liebe in euren Herzen wohnt
und bis sein Geist euer Leben besänftigt und euren Charakter umgestaltet hat. Dann glaubt, und naht
euch kühn seinem Thron, wissend, daß er eure Gebete erhören wird.
Kapitel 11: Arbeiter für Gott
Mitarbeiter im großen Erntefeld, zur Arbeit haben wir nur noch wenig Zeit. Jetzt ist die günstigste
Gelegenheit, die wir je haben werden. Wie sorgfältig sollten wir deshalb jeden Augenblick ausnutzen.
Unser Erlöser hatte sich dem Werk der Seelenrettung in solchem Maße geweiht, daß er sogar nach
seiner eigenen Bluttaufe verlangte. Vom Eifer ihres Meisters angesteckt, gingen die Apostel im Kampfe
mit den Fürsten und Mächten und den bösen Geistern unter dem Himmel der Vollendung ihres großen
Werkes standhaft, sicher und eifrig entgegen.
Wir leben in einer Zeit, in welcher noch größerer Ernst nötig ist als in den Tagen der Apostel. Aber
bei vielen Dienern Christi herrscht eine Unrast, ein Verlangen, den romantischen Stil moderner
Erweckungsprediger nachzuahmen, der Wunsch, etwas Großes zu vollbringen, eine Sensation zu
erzeugen, zu den fähigen Rednern gezählt zu werden und Ehre und Auszeichnung für sich zu
gewinnen. Wenn sie Gefahren entgegentreten und die Ehre einheimsen könnten, die man Helden
erweist, dann würden sie mit unverminderter Energie im Werke tätig sein. Aber unbekannt leben und
arbeiten, sich in der Verborgenheit für Jesum abmühen und aufopfern ohne besondere menschliche
Anerkennung, das erfordert solche gesunden Grundsätze und eine Festigkeit des Vorhabens, wie sie
nur wenige besitzen. Es könnte weit mehr erreicht werden, wenn man sich stärker um einen demütigen
Wandel mit Gott bemühte, mehr von Menschen absähe und allein um Christi willen arbeitete.
Meine Brüder im Predigtamt, sucht Jesum in aller Demut und Sanftmut. Versucht nicht, die
Aufmerksamkeit der Leute auf euch selbst zu lenken. Laßt sie das Werkzeug ganz aus den Augen
verlieren, während ihr Jesum erhöht. Redet von Jesu; verliert euch in Jesum. Wir haben zuviel
Geschäftigkeit und Betriebsamkeit in unserem religiösen Leben, und darüber werden Golgatha und das
Kreuz vergessen.
Wir sind in der größten Gefahr, wenn wir uns untereinander Anerkennung zollen und sozusagen ein
Bündnis zu gegenseitiger Verherrlichung eingehen. Sich das Lob der Menschen
142
zu sichern, war das große Anliegen der Pharisäer, und Christus sagte ihnen, daß das der Lohn sei, den
sie je empfangen würden. Laßt uns das uns verordnete Werk aufnehmen und es für Christum tun.
Wenn wir Mangel leiden, dann laßt es um seinetwillen geschehen. Unser göttlicher Herr wurde durch
Leiden vollkommen gemacht. O, wann werden wir die Menschen so arbeiten sehen, wie er gearbeitet
hat!
Unsere Richtschnur ist das Wort Gottes. Jede Liebestat, jedes freundliche Wort, jedes Gebet für die
Leidenden und Unterdrückten wird vor den Thron des Ewigen gebracht und auf des Himmels
unvergänglichen Bericht gesetzt. Das göttliche Wort ergießt Licht in den dunkelsten Verstand. Es läßt
die Gebildetsten ihre Unzulänglichkeit und Sündigkeit empfinden.
Der Feind ist heutzutage dabei, Seelen sehr billig zu kaufen. „Ihr seid umsonst verkauft,“ sagt die
Schrift. Jesaja 52,3. Einer verkauft seine Seele für den Beifall der Welt, der andere für Geld, einer zur
Befriedigung niedriger Leidenschaften, der andere wegen weltlicher Vergnügungen. Solche Geschäfte
werden täglich abgeschlossen. Satan erscheint als Käufer für die durch Christi Blut Erkauften, und er
erwirbt sie billig trotz des unendlichen Preises, der für ihre Erlösung gezahlt wurde.
Uns wurden große Segnungen und Vorrechte zuteil. Wir können uns die wertvollsten himmlischen
Schätze sichern. Laßt Prediger und Gemeindeglieder immer daran denken, daß die Wahrheit des
Evangeliums ins Verderben führt, wenn sie nicht rettet. Die Seele, die sich Tag für Tag weigert, auf die
gnadenvollen Einladungen zu hören, kann bald die dringendsten Aufforderungen ohne die geringste
Gemütsbewegung anhören.
Als Mitarbeiter Gottes brauchen wir inbrünstigere Frömmigkeit und weniger Selbsterhöhung. Je
mehr das eigene Ich erhoben wird, desto geringer wird der Glaube an die Zeugnisse des Geistes
Gottes werden. Wer am engsten mit Gott verbunden ist, kennt auch Gottes Stimme, wenn er zu ihm
spricht. Wer geistlich ist, vermag auch geistliche Dinge zu erkennen. Er wird es dankbar empfinden,
daß der Herr ihn auf seine Irrtümer aufmerksam macht. Die anderen dagegen, die ganz auf sich selbst
vertrauen, werden Gott in den Zeugnissen seines Geistes immer weniger erkennen.
143
Unsere Arbeit muß von tiefer Demut und Fasten und Beten begleitet sein. Wir dürfen nicht nur
Friede und Freude erwarten. Es wird auch an Traurigkeit nicht fehlen, aber wenn wir mit Tränen säen,
werden wir mit Freuden ernten. Dunkelheit und Kleinmut können zeitweilig im Herzen der sich selbst
verleugnenden Gläubigen aufkommen, aber das wird ihnen nicht schaden. Es mag Gottes Absicht sein,
sie zu veranlassen, ihn ernstlicher zu suchen.
Was wir jetzt brauchen, sind Männer wie Kaleb, die treu und wahrhaftig sind. Gegenwärtig ist das
Leben zu vieler durch Trägheit gekennzeichnet. Sie wenden ihre Schultern gerade dann vom Rad ab,
wenn sie durchhalten und all ihre Kraft einsetzen sollten. Diener Christi, „wache auf, der du schläfst,
und stehe auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.“ Epheser 5,14. Eure Arbeit ist so vom
eigenen Ich durchdrungen, daß Christus darüber vergessen wird. Einige von euch sind allzu verwöhnt
und zu umschmeichelt. Wie in Noahs Tagen ist der Sinn zu sehr auf Essen und Trinken, Pflanzen und
Bauen gerichtet. Die Welt hat den Dienern Christi alle Energie geraubt. Brüder, wenn ihr wollt, daß euer
Glaube von Ungläubigen geehrt wird, dann ehrt ihn zuerst selbst durch entsprechende Taten. Durch
enge Verbindung mit Gott und strikte Anwendung der biblischen Lehren könnt ihr in Schwierigkeiten
und unter weltlichem Druck den Geist der Wahrheit auch den Herzen eurer Kinder einflößen. Dann
werden sie euch als Werkzeuge in Gottes Hand in allem Guten kräftig unterstützen.
Viele sind durch übermäßiges Essen und die Befriedigung niedriger Leidenschaften gleichermaßen
für körperliche und geistige Arbeit unfähig geworden. Die tierischen Neigungen werden gestärkt, die
sittliche und geistliche Natur wird dagegen geschwächt. Was wird der himmlische Bericht über das
Leben vieler aussagen, wenn wir um den großen weißen Thron stehen! Dann wird ihnen klar werden,
was sie hätten tun können, wenn sie ihre ihnen von Gott verliehenen Kräfte nicht entwürdigt hätten.
Dann werden sie begreifen, welcher geistigen Höhe sie teilhaftig geworden wären, wenn sie alle von
Gott verliehenen körperlichen und geistigen Kräfte ihm geweiht hätten. In der
144
Pein ihrer Gewissensbisse werden sie sich danach sehnen, ihr Leben noch einmal leben zu können.
Ich bitte die, die bekennen, Lichtträger — Vorbilder der Herde — zu sein, von aller Ungerechtigkeit
abzutreten. Nutzt den kleinen Rest der Zeit, der euch noch bleibt, gut aus. Ist euer Halt an Gott, die
Hingabe an seinen Dienst, stark genug, daß eure Religion in der schrecklichsten Verfolgung nicht
versagt? Allein die starke Liebe zu Gott wird die Seele in den Prüfungen, die uns bevorstehen,
aufrechterhalten.
Selbstverleugnung und Kreuz sind unser Teil. Sind wir bereit, sie anzunehmen? Niemand darf
erwarten, daß sich der Geist der Selbstverleugnung und der Hingabe an die himmlische Heimat in den
letzten großen Prüfungen plötzlich entwickeln wird, weil wir ihn dann gerade brauchen. Nein, dieser
Geist muß mit unserer täglichen Erfahrung verschmolzen sein und dem Herzen und Sinn unserer
Kinder durch Lehre und Beispiel eingeflößt werden. Mütter in Israel mögen selbst keine Kämpfer sein,
aber sie können Kämpfer erziehen, die die volle Rüstung anlegen und des Herrn Schlachten mannhaft
schlagen.
Prediger und Volk bedürfen der bekehrenden Macht der Gnade, ehe sie fähig sind, am Tage des
Herrn zu bestehen. In ihrer Ungerechtigkeit und menschlichen Verderbtheit nähert sich die Welt schnell
jenem Zustand, an dem Gottes Eingreifen notwendig wird. Dann sollten sich seine bekenntlichen
Nachfolger mehr durch ihre Treue zu seinem heiligen Gesetz auszeichnen. Ihr Gebet wird wie Davids
sein: „Zeit ist‘s für den Herrn, zu handeln: sie haben ja dein Gesetz gebrochen.“ Psalm 119,126
(Menge). Und mit ihrem Wandel werden sie sagen: „Darum liebe ich deine Gebote mehr als Gold und
als Feingold.“ Psalm 119,127. Gerade die offene Verachtung, die man dem Gesetze Gottes bezeigt, ist
für sein Volk, das die Gebote hält, Grund genug, hervorzutreten und seine Achtung und Verehrung für
Gottes zu Boden getretenes Gesetz zu bezeigen.
„Und dieweil die Ungerechtigkeit wird überhandnehmen, wird die Liebe in vielen erkalten.“ Matthäus
24,12. Selbst die Atmosphäre ist durch die Sünde befleckt. Bald wird Gottes Volk die Feuerprobe
bestehen müssen, und ein großer Teil derer, die
145
jetzt den Schein der Echtheit und Wahrheit haben, werden sich als unedles Metall erweisen. Anstatt
durch Widerstand, Bedrohung und Beschimpfung stärker und standhafter zu werden, treten sie feige
auf die Seite der Gegner. Die Verheißung lautet: „Wer mich ehret, den will ich auch ehren.“ 1.Samuel
2,30. Sollen wir uns weniger fest an Gottes Gesetz halten, weil die Welt im allgemeinen versucht hat, es
zunichte zu machen?
Schon sind Gottes Gerichte in Stürmen, Fluten, Gewittern, Erdbeben, in Gefahren zu Lande und zur
See weithin im Land zu sehen. Der große ICH BIN spricht zu denen, die sein Gesetz für ungültig
erklären. Wer wird standhalten können, wenn Gottes Zorn auf die Erde ausgegossen wird? Jetzt ist es
Zeit für Gottes Volk, seine Grundsatztreue zu beweisen. Wenn der Glaube an Christum und sein
Gesetz völlig verachtet wird, dann sollte unser Eifer um so heißer und unser Mut und unsere Festigkeit
unbeugsam sein. Die Wahrheit und Gerechtigkeit zu verteidigen, wenn uns die Mehrheit verläßt, die
Schlachten des Herrn zu schlagen, wenn der Kämpfer wenige sind — das wird unsere Prüfung sein.
Dann müssen wir der Kälte der anderen Wärme, ihrer Feigheit Mut und ihrem Verrat Treue
entgegenstellen. Die Nation wird auf der Seite des großen Rebellenführers stehen.
Die Prüfung wird gewiß kommen. Vor sechsunddreißig Jahren [geschrieben 1882] wurde mir
gezeigt, daß stattfinden würde, was sich jetzt anbahnt, daß nämlich die Beobachtung einer päpstlichen
Einrichtung dem Volke durch ein Sonntagsgesetz aufgezwungen und der geheiligte Ruhetag Jehovas
mit Füßen getreten werden würde.
Der Herzog unserer Erlösung wird sein Volk für den Kampf stärken, in den es eintreten muß. Wie
oft, wenn Satan alle seine Macht gegen die Nachfolger Christi einsetzt und ihnen der Tod ins Angesicht
starrt, haben ernste, im Glauben emporgesandte Gebete den Anführer der Heerscharen des Herrn auf
den Plan gerufen, den auf- und abwogenden Kampf gewendet und die Bedrängten gerettet!
Jetzt ist es Zeit, sich innig mit Gott zu verbinden, damit wir bewahrt werden mögen, wenn sein
großer Zorn mit Ungestüm
146
auf die Menschenkinder ausgegossen wird. Wir haben uns von den alten Marksteinen entfernt. Laßt
uns umkehren. Wenn der Herr Gott ist, so dienet ihm; ist es Baal, dann dienet ihm. Auf welcher Seite
wollt ihr stehen?
Kapitel 12: Satans Gehilfen
Satan benutzt Männer und Frauen als Helfer, die zur Sünde reizen und sie anziehend machen
sollen. Diese Helfer erzieht er sorgfältig dazu, die Sünde so gut zu tarnen, daß er erfolgreicher Seelen
verderben und Christum seiner Herrlichkeit berauben kann. Satan ist der große Feind Gottes und der
Menschen. Durch seine Helfer verwandelt er sich selbst in einen Engel des Lichts. In der Heiligen
Schrift wird er Verderber, Verkläger der Brüder, Betrüger, Lügner, Peiniger und Mörder genannt. Satan
hat viele Menschen in seinem Dienst. Besonders erfolgreich ist er aber, wenn er bekenntliche Christen
für sein satanisches Werk verwenden kann. Und je größer ihr Einfluß, je höher ihre Stellung ist, je mehr
Erkenntnis sie von Gott und seinem Dienst zu haben behaupten, desto erfolgreicher kann Satan sie
benutzen. Wer immer zur Sünde verleitet, ist sein Helfer.
Während einer der östlichen Lagerversammlungen wurde ich an einem Freitag einem Mann
vorgestellt, der mit verschiedenen Frauen und Kindern ein Zelt bewohnte. In jener Nacht konnte ich
nicht schlafen. Ich fühlte eine große Last. Als ich in der Nacht mit Gott rang, stand mir sehr deutlich ein
Gesicht vor Augen, das ich vor Jahren hatte, worin das Verhalten von Nathan Fuller getadelt wurde. Zu
jener Zeit wurden mir drei Männer gezeigt, denen ich begegnen würde, die sich der gleichen Vergehen
unter dem Deckmantel der Gottseligkeit schuldig machten. Dieser Mann war einer von den Dreien.
Während ich in der Morgenversammlung Zeugnis ablegte, ruhten die Kraft und der Geist Gottes auf mir;
aber ich erwähnte keine speziellen Fälle. Später am Tage empfand ich deutlich, daß es meine Pflicht
sei, mein Zeugnis, seinen Fall als sehr bezeichnend darlegend, vorzutragen. Durch sein Verhalten
handelte dieser
147
Mann direkt den Anweisungen des Apostels entgegen, der sagt: „Meidet allen bösen Schein.“
1.Thessalonicher 5,22. Er übertrat das siebente Gebot, während er vorgab, das vierte zu halten. Durch
seine Verführung versammelte er eine Gruppe von Frauen um sich, die ihn von Ort zu Ort begleiteten,
wie eine treue Frau ihren Mann begleiten würde.
Wir als Volk werden als sonderbar angesehen. Unsere Stellung und unser Glaube unterscheiden
uns von allen anderen religiösen Körperschaften. Wenn unser Leben und Charakter nicht besser ist als
Leben und Charakter der Weltmenschen, dann werden sie verächtlich mit dem Finger auf uns zeigen
und sagen: „Das sind Siebenten-Tags-Adventisten.“ „Hier haben wir ein Beispiel derer, die anstatt des
Sonntags den siebenten Tag feiern.“ Das Brandmal, das solchen Menschen anhaftet, wird dann allen
aufgeprägt, die gewissenhaft den siebenten Tag beobachten. Ach, wieviel besser wäre es, wenn solche
Menschen niemals vorgeben würden, der Wahrheit zu gehorchen!
Ich fühlte mich gedrungen, diesen Mann im Namen des Herrn zurechtzuweisen und die Frauen, die
ihn begleiteten, aufzurufen, sich von ihm zu trennen und ihm das zu Unrecht gegebene Vertrauen zu
entziehen. Der Weg, den sie eingeschlagen hatten, würde nur zu Unglück und Ruin führen. Das
Berichtsbuch des Himmels zeugt gegen diesen Mann: „Er ist ein Betrüger, ein Ehebrecher, schleicht in
die Häuser und führt törichte Frauen gefangen.“ Wieviele Seelen er durch seine satanische
Spitzfindigkeit vernichten wird, wird erst das Gericht offenbaren. Solche Menschen sollten sofort
öffentlich bloßgestellt und gerügt werden, damit sie nicht fortwährend Schmach über das Werk bringen.
In dem Maße, in dem wir uns dem Ende der Weltgeschichte nähern, werden die Gefahren sich um
uns her verdichten. Ein bloßes Bekenntnis zur Frömmigkeit wird nichts nützen. Wir müssen in
lebendiger Verbindung mit Gott stehen, damit wir geistliches Unterscheidungsvermögen erhalten, um
die Bosheit zu erkennen, die sich sehr listig und heimlich durch solche Glieder bei uns einschleicht, die
sich zu unserem Glauben bekennen. Die größten Sünden schleppen solche Gemeindeglieder
148
ein, die behaupten, geheiligt zu sein und nicht mehr sündigen zu können. Viele dieser Menschen
sündigen jedoch täglich und sind in ihrem Herzen und Leben verdorben. Sie sind selbstzufrieden und
selbstgerecht und stellen einen eigenen Maßstab der Gerechtigkeit auf, versagen aber gänzlich, wenn
sie den Anforderungen der Bibel gerecht werden sollen. Trotz ihrer großen Ansprüche stehen sie dem
Bund der Verheißung fern. In seiner großen Gnade hat Gott Nachsicht mit ihrer Verkehrtheit und
beseitigt sie nicht als Bäume, die das Land hindern, sondern läßt ihnen noch die Möglichkeit der
Vergebung. Man verläßt sich ständig auf Gottes Langmut und mißbraucht seine Gnade. David dachte
zu seiner Zeit, daß die Menschen die Grenzen von Gottes Langmut erreicht hätten und daß er
dazwischentreten müßte, um seine Ehre zu verteidigen und die Ungerechtigkeit einzudämmen.
Herr ... vertritt Dogmen, die den Tempel Gottes beflecken. Es besteht kaum Hoffnung für ihn. Er hat
so lange sich selbst betrogen und andere getäuscht, daß Satan beinahe volle Kontrolle über seinen
Geist und Körper hat. Sein vorgebliches Gewand der Gerechtigkeit von ihm zu reißen und seine
schlechten Absichten und Gedanken bloßzustellen, damit er nicht fortfahren kann, andere auf den Weg
des Verderbens zu ziehen, ist alles, was uns zu tun übrig bleibt.
Zuerst haßte er Gottes Warnungen und dann widerstand er ihnen, weil dadurch seine bösen Werke
im Licht von Gottes Gesetz erkannt werden konnten. Es ist einer der traurigsten Beweise vom
verblendenden Einfluß der Sünde, daß Monate und Jahre verstreichen und keine Reue sichtbar wird.
Mit entschlossener Beharrlichkeit ist dieser Mann dem abwärts führenden Kurs gefolgt. Er empfindet
keine bittere Reue, keine Furcht vor der Vergeltung des Himmels. Wenn er durch Lügen und Betrug
seine Sünden verbergen kann, ist er zufrieden. Alles Empfinden für Recht und Unrecht ist in ihm
erstorben. Ihm steht eine Ernte bevor, die er nur mit Schrecken einholen kann.
Das Schlimmste an diesem Fall ist, daß all sein teuflisches Tun unter dem Vorwand geschieht, ein
Stellvertreter Jesu Christi zu sein. Ein Sünder, verkleidet als Engel des Lichts, kann unermeßlichen
Schaden anrichten. Dunkle, gefährliche
149
Pläne werden vorsätzlich gelegt, Mann und Frau voneinander zu trennen. Der Apostel sagt: „Aus
denselben sind, die hin und her in die Häuser schleichen und führen die Weiblein gefangen, die mit
Sünden beladen sind und von mancherlei Lüsten umgetrieben.“ 2.Timotheus 3,6. Diese lüsternen
Menschen schleichen sich sogar in ehrenhafte Familien ein und führen durch Betrugskünste die
Gewissenhaften in die Irre. Verdammenswerte Irrlehren werden als Wahrheit angenommen und
empörendste Sünden als Handlungen der Gerechtigkeit verübt, weil das Gewissen verwirrt und
abgestumpft ist.
Dieser Mann nahm die unvolkstümliche Lehre an, daß der siebente Tag des Herrn Sabbat ist, um
seiner religiösen Erfahrung den Anschein von Ehrenhaftigkeit zu geben. Unsere Ansichten wurden in
unserm Schrifttum klar zum Ausdruck gebracht, aber diese Tatsache verbergend, vermischte er die
Wahrheit mit seinen verderblichen Irrtümern und machte andere glauben, Gott habe ihm neues Licht
über die Bibel gegeben. Indem er vorgab, großes Licht für das Volk betreffs des Sabbats des vierten
Gebotes und ähnlicher Wahrheiten zu haben, schien es den Arglosen, er werde wirklich von Gott
geleitet. Hat er aber einmal das Vertrauen gewonnen, dann beginnt seine satanische Arbeit, die wahre
Bedeutung der Heiligen Schrift zu verdrehen, indem er zu beweisen sucht, daß Ehebruch, wie er durch
Gottes Gesetz verurteilt wird, nicht das bedeutet, was man im allgemeinen darunter versteht. Er
versucht tatsächlich, verständige Frauen glauben zu machen, es sei in Gottes Augen nicht anstößig,
wenn sie ihrem Ehegelübde untreu sind. Er gibt nicht einmal zu, daß dadurch das siebente Gebot
übertreten wird. Satan frohlockt, wenn Sünder als bekenntliche Sabbathalter in die Gemeinde kommen,
während sie ihm gestatten, ihre Sinne und Neigungen zu beherrschen und sich von ihm gebrauchen
lassen, andere zu verführen und zu verderben.
In diesem entarteten Zeitalter kann man viele finden, die so blind gegenüber der Sündhaftigkeit der
Sünde sind, daß sie ein lasterhaftes Leben führen, weil es der natürlichen und abartigen Neigung des
Herzens gefällt. Anstatt sich im Spiegel, dem Gesetz Gottes, zu beschauen und Herz und Wesen in
Übereinstimmung
150
mit Gottes Maßstab zu bringen, gestatten sie Satans Helfern, sein Banner in ihren Herzen
aufzupflanzen. Verdorbene Menschen sehen es für einfacher an, die Heilige Schrift zu verdrehen, um
sie in ihrer Bosheit zu unterstützen, als ihre Verdorbenheit und Sünde aufzugeben und reinen Herzens
ein reines Leben zu führen.
Es gibt mehr Menschen dieser Art, als viele annehmen, und ihre Zahl wird zunehmen, je mehr wir
uns dem Ende der Zeit nähern. Es sei denn, sie sind in der Bibelwahrheit gewurzelt und gegründet und
haben eine lebendige Verbindung mit Gott, oder viele werden betört und verführt werden. Unsichtbare
Gefahren umgeben unseren Pfad. Unsere einzige Sicherheit ist ständige Wachsamkeit und Gebet. Je
enger wir mit Christo verbunden sind, desto mehr werden wir an seinem reinen und heiligen Charakter
teilhaben. Je widerwärtiger uns die Sünde erscheint, desto erhabener und wünschenswerter wird uns
die Reinheit und Leuchtkraft Christi erscheinen.
Um sein verdorbenes Leben zuzudecken und seine Sünden als harmlos erscheinen zu lassen, wird
dieser Mann Berichte der Bibel anführen, wo gute Männer in Versuchung fielen. Paulus begegnete zu
seiner Zeit auch solchen Menschen. Die Gemeinde wurde zu allen Zeiten von solchen heimgesucht. Als
Paulus sich in Milet aufhielt, rief er die Gemeindeältesten zusammen und warnte sie betreffs dessen,
was ihnen begegnen würde: „So habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, unter welche
euch der heilige Geist gesetzt hat zu Bischöfen, zu weiden die Gemeinde Gottes, welche er durch sein
eigen Blut erworben hat. Denn das weiß ich, daß nach meinem Abschied werden unter euch kommen
greuliche Wölfe, die die Herde nicht verschonen werden. Auch aus euch selbst werden aufstehen
Männer, die da verkehrte Lehren reden, die Jünger an sich zu ziehen. Darum seid wach und denket
daran, daß ich nicht abgelassen habe drei Jahre, Tag und Nacht, einen jeglichen mit Tränen zu
vermahnen.“ Apostelgeschichte 20,28-31.
Wer die Wahrheit durch Ungerechtigkeit behindert, wer seinen Glauben an Gottes Wort kundtut und
es in seinem damit unvereinbaren Leben täglich übertritt, der überliefert sich selbst
151
dem Dienste Satans und führt außerdem Seelen ins Verderben. Diese Menschen stehen in Verbindung
mit gefallenen Engeln und werden von ihnen unterstützt, die Herrschaft über andere Gemüter zu
gewinnen. Wer von Satans verführerischer Macht beherrscht wird, der vergißt Gottes und verherrlicht
statt dessen den Menschen, der doch voll böser Absichten ist. Diese getäuschten Seelen üben geheime
Laster als Tugend aus. Das ist eine Art Zauberei. Die Frage des Apostels an die Galater kann mit Recht
gestellt werden: „Wer hat euch bezaubert, daß ihr der Wahrheit nicht gehorchet, welchen Christus
Jesus vor die Augen gemalt war, als wäre er unter euch gekreuzigt?“ Galater 3,1. Bei der Ketzerei und
der Ausschweifung ist stets eine Zaubermacht im Spiel. Der Verstand wird derartig getäuscht, daß er
nicht mehr vernünftig urteilen kann, und eine Illusion führt ihn immer weiter von der Reinheit weg. Der
geistliche Scharfblick ist getrübt, und Menschen von bis dahin unbefleckter Sittenreinheit werden durch
die trügerische Spitzfindigkeit der Helfer Satans verwirrt, die sich als Boten des Lichts ausgeben.
Gerade diese Täuschung verleiht jenen Helfern ihre Macht. Träten sie kühn hervor und unternähmen
sie ihre Vorstöße offen, würde man sie zurückweisen, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern.
Zunächst versuchen sie jedoch, als heilige, selbstlose Gottesmänner Zuneigung und Vertrauen zu
gewinnen. Als Satans besondere Boten beginnen sie dann ihr arglistiges Wirken, Seelen vom Pfad der
Rechtschaffenheit wegzulocken, indem sie das Gesetz Gottes für ungültig erklären.
Wenn Prediger, die doch ein hohes Bekenntnis ablegen, auf diese Weise Vorteil aus dem Vertrauen
des Volkes ziehen und Seelen zum Untergang führen, machen sie sich weit schuldiger als der
gewöhnliche Sünder. Am Tage Gottes, wenn das große Hauptbuch des Himmels geöffnet werden wird,
wird sich herausstellen, daß es die Namen vieler Prediger enthält, die Reinheit des Herzens und
Lebens vorgespiegelt haben, und bekannten, daß ihnen das Evangelium Christi anvertraut sei, ihre
Stellung dazu benutzt haben, Seelen zur Übertretung des Gesetzes Gottes zu verführen.
152
Es ist beinahe unmöglich, Männer und Frauen, die einmal der verderblichen Macht Satans verfallen
sind, aus der entsetzlichen Schlinge zu befreien. Sie können kaum wieder reine Gedanken und klare
Vorstellungen von Gottes Forderungen bekommen. Die Sünde wurde für ihren verwirrten Sinn durch
das Beispiel des Predigers geheiligt, und niemals wieder erscheint sie ihnen so verabscheuungswürdig,
wie Gott sie sieht. Wenn erst einmal das Bewußtsein für die sittlichen Forderungen in den Menschen
geschwächt ist, dann ist auch ihre Urteilskraft verkehrt, die Sünde erscheint ihnen als Gerechtigkeit, die
Gerechtigkeit aber als Sünde. Durch die Verbindung mit solchen, deren Neigungen und Gewohnheiten
nicht rein und edel sind, werden auch noch andere so wie sie. Ihr Geschmack und ihre Grundsätze
werden beinahe unbewußt angenommen.
Wenn jemand die Gesellschaft eines Menschen mit unreinen Gedanken und ausschweifenden
Gewohnheiten der eines reinen und sittsamen Menschen vorzieht, dann ist das ein sicheres Zeichen
dafür, daß Geschmack und Neigungen beider übereinstimmen und daß ein niedriger Stand der Moral
erreicht ist. Diese getäuschten, verblendeten Seelen bezeichnen dieses Niveau allerdings als hohe,
heilige Geistesverwandtschaft — als geistliche Harmonie. Aber für den Apostel Paulus sind sie
Helfershelfer der „geistlichen Mächte der Bosheit“ (Epheser 6,12, EB), gegen die wir nachdrücklich
kämpfen müssen.
Wenn der Betrüger sein verführerisches Werk beginnt, findet er häufig Unterschiede in Geschmack
und Gewohnheiten vor, aber indem er vorgibt, sehr fromm zu sein, gewinnt er das Vertrauen, und wenn
er das erreicht hat, übt er seine schlaue, trügerische Macht zur Durchführung seiner Pläne ganz nach
Belieben aus. Durch die Verbindung mit dieser Gefahrenquelle werden Frauen daran gewöhnt, die Luft
der Unkeuschheit zu atmen, und werden fast unmerklich von demselben Geist durchdrungen. Sie
haben ihre Persönlichkeit verloren und werden das Schattenbild ihres Verführers.
Männer, die behaupten, neues Licht zu haben und Reformatoren zu sein, üben großen Einfluß auf
die Klasse von Menschen aus, die vom Abfall der Gegenwart überzeugt und
153
mit dem geistlichen Zustand der Kirchen unzufrieden sind. Aus treuem, aufrichtigem Herzen möchten
sie eine Änderung zum Besseren, einen Aufstieg zu einem höheren geistlichen Stand sehen. Wenn die
treuen Diener Christi diesen Menschen die Wahrheit rein und unverfälscht darböten, würden diese sie
annehmen und sich durch ihre Befolgung reinigen. Aber Satan, der immer wachsam ist, spürt diese
suchenden Seelen sofort auf. Jemand, der als Reformator viel Wesens von sich macht, kommt zu
ihnen, wie einst Satan zu Christo als Engel des Lichts kam, und lockt sie noch weiter vom Pfade des
Rechts weg.
Das Unglück und die Erniedrigung, die der Ausschweifung folgen, können nicht ermessen werden.
Die Erde ist durch ihre Bewohner verunreinigt worden. Das Maß ihrer Ungerechtigkeit ist beinahe voll.
Die schwerste Vergeltung aber wird die treffen, die Ungerechtigkeit unter dem Mantel der Frömmigkeit
üben. Wahre Reue hat der Heiland der Welt niemals verschmäht, wie groß die Schuld auch war. Aber
Pharisäern und Heuchlern schleudert er eine flammende Anklage entgegen. Daher besteht größere
Hoffnung für offenkundige Sünder als für diese Klasse.
„Darum wird ihnen Gott [weil sie die Liebe zur Wahrheit nicht haben angenommen] kräftige Irrtümer
senden, daß sie glauben der Lüge, auf daß gerichtet werden alle, die der Wahrheit nicht glauben,
sondern haben Lust an der Ungerechtigkeit.“ 2.Thessalonicher 2,11.12. Dieser Mann und die von ihm
Betrogenen lieben nicht die Wahrheit, sondern haben Freude an der Ungerechtigkeit. Welch größere
Verblendung könnte wohl über sie kommen als die Annahme, Gott nehme keinen Anstoß an Unzucht
und Ehebruch? Die Bibel enthält viele Warnungen vor diesen Sünden. Paulus schreibt an Titus von
solchen: „Sie sagen, sie erkennen Gott; aber mit den Werken verleugnen sie es, sintemal sie es sind,
an welchen Gott Greuel hat, und gehorchen nicht und sind zu allem guten Werk untüchtig.“ Titus 1,16.
„Es waren aber auch falsche Propheten unter dem Volk, wie auch unter euch sein werden falsche
Lehrer, die nebeneinführen [nicht offen] werden verderbliche Sekten und verleugnen den Herrn, der sie
erkauft hat, und werden über sich selbst herbeiführen
154
eine schnelle Verdammnis. Und viele werden nachfolgen ihrem Verderben; um welcher willen wird der
Weg der Wahrheit verlästert werden.“ 2.Petrus 2,1.2. Die hier beschriebenen Menschen sagen nicht
öffentlich, daß sie nicht an Christum glauben. Sie bekennen, an die Wahrheit zu glauben. Aber durch
die Verdorbenheit ihres Charakters bringen sie Schande über Gottes Werk und geben Ursache, daß
schlecht darüber gesprochen wird.
„Und durch Geiz mit erdichteten Worten werden sie an euch Gewinn suchen; welchen das Urteil von
lange her nicht säumig ist, und ihre Verdammnis schläft nicht.“ 2.Petrus 2,3. „Aber sie sind wie die
unvernünftigen Tiere, die von Natur dazu geboren sind, daß sie gefangen und geschlachtet werden,
lästern, davon sie nichts wissen, und werden in ihrem verderblichen Wesen umkommen und den Lohn
der Ungerechtigkeit davonbringen. Sie achten für Wollust das zeitliche Wohlleben, sie sind
Schandflecken und Laster, prangen von euren Almosen, prassen mit dem Euren, haben Augen voll
Ehebruchs, lassen sich die Sünde nicht wehren, locken an sich die leichtfertigen Seelen, haben ein
Herz, durchtrieben mit Geiz, verfluchte Leute. Sie haben verlassen den richtigen Weg und gehen irre
und folgen nach dem Wege Bileams, des Sohnes Beors, welcher liebte den Lohn der Ungerechtigkeit.“
2.Petrus 2,12-15.
„Das sind Brunnen ohne Wasser und Wolken, vom Windwirbel umgetrieben, welchen behalten ist
eine dunkle Finsternis in Ewigkeit. Denn sie reden stolze Worte, dahinter nichts ist,“ rühmen sich ihres
Lichts, ihrer Kenntnis und Liebe zur Wahrheit, „und reizen durch Unzucht zur fleischlichen Lust
diejenigen, die recht entronnen waren denen, die im Irrtum wandeln.“ 2.Petrus 2,17.18.
In diesem verdorbenen Zeitalter, wenn unser Widersacher, der Teufel, umhergeht wie ein brüllender
Löwe und sucht, wen er verschlinge, sehe ich die Notwendigkeit, meine warnende Stimme zu erheben.
„Wachet und betet, daß ihr nicht in Versuchung fallet!“ Markus 14,38. Viele besitzen glänzende Gaben
und weihen sie gottlos dem Dienste Satans. Welche Warnungen kann ich einer Gemeinde erteilen, die
erklärt, von der Welt ausgegangen
155
zu sein und die Werke der Finsternis aufgegeben zu haben, einer Gemeinde, die Gott zum Bewahrer
seines Gesetzes gemacht hat, aber die wie der unfruchtbare Feigenbaum mit seinen offensichtlich
blühenden Zweigen den Allmächtigen beeindrucken möchte, jedoch keine Frucht zur Ehre Gottes trägt?
Viele von ihnen hegen unreine Gedanken, unheilige Vorstellungen, ungeheiligte Wünsche und niedere
Leidenschaften. Gott haßt die Frucht eines solchen Baumes. Reine, heilige Engel betrachten ihr
Betragen mit Abscheu, während Satan frohlockt. O daß doch Männer und Frauen erwögen, was ihnen
die Übertretung des göttlichen Gesetzes einbringt! Übertretung ist unter allen Umständen eine
Verunehrung Gottes und ein Fluch für den Menschen. So müssen wir sie ansehen, wie hübsch auch
ihre Maske ist und durch wen sie auch begangen wird.
Als Christi Botin bitte ich euch, die ihr euch zur gegenwärtigen Wahrheit bekennt, daß ihr es bereits
übel aufnehmt, wenn Unreines auch nur gestreift wird, und daß ihr die Gesellschaft derer verlaßt, die
Unreines auch nur andeuten. Verabscheut diese verunreinigenden Sünden mit dem leidenschaftlichsten
Haß. Flieht solche, die auch nur in der Unterhaltung ihre Gedanken in dieser Richtung gehen lassen;
denn „wes des Herz voll ist, des geht der Mund über“. Matthäus 12,34.
Da jene, die diese beschmutzenden Sünden begehen, in der Welt ständig zunehmen und sich auch
in unsere Gemeinden eindrängen möchten, warne ich euch, sie nicht aufzunehmen. Wendet euch vom
Verführer ab. Sollte er auch ein bekenntlicher Nachfolger Christi sein, so ist er doch Satan in
Menschengestalt. Er hat sich das Gewand des Himmels nur geliehen, um seinem Herrn besser zu
dienen. Nicht einen Augenblick solltet ihr einer unsauberen, versteckten Andeutung Raum geben. Denn
selbst dadurch wird die Seele befleckt, wie unreines Wasser den Kanal beschmutzt, den es durchfließt.
Erwählt lieber Armut, Tadel, Trennung von Freunden oder irgendein anderes Leid, als daß ihr euch
mit Sünde befleckt. Lieber Tod als Schande oder Übertretung des Gesetzes Gottes! sollte der
Wahlspruch jedes Christen sein. Als eine Gemeinde, die sich als Reformer bekennt, die die feierlichen,
156
reinigenden Wahrheiten des Wortes Gottes hütet, müssen wir unseren jetzigen Stand noch erheblich
verbessern. Unverzüglich müßt ihr gegen die Sünde und die Sünder in der Gemeinde vorgehen, damit
nicht noch andere angesteckt werden. Wahrheit und Reinheit verlangen, daß wir ein gründliches Werk
tun, um das Lager von den Achans zu säubern. Brüder in verantwortlicher Stellung sollten bei keinem
Sünde dulden. Macht ihm klar, daß er entweder seine Sünden ablegen oder von der Gemeinde getrennt
werden muß.
Wenn die einzelnen Gemeindeglieder sich wie wahre Nachfolger unseres sanftmütigen und
demütigen Heilandes verhalten, wird es seltener vorkommen, daß Sünde zugedeckt und entschuldigt
wird. Alle werden sich bemühen, so zu handeln, als lebten sie in Gottes Gegenwart. Sie werden sich
vergegenwärtigen, daß sein alles durchdringendes Auge stets auf ihnen ruht und daß ihm auch der
geheimste Gedanke bekannt ist. Charakter, Beweggründe, Wünsche und Absichten sind dem Auge des
Allmächtigen ebenso klar wie das Licht der Sonne. Aber nur wenige sind dessen eingedenk. Bei weitem
die meisten machen sich nicht klar, wie furchtbar die Rechenschaft sein wird, die all die Übertreter
seines Gesetzes vor dem Gerichtshof Gottes einmal ablegen müssen.
Könnt ihr, die ihr bekennt, solch großes Licht empfangen zu haben, mit einem niedrigen Niveau
zufrieden sein? Wie ernst und beständig sollten wir nach der Gegenwart Gottes und der Verwirklichung
der feierlichen Wahrheiten trachten, daß das Ende aller Dinge herbeigekommen ist und der Richter der
ganzen Welt vor der Türe steht! Wie könnt ihr seine gerechten und heiligen Forderungen mißachten?
Wie könnt ihr vor Jehovas Angesicht sündigen? Wie könnt ihr unheilige Gedanken und niedrige
Leidenschaften vor den Augen der reinen Engel und des Erlösers pflegen, der sich selbst für euch gab,
damit er euch von aller Ungerechtigkeit erlöse und sich ein besonderes Volk reinige, das eifrig zu guten
Werken ist? Wenn ihr all das im Lichte des Kreuzes Christi erwägt, wird euch dann die Sünde nicht als
zu niederträchtig und gefährlich erscheinen, als daß ihr sie noch begehen könnt, da ihr doch an der
Schwelle der Ewigkeit steht?
157
Ich spreche zu unserem Volk. Wenn ihr euch ganz eng an Jesum haltet und versucht, euer
Bekenntnis durch ein ordentliches Leben und fromme Gespräche zu verherrlichen, dann werden eure
Füße davor bewahrt werden, auf verbotene Wege abzuirren. Wenn ihr nur wachen wolltet, und zwar
ständig und unter Gebet, wenn ihr stets so handeltet, als lebtet ihr in der unmittelbaren Gegenwart
Gottes, würdet ihr davor bewahrt, in der Versuchung zu fallen, und könntet dann hoffen, bis zuletzt rein,
makellos und unbefleckt zu bleiben. Wenn ihr euer Vertrauen bis zum Ende bewahrt, dann werden eure
Wege in Gott gegründet sein. Was die Gnade begonnen hat, das wird im Königreich unseres Gottes mit
Herrlichkeit gekrönt werden. Die Frucht des Geistes ist „Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit,
Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit. Wider solche ist das Gesetz nicht.“ Galater 5,22.23. Wenn
Christus in uns ist, werden wir das Fleisch mit seinen Begierden und Lüsten kreuzigen.
Kapitel 13: Will ein Mensch Gott berauben?
Die Ausbreitung des Lichtes und der Wahrheit auf Erden hat der Herr von den freiwilligen
Anstrengungen und Opfern derjenigen abhängig gemacht, die himmlischer Gaben teilhaftig geworden
sind. Verhältnismäßig wenige sind berufen, als Prediger oder Missionare hinauszugehen. Viele sollen
aber bei der Ausbreitung der Wahrheit mit ihren Mitteln helfen.
Die Geschichte von Ananias und Saphira ist uns berichtet, damit wir die Sünde der Täuschung in
bezug auf unsere Opfer und Gaben erfassen. Freiwillig hatten sie versprochen, einen Teil ihres
Vermögens zur Förderung des Werkes Christi zu geben. Aber als ihnen die Mittel zur Verfügung
standen, lehnten sie es ab, die eingegangene Verpflichtung einzulösen. Trotzdem wollten sie bei den
anderen den Anschein erwecken, als hätten sie alles gegeben. Ihre Bestrafung wurde aufgezeichnet,
damit sie Christen aller Zeiten als eine ständige Warnung diene. Auch in der Gegenwart ist die gleiche
Sünde erschreckend weit verbreitet. Jedoch hören wir von keiner so außerordentlichen
158
Strafe. Der Herr zeigt den Menschen einmal, mit welchem Abscheu er solche Beleidigung seiner Würde
und seiner heiligen Forderungen betrachtet. Dann aber überläßt er es ihnen, die allgemeinen
Grundsätze göttlicher Verwaltung zu befolgen.
Die Einkünfte des Evangeliumswerkes bestehen aus freiwilligen Gaben und dem Zehnten. Von den
Mitteln, die Gott den Menschen anvertraut hat, beansprucht er einen bestimmten Teil — den Zehnten.
Aber er stellt es allen frei, die Höhe des Zehnten zu bestimmen und ob sie mehr als diesen geben
wollen oder nicht. Sie sollen so geben, wie ihr Herz es ihnen eingibt. Wenn aber das Herz, vom Geiste
Gottes bewegt, gelobt hat, einen bestimmten Betrag zu geben, so hat der, der das Gelübde ablegt, kein
Recht mehr an diesem geheiligten Teil. Er hat sein Gelöbnis vor Menschen abgelegt, die dadurch zu
Zeugen dieser Handlung wurden. Gleichzeitig hat er eine Verpflichtung heiligster Art übernommen, als
Mitarbeiter Gottes sein Reich auf Erden zu bauen. Versprechen dieser Art, die man Menschen gemacht
hat, würde man als bindend ansehen. Sind sie nicht in noch höherem Maße heilig und verpflichtend,
wenn sie Gott gegeben wurden? Sind Versprechen, die im Innersten des Gewissens abgelegt wurden,
weniger bindend als geschriebene Abmachungen mit Menschen?
Erleuchtet das göttliche Licht das menschliche Herz mit außergewöhnlicher Klarheit und Kraft, so
lockert die gewohnte Selbstsucht ihren Griff, und die Bereitschaft, dem Werke Gottes zu helfen, wird
wach. Niemand darf erwarten, daß er solche Gelübde ohne Widerstand von seiten Satans einlösen
kann. Satan hat keine Freude am Aufbau des Reiches Christi auf Erden. Er flüstert dem Menschen ein,
daß das Gelöbnis zu hoch gewesen sei. Er ist nun unfähig, Besitz zu erwerben oder die Wünsche
seiner Angehörigen zu erfüllen. Die Macht Satans über die Gedanken der Menschen ist erstaunlich. Er
bemüht sich eifrigst, die Herzen in den Fesseln der Selbstsucht zu erhalten.
Das einzige Mittel, das Gott verordnet hat, um sein Werk zu fördern, besteht darin, daß er die
Menschen mit Besitz gesegnet hat. Er schenkt ihnen Sonnenschein und Regen, er läßt die
159
Pflanzen wachsen, er verleiht Gesundheit und die Fähigkeit, Geld zu verdienen. All unsere Segnungen
entstammen seiner milden Hand. Er möchte, daß Männer und Frauen ihre Dankbarkeit bezeugen,
indem sie ihm einen Teil in Zehnten und Gaben wiedergeben — in Dankopfern, freiwilligen Gaben und
Sühnopfern.
Die Herzen der Menschen verhärten durch Selbstsucht. Wie Ananias und Saphira geraten sie in die
Versuchung, einen Teil des Geldes zurückzubehalten. Sie behaupten aber gleichzeitig, der
Zehntenordnung zu entsprechen. Darf ein Mensch Gott berauben? Wenn die Mittel genau nach Gottes
Plan in die Schatzkammer fließen würden — ein Zehntel alles Einkommens —, dann wären reichlich
Mittel zur Förderung seines Werkes vorhanden.
Nun ja, sagt jemand, aber die Aufforderungen, für das Werk zu geben, nehmen kein Ende. Ich bin
des Gebens müde. Bist du es wirklich? Dann laß mich fragen: Bist du es auch müde, aus Gottes
wohltätiger Hand zu empfangen? So lange wie er dich segnet, wirst du in seiner Schuld stehen, ihm den
Anteil wiederzugeben, den er fordert. Er segnet dich auch, damit du anderen Gutes tun kannst. Wenn
du des Empfangens müde bist, dann darfst du sagen: Ich bin der vielen Aufforderungen zu geben
müde. Von allem, was wir empfangen, behält Gott sich einen Teil vor. Wenn ihm dieser zurückerstattet
ist, dann ist das uns Verbleibende gesegnet. Aber wenn wir es zurückbehalten, dann verfällt das Ganze
früher oder später dem Fluch. Gottes Anspruch kommt zuerst, alles andere ist zweitrangig.
In jeder Gemeinde sollte eine Armenkasse eingerichtet werden. Laßt jedes Gemeindeglied einmal in
der Woche oder im Monat, wie es am besten paßt, Gott ein Dankopfer darbringen. Dieses Opfer wird
unsere Dankbarkeit für Gesundheit, Nahrung und Kleidung zum Ausdruck bringen. Wie Gott uns mit
diesen Gütern gesegnet hat, werden wir für die Armen, Kranken und Notleidenden zurücklegen.
Besonders auf diesen Gegenstand möchte ich die Aufmerksamkeit unserer Brüder lenken. Gedenket
der Armen! Verzichtet etwas auf euer Wohlleben, selbst auf eure Behaglichkeit. Helft denen, die nur die
dürftigste Nahrung
160
und Kleidung erwerben können. Helft ihr ihnen, so tut ihr etwas für Jesum in der Person seiner Heiligen.
Er betrachtet sich als eins mit der leidenden Menschheit. Wartet nicht, bis eure eingebildeten
Bedürfnisse alle befriedigt sind. Verlaßt euch nicht auf eure Gefühle und gebt etwa nur, wenn euch
danach zumute ist, und haltet zurück, wenn ihr abgeneigt seid. Gebt regelmäßig fünfzig Pfennig, eine
oder zwei Mark die Woche, was ihr gerne am Tage des Herrn auf dem himmlischen Bericht sehen
möchtet.
Wir werden euch für eure guten Wünsche danken. Den Armen ist aber mit guten Wünschen allein
nicht geholfen. Sie brauchen greifbare Beweise eurer Freundlichkeit in Form von Nahrung und
Kleidung. Gott will nicht, daß auch nur einer seiner Nachfolger um Brot betteln muß. Er hat euch im
Überfluß gegeben, damit ihr den Teil ihrer Bedürfnisse beschaffen könnt, den sie trotz Fleiß und
Sparsamkeit nicht erwerben konnten. Wartet nicht, bis sie eure Aufmerksamkeit auf ihre Bedürfnisse
lenken. Handelt wie Hiob. Was ihm nicht bekannt war, dem forschte er nach. Unternehmt einen
Erkundungsgang und bringt in Erfahrung, was gebraucht wird und wie es am besten beschafft werden
kann.
Es ist mir gezeigt worden, daß viele unserer Gemeindeglieder den Herrn am Zehnten und an den
Gaben berauben. Sein Werk wird dadurch sehr gehemmt. Gottes Fluch wird auf denen ruhen, die von
seinen Wohltaten leben, aber dennoch ihr Herz verschließen und nichts oder fast nichts tun, um sein
Werk zu fördern. Geschwister, wie kann der gütige Vater euch weiter als seine Haushalter brauchen
und mit Mitteln ausrüsten, die ihr für ihn verwenden sollt, wenn ihr euch alles aneignet und es
selbstsüchtig als das Eure beansprucht?
Viele legen die Mittel, die Gott in ihre Hand gegeben hat, in neuem Landbesitz an, anstatt sie ihm
zurückzugeben. Dieses Übel macht sich auch unter unseren Geschwistern breit. Sie besaßen bisher all
das, was sie gut verwalten konnten, aber die Liebe zum Geld oder der Wunsch, für ebenso wohlhabend
zu gelten wie die Nachbarn, verleiteten sie dazu, ihr Vermögen in der Welt zu vergraben und Gott seine
gerechten Ansprüche vorzuenthalten.
161
Können wir überrascht sein, wenn sie keinen Erfolg haben, wenn Gott ihre Ernte nicht segnet und sie
enttäuscht sind? Wenn unsere Geschwister nur daran dächten, daß Gott zwanzig Morgen Land segnen
und ebenso fruchtbar machen kann wie hundert Morgen, dann würden sie sich nicht mit großem
Landbesitz belasten, sondern ließen ihre Mittel in Gottes Schatzkammer fließen. „Hütet euch aber,“
sagte Christus, „daß eure Herzen nicht beschwert werden mit Fressen und Saufen und mit Sorgen der
Nahrung.“ Lukas 21,34. Satan hat Freude daran, wenn ihr eure Landgüter vergrößert und eure Mittel in
weltliche Unternehmen steckt, denn dadurch hindert ihr nicht nur das Werk in seinem Fortschritt,
sondern durch Sorge und Überarbeitung mindert ihr auch eure Aussicht auf das ewige Leben.
Wir sollten jetzt den ausdrücklichen Befehl unseres Heilands beachten: „Verkaufet, was ihr habt, und
gebet Almosen. Machet euch Beutel, die nicht veralten, einen Schatz, der nimmer abnimmt, im
Himmel.“ Lukas 12,33. Es ist für unsere Geschwister an der Zeit, ihren Besitz zu verringern, statt ihn zu
vermehren. Wir sind dabei, in ein besseres Land umzuziehen, nämlich in ein himmlisches. Darum laßt
uns nicht mehr wie Bewohner der Erde leben, sondern unsere Erwerbungen soviel wie möglich
einschränken.
Die Zeit kommt, daß wir nichts mehr verkaufen können. Bald wird die Verfügung erlassen werden,
daß niemand kaufen oder verkaufen kann, ohne das Malzeichen des Tieres zu haben. Vor einiger Zeit
sind wir in Kalifornien diesem Ereignis sehr nahe gekommen. Dies war jedoch nur ein Drohen, daß die
vier Winde anfangen wollten zu blasen. Bis jetzt werden sie von den vier Engeln gehalten. Wir sind
noch nicht ganz bereit. Ein Werk muß noch verrichtet werden. Dann werden die Engel den Befehl
erhalten, die vier Winde loszulassen, damit sie über die Erde hinwegfegen können. Das wird für Gottes
Volk eine Zeit der Entscheidung sein — eine Trübsalszeit, wie sie nie gewesen ist, seitdem es
Menschen gibt. Jetzt ist unsere Gelegenheit zu wirken.
162
Unter vielen, die sich zur Wahrheit bekennen, herrscht ein Geist der Unrast. Einige möchten in ein
anderes Land oder einen anderen Staat gehen, große Ländereien kaufen und ein ausgedehntes
Geschäft beginnen. Andere zieht es in die Stadt. Dadurch werden kleine Gemeinden in Schwäche und
Entmutigung zurückgelassen, um auszusterben. Hätten jene, die sie verlassen haben, sich mit weniger
begnügt und ihre Arbeit treu verrichtet, wären ihre Familien trotzdem gut versorgt gewesen, und sie
selbst wären frei, um ihre Seelen in der Liebe zu Gott zu erhalten. Viele, die wegziehen, werden
enttäuscht. Sie verlieren den wenigen Besitz, den sie hatten, verlieren die Gesundheit und geben
zuletzt die Wahrheit auf.
Der Herr kommt. Jeder sollte seinen Glauben durch seine Werke bekunden. Der Glaube an Christi
baldiges Kommen ist in unseren Gemeinden am Aussterben. Selbstsucht veranlaßt sie, Gott zu
berauben und eigenen Interessen zu dienen. Wohnt Christus in uns, werden wir uns selbst verleugnen,
wie er es getan hat.
In der Vergangenheit war unser Volk sehr freigebig. Wenn aufgerufen wurde, den verschiedenen
Unternehmungen des Werkes zu helfen, waren alle bereit. Jetzt ist jedoch eine Veränderung
eingetreten. Das Geld wird zurückgehalten, besonders von unseren Geschwistern im Osten, während
Weltlichkeit und Liebe zu Besitztum zunehmen. Die Versprechen, unseren verschiedenen Anstalten und
Unternehmungen zu helfen, werden nicht eingehalten. Unterzeichnungen, eine Versammlungsstätte zu
bauen, eine Schule einzurichten oder das Missionswerk zu unterstützen, werden als Gelübde
betrachtet, die man nicht unbedingt einhalten müsse, wenn es nicht bequem ist. Diese Versprechungen
wurden unter dem Einfluß des Geistes Gottes gemacht. Dann beraubt ihn nicht dessen, was ihm
rechtmäßig gehört. Brüder und Schwestern, überschaut euer vergangenes Leben, ob ihr euch
gewissenhaft Gott gegenüber verhalten habt. Gibt es Gelübde, die ihr nicht erfüllt habt? Ist es so, dann
beschließt, sie zu erfüllen, wenn es euch eben möglich ist.
Hört auf den Rat des Herrn: „Bringet aber die Zehnten ganz in mein Kornhaus, auf daß in meinem
Hause Speise sei,
163
und prüfet mich hierin, spricht der Herr Zebaoth, ob ich euch nicht des Himmels Fenster auftun werde
und Segen herabschütten die Fülle. Und ich will für euch den Fresser schelten, daß er euch die Frucht
auf dem Felde nicht verderben soll und der Weinstock im Acker euch nicht unfruchtbar sei, spricht der
Herr Zebaoth;“ (Maleachi 3,10.11) „daß euch alle Heiden sollen selig preisen, denn ihr sollt ein wertes
Land sein, spricht der Herr Zebaoth.“ Maleachi 3,12.
Wollt ihr die Verheißungen, die der Herr hier macht, nicht in Anspruch nehmen, eure Selbstsucht
ablegen und ernstlich anfangen, sein Werk zu fördern? Stärkt nicht euren Halt an dieser Welt, indem ihr
euren ärmeren Nachbarn übervorteilt; denn Gottes Auge sieht euch. Er liest jeden eurer Beweggründe
und wiegt euch auf der Waage des Heiligtums.
Ich sah, daß viele zu Lebzeiten dem Werk ihre Mittel vorenthalten und ihr Gewissen damit
beruhigen, daß sie es in ihrem Testament berücksichtigen werden. Sie wagen nicht, Gott zu glauben
und zu vertrauen und etwas zu geben, solange sie leben. Aber diese Totenbett-Freigebigkeit ist nicht
das, was Christus von seinen Nachfolgern fordert. Sie kann nicht die Selbstsucht der Lebenden
entschuldigen. Die sich bis zuletzt an ihr Eigentum klammern, überlassen es eher dem Tod als dem
Werke Gottes. Immer wieder kommt es zu Verlusten. Banken gehen bankrott, und das Eigentum wird
auf mancherlei Weise verzehrt. Viele nehmen sich vor, etwas zu geben, aber sie zögern damit, und
Satan wirkt, um zu verhüten, daß überhaupt etwas in des Herrn Schatzhaus fließt. Es geht verloren,
ehe es Gott zurückerstattet wurde, und Satan frohlockt.
Wenn ihr mit euren Mitteln etwas Gutes tun wollt, tut es gleich, sonst wird Satan es in seine Hände
nehmen und somit Gottes Werk behindern. Oftmals, wenn der Herr für Brüder den Weg öffnete, ihre
Mittel im Werke Gottes anzulegen, haben Satans Helfer ihnen irgendein Unternehmen angepriesen, wo
sie angeblich ihre Mittel verdoppeln könnten. Sie nehmen den Köder an; sie investieren ihr Geld, und
oftmals sehen das Werk und sie selbst niemals mehr einen Cent davon.
164
Geschwister, denkt an das Werk. Wenn euch Mittel zur Verfügung stehen, legt ein gutes Fundament
für die Zukunft, damit ihr das ewige Leben ergreifen mögt. Jesus wurde arm um euretwillen, damit ihr
durch seine Armut reich an himmlischen Schätzen werden könnt. Was wollt ihr Jesu geben, der alles für
euch aufgegeben hat?
Es wäre nicht recht, wenn ihr eure Freigebigkeit vom Testament nach eurem Tode abhängig macht.
Ihr könnt niemals völlig sicher sein, daß das Werk wirklich Nutzen davon haben wird. Satan wirkt mit
aller Verschlagenheit auf die Verwandten ein, und jede Falschheit wird angewandt, um der Welt das
zufließen zu lassen, was feierlich dem Werke Gottes geweiht war. Dem guten Zweck fällt viel weniger
zu als der Erblasser beabsichtigte. Satan wirkt an den Herzen von Männern und Frauen, bei ihren
Verwandten zu protestieren, wenn diese nach eigenem Gutdünken über ihr Eigentum verfügen wollen.
Sie betrachten alles, was dem Herrn gegeben wird, als eine Beraubung der Hinterbliebenen. Wenn ihr
eure Mittel dem Werk geben wollt, dann gebt sie oder alles, das ihr nicht wirklich zu eurem Unterhalt
benötigt, solange ihr lebt. Einige Geschwister tun dies und sind sehr froh darüber, ihre eigenen
Testamentsvollstrecker zu sein. Wird der Geiz der Menschen es nötig machen, sie ihres Lebens zu
berauben, damit das Eigentum, das Gott ihnen geliehen hat, nicht für immer ungenutzt bleibt? Niemand
von euch sollte sich so verhalten, daß ihn der Fluch des untreuen Knechtes trifft, der seines Herrn Geld
in der Erde vergrub.
Mildtätigkeit nach dem Tode ist ein ärmlicher Ersatz für Wohltun im Leben. Viele werden ihren
Freunden und Verwandten alles hinterlassen — außer einem sehr geringen Anteil ihres Vermögens.
Diesen überlassen sie ihrem allerbesten Freund, der um ihretwillen arm wurde, der Beleidigungen,
Spott und den Tod erduldete, damit sie Söhne und Töchter Gottes werden können. Und doch erwarten
sie, daß dieser Freund sie mitnimmt zu den ewigen Wohnungen, wenn die gerechten Toten zum ewigen
Leben auferweckt werden.
Christi Werk wird nicht durch einen vorübergehenden Gedanken oder eine unbedachte Handlung
beraubt. Nein. Ihr tut
165
euren letzten Willen durch eine wohlüberlegte Verfügung kund und überschreibt euer Vermögen den
Ungläubigen. Nachdem ihr Gott während eurer Lebenszeit beraubt habt, fahrt ihr fort, ihn nach eurem
Tode zu berauben. Ihr tut dies mit Zustimmung aller Verstandeskräfte in einem Dokument, das ihr als
letzten Willen bezeichnet. Was glaubt ihr, wird eures Meisters Wille euch gegenüber sein, indem ihr so
über seine Güter verfügt? Was werdet ihr sagen, wenn Rechenschaft von eurer Haushalterschaft
gefordert wird?
Geschwister, erwacht aus eurem selbstsüchtigen Leben und handelt wie konsequente Christen. Der
Herr fordert von euch, mit eurem Geld sparsam umzugehen und jede Mark, die ihr nicht zu eurer
Behaglichkeit benötigt, in sein Schatzhaus zu bringen. Schwestern, spendet jenen Groschen, jene
Mark, die ihr für Süßigkeiten, Rüschen und Spitzen ausgeben wollt, dem Werke Gottes. Viele unserer
Schwestern verdienen gutes Geld, aber beinahe alles wird ausgegeben, um ihren Kleiderstolz zu
befriedigen.
Die Bedürfnisse des Werkes werden ständig zunehmen, je näher das Ende kommt. Mittel werden
benötigt, um jungen Männern zu ermöglichen, an einem kurzen Studienkurs in unseren Schulen
teilzunehmen, wodurch sie für wirksame Arbeit im Predigtamt oder in anderen Zweigen des Werkes
vorbereitet werden. Wir sind uns unseres Vorrechtes in dieser Sache nicht bewußt. Alle Schulen, die wir
besitzen, wird man bald schließen. Wieviel mehr hätte getan werden können, wenn alle Menschen den
Forderungen Christi nach christlicher Wohltätigkeit nachgekommen wären! Welchen Einfluß hätte diese
Bereitwilligkeit, alles für Christum aufzugeben, auf die Welt gehabt! Es wäre das überzeugendste
Argument zugunsten der Wahrheit gewesen, zu der wir uns bekennen — ein Argument, das die Welt
nicht mißverstehen, dem sie nicht widersprechen kann. Der Herr würde uns durch seinen Segen
ausgezeichnet haben, selbst in den Augen der Welt.
Die erste Christengemeinde hatte nicht die Vorrechte und Gelegenheiten, wie wir sie haben. Sie
waren ein armes Volk, aber sie empfanden die Macht der Wahrheit. Das Ziel, auf das
166
sie zustrebten, genügte ihnen, um alles zu investieren. Sie fühlten, daß die Errettung oder das
Verlorengehen einer Welt von ihrem Mitwirken abhing. Sie setzten alles ein und hielten sich bereit, auf
des Herrn Geheiß zu gehen oder zu kommen.
Wir bekennen, von den gleichen Prinzipien beherrscht, vom gleichen Geist inspiriert zu sein. Aber
anstatt alles um Christi willen zu geben, haben viele die goldene Stange und einen köstlichen
babylonischen Mantel genommen und sie in der Hütte verscharrt. Wenn die Anwesenheit eines Achans
genügte, um das ganze Lager Israels zu schwächen, können wir dann über den geringen Erfolg
erstaunt sein, der unseren Bemühungen beschieden ist, wenn jede Gemeinde und beinahe jede Familie
ihren Achan hat? Jeder von uns sollte ans Werk gehen und durch sein Beispiel selbstloser Wohltätigkeit
andere mitreißen. Das Werk hätte mit weit größerer Kraft voranschreiten können, wenn alle das in ihrer
Macht Stehende getan hätten, das Schatzhaus mit Geldmitteln zu versorgen.
Kapitel 14: Die Kraft der Wahrheit
In früheren Zeiten wurde Gottes Wort von seinen Predigern unter „Bekundung des Geistes und mit
Kraft“ verkündigt. Die Herzen der Menschen wurden durch die Verkündigung des Evangeliums bewegt.
Warum hat das Predigen des Wortes heute so wenig Kraft, die Menschen anzurühren? Ist Gott in
diesem Zeitalter weniger willig, seinen Segen auf die Arbeiter in seinem Werk zu legen als in den Tagen
der Apostel?
Die Warnung, die wir der Welt bringen, muß ihr als Geruch des Lebens zum Leben oder als Geruch
des Todes zum Tode dienen. Wird der Herr wirklich seine Diener mit dieser wichtigen, feierlichen
Botschaft aussenden und ihnen seinen Heiligen Geist vorenthalten? Sollten fehlerhafte, irrende
Menschen ohne besondere Gnade und Kraft von Gott es wagen, zwischen den Lebenden und Toten
stehen, um Worte ewigen Lebens zu sprechen? Unser Herr ist reich an Gnade, groß an Macht. Er wird
diese Gaben denen reichlich mitteilen, die im
167
Glauben zu ihm kommen. Er ist williger, allen, die ihn bitten, den Heiligen Geist zu geben, als Eltern
willig sind, ihren Kindern gute Gaben zu geben. Der Grund, warum die kostbare, wichtige Wahrheit für
diese Zeit nicht machtvoller ist zu retten, ist der, daß wir nicht im Glauben wirken.
Wir sollten ebenso ernst um die Ausgießung des Heiligen Geistes bitten wie die Jünger zu
Pfingsten. Wenn sie ihn zu jener Zeit brauchten, wieviel nötiger haben wir ihn heute. Moralische
Finsternis bedeckt die Erde gleich einem Leichentuch. Alle Arten von falschen Lehren, Irrtümern und
satanischen Betrugs verleiten die Sinne der Menschen. Ohne den Geist und die Kraft Gottes wird
unsere Verkündigung der Wahrheit umsonst sein.
Nur wenn wir auf Christum schauen, Glauben an ihn üben und selbst seine errettende Gnade
erfahren, sind wir fähig, ihn der Welt darzustellen. Wenn wir von ihm gelernt haben, wird Jesus unser
Gesprächsthema sein. Seine Liebe, die auf dem Altar unseres Herzens brennt, wird die Herzen des
Volks erreichen. Die Wahrheit wird nicht als kalte, leblose Theorie, sondern in der Kraft des Heiligen
Geistes vorgeführt werden.
Viele unserer Prediger verweilen in ihren Predigten zu sehr bei der Theorie und nicht genug bei
praktischer Frömmigkeit. Sie besitzen eine verstandesmäßige Erkenntnis der Wahrheit; ihre Herzen
erglühen jedoch nicht von der echten Wärme der Liebe zu Christo. Viele haben durch das Studium
unserer Literatur eine Erkenntnis der Argumente erlangt, welche die Wahrheit unterstützen. Sie haben
die Bibel nicht selbst studiert. Sie trachten nicht fortwährend nach einer tieferen und gründlicheren
Erkenntnis des Erlösungsplanes, wie er sich in der Schrift offenbart. Während sie anderen predigen,
werden sie selbst zu Zwergen, was das religiöse Wachstum anbetrifft. Sie versäumen, sich oft im Gebet
vor Gott zu beugen und ihn um seinen Geist und seine Gnade anzuflehen, damit sie Christum in rechter
Weise der Welt vorführen können.
Menschliche Stärke ist Schwachheit, menschliche Weisheit Torheit. Unser Erfolg hängt nicht von
unseren Talenten oder unserer Gelehrsamkeit ab, sondern von unserer lebendigen Verbindung mit
Gott. Die Wahrheit wird ihrer Kraft beraubt,
168
wenn sie von Männern gepredigt wird, die ihre eigene Gelehrsamkeit und Fähigkeit zur Schau stellen
wollen. Solche Männer offenbaren, daß sie sehr wenig von erfahrungsmäßiger Religion wissen, daß
ihre Herzen und ihr Leben ungeheiligt sind und daß Eigendünkel sie erfüllt. Sie lernen nicht von Jesu.
Sie können anderen keinen Heiland vorführen, mit dem sie selbst nicht bekannt sind. Ihre eigenen
Herzen wurden nicht durch eine lebendige Empfindung des großen Opfers, das Christus zur Rettung
verlorener Menschen brachte, besänftigt und unterwürfig gemacht. Sie betrachten es nicht als Vorrecht,
sich selbst zu verleugnen und um seines teuren Werkes willen zu leiden. Einige erhöhen sich selbst und
reden von sich selbst. Ihre Predigten und Artikel verfassen sie, um die Aufmerksamkeit des Volkes auf
den Prediger zu lenken. Sie befürchten, nicht die ihnen zustehende Ehre zu empfangen. Hätten wir
Christum mehr erhöht anstatt den Prediger, dem Urheber der Wahrheit mehr Lob gezollt als dem Boten,
dann würden wir eine günstigere Stellung vor Gott einnehmen, als es heute der Fall ist.
Der Erlösungsplan wird aus dem Grunde nicht in seiner Einfachheit vorgeführt, weil nur wenige
Prediger wissen, was einfacher Glaube bedeutet. Eine verstandesmäßige Erkenntnis der Wahrheit
genügt nicht. Wir müssen ihre Kraft am eigenen Herzen und im eigenen Leben verspürt haben.
Prediger müssen zu Christo kommen wie kleine Kinder. Sucht Jesum, Brüder, bekennt eure Sünden,
bittet Gott Tag und Nacht, bis ihr die Gewißheit erlangt habt, daß euch um Christi willen vergeben ist
und ihr angenommen seid. Dann werdet ihr viel lieben können, weil euch viel vergeben wurde. Dann
könnt ihr andere auf Christum als einen sündenvergebenden Heiland hinweisen. Dann seid ihr
vorbereitet, die Wahrheit aus vollem Herzen, das ihre heiligende Kraft erfahren hat, vorzuführen. Ich
habe Angst um euch, meine Brüder. Ich rate euch, in Jerusalem zu verweilen, wie es die Jünger taten,
bis ihr gleich ihnen die Taufe mit dem Heiligen Geist empfangen habt. Fühlt euch niemals frei, aufs
Podium zu treten, bis ihr im Glauben den Arm eurer Kraft ergriffen habt.
169
Besitzen wir Christi Geist, werden wir wirken, wie er gewirkt hat. Wir werden die Gedanken des
Mannes von Nazareth aufgreifen und sie dem Volk vorführen. Wären wir, anstatt formelle Bekenner und
unbekehrte Prediger, in der Tat Christi Nachfolger, würden wir die Wahrheit in solcher Sanftmut und
Inbrunst vorführen und sie in unserm Leben bekunden, daß die Welt nicht fortwährend in Frage stellen
müßte, ob wir wirklich glauben, was wir bekennen. Würden wir die Botschaft in der Liebe Christi
verkündigen, stets den Wert von Seelen bedenkend, würden selbst Weltmenschen zu der Überzeugung
gelangen: „Sie sind wie Jesus.“
Wenn wir andere reformieren wollen, müssen wir selbst die Grundsätze praktizieren, die wir ihnen
einschärfen wollen. Worte, wie gut sie auch sein mögen, werden machtlos sein, wenn das tägliche
Leben ihnen widerspricht. Prediger Christi, ich ermahne euch: „Habe acht auf dich selbst und auf die
Lehre.“ 1.Timotheus 4,16. Entschuldigt keine Sünde in euch selbst, die ihr bei andern rügt. Wenn ihr
von Sanftmut und Liebe predigt, offenbart diese Gnadengaben in eurem eigenen Leben. Wenn ihr
anderen gebietet, daheim freundlich, höflich und aufmerksam zu sein, stärkt eure Ermahnungen durch
euer eigenes Vorbild. Weil ihr größeres Licht als andere empfangen habt, darum habt ihr auch größere
Verantwortung. Ihr werdet viele Streiche empfangen, wenn ihr eures Meisters Willen vernachlässigt.
Satan wird sein Netz ebenso sicher für uns auslegen, wie er es für die Kinder Israel auslegte,
gerade bevor sie in Kanaan einzogen. Wir wiederholen die Geschichte jenes Volkes. Leichtsinn,
Eitelkeit, Liebe zu Bequemlichkeit und Vergnügen, Selbstsucht und Unreinheit nehmen unter uns zu.
Wir benötigen jetzt Männer, die entschlossen und furchtlos den vollständigen Rat Gottes verkündigen;
Männer, die nicht schlafen wie die anderen, sondern wachen und nüchtern sind. Da ich mit dem großen
Mangel an Heiligkeit und Stärke unter unseren Predigern bekannt bin, schmerzen mich die
Bemühungen um Selbsterhöhung. Könnten sie nur sehen, wie Jesus ist, und dann sich selbst, wie sie
sind, so schwach, so ungenügend, ihrem Meister
170
so unähnlich, dann würden sie sagen: Wenn mein Name nur im äußersten Eck des Lebensbuches
verzeichnet stünde, würde es mir schon genügen; so unwürdig bin ich seiner Beachtung.
Es ist eure Aufgabe, sein Vorbild zu studieren und ihm nachzueifern. War Christus
selbstverleugnend? Dann müßt auch ihr es sein. War er sanftmütig und demütig? Dann müßt ihr es
sein. War er eifrig im Werk der Seelenrettung? Ihr müßt es auch sein. Wirkte Christus zur
Verherrlichung seines Vaters? Tut das gleiche. Erbat er oft Hilfe von Gott? Tut es ebenfalls. War
Christus geduldig? Seid es auch. Wie Christus seinen Feinden vergab, so sollt auch ihr euren Feinden
vergeben.
Es ist nicht so sehr die Religion, die wir am Rednerpult zur Schau stellen, als jene, die wir in der
Familie bekunden, die unseren wahren Charakter offenbart. Die Frau des Predigers, seine Kinder und
die Angestellten in seinem Heim sind am besten geeignet, über seine Frömmigkeit zu urteilen. Ein guter
Mann wird ein Segen in seinem Haushalt sein. Seine Frau, seine Kinder und die Gehilfen werden durch
seine Religion gebessert.
Brüder, bringt Christum in die Familie, nehmt ihn mit ans Podium und wohin immer ihr geht. Dann
braucht ihr andere nicht zu nötigen, das Predigtamt zu würdigen, denn ihr werdet die himmlische
Beglaubigung haben, die allen beweist, daß ihr Diener Christi seid. Nehmt Christum mit in eure Stunden
der Einsamkeit. Denkt daran, daß er oft betete. Sein Leben wurde fortwährend erquickt durch frische
Eingebungen des Heiligen Geistes. Laßt eure Gedanken, euer Innenleben so sein, daß ihr euch nicht
schämen müßt, wenn ihr dem Bericht darüber am Tage Gottes begegnen werdet.
Der Himmel ist für die innigen Gebete der Gerechten nicht verschlossen. Elia war ein Mensch mit
den gleichen Neigungen wie wir, und doch erhörte der Herr seine Bitten in höchst auffallender Weise.
Der einzige Grund unseres Mangels an Kraft durch Gott liegt in uns selbst. Wenn das Innenleben vieler,
die sich zur Wahrheit bekennen, ihnen vorgeführt würde, wagten sie nicht den Anspruch zu erheben,
Christen zu sein. Sie wachsen nicht in der Gnade. Dann und wann wird ein hastiges Gebet gesprochen,
aber es besteht keine wirkliche Verbindung mit Gott.
171
Wir müssen viel beten, wenn wir Fortschritte im göttlichen Leben machen wollen. Wieviel haben wir
gebetet, als die Botschaft der Wahrheit zuerst verkündigt wurde. Wie oft wurde die Stimme der Fürbitte
im Kämmerlein, in der Scheune, im Obstgarten oder im Wäldchen vernommen. Oftmals verbrachten wir
Stunden in ernstem Gebet, zwei oder drei gemeinsam, um die Verheißung zu beanspruchen. Oft war
Weinen zu hören, dann wurde die Stimme zu Dank- und Lobliedern erhoben. Jetzt ist der Tag Gottes
näher, als da wir gläubig wurden. Wir sollten viel ernster, eifriger und inbrünstiger sein als in jenen
früheren Tagen. Unsere Gefahren sind größer als damals. Die Seelen sind mehr verhärtet. Wir müssen
mit dem Geiste Christi beseelt werden. Wir dürfen nicht zufrieden sein, bis wir ihn empfangen haben.
Geschwister, habt ihr vergessen, daß eure Gebete wie scharfe Sicheln sein sollen, um die Arbeiter
im großen Erntefeld zu unterstützen? Wenn junge Männer hinausgehen, die Wahrheit zu predigen,
solltet ihr Zeiten des Gebets für sie einschalten. Bittet Gott, daß er sich mit ihnen verbinden und ihnen
Weisheit, Gnade und Erkenntnis verleihen möge. Betet darum, daß sie vor Satans Schlingen bewahrt
und rein in Gedanken und heilig im Herzen bleiben mögen. Ich bitte alle, die den Herrn fürchten, ihre
Zeit nicht mit nutzlosen Gesprächen oder unwichtigen Arbeiten zu vergeuden, um den Stolz oder den
Appetit zu befriedigen. Verwendet die so eingesparte Zeit, um mit Gott um eurer Prediger willen zu
ringen. Haltet ihre Hände empor, wie Aaron und Hur die Hände von Moses.
Kapitel 15: Unsere Lagerversammlungen
Es wurde mir gezeigt, daß einige unserer Lagerversammlungen weit von dem entfernt sind, was sie
nach Gottes Absicht sein sollten. Die Geschwister kommen unvorbereitet für das Wirken des Heiligen
Geistes. Im allgemeinen verwenden die Schwestern vor der Versammlung viel Zeit, um Kleider als
äußerlichen Schmuck herzustellen. Dabei vergessen sie völlig
172
den inneren Schmuck, der in Gottes Augen sehr wertvoll ist. Es wird außerdem viel Zeit zu nutzlosem
Kochen, zur Herstellung von Torten, Kuchen und anderen Speisen vergeudet, die dem Genießer
gesundheitlich schaden. Würden unsere Schwestern sich mit gutem Brot und einigen anderen
gesunden Nahrungsmitteln versorgen, wären sie und ihre Familien besser vorbereitet, die Worte des
Lebens zu würdigen und wären weit zugänglicher für den Einfluß des Heiligen Geistes.
Oftmals ist der Magen mit Speisen überlastet, die selten so einfach sind, wie es daheim üblich ist,
wo man sich doppelt oder dreimal so viel Bewegung verschafft. Der Verstand wird dadurch so träge,
daß es ihm schwer fällt, ewige Dinge zu erfassen und zu würdigen. Die Versammlung ist zu Ende, und
die Geschwister sind enttäuscht, daß sie so wenig vom Wirken des Geistes Gottes verspürt haben.
In der Vorbereitung auf die Versammlung sollte jeder einzelne sein eigenes Herz genau und kritisch
vor Gott prüfen. Wenn unfreundliche Gefühle, Uneinigkeit oder Streit in der Familie geherrscht haben,
gehört es zur Vorbereitung, als erstes einander die Fehler zu bekennen und mit- und füreinander zu
beten. Demütigt euch vor Gott. Bemüht euch ernstlich, den Seelentempel von allem Schutt zu reinigen
— allem Neid, aller Eifersucht, allem Argwohn und aller Kritik. „Reiniget die Hände, ihr Sünder, und
machet eure Herzen keusch, ihr Wankelmütigen. Seid elend und traget Leid und weinet; euer Lachen
verkehre sich in Weinen und eure Freude in Traurigkeit. Demütiget euch vor Gott, so wird er euch
erhöhen.“ Jakobus 4,8-10.
Der Herr spricht; geht ins Kämmerlein, und redet in der Stille mit eurem Herzen; hört auf die Stimme
der Wahrheit und des Gewissens. Nichts wird euch besser zur Selbsterkenntnis verhelfen als das stille
Gebet. Er, der in das Geheime sieht und alle Dinge kennt, wird euer Verständnis erleuchten und euer
Flehen beantworten. Es werden sich vor euch einfache, deutliche Pflichten eröffnen, die nicht versäumt
werden dürfen. Macht einen Bund mit Gott, euch und all eure Kräfte dem Dienste Gottes zu weihen.
Nehmt dieses ungetane Werk nicht mit zur Lagerversammlung. Verrichtet ihr es nicht daheim, werdet
173
ihr selbst leiden und andere werden durch eure Kälte, eure Starrheit und geistliche Stumpfheit sehr in
Mitleidenschaft gezogen werden.
Ich habe den Zustand des Volkes gesehen, das sich zur Wahrheit bekennt. Die Worte des
Propheten Hesekiel beziehen sich heute auf sie: „Menschenkind, diese Leute hangen mit ihrem Herzen
an ihren Götzen und halten an dem Anstoß zu ihrer Missetat; sollte ich denn ihnen antworten, wenn sie
mich fragen? Darum rede mit ihnen und sage zu ihnen: So spricht der Herr Herr: Welcher Mensch vom
Hause Israel mit dem Herzen an seinen Götzen hängt und hält an dem Anstoß zu seiner Missetat und
kommt zum Propheten, dem will ich, der Herr, antworten, wie er verdient hat mit seiner großen
Abgötterei.“ Hesekiel 14,3.4.
Wenn wir die Dinge der Welt lieben, uns an der Ungerechtigkeit erfreuen oder Gemeinschaft mit den
unfruchtbaren Werken der Finsternis haben, haben wir einen Stein des Anstoßes vor unsere Füße
gesetzt und Götzen in unserm Herzen aufgestellt. Werden wir diese nicht durch entschlossene
Anstrengungen beseitigen, werden wir nie als Söhne und Töchter Gottes anerkannt.
Hier ist ein Werk für Familien zu tun, ehe sie an unseren heiligen Zusammenkünften teilnehmen.
Laßt die Vorbereitungen für Nahrung und Kleidung eine untergeordnete Stelle einnehmen; aber beginnt
mit tiefer Herzenserforschung daheim. Betet dreimal am Tag, und seid wie Jakob ausdauernd. Zu
Hause ist der Platz, um Jesum zu finden. Dann nehmt ihn mit zur Versammlung. Wie köstlich werden
dann die dort verbrachten Stunden sein! Wie könnt ihr erwarten, des Herrn Gegenwart zu verspüren
und seine Macht entfaltet zu sehen, wenn das persönliche Werk der Vorbereitung für jene Zeit versäumt
wurde?
Um eurer eigenen Seele willen, um Christi willen und um anderer willen, geht daheim ans Werk!
Betet, wie ihr nie gebetet habt. Laßt euer Herz vor Gott zerbrechen. Bringt euer Haus in Ordnung.
Bereitet eure Kinder auf das Ereignis vor. Lehrt sie, daß es nicht so wichtig ist, ob sie in feinen Kleidern
dort erscheinen, sondern daß sie mit reinen Händen und Herzen
174
vor Gott hintreten. Entfernt jedes Hindernis, das ihnen im Weg stehen mag — alle
Meinungsverschiedenheiten, die zwischen ihnen untereinander oder zwischen euch und ihnen
bestanden haben mögen. Wenn ihr so handelt, ladet ihr den Herrn ein, in eurem Heim zu verweilen.
Heilige Engel werden euch zur Versammlung begleiten, und ihr Licht und ihre Gegenwart werden die
Finsternis der bösen Engel vertreiben. Selbst Ungläubige werden die heilige Atmosphäre empfinden,
wenn sie den Lagerplatz betreten. O, wie viel geht doch verloren, wenn dieses wichtige Werk
vernachlässigt wird! Die Predigten mögen euch gefallen, ihr mögt belebt und erfrischt werden. Aber die
bekehrende, reformierende Kraft Gottes wird im Herzen nicht so tief empfunden werden, und das Werk
wird nicht so gründlich und dauerhaft sein, wie es sein sollte. Welch einer Versammlung könnten wir
uns erfreuen, wenn der Stolz gekreuzigt und die Seele mit dem unschätzbaren Gewand der
Gerechtigkeit Christi bekleidet wäre! Sie würde für euch wie die Pforte zum Himmel sein.
Das gleiche Werk der Demütigung und Herzenserforschung sollte auch in der Gemeinde
geschehen, so daß alle Meinungsverschiedenheiten und Zwistigkeiten unter Brüdern beseitigt sind, ehe
die Geschwister bei diesen jährlichen Zusammenkünften vor dem Herrn erscheinen. Verrichtet dieses
Werk in vollem Ernst und ruht nicht, bis es getan ist. Würdet ihr mit euren Zweifeln, euren Klagen und
euren Streitereien zur Versammlung kommen, so würdet ihr böse Engel mit zum Lager bringen und
Finsternis verbreiten, wohin ihr euch wendet.
Es wurde mir gezeigt, daß diese jährlichen Versammlungen nur wenig bewirkt haben, eben weil
diese Vorbereitungen versäumt wurden. Die Prediger sind selten vorbereitet, für Gott zu arbeiten. Es
gibt viele Redner — solche, die scharfe, schneidende Worte sprechen, über andere Kirchen herziehen
und ihre Glaubensansichten verspotten können — aber es gibt nur wenig ernste Arbeiter für Gott. Diese
scharfsinnigen, selbstbewußten Sprecher geben vor, eine Wahrheit zu besitzen, die allen andern
Glaubensrichtungen überlegen ist. Aber ihre Arbeitsweise und ihr religiöser Eifer stimmen in keiner
Weise mit ihrem Glaubensbekenntnis überein.
175
Ich schaute aus nach der Herzensdemut, die jeden Prediger wie einen gut sitzenden Anzug
bekleiden sollte; aber ich sah sie nicht. Ich schaute aus nach der tiefen Liebe zu Seelen, die sie nach
des Meisters Worten auszeichnen sollte; aber sie hatten sie nicht. Ich horchte auf ernste Gebete,
dargebracht unter Tränen und Seelenangst für die Unbußfertigen und Ungläubigen in ihrem eigenen
Heim und in der Gemeinde; doch ich hörte sie nicht. Ich wartete auf Aufrufe, unter Bekundung des
Heiligen Geistes vorgetragen; doch sie fehlten. Ich schaute aus nach Lastenträgern, die in einer Zeit
wie dieser zwischen Halle und Altar weinten und riefen: „Herr, schone deines Volkes und laß dein
Erbteil nicht zu Schanden werden“ (Joel 2,17); aber ich hörte keine solchen flehentlichen Bitten. Ein
paar ernste, demutsvolle Seelen suchten den Herrn. Bei einigen dieser Versammlungen gab es ein
oder zwei Prediger, welche die Last fühlten und davon niedergebeugt waren wie ein Wagen unter der
Last der Garben. Aber die große Mehrzahl der Prediger hatte nicht mehr Begriff von der Heiligkeit ihres
Werkes, als Kinder sie haben.
Ich sah, was diese jährlichen Versammlungen sein könnten und sein müßten — Versammlungen,
wo ernstlich gearbeitet werden sollte. Prediger sollten ihre eigenen Herzen vorbereiten, ehe sie
versuchen, anderen zu helfen. Unsere Geschwister sind vielen der Prediger weit voraus. Sie sollten
unermüdlich im Gebet ringen, bis der Herr sie segnet. Wenn Gottes Liebe auf dem Altar ihrer Herzen
brennt, werden sie nicht predigen, um ihre eigene Verstandesschärfe zum Ausdruck zu bringen,
sondern um Christum vorzuführen, der die Sünden der Welt hinwegnimmt.
In der ersten Gemeinde wurde das Christentum in seiner Reinheit verkündigt. Ihre Anordnungen
wurden durch die Stimme der Inspiration erteilt. Ihre religiösen Bräuche waren nicht durch menschliche
Erfindungen verdorben. Die Gemeinde offenbarte den Geist Christi und war schön in ihrer Einfachheit.
Ihr Schmuck waren die heiligen Grundsätze und das vorbildliche Leben ihrer Glieder. Ganze
Volksmengen wurden für Christum gewonnen, nicht durch Schau oder Gelehrsamkeit, sondern durch
die Kraft Gottes, die das deutliche Predigen
176
seines Wortes begleitete. Aber die Gemeinde ist verdorben. Jetzt ist es wie nie zuvor notwendig, daß
Prediger Kanäle des Lichts sind.
Es gibt viele leichtfertige Verkündiger der Bibelwahrheit, deren Seelen so sehr des Geistes Gottes
ermangeln, wie die Hügel von Gilboa ohne Tau und Regen waren. Wir brauchen Männer, die selbst
gründlich bekehrt sind und die andere belehren können, wie sie ihre Herzen Gott übergeben sollen. Die
Kraft der Gottseligkeit hat beinahe aufgehört, in unseren Gemeinden zu existieren. Warum ist es so?
Der Herr wartet noch darauf, gnädig zu sein. Er hat die Fenster des Himmels nicht zugeschlossen. Wir
selbst haben uns von ihm getrennt. Wir müssen unser Glaubensauge aufs Kreuz heften und glauben,
daß Jesus unsere Kraft, unsere Erlösung ist.
Wenn wir sehen müssen, wie unsere Prediger und unsere Geschwister ihre Arbeit so leicht nehmen
und keine Last fühlen, fragen wir: Wird der Herr, wenn er erscheint, Glauben finden auf Erden? Es
mangelt an Glauben. Gott ist reich an Gnade und Macht, die uns zur Verfügung stehen. Der Grund,
weshalb wir unser großes Bedürfnis nicht fühlen, liegt darin, daß wir auf uns selbst anstatt auf Jesum
schauen. Wir erhöhen Jesus nicht und verlassen uns nicht völlig auf seine Verdienste.
Könnte ich doch Predigern und Volk so recht vor Augen führen, wie wichtig ein tieferes Gnadenwerk
am Herzen und eine gründlichere Vorbereitung auf unsere Lagerversammlungen ist, damit die Arbeit im
rechten Geist geschieht und sie den größten Nutzen aus diesen Zusammenkünften ziehen können.
Diese jährlichen Versammlungen können Zeiten besonderen Segens, aber der geistlichen Gesinnung
auch sehr abträglich sein. Was sollen sie für dich, lieber Leser, sein? Es bleibt jedem selbst überlassen,
sich zu entscheiden.
Kapitel 16: Brüderliche Liebe
„Dabei wird jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe untereinander habt.“
Johannes 13,35. Je ähnlicher wir unserem Heiland in unserem Wesen werden, desto größer
177
wird unsere Liebe zu jenen sein, für die er starb. Christen, die einen Geist selbstloser Liebe zueinander
offenbaren, legen ein Zeugnis für Christum ab, dem Ungläubige nicht widersprechen und dem sie nicht
widerstehen können. Es ist nicht möglich, die Macht eines solchen Beispiels abzuschätzen. Nichts wird
so erfolgreich Satans und seiner Boten Anschläge vereiteln und das Reich des Erlösers aufrichten wie
die Liebe Christi, die sich in den Gemeindegliedern offenbart. Frieden und Gedeihen kann es nur dort
geben, wo Sanftmut und Liebe aktiv ausgeübt werden.
In seinem ersten Brief an die Korinther betont Paulus die Wichtigkeit jener Liebe, die von Christi
Nachfolgern gehegt werden soll: „Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete, und hätte der
Liebe nicht, so wäre ich ein tönend Erz oder eine klingende Schelle. Und wenn ich weissagen könnte
und wüßte alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, also daß ich Berge versetzte,
und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe
meinen Leib brennen, und hätte der Liebe nicht, so wäre mir‘s nichts nütze.“ 1.Korinther 13,1-3.
Ganz gleich, welch hohes Bekenntnis jemand ablegen mag, wenn sein Herz nicht mit Liebe zu Gott
und seinen Nächsten beseelt ist, gehört er nicht zu Christi Jüngern. Selbst wenn er großen Glaube
besäße und Macht hätte, Wunder zu wirken — ohne Liebe wäre sein Glaube wertlos. Er mag große
Freigebigkeit entfalten und all seine Güter den Armen geben, geschähe es aber aus andern Gründen
als aus echter Liebe, dann würde ihm das nicht Gottes Gunst erkaufen. In seinem Eifer möchte er sogar
den Märtyrertod erleiden, ohne das Gold der Liebe aber würde er von Gott nur als betörter Schwärmer
oder ehrgeiziger Heuchler betrachtet werden.
Der Apostel fährt fort, die Früchte der Liebe zu beschreiben: „Die Liebe ist langmütig und freundlich,
die Liebe eifert nicht Wenn die göttliche Liebe im Herzen regiert, schließt sie Stolz und Eigennutz aus.“
„Die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie blähet sich nicht.“ Die reinste Freude entspringt der tiefsten
Demütigung. Die stärksten und edelsten Charaktere ruhen auf dem Fundament von Geduld und Liebe
sowie vertrauensvoller Unterwerfung unter den Willen Gottes.
178
Die Liebe „stellet sich nicht ungebärdig, sie suchet nicht das Ihre, sie läßt sich nicht erbittern, sie
rechnet das Böse nicht zu.“ Das Herz, in dem Liebe regiert, ist nicht mit Leidenschaft oder Rachsucht
erfüllt, wenn man ihm Schaden zufügt, den Stolz und Eigenliebe als untragbar ansehen würden. Liebe
hegt keinen Argwohn, sondern denkt immer günstig von den Beweggründen und Handlungen anderer.
Liebe wird die Fehler anderer niemals unnötig bloßstellen. Sie lauscht nicht gierig auf ungünstige
Berichte, sondern sucht nach einigen guten Wesenszügen bei demjenigen, der verunglimpft wird.
Liebe „freut sich nicht der Ungerechtigkeit, sie freuet sich aber der Wahrheit.“ Derjenige, in dessen
Herzen Liebe wohnt, ist mit Leid über die Fehler und die Schwachheiten anderer erfüllt. Wenn jedoch
die Wahrheit triumphiert, wenn die Wolke, welche den guten Ruf des andern trübte, entfernt ist, oder
wenn Sünden bekannt und Verkehrtheiten korrigiert wurden, dann ist er voller Freude.
„Sie verträgt alles, sie glaubet alles, sie hoffet alles, sie duldet alles.“ Liebe erträgt nicht nur die
Fehler anderer, sondern unterwirft sich freudig aller Leiden oder Unbequemlichkeit, die ein solches
Ertragen mit sich bringt. Solche „Liebe höret nimmer auf“. Sie kann nie ihren Wert verlieren. Sie ist eine
himmlische Eigenschaft. Ihr Besitzer wird sie als kostbaren Schatz zur Gottesstadt mit sich führen.
Die Frucht des Geistes ist Liebe, Freude und Friede. Uneinigkeit und Streit ist Satans Werk und die
Frucht der Sünde. Wollen wir als Volk uns des Friedens und der Liebe erfreuen, müssen wir unsere
Sünden ablegen. Wir müssen in Übereinstimmung mit Gott kommen. Dann werden wir zur Einigkeit
untereinander kommen. Jeder frage sich selbst: Besitze ich die Gnadengabe der Liebe? Habe ich
gelernt, langmütig und freundlich zu sein? Talente, Gelehrsamkeit und Beredsamkeit werden ohne
diese himmlische Eigenschaft so bedeutungslos sein wie ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.
Wie traurig, daß dieser kostbare Schatz von vielen, die sich zum Glauben bekennen, so
geringgeschätzt und so wenig erstrebenswert erachtet wird.
Paulus schreibt an die Kolosser: „So ziehet nun an, als die Auserwählten Gottes, Heiligen und
Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; und vertrage einer den
andern; und vergebet euch untereinander, so jemand Klage hat wider den andern; gleichwie Christus
euch vergeben hat, also auch ihr. Über alles aber ziehet an die Liebe, die da ist das Band der
Vollkommenheit. Und der Friede Gottes regiere in euren Herzen, zu welchem ihr auch berufen seid in
einem Leibe; und seid dankbar!“ „Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles in
dem Namen des Herrn Jesu, und danket Gott und dem Vater durch ihn.“ Kolosser 3,12-15.17.
179
Die Tatsache, daß wir eine so große Verpflichtung Christo gegenüber haben, legt uns auch die
heiligste Verpflichtung denen gegenüber auf, die er durch seinen Tod erlöst hat. Wir sollen ihnen
gegenüber das gleiche Mitgefühl, das gleiche zärtliche Mitleid, die gleiche selbstlose Liebe offenbaren,
die Christus uns erwiesen hat. Selbstsüchtiger Ehrgeiz und der Wunsch nach Oberherrschaft werden
schwinden, wenn Christus unsere Neigungen in Besitz nimmt.
Unser Heiland lehrte seine Jünger beten: „Vergib uns unsere Schulden, wie wir unsern Schuldigern
vergeben.“ Matthäus 6,12. Hier wird ein großer Segen erbeten, der an Bedingungen geknüpft ist. Wir
selbst führen diese Bedingungen an. Wir bitten, daß Gottes Barmherzigkeit uns in dem Maße zuteil
werde, wie wir barmherzig mit anderen sind. Christus erklärt, daß dies die Regel ist, nach der Gott mit
uns verfahren wird: „Denn so ihr den Menschen ihre Fehler vergebet, so wird euch euer himmlischer
Vater auch vergeben. Wo ihr aber den Menschen ihre Fehler nicht vergebet, so wird euch euer Vater
eure Fehler auch nicht vergeben.“ Matthäus 6,14.15. Wunderbare Bedingungen! Aber wie wenig
werden sie verstanden und beachtet. Eine der allgemeinsten Sünden, und dazu mit den verderblichsten
Folgen, ist das Hegen eines unversöhnlichen Geistes. Wie viele halten an der Feindseligkeit oder
Rachsucht fest und beugen sich dann vor Gott mit der Bitte, ihnen zu vergeben, wie sie vergeben.
Sicher haben sie keinen Begriff von
180
der Bedeutung dieses Gebets, oder sie würden nicht wagen, es über ihre Lippen zu bringen. Wir sind
jeden Tag und jede Stunde von Gottes vergebender Gnade abhängig. Wie können wir dann Bitterkeit
und Groll gegen unsere Nächsten hegen, die gleich uns Sünder sind! Wenn Christen in ihrem täglichen
Umgang die Prinzipien dieses Gebets ausführten, welch segensreiche Veränderung würde es in der
Gemeinde und in der Welt geben! Das wäre das überzeugendste Argument, das zugunsten der
Wirklichkeit der Religion der Bibel vorgetragen werden könnte.
Gott fordert mehr von seinen Nachfolgern, als viele erkennen. Wenn wir unsere Hoffnung auf den
Himmel nicht auf ein falsches Fundament gründen wollen, müssen wir die Bibel annehmen, wie es
geschrieben steht, und glauben, daß der Herr genau das meint, was er sagt. Er fordert nichts von uns,
wozu er uns nicht auch die Gnade schenkt, es erfüllen zu können. Wenn wir versäumen, den hohen
Standard, den er uns in seinem Wort vor Augen stellt, zu erreichen, werden wir uns am Tage Gottes
nicht entschuldigen können.
Wir werden durch den Apostel ermahnt: „Die Liebe sei nicht falsch. Hasset das Arge, hanget dem
Guten an. Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich. Einer komme dem andern mit Ehrerbietung
zuvor.“ Römer 12,9.10. Paulus möchte, daß wir zwischen der reinen, selbstlosen Liebe, die Christi Geist
vermittelt, und dem bedeutungslosen, trügerischen Anschein von Liebe, der in der Welt vorherrscht,
unterscheiden. Diese verächtliche Nachahmung hat viele Seelen verführt. Sie würde die
Unterscheidung zwischen Recht und Unrecht auslöschen und mit dem Übertreter übereinstimmen,
anstatt ihm getreulich seine Irrtümer zu zeigen. So wird wahre Freundschaft nie handeln. Ein solcher
Geist wohnt nur in einem fleischlich gesinnten Herzen. Während der Christ stets freundlich, mitleidig
und bereit zur Vergebung ist, kann er doch nicht mit der Sünde übereinstimmen. Er wird das Böse
verabscheuen und dem Guten anhangen, auch wenn es die Aufgabe der Verbindung oder Freundschaft
mit dem Ungöttlichen fordert. Der Geist Christi wird uns veranlassen, die Sünde zu hassen, während wir
andererseits zu jedem Opfer bereit sind, den Sünder zu retten.
181
„So sage ich nun und bezeuge in dem Herrn, daß ihr nicht mehr wandelt, wie die andern Heiden
wandeln in der Eitelkeit ihres Sinnes, deren Verstand verfinstert ist, und die entfremdet sind von dem
Leben, das aus Gott ist, durch die Unwissenheit, so in ihnen ist, durch die Blindheit ihres Herzens;
welche ruchlos sind und ergeben sich der Unzucht und treiben allerlei Unreinigkeit samt dem Geiz.“
Epheser 4,17-19. Der Apostel gebietet seinen Brüdern im Namen und in der Autorität des Herrn Jesu,
daß sie sich, nachdem sie sich zum Evangelium bekannt haben, nicht mehr so verhalten sollten wie die
Heiden, sondern ihr tägliches Betragen sollte davon zeugen, daß sie wahrhaft bekehrt sind.
„So leget nun von euch ab nach dem vorigen Wandel den alten Menschen, der durch Lüste im
Irrtum sich verderbt. Erneuert euch aber im Geist eures Gemüts und ziehet den neuen Menschen an,
der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit.“ Epheser 4,22-24. Einst
waren sie verdorben, erniedrigt, von fleischlichen Lüsten versklavt. Sie waren von weltlichen Drogen
betäubt, verblendet, verwirrt und von Satans Erfindungen betrogen. Jetzt, da sie in der Wahrheit, wie
sie in Jesu ist, unterwiesen sind, muß eine entschiedene Veränderung in ihrem Leben und Charakter
stattfinden.
Der Zugang von Gliedern, deren Herzen nicht erneuert sind und deren Leben nicht reformiert wurde,
ist für die Gemeinde eine Quelle der Schwachheit. Diese Tatsache wird oft übersehen. Einige Prediger
und Gemeinden sind so darauf aus, die Gliederzahl zu vermehren, daß sie kein treues Zeugnis gegen
unchristliche Gewohnheiten und Handlungen ablegen. Diejenigen, die die Wahrheit annehmen, werden
nicht darüber belehrt, daß sie sich nicht gefahrlos wie Weltmenschen verhalten und dem Namen nach
Christen sein können. Zuvor waren sie Satans Untertanen. Hinfort gehören sie Christo an. Das Leben
muß davon zeugen, daß die Leiter gewechselt wurden. Die öffentliche Meinung begünstigt ein
Bekenntnis zum Christentum. Eine Form der Gottseligkeit anzunehmen und den Namen im
Gemeindebuch einschreiben zu lassen, erfordert nur wenig Selbstverleugnung und Opferbereitschaft.
So verbinden sich viele mit
182
der Gemeinde, ohne sich zuerst mit Christo verbunden zu haben. Darüber frohlockt Satan. Solche
Bekehrten sind seine wirksamsten Helfer. Sie dienen als Lockvögel für andere Seelen. Sie sind
Irrlichter, welche die Unachtsamen ins Verderben führen. Es ist umsonst, wenn Menschen versuchen,
den Weg des Christen für Weltmenschen breit und gefällig zu machen. Gott hat den rauhen, schmalen
Pfad nicht geebnet und erweitert. Wenn wir zum ewigen Leben eingehen wollen, müssen wir
demselben Pfad folgen, den Jesus und seine Jünger gingen — dem Pfad der Demut, der
Selbstverleugnung und Opferbereitschaft.
Prediger sollten zusehen, daß ihre eigenen Herzen durch die Wahrheit geheiligt werden. Dann
können sie sich bemühen, die gleichen Resultate bei ihren Bekehrten zu erzielen. Prediger und Volk
brauchen reine Religion. Diejenigen, die sich ihrer Sünden entledigen und ihre Hände zu ernstem Gebet
zu Gott emporheben, werden jene Hilfe erfahren, die Gott allein ihnen gewähren kann. Für die Seelen
der Menschen wurde ein Lösegeld gezahlt, damit sie eine Gelegenheit haben, der Knechtschaft der
Sünde zu entfliehen und Vergebung, Reinheit und den Himmel erlangen können.
Gott achtet auf das Schreien der Demütigen und Zerschlagenen. Die sich dem Gnadenthron nahen
und aufrichtig und ernsthaft um göttliche Weisheit und Kraft bitten, werden nicht verfehlen, aktive,
nützliche Diener Christi zu werden. Sie mögen keine hervorragenden Talente besitzen; aber in Demut
des Herzens und festem Vertrauen auf Jesum mögen sie ein gutes Werk verrichten und Seelen zu
Christo führen. Durch Gott können sie Menschen erreichen.
Christi Prediger sollten immer fühlen, daß ein heiliges Werk die ganze Seele fordert. Ihre
Bemühungen müssen darauf gerichtet sein, Christi Leib zu erbauen und nicht sich selbst vor dem Volk
zu erhöhen. Während Christen den treuen Prediger als Christi Botschafter schätzen sollten, müssen sie
doch alles Menschenlob vermeiden.
„So seid nun Gottes Nachfolger als die lieben Kinder und wandelt in der Liebe, gleichwie Christus
uns hat geliebt und sich selbst dargegeben für uns als Gabe und Opfer, Gott zu einem
183
süßen Geruch.“ Epheser 5,1.2. Der Mensch hat sich durch böse Werke von Gott getrennt. Christus
hingegen gab sein Leben, damit alle, die es wollen, von der Sünde freigemacht und wieder in die Gunst
des Schöpfers aufgenommen werden können. Es war die Erwartung eines wiederhergestellten, heiligen
Universums, die Christum veranlaßte, dies große Opfer zu bringen. Haben wir die Vorrechte akzeptiert,
die so teuer erkauft wurden? Sind wir Gottes Nachfolger als seine lieben Kinder, oder sind wir Knechte
des Fürsten der Finsternis? Sind wir Anbeter Jehovas oder Baalsanbeter? Beten wir den lebendigen
Gott an oder Götzen?
Es mag kein äußerlicher Schrein vorhanden sein, kein Bildnis, worauf das Auge ruhen kann, und
doch mögen wir Abgötterei betreiben. Es ist genauso leicht, aus gehegten Ideen oder Gegenständen
einen Götzen zu machen, wie Götzen aus Holz oder Stein zu formen. Tausende haben einen falschen
Begriff von Gott und seinen Eigenschaften. Sie dienen ebenso gewiß einem falschen Gott, als wären
sie Diener Baals. Beten wir den wahren Gott an, wie er sich in seinem Wort, in Christo und der Natur
offenbart, oder verehren wir irgendeinen philosophischen Götzen an seiner Stelle? Gott ist ein Gott der
Wahrheit. „Gerechtigkeit und Gericht“ sind seines „Stuhles Festung“. Psalm 89,15. Er ist ein Gott der
Liebe, des Mitleids und zärtlichen Erbarmens. So stellt er sich in seinem Sohn, unserem Heiland, dar.
Er ist ein Gott der Geduld und Langmut. Wenn so das Wesen ist, das wir verehren und dessen
Charakter wir nachahmen möchten, dann beten wir den wahren Gott an.
Wenn wir Christo nachfolgen, steigen seine Verdienste, uns zugerechnet, als ein süßer Geruch zum
Vater empor. Die Tugenden von unseres Heilandes Wesen, unseren Herzen eingepflanzt, werden
einen köstlichen Wohlgeruch um uns verbreiten. Der Geist der Liebe, Sanftmut und Geduld, der unser
Leben durchdringt, wird Macht haben, harte Herzen zu erweichen und die bittersten Gegner des
Glaubens für Christum zu gewinnen.
„Nichts tut durch Zank oder eitle Ehre; sondern durch Demut achte einer den andern höher denn
sich selbst, und ein jeglicher sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was des
184
andern ist.“ „Tut alles ohne Murren und ohne Zweifel, auf daß ihr seid ohne Tadel und lauter und Gottes
Kinder, unsträflich mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht, unter welchem ihr
scheinet als Lichter in der Welt.“ Philipper 2,3.4.14.15.
Aufgeblasenheit und eigensüchtiger Ehrgeiz sind ein Fels, an dem viele Seelen Schiffbruch erlitten
und viele Gemeinden ihre Kraft verloren haben. Die am wenigsten von Weihe wissen und am wenigsten
mit Gott verbunden sind, trachten am eifrigsten nach dem höchsten Platz. Sie haben keine Kenntnis
von ihrer Schwäche und der Fehlerhaftigkeit ihres Charakters. Erfahren viele unserer jungen Prediger
nicht Gottes bekehrende Macht, wird ihre Arbeit sich eher als Hindernis für die Gemeinde erweisen,
anstatt eine Hilfe zu sein. Sie mögen die Lehren Christi gelernt haben, aber sie haben nicht ihn
persönlich kennengelernt. Wer fortwährend auf Jesum schaut, wird seine selbstverleugnende Liebe und
tiefe Demut sehen und seinem Beispiel folgen. Stolz, Ehrgeiz, Betrug, Haß und Selbstsucht müssen
aus dem Herzen entfernt werden. Viele unterdrücken teilweise diese üblen Wesenszüge, aber die
Wurzeln bleiben im Herzen zurück. Unter günstigen Umständen schießen sie aufs neue empor und
reifen zur Empörung gegen Gott heran. Hier ist eine große Gefahr. Wenn wir eine Sünde verschonen,
hegen wir einen Feind, der nur auf einen unbewachten Augenblick wartet, um unseren Untergang
herbeizuführen.
„Wer ist weise und klug unter euch? Der erzeige mit seinem guten Wandel [seinen guten
Gesprächen] seine Werke in der Sanftmut und Weisheit.“ Jakobus 3,13. Meine Geschwister, wie
verwendet ihr die Gabe der Sprache? Habt ihr gelernt, eure Zunge so zu beherrschen, daß sie immer
den Vorschriften eines erleuchteten Gewissens und heiliger Neigungen gehorcht? Ist eure Unterhaltung
frei von Leichtfertigkeit, Stolz, Groll, Betrug und Unreinheit? Seid ihr ohne Fehl vor Gott? Worte sind
eine beredte Kraft. Wenn möglich, wird Satan die Zunge in seinen Dienst stellen. Aus uns selbst können
wir das unruhige Übel nicht im Zaum halten. Göttliche Gnade ist unsere einzige Hoffnung.
185
Die so eifrig danach trachten, eine Vorrangstellung einzunehmen, sollten besser zusehen, daß sie
jene Weisheit erlangen, „die aufs erste keusch, darnach friedsam, gelinde, läßt sich sagen, voll
Barmherzigkeit und guter Früchte, unparteiisch, ohne Heuchelei“ (Jakobus 3,17) ist. Es wurde mir
gezeigt, daß es für viele Prediger notwendig wäre, diese Worte den Tafeln ihres Herzens einzuprägen.
Wer Christus, die Hoffnung der Herrlichkeit, im Herzen trägt, wird durch gute Gespräche „seine Werke
in der Sanftmut und Weisheit“ vollbringen.
Petrus ermahnt die Gläubigen: „Endlich aber seid allesamt gleichgesinnt, mitleidig, brüderlich,
barmherzig, freundlich. Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern
dagegen segnet, und wisset, daß ihr dazu berufen seid, daß ihr den Segen erbet. Denn wer leben will
und gute Tage sehen, der schweige seine Zunge, daß sie nichts Böses rede, und seine Lippen, daß sie
nicht trügen. Er wende sich vom Bösen und tue Gutes; er suche Frieden und jage ihm nach. Denn die
Augen des Herrn merken auf die Gerechten und seine Ohren auf ihr Gebet; das Angesicht aber des
Herrn steht wider die, die Böses tun.“ 1.Petrus 3,8-12.
Wenn doch der rechte Weg so deutlich gekennzeichnet ist, warum wandelt das bekenntliche Volk
Gottes nicht darin? Warum sinnen sie nicht darüber nach, wie sie zur Einmütigkeit gelangen können?
Warum beten sie nicht darum und arbeiten ernstlich daran, eines Geistes zu sein? Warum versuchen
sie nicht, Mitleid miteinander zu haben, sich als Brüder zu lieben, anstatt Böses mit Bösem und
Scheltwort mit Scheltwort zu vergelten? Wer liebt nicht das Leben und wünscht sich nicht gute Tage?
Aber wie wenige stimmen mit den Bedingungen überein, indem die Zunge nichts Böses spricht und die
Lippen nicht trügen. Einige sind bereit, dem Vorbild des Heilandes in Sanftmut und Demut zu folgen.
Viele bitten den Herrn, sie zu demütigen, sind jedoch nicht willig, sich der notwendigen Disziplin zu
unterwerfen. Wenn die Prüfung kommt, wenn Schwierigkeiten oder gar Plagen auftreten, empört sich
das Herz, und die Zunge äußert Worte, die vergifteten Pfeilen oder verderbendem Hagel gleichen.
186
Üble Nachrede birgt zweifachen Fluch in sich, der den Sprecher schwerer trifft als den Zuhörer. Wer
den Samen der Uneinigkeit und des Streits sät, wird selbst die tödlichen Früchte ernten. Wie
unglücklich ist der Neuigkeitsträger, der immer nur Böses vermutet! Ihm ist wahres Glücksgefühl fremd.
„Selig sind die Friedfertigen.“ Matthäus 5,9. Gnade und Friede ruhen auf denen, die dem
Zungenstreit aus dem Wege gehen. Wenn Händler von Klatschgeschichten von Familie zu Familie
eilen, werden die Gottesfürchtigen ihr Heim hüten. Die Zeit, die oftmals mit unnützem, leichtfertigem
und boshaftem Geschwätz schlimmer als vertan wird, sollte höheren und edleren Zwecken dienen.
Würden unsere Brüder und Schwestern zu Missionaren für Gott, besuchten sie die Kranken und
Angefochtenen, arbeiteten sie geduldig und freundlich für die Irrenden — mit einem Wort: ahmten sie
das Vorbild nach — dann würde sich die Gemeinde wahren Gedeihens erfreuen.
Die Sünde übler Nachrede beginnt mit dem Hegen böser Gedanken. Arglist schließt Unreinigkeit in
all ihren Formen ein. Wird ein unreiner Gedanke geduldet, ein unreiner Wunsch gehegt, dann wird die
Seele befleckt und ihre Redlichkeit angetastet. „Darnach, wenn die Lust empfangen hat, gebiert sie die
Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert sie den Tod.“ Jakobus 1,15. Wollen wir keine
Sünde begehen, müssen wir ihre Anfänge meiden. Jede Gefühlsregung, jeder Wunsch muß dem
Verstand und dem Gewissen unterworfen werden. Jeder unheilige Gedanke muß sofort unterdrückt
werden. Geht ins Kämmerlein, Christi Nachfolger. Betet im Glauben und mit ganzem Herzen. Satan
wacht über euch, eure Füße zu verstricken. Ihr müßt Hilfe von oben haben, wenn ihr seinen Anschlägen
entrinnen wollt.
Durch Glauben und Gebet können alle den Anforderungen des Evangeliums nachkommen.
Niemand kann zur Übertretung gezwungen werden. Zuerst muß die Zustimmung gegeben werden. Die
Seele muß die sündige Handlung beabsichtigen, ehe die Leidenschaft über den Verstand und die
Sünde über das Gewissen den Sieg erringen kann. Die Versuchung, wie stark sie auch sein mag, ist
niemals eine Entschuldigung für die Sünde.
187
„Die Augen des Herrn merken auf die Gerechten und seine Ohren auf ihr Gebet.“ 1.Petrus 3,12. Schreie
zum Herrn, versuchte Seele. Du hilfloser, unwürdiger Mensch, klammere dich an Jesus und
beanspruche seine Verheißung. Der Herr wird hören. Er weiß, wie stark die Neigungen des natürlichen
Herzens sind. Er wird zu jeder Zeit der Versuchung zur Hilfe bereit sein.
Bist du in Sünde gefallen? Dann bitte Gott unverzüglich um Gnade und Vergebung. Als David von
seiner Sünde überzeugt war, schüttete er seine Seele in Reue und Demütigung vor Gott aus. Er fühlte,
daß er den Verlust der Krone erdulden könnte, aber nicht, Gottes Gunst zu verlieren. Immer noch wird
dem Sünder Barmherzigkeit zuteil. Der Herr ruft uns in all unseren Verirrungen zu: „So kehret nun
wieder, ihr abtrünnigen Kinder, so will ich euch heilen von eurem Ungehorsam.“ Jeremia 3,22. Gottes
Segen mag auf uns ruhen, wenn wir den Bitten der Stimme seines Geistes Gehör schenken. „Wie sich
ein Vater über [seine] Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, so ihn fürchten.“ Psalm 103,13.
Kapitel 17: Fleiss bei der Arbeit
„Siehst du einen Mann behend in seinem Geschäft, der wird vor den Königen stehen und wird nicht
stehen vor den Unedlen.“ Sprüche 22,29. „Lässige Hand macht arm; aber der Fleißigen Hand macht
reicht.“ Sprüche 10,4. „In der Bruderliebe zueinander seid voll Herzlichkeit; in der Ehrerbietung komme
einer dem andern zuvor! Seid unverdrossen, wo es Eifer gilt; seid feurig im Geist, dem Herrn zu dienen
bereit!“ Römer 12,10.11 (Menge).
Die vielen Ermahnungen zum Fleiß im Alten und Neuen Testament zeigen sehr deutlich die enge
Beziehung, die zwischen unseren Lebensgewohnheiten und unseren religiösen Gefühlen und
Gewohnheiten besteht. Der menschliche Geist und Körper sind so beschaffen, daß viele Übungen nötig
sind, um eine gesunde Entwicklung aller Fähigkeiten zu gewährleisten. Während viele in weltlicher
Beschäftigung aufgehen, neigen
188
andere gerade zum Gegenteil. Sie arbeiten nicht genügend, um für sich oder die von ihnen Abhängigen
den Lebensunterhalt zu verdienen. Bruder ... gehört zu dieser Klasse. Wenn er auch in seiner Familie
die Stellung des Familienoberhauptes einnimmt, in Wirklichkeit füllt er diesen Platz nicht aus. Die
schwerste Verantwortung und die größten Lasten läßt er seine Frau tragen, während er in sorgloser
Trägheit dahinlebt oder sich mit derartigen Geringfügigkeiten beschäftigt, die für den Unterhalt seiner
Familie nur wenig ins Gewicht fallen. Stundenlang kann er dasitzen und mit seinen Söhnen oder
Nachbarn über unbedeutende Alltäglichkeiten plaudern. Er nimmt das Leben leicht und genießt es,
während die Frau und Mutter die anfallende Arbeit verrichtet, um die Mahlzeiten zuzubereiten und für
Kleidung zu sorgen.
Dieser Bruder ist ein armer Mann. Er wird für die Gesellschaft immer eine Last sein, es sei denn, er
besinnt sich seiner von Gott gegebenen Bestimmung und wird ein Mann. Jeder kann Arbeit finden,
wenn ihm wirklich daran liegt. Wenn er aber sorglos und unachtsam ist, werden die Stellungen, die er
sich hätte sichern können, von denjenigen besetzt sein, die eine größere Aktivität und mehr
Geschäftssinn entfalteten.
Lieber Bruder, es lag nie in Gottes Plan, daß du so arm sein sollst, wie du es jetzt bist. Weshalb
verlieh er dir denn deinen Körper? Du bist für deine Körperkräfte ebenso verantwortlich wie deine
Brüder für ihr Vermögen. Einige von ihnen wären heute sehr im Vorteil, wenn sie ihr Besitztum gegen
deine Körperkraft eintauschen könnten. Aber an deiner Stelle würden sie durch fleißigen Gebrauch ihrer
geistigen und körperlichen Kräfte bald jeden Mangel überwunden haben und niemand mehr etwas
schulden. Es ist nicht so, daß Gott dir grollt, wenn die Umstände scheinbar gegen dich sind, sondern
weil du die Kraft nicht anwendest, die er dir gegeben hat. Er wollte nicht, daß deine Fähigkeiten durch
Untätigkeit verkümmerten, sondern daß sie durch Übung erstarkten.
Dein Glaube macht es dir ebenso zur Pflicht, an den sechs Arbeitstagen deine Zeit auszunutzen,
wie am Sabbat den Gottesdienst zu besuchen. Du arbeitest nicht fleißig. Du läßt
189
Stunden, Tage und sogar Wochen vergehen, ohne etwas fertigzubringen. Die beste Predigt, die du der
Welt halten könntest, wäre eine entschiedene Reformation in deinem Leben, in dem du für den
Unterhalt deiner eigenen Familie aufkommst. Der Apostel sagt: „So aber jemand die Seinen, sonderlich
seine Hausgenossen, nicht versorgt, der hat den Glauben verleugnet und ist ärger denn ein Heide.“
1.Timotheus 5,8.
Du bringst Schande über das Werk, weil du an einem Ort wohnst, wo du eine Zeitlang der Trägheit
frönst und dann zum Unterhalt deiner Familie Schulden machen mußt. Dir ist durchaus nicht immer
darum zu tun, diese deine eindeutigen Schulden zu begleichen. Statt dessen ziehst du an einen
anderen Ort. Das aber ist Betrug an deinem Nachbarn. Die Welt hat ein Recht darauf, von den
bekenntlichen Bibelchristen unbedingte Redlichkeit zu erwarten. Durch die Gleichgültigkeit eines
einzigen bei der Bezahlung seiner Schulden gerät unser ganzes Volk in Gefahr für unzuverlässig
gehalten zu werden.
„Alles nun, was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch.“ Matthäus 7,12. Das
bezieht sich ebenso auf diejenigen, die mit ihren Händen arbeiten müssen, wie auf diejenigen, die
etwas zu verschenken haben. Gott hat dir Kraft und Geschicklichkeit gegeben, aber du hast sie nicht
benutzt. Deine Kraft reicht bei weitem aus, um deine Familie zu ernähren. Stehe früh am Morgen auf;
falls es sein muß, wenn die Sterne noch am Himmel stehen. Mache dir Pläne für deine Arbeit und führe
sie wirklich durch. Erfülle jedes Versprechen, es sei denn, Krankheit wirft dich nieder. Es ist besser, du
verzichtest auf Nahrung und Schlaf, als daß du anderen das vorenthältst, was ihnen von Rechts wegen
zukommt.
Der Aufstieg zum Erfolg wird nicht ohne Anstrengung errungen. Niemand darf erwarten, ohne Mühe
den Siegespreis zu erringen, sei es in geistlichen oder irdischen Dingen. Die Schnellen gewinnen nicht
immer das Wettrennen noch die Starken die Schlacht, doch der Träge wird gewiß arm. Prediger 9,11;
Sprüche 10,4. Die Beharrlichen und Fleißigen sind nicht nur selbst glücklich, sondern sie tragen
weitgehend zum Glück anderer bei. Wohlstand und Bequemlichkeit werden nur durch ernsten
190
Fleiß erlangt. Pharao zeigte, wie hoch er diese Eigenschaft schätzte, als er zu Joseph sagte: „So du
weißt, daß Leute unter ihnen [Josephs Brüdern] sind, die tüchtig sind, so setze sie über mein Vieh.“
1.Mose 47,6.
Es gibt keine Entschuldigung für Bruder ..., es sei denn, Liebe zur Bequemlichkeit und Unfähigkeit,
zu planen und sich an die Arbeit zu machen, wären eine Entschuldigung. Es wäre das beste für ihn, er
gäbe seine Selbständigkeit auf und nähme Arbeit bei einem anderen an, der für ihn plante. Er ist so
lange ein sorgloser, träger Herr seiner selbst gewesen, daß er nur wenig fertig bringt; außerdem gibt er
seinen Kindern ein schlechtes Beispiel. Sie zeigen seine Wesensart. Sie lassen ihre Mutter die Lasten
tragen. Fordert man sie zu einer Arbeit auf, dann sind sie wohl dazu bereit. Aber sie denken nicht
daran, die Fähigkeit heranzubilden, selbst zu sehen, was getan werden muß, und es dann
unaufgefordert selbst zu tun, wie man das von allen Kindern erwarten kann.
Eine Frau tut sich und ihrer Familie schweres Unrecht an, wenn sie zu ihrer Arbeit auch noch die
ihrer Angehörigen verrichtet — wenn sie Holz und Wasser holt und sogar das Beil nimmt, um das Holz
zu spalten, während ihr Mann und ihre Söhne es sich am Feuer gemütlich machen. Daß Frauen und
Mütter die Sklaven ihrer Familien sein sollen hat Gott niemals bestimmt. Manch eine Mutter ist mit
Sorgen überlastet. Ihre Kinder sind nicht dazu erzogen worden, die häuslichen Pflichten mitzutragen.
Die Folge davon ist, daß sie altert und vorzeitig stirbt und ihre Kinder gerade dann verläßt, wenn sie als
Mutter zur Führung ihrer unerfahrenen Kinder am dringendsten gebraucht würde. Wer verdient in
diesem Falle Tadel?
Die Männer sollten alles tun, um ihren Frauen Sorge zu ersparen und sie freudigen Geistes zu
erhalten. Niemals sollten sie bei den Kindern Trägheit erlauben und begünstigen, denn gar bald wird sie
zur Gewohnheit. Wenn Kinder nichts Nützliches tun, lassen ihre Fähigkeiten nach oder werden gar zu
Bösem genutzt.
Was du brauchst, mein Bruder, ist aktive Betätigung. Jeder Gesichtszug, jede deiner Geistesgaben
weisen darauf hin.
191
Du magst keine schwere Arbeit tun und schätzt es nicht, dein Brot im Schweiße deines Angesichts zu
verdienen. Aber dies ist im Haushalt des Lebens der von Gott verordnete Plan.
Du führst nicht durch, was du begonnen hast. Du hast dich nicht an Ordnung gewöhnt. Planung ist
alles. Tu immer nur eines zur Zeit, aber das richtig, und führe es auch durch, ehe du etwas anderes
anfängst. Du solltest bestimmte Zeiten für Aufstehen, Gebet und Mahlzeiten festsetzen. Viele vertrödeln
kostbare Stunden im Bett, weil es ihrer natürlichen Neigung entspricht und das Gegenteil Anstrengung
erforderte. Eine am Morgen versäumte Stunde ist für immer verloren und niemals einzuholen. Salomo
sagt in Sprüche 24,30-34: „Ich ging am Acker des Faulen vorüber und am Weinberg des Narren; und
siehe, da waren eitel Nesseln darauf, und er stand voll Disteln, und die Mauer war eingefallen. Da ich
das sah, nahm ich‘s zu Herzen und schaute und lernte daran. Du willst ein wenig schlafen und ein
wenig schlummern und ein wenig die Hände zusammentun, daß du ruhest; aber es wird dir deine Armut
kommen wie ein Wanderer und dein Mangel wie ein gewappneter Mann.“
Wer Gottseligkeit beanspruchen will, sollte seinem Glaubensbekenntnis dadurch Ehre antun, daß er
keinen Anlaß gibt, die Wahrheit wegen seiner leichtfertigen Handlungsweise zu schmähen „Seid
niemand nichts schuldig“ (Römer 13,8), sagt der Apostel. Lieber Bruder, du solltest dich jetzt ernstlich
bemühen, gegen deine gewohnheitsmäßige Trägheit anzugehen und die Zeit auszukaufen. Laß die
Welt sehen, daß die Wahrheit eine Reformation in deinem Leben bewirkt hat.
Kapitel 18: Umzug nach Battle Creek
Unser Heiland stellt sich als ein Edler vor, der in ein fernes Land reiste und sein Haus der Obhut
auserwählter Diener anvertraute und jedem von ihnen seine Arbeit zuwies. Jeder Christ hat eine
Aufgabe im Dienste seines Meisters. Wir sollen nicht nach eigener Gemütlichkeit und Bequemlichkeit
trachten, sondern den Aufbau des Reiches Christi zu unserer ersten
192
Pflicht machen. Selbstloses Bemühen, anderen zu helfen und zum Segen zu sein, wird nicht nur unsere
Liebe zu Jesu bezeugen, sondern uns in Abhängigkeit und Glauben in seiner Nähe erhalten, und
unsere eigene Seele wird ständig an Gnade und Erkenntnis der Wahrheit zunehmen.
Gott hat seine Kinder überall hin zerstreut, damit das Licht der Wahrheit inmitten der moralischen
Finsternis scheint, welche die Erde umhüllt. Je tiefer die Finsternis um uns her ist, desto größer ist das
Bedürfnis, daß unser Licht für Gott leuchtet. Wir mögen in schwierige Lagen und Prüfungen versetzt
werden, aber das ist kein Beweis, daß wir uns nicht gerade dort befinden, wohin uns die Vorsehung
berufen hat. Unter den Christen in Rom in den Tagen des Apostels Paulus erwähnt er „die von des
Kaisers Hause“. Nirgendwo konnte die moralische Atmosphäre dem Christentum abträglicher sein als
am römischen Kaiserhof unter dem grausamen und liederlichen Nero. Diejenigen jedoch, die Christum
während ihres Dienstes im Hause des Kaisers angenommen hatten, fühlten sich nach ihrer Bekehrung
nicht frei, ihren Pflichtposten zu verlassen. Angesichts verführerischer Versuchungen, grimmigen
Widerstandes und drohender Gefahren waren sie treue Zeugen für Christum.
Wer sich völlig auf die göttliche Gnade verläßt, kann sein Leben zu einem beständigen Zeugnis für
die Wahrheit machen. Niemand ist so gestellt, daß er nicht ein wahrer, treuer Christ sein kann. Wie
groß der Widerstand auch sein mag, so können doch alle, die Gott gehorchen wollen, herausfinden,
daß er die Wege öffnet, während sie vorangehen.
Die inmitten widriger Einflüsse Gott treu bleiben, werden eine Erfahrung von höchstem Wert
machen. Ihre Kraft nimmt bei jeder Überwindung von Widerständen zu, und jede Versuchung wird
überwunden. Diese Tatsache wird oft übersehen. Wenn jemand die Wahrheit angenommen hat,
fürchten sich gutmeinende Freunde, ihn irgendeiner Prüfung oder Glaubensprobe auszusetzen. Sofort
sind sie bemüht, ihm eine günstigere Stellung zu sichern. Er geht an einen Ort, wo alle in Harmonie mit
ihm sind. Aber nimmt seine geistliche Stärke dadurch zu? In vielen Fällen nicht. Er wird so wenig
Widerstandskraft entwickeln
193
wie eine Gewächshauspflanze. Er hört auf zu wachen. Sein Glaube wird schwach. Er selbst wächst
nicht in der Gnade noch wird er anderen eine Hilfe sein.
Schreckt jemand davor zurück, die Wahrheit inmitten von Unglauben und Widerstand hochzuhalten?
Dann sollte er sich an die Gläubigen in Neros Haus erinnern — an die Verdorbenheit und Verfolgung,
denen sie zu begegnen hatten — und von ihrem Beispiel Mut, Seelenstärke und Glauben sammeln
Es mag manchmal ratsam sein, Seelen, die neu zum Glauben gekommen sind, von großen
Versuchungen oder Widerstand zu trennen und sie dorthin zu bringen, wo sie sich der Fürsorge und
des Rats erfahrener Christen erfreuen können. Aber es sollte ihnen immer vor Augen gehalten werden,
daß das Leben des Christen ein beständiger Kampf ist und daß Trägheit und Untätigkeit dem Erfolg
sehr hinderlich sind.
Nachdem wir die Wahrheit angenommen haben, sollten wir uns nicht mit ihren Gegnern verbinden
noch uns in irgendeiner Weise dorthin begeben, wo es schwierig für uns ist, unseren Glauben
auszuleben. Sollte jemand aber, während er sich in einer solchen Lage befindet, die Wahrheit
annehmen, dann sollte er sorgfältig erwägen, ob es nötig ist, seine Stelle zu verlassen. Es mag gerade
die Absicht der Vorsehung sein, daß durch seinen Einfluß und sein Beispiel andere zu einer Erkenntnis
der Wahrheit gelangen.
Viele sind durch Familienbande an Gegner der Wahrheit gebunden. Diese Gläubigen sind oftmals
großen Prüfungen ausgesetzt. Aber durch göttliche Gnade mögen sie durch ihren Gehorsam gegen die
Wahrheit Gott verherrlichen.
Als Diener Christi gebührt es uns, treu in der Stellung zu beharren, wo wir nach Gottes Dafürhalten
am wirksamsten dienen können. Wenn sich Gelegenheiten für größere Brauchbarkeit vor uns eröffnen,
sollten wir sie auf des Meisters Gebot hin ergreifen, und sein beifälliges Lächeln wird auf uns ruhen.
Doch sollten wir davor zurückschrecken, unsere uns zugewiesene Arbeit zu verlassen, ehe der Herr
uns nicht deutlich zeigt, daß wir ihm in einem anderen Feld dienen sollen.
194
In den verschiedenen Abteilungen des Werkes werden verschiedene Befähigungen benötigt. Der
Schreiner ist nicht geeignet, am Amboß zu arbeiten, noch der Schmied mit dem Hobel. Der Kaufmann
wäre neben dem Krankenbett fehl am Platz und der Arzt im Kontor. Jene, die ihrer von Gott
zugewiesenen Arbeit überdrüssig werden und sich zu Positionen drängen, für die sie nicht geeignet
sind, werden zu den faulen Knechten gezählt werden. „Jedem sein Werk.“ Niemand ist entschuldigt.
Wir als Volk haben gänzlich unsere Pflicht übersehen, dort als Missionare zu wirken, wo Gott uns
hingestellt hat. Viele wenden sich eifrig von gegenwärtigen Pflichten und Gelegenheiten ab und
schauen nach einem größeren Arbeitsfeld aus. Andere bilden sich ein, daß sie es in einer anderen
Stellung leichter finden würden, der Wahrheit zu gehorchen. Unsere größeren Gemeinden werden
betrachtet, als erfreuten sie sich großer Vorteile. Es besteht unter unseren Geschwistern eine
zunehmende Tendenz, ihre Pflichtposten zu verlassen und nach Battle Creek oder in die Nähe einer
anderen großen Gemeinde zu ziehen. Diese Praktik gefährdet nicht nur das Gedeihen oder selbst das
Leben unserer kleineren Gemeinden, sondern hindert uns auch daran, das uns von Gott aufgetragene
Werk zu verrichten. Dadurch geht unsere geistliche Gesinnung und Brauchbarkeit als Volk verloren.
Von nahezu all unseren Gemeinden in Michigan und selbst aus anderen Staaten sind unsere
Geschwister nach Battle Creek geströmt. Viele von ihnen waren in kleineren Gemeinden gute Helfer,
und ihr Wegzug hat diese kleinen Gruppen sehr geschwächt. In einigen Fällen lösten sich diese
Gemeinden sogar auf.
Haben sich diejenigen, die nach Battle Creek gezogen sind, der Gemeinde als Hilfe erwiesen? Die
Sache wurde mir vorgeführt. Ich wollte sehen, wer ein lebendiges Zeugnis für Gott ablegte, wer eine
Last für die Jugend fühlte, wer Besuche von Haus zu Haus machte, mit Familien betete und für ihr
geistliches Wohl wirkte. Ich sah, daß dieses Werk vernachlässigt wurde. Weil sie nun dieser großen
Gemeinde angehörten, empfanden viele, daß sie nichts zu tun hätten. So falteten sie ihre
195
Hände und drückten sich vor allen Verantwortlichkeiten und Anstrengungen.
Einige von denen, die hierher kommen, suchen nur finanzielle Vorteile. Diese Klasse ist für die
Gemeinde nur eine schwere Last. Sie hindern das Land; ihre unfruchtbaren Zweige halten von anderen
Bäumen nur des Himmels Sonnenlicht fern.
Es gefällt Gott nicht, daß so viele unserer Prediger sich in Battle Creek niederlassen wollen. Wären
ihre Familien in den verschiedenen Teilen des Feldes zerstreut, könnten sie von weit größerem Nutzen
sein. Es ist wahr, daß die Prediger nur wenig Zeit daheim verbringen. Aber es gibt viele Plätze, wo jene
Zeit dem Werke Gottes weit nützlicher wäre.
Zu vielen in Battle Creek sagt der Herr: Was tust du hier? Welche Entschuldigung kannst du
vorbringen, daß du deine Arbeit verlassen hast und eher zu einem Hindernis als zu einer Hilfe für die
Gemeinde geworden bist?
Brüder, ich bitte euch, vergleicht euren heutigen geistlichen Zustand mit dem früheren, als ihr noch
im Werke Christi aktiv wart. Während ihr der Gemeinde geholfen und sie ermutigt habt, erlangtet ihr
eine nützliche Erfahrung und seid von Liebe zu Gott erfüllt gewesen. Ist jetzt, wo ihr mit der Arbeit für
andere aufgehört habt, nicht eure eigene Liebe erkaltet und euer Eifer dahingeschwunden? Wie steht
es mit euren Kindern? Sind sie fester in der Wahrheit gegründet und mehr Gott geheiligt, seit sie dieser
großen Gemeinde angehören?
Der Einfluß einiger, die seit langem mit dem Werk Gottes verbunden sind, ist der geistlichen
Gesinnung und Weihe sehr abträglich. Diese Jugendlichen, deren Herzen gegenüber dem Evangelium
so verhärtet sind, haben sich mit einer Atmosphäre der Weltlichkeit, der Unehrerbietigkeit und des
Unglaubens umgeben. Wollt ihr es riskieren, eure Kinder dem Einfluß solcher Gefährten auszusetzen?
Es wäre weit besser für sie, ohne Ausbildung zu bleiben, als sie unter Aufopferung von Grundsätzen
und des Segens des Herrn zu erlangen.
Unter den Jugendlichen, die nach Battle Creek kommen, gibt es einige, die ihre Treue zu Gott
inmitten von Versuchungen aufrecht erhalten, aber ihre Zahl ist gering. Viele, die im
196
Glauben an die Wahrheit, die Bibel und die Religion hierher kommen, sind von ungläubigen Kameraden
in die Irre geführt worden. Sie kehrten nach Hause zurück und zweifelten jede Wahrheit an, die uns als
Volk teuer ist.
Laßt alle Geschwister, die den Vorsatz gefaßt haben, nach Battle Creek zu ziehen oder ihre Kinder
hierher zu schicken, sich diesen Schritt sehr gut überlegen. Es sei denn, die Truppen dieses großen
Mittelpunktes des Werkes halten die Stellung, es sei denn, Glaube und Weihe der Gemeinde
entsprechen ihren Vorrechten und Gelegenheiten, oder dies ist der gefährlichste Entschluß, den ihr
fassen könnt. Ich habe den Zustand dieser Gemeinde so gesehen, wie die Engel ihn betrachten. Es ist
geistliche Täuschung über beide, Volk und Wächter, gekommen. Sie halten die Formen der Religion
aufrecht, ermangeln aber der innewohnenden Grundsätze der Gerechtigkeit. Wenn nicht eine
entschiedene Veränderung, eine deutliche Umwandlung in dieser Gemeinde stattfindet, sollte die
Schule von hier an einen anderen Ort verlegt werden.
Hätten die Jugendlichen, die hier seit Jahren wohnen, ihre Vorrechte ausgekauft, so würden sich
einige von ihnen, die jetzt Zweifler sind, dem Predigtdienst geweiht haben. Aber sie haben es als einen
Beweis intellektueller Überlegenheit betrachtet, die Wahrheit anzuzweifeln, und sind stolz auf ihre
Unabhängigkeit im Hegen von Unglauben. Sie haben dem Geist der Gnade getrotzt und Christi Blut mit
Füßen getreten.
Wo sind die Missionare, die aus dem Herzen des Werkes hervorgehen sollten? Jedes Jahr sollten
zwanzig bis fünfzig von Battle Creek ausgesandt werden, um die Wahrheit denen zu bringen, die sich in
Finsternis befinden. Aber die Frömmigkeit ist so im Abnehmen begriffen, die Weihe ist so schwach und
Weltlichkeit und Selbstsucht so vorherrschend, daß die moralische Atmosphäre allen missionarischen
Eifer fast völlig ausgelöscht hat.
Wir brauchen nicht in ferne Länder zu gehen, um Missionare für Gott zu werden. Rings um uns her
gibt es Felder, die „schon weiß zur Ernte“ sind. Wer nur will, kann „Frucht zum ewigen Leben“ ernten.
Gott ruft viele in Battle Creek auf, die
197
wegen geistlicher Untätigkeit dahinsiechen, dorthin zu gehen, wo ihre Arbeit in seinem Werk benötigt
wird. Verlaßt Battle Creek, auch wenn es ein finanzielles Opfer erfordert. Geht irgendwo hin, wo ihr ein
Segen für andere sein könnt. Geht dahin, wo ihr irgendeine kleine, schwache Gemeinde stärken könnt.
Benutzt die Fähigkeiten, die Gott euch verliehen hat.
Schüttelt eure geistliche Schlafsucht ab. Wirkt mit all eurer Kraft, eure eigene Seele und die Seelen
anderer zu retten. Es ist heute nicht die Zeit, „Friede und Sicherheit“ zu rufen. Zur Verkündigung dieser
Botschaft werden keine Männer benötigt, die mit schönen Reden die Zuhörer entzücken. Die Wahrheit
muß in ihrer ganzen schneidenden Schärfe vorgeführt werden. Es werden tatkräftige Männer benötigt
— Männer, die mit ernster, unermüdlicher Energie für die Reinigung der Gemeinde und Warnung der
Welt wirken.
Ein großes Werk muß getan werden. Umfassendere Pläne müssen gelegt werden. Eine Stimme
muß sich erheben, welche die Nationen erweckt. Männer, deren Glauben schwach und wankend ist,
können das Werk in dieser bedeutenden Krise nicht fördern. Wir brauchen den Mut von Helden und den
Glauben von Märtyrern.
Kapitel 19: Weltlichkeit in der Gemeinde
Von den heiligen Männern vor alters wird berichtet, daß Gott sich nicht schämte, ihr Gott genannt zu
werden. Der Grund ist, daß sie, anstatt nach irdischen Besitztümern, Glück in weltlichen Plänen oder
Zielen zu trachten, alles auf Gottes Altar legten und Vorsorge trafen, sein Reich aufzubauen. Sie lebten
nur zu Gottes Verherrlichung und erklärten deutlich, daß sie auf Erden Pilger und Fremdlinge wären
und ein besseres Land suchten, nämlich ein himmlisches. Ihr Verhalten zeugte von ihrem Glauben. Gott
konnte sie mit seiner Wahrheit betrauen und ihnen die Welt überlassen, damit sie durch sie eine
Erkenntnis seines Willens erlangt.
198
Wie aber behandelt das bekenntliche Volk Gottes heutzutage die Ehre seines Namens? Wie könnte
die Welt heute zu dem Schluß gelangen, daß sie ein besonderes Volk sind? Welchen Beweis liefern sie
für ihr Bürgerrecht im Himmel? Ihr selbstbefriedigendes, die Bequemlichkeit liebendes Verhalten
verfälscht Christi Charakter. Er könnte sie nicht in bemerkenswerter Weise vor der Welt ehren; täte er
es, dann würde dies bedeuten, daß er ihre falsche Darstellung seines Wesens guthieße.
Ich spreche zur Gemeinde in Battle Creek: Welches Zeugnis legt ihr vor der Welt ab? Als mir euer
Fall vorgeführt wurde, wurde ich auf die Wohnungen hingewiesen, die unsere Geschwister kürzlich in
jener Stadt errichtet haben. Diese Gebäude sind ebenso viele Denkmäler eures Unglaubens an die
Lehren, denen ihr zu folgen vorgebt. Sie sind wirksamere Predigten als alle, die vom Rednerpult
gehalten werden. Ich sah, daß Weltmenschen mit Scherzen und Spott darauf zeigten und sie als eine
Verleugnung unseres Glaubens betrachteten. Sie erklärten öffentlich, was die Eigentümer in ihren
Herzen sprachen: „Mein Herr kommt noch lange nicht.“ Matthäus 24,48.
Ich schaute auf die Kleidung und lauschte der Unterhaltung vieler, die sich zur Wahrheit bekennen.
Beides widersprach den Grundsätzen der Wahrheit. Kleidung und Unterhaltung offenbaren, was
diejenigen am meisten schätzen, die den Anspruch erheben, Pilger und Fremdlinge auf Erden zu sein.
„Sie sind von der Welt; darum reden sie von der Welt, und die Welt hört sie.“ 1.Johannes 4,5.
Puritanische Einfachheit und Schlichtheit sollte die Wohnungen und die Kleidung aller
kennzeichnen, die an die feierlichen Wahrheiten für diese Zeit glauben. Alles nutzlos für Kleidung oder
die Ausschmückung unserer Häuser ausgegebene Geld ist eine Verschwendung des Geldes des Herrn.
Es beraubt Gottes Werk, um dem Stolz huldigen zu können. Unsere Anstalten sind mit Schulden
belastet; wie können wir erwarten, daß der Herr unsere Gebete für ihr Gedeihen erhört, wenn wir nicht
tun, was in unserer Macht steht, ihnen aus ihrer Verlegenheit herauszuhelfen?
199
Ich möchte an euch die Worte richten, die Christus zu Nikodemus sprach: „Ihr müßt von neuem
geboren werden.“ Diejenigen, in deren Herzen Christus regiert, werden keinen Wunsch verspüren, die
Schaustellung der Welt nachzuahmen. Sie werden überall das Banner des Kreuzes mit sich führen. Sie
werden immer Zeugnis von höheren Zielen und erhabeneren Themen ablegen als denen, worin
Weltmenschen aufgehen. Unsere Kleidung, unsere Wohnungen und unsere Unterhaltung müssen von
unserer Weihe an Gott zeugen. Welche Macht würde diejenigen begleiten, die so beweisen, daß sie
alles für Christum aufgegeben haben. Gott wäre nicht beschämt, sie seine Kinder zu heißen. Er würde
sein ihm geweihtes Volk segnen, und die ungläubige Welt würde ihn fürchten.
Es verlangt Christum danach, machtvoll durch seinen Geist für die Überzeugung und Bekehrung von
Sündern zu wirken. Nach seinem göttlichen Plan soll dieses Werk durch seine Gemeinde getan werden.
Doch ihre Glieder haben sich so weit von ihm entfernt, daß er seinen Willen nicht durch sie ausführen
kann. Er wünscht sein Werk durch Werkzeuge auszuführen, doch diese müssen in Übereinstimmung
mit seinem Charakter sein.
Wo sind in Battle Creek die Treuen, wahrhaft Gläubigen? Sie sollen sich auf des Herrn Seite stellen.
Wenn wir uns in einer Stellung befinden wollen, in der Gott uns brauchen kann, müssen wir einen
persönlichen Glauben und eine persönliche Erfahrung haben. Nur wer völlig auf Gott vertraut, ist jetzt
sicher. Wir dürfen keinem menschlichen Vorbild folgen oder uns auf menschliche Unterstützung
verlassen. Viele nehmen immer wieder eine verkehrte Stellung ein und bewegen sich in falscher
Richtung. Wenn wir ihrer Leitung vertrauen, werden wir in die Irre geführt.
Viele, die sich als Sprachrohr Gottes bezeichnen, verleugnen ihren Glauben im täglichen Leben. Sie
führen dem Volk wichtige Wahrheiten vor, aber wer ist von diesen Wahrheiten beeindruckt? Wer ist von
der Sünde überzeugt? Die Zuhörer wissen, daß diejenigen, die heute predigen, morgen die
200
ersten sind, die sich an Vergnügungen, Ausgelassenheit und Leichtfertigkeit beteiligen. Ihr Einfluß
außerhalb des Rednerpultes besänftigt das Gewissen der Unbußfertigen und gibt Anlaß, das
Predigtamt zu verachten. Sie selbst schlafen am Rande der ewigen Welt. Das Blut von Seelen klebt an
ihren Kleidern.
Womit beschäftigen sich Christi treue Diener? „Und betet stets in allem Anliegen mit Bitten und
Flehen im Geist“ (Epheser 6,18), — betend im Kämmerlein, in der Familie, in der Versammlung, überall
— „und wachet dazu mit allem Anhalten.“ Sie fühlen, daß Seelen in Gefahr sind, und in ernstem,
demütigem Glauben beanspruchen sie für sie die göttlichen Verheißungen. Das von Christus bezahlte
Lösegeld — die Versöhnung am Kreuz — steht ihnen immer vor Augen. Eine Seelenernte wird das
Siegel auf ihre Berufung setzen.
Gottes Tadel ruht auf seinem Volk wegen ihres Stolzes und ihres Unglaubens. Sie können keinen
Teil an der Freude seiner Erlösung haben, während sie von den Unterweisungen seines Wortes und
seines Geistes abweichen. Er wird denen Gnade schenken, die ihn fürchten und in der Wahrheit
wandeln, und denen seine Segnungen entziehen, die sich der Welt anpassen. Barmherzigkeit und
Wahrheit ist allen verheißen, die demutsvoll und reumütig sind, aber Gerichte den Empörern.
Die Gemeinde in Battle Creek hätte von Abgötterei frei sein können. Ihre Treue hätte ein Beispiel für
andere Gemeinden sein können. Aber sie ist eher bereit, von Gottes Geboten abzuweichen, als ihre
Freundschaft mit der Welt aufzugeben. Sie ist an die Götzen gebunden, die sie gewählt hat, und weil
sie sich zeitlichen Wohlergehens und der Gunst einer gottlosen Welt erfreut, glaubt sie, daß sie reich in
Gott sei. Dies wird sich für viele als fatale Täuschung erweisen. Ihr göttlicher Charakter und ihre
geistliche Kraft ist von ihr gewichen.
Ich rate dieser Gemeinde, die Warnung des Heilandes zu beachten: „Gedenke, wovon du gefallen
bist, und tue Buße und tue die ersten Werke. Wo aber nicht, werde ich dir bald kommen und deinen
Leuchter wegstoßen von seiner Stätte, wo du nicht Buße tust.“ Offenbarung 2,5.
Kapitel 20: Dürfen wir spiritistische Ärzte konsultieren?
„Ahasja fiel durch das Gitter in seinem Söller zu Samaria und ward krank; und sandte Boten und
sprach zu ihnen: Gehet hin und fragt Baal-Sebub, den Gott zu Ekron, ob ich von dieser Krankheit
genesen werde. Aber der Engel des Herrn redete mit Elia, dem Thisbiter: Auf! Und begegne den Boten
des Königs zu Samaria und sprich zu ihnen: Ist denn nun kein Gott in Israel, daß ihr hingehet, zu fragen
Baal-Sebub, den Gott Ekrons? Darum so spricht der Herr: Du sollst nicht von dem Bette kommen,
darauf du dich gelegt hast, sondern sollst des Todes sterben.“ 2.Könige 1,2-4.
Diese Geschichte zeigt schlagend das göttliche Mißfallen an denen, die sich von Gott zu
satanischen Helfern wenden. Kurz vor den oben berichteten Ereignissen hatte das Königreich Israel
den Herrscher gewechselt. Ahab war durch das Gericht Gottes umgekommen. Ihm war sein Sohn
Ahasja gefolgt, ein unwürdiger Charakter, der in den Augen des Herrn nur Böses tat, in den Wegen
seines Vaters und seiner Mutter wandelte und Israel zur Sünde verführte. Er diente Baal, betete ihn an
und erzürnte den Herrn, den Gott Israels, wie sein Vater Ahab getan hatte. Aber die Gerichte folgten
den Sünden des empörerischen Königs auf dem Fuße. Ein Krieg mit Moab und der Unfall, durch den
sein eigenes Leben bedroht wurde, bezeugten den Zorn Gottes gegen Ahasja.
Wieviel hatte doch der König Israels zu seines Vaters Zeit von den Wunderwerken des
Allerhöchsten gehört und gesehen! Welchen schrecklichen Beweis seiner Strenge und Eifersucht hatte
Gott dem abtrünnigen Israel gegeben! Das alles wußte Ahasja wohl; jedoch handelte er, als wären
diese schrecklichen Ereignisse und sogar das furchtbare Ende seines eigenen Vaters nur leeres
Geschwätz gewesen. Anstatt sein Herz vor dem Herrn zu demütigen, wagte er die verwegenste Tat der
Gottlosigkeit, die sein Leben kennzeichnete. Er befahl seinen Knechten: „Gehet hin und fragt
Baal-Sebub, den Gott zu Ekron, ob ich von dieser Krankheit genesen werde.“ 2.Könige 1,2.
202
Man glaubte, der Götze von Ekron gäbe durch seine Priester Auskunft über zukünftige Ereignisse.
Er hatte solch allgemeines Vertrauen erlangt, daß eine große Anzahl von Menschen aus beträchtlicher
Entfernung ihre Zuflucht zu ihm nahmen. Die dort gegebenen Voraussagen und Auskünfte kamen
unmittelbar vom Fürsten der Finsternis. Satan hat die Anbetung der Götzenbilder geschaffen. Er hält sie
aufrecht, um die Sinne der Menschen von Gott abzulenken. Das Reich der Finsternis und Lüge wird
durch seine Tätigkeit gestützt.
Der Bericht von König Ahasjas Sünde und Strafe enthält eine Warnung, die niemand ungestraft
mißachten kann. Wir verehren keine heidnischen Götter, und doch beten Tausende genau so an
Satans Altar wie der König Israels. Derselbe Geist heidnischen Götzendienstes herrscht heute, obwohl
er unter dem Einfluß von Wissenschaft und Bildung eine feinere und anziehendere Form angenommen
hat. Jeder Tag bringt den traurigen Beweis dafür, daß der Glaube an das wahre Wort der Weissagung
schnell abnimmt und statt dessen Aberglaube und satanische Zauberei die Sinne der Menschen
gefangennehmen. Alle, die nicht ernsthaft in der Schrift forschen und jeden Wunsch und jeden Vorsatz
ihres Lebens dieser untrüglichen Prüfung unterwerfen, alle, die Gott nicht im Gebet suchen, um
Erkenntnis seines Willens zu erlangen, werden ganz bestimmt vom richtigen Wege abirren und der
Täuschung Satans verfallen.
Die heidnischen Orakel haben ihr Gegenstück in den spiritistischen Medien, den Hellsehern und
Wahrsagern von heute. Die geheimnisvollen Stimmen, die in Ekron und Endor redeten, verführen die
Menschenkinder heute noch mit ihren lügnerischen Worten. Der Fürst der Finsternis ist nur unter einer
neuen Maske erschienen. Die Mysterien der heidnischen Anbetung sind durch die geheimen
Zusammenkünfte und Séancen, die Geheimnisse und Wunder der Zauberer unserer Zeit ersetzt
worden. Ihre Enthüllungen werden von Tausenden, die sich weigern, Licht aus Gottes Wort oder von
seinem Geist anzunehmen, begierig aufgenommen. Während sie voll Verachtung über die Zauberer
des Altertums spotten, lacht der große Betrüger triumphierend, weil sie sich seinen lediglich
abgewandelten Künsten ergeben.
203
Seine Helfer behaupten immer noch, Krankheit heilen zu können. Sie schreiben ihre Macht der
Elektrizität, dem Magnetismus oder den sogenannten „sympathischen Heilmitteln“ zu. In Wirklichkeit
sind sie jedoch nur Kanäle für die Kraftströme Satans. Durch diese Mittel wirft er seinen Zauber über
Leib und Seele der Menschen.
Von Zeit zu Zeit habe ich Briefe von Predigern und Gemeindegliedern bekommen mit der Frage, ob
ich es für Unrecht hielte, spiritistische und hellseherische Ärzte zu Rate zu ziehen. Ich habe diese Briefe
aus Mangel an Zeit nicht beantwortet. Aber eben jetzt drängt sich mir der Gegenstand erneut auf. Diese
Helfer Satans sind so zahlreich geworden, auch die Gewohnheit, bei ihnen Rat zu suchen, ist so
allgemein üblich, daß mir eine Warnung nötig zu sein scheint.
Gott hat es uns ermöglicht, die Gesundheitsgesetze kennenzulernen. Er hat es uns zur Pflicht
gemacht, unsere körperlichen Kräfte in der bestmöglichen Verfassung zu erhalten, daß wir ihm
annehmbar dienen können. Wer es ablehnt, das Licht und die Erkenntnis zu nutzen, die ihm durch
Gottes Gnade erreichbar sind, verwirft eins der ihm von Gott gewährten Mittel, sein geistliches und
körperliches Leben zu fördern. Er begibt sich selbst dahin, wo er den Täuschungen Satans ausgesetzt
ist.
Nicht wenige in diesem christlichen Zeitalter und unter den christlichen Völkern nehmen ihre Zuflucht
lieber zu bösen Geistern, als der Kraft des lebendigen Gottes zu vertrauen. Die Mutter, die am
Krankenbett ihres Kindes wacht, ruft aus: „Ich kann nichts mehr tun. Gibt es keinen Arzt, der mein Kind
wieder gesund machen kann?“ Sie hört von den Wunderkuren irgendeines Hellsehers oder
Magnetiseurs, vertraut ihren Liebling seiner Obhut an und überantwortet ihn dadurch ebenso sicher den
Händen Satans, als wenn dieser an ihrer Seite stünde. In vielen Fällen wird durch ein solches Verhalten
das künftige Leben des Kindes durch eine satanische Macht beherrscht, die zu brechen anscheinend
unmöglich ist.
Viele wollen die notwendige Anstrengung nicht aufbieten, um zur Erkenntnis der Lebensgesetze und
der einfachen Mittel zu gelangen, die zur Wiederherstellung der Gesundheit
204
angewandt werden müssen. Sie finden das rechte Verhältnis zum Leben nicht von selbst. Wenn sie
infolge ihrer Übertretung der Naturgesetze krank werden, bemühen sie sich nicht, ihre Fehler zu
berichtigen und dann den Segen Gottes zu erbitten, sondern sie suchen Hilfe bei den Ärzten. Werden
sie wieder gesund, dann geben sie den Medikamenten und Ärzten die Ehre. Stets sind sie bereit,
menschliche Macht und Weisheit zu vergöttern, und scheinen keinen anderen Gott zu kennen als das
Geschöpf aus Staub und Asche.
Ich hörte einmal, wie eine Mutter einen ungläubigen Arzt bat, das Leben ihres Kindes zu retten. Als
ich sie aber dringend bat, ihre Hilfe bei dem großen Arzt zu suchen, der alle aus äußerster Not retten
kann, die im Glauben zu ihm kommen, da wandte sie sich ungeduldig ab. Hier beobachteten wir den
gleichen Geist, den Ahasja offenbarte.
Es ist nicht ungefährlich, Ärzten zu vertrauen, die nicht in der Furcht Gottes stehen. Ohne den
Einfluß göttlicher Gnade sind die Herzen der Menschen „arglistig ... mehr als alles andere, und
verschlagen“. Jeremia 17,9 (Menge). Ihr Ziel ist Selbstverherrlichung. Welche Ungerechtigkeiten
wurden oft unter dem Deckmantel des ärztlichen Berufes verborgen, welche Täuschungen wurden
dadurch unterstützt! Der Arzt mag behaupten, große Weisheit und wunderbare Geschicklichkeit zu
besitzen, dabei kann er charakterlos sein und seine Behandlungsweise den Gesetzen des Lebens
zuwiderlaufen. Der Herr unser Gott versichert uns, daß er nur darauf wartet, uns seine Gnade zu
erweisen. Er lädt uns ein, ihn in der Zeit der Not anzurufen. Wie können wir uns von ihm abwenden und
menschlicher Hilfe vertrauen?
Kommt mit mir in ein Krankenzimmer. Dort liegt ein Ehemann und Vater. Er ist ein Mann, dessen
Wirken für die menschliche Gesellschaft und das Werk Gottes ein Segen war. Plötzlich wurde er von
einer Krankheit niedergeworfen. Die Fieberglut schien ihn zu verzehren. Er verlangte reines Wasser,
um die ausgedörrten Lippen zu feuchten, den brennenden Durst zu löschen und die fiebernde Stirn zu
kühlen. Aber nein, der Arzt hat Wasser verboten. Das Reizmittel eines starken Trankes wird ihm
gegeben und gießt Öl ins Feuer. Die gesegnete Himmelsgabe
205
des Wassers würde, geschickt angewandt, die verzehrende Flamme löschen. Aber zugunsten einer
giftigen Arznei wird sie beiseite gesetzt.
Eine Zeitlang noch ringt die Natur um ihr Recht, aber schließlich überwunden, gibt sie den Kampf
auf. Der Tod beendet die Leiden. Gott wünschte, daß dieser Mann leben sollte, um der Welt ein Segen
zu sein. Satan beschloß, ihn zu zerstören, und mit der Hilfe des Arztes hatte er Erfolg. Wie lange sollen
wir es zulassen, daß unsere wertvollsten Lichter auf diese Weise ausgelöscht werden?
Ahasja sandte seine Diener, Baal-Sebub in Ekron zu befragen. Aber statt einer Botschaft des
Götzen hörte er die schreckliche Ankündigung des Gottes Israels: „Du sollst nicht von dem Bette
kommen, darauf du dich gelegt hast, sondern sollst des Todes sterben.“ 2.Könige 1,4. Christus war es,
der Elia befahl, dem abtrünnigen König diese Worte zu verkündigen. Jehova Immanuel hatte Ursache,
über Ahasjas Gottlosigkeit sehr zornig zu sein. Was hatte Christus nicht getan, die Herzen der Sünder
zu gewinnen und sie mit unwandelbarem Vertrauen zu sich zu erfüllen? Seit Ewigkeiten war er seinem
Volk mit Offenbarungen seiner sich herablassenden wärmsten Güte und beispielloser Liebe
nachgegangen. Von den Zeiten der Patriarchen an hatte er gezeigt, daß seine „[höchste] Lust ist bei
den Menschenkindern“. Sprüche 8,31. Er war all denen, die ihn aufrichtig suchten, eine gegenwärtige
Hilfe. „In allen ihren Bedrängnissen fühlte [auch] er sich bedrängt, und der Engel seines Angesichts
rettete sie; in seiner Liebe und Milde erlöste er selbst sie.“ Jesaja 63,9 (Menge). Doch Israel war von
Gott abgefallen und wandte sich um Hilfe an den schlimmsten Feind des Herrn.
Die Hebräer waren das einzige Volk, das mit einer Erkenntnis des wahren Gottes begünstigt worden
war. Als der König Israels aussandte, ein heidnisches Orakel zu befragen, tat er damit den Heiden
kund, daß er zu ihren Götzen mehr Vertrauen hatte als zu dem Gott seines Volkes, dem Schöpfer
Himmels und der Erden. Genauso handeln diejenigen, die behaupten, das Wort Gottes zu kennen,
wenn sie sich von der Quelle der Kraft
206
und Weisheit zu den Mächten der Finsternis wenden und sie um Rat oder Hilfe bitten. Wenn Gottes
Zorn durch solches Betragen eines bösen, götzendienerischen Königs entbrannte, wie wird er eine
ähnliche Handlungsweise derer ansehen, die versichern, seine Diener zu sein?
Wie kommt es, daß Menschen dem so ungern vertrauen, der sie schuf und der durch eine
Berührung, ein Wort, einen Blick alle Arten von Krankheiten heilen kann? Wer ist unseres Vertrauens
würdiger als der Eine, der zu unserer Erlösung ein so großes Opfer brachte? Der Herr hat uns durch
den Apostel Jakobus genaue Anweisungen gegeben, wie wir uns in Krankheitsfällen verhalten sollen.
Wenn menschliche Hilfe versagt, wird Gott der Helfer seines Volkes sein. „Ist jemand krank, der rufe zu
sich die Ältesten von der Gemeinde, daß sie über ihm beten und ihn salben mit Öl in dem Namen des
Herrn. Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten.“
Jakobus 5,14.15. Würden die bekenntlichen Nachfolger Christi mit reinem Herzen ebensoviel Vertrauen
auf Gottes Verheißungen setzen, wie sie es satanischen Helfern gegenüber bekunden, dann verspürten
sie die Leben spendende Kraft des Heiligen Geistes an Leib und Seele.
Gott hat seinem Volk großes Licht verliehen, doch sind wir damit nicht gegen jede Versuchung
gefeit. Wer von uns sucht bei den Göttern Ekrons Hilfe? Betrachtet dieses Bild, das ja nicht der
Phantasie entnommen ist. Bei wie vielen, selbst unter den Siebenten-Tags-Adventisten, sind seine
Hauptmerkmale sichtbar? Ein augenscheinlich sehr gewissenhafter, aber fanatischer und dünkelhafter
Kranker gesteht freimütig seine Mißachtung der Lebens- und Gesundheitsgesetze, zu deren Erkenntnis
die Gnade Gottes uns als Volk geführt hat. Seine Nahrung muß so zubereitet werden, daß sie seine
ungesunden Begierden befriedigt. Statt sich an einen Tisch mit gesunder Nahrung zu setzen, zieht er
Gaststätten vor, weil er dort seinem Appetit hemmungslos frönen kann. Obwohl er ein gewandter
Anwalt der Mäßigkeit ist, mißachtet er doch ihre Grundregeln. Er möchte Abhilfe haben, aber er lehnt es
ab, sie um den Preis der Selbstverleugnung zu erlangen. Dieser Mann opfert am Altar
207
verdorbener Eßlust. Er ist ein Götzendiener. Die Kräfte, welche veredelt und geheiligt zur Ehre Gottes
gebraucht werden könnten, werden geschwächt und sind kaum brauchbar. Ein reizbares Gemüt, ein
unklarer Kopf und schlaffe Nerven sind unter anderem das Ergebnis der Mißachtung der Naturgesetze.
Er ist leistungsunfähig und unzuverlässig.
Wer den Mut und die Ehrlichkeit aufbringt, ihn vor den drohenden Gefahren zu warnen, zieht sich
sein Mißfallen zu. Der geringste Einwand oder Widerspruch genügt, um seine Streitsucht zu wecken.
Aber jetzt wird ihm eine Gelegenheit geboten, bei jemandem Hilfe zu suchen, der seine Kraft aus der
Zauberei nimmt. Begierig wendet er sich dieser Quelle zu und verschwendet reichlich Zeit und Geld in
der Hoffnung, den angebotenen Segen zu erlangen. Er ist betört und betrogen. Die Macht des
Zauberers wird Gegenstand des Lobes, und andere werden beeinflußt, dessen Hilfe zu suchen. Auf
diese Weise wird der Gott Israels entehrt, während Satans Macht geehrt und erhoben wird.
Im Namen Christi möchte ich seine bekenntlichen Nachfolger aufrufen: Bleibt in dem Glauben, den
ihr am Anfang empfangen habt. Meidet unheiliges und leeres Geschwätz. Setzt euer Vertrauen auf den
lebendigen Gott, anstatt euch auf Zauberei zu verlassen. Verflucht ist der Pfad, der nach Endor oder
Ekron führt. Wer seine Füße auf den verbotenen Weg setzt, wird straucheln und fallen. Es gibt einen
Gott in Israel, bei dem Erlösung für alle Bedrückten zu finden ist. Gerechtigkeit ist seines Stuhles
Festung.
Es ist gefährlich, auch nur im geringsten von des Herrn Unterweisungen abzuweichen. Wenn wir
den klaren Pfad der Pflicht verlassen, wird uns eine Reihe von scheinbar unwiderstehlichen Umständen
weiter und weiter vom rechten Wege wegführen. Unnötige Vertraulichkeit denen gegenüber, die keine
Ehrerbietung vor Gott haben, wird uns verführen, ehe wir dessen gewahr werden. Die Furcht, weltliche
Freunde zu beleidigen, wird uns davon abhalten, Gott unsere Dankbarkeit darzubringen oder unsere
Abhängigkeit von ihm einzugestehen. Wir müssen uns fest an das Wort Gottes halten. Wir haben seine
208
Warnungen und Ermutigungen, seine Drohungen und Verheißungen nötig. Wir bedürfen des
vollkommenen Vorbildes, das uns nur im Leben und Charakter unseres Heilandes gegeben wird.
Engel Gottes werden sein Volk beschützen, solange es auf dem Pfade der Pflicht wandelt, aber es
gibt keine Versicherung solchen Schutzes für diejenigen, die sich vorsätzlich in das Gebiet Satans
wagen. Ein Helfer des großen Betrügers wird alles mögliche sagen und tun, um sein Ziel zu erreichen.
Es besagt wenig, ob er sich Spiritist, „Elektriseur“ oder „Magnetiseur“ nennt. Durch Scheingründe
gewinnt er das Vertrauen der Unbesonnenen. Er gibt vor, ihre Lebensgeschichte zu kennen und alle
Schwierigkeiten und Nöte derer zu verstehen, die ihre Zuflucht bei ihm suchen. Er verkleidet sich selbst
als ein Engel des Lichts, während in seinem Herzen die Finsternis des Todes wohnt. Er bekundet große
Anteilnahme an Frauen, die seinen Rat suchen. Er erzählt ihnen, daß sie all ihre Leiden einer
unglücklichen Ehe zuzuschreiben haben. Das mag nur zu wahr sein, aber solch ein Ratgeber bessert
ihren Zustand nicht. Er sagt ihnen, daß sie Liebe und Mitgefühl brauchen. Unter dem Vorwand großer
Teilnahme an ihrem Wohlbefinden übt er einen Zauber auf seine arglosen Opfer aus und betört sie wie
die Schlange den zitternden Vogel. Bald sind sie vollständig in seiner Macht. Sünde, Schande und
Untergang sind die schrecklichen Folgen.
Diese Werkzeuge der Ungerechtigkeit sind nicht gering an Zahl. Ihr Weg ist durch zerstörte Heime,
vernichtetes Ansehen und gebrochene Herzen gekennzeichnet. Aber von all dem weiß die Welt wenig.
Immer noch sind sie auf der Suche nach neuen Opfern, und Satan frohlockt über die Zerstörung, die er
angerichtet hat.
Die sichtbare und unsichtbare Welt stehen in enger Verbindung. Wenn der Schleier gelüftet werden
könnte, dann würden wir böse Engel sehen, wie sie Dunkelheit um uns verbreiten und mit aller Macht
wirken, um zu täuschen und zu vernichten. Böse Menschen sind von bösen Geistern umgeben, werden
von ihnen beeinflußt und unterstützt. Der Mensch des Glaubens und
209
Gebets hat seine Seele der göttlichen Führung übergeben, und Engel Gottes bringen ihm Licht und
Stärke vom Himmel.
Niemand kann zwei Herren dienen. Licht und Finsternis sind nicht geringere Gegensätze als der
Dienst Gottes und der Dienst Satans. Der Prophet Elia stellte diesen Gegensatz in das richtige Licht, als
er das abtrünnige Israel furchtlos aufforderte: „Wie lange hinket ihr auf beiden Seiten? Ist der Herr Gott,
so wandelt ihm nach; ist‘s aber Baal, so wandelt ihm nach.“ 1.Könige 18,21.
Diejenigen, die sich der Zauberei Satans ergeben haben, mögen sich des großen Nutzens rühmen,
den sie dadurch haben. Aber wird damit bewiesen, daß ihr Weg klug oder sicher ist? Was bedeutet es,
wenn das Leben verlängert wird? Was heißt es schon, wenn man irdischen Gewinn erwirbt? Wird es
sich am Ende bezahlt machen, den Willen Gottes mißachtet zu haben? All solch augenscheinlicher
Gewinn wird sich schließlich als unwiederbringlicher Verlust erweisen. Wir können nicht ungestraft eine
einzige Schranke durchbrechen, die Gott aufgerichtet hat, um sein Volk vor Satans Macht zu schützen.
Unsere einzige Sicherheit besteht darin, die alten Grenzsteine zu bewahren. „Ja, nach dem Gesetz
und Zeugnis! Werden sie das nicht sagen, so werden sie die Morgenröte nicht haben.“ Jesaja 8,20.
Kapitel 21: Aufsehen auf Jesum
Viele begehen in ihrem religiösen Leben den schweren Fehler, daß sie nur ihre Gefühle aufmerksam
beobachten. Danach beurteilen sie ihren Fortschritt oder Rückgang. Gefühle sind kein sicherer
Maßstab. Zum Beweis unserer Annahme bei Gott dürfen wir nicht in unser Inneres blicken. Wir werden
dort nur Entmutigendes finden. Unsere einzige Hoffnung besteht im „Aufsehen auf Jesum, den
Anfänger und Vollender des Glaubens.“ Hebräer 12,2. Bei ihm ist alles, was uns mit Hoffnung, Glauben
und Mut erfüllen kann. Er ist unsere Gerechtigkeit, unser Trost und unsere Freude.
210
Wer in das eigne Innere blickt, um Trost zu finden, wird müde und enttäuscht. Ein Gefühl für unsere
Schwäche und Unwürdigkeit sollte uns veranlassen, mit demütigem Herzen das Versöhnungsopfer
Christi zu beanspruchen. Wenn wir uns auf sein Verdienst verlassen, werden wir Ruhe, Frieden und
Freude finden. Er gibt das Äußerste, alle zu erretten, die durch ihn zu Gott kommen.
Wir müssen täglich, ja stündlich auf Jesum vertrauen. Er hat verheißen, so, wie unsere Tage sind,
soll unsere Kraft sein. Durch seine Gnade können wir alle Lasten der Gegenwart tragen und ihre
Pflichten erfüllen. Viele aber werden zu Boden gedrückt, weil sie künftige Schwierigkeiten
vorwegnehmen. Ständig versuchen sie, die Sorgen von morgen ins Heute zu übertragen. Ein großer
Teil all ihrer Prüfungen beruht daher auf Einbildung. Dafür aber hat Jesus keine Vorsorge getroffen. Er
verheißt Hilfe nur für den Tag. Er gebietet uns, daß wir uns nicht mit den Sorgen und Nöten von morgen
belasten; denn „es ist genug, daß ein jeglicher Tag seine eigene Plage habe“. Matthäus 6,34.
Die Gewohnheit, über erwartete Übel zu brüten, ist unklug und unchristlich. Wenn wir das tun,
versäumen wir es, die Segnungen der Gegenwart zu genießen und ihre günstigen Gelegenheiten
wahrzunehmen. Der Herr verlangt von uns, die Pflichten des jeweiligen Tages zu erfüllen und seine
Prüfungen zu ertragen. Täglich müssen wir uns davor hüten, nicht in Wort oder Tat zu fehlen. Heute
sollen wir Gott loben und ehren. Heute sollen wir durch die Anwendung des lebendigen Glaubens den
Feind besiegen. Heute müssen wir Gott suchen und entschlossen sein, uns nicht ohne seine
Anwesenheit zufriedenzugeben. Wir sollten wachen, arbeiten und beten, als wäre heute der letzte Tag,
der uns gewährt wird. Wie überaus ernst würde dann unser Leben sein! Wie gewissenhaft würden wir
Jesus in allen unseren Worten und Taten folgen!
Nur wenige schätzen oder nutzen das köstliche Vorrecht des Gebetes richtig. Wir sollten zu Jesu
gehen und ihm alle unsere Bedürfnisse sagen. Wir können ihm unsere kleinen Sorgen und
Verlegenheiten genauso bringen wie unsere größeren Schwierigkeiten. Was uns auch beunruhigt oder
Not verursacht,
211
sollten wir im Gebet dem Herrn vorlegen. Wenn wir fühlen, daß wir die Gegenwart Christi bei jedem
Schritt brauchen, dann wird Satan nur wenig Gelegenheit haben, uns mit seinen Versuchungen zu
belästigen. Es ist sein ausgeklügeltes Bemühen, uns von unserem besten und verständnisvollsten
Freund fernzuhalten. Wir sollten niemanden außer Jesum zu unserem Vertrauten machen. Mit ihm
können wir uns ohne Gefahr über alles unterhalten, was unsere Herzen bewegt.
Geschwister, wenn ihr euch zum gemeinsamen Gottesdienst versammelt, dann glaubt, daß Jesus
unter euch ist. Glaubt, daß er euch segnen will. Blickt von euch weg! Seht auf Jesum und sprecht von
seiner unvergleichlichen Liebe! Wenn ihr auf ihn seht, werdet ihr in sein Bild verwandelt werden. Wenn
ihr betet, so betet kurz und kommt gleich zur Sache. Haltet dem Herrn nicht in euren langen Gebeten
eine Predigt. Bittet um das Brot des Lebens, wie ein hungriges Kind von seinem irdischen Vater Brot
erbittet. Gott wird uns jeden benötigten Segen schenken, wenn wir ihn in Einfalt und Vertrauen darum
bitten.
Die Gebete der Prediger vor ihren Predigten sind häufig lang und unpassend. Sie umfassen eine
ganze Menge von Gegenständen, die keine Beziehung zu den Bedürfnissen des Augenblicks oder der
Gemeinde haben. Solche Gebete gehören in das Kämmerlein, aber nicht in die Öffentlichkeit. Die Hörer
werden müde und sehnen sich danach, daß der Prediger zum Schluß kommen möge. Brüder, nehmt
die Gemeinde mit euch, wenn ihr betet. Geht vertrauensvoll zu eurem Heiland und sagt ihm, was ihr für
diese Gelegenheit braucht. Bittet Gott mit starkem Verlangen um den Segen, den ihr für diese Zeit
benötigt.
Das Gebet ist die heiligste Betätigung der Seele. Es sollte aufrichtig, demütig und ernst sein und die
Wünsche eines erneuerten Herzens in der Gegenwart eines heiligen Gottes darbringen. Wenn der
Beter spürt, daß er sich in der Gegenwart Gottes befindet, wird er sein Ich vergessen. Er wird kein
Verlangen haben, menschliches Talent zu entfalten. Er wird nicht danach trachten, den Ohren der
Menschen zu gefallen, sondern den Segen zu erlangen, nach dem sich die Seele sehnt.
212
Nähmen wir den Herrn bei seinem Wort, wie reich gesegnet könnten wir werden! Gäbe es doch
inbrünstigere und wirksamere Gebete! Christus will allen helfen, die ihn im Glauben suchen
Kapitel 22: Ruf nach Arbeitern
Ein Geist weltlicher Gesinnung und der Selbstsucht hat die Gemeinde vieler Segnungen beraubt.
Wir haben nicht das Recht zur Vermutung, daß der Gemeinde willkürlich göttliches Licht und göttliche
Kraft vorenthalten wurde und daß deshalb ihre Brauchbarkeit abgenommen habe. Der Erfolg, der in der
Vergangenheit wohlgeordnete Anstrengungen begleitete, widerspricht einer solchen Behauptung. Erfolg
wurde immer entsprechend der aufgewandten Arbeit gewährt. Allein durch Einschränkung der
Bemühungen und der Opferbereitschaft wurde die Nützlichkeit der Gemeinde herabgemindert. Der
Missionseifer ist schwach; die Weihe ist ungenügend. Selbstsucht und Habgier, Geiz und Betrug
existieren bei ihren Gliedern.
Sorgt Gott sich nicht um diese Dinge? Kennt er nicht die Absichten und Pläne des Herzens?
Ernsthaftes, inniges, bußfertiges Gebet würde ihnen die Fenster des Himmels öffnen und sie mit
Gnadenschauern segnen. Ein klarer, fester Blick aufs Kreuz Christi würde ihrer Weltliebe
entgegenwirken und ihre Seelen mit Demut, Reue und Dankbarkeit erfüllen. Dann würden sie fühlen,
daß sie nicht sich selbst gehören, sondern mit dem teuren Blut Christi erkauft sind.
Die Gemeinde ist von einer tödlichen geistlichen Krankheit befallen. Ihre Glieder sind von Satan
verwundet. Doch wollen sie nicht aufs Kreuz Christi blicken, wie die Israeliten auf die eherne Schlange
schauen mußten, wenn sie leben wollten. Die Welt stellt so viele Anforderungen an sie, daß sie keine
Zeit haben, lange genug aufs Kreuz von Golgatha zu schauen, um seine Herrlichkeit zu sehen und
seine Kraft zu spüren. Wenn sie dann und wann einen Schimmer von der Selbstverleugnung und der
Weihe verspüren, welche die Wahrheit erfordert, ist er unwillkommen.
213
Sie wenden ihre Aufmerksamkeit in eine andere Richtung, um ihn um so schneller vergessen zu
können. Der Herr kann sein Volk nicht nützlich und brauchbar machen, wenn nicht alle bemüht sind,
den von ihm niedergelegten Bedingungen nachzukommen.
Überall besteht ein Verlangen nach dem Licht, das Gott seinem Volk gegeben hat. Aber meistens
verhallen diese Rufe ungehört. Wer fühlt sich gedrungen, sich Gott und seinem Werk zu weihen? Wo
sind die jungen Männer, die sich ausbilden, um diesen Rufen nachzukommen? Weite Gebiete öffnen
sich vor uns, wo das Licht der Wahrheit nie verbreitet wurde. Wohin wir auch schauen, sehen wir
Felder, reif zur Ernte; aber es gibt keine Arbeiter, sie einzuholen. Wir beten um den Sieg der Wahrheit.
Welchen Sinn haben eure Gebete, Geschwister? Welche Art von Erfolg wünscht ihr — einen Erfolg, der
eurer Trägheit, eurer Befriedigung des eigenen Ichs schmeichelt — einen Erfolg, der sich selbst hilft
und unterstützt ohne eine Anstrengung eurerseits?
Es muß eine entschiedene Veränderung in der Gemeinde stattfinden, welche die Bequemen und
Trägen aufrüttelt, ehe Arbeiter ins Feld gesandt werden können, die für ihr feierliches Werk geschickt
sind. Es muß eine Erweckung, eine geistliche Erneuerung stattfinden. Die Temperatur christlicher
Frömmigkeit muß angehoben werden. Pläne zur Verbreitung der Wahrheit unter allen Nationen der
Erde müssen ersonnen und ausgeführt werden. Satan lullt Christi vorgebliche Nachfolger in Schlaf,
während Seelen rings um sie her verlorengehen. Wie können sie sich vor ihrem Meister für diese
Vernachlässigung entschuldigen?
Die Worte Christi betreffen die Gemeinde: „Was stehet ihr hier den ganzen Tag müßig?“ Matthäus
20,6. Warum arbeitet ihr nicht in irgendeinem Zweig seines Weinbergs? Wieder und wieder hat er euch
befohlen: „Gehet ihr auch hin in den Weinberg, und was recht sein wird, soll euch werden.“ Matthäus
20,7. Die große Mehrheit hat diesen gnadenvollen Ruf vom Himmel mißachtet. Ist es nicht höchste Zeit,
daß ihr Gottes Geboten gehorcht? Für jeden, der sich nach Christi Namen nennt, gibt es ein Werk zu
tun. Eine Stimme vom Himmel ruft euch feierlich
214
auf, eure Pflicht zu erfüllen. Beachtet diese Stimme und geht sofort ans Werk, irgendwo, ganz gleich in
welcher Stellung. Warum steht ihr hier den ganzen Tag müßig? Ihr habt eine Arbeit zu tun, die eure
besten Kräfte erfordert. Jeder kostbare Augenblick des Lebens ist mit einer Pflicht ausgefüllt, die ihr
Gott oder euren Mitmenschen schuldet, und doch seid ihr müßig!
Es muß noch ein großes Werk der Seelenrettung geschehen. Jeder Engel der Herrlichkeit ist damit
beschäftigt, während jeder Dämon der Finsternis diesem Werk widersteht. Christus hat uns den großen
Wert von Seelen gezeigt. Er kam in die Welt mit der angesammelten Liebe der Ewigkeit in seinem
Herzen, um den Menschen zum Erben all seines Reichtums zu machen. Er enthüllt vor uns die Liebe
des Vaters für die schuldige menschliche Rasse und stellt ihn dar als den Gerechten und den
Rechtfertiger aller, die da glauben.
„Christus lebte nicht sich selbst zum Gefallen.“ Er tat nichts für sich selbst. Alles, was er tat, geschah
zugunsten des gefallenen Menschen. Die Selbstsucht mußte sich in seiner Gegenwart schämen. Er
nahm unsere Natur an, um an unserer Stelle zu leiden. Selbstsucht, die Sünde der Welt, ist die
vorherrschende Sünde in der Gemeinde geworden. Indem Christus sich zum Wohle der Menschen
aufopferte, traf er die Wurzel der Selbstsucht. Er behielt nichts zurück, nicht einmal seine eigene Ehre
und die himmlische Herrlichkeit. Er erwartet dementsprechende Selbstverleugnung und
Opferbereitschaft von seiten derer, die er zu segnen und zu retten kam. Von jedem wird gefordert, seine
Fähigkeiten bis zum äußersten einzusetzen. Jede weltliche Rücksichtnahme sollte zur Verherrlichung
Gottes aufgegeben werden. Der Wunsch nach weltlichen Vorteilen sollte nur auf das eine Ziel
ausgerichtet sein, Gottes Werk besser fördern zu können.
Christi Interessen und die seiner Nachfolger sollten die gleichen sein. Die Welt würde jedoch zu dem
Schluß gelangen, daß dies nicht der Fall ist, weil jene, die den Anspruch erheben, Christo anzugehören,
ihre Ziele ebenso eifrig verfolgen und ihre Güter ebenso egoistisch verschwenden wie diejenigen, die
sich
215
nicht zu ihm bekennen. Weltliches Wohlergehen steht an erster Stelle; nichts wird diesem gleichgestellt.
Das Werk Christi muß warten, bis sie einen bestimmten Anteil für sich selbst gesichert haben. Sie
müssen ihren Gewinn unter allen Umständen steigern. Seelen müssen aus Mangel an Erkenntnis der
Wahrheit umkommen. Von welchem Wert ist eine Seele, für die Christus starb, im Vergleich zu ihrem
Gewinn, ihrem Geschäft, ihren Häusern und Ländereien? Seelen müssen warten, bis sie bereit sind,
etwas zu tun. Gott nennt diese Diener des Mammons faule und untreue Knechte; aber der Mammon
rühmt sich ihrer als seine klügsten und ergebensten Diener. Sie opfern ihres Herrn Güter der
Bequemlichkeit und dem Vergnügen. Das eigene Ich ist ihr Götze.
Wie traurig, nichts zu tun, um Seelen zu Jesu zu führen, der alles dahingab, um die Erlösung in
unsere Reichweite zu bringen! Die Selbstsucht verdrängt die Wohltätigkeit und die Liebe Christi aus der
Gemeinde. Millionen von des Herrn Geld werden zur Befriedigung weltlicher Lüste vergeudet, während
sein Schatzhaus leer bleibt. Ich weiß nicht, wie ich euch die Sache vor Augen stellen soll. Mir wurde
vorgeführt, daß jedes Jahr Tausende Dollars ausgegeben werden, um dem Kleiderstolz zu huldigen.
Diese ganzen Mittel sollten unseren Missionen zur Verfügung gestellt werden. Mir wurden Familien
gezeigt, die ihre Tische mit beinahe jedem Luxus beladen und fast jeden Wunsch nach feiner Kleidung
befriedigen. Sie besitzen ein gutgehendes Geschäft oder beziehen gute Gehälter. Aber beinahe jeder
Dollar wird für sie selbst oder ihre Familien ausgegeben. Ahmen sie damit Christum nach? Welche Last
fühlen diese Bekenner, sparsam zu wirtschaften und ihre Gelüste zu verleugnen, damit sie das Werk
Gottes auf Erden reichlicher unterstützen können? Könnte Ältester Andrews einige der Mittel erlangen,
die so nutzlos verschwendet werden, welch ein Segen wäre es für ihn. Er könnte sich der Vorteile
bedienen, die zur Verlängerung seines Lebens beitragen würden. Das Missionswerk könnte
hundertfach vergrößert werden, gäbe es mehr Mittel, ausgedehntere Pläne zu verwirklichen. Doch die
Mittel, die nach Gottes Absicht für diesen Zweck bestimmt werden sollten,
216
werden für Artikel ausgegeben, die man zur Bequemlichkeit und zum Glück für notwendig erachtet, und
die zu besitzen auch keine Sünde wäre, würde das Geld nicht so nötig zur Ausbreitung der Wahrheit
gebraucht werden. Wie viele von euch, meine Geschwister, suchen das Ihre anstatt das, was Jesu
Christo angehört?
Stellt euch vor, Christus wohnte in jedem Herzen, und die Selbstsucht in all ihren Formen wäre aus
der Gemeinde verbannt — was wäre wohl das Resultat? Harmonie, Einigkeit und brüderliche Liebe
würden sich offenbaren wie einst in der von Christo gegründeten ersten Gemeinde. Überall sähe man
christliche Aktivität. Die ganze Gemeinde würde wie eine Opferflamme zur Verherrlichung Gottes
emporlodern. Jeder Christ würde die Frucht seiner Selbstverleugnung auf den Opferaltar legen. Es
gäbe eine viel größere Geschäftigkeit, neue Methoden der Brauchbarkeit zu ersinnen und zu studieren,
wie man arme Sünder erreichen und sie vor dem ewigen Verderben retten kann.
Würden wir uns einfach und schicklich kleiden, ohne Rücksicht auf die Mode; würden wir immer
einfache, gesunde Nahrung auf den Tisch bringen und allen Luxus und jede Verschwendung
vermeiden; würden wir unsere Häuser zweckentsprechend einfach bauen und ebenso möblieren —
dann zeigte dies die heiligende Macht der Wahrheit und würde einen beredten Einfluß auf Ungläubige
ausüben. Wenn wir uns aber in diesen Dingen der Welt anpassen, ja in einigen Fällen die
Weltmenschen noch übertrumpfen wollen, dann wird das Predigen der Wahrheit nur wenig oder gar
keine Wirkung haben. Wer wird der feierlichen Wahrheit für diese Zeit glauben, wenn diejenigen, die
sich bereits dazu bekennen, ihren Glauben durch ihre Werke verleugnen? Nicht Gott hat die Fenster
des Himmels vor uns verschlossen, sondern unsere eigene Anpassung an die Sitten und Praktiken der
Welt.
Der dritte Engel von Offenbarung 14 wird dargestellt als schnell mitten durch den Himmel fliegend,
und er ruft: „Hier sind, die da halten die Gebote Gottes und den Glauben an Jesum.“ Offenbarung
14,12. Hier wird die Natur des Werkes von Gottes Volk gezeigt. Sie haben der Welt eine Botschaft von
so großer
217
Wichtigkeit zu verkündigen, daß sie dargestellt werden, als ob sie bei der Verkündigung fliegen. Sie
halten in ihren Händen das Brot des Lebens für eine verhungernde Welt. Die Liebe Christi drängt sie.
Dies ist die letzte Botschaft. Es folgt keine weitere. Es gibt keine Gnadeneinladungen mehr, wenn diese
Botschaft ihre Arbeit getan hat. Wie groß ist das uns Anvertraute! Welche Verantwortung ruht auf allen,
die Worte gnadenvoller Einladung zu bringen: „Und der Geist und die Braut sprechen: Komm! Und wer
es hört, der spreche: Komm! Und wen dürstet, der komme; und wer da will, der nehme das Wasser des
Lebens umsonst.“ Offenbarung 22,17.
Jeder, der hört, soll sagen: „Komm!“ Nicht nur die Prediger, sondern auch das Volk. Alle sollen sich
vereinen zu der Einladung. Nicht nur durch ihr Bekenntnis, sondern auch durch ihren Charakter und ihre
Kleidung sollen sie einen gewinnenden Einfluß ausüben. Sie sind zu Treuhändern für die Welt gemacht,
zu Vollstreckern des Willens des Einen, der den Menschen heilige Wahrheiten vermacht hat. Möchten
doch alle die Würde und Herrlichkeit des ihnen von Gott Anvertrauten erkennen!
Kapitel 23: Das Siegel Gottes
„Und er rief mit lauter Stimme vor meinen Ohren und sprach: Laßt herzukommen die Heimsuchung
der Stadt, und ein jeglicher habe eine Mordwaffe in seiner Hand.“ Hesekiel 9,1.
„... und rief dem, der die Leinwand anhatte und das Schreibzeug an seiner Seite. Und der Herr
sprach zu ihm: Gehe durch die Stadt Jerusalem und zeichne mit einem Zeichen an die Stirn die Leute,
so da seufzen und jammern über alle Greuel, so darin geschehen. Zu jenen aber sprach er, daß ich‘s
hörte: Gehet diesem nach durch die Stadt und schlaget drein; eure Augen sollen nicht schonen noch
übersehen. Erwürget Alte, Jünglinge, Jungfrauen, Kinder und Weiber, alles tot; aber die das Zeichen an
sich haben, derer sollt ihr keinen anrühren. Fanget aber an an meinem Heiligtum! Und sie fingen an an
den alten Leuten, so vor dem Hause waren.“ Hesekiel 9,3-6.
218
Jesus ist im Begriff, den Gnadenstuhl des himmlischen Heiligtums zu verlassen. Er will die Kleider
der Rache anlegen und seinen Zorn in Gerichten auf diejenigen ausgießen, die das göttliche Licht
unbeachtet gelassen haben. „Weil nicht alsbald geschieht ein Urteil über die bösen Werke, dadurch
wird das Herz der Menschen voll, Böses zu tun.“ Prediger 8,11. Statt von der Geduld und Langmut, die
der Herr ihnen gegenüber geübt hat, gerührt zu werden, verhärten solche, die Gott nicht fürchten und
die Wahrheit nicht lieben, ihre Herzen auf ihrem bösen Wege. Aber es gibt selbst für die Geduld Gottes
Grenzen, und viele überschreiten sie. Sie haben die Grenzen der Gnade überrannt, und deshalb muß
Gott eingreifen und seine Ehre verteidigen.
Von den Amoritern sagte der Herr: „Sie aber sollen nach vier Mannesaltern wieder hierher kommen;
denn die Missetat der Amoriter ist noch nicht voll.“ 1.Mose 15,16. Obgleich dieses Volk durch seinen
Götzendienst und seine Verdorbenheit auffiel, hatte es das Maß seiner Ungerechtigkeit noch nicht voll
gemacht. Deshalb wollte Gott den Befehl für seine endgültige Vernichtung noch nicht geben. Es sollte
die Macht Gottes noch in einer besonderen Weise offenbart bekommen, damit es keine Entschuldigung
hätte. Der mitleidige Schöpfer war bereit, mit dessen Ungerechtigkeit bis ins vierte Glied Nachsicht zu
haben. Wenn aber dann noch keine Änderung zum Besseren eingetreten wäre, sollten seine Gerichte
das Volk treffen.
Mit unfehlbarer Genauigkeit bucht der Unendliche noch die Taten aller Völker. Solange er seine
Gnade mit der Aufforderung zur Buße anbietet, bleibt die Rechnung offen. Wenn aber die Zahlen eine
bestimmte Höhe erreicht haben, die Gott festgesetzt hat, beginnt das Amt seines Zorns. Die Bilanz wird
gezogen. Gottes Geduld ist zu Ende. Die Gnade verteidigt die Völker nicht mehr.
Dem Propheten, der die Zeitalter überschaute, wurde diese Zeit im Gesicht vorgeführt. Die Völker
unserer Zeit haben beispiellose Gnadenerweisungen empfangen. Des Himmels auserwählteste
Segnungen sind ihnen zuteil geworden, aber wachsender Stolz, Begehrlichkeit, Abgötterei,
Gottesverachtung und
219
niedrige Undankbarkeit zeugen gegen sie. Ihre Rechnung mit Gott nähert sich rasch ihrem Abschluß.
Was mich erzittern läßt, ist die Tatsache, daß diejenigen, die das größte Licht und die größten
Gnadenerweise empfangen haben, von der überhandnehmenden Schlechtigkeit angesteckt worden
sind. Von den Ungerechten in ihrer Umgebung beeinflußt, sind viele — sogar Bekenner der Wahrheit —
gleichgültig und von der starken Strömung des Bösen überwältigt worden. Die allgemeine Verachtung,
mit der wahre Frömmigkeit und Heiligkeit behandelt wird, bringt diejenigen, die nicht in enger
Verbindung mit Gott stehen, dazu, ihre Ehrfurcht vor seinem Gesetz zu verlieren. Wenn sie dem Lichte
folgten und der Wahrheit von Herzen gehorchten, erschiene ihnen das heilige Gesetz angesichts dieser
Verachtung und Ablehnung nur noch kostbarer. Die Mißachtung des göttlichen Gesetzes wird deutlicher
und damit auch die Trennungslinie zwischen seinen Beobachtern und der Welt. Bei einer Klasse nimmt
die Liebe zu den göttlichen Vorschriften in demselben Maße zu, wie bei der anderen die Verachtung
dafür wächst.
Die Entscheidungsstunde naht schnell. Die rasch anwachsenden Zahlen zeigen, daß die Zeit für
Gottes Heimsuchung vor der Tür steht. Obwohl er keine Freude am Strafen hat, wird er es dennoch tun,
und zwar bald. Diejenigen, die im Lichte wandeln, werden die Zeichen der herannahenden Gefahr
sehen. Aber sie dürfen nicht in ruhiger, gleichgültiger Erwartung des Verderbens beharren und sich
selbst mit der Zuversicht trösten, daß Gott sein Volk am Tage der Heimsuchung beschirmen wird. Weit
gefehlt! Sie sollten sich darüber klar sein, daß es ihre Pflicht ist, eifrig für die Rettung anderer zu wirken
und dabei mit starkem Glauben nach Gottes Hilfe auszuschauen. „Des Gerechten Gebet vermag viel,
wenn es ernstlich ist.“ Jakobus 5,16.
Der Sauerteig der Frömmigkeit hat seine Kraft noch nicht ganz verloren. Wenn die Gefahr und
Entmutigung der Gemeinde am größten sind, wird die im Licht stehende kleine Schar um der Greuel
willen, die im Lande geschehen, seufzen und weinen. Aber ganz besonders werden sich ihre Gebete für
die Gemeinde erheben, weil deren Glieder nach der Weise der Welt leben.
220
Die ernsten Gebete dieser wenigen Getreuen werden nicht vergeblich sein. Wenn der Herr als
Vergelter kommt, wird er auch als Beschützer für alle erscheinen, die den Glauben in seiner Reinheit
bewahrt und sich selbst von der Welt unbefleckt erhalten haben. Gott hat für diese Zeit verheißen, seine
Auserwählten zu rächen, die Tag und Nacht zu ihm schreien, auch wenn er lange verzieht.
Der Befehl lautet: „Gehe durch die Stadt Jerusalem und zeichne mit einem Zeichen an die Stirn die
Leute, so da seufzen und jammern über alle Greuel, so darin geschehen.“ Hesekiel 9,4. Diese
Seufzenden und Weinenden hatten das Wort des Lebens hochgehalten. Sie hatten getadelt, Rat erteilt
und gefleht. Einige, die Gott nicht geehrt hatten, bereuten und demütigten ihre Herzen vor ihm. Aber die
Herrlichkeit des Herrn war von Israel gewichen. Obgleich viele von ihnen die Formen des
Gottesdienstes beibehielten, fehlten doch die Kraft Gottes und seine Gegenwart.
Zu der Zeit, wenn sein Zorn in Gerichten offenbar wird, werden sich diese demütigen und treuen
Nachfolger Christi von dem Rest der Welt durch ihre Seelenangst unterscheiden. Sie zeigt sich in
Klagen und Weinen, Tadeln und Warnungen. Während andere versuchen, einen Mantel über
vorhandene Übel zu breiten und die überall herrschende große Bosheit zu entschuldigen, werden
diejenigen, die für Gottes Ehre eifern und Liebe zu Seelen haben, nicht Ruhe geben, um dadurch etwa
Gunst zu erlangen. Ihre gerechten Seelen werden durch die unheiligen Taten und Gespräche der
Ungerechten Tag und Nacht gequält. Sie sind dem reißenden Strom der Schlechtigkeit gegenüber
machtlos, und das bekümmert und alarmiert sie. Sie trauern vor Gott, weil sie sehen müssen, daß der
Glaube gerade auch in den Heimen derjenigen verachtet wird, die großes Licht erhalten haben. Sie
klagen und betrüben ihre Seelen, weil Stolz, Geiz, Selbstsucht und fast jede Art von Betrug in der
Gemeinde zu finden sind. Der Geist Gottes, der zu tadeln veranlaßt, wird unter die Füße getreten,
während Satans Diener triumphieren. Gott wird entehrt und die Wahrheit ihrer Wirkung beraubt.
221
Die Klasse, die weder über ihren eigenen geistlichen Niedergang betrübt ist noch über die Sünden
anderer trauert, wird das Siegel Gottes nicht erhalten. Der Herr beauftragt seine Boten, die die
Mordwaffen in ihren Händen tragen: „Gehet diesem nach durch die Stadt und schlaget drein; eure
Augen sollen nicht schonen noch übersehen. Erwürget Alte, Jünglinge, Jungfrauen, Kinder und Weiber,
alles tot; aber die das Zeichen an sich haben, derer sollt ihr keinen anrühren. Fanget aber an an
meinem Heiligtum! Und sie fingen an an den alten Leuten, so vor dem Hause waren.“ Hesekiel 9,5.6.
Wir erkennen, daß die Gemeinde — des Herrn Heiligtum — die erste war, die den Zorn Gottes zu
spüren bekam. Die alten Leute, denen Gott großes Licht geschenkt hatte und die Wächter der
geistlichen Bedürfnisse des Volkes sein sollten, hatten das in sie gesetzte Vertrauen verraten. Sie
hatten die Ansicht vertreten, daß wir nicht nach Wundern und auffallenden Kundgebungen Gottes
auszuschauen brauchten wie in früheren Tagen. Die Zeiten haben sich geändert. Diese Worte stärken
sie in ihrem Unglauben, und sie sagen: Der Herr wird weder Gutes noch Böses tun. Er ist zu
barmherzig, um sein Volk im Gericht heimzusuchen. So wird „Friede und Sicherheit“ zum Schlagwort
jener Männer, die ihre Stimme nicht wie eine Posaune erschallen lassen wollen, um dem Volke Gottes
seine Übertretungen und dem Hause Jakob seine Sünden zu zeigen. Diese stummen Hunde, die nicht
bellen wollten, bekommen die gerechte Vergeltung eines beleidigten Gottes zu fühlen. Männer,
Jungfrauen und kleine Kinder kommen alle zusammen um.
Die Greuel, um derer willen die Gläubigen seufzten und weinten, waren durchweg solche, die
natürliche Augen wahrnehmen konnten. Aber nicht offenbar wurden die bei weitem schlimmsten
Sünden, welche die Eifersucht des reinen und heiligen Gottes herausforderten. Der große
Herzenskündiger kennt jede Sünde, die von den Werkzeugen der Ungerechtigkeit im geheimen
begangen wird. Diese Menschen fühlen sich durch des Herrn Langmut in ihrem Betrug nach und nach
sicher und sagen: „Der Herr sieht es ja nicht.“ Sie handeln dann so, als hätte er sich von der Erde
zurückgezogen. Aber er wird ihre
222
Heuchelei aufdecken und die Sünden, die sie so sorgfältig verbargen, vor anderen offen kundtun.
Keine Überlegenheit des Ranges, der Würde oder weltlicher Weisheit, keine Stellung im heiligen
Amt wird Männer davor bewahren, Grundsätze zu opfern, wenn sie sich auf ihre eigenen trügerischen
Herzen verlassen. Diejenigen, die man als würdig und gerecht ansah, werden sich als Rädelsführer
beim Abfall und als Beispiele für Gleichgültigkeit und den Mißbrauch göttlicher Gnade erweisen. Gott
wird ihren bösen Weg nicht länger dulden und in seinem Zorn ohne Gnade mit ihnen verfahren.
Nur mit Widerstreben zieht der Herr seine Gegenwart von denen zurück, die mit großem Licht
gesegnet waren und die im Dienste an anderen die Macht des Wortes verspürten. Einst seine treuen
Diener und mit seiner Gegenwart und Führung begnadet, wandten sie sich von ihm ab und führten
andere in den Irrtum und sind deshalb der göttlichen Ungnade verfallen.
Der Tag der Vergeltung Gottes steht unmittelbar bevor. Das Siegel Gottes wird nur solchen auf die
Stirn gedrückt werden, die wegen der Greuel, die im Lande geschehen, seufzen und weinen.
Diejenigen, die zur Welt hinneigen, die mit den Trunkenen essen und trinken, werden sicher mit den
Ungerechten vernichtet werden. „Die Augen des Herrn merken auf die Gerechten und seine Ohren auf
ihr Gebet; das Angesicht aber des Herrn steht wider die, die Böses tun.“ 1.Petrus 3,12.
Unsere eigene Handlungsweise wird entscheiden, ob wir das Siegel des lebendigen Gottes
empfangen oder von den Waffen der Vernichtung niedergeschlagen werden. Bereits einige wenige
Tropfen vom Zorn Gottes sind auf die Erde gefallen. Aber wenn die sieben letzten Plagen unvermischt
aus seiner Zornesschale ausgegossen werden, dann wird es zur Reue und Zuflucht für immer zu spät
sein. Kein versöhnendes Blut wird die Flecken der Sünde dann noch abwaschen.
„Zur selben Zeit wird der große Fürst Michael, der für die Kinder deines Volks steht, sich aufmachen.
Denn es wird eine solche trübselige Zeit sein, wie sie nicht gewesen ist, seitdem Leute gewesen sind
bis auf diese Zeit. Zur selben Zeit wird
223
dein Volk errettet werden, alle, die im Buch geschrieben stehen.“ Daniel 12,1. Wenn diese Zeit der
Trübsal kommt, ist jeder Fall entschieden. Es gibt fortan keine Gnadenzeit mehr und keine
Barmherzigkeit für die Unbußfertigen. Das Siegel des lebendigen Gottes ist seinem Volke aufgedrückt.
Diese wenigen Übrigen, die unfähig sind, sich in dem tödlichen Kampf mit den Mächten der Welt, die
vom Drachen angeführt werden, zu verteidigen, nehmen bei Gott ihre Zuflucht. Die höchsten irdischen
Gewalten haben die Verfügung erlassen, daß sie bei Strafe der Verfolgung und des Todes das Tier
anbeten und sein Malzeichen annehmen sollen. Möge Gott jetzt seinem Volke helfen; denn was kann
es dann in solch einem furchtbaren Kampf ohne seinen Beistand ausrichten!
Mut, Seelenstärke, Glaube und unbedingtes Vertrauen in Gottes Rettermacht überkommen uns
nicht in einem Augenblick. Diese himmlischen Gnadengüter werden nur durch die Erfahrung von Jahren
erworben. Durch ein Leben heiligen Bemühens und standhafter Anhänglichkeit an das Rechte haben
die Kinder Gottes ihr Geschick besiegelt. Von zahllosen Versuchungen umgeben wußten sie, daß sie
standhaft widerstehen müßten oder besiegt würden. Ihnen war bewußt, daß sie eine große Aufgabe zu
bewältigen hätten und daß sie zu irgendeiner Stunde aus dem Kampf abberufen werden könnten. Und
sollten sie ihr Leben beschließen, ohne ihr Werk vollendet zu haben, dann würde das ewigen Verlust für
sie bedeuten. Begierig nahmen sie das Licht vom Himmel an, wie es die ersten Jünger von den Lippen
Jesu erhalten hatten. Wenn jene ersten Christen in die Berge und Wüsten verbannt worden waren,
wenn man sie in Kerkern vor Hunger, Kälte und Folterungen hatte sterben lassen, wenn das Martyrium
als der einzige Weg aus ihrer Qual erschien, dann freuten sie sich doch, daß sie für wert gehalten
waren, für Christum zu leiden, der für sie gekreuzigt worden war. Ihr würdiges Beispiel wird für das Volk
Gottes, über das eine Zeit nie dagewesener Trübsal kommen soll, Trost und Ermutigung sein.
Nicht alle bekenntlichen Sabbathalter werden versiegelt. Unter ihnen sind viele, sogar solche, die
andere die Wahrheit
224
lehren und selbst doch nicht das Siegel Gottes an ihren Stirnen erhalten werden. Sie besaßen viel Licht,
sie kannten ihres Meisters Willen, sie verstanden alle Einzelheiten unseres Glaubens, aber sie hatten
keine dementsprechenden Werke aufzuweisen. Die mit der Weissagung und den Schätzen göttlicher
Weisheit so vertraut waren, hätten ihren Glauben ausleben sollen. Sie hätten ihrem Haushalt nach
ihnen befehlen müssen, damit sie der Welt durch ein wohlgeordnetes Familienleben den Einfluß der
Wahrheit auf das menschliche Herz hätten darlegen können.
Durch ihren Mangel an Hingabe und Frömmigkeit und ihr Versäumnis, einen hohen religiösen
Standard zu erreichen, bewirkten sie, daß auch andere mit ihrem Stand zufrieden waren. Menschen
von begrenzter Urteilsfähigkeit sehen nicht immer, daß sie sich unweigerlich gefährden, wenn sie
diejenigen zum Vorbild nehmen, die ihnen so oft die Schätze des göttlichen Wortes aufgeschlossen
haben. Jesus ist das einzig wahre Vorbild. Jeder muß jetzt auf den Knien vor Gott die Bibel für sich
selbst mit dem demütigen, gelehrigen Herzen eines Kindes durchforschen, wenn er wissen möchte,
was der Herr von ihm verlangt. Wie hoch immer ein Prediger in der Gnade Gottes gestanden haben
mag, so wird er in Finsternis und satanischen Betrug fallen und anderen denselben Weg weisen, wenn
er sich weigert, wie ein kleines Kind zu lernen, und wenn er das ihm von Gott gegebene Licht
vernachlässigt.
Keiner von uns wird je das Siegel Gottes erhalten, wenn unsere Charaktere noch Flecken oder
Runzeln aufweisen. Es bleibt uns überlassen, unsere Fehler auszumerzen und den Tempel der Seele
von jeglicher Verunreinigung zu säubern. Dann wird der Spätregen auf uns fallen wie der Frühregen auf
die Jünger zu Pfingsten.
Wir sind gar zu leicht mit dem zufrieden, was wir erreichten. Wir kommen uns reich und begabt mit
Gütern vor und wissen nicht, daß wir „elend und jämmerlich, arm, blind und bloß“ sind. Offenbarung
3,17. Darum ist jetzt die Zeit, die Ermahnung des treuen Zeugen zu beachten: „Ich rate dir, daß du Gold
von mir kaufest, das mit Feuer durchläutert ist, daß du reich werdest, und weiße Kleider, daß du dich
antust und nicht offenbart
225
werde die Schande deiner Blöße; und salbe deine Augen mit Augensalbe, daß du sehen mögest.“
Offenbarung 3,18.
Wir sind in diesem Leben schweren Prüfungen ausgesetzt und müssen große Opfer bringen, aber
der Friede Christi ist unser Lohn. Man findet heute so wenig Selbstverleugnung, so wenig Bereitschaft,
für Christus zu leiden, daß das Kreuz fast ganz in Vergessenheit geraten ist. Wenn wir als Sieger mit
ihm auf seinem Throne sitzen wollen, dann müssen wir auch Teilhaber seiner Leiden werden. Solange
wir den leichten Weg der Nachgiebigkeit gegen uns selbst erwählen und uns vor Selbstverleugnung
fürchten, wird unser Glaube niemals fest werden. Wir vermögen weder den Frieden Jesu zu schmecken
noch die Freude, die aus bewußt errungenem Siege kommt. Die Vornehmsten der erlösten Schar, die in
weißen Kleidern vor dem Throne Gottes und des Lammes stehen, sind erprobt im Kampf des
Überwindens, denn sie sind aus großer Trübsal gekommen. Die aber lieber den Umständen
nachgaben, statt an diesem Kampfe teilzunehmen, werden nicht wissen, wie sie an jenem Tage
standhalten sollen, wenn jede Seele in Angst gerät; wenn selbst Noah, Hiob und Daniel weder Sohn
noch Tochter retten könnten, so wird jeder nur seine Seele durch seine eigene Gerechtigkeit erretten.
Niemand darf sagen, daß sein Fall hoffnungslos ist, daß er das Leben eines Christen nicht führen
kann. Für jeden Menschen ist durch den Tod Christi weitgehend vorgesorgt worden. In der Zeit der Not
ist Jesus unser allgegenwärtiger Helfer. Rufe ihn nur im Glauben an, er hat verheißen, deine Bitten zu
hören und zu beantworten.
O, wie herrlich ist doch ein lebendiger, tätiger Glaube! Wir brauchen ihn, wir müssen ihn unbedingt
haben, oder wir werden am Tage der Versuchung schwach und versagen. Die Finsternis, die dann
unseren Weg verhüllen wird, darf uns nicht entmutigen oder zur Verzweiflung treiben. Sie ist der
Schleier, mit dem Gott seine Herrlichkeit bedeckt, um uns reichen Segen zu verleihen. Wir sollten das
aus unserer Erfahrung in der Vergangenheit wissen. An jenem Tage, wenn sich Gott mit seinem Volke
auseinandersetzt, wird ihnen diese Erfahrung eine Quelle des Trostes und der Hoffnung sein.
226
Wir müssen jetzt alles daransetzen, uns und unsere Kinder von der Welt unbefleckt zu erhalten.
Jetzt müssen wir die Kleider unseres Charakters waschen und sie im Blute des Lammes weiß machen.
Jetzt müssen wir Stolz, Leidenschaft und geistliche Trägheit überwinden. Jetzt müssen wir erwachen
und entschiedene Anstrengungen zur Formung eines ebenmäßigen Charakters machen. „Heute, so ihr
hören werdet seine Stimme, so verstocket eure Herzen nicht.“ Hebräer 3,7.8.15. Wir sind in einer
höchst kritischen Lage, während wir wachen und auf das Erscheinen unseres Herrn warten. Die Welt
liegt in Finsternis. „Ihr aber, liebe Brüder“, sagt Paulus, „seid nicht in der Finsternis, daß euch der Tag
wie ein Dieb ergreife.“ 1.Thessalonicher 5,4. Es ist Gottes Absicht, wartenden und verlangenden Seelen
aus der Finsternis Licht zu schaffen, aus der Trübsal Freude hervorgehen zu lassen und Ruhe aus der
Drangsal.
Was tut ihr, Brüder, im großen Werk der Vorbereitung? Diejenigen, die sich mit der Welt vereinen,
werden von der Welt geprägt und bereiten sich auf das Malzeichen des Tieres vor. Solchen, die sich
selbst mißtrauen, sich aber vor Gott demütigen und ihre Seelen durch Gehorsam gegen die Wahrheit
reinigen, wird dagegen das himmlische Wesen aufgeprägt; sie machen sich bereit, das Siegel Gottes
an ihren Stirnen zu empfangen. Sobald der Befehl ausgeht, sie mit dem Zeichen zu versehen, wird ihr
Charakter auf ewig rein und fleckenlos bleiben.
Heute ist die Zeit der Vorbereitung. Niemals wird das Siegel Gottes auf die Stirn eines unreinen
Mannes oder einer unreinen Frau gedrückt, niemals auf die Stirn eines ehrgeizigen, weltlichen Mannes
oder einer solchen Frau. Es wird niemals auf die Stirn eines Mannes oder einer Frau mit falscher Zunge
oder trügerischem Herzen gedrückt. Wer dieses Siegel empfängt, muß vor Gott ohne Flecken sein —
Anwärter auf den Himmel. Geht voran, meine Brüder und Schwestern! Ich kann jetzt nur kurz über
diesen Gegenstand schreiben und eure Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit der Vorbereitung lenken.
Forscht selbst in der Heiligen Schrift, damit ihr die erhabene Feierlichkeit dieser Stunde besser erkennt.
Kapitel 24: Ein Aufruf
[Dieser Aufruf wurde am 30. Mai 1882 in Healdsburg, Kalifornien, geschrieben und sollte auf den
Lagerversammlungen vorgelesen werden. Er bringt Warnungen und Unterweisungen, welche sich die
Schreiberin gedrungen fühlte, der Gemeinde zu geben, weil sie selbst nicht anwesend sein konnte. Zum
Nutzen derer, die diese Versammlungen nicht besuchen konnten und auch aller, die ihn in bleibender
Form wünschen, ist er hier wiedergegeben.]
Ich bin mit Traurigkeit erfüllt, wenn ich über unseren Zustand als Volk nachdenke. Der Herr hat den
Himmel nicht vor uns verschlossen. Unser eigener Kurs fortwährenden Abfalls hat uns von Gott
getrennt. Stolz, Habsucht und Liebe zur Welt haben in den Herzen geherrscht, ohne Furcht vor
Verbannung oder Verdammnis. Schlimme und anmaßende Sünden haben unter uns gewohnt. Und
doch wird allgemein angenommen, daß die Gemeinde gedeihe und daß Friede und geistliches
Wohlergehen in all ihren Grenzen herrsche.
Die Gemeinde hat sich von der Nachfolge Christi, ihres Leiters, abgewandt und geht stetig nach
Ägypten zurück. Nur wenige sind alarmiert oder erstaunt über ihren Mangel an geistlicher Kraft. Zweifel
und selbst Unglauben an die Zeugnisse des Geistes Gottes durchsäuern überall unsere Gemeinden. So
möchte Satan es haben. Prediger, die sich selbst anstatt Christum predigen, wollen es so haben. Die
Zeugnisse bleiben ungelesen und ungewürdigt. Gott hat zu euch gesprochen. Licht hat aus seinem
Wort und den Zeugnissen geschienen. Beide sind geringgeschätzt und mißachtet worden. Das Resultat
wird sichtbar im Mangel an Reinheit, Weihe und ernstem Glauben unter uns.
Jeder sollte sich selbst in seinem Herzen die Frage vorlegen: „Wie sind wir in diesen Zustand
geistlicher Schwäche und Zwietracht geraten? Haben wir nicht selbst Gottes Mißfallen erregt, weil unser
Tun nicht mit unserem Glauben übereinstimmt? Haben wir nicht die Freundschaft und die Anerkennung
der Welt mehr gesucht als Christi Gegenwart und tiefere Erkenntnis
228
seines Willens?“ Erforscht eure eigenen Herzen, beurteilt euren eigenen Fall. Achtet darauf, wen ihr
euch zum Gefährten wählt. Sucht ihr die Gesellschaft der Weisen, oder wählt ihr weltliche Gefährten,
Kameraden, die weder Gott fürchten noch dem Evangelium gehorchen?
Ist das, was ihr zu eurer Entspannung unternehmt, solcherart, daß es moralische und geistliche
Stärke vermittelt? Wird es zu reinen Gedanken und Handlungen führen? Unreinheit ist heute weit
verbreitet, selbst unter bekenntlichen Nachfolgern Christi. Die Leidenschaft wird nicht unterdrückt. Die
tierischen Neigungen gewinnen Kraft durch Übung, während die moralischen Kräfte ständig abnehmen.
Viele nehmen eifrig an weltlichen, demoralisierenden Vergnügungen teil, die Gottes Wort verbietet. So
lösen sie ihre Verbindung mit Gott und verbinden sich mit den Vergnügungssüchtigen der Welt. Die
Sünden, welche die vorsintflutlichen Menschen und die Städte der Ebene vernichteten, herrschen
heutzutage — nicht nur in heidnischen Ländern, nicht nur unter den volkstümlichen Bekennern des
Christentums, sondern auch unter einigen, die vorgeben, auf das Kommen des Menschensohnes zu
warten. Würde Gott euch diese Sünden vor Augen stellen, wie er sie ansieht, müßtet ihr mit Scham und
Entsetzen erfüllt werden.
Was hat diesen alarmierenden Zustand hervorgerufen? Viele haben die Theorie der Wahrheit
angenommen, ohne wahrhaft bekehrt zu sein. Ich weiß, wovon ich spreche. Es gibt nur wenige, die
aufrichtige Reue über die Sünde verspüren, die eine tiefe, scharfe Überzeugung von der Verdorbenheit
ihrer unerneuerten Natur haben. Das steinerne Herz ist nicht in ein Herz aus Fleisch umgewandelt. Nur
wenige sind bereit, auf den Felsen zu fallen und zu zerbrechen.
Ganz gleich, wer du bist oder wie dein Leben gewesen ist, du kannst nur auf dem von Gott
vorgeschriebenen Weg gerettet werden. Du mußt bereuen. Du mußt hilflos auf den Felsen Jesum
Christum fallen. Du mußt fühlen, daß du einen Arzt brauchst, daß du das einzige Heilmittel für die
Sünde — das Blut Christi — benötigst. Dieses Heilmittel kann nur durch Reue Gott gegenüber und
durch Glauben an unseren Herrn Jesum Christum
229
erlangt werden. Hier muß das Werk noch von vielen begonnen werden, die sich als Christen bekennen
oder gar als Prediger Christi. Gleich den Pharisäern vor alters fühlen viele von euch nicht das Bedürfnis
nach einem Erlöser. Ihr seid selbstgenügsam, selbsterhoben. Christus sagte: „Ich bin gekommen, zu
rufen die Sünder zur Buße, und nicht die Gerechten.“ Markus 2,17. Das Blut Christi wird nur für
diejenigen von Nutzen sein, die ihr Bedürfnis nach seiner reinigenden Kraft verspüren.
Welche unübertreffliche Liebe und Herablassung! Wir hatten keinen Anspruch auf göttliche Gnade,
und doch war Christus willig, unsere Erlösung zu unternehmen. Deshalb fordert unser großer Arzt von
jeder Seele bedingungslose Unterwerfung. Wir können uns niemals ein eigenes Rezept für unseren
eigenen Fall verschreiben. Christus muß völlige Herrschaft über den Willen und unser Tun eingeräumt
werden.
Viele sind sich ihres Zustands und ihrer Gefahr nicht bewußt. In der Natur und der Art des Werkes
Christi ist vieles, was jedem weltlichen Prinzip und dem Stolz des menschlichen Herzens widerstrebt.
Jesus fordert, daß wir uns völlig seinen Händen anvertrauen und uns auf seine Liebe und Weisheit
verlassen.
Wir mögen uns selbst schmeicheln, wie Nikodemus es tat, daß unser moralischer Charakter
einwandfrei ist und daß wir es nicht nötig haben, uns vor Gott wie der gewöhnliche Sünder zu
demütigen. Und doch müssen wir uns damit begnügen, auf die gleiche Weise zum Leben einzugehen
wie der größte aller Sünder. Wir müssen unserer eigenen Gerechtigkeit entsagen und darum bitten, daß
uns Christi Gerechtigkeit zugerechnet wird. Wir müssen uns völlig auf Christum verlassen, um Kraft zu
empfangen. Das eigene Ich muß sterben. Wir müssen anerkennen, daß alles, was wir haben, uns durch
die überschwenglichen Reichtümer göttlicher Gnade zuteil wird. Laßt die Sprache unseres Herzens
sein: „Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern deinem Namen gib Ehre um deine Gnade und Wahrheit
willen!“ Psalm 115,1.
Echtem Glauben folgt Liebe, und der Liebe folgt Gehorsam. Alle Kräfte und Neigungen des
bekehrten Menschen sind
230
der Herrschaft Christi unterstellt. Sein Geist ist eine erneuernde Kraft. Sie gestaltet alle ins göttliche
Ebenbild um, die sie annehmen. Es macht mich traurig, daß diese Erfahrung nur von wenigen
verstanden wird, die sich zur Wahrheit bekennen. Sehr viele folgen ihren eigenen Wegen und geben
ihren sündigen Wünschen nach, während sie bekennen, Christi Jünger zu sein. Sie haben ihre Herzen
niemals Gott unterworfen. Gleich den törichten Jungfrauen haben sie versäumt, ihre Gefäße samt ihren
Lampen mit dem Öl der Gnade zu füllen. Ich sage euch, meine Brüder, daß eine große Anzahl derer,
die vorgeben zu glauben und sogar die Wahrheit zu lehren, durch Sünden gebunden sind. Niedrige
Leidenschaften beflecken das Gemüt und verderben die Seele. Einige, die in schrecklichste Sünden
verstrickt sind, haben sich das Gewand des Himmels geborgt, damit sie Satan noch wirkungsvoller
dienen können.
„Wer aus Gott geboren ist, der tut nicht Sünde.“ 1.Johannes 3,9. Er fühlt, daß er durch Christi Blut
erkauft und durch feierlichste Gelübde gebunden ist, Gott in seinem Leibe und in seinem Geist zu
verherrlichen, welche Gottes sind. Die Liebe zur Sünde und zum eigenen Ich ist in ihm gedämpft. Er
stellt sich täglich die Frage: „Was soll ich dem Herrn geben für all seine mir erwiesenen Wohltaten?“
„Herr, was willst du, daß ich tun soll?“ Der wahre Christ wird niemals klagen, daß Christi Joch dem
Nacken zu schwer ist. Er betrachtet den Dienst Jesu als wahrste Freiheit. Gottes Gesetz ist ihm eine
Freude. Anstatt danach zu trachten, die göttlichen Gebote herabzuwürdigen, um sie seinen
Unvollkommenheiten anzupassen, ist er fortwährend bemüht, das Niveau ihrer Vollkommenheit
anzuheben.
Solch eine Erfahrung müssen wir besitzen, wenn wir am Tage Gottes bestehen wollen. Jetzt,
während die Gnadenzeit noch währt und die Stimme der Gnade noch vernommen wird, ist es an der
Zeit, unsere Sünden abzulegen. Während die Welt in moralische Finsternis gehüllt ist, muß das Licht
von Gottes Bannerträgern um so heller erstrahlen, damit der Kontrast zwischen dem Licht des Himmels
und Satans Finsternis deutlich erkannt werden kann.
231
Gott hat genügend Vorsorge getroffen, daß wir durch seine Gnade vollkommen sein können, daß es
uns an nichts mangelt, während wir auf das Erscheinen unseres Herrn warten. Bist du bereit? Bist du
mit dem hochzeitlichen Kleid angetan? Jenes Kleid wird niemals Betrug, Unreinheit, Verdorbenheit oder
Heuchelei bedecken. Gottes Auge ruht auf dir. Es kennt die Gedanken und Absichten des Herzens. Wir
mögen unsere Sünden vor den Augen von Menschen verstecken; aber vor unserem Schöpfer können
wir nichts verbergen.
Gott hat seines eigenen Sohnes nicht verschont, sondern hat ihn für unsere Übertretungen in den
Tod gegeben und ihn zu unserer Rechtfertigung auferweckt. Durch Christum können wir unsere Gebete
zum Gnadenthron emporsenden. Durch ihn können wir, so unwürdig wir auch sind, alle geistlichen
Segnungen erlangen. Kommen wir zu ihm, damit wir Leben haben?
Wie können wir für uns persönlich Gottes Güte und Liebe erfahren? Der Psalmist sagt uns nicht:
„Hört und sehet, lest und sehet oder glaubt und sehet“ — sondern: „Schmecket und sehet, wie
freundlich der Herr ist.“ Psalm 34,9. Anstatt euch auf die Worte anderer zu stützen, schmeckt für euch
selbst.
Erfahrung ist eine Erkenntnis, die durch Ausprobieren erlangt wird. Erprobte Religion ist das, was
heute benötigt wird. „Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist.“ Einige — ja, eine große Anzahl
— haben eine theoretische Erkenntnis religiöser Wahrheit, haben aber nie die erneuernde Macht
göttlicher Gnade an ihren eigenen Herzen verspürt. Diese Personen sind immer sehr langsam, die
Zeugnisse der Warnung, Ermahnung und Unterweisung, diktiert vom Heiligen Geist, anzunehmen. Sie
glauben an Gottes Zorn, machen aber keine ernsten Anstrengungen, ihm zu entgehen. Sie glauben an
den Himmel; bringen aber kein Opfer, ihn zu erlangen. Sie glauben an den Wert der Seele und daß die
Erlösung bald für immer ein Ende hat. Sie versäumen jedoch die kostbarsten Gelegenheiten, mit Gott
Frieden zu schließen.
Sie mögen die Bibel lesen, aber ihre Drohungen alarmieren sie nicht, oder ihre Verheißungen locken
sie nicht. Sie heißen hervorragende Dinge gut, doch folgen sie einem Kurs, den
232
Gott ihnen verboten hat. Sie kennen einen Zufluchtsort, machen ihn aber nicht für sich nutzbar. Sie
wissen ein Heilmittel für die Sünde, doch sie benutzen es nicht. Sie kennen das Rechte, aber es gefällt
ihnen nicht. All ihre Erkenntnis wird nur ihre Verdammnis vermehren. Sie haben nie geschmeckt und
durch Erfahrung gelernt, daß der Herr gut ist.
Ein Jünger Christi zu werden bedeutet, sich selbst zu verleugnen und Jesu nachzufolgen „durch
böse Gerüchte und gute Gerüchte“. 2.Korinther 6,8. Nur wenige handeln jetzt so. Viele prophezeien
falsch, und das Volk liebt es so. Was wird das Ende davon sein? Wie wird das Urteil ausfallen, wenn ihr
Werk mit all seinen Folgen vor Gottes Richterstuhl gebracht wird?
Das Leben des Christen ist ein Kampf. Der Apostel Paulus spricht davon, daß er gegen Fürsten und
Gewaltige ankämpfen mußte, als er den guten Kampf des Glaubens kämpfte. Wiederum erklärt er: „Ihr
habt noch nicht bis aufs Blut widerstanden in dem Kämpfen wider die Sünde.“ Hebräer 12,4. O nein;
heute wird die Sünde gepflegt und entschuldigt. Das scharfe Schwert des Geistes, das Wort Gottes, hat
die Seele nicht geschnitten. Hat sich die Religion verändert? Hat Satans Feindschaft gegen Gott
abgenommen? Einst begegneten dem religiösen Leben Schwierigkeiten, und es erforderte
Selbstverleugnung. Jetzt wird alles leicht gemacht. Warum ist es so? Das bekenntliche Volk Gottes hat
mit den Mächten der Finsternis Kompromisse geschlossen.
Es muß eine Wiederbelebung des strengen Zeugnisses stattfinden. Der Pfad zum Himmel ist heute
nicht bequemer als in den Tagen unseres Heilandes. Wir müssen all unsere Sünden ablegen. Jede
Lieblingssünde, die unser religiöses Leben behindert, muß aufgegeben werden. Das rechte Auge oder
die rechte Hand muß geopfert werden, wenn sie uns zur Übertretung veranlassen. Sind wir willens,
unsere eigene Weisheit aufzugeben und das Himmelreich anzunehmen wie ein kleines Kind? Sind wir
bereit, uns unserer Selbstgerechtigkeit zu entledigen? Sind wir bereit, uns von unseren weltlichen
Freunden zu trennen? Sind wir willens, den Beifall der Menschen aufzuopfern? Der Preis des ewigen
Lebens ist von unschätzbarem Wert. Wollen
233
wir uns bemühen und Opfer bringen, die dem Wert des zu erlangenden Gegenstandes angepaßt sind?
Jede Verbindung, die wir herstellen, ganz gleich wie gering, übt einen gewissen Einfluß auf uns aus.
Wie stark wir beeinflußt werden, richtet sich nach der Intimität, der Dauer des Umganges und unserer
Liebe und Verehrung desjenigen, mit dem wir Gemeinschaft haben. So können wir durch Bekanntschaft
und Verbindung mit Christo ihm, unserem fehlerlosen Vorbild, gleich werden.
Umgang mit Christo — wie unsagbar köstlich! Es ist unser Vorrecht, uns solcher Gemeinschaft zu
erfreuen, wenn wir sie suchen und zu jedem Opfer bereit sind, um sie zu erlangen. Als die ersten
Jünger Christi Worte vernahmen, fühlten sie, daß sie ihn brauchten. Sie suchten und fanden ihn, und
sie folgten ihm. Sie waren zusammen mit ihm im Hause, zu Tisch, in der Abgeschiedenheit und
draußen auf dem Feld. Sie waren bei ihm wie Schüler bei ihrem Lehrer und empfingen täglich Lektionen
heiliger Wahrheit aus seinem Munde. Sie schauten auf ihn wie Knechte auf ihren Meister, um ihre
Pflicht zu erlernen. Sie dienten ihm glücklich und mit Freuden. Sie folgten ihm wie Soldaten ihrem
Kommandeur und kämpften den guten Kampf des Glaubens. Sie sind „die Berufenen und Auserwählten
und Gläubigen.“ Offenbarung 17,14.
„Wer da sagt, daß er in ihm bleibt, der soll auch wandeln, gleichwie er gewandelt hat.“ 1.Johannes
2,6. „Wer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein.“ Römer 8,9. Diese Übereinstimmung mit Jesus
wird von der Welt nicht unbeobachtet bleiben. Sie ist Gegenstand der Beachtung und Gesprächsthema.
Der Christ mag sich der großen Veränderung nicht bewußt sein, denn je mehr er in seinem Wesen
Christo gleicht, desto geringer denkt er von sich selbst. Doch alle in seiner Umgebung sehen und fühlen
den Wechsel. Wer die tiefste Erfahrung in göttlichen Dingen hat, wird am weitesten von Stolz und
Selbsterhöhung entfernt sein. Er denkt niedrig von sich selbst und hat den höchsten Begriff von der
Herrlichkeit und Erhabenheit Christi. Er empfindet, daß der geringste Platz in seinem Dienst zu
ehrenhaft für ihn ist.
234
Mose wußte nicht, daß sein Angesicht von einem Glanz erleuchtet war, der schmerzlich und
beängstigend auf diejenigen wirkte, die nicht, gleich ihm, Umgang mit Gott pflegten. Paulus hatte eine
sehr geringe Meinung von seinem eigenen Fortschritt im christlichen Leben. Er erklärte: „Nicht, daß
ich‘s schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei.“ Philipper 3,12. Er spricht von sich als dem
„größten aller Sünder“. Doch war Paulus vom Herrn hoch geehrt worden. Im Gesicht war er bis in den
dritten Himmel entrückt worden und hatte dort Offenbarungen göttlicher Herrlichkeit geschaut, die er
nicht bekanntmachen durfte.
Johannes der Täufer wurde von unserem Heiland als der größte unter den Propheten bezeichnet.
Aber wie groß ist der Kontrast zwischen der Sprache dieses Gottesmannes und vielen, die sich
Prediger des Kreuzes nennen. Als er gefragt wurde, ob er Christus sei, erklärte er sich für unwürdig,
auch nur seines Meisters Schuhriemen zu lösen. Als seine Jünger mit der Klage zu ihm kamen, daß
sich die Aufmerksamkeit des Volkes dem neuen Lehrer zuwandte, erinnerte Johannes sie daran, daß er
selbst zu ihnen gesagt hatte, er sei nur der Vorläufer des Verheißenen. Ihm, Christo, dem Bräutigam,
gehört der erste Platz in der Zuneigung seines Volkes. „Wer die Braut hat, der ist der Bräutigam; der
Freund aber des Bräutigams steht und hört ihm zu und freut sich hoch über des Bräutigams Stimme.
Diese meine Freude ist nun erfüllt. Er muß wachsen, ich aber muß abnehmen. Der von obenher kommt,
ist über alle.“ Johannes 3,29-31. „Wer es [sein Zeugnis] aber annimmt, der besiegelt‘s, daß Gott
wahrhaftig sei.“ Johannes 3,33.
Solche Arbeiter werden heute im Werke Gottes benötigt. Auf die Selbstgenügsamen, Neidischen
und Eifersüchtigen, die Kritiker und Fehlerfinder kann Gottes heiliges Werk sehr gut verzichten. Sie
sollten nicht im Predigtamt geduldet werden, selbst wenn sie scheinbar Gutes bewirkt haben. Gott ist
nicht von bestimmten Menschen oder Mitteln abhängig. Er ruft nach Arbeitern, die wahr und treu, rein
und heilig sind; nach solchen, die ihr Bedürfnis des versöhnenden Blutes Christi und der heiligenden
Gnade seines Geistes gefühlt haben.
235
Meine Brüder, Gott ist betrübt über euren Neid, eure Eifersucht, eure Bitterkeit und Uneinigkeit. In all
diesem gehorcht ihr Satan und nicht Christo. Wenn wir Männer sehen, die fest im Grundsatz, furchtlos
in der Pflichterfüllung, eifrig im Werke Gottes und dennoch demütig und bescheiden, freundlich und
zartfühlend, geduldig mit allen, zur Vergebung bereit sind und Liebe zu Seelen bekunden, für die
Christus starb — dann brauchen wir nicht zu fragen, ob sie Christen sind. Sie liefern den
unmißverständlichen Beweis, daß sie mit Jesu gewesen sind und von ihm gelernt haben. Wenn Männer
entgegengesetzte Wesenszüge offenbaren, wenn sie stolz, eitel, leichtfertig, weltlich gesinnt, habgierig,
unfreundlich und tadelsüchtig sind, muß man uns nicht sagen, mit wem sie verbunden sind, wer ihr
bester Freund ist. Sie mögen nicht an Zauberei glauben; aber trotzdem hegen sie Umgang mit einem
bösen Geist.
Zu dieser Klasse möchte ich sagen: „.rühmet euch nicht und lüget nicht wider die Wahrheit. Das ist
nicht die Weisheit, die von obenherab kommt, sondern irdisch, menschlich und teuflisch. Denn wo Neid
und Zank ist, da ist Unordnung und eitel böses Ding. Die Weisheit aber von obenher ist aufs erste
keusch, darnach friedsam, gelinde, läßt sich sagen, voll Barmherzigkeit und guter Früchte, unparteiisch,
ohne Heuchelei. Die Frucht aber der Gerechtigkeit wird gesät im Frieden denen, die den Frieden
halten.“ Jakobus 3,14-18.
Als die Pharisäer und Sadduzäer zur Taufe des Johannes kamen, sprach dieser furchtlose Prediger
der Gerechtigkeit sie mit folgenden Worten an: „Ihr Otterngezüchte, wer hat denn euch gewiesen, daß
ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet? Sehet zu, tut rechtschaffene Frucht der Buße!“ Matthäus 3,7.
Diese Männer kamen aus unwürdigen Beweggründen zu Johannes. Sie wurden von vergifteten
Prinzipien und verdorbenen Praktiken geleitet. Jedoch erkannten sie ihren wahren Zustand nicht. Von
Stolz und Ehrgeiz erfüllt, würden sie nicht zögern, sich unter allen Umständen vor dem Volk zu erhöhen
und ihren Einfluß zu festigen. Sie kamen zur Taufe des Johannes, um diese Absichten um so besser
ausführen zu können.
236
Johannes las ihre Beweggründe und begegnete ihnen mit der erforschenden Frage: „Wer hat denn
euch gewiesen, daß ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet?“ Hätten sie die Stimme Gottes
vernommen, die zu ihren Herzen sprach, hätten sie den Beweis erbracht, indem sie rechtschaffene
Frucht der Buße brachten. Man konnte keine solche Frucht bei ihnen feststellen. Sie hatten die
Warnung nur als Stimme eines Mannes bewertet. Sie bewunderten die Macht und Kühnheit, mit der
Johannes sprach. Der Geist Gottes konnte ihre Herzen nicht überzeugen und als Resultat Frucht zum
ewigen Leben hervorbringen. Sie lieferten keinen Beweis von einer Veränderung des Herzens.
Johannes wollte ihnen verständlich machen, daß eine äußerliche Form ohne die umgestaltende Macht
des Heiligen Geistes ohne Nutzen für sie sei.
Der Tadel des Propheten trifft auf viele in unseren Tagen zu. Sie können den klaren und
überzeugenden Argumenten, welche die Wahrheit unterstützen, nicht widersprechen. Aber sie nehmen
sie nur als Resultat menschlicher Schlußfolgerung und nicht als göttliche Offenbarung an. Sie haben
keine wahre Erkenntnis ihres Zustandes als Sünder. Ihre Herzen sind nicht zerbrochen. Gleich den
Pharisäern empfinden sie es als große Herablassung, die Wahrheit anzunehmen.
Niemand ist weiter vom Reich Gottes entfernt als selbstgerechte Formalisten, die mit Stolz über ihre
eigenen Errungenschaften erfüllt sind, während sie des Geistes Christi völlig ermangeln. Sie sind
neidisch, eifersüchtig und werden von Sucht nach Lob und Beliebtheit beherrscht. Sie gehören zur
gleichen Klasse, die Johannes als Otterngezüchte bezeichnete, als Kinder des Bösewichts. Solche
Personen befinden sich unsichtbar und unverdächtigt unter uns. Sie dienen Satans Sache besser als
der liederlichste, verkommenste Mensch. Der letztere verbirgt seinen wahren Charakter nicht. Er
erscheint als das, was er ist.
Gott fordert Frucht der Buße. Ohne diese Frucht ist unser Glaubensbekenntnis wertlos. Der Herr ist
imstande, wahre Gläubige aus denen zu erwecken, die nie seinen Namen gehört haben. „Denket nur
nicht, daß ihr bei euch wollt sagen: Wir haben
237
Abraham zum Vater. Ich sage euch: Gott vermag dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu
erwecken.“ Matthäus 3,9.
Gott ist nicht von Männern abhängig, die von Herzen unbekehrt sind und dies in ihrem Leben
zeigen. Er wird niemanden begünstigen, der Ungerechtigkeit praktiziert. „Es ist schon die Axt den
Bäumen an die Wurzel gelegt. Darum, welcher Baum nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins
Feuer geworfen.“ Matthäus 3,10.
Diejenigen, die den Prediger loben und ihm schmeicheln, während sie die Werke der Gerechtigkeit
vernachlässigen, beweisen unmißverständlich, daß sie zum Prediger und nicht zu Gott bekehrt sind.
Wir fragen: „Wer hat euch gewiesen, daß ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet?“ War es die Stimme
des Heiligen Geistes oder nur die Stimme eines Mannes, die ihr in der von Gott gesandten Botschaft
gehört habt? Die Frucht wird von der Art des Baumes zeugen.
Keine äußerlichen Formen können uns reinigen. Keine heilige Handlung, die der frömmste Diener
Gottes vornehmen mag, kann die Stelle der Taufe mit dem Heiligen Geist einnehmen. Der Geist Gottes
muß sein Werk am Herzen verrichten. Alle, die seine erneuernde Macht nicht erfahren haben, sind
Spreu unter dem Weizen. Unser Herr hat die Wurfschaufel in seiner Hand und wird seine Tenne
gründlich fegen. Am zukünftigen Tag wird er unterscheiden „zwischen dem, der Gott dient, und dem,
der ihm nicht dient.“ Maleachi 3,18.
Der Geist Christi wird sich in allen offenbaren, die von Gott geboren sind. Streit und Uneinigkeit
können nicht unter denen aufkommen, die von seinem Geist regiert werden. „Reinigt euch, die ihr des
Herrn Geräte tragt!“ Jesaja 52,11. Die Gemeinde wird kaum einen höheren Stand einnehmen als ihre
Prediger. Wir benötigen einen bekehrten Predigerstand und ein bekehrtes Volk. Hirten, die über die
Seelen wachen als solche, die Rechenschaft abzulegen haben, werden die Herde auf Pfade des
Friedens und der Heiligkeit führen. Ihr Erfolg in diesem Werk wird ihrem eigenen Wachstum in der
Gnade und der Erkenntnis der Wahrheit entsprechen. Wenn Lehrer an Seele, Leib und Geist geheiligt
sind, können sie das Volk mit der Wichtigkeit einer solchen Heiligung beeindrucken.
238
Auf gewöhnliche Weise von religiösen Dingen zu sprechen und ohne wirklichen Seelenhunger und
lebendigen Glauben um geistliche Segnungen zu bitten, bewirkt wenig. Die verwunderte Volksmenge,
die sich um Christum drängte, empfing durch ihren Kontakt keine belebende Kraft. Als aber die arme,
leidende Frau in ihrer großen Not ihre Hand ausstreckte und den Saum des Kleides Jesu berührte,
fühlte sie die heilende Wirksamkeit. Es war eine Berührung des Glaubens. Christus nahm diese
Berührung wahr, und er war entschlossen, allen seinen Nachfolgern bis zum Ende der Zeit eine Lehre
zu hinterlassen. Er wußte, daß Kraft von ihm ausgegangen war, und indem er sich zur Volksmenge
umwandte, fragte er: „Wer hat meine Kleider angerührt?“ Erstaunt über solch eine Frage, antworteten
seine Jünger: „Du siehst, daß dich das Volk drängt, und sprichst: Wer hat mich angerührt?“ Markus
5,30.31.
Jesus heftete seinen Blick auf sie, die es getan hatte. Sie war von Furcht erfüllt. Ihre Freude war
groß; aber hatte sie die Grenze ihrer Pflicht überschritten? Sie wußte, was mit ihr geschehen war, sie
kam zitternd, fiel zu seinen Füßen nieder und erzählte ihm die volle Wahrheit. Christus tadelte sie nicht.
Freundlich sagte er: „Gehe hin mit Frieden und sei gesund von deiner Plage!“ Markus 5,34.
Hier wurde der gewöhnliche Kontakt von der Berührung des Glaubens unterschieden. Gebet und
Predigen ohne Ausübung lebendigen Glaubens an Gott wird umsonst sein. Aber die
Glaubensberührung öffnet uns das göttliche Schatzhaus der Kraft und der Weisheit. Auf diese Weise
bewirkt Gott durch Werkzeuge aus Erdenstaub die Wunder seiner Gnade.
Dieser lebendige Glaube ist heute unser größtes Bedürfnis. Wir müssen wissen, daß Jesus uns
wirklich gehört, daß sein Geist unsere Herzen reinigt und läutert. Welch ein Werk könnte getan werden,
wenn Christi Prediger echten Glauben, verbunden mit Sanftmut und Liebe, besäßen! Welche Frucht
würde zu Gottes Verherrlichung gebracht werden!
Was soll ich euch sagen, liebe Brüder, damit ihr aus eurer fleischlichen Sicherheit erwacht? Eure
Gefahren sind mir gezeigt worden. In der Gemeinde gibt es Gläubige und Ungläubige. Christus stellt
beide in seinem Gleichnis vom Weinstock
239
und den Reben dar. Er ermahnt seine Nachfolger: „Bleibet in mir, und ich in euch. Gleichwie die Rebe
kann keine Frucht bringen von ihr selber, sie bleibe denn am Weinstock, also auch ihr nicht, ihr bleibet
denn in mir. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viele
Frucht, denn ohne mich könnt ihr nichts tun.“ Johannes 15,4.5.
Es besteht ein großer Unterschied zwischen einer vorgeblichen und einer wirklichen Verbindung mit
Christo im Glauben. Das Bekenntnis der Wahrheit bringt Menschen in die Gemeinde, aber es beweist
nicht, daß sie die lebenswichtige Verbindung mit dem lebendigen Weinstock haben. Es gibt eine Regel,
nach der man die echten Jünger von denen unterscheiden kann, die behaupten, Christi Nachfolger zu
sein, aber doch nicht an ihn glauben: Die einen bringen Früchte, die anderen nicht. Die einen werden
oft dem Winzermesser Gottes unterworfen, damit sie mehr Frucht bringen; die anderen werden als
verdorrte Reben von dem lebendigen Weinstock getrennt.
Ich bin sehr besorgt, ob unser Volk das lebendige Zeugnis bewahren und die Gemeinde von dem
Element des Unglaubens reinhalten wird. Können wir uns eine engere, vertrautere Beziehung zu
Christo vorstellen, als sie in den Worten ausgedrückt wird: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“?
Die Fasern der Rebe sind nahezu eins mit denen des Weinstocks. Das Überströmen des Lebens, der
Kraft und der Fruchtbarkeit vom Stamm in die Reben geht ungehindert und ständig vor sich. Die Wurzel
sendet ihre Nährstoffe in den Zweig. So ist auch die Beziehung des Gläubigen zu Christo. Er bleibt in
Christo und empfängt seine Nahrung von ihm.
Nur die Ausübung persönlichen Glaubens kann diese geistliche Beziehung begründen. Diesen
Glauben müßten wir über alles stellen, uns ganz auf ihn verlassen und durch ihn geheiligt werden.
Unser Wille muß dem göttlichen Willen völlig unterstellt werden. Unsere Gefühle, Wünsche, Interessen
und Ehre sollen gleichbedeutend sein mit dem Gedeihen des Königreiches Christi und der Ehre seiner
Sache, da uns ständig seine Gnade zuteil wird und Christus unseren Dank dafür entgegennimmt.
240
Wenn diese innige Verbindung und Gemeinschaft hergestellt ist, werden unsere Sünden auf
Christum gelegt, und seine Gerechtigkeit wird uns zugerechnet. Er wurde für uns zur Sünde gemacht,
auf daß wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt. Durch ihn haben wir Zugang zu Gott, und
in dem Geliebten werden wir angenommen. Wer durch Wort und Tat einem Gläubigen Unrecht tut,
verletzt damit Jesum. Reicht jemand einem Jünger als einem Kinde Gottes einen Becher kalten
Wassers, so sieht Christus das als ihm persönlich gespendet an.
Als Christus im Begriff war, von seinen Jüngern Abschied zu nehmen, gab er ihnen jenes schöne
Sinnbild seiner Beziehung zu den Gläubigen. Er hatte ihnen die enge Verbindung mit sich gezeigt,
durch die sie ihr geistliches Leben weiterführen könnten, wenn ihnen seine sichtbare Gegenwart
entzogen war. Um ihnen diese Vorstellung recht eindrucksvoll zu machen, nannte er ihnen den
Weinstock als das passendste und geeignetste Symbol.
Die Juden hatten den Weinstock immer als die edelste Pflanze und als Beispiel für alles Starke,
Ausgezeichnete und Fruchtbare angesehen. „Der Weinstock“, wollte unser Herr ihnen anscheinend
sagen, „den ihr so hoch schätzt, ist ein Symbol. Ich bin es in Wirklichkeit, ich bin der wahre Weinstock.
Als Volk schätzt ihr diese Pflanze. Als Sünder solltet ihr mich über alle Dinge auf Erden wert halten. Die
Rebe kann nicht getrennt vom Weinstock leben; ebensowenig könnt ihr leben, wenn ihr nicht an mir
bleibt.“
Alle Nachfolger Christi haben genau so ein tiefes Interesse an seinen Lehren, wie einst die Jünger,
die seinen Worten lauschten. Durch den Abfall trennte der Mensch sich von Gott. Die Trennung ist tief
und gefahrvoll. Christus jedoch traf Vorsorge, daß wir wieder mit ihm vereint werden können. Die Macht
des Bösen ist so mit der menschlichen Natur verknüpft, daß niemand überwinden kann, wenn er nicht
mit Christo verbunden ist. Durch diese Verbindung erlangen wir moralische und geistliche Stärke.
Besitzen wir Christi Geist, werden wir Frucht der Gerechtigkeit hervorbringen, die Menschen zum
Segen gereicht und Gott verherrlicht.
241
Der Vater ist der Weingärtner. Er beschneidet jede fruchttragende Rebe mit Geschick und
Barmherzigkeit. Diejenigen, die jetzt an Christi Leiden und Schmach Anteil nehmen, werden hernach
auch Teilhaber seiner Herrlichkeit sein. Er „schämt sich nicht, sie Brüder zu heißen“. Hebräer 2,11.
Seine Engel dienen ihnen. Bei seinem zweiten Kommen erscheint er als der Menschensohn. So stellt er
sich selbst in seiner Herrlichkeit der Menschheit gleich. Allen, die sich mit ihm verbunden haben, erklärt
er: „Kann auch ein Weib ihres Kindleins vergessen, daß sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres
Leibes? Und ob sie desselben vergäße, so will ich doch dein nicht vergessen. Siehe, in die Hände habe
ich dich gezeichnet; deine Mauern sind [du bist] immerdar vor mir.“ Jesaja 49,15.16. O, welche
erstaunlichen Vorrechte werden uns angeboten!
Möchten wir nicht ernsteste Anstrengungen machen, diese Verbindung mit Christo herzustellen,
durch welche allein diese Segnungen erlangt werden können? Möchten wir nicht unsere Sünden gegen
Gerechtigkeit eintauschen und unsere Übertretungen aufgeben, indem wir uns zum Herrn wenden?
Zweifel und Unglauben sind weit verbreitet. Christus stellte die Frage: „Doch wenn des Menschen Sohn
kommen wird, meinst du, daß er auch werde Glauben finden auf Erden?“ Lukas 18,8. Wir müssen
lebendigen, tätigen Glauben üben. Ausdauer im Glauben ist die Bedingung zu unserer Verbindung.
Eine Verbindung mit Christo durch lebendigen Glauben ist von Dauer. Jede andere Verbindung
vergeht. Christus hat uns zuerst erwählt. Er bezahlte einen unermeßlichen Preis für unsere Erlösung.
Der wahre Gläubige erwählt Christum als Erstes, Letztes und Bestes von allem. Aber diese Vereinigung
kostet uns etwas. Sie ist ein Verhältnis äußerster Abhängigkeit, das von einem stolzen Wesen
eingegangen werden muß. Alle, die zu diesem Verhältnis bereit sind, müssen ihr Bedürfnis des
versöhnenden Blutes Christi spüren. Ihr Herz muß umgestaltet werden. Sie müssen ihren eigenen
Willen dem Willen Gottes unterwerfen. Es wird ein Kampf mit äußerlichen und inneren Widerständen
sein. Es muß ein schmerzliches Werk sowohl des Loslösens als auch neuer Bindungen stattfinden.
Stolz, Selbstsucht, Eitelkeit, Weltlichkeit — die Sünde in all ihren Formen — müssen
242
überwunden werden, wenn wir eine Verbindung mit Christo eingehen wollen. Der Grund, weshalb viele
das christliche Leben so beklagenswert hart finden, weshalb sie so wankelmütig, so wetterwendisch
sind, ist der, daß sie versuchen, sich an Christo zu binden, ohne sich vorher von diesen gehegten
Götzen getrennt zu haben.
Wenn die Verbindung mit Christo hergestellt ist, kann sie nur durch ernstes Gebet und unermüdliche
Anstrengungen aufrechterhalten werden. Wir müssen Widerstand leisten, das Ich verleugnen und
überwinden. Durch Christi Gnade, durch Mut, durch Glauben und Wachsamkeit können wir den Sieg
erlangen.
Die Gläubigen werden eins in Christo. Aber ein Zweig kann den andern nicht unterhalten. Die
Nahrung wird durch eine lebendige Verbindung mit dem Weinstock erlangt. Wir müssen uns unserer
totalen Abhängigkeit von Christo bewußt sein. Wir müssen durch Glauben an den Sohn Gottes leben.
Das ist die Bedeutung der Worte: „Bleibet in mir.“ Wir leben in dieser Welt nicht, um menschlichem
Willen zu folgen oder den Feinden unseres Herrn zu gefallen, sondern um ihm zu dienen und ihn zu
verherrlichen, der uns geliebt und sich für uns aufgeopfert hat. Eine bloße Zustimmung zu dieser
Vereinigung, während die Zuneigungen nicht von der Welt, ihren Vergnügungen und Zerstreuungen
losgelöst sind, wird das Herz nur im Ungehorsam bestärken.
Als Volk entbehren wir leider sehr des Glaubens und der Liebe. Unsere Bemühungen sind einfach
zu schwach für die Gefahren der Zeit, in der wir leben. Der Stolz und die Hemmungslosigkeit, die
Gottlosigkeit und Bosheit, womit wir umgeben sind, haben einen Einfluß auf uns. Nur wenige machen
sich klar, wie wichtig es ist, alle Verbindungen, die dem Glaubensleben abträglich sind, soweit wie
möglich zu meiden. Bei der Wahl ihrer Umgebung setzen nur wenige das geistliche Gedeihen an die
erste Stelle.
In Scharen strömen Eltern mit ihren Kindern in die Städte, weil sie meinen, ihren Lebensunterhalt
dort leichter zu verdienen als auf dem Lande. Die Kinder, die außerhalb der Schule keine Beschäftigung
haben, erhalten eine Straßenerziehung.
243
Von schlechten Kameraden nehmen sie ausschweifende und lasterhafte Gewohnheiten an. Die Eltern
sehen das alles, aber da die Berichtigung ihres Irrtums ein Opfer erfordert, bleiben sie, wo sie sind, bis
Satan volle Herrschaft über die Kinder gewonnen hat. Opfert lieber alle weltlichen Rücksichten, als daß
ihr die kostbaren Seelen gefährdet, die eurer Fürsorge anvertraut sind. Sie werden von Versuchungen
bestürmt und sollten unterwiesen werden, ihnen zu begegnen. Es ist eure Pflicht, jeden Einfluß zu
unterbinden, mit jeder Gewohnheit zu brechen und jedes Band durchzuschneiden, das euch
zurückhalten will, euch und eure Familie ganz frei, aufrichtig und von Herzen Gott zu übergeben.
Statt der übervölkerten Stadt sucht euch einen stillen Ort, wo eure Kinder so gut wie möglich vor
Versuchung behütet sind. Dort bildet sie zur Brauchbarkeit heran. Der Prophet Hesekiel zählt die
Gründe, die Sodoms Sünde und Untergang verursachten, folgendermaßen auf: „Hoffart, Brot in Fülle
und sorglose Ruhe [oder: Wohlleben] war ihr samt ihren Tochterstädten eigen; aber den Armen und
Notleidenden reichten sie niemals die Hand zur Hilfe.“ Hesekiel 16,49 (Menge). Alle, die dem Schicksal
Sodoms entrinnen wollen, müssen das Leben meiden, das Gottes Gericht über diese lasterhafte Stadt
brachte.
Meine Geschwister, ihr mißachtet die heiligsten Forderungen Gottes, weil ihr es versäumt, euch und
eure Kinder ihm zu weihen. Viele von euch wiegen sich in falsche Sicherheit, gehen ganz in
selbstsüchtigen Interessen auf und lassen sich von irdischen Schätzen locken. Ihr fürchtet nichts Böses.
Die Gefahr scheint euch weit entfernt zu sein. Zu eurem ewigen Schaden werdet ihr betrogen und
getäuscht, falls ihr nicht aufwacht und in Reue und tiefer Demut zum Herrn zurückkehrt.
Immer wieder hat euch die Stimme vom Himmel angesprochen. Wollt ihr dieser Stimme gehorchen?
Wollt ihr den Rat des treuen Zeugen beachten, im Feuer geläutertes Gold, weiße Kleider und
Augensalbe zu suchen? Das Gold ist Glaube und Liebe; die weißen Kleider sind die Gerechtigkeit
Christi; die Augensalbe ist das geistliche Unterscheidungsvermögen, das euch befähigt, Satans Tücken
zu erkennen und zu meiden, die
244
Sünde zu entdecken und zu verabscheuen und die Wahrheit zu sehen und ihr zu gehorchen.
Der Todesschlaf der Welt lähmt eure Sinne. Die Sünde erscheint euch nicht mehr abstoßend, weil
ihr von Satan verblendet seid. Die Gerichte Gottes werden bald auf die Erde ausgegossen werden.
„Rette dich: es gilt dein Leben!“ 1.Mose 19,17 (Menge). lautet die Warnung der Engel Gottes. Aber
andere Stimmen sagen: „Seid nicht so aufgeregt, es gibt keinen Grund zu besonderer Sorge.“ Die in
Zion bequem geworden sind, rufen „Friede und Sicherheit“, während der Himmel verkündet, daß die
schnelle Vernichtung, die den Übertreter hinwegraffen wird, vor der Türe steht. Die Jungen, die
Leichtsinnigen und Vergnügungssüchtigen sehen diese Warnungen als müßiges Geschwätz an und
wenden sich mit einem Scherz ab. Eltern sind geneigt zu denken, daß ihre Kinder in der Sache schon
recht haben, und alle schlafen ruhig weiter. So war es auch beim Untergang der alten Welt, und als
Sodom und Gomorra vom Feuer verzehrt wurden. In der Nacht vor ihrer Zerstörung schwelgten die
Städte in Vergnügungen. Lot wurde wegen seiner Besorgnisse und Warnungen verspottet. Aber gerade
diese Spötter kamen dann in den Flammen um. In eben derselben Nacht wurde für die sorglosen,
lasterhaften Einwohner Sodoms die Gnadentür für immer geschlossen.
Gott hält das Schicksal der Menschen in seiner Hand. Er wird seiner nicht immer spotten und mit
sich scherzen lassen. Seine Gerichte gehen schon durch das Land. Wilde, furchtbare Stürme
hinterlassen Zerstörung und Tod. Verzehrende Feuersbrünste verwüsten Wälder und bevölkerte Städte.
Sturm und Schiffbruch erwarten die Seereisenden. Unfälle und Katastrophen bedrohen alle Reisenden
auf dem Lande. Orkane, Erdbeben, Schwert und Hungersnot lösen einander in schneller Folge ab.
Trotzdem sind die Herzen der Menschen verhärtet. Sie erkennen die warnende Stimme Gottes nicht.
Sie wollen die einzige Zuflucht vor dem heraufziehenden Sturm nicht aufsuchen.
Viele, die auf die Mauern Zions gestellt wurden, um das Herannahen der Gefahr mit Adleraugen zu
erspähen und ihre warnende Stimme zu erheben, sind selber eingeschlafen. Gerade
245
diejenigen, die in dieser Stunde der Gefahr am aktivsten und wachsamsten sein sollten,
vernachlässigen ihre Pflicht und bringen damit das Blut von Seelen über sich.
Meine Geschwister, hütet euch vor einem bösen, ungläubigen Herzen. Gottes Wort ist deutlich, kurz
und bündig, was Einschränkungen anbetrifft. Es stört euch dabei, eurem eigenen Ich nachzugeben,
deshalb gehorcht ihr ihm nicht. Die Zeugnisse seines Geistes lenken eure Aufmerksamkeit auf die
Schrift, weisen auf eure Charakterfehler hin und tadeln eure Sünden; deshalb beachtet ihr sie nicht. Um
euren fleischlichen, bequemlichkeitsliebenden Kurs zu rechtfertigen, beginnt ihr zu zweifeln, daß die
Zeugnisse von Gott sind. Gehorchtet ihr ihren Lehren, würdet ihr von ihrem göttlichen Ursprung
überzeugt sein. Denkt daran, euer Unglaube beeinträchtigt ihre Glaubwürdigkeit nicht. Sind sie von
Gott, werden sie bestehen. Wer den Glauben des Volkes Gottes an diese Zeugnisse abschwächt, die
seit der letzten sechsunddreißig Jahre der Gemeinde gegeben wurden, kämpft gegen Gott. Ihr
verachtet und schmäht nicht das Werkzeug, sondern Gott, der durch diese Warnungen und Rügen zu
euch gesprochen hat.
In den Unterweisungen, die unser Heiland seinen Jüngern gab, sind Ermahnungen enthalten, die
besonders uns gelten: „Hütet euch aber, daß eure Herzen nicht beschwert werden mit Fressen und
Saufen und mit Sorgen der Nahrung und komme dieser Tag schnell über euch.“ Lukas 21,34. Wacht,
betet und arbeitet — das ist wahres Glaubensleben. „Betet ohne Unterlaß“ (1.Thessalonicher 5,17), das
heißt, pflegt immer einen Geist des Gebets. Dann werdet ihr für des Herrn Kommen bereit sein.
Die Wächter sind verantwortlich für den Zustand des Volkes. Wenn ihr dem Stolz, dem Neid, dem
Zweifel und anderen Sünden die Tür öffnet, wird es Streit, Haß und alles Böse geben. Jesus, der
Sanftmütige und Demütige, bittet um Eintritt als euer Gast. Aber ihr fürchtet euch, ihn einzulassen. Er
hat im Alten und im Neuen Testament zu uns gesprochen. Er spricht noch immer zu uns durch seinen
Geist und seine Vorsehung. Seine Unterweisungen beabsichtigen, Menschen treu gegenüber Gott und
sich selbst zu machen.
246
Jesus nahm die menschliche Natur an, damit er der Menschheit ein vollständiges, vollkommenes
Vorbild hinterlassen konnte. Er möchte uns in sein Ebenbild umgestalten, beständig in jeder Absicht,
jedem Gefühl und Gedanken — treu im Herzen, treu in der Seele und im ganzen Leben. Das ist
Christentum. Unsere gefallene Natur muß gereinigt, veredelt und durch Gehorsam zur Wahrheit
geheiligt werden. Christlicher Glaube wird niemals mit weltlichen Grundsätzen harmonieren. Christliche
Redlichkeit stimmt nicht mit Betrug und Verstellung überein. Derjenige, der die meiste Liebe Christi im
Herzen hegt, der Christi Ebenbild am vollkommensten widerspiegelt, ist in Gottes Augen der treueste,
edelste und ehrenhafteste Mensch auf Erden.
Kapitel 25: Christliche Einigkeit
„Ich ermahne euch aber, liebe Brüder, durch den Namen unsers Herrn Jesu Christi, daß ihr allzumal
einerlei Rede führet und lasset nicht Spaltungen unter euch sein, sondern haltet fest aneinander in
einem Sinne und in einerlei Meinung.“ 1.Korinther 1,10.
Einigkeit macht stark, Trennung schwächt. Wenn alle, die an die gegenwärtige Wahrheit glauben,
einig sind, dann geht von ihnen ein spürbarer Einfluß aus. Satan begreift das gut. Nie zuvor war er
entschlossener als heute, die Wahrheit Gottes unwirksam zu machen. Er entfacht Verbitterung und
Zwietracht im Volke Gottes.
Die Welt ist gegen uns, die großen Kirchen sind es ebenfalls, bald werden auch die Landesgesetze
gegen uns sein. Wenn es je eine Zeit gegeben hat, in der sich das Volk Gottes zusammenschließen
sollte, dann ist es jetzt. Gott hat uns besondere Wahrheiten für diese Zeit anvertraut, um sie der Welt
bekanntzumachen. Die letzte Gnadenbotschaft wird jetzt verkündet. Wir haben es mit Männern und
Frauen zu tun, die dem Gericht verfallen sind. Wie vorsichtig sollten wir in allen Worten und Taten sein
und unserem großen Vorbild genau folgen, damit unser
247
Beispiel Menschen zu Christo führt. Mit welcher Sorgfalt sollten wir trachten, anderen die Wahrheit so
darzubieten, daß sie durch ihre Schönheit und Einfachheit allein bewogen werden, sie anzunehmen.
Wenn unsere Charaktere von ihrer heiligenden Kraft zeugen, werden wir für andere ein fortwährendes
Licht sein — lebendige Briefe, die allen Menschen bekannt sind und von ihnen gelesen werden. Wir
können es uns nicht leisten, durch Uneinigkeit, Mißhelligkeit und Streit Satan Raum zu geben.
In seinem letzten Gebet vor seiner Kreuzigung war es unseres Heilandes besonderes Anliegen, daß
unter seinen Jüngern Einigkeit und Liebe herrschen mögen. Trotz der Kreuzesqual, die ihm bevorstand,
galt seine Sorge nicht sich selbst, sondern denen, die er zurückließ, um sein Werk auf Erden
fortzuführen. Die schwersten Prüfungen erwarteten sie, aber Jesus sah, daß ihnen die größte Gefahr
aus Verbitterung und Spaltung erwachsen würde. Deshalb betete er:
„Heilige sie in deiner Wahrheit; dein Wort ist die Wahrheit. Gleichwie du mich gesandt hast in die
Welt, so sende ich sie auch in die Welt. Ich heilige mich selbst für sie, auf daß auch sie geheiligt seien
in der Wahrheit. Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, so durch ihr Wort an mich
glauben werden, auf daß sie alle eins seien, gleichwie du, Vater, in mir und ich in dir; daß auch sie in
uns eins seien, auf daß die Welt glaube, du habest mich gesandt.“ Johannes 17,17-21.
Dieses Gebet Christi schließt alle seine Nachfolger bis ans Ende der Zeit ein. Unser Heiland sah die
Prüfungen und Gefahren seines Volkes voraus. Er achtet sehr wohl auf die Meinungsverschiedenheiten
und Spaltungen, die seine Gemeinde verwirren und schwächen. Er schaut mit tieferer Anteilnahme und
zarterem Mitgefühl auf uns herab als irdische Eltern auf ein eigensinniges, angefochtenes Kind. Er
gebietet uns, von ihm zu lernen. Er erbittet unser Vertrauen. Er fordert uns auf, unsere Herzen seiner
Liebe zu erschließen. Er hat gelobt, unser Helfer zu sein.
Als Christus gen Himmel fuhr, ließ er sein Werk auf Erden in den Händen seiner Diener, der
Unterhirten. „Und er hat etliche zu Aposteln gesetzt, etliche aber zu Propheten, etliche zu
248
Evangelisten, etliche zu Hirten und Lehrern, daß die Heiligen zugerichtet werden zum Werk des
Dienstes, dadurch der Leib Christi erbaut werde, bis daß wir alle hinankommen zu einerlei Glauben und
Erkenntnis des Sohnes Gottes und ein vollkommener Mann werden, der da sei im Maße des
vollkommenen Alters Christi.“ Epheser 4,11-13.
Als unser Heiland seine Diener aussandte, verlieh er den Menschen Gaben. Durch jene teilt er der
Welt die Botschaft vom ewigen Leben mit. Dieses Mittel hat Gott bestimmt, die Heiligen in der
Erkenntnis und wahren Heiligkeit vollkommen zu machen. Die Diener Christi sollen nicht nur die
Wahrheit verkünden, sie sollen auch über die Seelen wachen als diejenigen, die Gott dafür
Rechenschaft ablegen müssen. Sie sollen tadeln, zurechtweisen und mit aller Langmut und Lehre
ermahnen.
Alle, die durch die Arbeit der Diener Gottes gefördert wurden, sollten sich mit ihnen gemäß ihrer
Fähigkeit in der Arbeit der Seelenrettung vereinen. Das ist die Aufgabe aller wahrhaft Gläubigen, der
Prediger wie der Gemeindeglieder. Stets sollten sie das erhabene Ziel vor Augen haben und versuchen,
ihre Stellung in der Gemeinde auszufüllen und mit allen in Ordnung, Eintracht und Liebe
zusammenarbeiten.
Die Religion Christi ist weder selbstsüchtig noch engherzig. Ihre Grundsätze strahlen überallhin aus
und sind kämpferisch. Christus stellt sie als das hell scheinende Licht, das erhaltende Salz, den
umgestaltenden Sauerteig dar. Mit Eifer, Ernst und Hingabe werden die Diener Gottes danach trachten,
die Erkenntnis der Wahrheit nah und fern zu verkünden. Doch werden sie darüber nicht versäumen,
sich auch um die Stärke und Einigkeit der Gemeinde zu bemühen. Sie werden sorgfältig darauf achten,
daß sich nicht bei günstiger Gelegenheit Zwietracht und Spaltungen einschleichen.
Jüngst sind Männer unter uns aufgestanden, die behaupten, Diener Christi zu sein, aber ihre Arbeit
ist der Einigkeit abträglich, die unser Herr in der Gemeinde gestiftet hat. Sie haben eigene Pläne und
Arbeitsmethoden. Sie möchten Veränderungen in der Gemeinde einführen, die zu ihren Vorstellungen
vom Fortschritt passen. Sie bilden sich ein, auf diese Weise große
249
Erfolge zu erzielen. Diese Männer hätten es nötig, in der Schule Christi eher Schüler als Lehrer zu sein.
Sie sind ständig ruhelos und bestrebt, irgend etwas Großes zu vollbringen, das ihnen Ehre einbringt.
Sie hätten es nötig, die nützlichste aller Lehren zu erfassen: Demut und Glaube an Jesum. Einige
beobachten ihre Mitarbeiter und mühen sich eifrig, deren Fehler herauszustellen. Statt dessen sollten
sie vielmehr ernstlich bemüht sein, sich selbst auf den bevorstehenden großen Kampf vorzubereiten.
Der Heiland fordert sie auf: „Lernet von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet
ihr Ruhe finden für eure Seelen.“ Matthäus 11,29.
Lehrer der Wahrheit, Missionare und Gemeindebeamte könnten für ihren Meister ein gutes Werk
tun, wenn sie ihre eigenen Seelen nur durch Gehorsam gegen die Wahrheit reinigen wollten. Jeder
lebendige Christ wird ein uneigennütziger Arbeiter Gottes sein. Der Herr hat uns die Erkenntnis seines
Willens geschenkt, damit wir für andere zu Quellen des Lichtes werden. Wenn Christus in uns bleibt,
können wir nicht anders, als für ihn tätig zu sein. Es ist unmöglich, bei Gott in Gunst zu stehen, sich der
Segnungen der Liebe des Heilands zu erfreuen und dennoch gegenüber der Gefahr derer gleichgültig
zu sein, die in ihren Sünden sterben. „Darin wird mein Vater geehrt, daß ihr viel Frucht bringet.“
Johannes 15,8.
Paulus bat die Epheser dringend, Einigkeit und Liebe zu bewahren: „So ermahne nun euch ich
Gefangener in dem Herrn, daß ihr wandelt, wie sich‘s gebührt eurer Berufung, mit der ihr berufen seid,
mit aller Demut und Sanftmut, mit Geduld, und vertraget einer den andern in der Liebe und seid fleißig,
zu halten die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens: ein Leib und ein Geist, wie ihr auch
berufen seid auf einerlei Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater
unser aller, der da ist über euch allen und durch euch alle und in euch allen.“ Epheser 4,1-6.
Der Apostel ermahnt seine Brüder, in ihrem Leben die Kraft der Wahrheit zu bekunden, die er ihnen
dargeboten hatte. In Sanftmut und Güte, Geduld und Liebe sollten sie durch ihr Beispiel den Charakter
Christi und die Segnungen seiner Erlösung
250
vorleben. Es gibt nur einen Leib und einen Geist, einen Herrn, einen Glauben. Als Glieder des Leibes
Christi werden alle Gläubigen von demselben Geist und derselben Hoffnung belebt. Trennungen in der
Gemeinde machen der Religion Christi vor der Welt Schande, sie bieten den Feinden der Wahrheit
Gelegenheit, ihre Lebensweise zu rechtfertigen. Die Unterweisungen des Paulus wurden nicht nur für
die Gemeinde seiner Tage geschrieben. Gott wollte, daß sie auch uns gesandt würden. Was tun wir
nun, um die Einigkeit durch das Band des Friedens zu erhalten?
Als der Heilige Geist auf die Urgemeinde ausgegossen wurde, liebten sich die Brüder untereinander.
„Sie ... nahmen die Speise und lobten Gott mit Freuden und einfältigem Herzen und hatten Gnade bei
dem ganzen Volk. Der Herr aber tat hinzu täglich, die da selig wurden, zu der Gemeinde.“
Apostelgeschichte 2,46.47. Diese einfachen Christen waren gering an Zahl. Sie besaßen weder
Reichtum noch Ansehen, und doch übten sie einen mächtigen Einfluß aus. Das „Licht der Welt“ strahlte
aus ihnen. Sie waren ein Schrecken für die Übeltäter, denen ihr Wesen und ihre Lehre bekannt wurden.
Deshalb wurden sie von den Gottlosen gehaßt und sogar verfolgt bis an den Tod.
Der Maßstab der Heiligkeit ist heute derselbe wie in den Tagen der Apostel. Weder die
Verheißungen noch die Forderungen Gottes haben etwas von ihrer Kraft eingebüßt. In welchem
Zustand aber befindet sich das bekenntliche Volk Gottes, verglichen mit der ersten Christengemeinde?
Wo sind Geist und Kraft Gottes, die damals die Predigt des Evangeliums begleiteten? Ach, „wie ist das
Gold so gar verdunkelt und das feine Gold so häßlich geworden!“ Klagelieder 4,1.
Der Herr pflanzte seine Gemeinde wie einen Weinstock auf fruchtbares Land. Mit zartester Fürsorge
nährte und pflegte er ihn, damit er Früchte der Gerechtigkeit hervorbringe. Er sagt: „Was sollte man
doch mehr tun an meinem Weinberge, das ich nicht getan habe an ihm?“ Aber dieser Weinstock aus
Gottes Pflanzung neigte sich zur Erde und verflocht seine Ranken mit menschlichen Stützen. Seine
Zweige breiteten sich weit und breit aus, aber er trägt die Frucht eines wilden Weinstocks. Der
251
Herr des Weinberges sagt: „Warum hat er denn Herlinge gebracht, da ich wartete, daß er Trauben
brächte?“ Jesaja 5,4.
Der Herr hat seiner Gemeinde große Segnungen verliehen. Die Gerechtigkeit fordert, daß sie diese
Gaben mit Zinsen zurückerstattet. Da die Schätze der Wahrheit, die ihr anvertraut wurden,
zugenommen haben, sind auch ihre Verpflichtungen gewachsen. Statt sich aber auf Grund dieser
Gaben zu bessern und der Vollkommenheit näherzukommen, ist sie von dem, was sie in ihrer früheren
Erfahrung erreicht hatte, wieder abgefallen. Die Veränderung ihres geistlichen Zustandes ist allmählich
und fast unmerklich gekommen. Als sie nach der Anerkennung und Freundschaft der Welt zu trachten
begann, verringerte sich ihr Glaube; ihr Eifer wurde matt, und ihre glühende Hingabe wich toter
Förmlichkeit. Jeder Schritt auf die Welt zu war ein Schritt von Gott weg. Als Stolz und weltlicher Ehrgeiz
gepflegt wurden, wich der Geist Christi, und Wettstreit, Zank und Zwietracht kamen auf, die Gemeinde
zu zerrütten und zu schwächen.
Paulus schreibt an seine Brüder in Korinth: Ihr seid noch fleischlich. „Denn sintemal Eifer und Zank
und Zwietracht unter euch sind, seid ihr nicht fleischlich und wandelt nach menschlicher Weise?“
1.Korinther 3,3. Für Gemüter, die durch Neid und Streit zerrüttet sind, ist es unmöglich, die geistlichen
Wahrheiten des Wortes Gottes in ihrer Tiefe zu verstehen. „Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts
vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen; denn es muß geistlich
gerichtet sein.“ 1.Korinther 2,14. Wir können göttliche Offenbarung ohne die Hilfe des Heiligen Geistes,
der das Wort gegeben hat, nicht richtig verstehen oder schätzen.
Wer dazu bestimmt ist, die geistlichen Belange der Gemeinde zu überwachen, sollte bemüht sein,
ein gutes Vorbild zu sein. Er sollte keinen Anlaß zu Neid, Eifersucht oder Mißtrauen geben. Bekundet
daher stets den gleichen Geist der Liebe, Achtung und Höflichkeit, den ihr auch bei euren Brüdern zu
unterstützen wünscht. Beachtet auch sorgfältig die Unterweisungen des Wortes Gottes. Hemmt jede
Bekundung von Feindseligkeit oder Unfreundlichkeit, jätet jede Wurzel der Bitterkeit aus. Entsteht
zwischen Brüdern Verdruß, dann befolgt die Regel des
252
Heilandes genau. Unternehmt jede mögliche Anstrengung, um eine Aussöhnung zu bewirken. Sollten
die Parteien aber hartnäckig bei ihrem Zwist beharren, dann sollten sie ausgeschlossen werden, bis sie
sich wieder vertragen.
Entstehen Schwierigkeiten in der Gemeinde, prüfe sich jedes Glied, ob die Ursache dafür nicht bei
ihm selbst zu suchen ist. Geistlicher Stolz, der Wunsch zu befehlen, das ehrgeizige Verlangen nach
Auszeichnung oder nach einer Stellung, fehlende Selbstbeherrschung, das Dulden von Leidenschaften
oder Vorurteilen, unbeständiges oder fehlendes Urteil können die Gemeinde beunruhigen und ihren
Frieden stören.
Oft verursachen Schwätzer Schwierigkeiten und vergiften mit ihren geflüsterten Anspielungen
ahnungslose Gemüter und bringen die besten Freunde auseinander. Leider unterstützen viele die
Unheilstifter in ihrer schlimmen Tätigkeit, wenn sie mit offenen Ohren und bösen Herzen dabeistehen
und sagen: „Berichte, und wir wollen es schon weitererzählen.“ Nachfolger Christi, duldet diese Sünde
nicht in eurer Mitte. Kein christlicher Elternteil sollte erlauben, daß im Kreise seiner Familie Klatsch
wiederholt wird oder Bemerkungen gemacht werden, die Gemeindeglieder herabsetzen.
Christen sollten es als eine religiöse Pflicht ansehen, den Geist des Neides und der Eifersucht zu
unterdrücken. Sie sollten sich über das höhere Ansehen oder den größeren Wohlstand ihrer Brüder
freuen, selbst wenn dadurch der eigene Charakter oder die eigenen Leistungen anscheinend in den
Schatten gestellt werden. Gerade Stolz und Ehrgeiz, die Satan in seinem Herzen nährte, verbannten
ihn aus dem Himmel. Diese Übel sind in unserer gefallenen Natur tief eingewurzelt, und wenn wir sie
nicht ausreißen, werden sie alle guten und edlen Eigenschaften überschatten und Neid und Zank als
Früchte des Unheils hervorbringen.
Laßt uns mehr nach wahrer Güte als nach Größe trachten. Diejenigen, in denen der Geist Christi
lebt, werden von sich selbst bescheiden denken. Sie werden uneigennützig für die Reinheit und das
Gedeihen der Gemeinde wirken und bereit sein, eher ihre eigenen Interessen und Wünsche zu opfern,
als Zwietracht unter den Brüdern zu verursachen.
253
Satan ist ständig bemüht, im Volke Gottes Mißtrauen, Entfremdung und Bosheit zu entfachen. Oft
haben wir das Empfinden, daß unsere Rechte verletzt werden, obwohl wir in Wirklichkeit keinen Grund
dafür haben. Wer sich selbst mehr liebt als Christum und sein Werk, der wird seine eigenen Interessen
an die erste Stelle setzen und zu beinahe jedem Hilfsmittel greifen, sie zu wahren und zu verfechten.
Wenn er sich von seinen Brüdern beleidigt fühlt, wird er sogar vor Gericht gehen, statt der Regel des
Heilandes zu folgen. Stolz und Eigendünkel hindern sogar viele, die gewissenhafte Christen zu sein
scheinen, persönlich zu denen zu gehen, die sie für Irrende halten, um mit ihnen die Angelegenheit im
Geiste Christi zu besprechen und füreinander zu beten. Wortwechsel, Zank und Prozesse zwischen
Gemeindegliedern sind eine Schande für die Sache der Wahrheit. Wer solchen Weg geht, setzt die
Gemeinde dem Spott ihrer Feinde aus und gibt den Mächten der Finsternis Anlaß zu triumphieren. Er
durchbohrt die Wunden Christi aufs neue und gibt ihn der öffentlichen Schande preis. Wer die Autorität
der Gemeinde nicht achtet, verachtet Gott, der sie der Gemeinde gab.
Paulus schreibt an die Galater: „Wollte Gott, daß sie auch ausgerottet würden, die euch verstören!
Ihr aber, liebe Brüder, seid zur Freiheit berufen! Allein sehet zu, daß ihr durch die Freiheit dem Fleisch
nicht Raum gebet; sondern durch die Liebe diene einer dem andern. Denn alle Gesetze werden in
einem Wort erfüllt, in dem: ‚Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.‘ So ihr euch aber untereinander
beißet und fresset, so sehet zu, daß ihr nicht untereinander verzehrt werdet. Ich sage aber: Wandelt im
Geist, so werdet ihr die Lüste des Fleisches nicht vollbringen.“ Galater 5,12-16.
Irrlehrer hatten den Galatern Lehren gebracht, die dem Evangelium Christi widersprachen. Paulus
versuchte, diese Irrtümer zu enthüllen und zu berichtigen. Er wünschte sehr, daß die Irrlehrer aus der
Gemeinde ausgeschlossen würden, aber ihr Einfluß hatte so viele Gemeindeglieder ergriffen, daß es
gefährlich schien, etwas gegen sie zu unternehmen. Es bestand die Gefahr, daß Streit und Trennung
entstanden, welche die geistlichen
254
Belange der Gemeinde zerstört hätten. Deshalb versuchte der Apostel, seinen Brüdern einzuprägen,
wie wichtig es sei, daß man einander in Liebe zu helfen versuche. Er erklärte ihnen, daß alle
Forderungen des Gesetzes, die unsere Pflicht den Mitmenschen gegenüber herausstellen, in der
gegenseitigen Liebe erfüllt werden. Er warnte sie davor, Haß und Streit zu dulden, sich in Parteien zu
trennen und sich wie die Tiere gegenseitig zu beißen und zu verschlingen. Dadurch kämen zeitliches
Unglück und ewiges Verderben über sie. Es gab nur eine Möglichkeit, diese schrecklichen Dinge zu
verhüten, und das war, wie der Apostel ihnen einschärfte, „im Geist zu wandeln“, in unablässigem
Gebet die Führung des Heiligen Geistes zu suchen, der sie zu Liebe und Einigkeit leiten würde.
Ein Haus, in sich selbst uneins, kann nicht bestehen. Wenn Christen sich streiten, dann dringt Satan
ein, um zu herrschen. Wie oft hat er mit der Zerstörung des Friedens und der Eintracht in den
Gemeinden Erfolg gehabt! Welche wilden Streitigkeiten, wieviel Bitterkeit und Haß hat manchmal eine
nichtssagende Kleinigkeit entfesselt! Wie viele Hoffnungen wurden vernichtet, wie viele Familien durch
Uneinigkeit und Streit auseinandergerissen!
Paulus ermahnte seine Brüder, sich davor zu hüten, daß sie die Fehler anderer wohl tadelten, selbst
aber ebenso große Sünden begingen. Er wies warnend darauf hin, daß Haß, Eifersucht, Zorn, Zank,
Aufruhr, Ketzerei und Neid genau so Werke des Fleisches sind wie Lüsternheit, Ehebruch, Trunkenheit
und Mord und daß sie den Schuldigen ebenso das Tor des Himmels verschließen.
Christus sagt: „Wer der Kleinen einen ärgert, die an mich glauben, dem wäre es besser, daß ihm ein
Mühlstein an seinen Hals gehängt und er ins Meer geworfen würde.“ Markus 9,42. Wer durch
vorsätzlichen Betrug oder schlechtes Beispiel einen Jünger Christi verführt, macht sich einer schweren
Sünde schuldig. Wer ihn zum Gegenstand der Verleumdung oder des Spottes macht, beleidigt Jesus.
Unser Heiland vermerkt jedes Unrecht, das seinen Nachfolgern zugefügt wird.
255
Wie wurden die bestraft, die vor alters das, was Gott sich als heilig erwählt hatte, geringschätzten?
Belsazer und seine tausend Gewaltigen entweihten die goldenen Gefäße Jehovas. Sie lobten dabei die
Götzen Babylons. Der Gott aber, den sie herausforderten, war Zeuge der unheiligen Szene. Mitten in
ihrer gotteslästerlichen Heiterkeit erschien eine blutleere Hand und schrieb geheimnisvolle Zeichen an
die Wand des Palastes. Voller Entsetzen hörten der König und die Höflinge ihren Urteilsspruch durch
den Diener des Allerhöchsten.
Laßt diejenigen, die an der Verleumdung und Herabsetzung der Diener Christi Freude haben,
bedenken, daß Gott Zeuge ihrer Taten ist. Ihr verleumderischer Angriff entweiht nicht leblose Gefäße,
sondern den Charakter von Menschen, die Christus mit seinem Blut erkauft hat. Die Hand, die im Palast
Belsazers die Schrift auf die Wand schrieb, führt gewissenhaft Bericht über jede Ungerechtigkeit oder
Unterdrückung gegenüber dem Volke Gottes.
Die heilige Geschichte enthält treffende Beispiele, wie der Herr mit eifersüchtiger Sorge über seinen
schwächsten Kindern wacht. Während der Wüstenwanderung Israels wurden die Schwachen und
Müden, die auf dem Wege zurückgeblieben waren, heimtückisch und grausam von den Amalekitern
angegriffen und erschlagen. Später führte Israel Krieg gegen die Amalekiter und besiegte sie. „Und der
Herr sprach zu Mose: Schreibe das zum Gedächtnis in ein Buch und befiehl‘s in die Ohren Josuas;
denn ich will den Amalek unter dem Himmel austilgen, daß man sein nicht mehr gedenke.“ 2.Mose
17,14. Kurz vor seinem Tode wiederholte Mose den Befehl, damit er von seinen Nachfolgern nicht
vergessen werde. „Gedenke, was dir die Amalekiter taten auf dem Wege, da ihr aus Ägypten zoget, wie
sie dich angriffen auf dem Wege und schlugen die letzten deines Heeres, alle die Schwachen, die dir
hinten nachzogen, da du müde und matt warst, und fürchteten Gott nicht ...“ Du sollst „das Gedächtnis
der Amalekiter austilgen unter dem Himmel. Das vergiß nicht!“ 5.Mose 25,17-19.
Wie soll Gott, der schon die Grausamkeit eines heidnischen Volkes so hart strafte, diejenigen
betrachten, die sich zu
256
seinem Volke zählen, aber die eigenen Brüder bekämpfen, die als Arbeiter in seinem Werk müde und
matt geworden sind? Satan gewinnt große Macht über alle, die sich seiner Herrschaft überlassen.
Gerade die Hohenpriester und Ältesten — die religiösen Lehrer des Volkes — drängten die mörderische
Schar vom Richthaus nach Golgatha. Unter den bekenntlichen Nachfolgern Christi gibt es auch heute
Herzen, die von demselben Geist erfüllt sind, der nach der Kreuzigung unseres Heilandes schrie.
Mögen die Übeltäter daran denken, daß es für alle ihre Taten einen Zeugen gibt, einen heiligen Gott,
der die Sünde haßt. Er wird alle ihre Werke vors Gericht bringen, auch die verborgenen.
„Wir aber, die wir stark sind, sollen der Schwachen Gebrechlichkeit tragen und nicht Gefallen an uns
selber haben. Es stelle sich ein jeglicher unter uns also, daß er seinem Nächsten gefalle zum Guten,
zur Besserung. Denn auch Christus hatte nicht an sich selber Gefallen.“ Römer 15,1-3. Wie Christus in
unserer Schwachheit und Sündhaftigkeit Mitleid mit uns hatte und uns half, so sollten auch wir mit
anderen Mitleid empfinden und ihnen helfen. Viele sind von Zweifel verwirrt, von Krankheit geplagt,
schwach im Glauben und unfähig, das Unsichtbare zu erfassen. Aber ein Freund, den sie sehen
können, der an Christi Statt zu ihnen kommt, kann als Bindeglied ihren zitternden Glauben an Gott
festigen. O, das ist ein gesegnetes Werk! Mögen wir uns weder durch Stolz noch durch Selbstsucht
davon abhalten lassen, das Gute, das wir tun können, im Namen Christi und im Geiste der Liebe und
Zärtlichkeit zu vollbringen.
„Liebe Brüder, so ein Mensch etwa von einem Fehler übereilt würde, so helfet ihm wieder zurecht
mit sanftmütigem Geist ihr, die ihr geistlich seid; und siehe auf dich selbst, daß du nicht auch versucht
werdest. Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“ Galater 6,1.2. Hier wird
uns unsere Pflicht abermals klar vor Augen gestellt. Wie können die bekenntlichen Nachfolger Christi
diese vom Geist gegebenen Anordnungen so leichtfertig behandeln? Ich bekam vor kurzem einen Brief,
in dem man mir erzählte, wie ein Bruder seine Schweigepflicht verletzt hatte. Obgleich es ein
unbedeutender Vorfall war, der bereits Jahre zurücklag, kaum wert, darüber
257
nachzudenken, stellte die Schreiberin doch fest, daß es ihr Vertrauen zu jenem Bruder für immer
vernichtet hatte. Wenn das Leben jener Schwester rückblickend keine größeren Fehler aufwiese, dann
wäre das tatsächlich ein Wunder, denn die menschliche Natur ist sehr schwach. Ich habe gelebt und
lebe noch in Gemeinschaft mit Geschwistern, die schwerer Sünden schuldig geworden sind und die ihre
Sünden nicht einmal jetzt so sehen, wie Gott sie sieht. Aber der Herr hat Geduld mit diesen Menschen.
Warum sollte ich sie dann nicht auch haben? Er wird seinen Geist veranlassen, an ihren Herzen zu
arbeiten, daß ihnen die Sünde so erscheint wie Paulus — überaus sündig.
Wir kennen unser eigenes Herz nur schlecht und haben nur wenig Sinn für unser persönliches
Bedürfnis der Gnade Gottes. Deshalb hegen wir so wenig jenes zarte Mitleid, das Jesus uns gegenüber
offenbarte und das wir untereinander üben sollten. Denkt daran, daß die Geschwister schwache,
irrende Sterbliche sind wie wir selbst. Gesetzt den Fall, ein Bruder hat sich unbedachter Weise von der
Versuchung überraschen lassen und im Gegensatz zu seinem sonstigen Betragen irgendeinen Fehler
begangen. Wie sollten wir uns dann ihm gegenüber verhalten? Wir lernen aus der Bibel, daß Männer,
die Gott für große und gute Taten benutzte, schwere Sünden begingen. Der Herr ging daran nicht
vorüber, ohne zu tadeln, noch verwarf er deshalb seine Diener. Wenn sie bereuten, dann vergab er
ihnen gnädig, offenbarte ihnen seine Gegenwart und wirkte weiterhin durch sie. Laßt die armen,
schwachen Sterblichen bedenken, wie sehr sie der Nachsicht und des Mitleids von seiten Gottes und
ihrer Geschwister bedürfen. Mögen sie sich hüten, andere zu richten und zu verdammen. Wir sollten die
Anweisung des Apostels beachten: „Helfet ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist ihr, die ihr
geistlich seid; und siehe auf dich selbst, daß du nicht auch versucht werdest.“ Galater 6,1. Wir können
in der Versuchung fallen und die ganze Nachsicht benötigen, die wir hier gegen den Schuldigen üben
sollen. „Denn mit welcherlei Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welcherlei Maß ihr
messet, wird euch gemessen werden.“ Matthäus 7,2.
258
Der Apostel fügt eine Warnung für diejenigen hinzu, die sich für unabhängig halten und auf sich
selbst vertrauen: „So aber sich jemand läßt dünken, er sei etwas, so er doch nichts ist, der betrügt sich
selbst. Denn ein jeglicher wird seine Last tragen.“ Galater 6,3-5. Wer sich seinen Brüdern im Urteil und
in der Erfahrung überlegen dünkt, ihren Rat und ihre Erfahrung verachtet, beweist somit, daß er in einer
gefährlichen Täuschung befangen ist. Das Herz ist trügerisch. Der Mensch prüfe seinen Charakter und
sein Leben am biblischen Maßstab. Gottes Wort wirft unfehlbares Licht auf den Lebensweg des
Menschen. Trotz vieler Einflüsse, die den Menschen ablenken und verwirren, werden alle, die Gott
aufrichtig um Weisheit bitten, den richtigen Weg geführt werden. Jeder Mensch muß schließlich für sich
selbst stehen oder fallen, ohne Rücksicht auf die Meinung seiner Helfer oder Gegner, auch ohne
Rücksicht auf menschliches Urteil, aber entsprechend seinem wahren Charakter vor dem Angesichte
Gottes. Die Gemeinde kann warnen, raten und ermahnen, sie kann aber niemanden zwingen, den
richtigen Weg zu wählen. Wer in der Mißachtung des Wortes Gottes beharrt, muß seine eigene
Sündenlast tragen — sich allein vor Gott verantworten und die Folgen seiner Handlungsweise auf sich
nehmen.
Der Herr hat uns in seinem Wort bestimmte, unmißverständliche Anweisungen gegeben, durch
deren Beachtung wir die Einheit und Harmonie in der Gemeinde erhalten können. Geschwister, gebt ihr
acht auf diese Anordnungen des Geistes? Seid ihr Bibelleser und zugleich Täter des Wortes? Bemüht
ihr euch, das Gebet Christi um die Einigkeit seiner Nachfolger auszuleben? „Der Gott aber der Geduld
und des Trostes gebe euch, daß ihr einerlei gesinnt seid untereinander nach Jesu Christo, auf daß ihr
einmütig mit einem Munde lobet Gott.“ Römer 15,5.6. „Seid vollkommen, tröstet euch, habt einerlei
Sinn, seid friedsam! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein.“ 2.Korinther 13,11.
Zeugnisse für die Gemeinde — Nummer 32
Kapitel 26: Das Werk der Diener des Evangeliums
Es gibt viele Dinge, die in den Vereinigungen von Upper Columbia und North Pacific korrigiert
werden müssen. Der Schöpfer erwartete von den Brüdern dort, daß sie gemäß des Lichtes und der
ihnen gewährten Vorrechte Frucht bringen, aber er wurde hierin enttäuscht. Er hat ihnen alle Vorzüge
zuteil werden lassen, aber sie haben sie nicht zur Sanftmut, Gottseligkeit und Wohltätigkeit genutzt. Sie
haben weder jenen Lebenswandel geführt, jenen Charakter offenbart noch jenen Einfluß ausgeübt, der
ihrem Schöpfer am meisten zur Ehre gereicht, sie selbst veredelt und sie zum Segen für ihre
Mitmenschen gemacht hätte. Ihre Herzen sind mit Selbstsucht erfüllt. Sie lieben es, ihre eigenen Wege
zu gehen, und suchen Bequemlichkeit, Ehre, Reichtum und ihr eigenes Vergnügen in auffälliger oder
mehr unauffälliger Weise. Wenn wir dem Kurs der Welt und den Neigungen des eigenen Herzens
folgen — wird das zu unserem Besten sein? Erwartet Gott, der den Menschen schuf, nicht etwas
Besseres?
„So seid nun Gottes Nachfolger als die lieben Kinder.“ Epheser 5,1. Christen müssen Christo ähnlich
sein. Sie sollten des gleichen Geistes sein, den gleichen Einfluß ausüben und die gleiche moralische
Vollkommenheit besitzen wie er. Diejenigen, die ein götzendienerisches und verdorbenes Herz haben,
müssen bereuen und sich zu Gott wenden. Diejenigen, die stolz und selbstgerecht sind, müssen das
eigene Ich verabscheuen und sich eines bußfertigen, sanftmütigen und demütigen Herzens befleißigen.
Die weltlich Gesinnten müssen die Ranken des Herzens vom Kehricht der Welt loslösen, mit dem sie
verwickelt sind, und sie an Gott heften; sie müssen geistlich gesinnt werden. Die Unredlichen und
Unehrlichen müssen redlich und ehrlich werden. Die Ehrsüchtigen und Habgierigen müssen in Jesu
geborgen werden und statt ihrer seine Verherrlichung suchen.
260
Sie müssen ihre eigene Heiligkeit verachten und ihren Schatz im Himmel anlegen. Diejenigen, die das
Gebet vernachlässigen, müssen das Bedürfnis nach dem stillen Gebet und dem Gebet in der Familie
empfinden und ihre ernsten Bitten zu Gott empor senden.
Als Anbeter des wahren und lebendigen Gottes sollten wir in Übereinstimmung mit dem Licht und
den Vorrechten, deren wir uns erfreuen, Frucht bringen. Viele beten Götzen an, anstatt den Herrn des
Himmels und der Erde. Alles, was Menschen lieben und worin sie ihr Vertrauen setzen, anstatt den
Herrn zu lieben und ihm völlig zu vertrauen, wird zu einem Götzen und wird als solcher in den
Himmelsbüchern eingetragen. Selbst Segnungen werden oftmals in Fluch umgewandelt. Die
Sympathien des menschlichen Herzens, durch Übung gestärkt, führen oft in die falsche Richtung, bis
sie zu einer Schlinge werden. Wird jemand ermahnt, so gibt es immer einige, die ihm ihr Mitgefühl
zeigen. Sie übersehen völlig den Schaden, der dem Werke Gottes durch den verkehrten Einfluß
dessen, der in seiner Lebensführung und seinem Charakter nicht dem Vorbild nacheifert, zugefügt
wurde. Gott sendet seine Diener mit einer Botschaft zu dem Volk, das sich als Nachfolger Christi
bezeichnet. Aber einige sind nur dem Namen nach Kinder Gottes und verwerfen die Warnung.
Gott hat den Menschen in wunderbarer Weise mit Verstandeskräften ausgerüstet. Er, der den Baum
befähigte, eine Fülle guter Früchte zu tragen, hat auch den Menschen befähigt, die köstlichen Früchte
der Gerechtigkeit hervorzubringen. Er hat den Menschen in seinen Garten gepflanzt und zärtlich für ihn
gesorgt. Er erwartet, daß er auch Frucht bringt. Im Gleichnis vom Feigenbaum sagt Christus: „Siehe, ich
bin nun drei Jahre lang alle Jahre gekommen und habe Frucht gesucht.“ Lukas 13,7. Mehr als zwei
Jahre hat der Eigentümer bei diesen Vereinigungen Frucht gesucht, auf die er ein Anrecht hat. Doch
wie wurde sein Suchen belohnt? Wie sehr beobachten wir einen Lieblingsbaum oder eine Pflanze in der
Erwartung, daß sie unsere Mühe mit Knospen, Blüten und Früchten belohnen? Wie enttäuscht sind wir,
wenn wir nur Blätter vorfinden. Mit wieviel
261
mehr Besorgnis und zärtlichem Interesse überwacht der himmlische Vater das geistliche Wachstum
derer, die er nach seinem eigenen Bilde erschuf und für die er sich dazu herabließ, seinen Sohn zu
geben, damit sie erhöht, veredelt und verherrlicht werden können.
Der Herr hat seine erwählten Werkzeuge, Menschen in ihrem Irrtum und Abfall zu begegnen. Er
sendet seine Boten, ein klares Zeugnis abzulegen, um sie aus ihrem schläfrigen Zustand aufzuwecken
und ihrem Verständnis die kostbaren Worte des Lebens, die Heilige Schrift, zu eröffnen. Diese Männer
sollen nicht nur Prediger, sondern Gesandte, Lichtträger und treue Wächter sein, welche die drohende
Gefahr erkennen und das Volk warnen. Sie müssen in ihrem ernsten Eifer, in ihrem rücksichtsvollen
Taktgefühl, in ihren persönlichen Bemühungen — kurz, in ihrem ganzen Dienst — Christum darstellen.
Sie müssen eine lebendige Verbindung mit Gott unterhalten und so vertraut mit den Prophezeiungen
und praktischen Lehren des Alten und Neuen Testaments werden, daß sie Neues und Altes aus dem
Schatzhaus des Wortes Gottes schöpfen können.
Einige dieser Prediger machen einen Fehler, wenn sie ihre Predigten vorbereiten. Sie legen jede
Einzelheit so genau fest, daß sie dem Herrn keinen Raum lassen, ihr Gemüt zu leiten und zu
beeinflussen. Jeder Punkt steht fest, wie er festgehalten wurde, und sie können nicht in geringster
Weise von ihrem Plan abweichen. Wenn sie diesem Kurs weiterhin folgen, werden sie so engstirnig, so
beschränkt in ihren Ansichten werden, daß sie genauso des Lebens und der Kraft entbehren, wie die
Hügel von Gilboa des Taues und Regens ermangelten. Sie müssen ihre Seelen offen halten, damit der
Heilige Geist Besitz von ihnen nehmen und sie beeinflussen kann. Wenn alles im voraus festgelegt ist,
wenn sie fühlen, daß sie nicht von diesen vorgefaßten Predigten abweichen können, dann wird der
Eindruck nicht besser sein, als würde die Predigt vorgelesen werden.
Gott möchte, daß seine Diener völlig von ihm abhängig sind; doch gleichzeitig sollten sie zu jedem
guten Werk gründlich vorbereitet sein. Nicht jeder Gegenstand kann auf die gleiche Art und Weise jeder
Versammlung vorgeführt werden.
262
Wenn dem Geist Gottes zu wirken gestattet wird, kann er die Gedanken des Sprechers so lenken, daß
die gesprochenen Worte den Fällen derer angepaßt sind, die der Hilfe bedürfen. Aber die lahmen,
formellen Predigten vieler, die am Predigtpult stehen, besitzen wenig von der belebenden Kraft des
Heiligen Geistes. Die Gewohnheit, solche Predigten vorzutragen, wird die Brauchbarkeit und Fähigkeit
eines Predigers nachhaltig zerstören. Dies ist einer der Gründe, weshalb die Bemühungen der Arbeiter
in ... und in ... nicht erfolgreicher gewesen sind. Gott bekam zu wenig Raum, die Gemüter derer, die am
Rednerpult dienten, zu beeinflussen.
Eine weitere Ursache des Fehlschlags in diesen Vereinigungen ist darin zu suchen, daß die
Menschen, zu denen Gott seine Boten sendet, seine Ansichten ihren eigenen anzupassen suchen und
ihm Worte in den Mund legen wollen, die er sprechen soll. Gottes Wächter dürfen weder dem Volk zum
Gefallen predigen noch auf ihre Worte hören, um diese zu wiederholen. Sie haben darauf zu hören, was
der Herr sagt, was sein Wort an das Volk ist. Wenn sie Predigten benutzen, die sie vor Jahren
ausgearbeitet haben, mögen sie versäumen, den jetzigen Bedürfnissen gerecht zu werden. Ihre Herzen
sollten stets offen sein, damit der Herr ihre Gemüter beeinflussen kann. Dann werden sie befähigt sein,
dem Volk die kostbare Wahrheit, frisch vom Himmel, vorzuführen. Gott hat kein Wohlgefallen an jenen
engstirnigen Predigern, die ihre von Gott gegebenen Kräfte mit Gegenständen von geringer Bedeutung
verschwenden und es versäumen, an göttlicher Erkenntnis zuzunehmen und zur vollen Größe von
Männern in Christo Jesu heranzuwachsen. Er möchte, daß seine Diener Verstandesweite und wahren
moralischen Mut besitzen. Solche Männer werden vorbereitet sein, Widerstand und Schwierigkeiten zu
begegnen. Sie werden die Herde Gottes leiten, anstatt sich von ihr leiten zu lassen.
Die Arbeit der Wächter weist zu wenig vom Geist und der Kraft Gottes auf. Der Geist, der die
wunderbare Versammlung am Pfingsttag kennzeichnete, wartet darauf, seine Macht durch die Männer
zu offenbaren, die heute als Gottes Botschafter zwischen den Lebendigen und Toten stehen. Die
Macht, die
263
1844 so kraftvoll das Volk bewegte, wird sich wiederum offenbaren. Die dritte Engelsbotschaft wird nicht
im Flüsterton, sondern mit lauter Stimme verkündigt werden.
Viele, die behaupten, großes Licht zu haben, wandeln im Licht des Feuers, das sie selbst
angezündet haben. Ihre Lippen müssen mit der glühenden Kohle vom Altar berührt werden, daß sie die
Wahrheit gleich inspirierten Männern vortragen können. Zu viele betreten das Predigtpult mit
mechanischen Predigten, denen das Licht vom Himmel fehlt.
Im Predigtamt aller Glaubensrichtungen ist zu viel vom eigenen Ich und zu wenig von Jesu
enthalten. Der Herr benutzt demütige Männer, um seine Botschaft zu vermitteln. Wäre Jesus in der
Majestät eines Königs erschienen, im Pomp, der die Großen dieser Welt begleitet, hätten ihn viele
angenommen. Aber Jesus von Nazareth betörte nicht die Sinne mit Entfaltung äußerlicher Herrlichkeit,
um dadurch ihre Verehrung zu erlangen. Er kam als einfacher Mann, um sowohl Lehrer und Vorbild als
auch der Erlöser der menschlichen Rasse zu sein. Hätte er Schaugepränge ermutigt, wäre er mit einem
Gefolge von großen Männern dieser Erde erschienen, wie hätte er dann Demut lehren können? Wie
hätte er solch brennende Wahrheiten wie in der Bergpredigt vorführen können? Sein Beispiel war so,
wie es von seinen Nachfolgern nachgeahmt werden soll. Wo wäre Hoffnung für die in niedrigen
Verhältnissen lebenden Menschen gewesen, wenn er als erhabener König auf Erden gelebt hätte?
Jesus kannte die Bedürfnisse der Welt besser, als Menschen sie erkennen konnten. Er erschien nicht
als ein Engel, bekleidet mit dem Gewand des Himmels, sondern als ein Mensch. Aber mit seiner
Menschlichkeit war eine angeborene Macht und Hoheit verbunden, die alle Menschen, die ihn liebten,
mit Ehrfurcht erfüllte. Obgleich im Besitz solcher Lieblichkeit, solcher anspruchslosen Erscheinung,
bewegte er sich unter ihnen mit der Würde und Macht eines vom Himmel geborenen Königs. Das Volk
war erstaunt, verwirrt. Sie versuchten die Sache zu begreifen. Weil sie aber ihre eigenen Vorstellungen
nicht aufgeben wollten, hegten sie Zweifel und hielten sich an die alten Erwartungen eines Messias, der
in irdischer Herrlichkeit erscheinen würde.
264
Als Jesus die Bergpredigt hielt, scharten sich seine Jünger eng um ihn, und die Volksmenge, voller
Neugier, drängte so nah wie möglich an ihn heran. Es wurde mehr als etwas Gewöhnliches erwartet.
Begierige Angesichter und lauschende Haltung gaben Beweis von tiefem Interesse. Die
Aufmerksamkeit aller schien auf den Sprecher gerichtet zu sein. Seine Augen waren von
unaussprechlicher Liebe erleuchtet, und der himmlische Ausdruck seines Angesichts gaben jedem
geäußerten Wort Bedeutung. Engel des Himmels befanden sich unter der lauschenden Menge. Doch
auch der Widersacher der Seelen mit seinen bösen Engeln war zugegen, um so weit wie möglich dem
Einfluß des himmlischen Lehrers entgegenzuwirken. Die dort verkündeten Wahrheiten sind durch die
Zeitalter bis zu uns gelangt und sind ein Licht inmitten der allgemeinen Finsternis des Irrtums gewesen.
Viele haben in ihnen das gefunden, was die Seele am meisten brauchte — ein sicheres Fundament für
den Glauben und fürs praktische Leben. Aber die Welt hat immer gewußt, daß aus diesen Worten des
größten Lehrers, den die Welt je kannte, kein Schaustück menschlicher Beredsamkeit gemacht werden
kann. Die Sprache ist schlicht, und die Gedanken und Aussprüche sind von größter Einfachheit
gekennzeichnet. Die Ärmsten, die Ungebildetsten und Einfältigsten können sie verstehen. Der Herr des
Himmels sprach die Seelen, die er zu retten kam, mit Barmherzigkeit und freundlich an. Er belehrte sie
wie jemand, der Autorität besitzt, und sprach Worte ewigen Lebens.
Alle sollten das Vorbild so gut wie möglich nachahmen. Während sie das Bewußtsein der Macht, wie
Jesus es hatte, nicht haben können, sind sie doch imstande, sich so mit der Quelle der Kraft zu
verbinden, daß Jesus in ihnen und sie in ihm bleiben können. Auf diese Weise wird sich sein Geist und
seine Macht in ihnen bekunden.
„Wandelt im Licht, wie er im Licht ist.“ Irdische Gesinnung und Selbstsucht trennen uns von Gott. Die
Botschaften vom Himmel sind solcherart, daß sie Widerstand erwecken. Die treuen Zeugen Christi und
die Wahrheit tadeln die Sünde. Ihre Worte werden wie ein Hammer sein, der das steinerne Herz
265
zerschlägt und gleich einem Feuer, das die Schlacke verzehrt. Fortwährend besteht das Bedürfnis nach
ernsten, entschiedenen Warnungsbotschaften. Gott will Menschen haben, die ihrer Pflicht treu sind. Zu
rechter Zeit senden er seine treuen Boten, daß sie ein Werk, ähnlich wie Elia, verrichten.
Prediger als Erzieher
Der Zustand in ... ist wirklich beklagenswert. Das, was der Herr mir vorgeführt hat, verursacht mir
Schmerz. Wer auch immer später hier oder in ... arbeiten muß, wird eine mühsame Arbeit und schwere
Last zu tragen haben, weil das Werk nicht gründlich getan, sondern unvollendet zurückgelassen worden
ist. Dies ist um so beklagenswerter, weil der Fehlschlag nicht gänzlich auf Weltlichkeit und Mangel an
Liebe zu Jesu und zur Wahrheit von seiten des Volkes zurückzuführen ist. Es ist zum Teil die Schuld
der Prediger, die während der Arbeit unter ihnen offensichtlich versäumten, ihrer Pflicht
nachzukommen. Sie besaßen keinen Missionsgeist. Sie sahen sich nicht veranlaßt, das Volk in allen
Zweigen des Werkes gründlich zu unterrichten, und das an allen Orten, wo die Wahrheit Fuß gefaßt
hatte. Wenn für nur eine Seele gründlich gearbeitet wird, hilft es vielen. Aber die Prediger haben dies
nicht erkannt und haben versäumt, Personen auszubilden, die ihrerseits für die Wahrheit eingestanden
wären und andere unterrichtet hätten. Diese nachlässige, halbherzige Arbeitsweise mißfällt Gott.
Ein Prediger mag gerne Predigten halten, denn dies ist der angenehmste Teil der Arbeit und ist
vergleichsweise einfach. Kein Prediger sollte aber nach seiner Fähigkeit als Sprecher beurteilt werden.
Der schwerere Teil kommt, wenn er das Predigtpult verlassen hat, wenn der ausgestreute Same
bewässert werden muß. Ist das Interesse geweckt, muß persönliche Arbeit folgen — Besuche,
Bibelstunden, Belehrung, wie die Schrift erforscht werden soll, Gebet mit Familien und Interessierten
und die auf Herzen und Gewissen gemachten Eindrücke vertiefen.
Es gibt viele, die nicht den Wunsch haben, mit ihren ungläubigen Nachbarn und solchen, mit denen
sie in Kontakt kommen,
266
näher bekannt zu werden. Sie fühlen sich nicht verpflichtet, diese Zurückhaltung aufzugeben. Die
Wahrheit, die sie lehren, und die Liebe Jesu sollten große Kraft haben, ihnen zu helfen, dieses Gefühl
zu überwinden. Sie sollten daran denken, daß sie gerade diesen Männern und Frauen im Gericht
begegnen müssen. Blieben Worte unausgesprochen, die sie hätten sagen sollen? War ihr Interesse für
Seelen groß genug, sie zu warnen, einzuladen, für sie zu beten und alle Anstrengungen zu machen, sie
für Christum zu gewinnen? Haben sie Scharfsinn mit Eifer verbunden und die Anweisung des Apostels
befolgt: „Und haltet diesen Unterschied, daß ihr euch etlicher erbarmet, etliche aber mit Furcht selig
machet und rücket sie aus dem Feuer; und hasset auch den Rock, der vom Fleische befleckt ist“?
Judas 22.23.
Alle, die in ihrem Predigtamt erfolgreich sein wollen, haben ein ernsthaftes Werk zu tun. Ich ersuche
euch, liebe Brüder, Diener Christi, nicht zu versäumen, das Volk darin zu unterweisen, das Werk Gottes
in all seinen Abteilungen verständig zu unterstützen. Christus war ein Erzieher, und seine Diener, die
ihn darstellen, sollen ebenfalls Erzieher sein. Wenn sie versäumen, den Leuten ihre Verpflichtung Gott
gegenüber zu zeigen, was Zehnten und Gaben anbetrifft, dann versäumen sie einen wichtigen Teil des
Werkes, das ihr Meister ihnen aufgetragen hat. In den Büchern des Himmels sind sie als „untreue
Knechte“ eingetragen. Die Gemeinde schlußfolgert, daß die Prediger, die von Gott gesandt sind, um
ihnen die Wahrheit zu verkündigen, sicher darüber gesprochen hätten, wenn diese Dinge notwendig
wären. So fühlen sie sich sicher und sind beruhigt, während sie ihre Pflicht vernachlässigen. Sie
handeln den ausdrücklichen Forderungen Gottes entgegen, und als Folge davon werden sie leblos und
untüchtig. Sie üben keinen rettenden Einfluß auf die Welt aus. Christus vergleicht sie mit dem Salz, das
seine Würzkraft verloren hat.
An vielen Plätzen mögen Gruppen von Sabbathaltern gebildet werden. Oftmals werden diese
Gruppen klein sein. Sie dürfen nicht vernachlässigt werden und dahinsterben aus Mangel an
angemessenen persönlichen Bemühungen und Training. Das Werk darf nicht vorzeitig sich selbst
überlassen werden.
267
Schaut darauf, daß alle die Wahrheit richtig verstehen, daß sie im Glauben fest gegründet und an
jedem Zweig des Werkes interessiert sind, bevor ihr sie verlaßt, um woanders zu arbeiten. Dann
besucht sie oft und schaut, was sie machen, wie Paulus es tat. O, welch nachlässiges Werk, worüber
die Engel weinen, verrichten doch viele, die den Anspruch erheben, von Gott zum Predigen seines
Wortes berufen zu sein.
In jedem Feld könnte das Werk in gesundem Zustand sein, wenn die Prediger auf Gott vertrauten
und nicht zuließen, daß sie von der Arbeit abgelenkt werden. Arbeiter werden viel eher benötigt als
Prediger, aber beide Ämter müssen miteinander verbunden werden. Im Missionsfeld hat sich erwiesen,
daß das Talent, Predigten zu halten, von wenig Nutzen ist, wenn die Arbeit vernachlässigt wird. Werden
die Leute nicht unterrichtet, wie sie arbeiten, Versammlungen abhalten, sich an der Missionsarbeit
beteiligen sollen und andere erfolgreich erreichen können, dann wird sich die Arbeit nahezu als
Fehlschlag erweisen. Im Sabbatschulwerk gibt es ebenfalls viel zu tun; auch müssen die Geschwister
dahin gebracht werden, daß sie ihre Verpflichtungen erkennen und ihren Teil beitragen. Gott beruft sie,
für ihn zu wirken, und die Prediger sollen sie dazu anleiten.
Es ist eine traurige Tatsache, daß das Werk in diesen Feldern um Jahre zurück ist. Die
Nachlässigkeit von seiten der Prediger hat das Volk entmutigt, und der Mangel an Interesse,
Selbstaufopferung und Würdigung der Arbeit von seiten des Volkes hat die Prediger entmutigt. „Zwei
Jahre hintennach“ lautet der Bericht im Himmelsbuch. Diese Leute hätten in der Förderung des Werkes
der Wahrheit viel tun und an den verschiedenen Orten Seelen zu Christo bringen können. Gleichzeitig
wären sie selbst in der Gnade und Erkenntnis der Wahrheit gewachsen, wenn sie die Gelegenheiten
wahrgenommen und das Beste aus ihren Vorrechten gemacht hätten, und anstatt zu murren und zu
klagen, gläubig und mutig vorangegangen wären. Allein die Ewigkeit wird offenbaren, wieviel während
dieser Jahre verlorenging — wie viele Seelen durch diesen Zustand dem Untergang verfielen. Der
Verlust kann nicht ermessen werden. Gott wurde beleidigt. Der verfolgte Kurs hat dem Werk eine
268
Wunde zugefügt, die Jahre erfordert, um sie zu heilen. Werden die Fehler, die begangen wurden, nicht
erkannt und bereut, werden sie sich mit Sicherheit wiederholen.
Die Wahrnehmung dieser Tatsachen hat mich unaussprechlich belastet und mir den Schlaf geraubt.
Manchmal schien es, als würde mir das Herz brechen. Ich konnte nur beten und in meiner Seelenqual
laut weinen. Ach, es tat mir so leid um meinen Heiland! Sein Suchen nach Frucht inmitten der mit
Blättern beladenen Zweige des Feigenbaumes und seine Enttäuschung, daß er „nichts als nur Blätter“
fand, stand mir so lebhaft vor Augen! Ich empfand, daß ich es nicht so lassen konnte. Ich würde mich
nicht damit abfinden, daß während der vergangenen Jahre Prediger und Volk ihre Pflicht versäumten.
Ich fürchtete, daß der Fluch, der den Feigenbaum traf und ihn verdorren ließ, auch das Schicksal dieser
Sorglosen sein könnte. Die schreckliche Vernachlässigung des Werkes und der Mission, die ihnen von
Gott übertragen waren, schließt einen Verlust ein, den sich niemand von uns gestatten kann. Das
Risiko ist zu groß und das Wagnis zu schrecklich, als daß es zu irgendeiner Zeit unserer religiösen
Geschichte eingegangen werden könnte, wieviel mehr jetzt, da die Zeit so kurz ist und noch so viel am
Tage der Vorbereitung getan werden muß. Der ganze Himmel bemüht sich ernstlich um die Errettung
der Menschen. Gott sendet seinem Volk Licht und offenbart ihm seine Pflicht, so daß niemand vom
rechten Weg abzuirren braucht. Aber Gott sendet sein Licht und seine Wahrheit nicht, damit sie
geringgeschätzt und damit gespielt werden soll. Wenn das Volk unaufmerksam ist, wird es vor ihm
doppelt schuldig sein.
Als Christus in Jerusalem einritt, wurde er am Fuße des Ölbergs von unbeherrschbarem Gram erfüllt
und erklärte mit gebrochener Stimme, während er auf die Stadt herabsah: „Wenn doch auch du
erkenntest zu dieser deiner Zeit, was zu deinem Frieden dient! Aber nun ist‘s vor deinen Augen
verborgen.“ Lukas 19,42. Er weinte nicht um sich selbst, sondern um die Verächter seiner Gnade,
seiner Langmut und Geduld. Die Haltung, die von den hartherzigen und unbußfertigen Bewohnern der
verurteilten Stadt eingenommen wurde, gleicht derjenigen,
269
die Gemeinden und einzelne Personen heute gegenüber Christo einnehmen. Sie vernachlässigen seine
Forderungen und verachten seine Geduld. Es besteht eine Form der Frömmigkeit, ein zeremonieller
Gottesdienst; es gibt artige Gebete; aber es fehlt an der wahren Kraft. Das Herz ist nicht durch Gnade
besänftigt, sondern kalt und für Eindrücke unempfänglich. Viele sind gleich den Juden durch Unglauben
verblendet und erkennen nicht die Zeit ihrer Heimsuchung. Was die Wahrheit betrifft, wurde ihnen jeder
Vorzug zuteil. Gott hat seit Jahren durch Warnungen, Tadel, Zurechtweisungen und Unterweisung in
Gerechtigkeit an sie appelliert. Doch diese speziellen Anweisungen wurden nur erteilt, um mißachtet
und mit gewöhnlichen Dingen auf die gleiche Stufe gestellt zu werden.
Die Pflicht, Liebhaber des Mammons zu tadeln
Viele, die zu den Gläubigen gezählt werden, sind nicht wirklich eins mit ihnen, was Glauben und
Grundsatz anbetrifft. Sie tun genau das, was sie nach Jesu Worten nicht tun sollen — sie trachten
danach, ihre Schätze auf Erden anzulegen. Christus sagte: „Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf
Erden. ... Sammelt euch aber Schätze im Himmel. ... Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.“
Matthäus 6,19-21. Hier ist eine Gefahr, die Christen droht. Sie gehorchen Christi ausdrücklichen
Anweisungen nicht. Sie offenbaren keinen wahren Glauben, kein echtes Vertrauen in Gott. Um
Reichtum zu erlangen, vermehren sie ihre Bürden und Sorgen, bis ihre Gedanken beinahe
ausschließlich damit beschäftigt sind. Sie streben eifrig nach Gewinn und fürchten ständig, Verluste zu
erleiden. Je mehr Geld und Ländereien sie besitzen, desto eifriger trachten sie nach mehr. Sie sind
„trunken, doch nicht vom Wein, taumeln, doch nicht von starkem Getränk.“ Jesaja 29,9. Sie sind
überladen mit den Sorgen dieses Lebens, welche die gleiche Wirkung auf sie haben wie das starke
Getränk auf den Trunkenbold. Sie sind so von Selbstsucht verblendet, daß sie Tag und Nacht schuften,
um sich vergängliche Schätze zu sichern. Ihre ewigen Interessen werden vernachlässigt. Sie haben
keine Zeit, sich mit diesen
270
Dingen zu beschäftigen. Die großen Themen der Wahrheit werden nicht im Gedächtnis behalten, wie
ihre Worte, ihre Pläne und ihre Handlungsweise bezeugen. Was geht es sie an, wenn Seelen rings um
sie her in ihren Sünden verlorengehen? Das ist ihnen nicht so wichtig wie ihre irdischen Schätze.
Seelen, für die Christus starb, dürfen ruhig verderben; sie haben keine Zeit, sie zu retten. Im Planen für
irdischen Gewinn zeigen sie Geschick und Talent. Aber diese kostbaren Wesenszüge werden nicht der
Seelengewinnung und dem Aufbau des Königreiches unseres Erlösers geweiht. Sind die Sinne solcher
Menschen nicht verwirrt? Sind sie nicht trunken vom berauschenden Kelch der Weltlichkeit? Ist nicht
der Verstand abgeschaltet, und haben nicht selbstsüchtige Ziele und Absichten beherrschende Gewalt
erlangt? Das Werk, sich persönlich auf den großen Tag des Herrn vorzubereiten und ihre von Gott
geschenkten Fähigkeiten einzusetzen, damit ein Volk vorbereitet wird, ihm begegnen zu können, wird
als zu langweilig, zu unbefriedigend betrachtet.
Der Heiland der Welt hat das gewinnbringendste Geschäft vorgeführt, an dem sich Reiche und
Arme, Gelehrte und Ungelernte beteiligen können. „Machet euch Beutel, die nicht veralten, einen
Schatz, der nimmer abnimmt, im Himmel.“ Lukas 12,33. Hier investieren sie ihre Kräfte auf der rechten
Seite. Hier übergeben sie ihre Zentner den Wechslern.
Jesus illustrierte seine Lehre durch den Fall eines reichen Kornbauern, den Gott sehr begünstigt
hatte. Der Herr hatte seine Felder gesegnet, so daß sie reichlich Frucht hervorbrachten. So stand es in
seiner Macht, gegen andere wohltätig zu sein, die nicht so reich gesegnet waren. Als er aber sah, daß
sein Acker so reich getragen hatte, viel mehr als er erwartet hatte, begann er, Pläne zu machen, wie er
alles für sich selbst sichern konnte, anstatt den Armen aus ihrer Not zu helfen. Während die Schätze
des Himmels in seine Scheunen rollten, floß sein Herz nicht über vor Dankbarkeit gegen den
großzügigen Geber, noch bedachte er, daß dieser große Segen vermehrte Verantwortung bedeutete.
Aus purer Selbstsucht stellt er sich die Frage: „Was soll ich tun? Ich habe nicht, da ich meine Früchte
hin sammle.“ Lukas 12,17. Indem er sich bei seinem habgierigen Herzen
271
Rat holte, sprach er: „Das will ich tun: ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen und will
drein sammeln alles, was mir gewachsen ist, und meine Güter; und will sagen zu meiner Seele: Liebe
Seele, du hast einen großen Vorrat auf viele Jahre; habe nun Ruhe, iß, trink und habe guten Mut!“
Lukas 12,18.19. Die Quelle wahrer Freude und Erhabenheit der Seele sind Aktivität,
Selbstbeherrschung und heilige Absichten. Doch alles, was dieser Mann mit den Wohltaten Gottes zu
tun beabsichtigte, war, die Seele zu erniedrigen. Was war das Resultat? „Aber Gott sprach zu ihm: Du
Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wes wird‘s sein, das du bereitet hast? Also
geht es, wer sich Schätze sammelt und ist nicht reich in Gott.“ Lukas 12,20.21.
Dieser arme reiche Mann besaß große irdische Reichtümer, er mangelte aber des wahren
Reichtums. Wie viele stehen heute aus einem ähnlichen Grund unter der Verdammnis. Vom Thron
Gottes fließen Ströme des Heils und ergießen sich über uns. Zeitliche Segnungen werden mitgeteilt;
aber sie werden nicht benutzt, um der Menschheit zu helfen oder Gott zu verherrlichen. Der Herr ist
unser gütiger Wohltäter. Er hat durch Jesum Christum Licht und Unsterblichkeit gebracht. Ja, durch
Jesum kommen alle Segnungen zu uns. O, daß doch jede Zunge den großen Geber anerkennen
möchte! Jede Stimme verkündige in klaren, freudigen Tönen die frohe Nachricht, daß uns durch Jesum
das zukünftige, ewige Leben offen steht. An alle soll die Einladung ergehen, diese große Wohltat
anzunehmen. Alle Schätze des Himmels sind in unsere Reichweite gebracht worden und warten darauf,
daß wir sie in Anspruch nehmen. Können wir erstaunt darüber sein, daß dieser arme reiche Mann ein
Narr genannt wurde, weil er sich von den ewigen Reichtümern, der unschätzbaren Gabe des ewigen
Lebens, der unendlichen Herrlichkeit, abwandte und sich mit vergänglichen, irdischen Schätzen
zufrieden gab?
Gott prüft die Menschen, einige so, andere auf andere Art. Einige prüft er, indem er sie mit
Segnungen überschüttet; andere, indem er ihnen seine Gunst entzieht. Er prüft die Reichen, ob sie
Gott, den Geber, lieben und ihren Nächsten wie
272
sich selbst. Macht der Mensch rechten Gebrauch von diesen Wohltaten, gefällt es Gott wohl. Er kann
ihm größere Verantwortungen auferlegen. Der Herr macht offenbar, wie der Mensch Zeit und Ewigkeit,
Erde und Himmel einschätzt. Er hat uns den Rat erteilt: „Fällt euch Reichtum zu, so hänget das Herz
nicht daran.“ Psalm 62,11. Reichtum hat einen Wert, wenn er zum Nutzen anderer und zur
Verherrlichung Gottes gebraucht wird. Aber kein irdischer Schatz darf je als euer Gott oder euer Heiland
betrachtet werden.
Meine Brüder, die Welt wird niemals glauben, daß ihr euren Glauben ernst nehmt, bis ihr weniger
über zeitliche Dinge und mehr über die Wirklichkeiten der ewigen Welt zu sagen habt. Der Herr kommt.
Aber viele, die den Glauben bekennen, erkennen nicht, daß das Ereignis nahe bevorsteht. Sie können
ihren Glauben nicht auf die geoffenbarten Absichten Gottes stützen. Bei einigen ist Gelderwerb zur
Leidenschaft geworden, die alles andere verdrängt, und irdischer Reichtum hat den himmlischen Schatz
verdunkelt. Ewige Belange sind dem Gemüt entschwunden, als seien sie von untergeordneter
Bedeutung, während die Weltlichkeit gleich einer Flut hereingebrochen ist. Die große Frage ist: Wie
kann ich zu Geld kommen? Jede Hoffnung auf Gewinn ist den Menschen recht. Sie versuchen sich in
tausenderlei Plänen und Einfällen, darunter verschiedene Erfindungen und Patentrechte. Einige graben
in der Erde nach Edelmetallen, andere investieren in Banken; noch andere bearbeiten den Boden: alle
haben das gleiche Ziel im Auge, den Gelderwerb. Sie werden verwirrt und sogar irrsinnig in ihrem
Jagen nach Reichtum. Doch weigern sie sich, den Vorteil eines unvergänglichen Erbteils zu erkennen.
Als Christus auf Erden war, kam er mit einigen in Kontakt, deren Vorstellungen fieberhaft auf die
Hoffnung auf weltlichen Gewinn gerichtet waren. Sie kamen niemals zur Ruhe, sondern versuchten
immer etwas Neues, doch ihre außergewöhnlichen Erwartungen wurden enttäuscht. Jesus kannte die
Bedürfnisse des menschlichen Herzens, die zu allen Zeiten die gleichen sind. Er lenkte ihre
Aufmerksamkeit auf die einzigen unvergänglichen Reichtümer. Er sagte: „Abermals ist gleich das
273
Himmelreich einem verborgenen Schatz im Acker, welchen ein Mensch fand und verbarg ihn und ging
hin vor Freuden über denselben und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker.“ Matthäus
13,44. Er erzählt den Menschen von unermeßlichen Reichtümern, die alle besitzen können. Er kam auf
die Erde, um ihre Sinne dahin zu bringen, daß sie nach diesen Schätzen suchen. Der Weg ist
gekennzeichnet. Der Ärmste, der Jesu nachfolgen will, wird reicher werden als der Wohlhabendste auf
Erden, der Jesum nicht kennt. Er kann seinen Reichtum noch vermehren, indem er sein Glück mit
anderen teilt.
„Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, da sie die Motten und der Rost fressen und da die
Diebe nachgraben und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, da sie weder Motten noch
Rost fressen und da die Diebe nicht nachgraben noch stehlen.“ Matthäus 6,19.20. Wer so handelt, wird
keinen Verlust erleiden. Der im Himmel angelegte Schatz ist sicher. Er wird uns zugerechnet, denn
Jesus sagte: „Sammelt euch Schätze im Himmel.“ Menschen können hier säen, aber ernten werden sie
in der Ewigkeit.
Die Aufgabe der Diener Christi ist es, diesen ewigen Schatz vorzuführen, wohin sie auch gehen
mögen. Sie sollen die Leute drängen, weise zur Erlösung zu werden. Sie dürfen nicht gestatten, daß
weltliebende Opportunisten, die sich Gläubige nennen, ihre Handlungsweise beeinflussen und ihren
Glauben schwächen. Es ist nicht ihre Mission, Einzelnen oder Gemeinden zu helfen, durch engstirnige
Pläne und beschneidende Sparmaßnahmen das Werk Gottes einzuschränken. Statt dessen sollen sie
die Menschen belehren, selbstlos zu arbeiten und dadurch reich in Gott zu werden. Sie sollten sie dazu
erziehen, ewige Dinge richtig einzuschätzen und dem Reiche Gottes den ersten Platz einzuräumen.
In diesen beiden Feldern werden Männer wie Kaleb benötigt. Diese Vereinigungen brauchen nicht
Kinder, sondern Männer, die verständig vorgehen und Lasten tragen, deren Stimmen sich gegen die
Stimmen der Untreuen erheben, die Einwände, Zweifel und Kritik vorbringen. Große Aufgaben können
nicht von Kindern bewältigt werden. Ein unentwickelter Christ,
274
ein Zwerg in religiösem Wachstum, der der Weisheit von oben ermangelt, ist unvorbereitet, den feurigen
Kämpfen zu begegnen, durch welche die Gemeinde oftmals gehen muß. „O Jerusalem, ich will Wächter
auf deine Mauern bestellen, die den ganzen Tag und die ganze Nacht nimmer stillschweigen sollen.“
Jesaja 62,6. Es sei denn, der Prediger erklärt furchtlos die ganze Wahrheit, er hat Gottes
Verherrlichung im Auge und wirkt unter der Leitung des großen Herzogs der Seligkeit; es sei denn, er
wagt sich an die Front, ohne Rücksicht auf Tadel und unbefleckt von Applaus — oder er wird ein
untreuer Wächter genannt werden.
Es gibt einige in ..., die Männer anstatt Knaben und anstatt irdisch und sinnlich himmlisch gesinnt
sein sollten; aber ihr geistliches Augenlicht ist erloschen. Des Heilandes große Liebe hat ihre Seelen
nicht ergriffen. Er hat euch viele Dinge zu sagen, aber ihr könnt sie jetzt nicht ertragen. Ihr seid Kinder,
was euer Wachstum anbetrifft, und könnt Gottes Geheimnisse nicht begreifen. Wenn Gott Männer für
sein Werk erweckt, und sie lassen zu, daß ihr Zeugnis sich den Gemütern der Ungeheiligten anpaßt,
dann haben sie das ihnen Anvertraute verraten. Er wird Männer vorbereiten, wie sie die Zeit erfordert.
Dies werden demütige, gottesfürchtige Männer sein, weder konservativ noch Politik anwendend;
Männer, die moralische Unabhängigkeit besitzen und in der Furcht Gottes vorangehen. Sie werden sich
freundlich, edel und höflich verhalten. Sie werden nicht vom rechten Weg abweichen, sondern die
Wahrheit in Gerechtigkeit verkündigen, ob die Menschen darauf hören oder es unterlassen.
Kapitel 27: Christliches Wachstum
Mir ist gezeigt worden, daß alle, die die Wahrheit kennen, und dennoch alle ihre Kräfte von
weltlichen Angelegenheiten in Anspruch nehmen lassen, untreu sind. Sie lassen das Licht der Wahrheit
nicht durch ihre guten Werke anderen leuchten. Beinahe alle ihre Fähigkeiten sind darauf gerichtet,
scharfsinnige, gewandte Weltmenschen zu werden. Sie vergessen, daß
275
Gott ihnen ihre Gaben gegeben hat, um sie zur Förderung seines Werkes zu benutzen. Wenn sie ihrer
Pflicht treu wären, könnte das Ergebnis ein großer Seelengewinn für den Meister sein, aber durch ihre
Nachlässigkeit gehen viele verloren.
Gott ruft alle auf, die seinen Willen kennen, Täter des Wortes zu sein. Schwachheit, Halbherzigkeit
und Unentschiedenheit reizen Satan zum Angriff. Wer ein Wachstum dieser Charakterzüge zuläßt, wird
in den brandenden Wogen der Versuchungen hilflos untergehen. Jeder, der den Namen Christi
bekennt, wird aufgefordert, zum vollen Mannesalter Christi heranzureifen, der das lebendige Haupt des
Christen ist.
Wie der Seemann über die Sandbank oder an Klippen vorbei einen Lotsen braucht, genau so
benötigen wir einen Führer durch die vielen Meerengen des Lebens. Wo aber ist dieser Führer zu
finden? Wir weisen euch auf die Bibel hin, liebe Geschwister. Eingegeben von Gott, geschrieben von
heiligen Menschen, zeigt sie mit großer Klarheit und Genauigkeit Alten und Jungen ihre Pflichten. Sie
erhebt das Gemüt, besänftigt das Herz und verleiht dem Geist heilige Freude und Frohsinn. Die Bibel ist
ein vollkommener Maßstab für den Charakter. Sie ist in allen Lagen ein unfehlbarer Führer bis ans
Ende der Lebensreise. Nehmt sie als euren Ratgeber, als Richtschnur für euer tägliches Leben.
Nutzt jedes Gnadenmittel sorgfältig aus, damit die Liebe Gottes in der Seele reichlich vorhanden ist,
„daß ihr prüfen möget, was das Beste sei, auf daß ihr seid lauter und unanstößig auf den Tag Christi,
erfüllt mit Früchten der Gerechtigkeit.“ Philipper 1,10.11. Euer christliches Leben muß stark und kräftig
werden. Ihr könnt den hohen Standard erreichen, den euch die Bibel vor Augen führt, ihr müßt ihn sogar
erreichen, wenn ihr Gottes Kinder sein wollt. Ihr könnt nicht stillstehen; entweder ihr geht voran, oder ihr
fallt zurück. Ihr benötigt geistliche Erkenntnis, „auf daß ihr begreifen möget mit allen Heiligen, welches
da sei die Breite und die Länge und die Tiefe und die Höhe; auch erkennen die Liebe Christi, ... auf daß
ihr erfüllt werdet mit allerlei Gottesfülle.“ Epheser 3,18.19.
276
Viele kennen die Wahrheit recht gut und können Beweisgründe zu ihrer Verteidigung anführen, aber
tun dennoch nichts zur Errichtung des Reiches Christi. Ab und zu treffen wir sie, aber sie haben keine
neuen Zeugnisse persönlicher Erfahrung aus ihrem Glaubensleben zu berichten. Sie können nicht von
neuen Siegen im heiligen Kampf erzählen. Statt dessen beobachtet man die gleiche alte Routine, die
gleichen Ausdrücke im Gebet und in den Ermahnungen. Ihre Gebete haben keinen neuen Klang. Sie
verraten kein größeres Verständnis für göttliche Dinge, keinen tieferen lebendigen Glauben. Solche
Menschen sind keine lebendigen Pflanzen im Garten ihres Herrn, die frische Schößlinge und neues
Laub treiben und den angenehmen Wohlgeruch eines heiligen Lebens ausströmen. Sie sind Christen
ohne Wachstum. Ihr Blickfeld und ihre Pläne sind begrenzt, und ihr Verstand nimmt nicht zu. Der
Schatz christlicher Erkenntnis weist keinerlei wertvolle Bereicherung auf. Ihre Kräfte wurden nicht in
dieser Richtung geschult. Sie haben nicht gelernt, Menschen und Dinge so zu betrachten, wie Gott sie
sieht. In vielen Fällen hat ungeheiligtes Mitgefühl Menschen Schaden zugefügt und das Werk Gottes
sehr behindert. Der allgemein verbreitete geistliche Stillstand ist furchtbar. Viele führen der Form nach
ein christliches Leben und behaupten, ihre Sünden seien ihnen vergeben, während sie doch jeder
wahren Erkenntnis Christi ermangeln wie der Sünder.
Geschwister, wollt ihr ein kümmerliches christliches Wachstum, oder möchtet ihr im göttlichen Leben
gesunde Fortschritte erzielen? Wo geistliche Gesundheit ist, da ist Wachstum. Das Kind Gottes wächst
heran zur Vollreife eines Mannes oder einer Frau in Christo. Seiner Vervollkommnung ist keine Grenze
gesetzt. Ist die Liebe Gottes ein lebendiger Grundsatz der Seele, dann gibt es keine engen,
beschränkten Ansichten mehr. Die Warnungen und Tadel atmen dann Liebe und Treue. Es wird ernste
Arbeit geleistet; es herrscht die Neigung vor, Lasten und Verantwortungen zu tragen.
Einige sind nicht zu selbstverleugnender Arbeit bereit. Sie werden ungeduldig, wenn sie eine
Verantwortung übernehmen sollen. „Wozu brauchen wir Wachstum in der Erkenntnis
277
und Erfahrung?“ fragen sie. Das erklärt doch alles. Sie denken, daß sie „reich sind und satt haben und
nichts bedürfen“, während der Himmel sie als arm, elend, blind und bloß bezeichnet. Zu ihnen sagt der
Treue Zeuge: „Ich rate dir, daß du Gold von mir kaufest, das mit Feuer durchläutert ist, daß du reich
werdest, und weiße Kleider, daß du dich antust und nicht offenbart werde die Schande deiner Blöße;
und salbe deine Augen mit Augensalbe, daß du sehen mögest.“ Offenbarung 3,18. Gerade eure
übergroße Selbstgefälligkeit zeigt, daß euch alles fehlt. Ihr seid geistlich krank und braucht Jesum als
euren Arzt.
In der Heiligen Schrift gibt es Tausende von Wahrheitsperlen, die dem oberflächlichen Leser
verborgen bleiben. Die Mine der Wahrheit erschöpft sich nie. Je mehr ihr die Heilige Schrift mit
demütigem Herzen durchforscht, desto größer wird euer Interesse werden und desto bereiter werdet ihr
sein, mit Paulus auszurufen: „O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und Erkenntnis
Gottes! Wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege!“ Römer 11,33. Jeden
Tag solltet ihr etwas Neues aus der Schrift lernen. Durchforscht sie wie nach verborgenen Schätzen,
denn sie enthält die Worte des ewigen Lebens. Betet um Weisheit und Verständnis, diese heiligen
Schriften zu begreifen. Wenn ihr das tätet, würdet ihr neue Herrlichkeiten im Worte Gottes entdecken.
Ihr würdet empfinden, daß ihr neues, kostbares Licht über Gegenstände der Wahrheit empfangen habt,
und die Heilige Schrift würde in eurer Wertschätzung ständig wachsen.
„Des Herrn großer Tag ist nahe; er ist nahe und eilt sehr.“ Zephanja 1,14. Jesus sagt: „Siehe, ich
komme bald.“ Laßt uns diese Worte immer im Sinn behalten und im festen Glauben handeln, daß das
Kommen des Herrn nahe ist und wir Pilger und Fremdlinge auf dieser Erde sind. Die lebenswichtigen
Kräfte der Gemeinde Gottes müssen für die große Aufgabe der Selbsterneuerung eingesetzt werden.
Jedes Gemeindeglied muß ein aktiver Mitarbeiter Gottes werden. „Denn durch ihn haben wir den
Zugang alle beide in einem Geiste zum Vater. So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge,
sondern Bürger mit den Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der
278
Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau
ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn, auf welchem auch ihr mit erbaut
werdet zu einer Behausung Gottes im Geist.“ Epheser 2,18-22. Dieses spezielle Werk muß im Geiste
der Eintracht, der Einigkeit und des Friedens verrichtet werden. Kritiksucht, Zweifel und Unglaube sollte
nicht Raum gegeben werden.
Die Vereinigungen von Upper Columbia und North Pacific sind um Jahre zurück. Einige, die stark
und gegründet in Christo dastehen sollten, gleichen in Verständnis und erfahrungsmäßiger Erkenntnis
des Wirkens des Geistes Gottes kleinen Kindern. Nach Jahren der Erfahrung sind sie nur imstande, die
ersten Grundsätze des erhabenen Systems des Glaubens und der Lehre zu verstehen, welches die
christliche Religion bestimmt. Sie haben keinen Begriff von der Vollkommenheit des Charakters, die
erforderlich ist, um des Herrn Anerkennung zu finden.
Pflicht, Glück, künftige Brauchbarkeit und endlich euer Seelenheil fordern von euch, Geschwister,
daß ihr eure Neigungen von den Bindungen an alles Irdische und Verdorbene befreit. Es gibt ein
unheiliges Mitgefühl, das Gemeinsamkeiten mit liebeskranker Gefühlsduselei aufweist und irdisch und
sinnlich ist. Es wird für manche von euch keiner geringen Anstrengung bedürfen, damit fertig zu werden
und eure Lebensweise zu ändern, denn ihr habt euch nicht mit der Stärke Israels verbunden, und
deshalb sind alle eure Fähigkeiten schwach geworden. Jetzt werdet ihr nachdrücklich aufgerufen, jedes
Gnadenmittel fleißig zu nützen, damit euer Charakter verwandelt werde, und ihr die Vollreife von
Männern und Frauen in Christo Jesu erlangt.
Wir haben große Siege zu erringen oder einen Himmel zu verlieren, wenn wir den Kampf nicht
gewinnen. Das fleischliche Herz muß gekreuzigt werden, denn es neigt zu sittlicher Verdorbenheit,
deren Ende der Tod ist. Nur der Leben spendende Einfluß des Evangeliums kann dem Menschen
helfen. Betet, daß die mächtigen Kräfte des Heiligen Geistes mit ihrem belebenden, gesundmachenden,
umwandelnden Einfluß wie ein
279
elektrischer Strom die gelähmte Seele durchfließen, jeden Nerv mit neuem Leben durchdringen und die
geistliche Gesundheit des ganzen Menschen aus seinem toten, irdischen, sinnlichen Zustand wieder
hervorgehen lassen. So werdet ihr Teilhaber des göttlichen Wesens und seid dem Verderben
entronnen, das durch die böse Lust in der Welt herrscht; und in euch wird sich das Bild Jesu
widerspiegeln, durch dessen Wunden ihr geheilt seid.
Zehnten und Gaben
Der Herr fordert von uns, daß wir ihm einen Teil der uns geliehenen Güter in Zehnten und Gaben
zurückerstatten. Er nimmt diese Opfer als einen Akt demütigen Gehorsams unsererseits und als
dankbare Anerkennung unserer Verschuldung ihm gegenüber für alle erhaltenen Segnungen entgegen.
Deshalb laßt uns freudig Opfer bringen und wie David sagen: „Von dir ist alles gekommen, und von
deiner Hand haben wir dir‘s gegeben.“ 1.Chronik 29,14. Mehr zurückzuhalten, als sich gebührt, führt zu
Armut. Mit einigen hat Gott lange Geduld. Alle wird er prüfen. Aber sein Fluch wird mit Sicherheit den
selbstsüchtigen, weltliebenden Bekenner der Wahrheit treffen. Gott kennt das Herz. Jeder Gedanke und
jede Absicht liegt offen vor seinem Blick. Er sagt: „Wer mich ehret, den will ich auch ehren; wer aber
mich verachtet, der soll wieder verachtet werden.“ 1.Samuel 2,30. Er weiß, wen er segnen kann und
wer seinen Fluch verdient. Er macht keinen Fehler, denn die Engel führen Bericht über all unsere Taten
und Worte.
Als Gottes Volk in der Wüste die Stiftshütte errichten sollte, waren kostspielige Vorbereitungen
notwendig. Kostbares Material wurde gesammelt, darunter viel Gold und Silber. Als rechtmäßiger
Eigentümer all ihrer Schätze forderte der Herr diese Opfer vom Volk. Doch akzeptierte er nur solche
Gaben, die freiwillig dargebracht wurden. Das Volk opferte freudig, bis die Botschaft zu Mose kam: „Das
Volk bringt zu viel, mehr denn zum Werk dieses Dienstes not ist, das der Herr zu machen geboten hat.“
2.Mose 36,5. Dann wurde der ganzen Gemeinde
280
verkündigt: „Niemand tue mehr zur Hebe des Heiligtums. Da hörte das Volk auf zu bringen. Denn des
Dinges war genug zu allerlei Werk, das zu machen war, und noch übrig.“ 2.Mose 36,6.7.
Wären einige Männer mit beschränkten Ansichten im Lager gewesen, hätten sich ihre Augen vor
Entsetzen geweitet. Gleich Judas würden sie die Frage erhoben haben: „Wozu dient diese
Vergeudung?“ Matthäus 26,8. „Warum nicht alles so billig wie möglich machen?“ Aber das Heiligtum
sollte nicht zur Verherrlichung von Menschen dienen, sondern zur Verherrlichung des Gottes des
Himmels. Er hatte spezielle Anweisungen gegeben, wie alles gemacht werden sollte. Das Volk sollte
gelehrt werden, daß er ein Wesen von Erhabenheit und Majestät war, und daß er mit Ehrerbietung und
Ehrfurcht angebetet werden wollte.
Das Haus, in dem Gott angebetet wird, soll seinem Wesen und seiner Majestät angepaßt sein. Es
gibt kleine Gemeinden, die immer klein bleiben werden, weil sie ihre eigenen Interessen über die
Interessen des Werkes Gottes stellen. Während sie für sich selbst große, bequeme Häuser besitzen
und ständig ihre Anwesen vergrößern, sind sie zufrieden, einen völlig unzureichenden Platz für die
Anbetung Gottes zu haben, wo seine heilige Gegenwart wohnen soll. Sie wundern sich, daß Joseph
und Maria gezwungen waren, in einem Stall unterzukommen, und daß dort der Heiland geboren wurde.
Doch bereitwillig verwenden sie einen Großteil ihrer Mittel für sich selbst, während die Anbetungsstätte
schmählich vernachlässigt wird. Zu oft sagen sie: „Die Zeit ist noch nicht da, daß man des Herrn Haus
baue.“ Das Wort des Herrn an sie lautet: „Aber eure Zeit ist da, daß ihr in getäfelten Häusern wohnt, —
und dies Haus muß wüst stehen?“ Haggai 1,2.4.
Das Haus, wo Jesus seinem Volk begegnet, soll nett und anziehend sein. Wenn sich nur wenige
Gläubige an einem Ort befinden, erstellt ein einladendes, einfaches Haus. Weiht es Gott und ladet
Jesum als euren Gast ein. Wie wird er sein Volk betrachten, wenn sie sich jeder Bequemlichkeit
erfreuen, die das Herz sich nur wünschen mag, aber bereit sind, sich in einer
281
Scheune oder in einem heruntergekommenen, abgelegenen Gebäude oder einem verlassenen
Apartment zu versammeln? Ihr schafft für eure Freunde, ihr gebt Geld aus, um für sie alles so
anziehend wie möglich zu machen; aber Jesus, der alles für euch dahingab, sogar sein kostbares
Leben — er, die Majestät des Himmels, der König aller Könige und Herr aller Herren — wird mit einem
Platz auf Erden beehrt, der wenig besser ist als der Stall, der sein erstes Heim bildete. Sollten wir diese
Dinge nicht so sehen, wie Gott sie sieht? Sollten wir nicht unsere Beweggründe prüfen und schauen,
welche Art Glauben wir besitzen?
„Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.“ 2.Korinther 9,7. Die ihn lieben, werden freiwillig und gerne
geben, wenn sie damit sein Werk fördern und zu seiner Verherrlichung beitragen. Der Herr fordert nie
mehr von den Seinen, als sie zu geben imstande sind. Opfern sie nach ihrem Vermögen, nimmt er es
an und segnet ihre Dankopfer. Laßt jedes Gott dargebrachte Opfer von willigem Gehorsam und reiner
Liebe gekennzeichnet sein. Solche Opfer gefallen ihm wohl, während die kärglichen ihm ein Greuel
sind. Wenn Gemeinden oder einzelne nicht von Herzen ihre Gaben geben, sondern die Kosten, die
Gottes Werk erfordert, drücken wollen und es durch ihre engen Ansichten beschränken, dann zeigen
sie dadurch entschieden, daß sie keine lebendige Verbindung mit Gott unterhalten. Sie stehen im
Widerspruch zu seinem Plan und seiner Arbeitsweise. Er wird sie nicht segnen.
Wir sind Gottes Bauleute, und wir müssen auf dem Fundament bauen, das er für uns vorbereitet hat.
Niemand darf auf sein eigenes Fundament bauen, unabhängig von dem Plan, den Gott ausgewiesen
hat. Es gibt Männer, die Gott als Ratgeber erwählt, die er unterwiesen hat, und deren Herzen, Seelen
und Leben mit dem Werk verbunden sind. Diese Männer sollten um ihrer Arbeit willen hoch geschätzt
werden. Es gibt solche, die lieber ihren unausgereiften Vorstellungen folgen möchten. Sie müssen
lernen, Rat anzunehmen und in Harmonie mit ihren Brüdern zu arbeiten, oder sie werden Zweifel und
Zwietracht säen, welche zu ernten sie sich scheuen. Es ist Gottes Wille, daß alle, die in seinem Werk
arbeiten, einander untertan sind. Seine
282
Anbetung muß mit Festigkeit, Einigkeit und gesundem Urteil gehandhabt werden. Gott ist unser einziger
zuverlässiger Helfer. Die Gesetze, womit er sein Volk regiert, ihre Prinzipien des Denkens und
Handelns werden von ihm durch sein Wort und seinen Geist übermittelt. Wenn sein Wort geliebt und
befolgt wird, wandeln seine Kinder im Licht, und niemand wird ihretwegen straucheln. Sie nehmen nicht
das niedrige Niveau der Welt an, sondern handeln nach biblischem Maßstab.
Die Selbstsucht, die unter Gottes Volk herrscht, ist ihm sehr widerwärtig. Die Heilige Schrift
bezeichnet den Geiz als Götzendienst. Paulus sagt: „Denn das sollt ihr wissen, daß kein ... Geiziger,
welcher ist ein Götzendiener, Erbe hat in dem Reich Christi und Gottes.“ Epheser 5,5. Die Schwierigkeit
bei vielen ist, daß sie zu wenig Glauben haben. Wie der reiche Mann im Gleichnis wollen sie ihre
Vorräte in ihren Kornspeichern aufgehäuft sehen. Die Welt soll gewarnt werden, und Gott wünscht, uns
voll in seinem Werk zu beschäftigen. Die Menschen haben jedoch so viel zu tun, um ihre
gewinnbringenden Projekte voranzutreiben, daß sie keine Zeit haben, dem Kreuz Christi zum Sieg zu
verhelfen. Sie haben weder Zeit noch Lust, ihren Verstand, ihr Taktgefühl und ihre Kräfte im Werke
Gottes einzusetzen.
Brüder und Schwestern, ich möchte euch veranlassen, eure gegenwärtigen beschränkten Ansichten
von Gottes Werk und der Arbeit für ihn zu verabscheuen. Ich wünsche, daß ihr das große Opfer
begreifen mögt, das Christus für euch brachte, als er arm wurde, damit ihr durch seine Armut in den
Besitz ewiger Reichtümer gelangen könnt. O, daß ihr doch nicht durch eure Gleichgültigkeit gegenüber
der ewigen Herrlichkeit, die in eurer Reichweite ist, die Engel veranlaßt zu weinen und ihre Angesichter
vor Scham und Abscheu zu verbergen! Erhebt euch aus eurer Schlafsucht; erweckt jede Fähigkeit, die
euch Gott verliehen hat, und arbeitet für kostbare Seelen, für die Christus starb. Wenn diese Seelen zur
Herde Christi gebracht werden, dann werden sie durch die endlosen Zeiten der Ewigkeit leben. Möchtet
ihr wirklich so wenig wie möglich zu ihrer Errettung tun und wie der Mann mit dem einen Zentner eure
Mittel in der
283
Erde vergraben? Beschuldigt ihr Gott, wie es der untreue Knecht tat, daß er ernte, wo er nicht gesät
hat, und sammle, wo er nicht gestreut hat?
Alles, was ihr habt und seid, gehört Gott. Wollt ihr nicht von Herzen sagen: „Von dir ist alles
gekommen, und von deiner Hand haben wir dir‘s gegeben“? 1.Chronik 29,14. „Ehre den Herrn von
deinem Gut und von den Erstlingen all deines Einkommens.“ Sprüche 3,9. Paulus ermahnt seine Brüder
in Korinth mit folgenden Worten zu christlicher Wohltätigkeit: „Aber gleichwie ihr in allen Stücken reich
seid, im Glauben und im Wort und in der Erkenntnis und in allerlei Fleiß und in eurer Liebe zu uns, also
schaffet, daß ihr auch in dieser Wohltat reich seid.“ 2.Korinther 8,7. Im Brief an Timotheus sagt er: „Den
Reichen von dieser Welt gebiete, daß sie nicht stolz seien, auch nicht hoffen auf den ungewissen
Reichtum, sondern auf den lebendigen Gott, der uns dargibt reichlich, allerlei zu genießen; daß sie
Gutes tun, reich werden an guten Werken, gern geben, behilflich seien, Schätze sammeln, sich selbst
einen guten Grund aufs Zukünftige, daß sie ergreifen das wahre Leben.“ 1.Timotheus 6,17-19.
Freigebigkeit ist nicht so natürlich für uns, daß wir diese Tugend so ganz beiläufig erlangen. Sie muß
gepflegt werden. Wir müssen wohlüberlegt den Entschluß fassen, daß wir Gott von unserem
Einkommen ehren wollen. Dann müssen wir jeder Versuchung widerstehen, ihn der Zehnten und
Gaben zu berauben, die ihm zustehen. Wir müssen verständig, systematisch und ausdauernd in
unserer Wohltätigkeit gegenüber Menschen und unserem Ausdruck der Dankbarkeit gegen Gott für alle
uns erwiesenen Wohltaten sein. Dies ist eine zu heilige Pflicht, als daß wir sie dem Zufall oder unseren
Impulsen oder Gefühlen überlassen könnten. Wir sollten regelmäßig etwas für Gottes Werk reservieren,
damit er nicht dessen beraubt werde, was er als sein Teil beansprucht. Berauben wir Gott, berauben wir
auch uns selbst. Wir geben den himmlischen Schatz auf, um mehr von dieser Erde zu haben. Dies ist
ein Verlust, den wir uns nicht leisten können. Wenn wir so leben, daß Gott uns segnen kann, wird seine
wohltätige Hand in unseren zeitlichen Angelegenheiten
284
mit uns sein. Ist seine Hand gegen uns, kann er rascher unsere Pläne vereiteln und zerstreuen, als wir
zusammenraffen können.
Es wurde mir gezeigt, daß die Situation dieser beiden Vereinigungen wirklich traurig ist. Aber Gott
hat viele kostbare Seelen hier, über die er eifrig wacht. Er wird nicht zulassen, daß sie betrogen und
verführt werden.
Kapitel 28: Treue im Werke Gottes
Es gibt kostbare Talente in den Gemeinden von Oregon und Washington. Wären sie in rechter
Weise entwickelt worden, hätten wir jetzt fähige Arbeiter in diesen Vereinigungen. Eine lebendige
Gemeinde ist immer da zu finden, wo gearbeitet wird. Die Wahrheit ist eine Macht. Wer ihre Kraft
erkennt, wird kühn und furchtlos für sie einstehen. Wahrheit muß vom Verstand erfaßt, vom Herzen
angenommen und ihre Prinzipien mit dem Charakter verwoben werden. Dann muß man sich ständig
bemühen, andere zu veranlassen, sie ebenfalls anzunehmen, denn Gott hält Menschen dafür
verantwortlich, welchen Gebrauch sie von dem Licht machen, das er ihnen mitgeteilt hat.
Gott ruft sein ganzes Volk auf, die Fähigkeiten zu benutzen, die er ihm gegeben hat. Die
Verstandeskräfte sollen bis zum äußersten entwickelt werden. Sie sollen durch Verweilen bei
geistlichen Wahrheiten gestärkt und veredelt werden. Wird den Gedanken gestattet, sich nur mit
unwichtigen Dingen und den allgemeinen Geschäften des täglichen Lebens zu beschäftigen, dann wird
der Verstand, unwandelbaren Gesetzen folgend, schwach und wertlos sein und geistlicher Stärke
ermangeln.
Uns stehen Zeiten bevor, die Menschen auf die Probe stellen, und wer schwach im Glauben ist, wird
der Prüfung dieser gefahrvollen Zeit nicht standhalten. Die großen Wahrheiten der Offenbarung müssen
sorgfältig erforscht werden, denn wir brauchen alle eine vernünftige Kenntnis des Wortes Gottes. Durch
Bibelstudium und tägliche Gemeinschaft mit Jesu werden wir klare, genau umrissene Ansichten unserer
persönlichen Verantwortlichkeit
285
bekommen und dazu die Kraft erhalten, um in der Zeit der Versuchung bestehen zu können. Wessen
Leben durch unsichtbare Bande mit Christo verbunden ist, der wird durch die Kraft Gottes mittels des
Glaubens bis zur Errettung bewahrt bleiben.
Widmet göttlichen Dingen mehr Aufmerksamkeit, zeitlichen Angelegenheiten dagegen weniger.
Wenn der weltliebende Bekenner seinen Geist in dieser Richtung übte, könnte er mit dem Worte Gottes
ebenso vertraut werden, wie er es jetzt mit seinem weltlichen Fachgebiet ist. „Suchet in der Schrift,“
sagt Christus, „denn ihr meinet, ihr habt das ewige Leben darin; und sie ist‘s, die von mir zeuget.“
Johannes 5,39. Der Christ wird aufgefordert, die Heilige Schrift fleißig zu durchforschen und die
Wahrheiten des Wortes Gottes immer wieder zu lesen. Freiwillige Unwissenheit auf diesem Gebiet
gefährdet Leben und Charakter des Christen. Sie trübt das Verständnis und verdirbt die edelsten Kräfte.
Dadurch kommt Verwirrung in unser Leben. Unsere Gemeindeglieder müssen die Prophezeiungen des
Wortes Gottes verstehen. Sie müssen sich eine planmäßige Kenntnis der Grundsätze der offenbarten
Wahrheiten aneignen, die sie für das ausrüstet, was über die Erde kommen soll, und sie davor bewahrt,
von jedem Wind der Lehre hin und her bewegt zu werden.
In der Welt werden bald große Veränderungen vor sich gehen, und dann bedarf jeder einer auf
Erfahrung gegründeten Kenntnis der göttlichen Dinge. Es ist Satans Werk, das Volk Gottes zu
entmutigen und in seinem Glauben wankend zu machen. Auf jede Art und Weise versucht er, die
Stellung, den Glauben und die Pläne derjenigen, denen Gott eine besondere Verantwortung auferlegt
hat und die sie mit Eifer zu erfüllen trachten, unbemerkt in Zweifel zu ziehen und fragwürdig zu machen.
Obgleich Satan immer wieder abgewehrt wird, erneuert er dennoch seine Angriffe durch Werkzeuge,
die behaupten, demütig und gottesfürchtig zu sein, und die scheinbar an die gegenwärtige Wahrheit
glauben oder an ihr interessiert sind. Von ihren offenen Feinden haben die Verfechter der Wahrheit
heftige und erbitterte Gegnerschaft zu erwarten. Aber das ist weit
286
ungefährlicher als die geäußerten verborgenen Zweifel derer, die sich für berechtigt halten, am Tun der
Diener Gottes Fehler zu entdecken und es in Frage zu stellen. Sie sind scheinbar demütige Menschen,
aber sie täuschen sich und andere. In ihrem Herzen glimmen Neid und böse Vermutungen. Sie
untergraben den Glauben der Gemeindeglieder an die von Gott für sein Werk Erwählten, zu denen sie
viel mehr Vertrauen haben sollten. Werden sie für ihr Verhalten getadelt, dann fassen sie es als
persönliche Beleidigung auf. Obwohl sie behaupten, Gottes Werk zu tun, helfen sie in Wirklichkeit dem
Feind.
Geschwister, laßt niemals zu, daß die Meinungen irgendeines Mannes euren Glauben betreffs
Ordnung und Harmonie, die in der Gemeinde herrschen sollten, ins Wanken bringt. Viele von euch
sehen nicht alles klar. Die Anweisungen, die bezüglich der Ordnung im Heiligtumsdienst gegeben
wurden, sind niedergeschrieben worden, damit alle, die auf Erden wohnen, Lehren daraus ziehen
sollen. Männer wurden zu ganz unterschiedlichen Diensten berufen, das Heiligtum aufzustellen und
auseinanderzunehmen. War jemand unachtsam und befaßte sich mit einer Arbeit, die Aufgabe eines
anderen war, wurde er mit dem Tode bestraft. Wir dienen heute demselben Gott. Aber die Todesstrafe
wurde abgeschafft. Wäre sie heute noch in Kraft, gäbe es nicht so viel sorglose, unordentliche Arbeit in
seinem Werk. Der Gott des Himmels ist ein Gott der Ordnung. Er fordert von allen seinen Nachfolgern,
daß sie Regeln und Vorschriften haben, wodurch Ordnung gewährleistet wird. Alle benötigen ein
vollkommenes Verständnis für Gottes Werk.
Es ist unsicher, Zweifel im Herzen zu hegen, selbst nur für einen Moment. Die Samen des Zweifels,
die Pharao säte, als er das erste Wunder ablehnte, wuchsen heran, und sie brachten eine so reiche
Ernte hervor, daß alle nachfolgenden Wunder ihn nicht davon überzeugen konnten, daß die von ihm
eingenommene Stellung verkehrt war. Er verfolgte weiter seinen eigenen Weg, stürzte sich von einem
Zweifel in den anderen, und sein Herz wurde mehr und mehr verhärtet, bis er gerufen wurde, auf die
kalten, toten Antlitze der Erstgeborenen zu blicken.
287
Gott ist am Werk, und wir tun nicht die Hälfte von dem, was getan werden muß, um ein Volk auf den
Tag vorzubereiten, wenn der Menschensohn offenbar werden wird. Wehe dem Menschen, der auch nur
im geringsten das Werk behindert, das Gott tut. Wir müssen für andere arbeiten. Wir müssen
versuchen, unsere Geschwister von ihren irdischen Schätzen zu lösen; denn viele werden ihr
Erstgeburtsrecht des ewigen Lebens für irdische Vorteile verkaufen. Wieviel besser ist es, sie zu
ermutigen, ihre Schätze im Himmel anzulegen, als anklagend die Worte zu äußern: „Diese Menschen
wollen nur Geld, Geld und nochmals Geld, und werden reich dabei.“ Wie süß klingen Worte wie diese in
den Ohren der weltliebenden Bekenner! Wie stärken sie ihren Mut, Gott den Teil vorzuenthalten, der
ihm gebührt, den sie ihm in Zehnten und Gaben zurückerstatten sollen! Der Fluch des Herrn wird auf
jenen ruhen, die versäumen, ihm das Seine zu geben. Laßt uns in Übereinstimmung mit Gott wirken.
Seine Diener haben eine Botschaft für die Liebhaber des Mammons. Warum sollten sie nicht deutlich
davon sprechen, daß all der Zehnte in Gottes Schatzhaus gebracht werden muß, wenn der Herr selbst
ihnen ein Beispiel dafür gegeben hat?
Die Religion Christi dämpft den egoistischen Geist und gestaltet Gemüt und Neigungen um. Sie legt
den Stolz des Menschen in den Staub, damit Gott allein erhöht werden kann. Genau das braucht
Bruder A. Er benötigt praktischen Glauben an Gott. Er muß sehen und fühlen, daß es eine Freude ist,
Christum zu dienen. Es ist für ihn notwendig, den Grundsatz hochzuhalten und den christlichen
Maßstab hoch anzusetzen. Er sollte sein Gemüt mit den reichen Verheißungen, den Warnungen, den
Ratschlägen und Drohungen des Wortes Gottes anfüllen. Er muß erkennen, wie wichtig es ist,
lebendigen Glauben und entsprechende Werke zu haben, damit er daheim, in der Gemeinde und in
seinem Beruf die Reinheit und den erhabenen Charakter der Religion offenbaren kann. Er muß sich mit
Christo verbinden, um geistliche Stärke zu haben. Seine Verbindung mit der Welt und mit den
Einflüssen, welche dem Geist der Wahrheit widerstehen, haben größere Gewalt über ihn als der Geist
Christi. Hier ist seine Gefahr. Er wird schließlich am Glauben
288
Schiffbruch erleiden, wenn er nicht sein Verhalten ändert und sich fest mit der Quelle des Lichts
verbindet.
Wäre sein Interesse an geistlichen Dingen ebenso groß wie an weltlichen Dingen, so wäre er völlig
Gott geweiht. Er würde sich als wahrer Jünger Christi erweisen, und Gott würde seine Talente
anerkennen und benutzen, die jetzt völlig in den Dienst der Welt gestellt sind. Die gleichen Fähigkeiten,
die jetzt zur Anhäufung von Eigentum eingesetzt werden, sind im Werke Gottes notwendig. Jeder Zweig
seines Werkes braucht Verwalter, damit es kraftvoll und systematisch vorangehen kann. Besitzt jemand
Taktgefühl, Begeisterung und Fleiß, wird er in weltlichen Berufen erfolgreich sein. Die gleichen
Wesenszüge, dem Werke Gottes geweiht, werden sich als doppelt wirksam erweisen, da sich göttliche
Kraft mit menschlichem Bemühen verbindet. Die besten Pläne hingegen, sei es in weltlichen oder
geistlichen Angelegenheiten, müssen sich als Mißerfolg erweisen, wenn sie unerfahrenen, unfähigen
Händen anvertraut werden.
Die ihre Talente in dieser Welt vergraben, mißfallen Gott. All ihre Kräfte sind der Anhäufung von
Reichtum gewidmet, und der Wunsch nach Anhäufung wird zur Leidenschaft. Bruder A ist ein aktiver
Mann, und er ist stolz darauf, weltliche Unternehmungen durchzuführen. Wenn das gleiche Interesse,
das gleiche Feingefühl, das gleiche Streben in des Herrn Geschäften angewandt werden würden, welch
erhabenere, edlere Resultate könnte er erzielen! Die Ausbildung in weltlichen Geschäften wird für das
zukünftige Leben von keinerlei Nutzen sein, denn im Himmel gibt es solche Geschäfte nicht. Werden
aber die Befähigungen, die Gott gegeben hat, zu seiner Verherrlichung, zum Aufbau seines Reiches
benutzt, dann wird eine Bildung erlangt, die man in den Himmel mitnehmen kann.
Was ist unsere Stellung in der Welt? Wir befinden uns in der Wartezeit. Aber diese Zeitperiode darf
nicht in einer abstrakten Form von Weihe verbracht werden. Warten, wachen und fleißige Arbeit
müssen miteinander verbunden werden. Unser Leben sollte nicht nur aus Geschäftigkeit, Hast und
Planen für weltliche Dinge bestehen, unter Vernachlässigung persönlicher
289
Frömmigkeit und des Dienstes, den Gott fordert. Während wir im Geschäft nicht träge sein sollen, ist
uns auch geboten, „brünstig im Geiste“ zu sein und dem Herrn zu dienen. Die Lampe der Seele soll
geschmückt sein, und wir brauchen das Öl der Gnade in unseren Gefäßen und in unseren Lampen. Wir
müssen jede Vorsicht walten lassen, geistlichen Verfall zu vermeiden, damit uns des Herrn Tag nicht
wie ein Dieb überfalle. Jener Tag darf nicht in weite Zukunft gerückt werden. Er ist nahe, und niemand
sage, selbst nicht in seinem Herzen, geschweige denn durch seine Werke: „Mein Herr kommt noch
lange nicht“ (Matthäus 24,48); denn wenn er das tut, wird er seinen Lohn mit den Heuchlern und
Ungläubigen bekommen.
Ich sah, daß Gottes Volk sich in großer Gefahr befindet. Viele sind echte Erdbewohner; ihre
Interessen und Zuneigungen gelten der Welt. Sie geben kein gutes Beispiel. Durch den Kurs, den viele
einschlagen, die sich zu großen und erhabenen Wahrheiten bekennen, wird die Welt betrogen. Unsere
Verantwortung mißt sich an dem Licht, den Gnadenerweisen und Gaben, die wir empfangen haben. Auf
Arbeitern mit den größten Talenten, Mitteln, Gelegenheiten und Fähigkeiten ruht die höchste
Verantwortung. Gott ruft Bruder A auf, sein Verhalten zu ändern und seine Fähigkeiten zu Gottes
Verherrlichung zu benutzen, anstatt sie herabzuwürdigen, indem er seine niedrigen, weltlichen
Interessen verfolgt. Jetzt ist sein Tag der Haushalterschaft; bald wird sein Tag der Abrechnung
kommen.
Bruder A wurde mir als jemand vorgeführt, der eine Menschenklasse darstellt, die sich in ähnlicher
Stellung befindet. Wenn sich der kleinste weltliche Vorteil bot, waren sie niemals gleichgültig. Durch
eifrigen Geschäftssinn und erfolgreiche Investitionen, durch Achten nicht auf Pfunde, sondern auf
Pfennige und Viertelpfennige haben sie Reichtum angehäuft. Aber dadurch haben sie Fähigkeiten
erworben, die der Entwicklung eines christlichen Charakters abträglich sind. Ihr Leben stellt in keiner
Weise Christum dar; denn sie lieben die Welt und ihren Gewinn mehr als Gott oder die Wahrheit. „So
jemand die Welt liebhat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters.“ 1.Johannes 2,15.
290
Alle Fähigkeiten, die der Mensch besitzt, gehören GottÜbereinstimmung und Verbindungen mit der
Welt sind in seinem Wort nachdrücklich verboten. Wenn die Macht der umgestaltenden Gnade Gottes
vom Herzen empfunden wird, wird sie einen bisher weltliebenden Menschen auf Pfade der Wohltätigkeit
führen. Wer sich in seinem Herzen entschlossen hat, seine Schätze in dieser Welt anzulegen, wird
sicher „in Versuchung und Stricke und viel törichte und schädliche Lüste“ fallen, „welche versenken die
Menschen ins Verderben und Verdammnis. Denn Geiz ist eine Wurzel alles Übels [die Grundlage aller
Habgier und Weltlichkeit]; das hat etliche gelüstet und sind vom Glauben irregegangen und machen
sich selbst viel Schmerzen.“ 1.Timotheus 6,9.10.
Jedes Gemeindeglied sollte sich feierlich verpflichtet fühlen, die Interessen des Werkes Gottes
streng zu wahren. Die einzelnen Gemeindeglieder sind für ihren zerstreuten, entmutigten Zustand
verantwortlich, durch welchen die heiligsten Wahrheiten, die je Menschen anvertraut wurden, entehrt
werden. Es gibt keine Entschuldigung dafür. Jesus hat allen den Weg geöffnet, um Weisheit, Gnade
und Kraft zu erlangen. Er ist in allen Dingen unser Vorbild. Nichts sollte unsere Sinne davon ablenken,
dem Hauptziel des Lebens nachzustreben, nämlich einen innewohnenden Christus zu besitzen, der das
Herz anrührt und unterwürfig macht. Ist dies der Fall, dann wird jedes Gemeindeglied, jeder Bekenner
der Wahrheit, Christus im Wesen, in Worten und Handlungen ähnlich sein.
Einige, die Kanäle des Lichts gewesen sind, deren Herzen durch das kostbare Licht der Wahrheit
erfreut wurden, haben die Wahrheit durch Anpassung an die Welt verleugnet. Dadurch haben sie den
Geist der Opferbereitschaft und die Macht der Wahrheit verloren. Sie haben ihr Glück von den
unbeständigen Dingen dieser Welt abhängig gemacht. Sie befinden sich in großer Gefahr. Weil sie sich
einst des Lichtes erfreuten, werden sie in totaler Finsternis zurückgelassen werden, es sei denn, sie
sammeln rasch die ihnen noch verbliebenen Lichtstrahlen und wenden sich mit Reue und Bekenntnis
zum Herrn. Wir leben in einer gefahrvollen Zeit, in der Irrtum und Betrug
291
die Menschen gefangennehmen. Wer wird die Welt warnen und ihnen einen besseren Weg zeigen,
wenn nicht diejenigen, die das Licht der Wahrheit besitzen, dadurch geheiligt sind und ihr Licht auf
andere scheinen lassen, daß sie ihre guten Werke sehen und Gott verherrlichen? Ich wünsche, allen
die Gefahr, den Himmel zu verlieren, so recht vor Augen stellen zu können. Sich mit der Gemeinde zu
verbinden, ist eine Sache, mit Christo verbunden zu sein, eine völlig andere. Nicht alle Namen, die im
Gemeindebuch eingetragen sind, stehen auch im Lebensbuch des Lammes verzeichnet. Viele, die
aufrichtige Gläubige zu sein scheinen, unterhalten keine lebendige Verbindung mit Christo. Sie haben
ihre Namen im Register eintragen lassen; aber an ihren Herzen ist kein Gnadenwerk geschehen.
Deshalb sind sie nicht glücklich, und es fällt ihnen schwer, Gott zu dienen.
„Mit welcherlei Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden.“ Matthäus 7,2. Denkt daran, daß eure
Geschwister ebenso fehlerhafte Geschöpfe sind, wie ihr es seid. Betrachtet ihre Fehler und Irrtümer mit
der gleichen Barmherzigkeit und Nachsicht, wie ihr wünscht, daß man eure betrachte. Sie sollten nicht
überwacht und ihre Fehler bloßgestellt werden, damit die Welt darüber frohlocken kann. Die es wagen,
so zu handeln, haben sich auf den Richtstuhl geschwungen und sich selbst zu Richtern gemacht,
während sie den Garten ihrer eigenen Herzen unbearbeitet und giftiges Unkraut darin die Oberhand
gewinnen ließen.
Wir alle haben im Gerichtshof des Himmels einen Fall in der Schwebe. Auf der Waage des
Heiligtums wird der Charakter gewogen. Es sollte der aufrichtige Wunsch aller sein, demutsvoll und
sorgsam zu wandeln, damit sie nicht versäumen, ihr Licht vor der Welt scheinen zu lassen, und dadurch
Gottes Gnade und alles, was wertvoll ist, verlieren. Alles Trennende, alle Differenzen und alle Krittelei
müssen abgelegt werden, dazu alle üble Nachrede und alle Bitterkeit. Hegt Freundlichkeit, Liebe und
Mitleid füreinander, damit Christi Gebet, daß seine Jünger eins sein möchten, wie er eins mit dem Vater
ist, beantwortet werden kann. Die Harmonie und Einigkeit der Gemeinde sind die Beglaubigung, die sie
der Welt darbieten, daß Jesus
292
Gottes Sohn ist. Echte Bekehrung wird immer zu wahrer Liebe zu Jesu und zu allen führen, für die er
starb.
Jeder, der für Gott tut, was in seinen Kräften steht, der treu und ernsthaft denen Gutes tut, mit denen
er in Kontakt kommt, wird in seinem Bemühen von Gott gesegnet sein. Wenn jemand auch nicht das
Haupt oder das Herz des Leibes Christi ist, so kann er doch einen Dienst für Gott verrichten. Der
Dienst, der im Worte Gottes als Hand oder Fuß bezeichnet wird, ist — wenn auch gering — sehr
wichtig. Nicht die Größe des Werkes, sondern die Liebe, mit der es verrichtet wird, und der Beweggrund
zum Handeln entscheiden über seinen Wert. Es gibt Arbeit zu tun für unsere Nachbarn und für
diejenigen, mit denen wir Umgang pflegen. Wir haben nicht die Freiheit, in unserer geduldigen,
andächtigen Arbeit für Seelen nachzulassen, solange sich noch irgend jemand außerhalb der rettenden
Arche befindet. Es gibt kein Nachlassen in diesem Kampf. Wir sind Soldaten Christi und sind
verpflichtet zu wachen, damit der Feind keinen Vorteil und Seelen für seinen Dienst gewinnt, die für
Christum hätten gewonnen werden können.
Uns ist ein Tag der Haushalterschaft und der Verantwortung gewährt; wir haben ein Werk für Gott zu
tun. Die Gemeinde in ... ist langsam, aber sicher erkaltet und hat ihren Glauben fahren lassen. Da gibt
es viel zu tun für die einzelnen Glieder. Großes Licht hat auf ihren Weg geschienen. Dafür werden sie
verantwortlich sein. Christus hat gesagt: „Ihr seid das Licht der Welt.“ „Ihr seid das Salz der Erde.“
Matthäus 5,14.13. Ihre Herzen benötigen ein tiefgreifenderes Gnadenwerk. Es muß eine Reformation
stattfinden, ehe Gott sie segnen kann. Es gibt viele formelle Bekenner. Ein egoistisches Raffen nach
Gewinn verdunkelt das himmlische Erbe. Wird dem Himmelreich der erste Platz eingeräumt, wird sich
edle Redlichkeit im Leben und Charakter bekunden. Das ist es, was Bruder A benötigt, wenn er einen
guten Einfluß ausüben will. Er liebt den Umgang mit Geld und freut sich, wenn er es auf diese oder jene
Weise vermehren kann. Seine Gedanken und Neigungen gehen völlig in weltlichen Unternehmungen
auf. Er ist trunken von den Sorgen dieses Lebens. Er wird so von seinen Geschäften in Anspruch
293
genommen, daß er betreffs göttlicher Dinge nicht mehr klar und vernünftig denken kann. Geldliebe hat
sein geistliches Augenlicht verdunkelt. Die Wahrheit sollte tief in seinem Herzen verwurzelt sein und in
seinem privaten und geschäftlichen Leben Früchte hervorbringen.
Bruder A hat sich entschuldigt, er könne die Heilige Schrift nicht studieren, weil er ein
Geschäftsmann ist. Aber gerade für jemand, der von Geschäftssorgen niedergebeugt ist, wird sich die
Heilige Schrift als Quelle der Kraft und Sicherheit erweisen. Solch ein Mann bedarf mehr des Lichtes
aus dem Wort Gottes, seiner Ratschläge und Warnungen, als wenn er sich nicht in solch einer
gefahrvollen Stellung befände. Würde Bruder A die gleiche Voraussicht und denselben Geschäftssinn in
göttlichen Dingen offenbaren wie in weltlichen Angelegenheiten, könnte er gesegnete Resultate
erzielen. Wenn er denkt, daß Gott mit ihm zufrieden ist, während er all seine Talente und Energie
beinahe gänzlich in den Dienst des Mammons stellt, dann hat er sich sehr getäuscht. Christus hat
gesagt: „Niemand kann zwei Herren dienen: entweder er wird den einen hassen und den andern lieben,
oder er wird dem einen anhangen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem
Mammon.“ Matthäus 6,24. Fährt Bruder A damit fort, ewige Interessen seinen weltlichen unterzuordnen,
wird seine Leidenschaft des Anhäufens ständig zunehmen, bis sie den Grundsatz überwindet. Er wird
vom Gott dieser Welt so verblendet werden, daß er nicht mehr fähig sein wird, zwischen heilig und
unheilig zu unterscheiden.
Bruder A hat starken Einfluß auf seine Geschwister. Sie betrachten die Dinge weitgehend wie er. Er
muß für seine geistliche Gesundheit sorgen und weise werden in göttlichen Dingen. Er sollte damit
beginnen, sich für himmlische Dinge zu interessieren, sich ihnen widmen und seine Kräfte so
heranbilden, daß sie im Werke Gottes eingesetzt werden können. Er benötigt den Panzer der
Gerechtigkeit, um die Pfeile des Feindes abwehren zu können. Es ist unmöglich für ihn, gerettet zu
werden, wenn nicht eine entschiedene Veränderung in den Zielen und Beschäftigungen seines Lebens
stattfindet und er sich statt dessen mehr mit geistlichen Themen beschäftigt.
294
Gott ruft die einzelnen Glieder dieser beiden Vereinigungen auf, sich zu erheben und sich zu
bekehren. Geschwister, eure Weltlichkeit, euer Mißtrauen, euer Murren — all dies hat euch in eine Lage
gebracht, die es jedem überaus schwer macht, unter euch zu arbeiten. Während euer Vorsteher sein
Werk versäumte und seine Pflicht vernachlässigte, war eure Haltung nicht dazu angebracht, ihn zu
ermutigen. Als Autoritätsperson hätte er sich vor Gott als Mann erweisen müssen, der tadelt, ermahnt
und ermutigt, wie der jeweilige Fall es erfordert, ganz gleich, ob ihr sein Zeugnis annehmen oder es
verwerfen würdet. Aber er wurde leicht entmutigt und ließ euch ohne die Hilfe, die ein treuer Diener
Christi hätte geben müssen. Er fehlte darin, daß er die öffnende Vorsehung Gottes nicht wahrnahm,
und indem er euch nicht eure Pflicht zeigte und gemäß den Forderungen der Zeit unterwies. Das
Versäumnis des Predigers sollte euch aber nicht entmutigen und ist keine Entschuldigung für euch,
eure Pflichten zu vernachlässigen. Um so mehr Energie und Treue wird von euch gefordert.
Geloben und nicht halten
Einige von euch sind über ihre abgelegten Gelöbnisse gestrauchelt. In Beantwortung der Gebete
kam der Geist des Herrn in der Versammlung in ... hernieder, und während eure Herzen unter seinem
Einfluß weich wurden, legtet ihr Gelübde ab. Die Ströme des Heils ergossen sich in eure Herzen. Ihr
fühltet, daß ihr dem Beispiel dessen folgen müßtet, der umherging und Gutes tat und der freudig sein
Leben dahingab, um den Menschen von Sünde und Erniedrigung zu erlösen. Unter dem himmlischen,
anregenden Einfluß erkanntet ihr, daß Selbstsucht und Weltliebe sich nicht mit einem christlichen
Charakter vereinbaren lassen und daß ihr nicht euch selbst zum Gefallen leben und dennoch Christo
ähnlich sein könnt. Als eure Herzen jedoch nicht mehr dem Einfluß seiner überreichen Liebe und
Barmherzigkeit unterworfen waren, hieltet ihr eure Gaben zurück und Gott entzog euch seinen Segen.
295
Ihr wurdet von Unglück heimgesucht. Eure Ernten fielen mager aus, so daß ihr eure Gelübde nicht
bezahlen konntet. Einige gerieten wirklich in Schwierigkeiten. Dann konnte natürlich nicht von ihnen
erwartet werden, daß sie ihr Versprechen einlösen. Hätten sie jedoch nicht gemurrt und ihre Herzen
verschlossen, würde Gott für sie gewirkt und Wege für sie geöffnet haben, so daß jeder sein Gelübde
erfüllen könnte. Sie verharrten nicht im Glauben und Vertrauen auf Gott, bis er die Wege öffnete und es
ihnen ermöglichte, ihr Versprechen zu halten. Einige hatten Mittel zur Verfügung. Wären sie ebenso
opferbereit gewesen wie zu der Zeit, als sie gelobten, und hätten sie von Herzen Gott ihre Zehnten und
Opfer zurückerstattet, die er ihnen zu diesem Zweck geliehen hatte, so hätten sie großen Segen
empfangen. Satan versuchte sie und veranlaßte einige, die Beweggründe und den Geist des Dieners
Gottes in Frage zu stellen, während er um Mittel aufrief. Einige fühlten sich betrogen und hintergangen.
Im Geiste widerriefen sie ihre Gelübde, und was sie dann doch gaben, geschah ungern und brachte
ihnen keinen Segen.
Im Gleichnis von den Zentnern offenbarte der Mann mit dem einen Zentner einen widerwilligen
Geist. Er verbarg sein Geld, so daß sein Herr keinen Gewinn davon hatte. Als sein Meister
Rechenschaft über seine Haushalterschaft forderte, entschuldigte er sein Versäumnis, indem er seinen
Herrn anklagte. „Herr, ich wußte [er gab vor, seinen Herrn zu kennen], daß du ein harter Mann bist: du
schneidest, wo du nicht gesät hast, und sammelst, da du nicht gestreut hast; und fürchtete [daß all mein
Gewinn nicht mir gehören würde, sondern daß du ihn beanspruchen würdest] und ging hin und verbarg
deinen Zentner in die Erde. Siehe, da hast du das Deine. Sein Herr aber antwortete und sprach zu ihm:
Du Schalk und fauler Knecht! wußtest du, daß ich schneide, da ich nicht gesät habe, und sammle, da
ich nicht gestreut habe? So solltest du mein Geld zu den Wechslern getan haben, und wenn ich
gekommen wäre, hätte ich das Meine zu mir genommen mit Zinsen. Darum nehmt von ihm den Zentner
und gebt es dem, der zehn Zentner hat. Denn wer da hat [wer rechten Gebrauch von meinen Gütern
machte], dem wird
296
gegeben werden, und er wird die Fülle haben, [denn ich vertraue ihm, ich weiß, daß er das ihm
Geliehene recht verwalten wird]; wer aber nicht hat, [der sich fürchtete, mir zu vertrauen], dem wird
auch, was er hat, genommen werden. [Ich werde ihm das nehmen, was er als sein Eigentum
beansprucht. Er wird alles Recht auf Vertrauen verwirken. Ich werde ihm die Talente nehmen und sie
dem geben, der sie benutzt.] Und den unnützen Knecht werft in die Finsternis hinaus; da wird sein
Heulen und Zähneklappen.“ Matthäus 25,24-30.
Der Geist, den die Geschwister bezüglich ihrer Gelübde geoffenbart haben, ist Gott sehr zuwider.
Hätten sie gesehen, daß das Werk in den bereits betretenen Feldern voranging, würden sie anders
empfunden haben. Sie wurden nicht betrogen, und der Vorwurf des Betrugs, den sie vorbrachten,
richtete sich nicht gegen den Diener, den Gott sandte, sondern gegen den Geist Gottes. Hätte Bruder A
in dieser Sache eine richtige Stellung eingenommen, hätte er den Geist gehegt, der ihn beeinflußte, das
Gelübde abzulegen, so wäre er nicht so unwillig gewesen, sein Geld im Werke Gottes zu investieren.
Aber er dachte an den Gewinn, den er erzielen könnte, wenn er es in weltlichen Unternehmen anlegte.
Übervorteilung, Weltliebe und Geiz sind Charakterfehler, die mit der Ausübung christlicher Tugenden im
Widerstreit stehen. Der Apostel sagt: „Der Wandel [euer Verhalten und eure Lebensgewohnheiten] sei
ohne Geiz; und lasset euch genügen an dem, was da ist. Denn er hat gesagt: ‚Ich will dich nicht
verlassen noch versäumen.‘“ Hebräer 13,5.
Es liegt klar auf der Hand, daß viele, die ein Versprechen ablegten, keinen Glauben besaßen und
sich ungerecht behandelt fühlten. Sie sprachen darüber und verweilten dabei, bis es sie eine Tatsache
dünkte. Sie meinten, daß sie die Generalkonferenz nicht hätten unterstützen sollen, und drängten
darauf, daß die Mittel in der eigenen Vereinigung gebraucht werden sollten. Der Herr wirkte für sie, wie
es ihrem beschränkten Glauben entsprach. Satan, der ihre Sinne im Betrug gefangen hielt, veranlaßte
sie zu dem Gedanken, sie hätten ein gutes Werk getan, indem sie der Generalkonferenz Geld
schickten. Tatsache war, daß sie, wie eine genaue Untersuchung ergab, der Generalkonferenz
297
noch eine beträchtliche Summe schuldeten, weil diese ihnen Arbeiter geschickt hatte, die ihnen halfen,
das Werk aufzubauen und weiterzuführen. Doch diese Personen waren gekränkt, unzufrieden,
unglücklich und fielen von Gott ab, weil sie glaubten, sie täten solch ein großartiges Werk. Dies zeigt,
welch schrecklicher Betrug Gemüter gefangennehmen kann, wenn sie sich nicht unter der speziellen
Kontrolle des Geistes Gottes befinden. Ihr Zweifel, ihr Argwohn und ihr Vorurteil gegenüber der
Generalkonferenz waren Eingebungen Satans. Gottes Werk ist weltweit ein einziges. Jeder Zweig des
Werkes hat seinen Mittelpunkt in Christo. Kein Teil des Feldes ist vom Rest unabhängig.
Liebe Brüder, ihr habt Satan in euren Herzen Eingang gewährt. Er wird nie völlig überwunden
werden, bis ihr eure bösen Zweifel aufgebt und bereut, daß ihr eure Gelübde nicht erfüllt habt. Der Bote
des Herrn wurde verachtet und beschuldigt, das Volk ungebührlich bedrängt zu haben. Gott hatte
Mißfallen an Bruder B, weil er kein entschiedenes Zeugnis gegen solche Anklagen ablegte und euch
nicht eure Sünde im rechten Licht vor Augen führte.
„Wenn du Gott ein Gelübde tust, so verzieh nicht, es zu halten; denn er hat kein Gefallen an den
Narren. Was du gelobst, das halte. Es ist besser, du gelobest nichts, denn daß du nicht hältst, was du
gelobest. Laß deinem Mund nicht zu, daß er dein Fleisch verführe; und sprich vor dem Engel nicht: Es
war ein Versehen. Gott möchte erzürnen über deine Stimme und verderben alle Werke deiner Hände.“
Prediger 5,3-5.
Hier wird die Sache im rechten Licht dargestellt. Euer Versprechen wurde vor dem Engel des Herrn
abgegeben. Nicht nur Menschen hörten eure Worte, sondern auch Gottes Engel. Könnt ihr erstaunt
sein, daß Gott über euch zornig war? Wundert ihr euch, daß er euch nicht gesegnet hat und euch
ermöglichte, euer Gelübde zu bezahlen? Als ihr murrtet und klagtet, euer Gelübde zurückzogt und
meintet, daß Gottes Diener euch betrogen und euch ungerechte Gelübde abgerungen hätten, hat der
Feind triumphiert. Könntet ihr sehen, wie es wirklich um euch steht, würdet ihr keine Entschuldigung
vorzubringen wagen.
298
Gebt acht, daß ihr kein Wort sprecht, den Einfluß der Diener Gottes abzuschwächen. Es mag sein,
daß manchmal zu sehr auf Spenden gedrängt wird. Wenn aber Jesu Licht und Liebe die Herzen seiner
Nachfolger erhellt, wird es gar nicht nötig sein, sie um Geld oder ihren Dienst anzubetteln. Wenn sie mit
Jesu eins werden und erkennen, daß sie nicht sich selbst gehören, daß sie mit einem Preis erkauft
wurden und deshalb des Herrn Eigentum sind, und daß alles, was sie haben, ihnen nur zur
Haushalterschaft anvertraut wurde — dann werden sie mit freudigem Herzen und standhafter Treue
Gott das Seine geben. Der Herr wird kein Opfer annehmen, das unwillig und mit Murren dargebracht
wird. Mit euren Gefühlen, die ihr augenblicklich hegt, wäre es nicht gut, weitere Versprechen zu geben.
Wenn ihr euch aus dieser Schlinge des Feindes befreit habt, wenn ihr den Bruch heilt, den ihr veranlaßt
habt, und erkennt, daß die Bedürfnisse des Werkes Gottes ebenso anhaltend sind wie seine
Segensgaben an die Menschen, dann werden eure Werke mit eurem Glauben übereinstimmen und ihr
werdet reichen Segen vom Herrn empfangen.
Kapitel 29: Der Einfluss des Unglaubens
Die Gemeinde in ... ist sehr vom Herrn abgewichen. Sie befindet sich nicht länger in einem
gesunden Zustand. Jedes einzelne Gemeindeglied hatte Lasten und Entmutigungen zu ertragen; aber
diese hätte es tragen und seine Seele lebendig vor Gott erhalten sollen, ohne andere in der Gemeinde
zu schwächen. Es hätte die Gemeinde stärken sollen, anstatt sie zu schwächen. Bruder C hat weder
seinen eigenen Glauben noch den Glauben der Gemeinde gestärkt. Er hat auf seiten des Feindes
gewirkt, andere zu entmutigen. Satan flößt ständig Unglauben ein. Er bemerkt die Fehler und
Schwächen der bekenntlichen Nachfolger Christi und belästigt damit die Engel Gottes. Er ist ein
Verkläger der Brüder und wird so viele wie möglich zu dem gleichen Werk beeinflussen. Wer meint,
über den Garten des Nachbarn wachen zu müssen, anstatt das Unkraut aus
299
seinem eigenen zu entfernen, wird bestimmt herausfinden, daß sein eigenes Stück Land von Unkraut
überwuchert wird, das jede wertvolle Pflanze erstickt.
Bruder C ist kein Licht in der Welt. O nein, er ist eine Verkörperung der Finsternis. Die Ewigkeit wird
die Tatsache offenbaren, daß seine unbesonnenen Worte die Saat von Zweifel und Kritik in viele
Gemüter gesät haben. Sein Einfluß hat dazu geführt, daß viele Seelen sich von der Wahrheit
abgewandt haben. Er hat eingewilligt, ein Vermittler der Finsternis zu werden, Mißtrauen zu säen und
andere zu entmutigen. Gott hat kein Wohlgefallen an ihm. Seine eigene Seele ist für den Einfluß des
Geistes Gottes immer weniger zugänglich. Er besitzt nur geringen Glauben. Wie könnte es auch anders
sein, wenn er durch seine Worte ständig den Unglauben stärkt? Während er Zweifel einflößt, anstatt
helle Strahlen kostbaren Lichtes auf andere scheinen zu lassen, hilft er dem Feind in seinem Werk.
Dieser Geist veranlaßt ihn, fast zu einem Ungläubigen zu werden, und wenn er nicht eine völlige
Kehrtwendung macht, wird er es auch werden.
Bruder C ist gedankenlos in seinen Worten und seinem Handeln. Von seinen Lippen kommen
fortwährend eitle, unnütze Worte, für die er am Tage Gottes zur Rechenschaft gezogen werden wird. Er
begibt sich auf das Gebiet des Feindes, und als Folge davon besitzt er nicht den Geist Christi. Eines
Tages wird er einsehen, daß er einen großen Fehler gemacht und kostbare, goldene Momente
versäumt hat, in denen er sein eigenes Herz hätte reinigen können. Er hat Fehler bei andern gesucht
und dabei beharrt, und das bedeutet geistlichen Hungertod. Durch jede Erweckung können leicht
Personen in die Gemeinde gebracht werden, die nicht wahrhaft bekehrt sind. Sie nehmen die Wahrheit
der Form nach an, sind aber nicht durch ihren lieblichen Einfluß geheiligt. Weil sie der Gnade
ermangeln, sind sie egoistisch, hart und unnachgiebig. Solche Personen sind immer unzuverlässig. Sie
werden immer gegen unseren Glauben handeln und sprechen. Die Gemeinde, die damit belastet ist,
kann man nur bedauern. Die Welt ist gegen die Gemeinde, und Satan und seine Engel sind fortwährend
im Kampf mit ihr. Deshalb
300
werden die Fehler dieser unwürdigen Glieder denen vorgeworfen, die gesund im Glauben sind.
Die an die Wahrheit glauben, sollten entschlossen sein, den wenigen in ..., die mit Entmutigung zu
kämpfen haben, zu helfen, anstatt sie zu behindern. Jedes Gemeindeglied muß eifrig darüber wachen,
daß die Feinde unseres Glaubens keine Ursache haben, über ihren leblosen, rückfälligen Zustand zu
triumphieren. Einige haben ihren Einfluß ruiniert, wo sie doch durch ein wenig Selbstverleugnung,
Ernsthaftigkeit und Eifer eine Macht zum Guten hätten werden können. Dieser Eifer kommt nicht ohne
Anstrengung, ohne ernstes Ringen. Wenn nur drei treue Seelen in der Gemeinde in ... zurückblieben,
würden sie lebendige Kanäle des Lichts sein, wenn sie mit Gott verbunden sind, und er würde ihre Zahl
vergrößern. Gott hat Bannerträger in ... erweckt. Einige sind weggezogen, einige sind gestorben;
andere sind geistlich tot und haben sich in Satans Dienst begeben. Sie erkennen nicht, daß ein Tag
kommt, wo ihr Bericht in den himmlischen Büchern geprüft und wo jedes Menschen Werk offenbaren
wird, welcher Art es ist.
Denkt daran, daß jeder nach seinen Werken gerichtet wird. Wenn am großen Tag der letzten
Abrechnung dein Lebensbericht, mein zweifelnder, anklagender Bruder, vor dir eröffnet wird, wie wird
es dann um dich stehen? „Ihr redet hart wider mich, spricht der Herr. So sprecht ihr: ‚Was reden wir
wider dich?‘ Damit daß ihr sagt: Es ist umsonst, daß man Gott dient; und was nützt es, daß wir sein
Gebot halten und ein hartes Leben vor dem Herrn Zebaoth führen?“ Maleachi 3,13.14. Dies ist die
Sprache deines Herzens gewesen, und „wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.“ Matthäus
12,34. Durch deine Worte wirst du gerechtfertigt oder verdammt. Seit seinem Fall ist Satan damit
beschäftigt, die Brüder zu verklagen. Du hast die Gemeinde entmutigt, und es gab ohnehin wenig
Ermutigung für sie. Du hast die Wahrheit verkündigt; aber in so abstoßender Art und Weise wie nur
möglich. So handelt Satan. Du hast keine Ursache, stolz auf deine Worte zu sein. Sie werden dir an
jenem Tag, wo jeder seinen Lohn nach seinen Werken empfängt, nur Verwirrung, Scham und
Verzweiflung einbringen.
301
Deine Frau hat deine Ausdrücke der Finsternis gehört, bis sie sich deinen Ideen weitgehend
angepaßt hat. Die Furcht des Herrn hat euch beide fast völlig verlassen. Ihr sät jetzt Samen des
Unglaubens, der zu seiner Zeit eine reiche Ernte hervorbringen wird, deren ihr euch nicht erfreuen
werdet. Ihr habt euch dem Feind als Helfershelfer übergeben, um Seelen zu Zweifel und Unglauben zu
führen. Euer ganzes Werk hat darin bestanden, von Christo zu zerstreuen. Ihr seid stolz auf euren
Scharfsinn und eure Klugheit, womit ihr Gemüter verwirrt. Ihr glaubt, es sei ein Beweis von Intelligenz.
Es ist jedoch die gleiche Art von Intelligenz, die der Fürst der Finsternis besitzt, und wird den gleichen
Lohn empfangen, den er durch seine intensive Aktivität und Schlauheit gewinnt. Dieses Zeitalter neigt
zum Unglauben und dazu, Gottseligkeit und wahre Religion auf die leichte Schulter zu nehmen. Das ist
Satans Plan. Wenn ihr euch dem Unglauben unterwerft, wird er euch durch seine List gefangen führen,
und ihr werdet sein Werk tun.
Deine Frau wird einen schweren Kampf haben, die Ränke des Feindes zu überwinden, ihre
Charakterfehler abzulegen, all ihre Kräfte Gottes Willen zu unterwerfen und ihre Füße fest auf das
Fundament der ewigen Wahrheit zu stellen. Sie besitzt keine natürliche Frömmigkeit. Du hast ihr die
Dinge in einem so ungewissen Licht vorgeführt, daß sie ohne Ankerplatz umhertreibt. Sie findet keinen
wirklichen Trost im Glauben und in der Hoffnung, denn sie versteht die Wahrheit nicht richtig. Sie läßt
sich sehr durch die sie umgebende Atmosphäre des Unglaubens beeinflussen. Wenn sie verlorengeht,
wird das Blut ihrer Seele an deinen Kleidern gefunden werden.
Du verrichtest ebenso gewiß Satans Werk wie irgendeiner seiner offenen Helfershelfer. Die Zweifel,
die du in viele Gemüter gesät hast, werden Frucht bringen. Deine Ernte reift für das letzte Einsammeln
heran. Wirst du dann stolz darauf sein? Du könntest dich zum Herrn wenden und Ruhe in ihm finden.
Aber du hast dich so lange dazu erzogen, Kritik zu üben und alles in ein falsches Licht zu stellen, daß
es ernstes Gebet und unermüdliche Wachsamkeit erfordern würde, mit der Gewohnheit zu brechen, die
dir zur zweiten Natur geworden ist. Mein
302
Herz verlangt nach dir und deiner Familie. Du mißfällst dem Herrn; er wird täglich aufs neue betrübt. Du
mußt dich von Grund auf bekehren und mußt umgewandelt werden, andernfalls wirst du niemals die
kostbare Gabe des ewigen Lebens erlangen.
Kapitel 30: Der Betrug der Sünde
Bruder D wurde mir vorgeführt. Er verrichtet ein Werk, das er am Tage des Gerichts gerne
ungeschehen machen möchte. Er ist nicht korrekt in allen Glaubenspunkten, beharrt aber hartnäckig in
seinen irrtümlichen Ansichten. Er ist ein Verkläger der Brüder. Er hat sich nicht nur in Gedanken damit
beschäftigt, Böses bei Gottes erwählten Dienern zu vermuten, sondern anderen gegenüber diese Dinge
auch geäußert. Er hat nicht die biblische Regel befolgt und persönlich mit den leitenden Brüdern
gesprochen, und doch findet er Fehler bei allen.
Man entschuldigt ihn so: „O, Bruder D ist solch ein guter Mann. Er ist ein Vorbild in
Liebenswürdigkeit und herzlicher Freundlichkeit; überall ist er hilfsbereit.“ Bruder D hat viele gute
Charakterzüge. Als Prediger ist er nicht genug befähigt; aber er könnte ein ernster, treuer Arbeiter
werden. Der Feind hat ihn zur Selbsterhöhung verleitet. Hätte er sich selbst nicht höher geachtet, als es
sich geziemt, würde er nie gewagt haben, den Ruf seiner Brüder anzutasten, wie er es getan hat. Indem
er sich die Freiheit nahm, falsche Berichte zu sammeln und zu verbreiten, hat er sich zwischen das Volk
und die Botschaft gestellt, die Gott seinen Dienern auftrug, um sie auf den Tag des Herrn vorzubereiten.
Seine guten Wesenszüge haben ihn um so gefährlicher gemacht, weil sie ihm Einfluß verschafft haben.
Die Geschwister haben gedacht, daß es so sein muß, wie er gesagt hat. Wäre er unmoralisch oder
zänkisch, hätte er nicht das Vertrauen so vieler gewinnen können.
Die Art und Weise, wie Bruder D arbeitet, ist sehr zu tadeln und beleidigt Gott. Hätte er seine
Gefühle offen gezeigt und öffentlich die Dinge ausgesprochen, die er privat redete, wäre niemand auch
nur für einen Augenblick auf den Gedanken
303
gekommen, ihn in der Arbeit für die Vereinigung einzusetzen. Weil er mit Genehmigung der Vereinigung
wirkt, haben die Geschwister das Recht zu vermuten, daß seine Ansichten korrekt sind. Durch diese
Genehmigung ist sein Einfluß eine Macht zum Bösen geworden. Es gibt einige, die niemals Mißtrauen
gegen ihre Brüder gehegt oder schlecht von ihnen gedacht haben würden, wäre es nicht um seiner
Worte willen. Er hat Gemüter in eine Richtung gelenkt, die, wenn ihr weiter gefolgt wird, in Rebellion
und Verlust der Seele enden wird. Genau das ist das Werk, das euer guter Bruder verrichtet hat.
Gott hat mir diese Angelegenheit im wahren Licht vorgeführt. Das Herz von Bruder D ist nicht in
Ordnung. Es ist mit Bitterkeit, Zorn, Neid, Eifersucht und bösem Argwohn erfüllt. Es bedarf der
Reinigung. Wenn er sich nicht vollständig ändert, wird er bald abfallen. „Die Liebe ist langmütig und
freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie blähet sich nicht, sie stellet sich
nicht ungebärdig, sie suchet nicht das Ihre, sie läßt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu,
sie freuet sich nicht der Ungerechtigkeit, sie freuet sich aber der Wahrheit; sie verträgt alles, sie glaubet
alles, sie hoffet alles, sie duldet alles.“ 1.Korinther 13,4-7.
Angenommen, Bruder D verleitet das Volk, die Zeugnisse, die Gott während der vergangenen
achtunddreißig Jahre gegeben hat, anzuzweifeln und zu verwerfen; angenommen, er macht sie
glauben, daß die Leiter in diesem Werk intrigant und unehrlich sind und das Volk betrügen — welch
großes und gutes Werk hat er dann getan? Es ist haargenau das gleiche Werk, das Korah, Dathan und
Abiram taten. Bei allen, die er beeinflußt hat, wird das Resultat verheerend sein. Er dachte, er könnte
nicht irren, aber trägt diese Arbeit das Siegel des Himmels? Nein, Bruder D hat einem selbstgerechten
Geist nachgegeben, der ihn fast ruiniert hat. Er soll sich mit seinen Brüdern auf die gleiche Stufe stellen.
Wenn er wegen ihrer Handlungsweise Schwierigkeiten hat, dann soll er ihnen zeigen, worin ihre Sünde
besteht.
Als Satan im Himmel unzufrieden wurde, brachte er seine Klage nicht vor Gott und Christum,
sondern ging zu den
304
Engeln, die ihn für vollkommen hielten, und machte ihnen klar, daß Gott ihm mit der Bevorzugung
Christi Unrecht getan habe. Das Ergebnis dieser falschen Darstellung war, daß ein Drittel der Engel
durch ihre Sympathie für Satan ihre Sündlosigkeit, ihre hohe Stellung und ihr glückliches Heim verloren.
Nun stiftet Satan Menschen an, das Werk der Eifersucht und des Argwohns, das er im Himmel begann,
auf Erden fortzusetzen.
Als Jesus auf Erden war, spionierten ihm die Juden fortwährend nach. Sie sammelten jeden
falschen Bericht und beschuldigten ihn eines Verbrechens nach dem andern. Sie waren ständig
bemüht, das Volk von ihm abwendig zu machen. War ihr Verhalten recht? Wenn ja, dann hat Bruder D
nicht gesündigt, denn er tut ein ähnliches Werk. Er kann jetzt noch die Fessel des Feindes brechen. Er
kann noch seinen Geist besiegen, der ihn anleitet, sich über seine Brüder zu erheben. Laßt ihn nach
Sanftmut trachten und lernen, andere höher zu schätzen als sich selbst. Wenn er getreulich und in
Übereinstimmung mit Gottes Plan wirkt, wird er von den Lippen des Meisters die süßen Worte
vernehmen: „Ei, du frommer und getreuer Knecht.“ Wird er aber die Bemühungen der Diener Gottes
verwerfen, seinen eigenen Weg wählen und sich auf seinen eigenen Verstand verlassen, wird er mit
Sicherheit im Glauben Schiffbruch erleiden. Gott ist nicht an seinem Volke vorübergegangen und hat
nur hier und da einzelne Menschen erwählt, um ihnen allein seine Wahrheit anzuvertrauen. Er gibt dem
einzelnen Menschen auch kein neues Licht, das im Widerspruch zu dem feststehenden Glauben der
Gemeinde steht. Bei jeder Reformation sind Menschen mit solchen Ansprüchen aufgetreten. Paulus
warnte die Gemeinde seiner Zeit: „Aus euch selbst werden aufstehen Männer, die da verkehrte Lehren
reden, die Jünger an sich zu ziehen.“ Apostelgeschichte 20,30. Der größte Schaden erwächst dem
Volke Gottes von denen, die aus seiner Mitte aufstehen und verkehrte Dinge reden. Durch sie gerät die
Wahrheit in schlechten Ruf.
Niemand sei so selbstsicher, als habe Gott ihm besonderes Licht zuteil werden lassen, das über
jenes seiner Brüder hinausgeht. Christus wohnt unter seinem Volke. Von den Gläubigen
305
wird gesagt, sie seien „erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der
Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem
Herrn, auf welchem auch ihr mit erbaut werdet zu einer Behausung Gottes im Geist.“ Epheser 2,20-22.
„So ermahne nun euch ich Gefangener in dem Herrn,“ sagt Paulus, „daß ihr wandelt, wie sich‘s gebührt
eurer Berufung, mit der ihr berufen seid, mit aller Demut und Sanftmut, mit Geduld, und vertraget einer
den andern in der Liebe und seid fleißig, zu halten die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens:
ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid auf einerlei Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein
Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater unser aller, der da ist über euch allen und durch euch alle und in
euch allen.“ Epheser 4,1-6.
Was Bruder D Licht nennt, ist scheinbar harmlos. Es macht auch nicht den Eindruck, als könne
jemandem daraus Schaden erwachsen. Aber, Geschwister, es ist Satans List, sein eingetriebener Keil.
Er hat das immer wieder versucht. Jemand greift einen neuen, originellen Gedanken auf, der nicht der
Wahrheit zu widersprechen scheint. Er redet darüber und verweilt dabei, bis er ihm mit Schönheit
bekleidet und wichtig erscheint, denn Satan hat Macht, diesen falschen Anschein zu erwecken.
Schließlich wird es der alles andere beherrschende Gedanke, um den alles kreist, und die Wahrheit ist
im Herzen entwurzelt.
Kaum sind die seltsamen Gedanken in seinem Geist entstanden, beginnt Bruder D auch schon, am
Glauben zu zweifeln und das Werk des Heiligen Geistes in Frage zu stellen, das sich so viele Jahre in
unserer Mitte bekundet hat. Er ist nicht der Mann, der seine Gedanken für besonderes Licht hält, um sie
dann nicht andern mitzuteilen. Deshalb ist es nicht gefahrlos, ihm Einfluß zu gewähren, durch den er
auch andere wankend machen könnte. Es wäre eine offene Tür, durch die Satan zahlreiche Irrtümer
einschmuggeln könnte, um Gemüter von der Wahrheit für diese Zeit abzulenken. Geschwister, als Botin
Christi warne ich euch: Hütet euch vor diesen nebensächlichen Fragen, deren Zweck es ist, Gemüter
von der Wahrheit abzulenken.
306
Irrtum ist niemals harmlos. Er führt keinesfalls zur Heiligung, sondern bringt stets Verwirrung und
Spaltung. Er ist immer gefährlich. Der Feind hat große Gewalt über Gemüter, die durch die biblische
Wahrheit und das Gebet nicht gründlich gefestigt sind.
Es gibt tausend getarnte Versuchungen für diejenigen, die das Licht der Wahrheit haben. Daher
besteht der einzige Schutz für uns alle darin, keine neue Lehre und keine neue Auslegung der Heiligen
Schrift anzunehmen, ohne sie vorher erfahrenen Brüdern vorgelegt zu haben. Unterbreitet sie ihnen in
demütigem, gelehrigem Geist, mit ernstem Gebet, und wenn sie keine neue Erkenntnis darin sehen,
dann fügt euch ihrem Urteil, denn „wo aber viel Ratgeber sind, da geht es wohl zu“. Sprüche 11,14.
Satan sah in Bruder D Charakterzüge, die ihn einen Vorteil erahnen ließen. „Es kommt der Fürst
dieser Welt,“ sagte Christus, „und hat nichts an mir.“ Johannes 14,30. Während Bruder D den Anschein
großer Demut erweckte, hat er sich selbst zu hoch eingeschätzt. Seit Jahren hat er das Gefühl gehegt,
daß seine Brüder ihn nicht würdigten, und diese Gefühle hat er anderen mitgeteilt. Satan fand in ihm
Selbstbetrug, an den er mit Erfolg appellieren konnte.
Bruder D befindet sich in größter Gefahr, und andere mit ihm. Engel Gottes wachen mit größtem
Interesse über diese Seelen, und Satan und seine Engel sind eifrig bemüht zu sehen, wie ihre Pläne
gelingen. Bruder D befindet sich in einer Lebenskrise. Er wird hier eine Entscheidung treffen für Zeit und
Ewigkeit. Gott liebt ihn, und diese Erfahrung kann sehr wertvoll für ihn sein. Wenn er sein Herz völlig
Gott unterwirft und die ganze Wahrheit annimmt, wird er ein unermüdlicher Arbeiter sein. Gott wird
durch ihn wirken, und er kann viel Gutes tun. Aber er muß in Übereinstimmung mit seinen Brüdern
arbeiten. Er muß lernen, seine Empfindlichkeit zu überwinden und als guter Kämpfer des Kreuzes
Christi Härten zu ertragen.
Satan ist unaufhörlich an der Arbeit, aber nur wenige haben eine Vorstellung von seiner Emsigkeit
und Tücke. Das Volk Gottes muß gewappnet sein, dem schlauen Feinde zu begegnen,
307
denn diesen Widerstand fürchtet Satan. Besser als wir kennt er die Grenzen seiner Macht, und er weiß,
wie leicht er überwunden werden kann, wenn wir ihm entgegentreten und Trotz bieten. Der schwächste
Heilige ist durch die Kraft Gottes für Satan und dessen Engel mehr als nur ein ebenbürtiger Kämpfer,
und wenn es auf die Probe ankäme, könnte er seine überlegene Kraft wohl beweisen. Deshalb ist
Satans Schritt geräuschlos, seine Bewegungen sind unauffällig und seine Angriffe getarnt. Er wagt
nicht, sich offen zu zeigen, damit er die schlummernden Kräfte des Christen nicht weckt und er zu Gott
ins Gebet flüchtet.
Der Feind bereitet sich auf seinen letzten Feldzug gegen die Gemeinde vor. Er hält sich dermaßen
verborgen, daß viele kaum an seine Existenz glauben können, und noch weniger wollen sie sich von
seiner erstaunlichen Aktivität und Macht überzeugen lassen. Sie haben seine Vergangenheit zum
großen Teil vergessen, und bei neuen Vorstößen seinerseits erkennen sie ihn, die alte Schlange, nicht
als ihren Feind, sondern sehen in ihm einen Freund, der ein gutes Werk verrichtet. Während sie auf ihre
Unabhängigkeit pochen, geben sie unter seinem verblendenden, bestrickenden Einfluß den
schlechtesten Trieben des menschlichen Herzens nach und glauben noch, daß Gott sie führe. Könnten
ihre Augen geöffnet werden, würden sie ihren Anführer erkennen. Sie sähen dann, daß sie nicht Gott,
sondern dem Feind aller Gerechtigkeit dienen. Sie würden begreifen, daß die Unabhängigkeit, deren sie
sich rühmen, eine der schwersten Fesseln ist, die Satan ihren unausgeglichenen Gemütern anlegen
kann.
Der Mensch ist Satans Gefangener und neigt von Natur dazu, seinen Einflüsterungen und Befehlen
zu folgen. Er hat in sich selbst keine Kraft, dem Bösen wirksamen Widerstand zu leisten. Nur wenn
Christus durch einen lebendigen Glauben in ihm wohnt, seine Wünsche beeinflußt und ihn mit Kraft von
oben ausrüstet, kann der Mensch es wagen, solch einem furchtbaren Feinde entgegenzutreten. Jedes
andere Verteidigungsmittel ist völlig nutzlos. Allein durch Christum können der Macht Satans Grenzen
gesetzt werden. Das ist eine bedeutsame
308
Wahrheit, die alle begreifen sollten. Satan ist ununterbrochen tätig und geht hin und her über die Erde,
um zu sehen, wen er verschlinge. Aber das ernste Gebet des Glaubens wird seine stärksten
Bemühungen zuschanden machen. Darum nehmt „den Schild des Glaubens,“ Geschwister, „mit
welchem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösewichtes“. Epheser 6,16.
Unsere schlimmsten Feinde sind diejenigen, die danach trachten, den Einfluß der Wächter auf Zions
Mauern zu vernichten. Satan wirkt durch seine Werkzeuge. Er macht auf Erden ernste Anstrengungen
und arbeitet planmäßig in vollem Einvernehmen mit seinen Helfern. Der Unglaube breitet sich über den
ganzen Erdball aus und hat auch Berührung mit der Gemeinde Gottes. Sein Einfluß soll das Vertrauen
in die Arbeit des Geistes Gottes untergraben. Diese Kraft ist schon da und im geheimen am Wirken.
Seid vorsichtig, daß ihr nicht durch Verbreitung unwahrer Berichte, Kritiksucht und entschiedene
Gegenarbeit als Helfer des Feindes Gottes und der Menschen erfunden werdet.
In listiger Art und Weise und auf unsichtbaren Wegen sucht Satan seine Autorität zu stärken und
dem Volke Gottes Hindernisse in den Weg zu legen, damit die Menschen nicht aus seiner Gewalt
befreit und unter das Banner Christi gesammelt werden. Durch Betrug versucht er, Seelen aus der
Gemeinschaft mit Christo herauszulocken, und wer nicht in der Wahrheit gegründet ist, gerät gewiß in
seine Schlinge. Wen er nicht zur Sünde verführen kann, den verfolgt er, so wie die Juden einst Christus
verfolgten.
Satans Absicht ist es, Gott zu verunehren, und er bedient sich jedes ungeheiligten Elements, um
sein Vorhaben auszuführen. Die Menschen, die er zu seinen Werkzeugen macht, sind so verblendet,
daß sie nicht erkennen, was sie tun, bis sie so tief in Schuld verstrickt sind, daß sie glauben, alle Mühe,
von neuem zu beginnen, sei vergeblich. So setzen sie alles aufs Spiel und verharren auf dem Wege der
Übertretung bis zum bitteren Ende.
Satan hofft, die Übrigen des Volkes Gottes in den allgemeinen Untergang hineinzuziehen, den diese
Welt zu erwarten hat. Je näher die Wiederkunft Christi rückt, desto entschlossener
309
und entschiedener wird er in seinen Anstrengungen, sie zu überwältigen. Männer und Frauen werden
aufstehen und behaupten, neues Licht oder eine neue Offenbarung zu haben, die darauf abzielt, den
Glauben an die alten Marksteine zu untergraben. Ihre Lehren halten der Prüfung durch das Wort Gottes
keineswegs stand, und dennoch unterliegen die Menschen ihren Täuschungen. Falsche Berichte laufen
um und lassen etliche in diese Schlinge geraten. Man glaubt diesen Gerüchten, erzählt sie weiter und
knüpft so ein Bindeglied zu dem Erzbetrüger. Dieser Geist offenbart sich durchaus nicht immer in
offener Ablehnung der Botschaften Gottes, aber ein ausgesprochener Unglaube bekundet sich auf
mancherlei Art und Weise. Jede falsche Darstellung nährt und festigt diesen Unglauben und lenkt viele
Seelen in die falsche Richtung.
Wir können jeder Form des Irrtums gegenüber gar nicht wachsam genug sein, denn Satan versucht
unaufhörlich, Menschen von der Wahrheit abzubringen. Er erfüllt sie mit einem Gefühl ihrer eigenen
Hinlänglichkeit und überzeugt sie, daß Originalität eine begehrte Gabe sei, wie es bei Bruder D der Fall
ist. Bruder D muß die Wahrheit gründlicher kennenlernen. Satan hat aus seiner Unwissenheit in dieser
Richtung Vorteil gezogen, und hier liegt die Gefahr. Ein Mann hat Abwege beschritten und ist schwer
davon zu überzeugen; und viele, die dachten, sie würden dem Mann nur folgen, wie er Christo folgt,
sind in ihrer Nachfolge betrogen, weil er seinem Erlöser den Rücken zugewandt hat.
Das Herz von Bruder D ist mit Stolz erfüllt. Es ist äußerst schwierig für ihn, dies einzugestehen. Wird
er sich nicht völlig Christo unterwerfen, wird der Feind fortfahren, ihn als Werkzeug zu benutzen. Wenn
er nicht sofort einen entschiedenen Standpunkt einnimmt, befürchte ich, daß er es nie tun wird.
Die Gemeinden in ... und in ... haben schwere Verantwortlichkeit auf sich geladen. Das volle
Resultat des Werkes, das sie verrichtet haben, wird erst im Gericht zu Tage treten. Ihr benötigt
himmlische Weisheit, Geschwister, denn die Sünde hat vielerlei Masken. Der Mangel an geistlichem
Unterscheidungsvermögen läßt euch straucheln wie Blinde. Wären eure Absichten
310
aufrichtiger Art, hätten sie in eurer Vereinigung ein Element enormer Stärke sein können. Doch gerade
das, was ich befürchtete, ist eingetroffen. Es war ein Werk zu tun, das versäumt wurde. Die Gruppen,
die ich sah, wären als Resultat wohlgezielter Anstrengungen gegründet und die Versammlungshäuser
gebaut worden. Wo sind sie? Euer Unglaube hat das Werk aufgehalten. Ihr selbst habt beinahe nichts
getan, und wenn jemand an die Arbeit gehen wollte, habt ihr ihm den Weg versperrt, so daß er keinen
Erfolg haben konnte.
Einige sind langsam, sehr langsam, und sind noch stolz darauf. Diese bequeme Trägheit ist ein
Charakterfehler, dessen sich niemand rühmen sollte. Trefft den festen Entschluß, schnell zu sein, und
mit göttlicher Hilfe werdet ihr Erfolg haben. Weiht euch völlig dem Herrn. Legt euer Eigentum und eure
Freunde auf Gottes Altar. Wenn das Herz bereit ist, den himmlischen Einfluß zu empfangen, werden
von Gottes Thron helle Strahlen eure Seele durchdringen und alle brachliegenden Kräfte beleben.
Einige Menschen besitzen keinen festen Charakter. Sie sind wie Glaserkitt, den man in jede
beliebige Form kneten kann. Sie haben nie eine endgültige Form und Festigkeit angenommen und sind
in der Welt von keinem praktischen Wert. Diese Schwäche, Unentschlossenheit und Unbrauchbarkeit
muß überwunden werden. Es ist eine Festigkeit im wahren christlichen Charakter, die trotz widriger
Umstände weder umgeformt noch gedämpft werden kann. Die Menschen brauchen ein moralisches
Rückgrat, eine Redlichkeit, der man nicht schmeicheln, die man nicht bestechen noch einschüchtern
kann.
Ich fürchte sehr um die Gemeinde. Paulus brachte es so zum Ausdruck: „Ich fürchte aber, daß, wie
die Schlange Eva verführte mit ihrer Schalkheit, also auch eure Sinne verrückt werden von der Einfalt in
Christo.“ 2.Korinther 11,3. Paulus erklärt dann, daß der Feind durch verdorbene Lehrer den Glauben
der Gemeinde angreifen wird. Er sagt: „Denn solche falsche Apostel und trügliche Arbeiter verstellen
sich zu Christo Aposteln. Und das ist auch kein Wunder; denn er selbst, der Satan, verstellt sich zum
Engel des Lichtes. Darum ist es nicht ein Großes,
311
wenn sich auch seine Diener verstellen als Prediger der Gerechtigkeit.“ 2.Korinther 11,13-15.
Je mehr wir von den ersten Tagen der christlichen Gemeinde lernen und beachten, mit welcher
Verschlagenheit Satan wirkte, um zu schwächen und zu verderben, desto besser werden wir vorbereitet
sein, seinen Verführungen zu widerstehen und den vor uns liegenden Gefahren zu begegnen. Wir leben
in der Zeit, wenn solche Trübsal sein wird, wie sie bisher noch nicht auf Erden gewesen ist. „Weh
denen, die auf Erden wohnen und auf dem Meer! Denn der Teufel kommt zu euch hinab und hat einen
großen Zorn und weiß, daß er wenig Zeit hat.“ Offenbarung 12,12. Aber Gott hat Grenzen gesetzt, die
Satan nicht überschreiten kann. Unser heiligster Glaube ist diese Schranke. Wenn wir in diesem
Glauben gegründet sind, werden wir in der Obhut des Allmächtigen sicher sein. „Dieweil du hast
bewahrt das Wort meiner Geduld, will ich auch dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die
kommen wird über den ganzen Weltkreis, zu versuchen, die da wohnen auf Erden.“ Offenbarung 3,10.
Kapitel 31: Kritik an Predigern
Ein Fehler führt zum nächsten. Unsere Geschwister müssen lernen, sich nicht von Gefühlen leiten
zu lassen, sondern von der Vernunft. Das Gefühl darf kein Maßstab sein. Eine Vernachlässigung der
Pflicht, das Hegen unangemessener Sympathie, wird dazu führen, diejenigen nicht gebührend zu
schätzen, die am Aufbau des Werkes Gottes arbeiten. Jesus sagte: „Ich bin gekommen in meines
Vaters Namen, und ihr nehmet mich nicht an. So ein anderer wird in seinem eigenen Namen kommen,
den werdet ihr annehmen.“ Johannes 5,43.
Viele betrachten die Predigt nicht als ein von Christo bestimmtes Mittel, sein Volk zu unterweisen,
und das deshalb immer hoch eingeschätzt werden sollte. Sie fühlen nicht, daß die Predigt des Herrn
Wort an sie ist und dem Wert der vorgeführten Wahrheiten entspricht. Sie richten darüber, wie sie über
das Plädoyer eines Rechtsanwalts bei Gericht urteilen würden
312
— nach der geschickten Beweisführung und der Macht und Schönheit der Sprache. Der Prediger ist
nicht unfehlbar, aber Gott hat ihn geehrt, indem er ihn zu seinem Botschafter gemacht hat. Wenn ihr
ihm zuhört, als ob er nicht von oben beauftragt wäre, werdet ihr seine Worte weder respektieren noch
sie als Gottes Botschaft annehmen. Eure Seelen werden nicht vom himmlischen Manna gespeist
werden. Zweifel werden sich gegen solche Dinge erheben, die dem natürlichen Herzen nicht gefallen,
und ihr werdet über die Predigt zu Gericht sitzen wie über die Rede eines Dozenten oder eines
politischen Sprechers. Sobald die Versammlung endet, werdet ihr zu irgendeiner Beschwerde oder
sarkastischen Bemerkung bereit sein und damit beweisen, daß die Botschaft, so wahr und notwendig
sie war, euch keinen Nutzen gebracht hat. Ihr achtet sie nicht. Ihr habt euch in der Gewohnheit geübt,
zu kritisieren und Fehler zu finden, und ihr untersucht und wählt und verwerft vielleicht gerade das, was
ihr am meisten benötigt.
In den Vereinigungen von Upper Columbia und North Pacific besteht ein großer Mangel an Ehrfurcht
vor heiligen Dingen. Die von Gott erwählten Werkzeuge finden fast gar keine Beachtung. Gott hat keine
neuen Methoden ersonnen, die Menschen zu erreichen. Wenn sie sich von den Werkzeugen
abwenden, die der Himmel verordnet hat, um ihre Sünden zu tadeln, ihre Irrtümer zu korrigieren und sie
den Weg der Pflicht zu lehren, gibt es nichts mehr, was der Himmel für sie tun könnte. Sie werden in
Finsternis gelassen und vom Widersacher verstrickt und gefangengenommen.
Dem Diener Gottes wird geboten: „Rufe getrost, schone nicht, erhebe deine Stimme wie eine
Posaune und verkündige meinem Volk ihr Übertreten und dem Hause Jakob ihre Sünden.“ Jesaja 58,1.
Der Herr sagt von diesem Volk: „Sie suchen mich täglich und wollen meine Wege wissen wie ein Volk,
das Gerechtigkeit schon getan und das Recht ihres Gottes nicht verlassen hätte.“ Jesaja 58,2. Hier
handelt es sich um ein selbstbetrogenes, selbstgerechtes und selbstzufriedenes Volk. Dem Diener des
Herrn wird geboten, laut zu rufen und ihm seine Übertretungen zu zeigen. Zu allen Zeiten wurde dieses
Werk für Gottes Volk getan, und heute wird es mehr benötigt als je zuvor.
313
Das Wort des Herrn erging an Elia. Er trachtete nicht danach, des Herrn Bote zu werden, aber das
Wort des Herrn kam zu ihm. Gott hat immer Männer, denen er seine Botschaft anvertraut. Sein Geist
bewegt ihre Herzen und zwingt sie zu sprechen. Von heiligem Eifer erfüllt und unter göttlichem Einfluß
gehen sie an die Erfüllung ihrer Pflicht, ohne kühl die Folgen ihrer Ansprache an das Volk zu erwägen.
Sie reden zum Volk die Worte, die der Herr ihnen aufgetragen hat. Aber der Diener Gottes bemerkt
bald, daß er ein Risiko eingegangen ist. Er findet heraus, daß er und seine Botschaft zum Gegenstand
der Kritik gemacht wird. Sein Verhalten, sein Leben, sein Besitz werden untersucht und besprochen.
Seine Botschaft wird zerpflückt und in unfeinem und ungeheiligtem Geist verworfen, so wie Menschen
es mit ihrem unreifen Urteil für gut befinden. Hat jene Botschaft das Werk verrichtet, das Gott
beabsichtigte? Nein. Sie hat ihre Wirkung verfehlt, weil die Herzen der Zuhörer ungeheiligt waren.
Wenn des Predigers Angesicht nicht hart ist wie ein Kieselstein, wenn er nicht unerschütterlichen
Glauben und Mut besitzt, wenn sein Herz nicht durch ständigen Umgang mit Gott gestärkt ist, dann wird
er beginnen, sein Zeugnis den ungeheiligten Ohren und Herzen seiner Zuhörer anzupassen. In dem
Bemühen, der Kritik zu entgehen, wird er sich von Gott trennen und die göttliche Gunst verlieren, und
seine Predigten werden zahm und leblos. Er findet heraus, daß ihn Mut und Glauben verlassen haben
und seine Arbeiten kraftlos sind. Die Welt ist voller Schmeichler und Heuchler, die dem Wunsch zu
gefallen nachgegeben haben. Aber treue Männer, die keinen eigenen Interessen nachgehen und die
ihre Geschwister zu sehr lieben, um Sünden in ihnen zu dulden, sind in der Tat wenige vorhanden.
Es ist Satans entschlossene Absicht, jede Verbindung zwischen Gott und seinem Volk zu
unterbinden, damit er seine betrügerische List anwenden kann, ohne daß eine Stimme sie vor ihrer
Gefahr warnt. Wenn er Menschen dazu veranlassen kann, dem Botschafter zu mißtrauen oder der
Botschaft keine Heiligkeit beizumessen, weiß er genau, daß sie sich nicht verpflichtet fühlen werden,
Gottes Wort an sie zu beachten. Wenn
314
das Licht dann als Finsternis beiseite geschoben wird, hat Satan sein Ziel erreicht.
Unser Gott ist ein eifersüchtiger Gott. Er läßt nicht mit sich spaßen. Ihm, der alles nach seinem
Willen lenkt und leitet, hat es gefallen, Menschen verschiedenen Umständen zu unterwerfen und ihnen
Pflichten und Anordnungen aufzuerlegen, die der Zeit, in der sie leben, und den Bedingungen, die sie
zu befolgen haben, angepaßt sind. Würdigen sie das ihnen geschenkte Licht, dann können ihre
Fähigkeiten stark vermehrt und veredelt werden, und ihnen wird sich eine größere Erkenntnis der
Wahrheit eröffnen. Die Geheimnisse ewiger Dinge, besonders der wunderbaren Gnade Gottes, die sich
im Erlösungsplan offenbart, werden sich vor ihnen entfalten; denn geistliche Dinge müssen geistlich
gerichtet werden.
Wir dürfen nie vergessen, daß Christus durch seine Diener lehrt. Es mag Bekehrungen ohne Predigt
geben. Wenn Personen sich in einer Lage befinden, in der sie jeden Gnadenmittels beraubt sind, wirkt
Gottes Geist an ihnen und überzeugt sie durch das Lesen des Wortes. Aber Gottes ausersehenes Mittel
ist, „durch törichte Predigt“ (1.Korinther 1,21) Seelen zu retten. Obgleich menschlich und mit
menschlichen Fehlern behaftet, sind Menschen Gottes Botschafter. Der teure Heiland ist betrübt, wenn
durch ihre Arbeit so wenig bewirkt wird. Jeder Prediger, der ins Erntefeld hinausgeht, sollte sein Amt
ehren. Er soll nicht nur danach trachten, Menschen eine Kenntnis der Wahrheit zu vermitteln, sondern
sollte arbeiten wie Paulus: Wir „vermahnen alle Menschen und lehren alle Menschen mit aller Weisheit,
auf daß wir darstellen einen jeglichen Menschen vollkommen in Christo Jesu.“ Kolosser 1,28.
Der Mensch soll nur als Gottes Bote betrachtet und geehrt werden. Ihn zu loben ist Gott nicht
wohlgefällig. Die Botschaft, die er bringt, muß nach der Bibel geprüft werden. „Ja, nach dem Gesetz und
Zeugnis! Werden sie das nicht sagen, so werden sie die Morgenröte nicht haben.“ Jesaja 8,20. Das
Wort des Herrn hingegen darf nicht nach menschlichem Maßstab beurteilt werden. Es wird sich
erweisen, daß solche, deren Sinne irdisch ausgerichtet sind, die nur eine beschränkte christliche
315
Erfahrung und wenig Kenntnis von göttlichen Dingen haben, die geringste Achtung vor Gottes Dienern
und die geringste Ehrfurcht vor der Botschaft besitzen, womit er sie beauftragt hat. Sie hören einer
erforschenden Predigt zu, gehen heim und sitzen zu Gericht darüber, und der hinterlassene Eindruck
entschwindet ihren Gemütern gleich dem Morgentau vor der Sonne. Wenn die Predigt die Sinne erregt,
wird sie Einfluß auf die Gefühle haben, aber nicht auf Herz und Gewissen. Solche Predigten bewirken
nicht viel Gutes. Sie gewinnen oft die Herzen des Volkes und rufen ihre Zuneigung für den Mann
hervor, der ihnen zusagt. Sie vergessen, daß Gott gesagt hat: „So lasset nun ab von dem Menschen,
der Odem in der Nase hat.“ Jesaja 2,22.
Jesus wartet darauf, vor seinem Volk die Herrlichkeit zu entfalten, die sein zweites Kommen
begleiten wird, und sie die Landschaften der Seligkeit schauen zu lassen. Wunder sollen offenbar
werden. Eine lange Lebenszeit des Gebets und Forschens wird vieles unerforscht und unerklärt
hinterlassen. Aber was wir heute nicht erfahren, wird hernach offenbar werden. Der Unterricht, der hier
begonnen wurde, wird in aller Ewigkeit fortgesetzt werden. Wenn das Lamm die Schar der Erlösten zur
Quelle lebendigen Wassers führt, wird es reiche Kenntnisse vermitteln. Es wird die Geheimnisse des
Wirkens und der Vorsehung Gottes enthüllen, die nie zuvor verstanden wurden.
Wir können Gott niemals durch Forschen ergründen. Er legt seine Pläne nicht offen vor forschende,
neugierige Gemüter. Wir dürfen nicht versuchen, mit anmaßenden Händen den Vorhang zu lüften,
hinter dem er seine Majestät verbirgt. Der Apostel erklärt: „Wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte
und unerforschlich seine Wege!“ Römer 11,33. Es ist ein Beweis seiner Barmherzigkeit, daß er seine
Macht verbirgt und daß er sich in ehrfurchtgebietende Wolken des Geheimnisses und der Dunkelheit
hüllt; denn den Vorhang beiseite zu ziehen, der seine göttliche Gegenwart verdeckt, bedeutet Tod. Kein
sterbliches Gemüt kann das Geheimnis durchdringen, in welchem der Allmächtige wohnt und wirkt. Wir
können nicht mehr von seiner Handlungsweise mit uns und den Beweggründen, die ihn leiten,
verstehen, als er uns offenbart. Er ordnet alles in Gerechtigkeit,
316
und wir sollen nicht unzufrieden und mißtrauisch sein, sondern uns in ehrfurchtsvoller Unterwerfung vor
ihm beugen. Er wird uns so viel von seinen Absichten kundtun, wie er es für gut befindet. Darüber
hinaus müssen wir der allgewaltigen Hand und dem Herzen voller Liebe vertrauen.
Kapitel 32: Treue und Ausdauer erforderlich
Der Zustand in der Gemeinde ... ist weit von dem entfernt, wie es sein sollte. Findet keine
entschiedene Veränderung statt, wird sie dahinwelken und sterben. Dort herrscht viel Kritiksucht. Viele
geben dem Zweifel und Unglauben nach. Wer von Glauben spricht und Glauben übt, wird Glauben
haben. Wer aber Zweifel hegt und zum Ausdruck bringt, wird Zweifel haben.
Die Prediger haben ihre Pflicht versäumt. Sie haben den Herzen ihrer Zuhörer nicht die
Notwendigkeit der Treue eingeprägt. Sie haben die Gemeinde nicht in allen Wahrheitspunkten und
Pflichten unterwiesen. Sie waren nicht eifrig bemüht, sie an die Arbeit zu bringen und sich für alle
Zweige des Werkes Gottes zu interessieren. Es wurde mir gezeigt, daß die Gemeinde sehr viel weiter
wäre, als es augenblicklich der Fall ist, wenn sie richtig unterrichtet worden wäre. Die Vernachlässigung
von seiten der Prediger hat die Glieder sorglos und untreu gemacht. Sie haben ihre persönliche
Verantwortung nicht gefühlt, sondern sich entschuldigt, weil die Prediger nicht das Werk eines Hirten
verrichteten. Gott nimmt ihre Entschuldigung nicht an. Besaßen sie keine Bibel, wurden sie nicht
gewarnt, gerügt und vom Himmel eingeladen, ihre Pflicht zu tun? Könnten die Fragen mit „nein“
beantwortet werden, wäre ihre Verdammnis nicht so groß. Aber der Herr hat Rat und Unterweisung
gegeben. Jedem einzelnen wurde seine Pflicht klargemacht, so daß er keinen Fehler zu machen
brauchte.
Gott gibt Licht, um diejenigen zu führen, die aufrichtig nach Licht und Wahrheit trachten. Es ist
jedoch nicht seine Absicht, jede Ursache zu Unglauben und Zweifel zu entfernen.
317
Er gibt genügend Beweise, worauf der Glaube sich gründen kann, und dann fordert er von den
Menschen, diesen Beweis anzunehmen und Glauben zu üben.
Wer die Bibel mit einem demütigen und gelehrigen Geist studiert, wird einen sicheren Führer finden,
der ihm mit unfehlbarer Genauigkeit den Weg zum Leben weist. Was aber bewirkt euer Bibelstudium,
Geschwister, wenn ihr die Wahrheiten, die sie lehrt, nicht praktiziert? Dieses heilige Buch enthält nichts,
was unwichtig ist. Es wird nichts darin offenbart, das nicht in irgendeiner Beziehung zu unserem Leben
steht. Je tiefer unsere Liebe zu Jesu ist, desto höher werden wir das Wort als Gottes Stimme schätzen,
die sich direkt an uns richtet.
Die Gemeinde in ... befindet sich auf Satans bezaubertem Grund. Eine gründliche Bekehrung wird
dringend benötigt. Jeder einzelne muß sich bemühen. Die reichen Verheißungen der Bibel sind für
diejenigen bestimmt, die ihr Kreuz aufnehmen und täglich das eigene Ich verleugnen. Jeder, der den
aufrichtigen Wunsch hat, in der Schule Christi zu lernen, wird sich zu geistlicher Gesinnung erziehen
und sich jedes Gnadenmittel aneignen. Diese Gemeinde hat jedoch die Gelegenheiten und Vorrechte
geringschätzig behandelt. Jemand mag nur imstande sein, in der Öffentlichkeit wenige Worte zu äußern
und nur wenig im Weinberg des Herrn zu tun, aber es ist seine Pflicht, etwas zu sagen und ein
interessierter Arbeiter zu sein. Jedes Glied sollte helfen, die Gemeinde zu stärken und zu unterstützen.
In vielen Fällen gibt es nur ein Glied oder zwei Glieder, die den Geist der Treue besitzen, der Kaleb vor
alters auszeichnete. Von diesen wird verlangt, alle Lasten und Verantwortlichkeiten zu tragen, während
die restlichen Glieder sich vor jeder Sorge drücken.
Kaleb war treu und standhaft. Er war nicht prahlerisch. Er rühmte sich nicht seiner Verdienste und
guten Taten. Doch sein Einfluß war immer auf seiten des Rechts. Was war sein Lohn? Als der Herr die
Männer verurteilte, die sich weigerten, auf seine Stimme zu hören, sprach er: „Aber meinen Knecht
Kaleb, darum daß ein anderer Geist mit ihm ist und er mir treulich nachgefolgt ist, den will ich in das
Land bringen, darein er gekommen ist, und sein Same soll es einnehmen.“ 4.Mose 14,24.
318
Während die Feiglinge und die Murrenden in der Wüste umkamen, fand Kaleb ein Heim im verheißenen
Kanaan. „Wer mich ehret, den will ich auch ehren“ (1.Samuel 2,30), spricht der Herr.
Hanna betete und vertraute, und mit ihrem Sohn Samuel gab sie dem Israel Gottes einen sehr
köstlichen Schatz — einen nützlichen Mann mit gutem Charakter, der fest wie ein Fels zu Grundsätzen
stand
In Joppe gab es eine Tabea, deren geschickte Hände aktiver waren als ihre Zunge. Sie wußte, wer
warme Kleider und wer Mitgefühl benötigte, und sie diente freudig den Bedürfnissen beider Klassen. Als
Tabea starb, empfand die Gemeinde in Joppe ihren Verlust. Es ist kein Wunder, daß sie jammerten und
trauerten und daß heiße Tränen ihren Leichnam benetzten. Sie war von so großem Wert, daß sie durch
Gottes Macht aus dem Land des Feindes zurückgebracht wurde, damit ihre Geschicklichkeit und
Energie weiterhin anderen zum Segen gereichen konnten.
Solche geduldige, gebetsreiche und dauerhafte Treue, wie sie diese Heiligen Gottes besaßen, ist
selten. Doch die Gemeinde kann ohne sie nicht wachsen. Sie wird in der Gemeinde, in der
Sabbatschule und in der Gesellschaft benötigt. Viele schließen sich der Gemeinde an, während ihre
natürlichen Charakterzüge unverändert bleiben. Wenn eine Krise naht, in der starke, hoffnungsvolle
Helfer gebraucht werden, geben sie entmutigt auf und bringen Lasten über die Gemeinde und sehen
nicht ein, wie verkehrt das ist. Das Werk kann solche Personen nicht gebrauchen, denn sie sind
unzuverlässig. Immer werden standhafte, gottesfürchtige Arbeiter benötigt, die am Tag der Anfechtung
nicht schwach werden.
Es gibt einige in der Gemeinde in ..., die Schwierigkeiten machen werden, weil ihr Wille nie mit dem
Willen Christi in Einklang gebracht wurde. Bruder E wird für diese Gemeinde ein großes Hindernis sein.
Wenn er alle beherrschen kann, ist er zufrieden; wenn er aber nicht den ersten Platz einnehmen kann,
nimmt er immer auf der falschen Seite Stellung. Er handelt nach Gefühlen. Er will nicht am selben
Strang ziehen,
319
sondern stellt in Frage und vertritt gegensätzliche Ansichten, weil es seine Natur ist, Fehler zu suchen
und ein Verkläger seiner Brüder zu sein. Während er behauptet, für die Wahrheit zu eifern, strebt er
vom Körper weg. Er ist weder stark an moralischer Kraft noch im Glauben eingewurzelt und gegründet.
Die heiligen Grundsätze der Wahrheit sind nicht zum Bestandteil seiner Natur geworden. Man kann ihm
nicht vertrauen. Gott hat kein Wohlgefallen an ihm.
Bruder und Schwester E haben in der Erziehung ihrer Kinder nicht die Anweisungen des Wortes
Gottes befolgt. Diesen Kindern wurde gestattet, in großem Maße das Heim zu beherrschen und zu
kommen und zu gehen, wie es ihnen paßte. Werden sie nicht völlig anderen Einflüssen ausgesetzt, wird
man sie in den Reihen des Feindes finden, sich gegen Ordnung, Zucht und Unterwerfung auflehnend.
Kinder, denen man so ihren eigenen Willen läßt, sind nicht glücklich, und wenn die elterliche Autorität
mißachtet wird, dann wird auch Gottes Autorität nicht respektiert.
Die Aufgabe der Eltern ist feierlich und heilig, aber viele erkennen dies nicht, weil ihre Augen durch
den Feind aller Gerechtigkeit verblendet sind. Ihren Kindern wird erlaubt, unerzogen, unhöflich, vorlaut,
selbstzufrieden, undankbar und unheilig aufzuwachsen, während festes, entschiedenes und
gleichmäßiges Verhalten, in dem Gerechtigkeit und Güte mit Geduld und Selbstbeherrschung
verbunden sind, wunderbare Resultate erzielen würde.
Bruder E benötigt umwandelnde Gnade. Es besteht keine Sicherheit für ihn, wenn er an seinen
natürlichen Charakterfehlern festhält. Er muß fortwährend gegen sie ankämpfen. Wenn er nicht ein
Leben der Wachsamkeit und des Gebets führt, wird er unausgeglichen sein. Es besteht die Gefahr, daß
die Wahrheit durch seinen Einfluß behindert, falsch dargestellt und in Mißkredit gebracht wird. Er muß
achtgeben, sonst wird er in Ungläubigen Vorurteile erwecken, die nie wieder entfernt werden können.
Die menschliche Natur neigt dazu, in Extreme zu verfallen, von einem Extrem ins andere. Viele sind
Fanatiker. Sie
320
werden von einem feurigen Eifer verzehrt, der mit Religion verwechselt wird. Aber der Charakter ist der
wahre Prüfstein der Jüngerschaft. Besitzen sie die Sanftmut Christi? Offenbaren sie seine Demut und
angenehme Wohltätigkeit? Ist der Seelentempel von Stolz, Überheblichkeit, Selbstsucht und Tadelsucht
entleert? Wenn nicht, dann wissen sie nicht, wes Geistes Kind sie sind. Sie erkennen nicht, daß wahres
Christentum darin besteht, zur Verherrlichung Gottes viel Frucht zu bringen.
Andere gehen in ihrer Gleichförmigkeit mit der Welt ins andere Extrem. Zwischen ihnen und der Welt
besteht keine deutliche Trennungslinie. Während in einem Fall Menschen durch einen harten,
tadelsüchtigen, verurteilenden Geist von der Wahrheit weggetrieben werden, kommen sie im anderen
Fall zu dem Schluß, daß der bekenntliche Christ jeden Prinzips entbehrt und nichts von einer
Veränderung des Herzens oder Charakters weiß. „Lasset euer Licht leuchten vor den Leuten, daß sie
eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Matthäus 5,16), lauten die Worte Christi.
Es gibt viele, die nicht genau wissen, was einen christlichen Charakter ausmacht. Ihr Leben ist eine
Schande für die Wahrheit. Wenn sie sich von Grund auf bekehrten, würden sie nicht Dornen
hervorbringen, sondern reiche Trauben köstlicher Geistesfrüchte — „Liebe, Freude, Friede, Geduld,
Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit [Mäßigkeit].“ Galater 5,22. Die große Gefahr
besteht darin, das Werk am Herzen zu vernachlässigen. Viele sind sehr selbstzufrieden. Sie denken,
daß ein nominelles Beobachten des göttlichen Gesetzes genügt, während sie mit der Gnade Christi
unbekannt sind und er nicht durch den Glauben in ihren Herzen wohnt.
„Ohne mich,“ sagt Christus, „könnt ihr nichts tun.“ Johannes 15,5. Wenn seine Gnade durch unsere
menschlichen Bemühungen wirkt, vermögen wir alles zu tun. Seine Geduld und Sanftmut durchdringt
unser Wesen und verbreitet einen hellen Schein, der den Weg zum Himmel erleuchtet und deutlich
sichtbar macht. Indem wir sein Leben betrachten und nachahmen, werden wir in sein Ebenbild
umgewandelt. Die Herrlichkeit des Himmels wird in unser Leben scheinen und auf andere
widerstrahlen.
321
Am Gnadenthron finden wir Hilfe, die uns befähigt, so zu leben. Dies ist wahre Heiligung. Welch höhere
Stellung könnten Sterbliche je begehren, als mit Christo verbunden zu sein wie die Rebe mit dem
Weinstock?
Ich habe ein Bild gesehen, das einen Ochsen zwischen einem Pflug und einem Altar darstellte, mit
der Inschrift: „Zu beidem bereit“ — willig die Furchen im Acker zu ziehen oder auf dem Opferaltar zu
verbluten. Dies ist die Stellung, in der sich jedes Kind Gottes immer befinden sollte — willig, dahin zu
gehen, wo die Pflicht ruft, sich selbst zu verleugnen und für die Sache der Wahrheit Opfer zu bringen.
Die christliche Gemeinde wurde auf dem Grundsatz der Aufopferung gegründet. „Wer mir folgen will,“
sagte Christus, „der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach.“
Lukas 9,23. Er fordert das ganze Herz, die ganze Zuneigung. Der Eifer, der Ernst und die selbstlose
Arbeit, die seine geheiligten Nachfolger vor der Welt an den Tag legten, sollten unseren Eifer entzünden
und uns begeistern, ihr Vorbild nachzuahmen. Echte Religion verleiht uns eine Ernsthaftigkeit und
Festigkeit in der Absicht, welche den Charakter ins göttliche Ebenbild umgestaltet und uns befähigt, alle
Dinge gegenüber der Vorzüglichkeit Christi als Schaden zu erachten. Diese Zielstrebigkeit wird sich als
Element gewaltiger Macht erweisen.
Wir besitzen eine größere und feierlichere Wahrheit, als sie jemals Sterblichen anvertraut wurde,
und sind dafür verantwortlich, wie wir mit ihr umgehen. Jeder von uns sollte fest dazu entschlossen
sein, Seelen zu retten. Während wir alles, was wir können, tun sollen, damit andere die Wahrheit
liebgewinnen, sollten wir die Macht der Wahrheit an unseren eigenen Herzen und unserem Charakter
zeigen. Einen Sünder zu Christo zu bringen bedeutet, seinen ganzen Charakter zu erhöhen, ihm Würde
zu verleihen und ihn zu veredeln und ihn im Heim, in der Gesellschaft und in der Gemeinde zu einem
Segen zu machen. Ist dies nicht eine Arbeit, die unserer edelsten Kräfte wert ist?
Personen mit nur wenig Talent können viele Seelen für Christum gewinnen, wenn ihre Herzen von
Gottes Liebe erfüllt sind. Harlan Page war ein armer Handwerker mit gewöhnlichen
322
Fähigkeiten und beschränkter Bildung. Aber als Hauptbeschäftigung wählte er, Gottes Werk zu fördern,
und seine Bemühungen wurden von bemerkenswertem Erfolg gekrönt. Er wirkte in privaten
Gesprächen und in ernstem Gebet für die Rettung seiner Mitmenschen. Er organisierte
Gebetsversammlungen, richtete Sonntagsschulen ein und verteilte Trakte und andere religiöse
Literatur. Auf seinem Totenbett, als der Schatten der Ewigkeit auf seinem Angesicht ruhte, konnte er
sagen: „Ich weiß, daß alles durch Gottes Gnade geschieht, und daß es nicht mein Verdienst ist; doch
ich bin gewiß, daß durch mein persönliches Bemühen mehr als hundert Seelen zu Gott bekehrt
wurden.“
Jedes Gemeindeglied sollte nach einem bestimmten System an die Arbeit gebracht werden. Von
allen wird verlangt, etwas für den Herrn zu tun. Sie können Personen für christliche Literatur
interessieren. Sie können mit ihnen sprechen und beten. Der Prediger, der eine Gruppe fähiger Arbeiter
führt und sie unterrichtet und erzieht, wird hier herrliche Eroberungen haben. Ein reicher Lohn erwartet
ihn, wenn er am großen weißen Thron denen begegnen wird, die durch seinen Einfluß gerettet wurden.
„Tue etwas, tu es bald, mit all deiner Kraft.
Eines Engels Flügel würden erlahmen,
ließe er sie zu lange hängen.
Und wäre Gott selber untätig,
er wäre nicht länger glücklich.“
Nachdem die Gemeinde in ... zur Erkenntnis der Wahrheit kam, hätte sie fruchtbar in guten Werken
sein können. Sie hätte einen Einfluß ausüben können, der sie zu einer Macht auf seiten des Rechts
gemacht hätte, würden sie nur den notwendigen Ernst, Eifer und Liebe an den Tag gelegt haben. Aber
sie waren gleichgültig und sind jetzt kalt und tot. Einige haben geselligen Zusammenkünften beigewohnt
und eine irdische anstatt himmlische Atmosphäre mitgebracht. Die Gemeinde war nicht bereit, auf die
Anstrengungen zu reagieren, die für sie gemacht wurden. In ihrem gegenwärtigen Zustand kann sie
nicht die Notwendigkeit einsehen, daß sie zur Zusammenarbeit bereit sein
323
muß. Ihr Mangel an Ernsthaftigkeit und Weihe hat die Prediger entmutigt. Anstatt so sorglos zu sein,
sollte ein Gefühl persönlicher Verantwortlichkeit vorherrschen. Diese Gemeinde wird niemals gedeihen,
bis ihre Glieder ein Werk der Reform in ihren eigenen Herzen vornehmen. Viele, die sich zum Glauben
bekennen, sind schnell zufriedengestellt. Wenn sie ein wenig Selbstverleugnung geübt und ein bißchen
reformiert haben, sehen sie nicht die Notwendigkeit, weiter voranzugehen. Wie kommt es, daß so viele
„auf ihren Hefen liegen“? Diesseits des Himmels gibt es für uns keinen Ruheplatz. Keiner von uns sollte
mit seinen gegenwärtigen geistlichen Errungenschaften zufrieden sein. Niemand hat seine
Gelegenheiten ausgekauft, wenn er nicht einen ständigen Fortschritt aufweisen kann. Er muß klettern,
immer weiter klettern. Es ist das Vorrecht jedes Christen voranzugehen, bis er zur vollen Größe des
Mannesalters in Christo herangewachsen ist.
Wie sehr benötigen die lieben Geschwister in ... Unterweisung in persönlicher Frömmigkeit; wie sehr
brauchen sie die Arbeit eines Hirten! Aber sie tun nicht alles, was sie bereits wissen. Gott wird euch
prüfen, Geschwister, und einige werden sich als Spreu und einige als köstlicher Weizen erweisen. Gebt
der Macht des Versuchers nicht nach. Er wird als gewappneter Mann zu euch kommen. Räumt ihm
keinen Vorteil ein. Stellt euch der Pflicht und verteidigt jeden Zentimeter Boden. Anstatt
zurückzuweichen, geht voran. Anstatt schwach und entnervt zu werden, stählt euch für den Kampf. Gott
ruft euch auf, mit all euren Kräften gegen die Sünde in all ihren Formen anzukämpfen. Zieht die volle
Rüstung Gottes an. Richtet euren Blick fest auf den Herzog eurer Seligkeit, denn Gefahren stehen euch
bevor. Folgt keinen falschen Fahnen, sondern wacht über das Banner unseres heiligen Glaubens.
Befindet euch da, wo dieses Banner weht, sei es auch inmitten des heftigsten Kampfes. Bald wird der
Kampf vorüber und der Sieg gewonnen sein. Wenn ihr treu seid, werdet ihr durch ihn, der euch geliebt
hat, mehr als Sieger sein. Der glorreiche Preis, eine ewige, unvergängliche Herrlichkeit, wird dann euer
sein.
Kapitel 33: Die Sünde der Unzufriedenheit
Liebe Freunde, es wurde mir gezeigt, daß ihr als Familie unnötig unglücklich seid. Gott hat nicht
beabsichtigt, daß ihr euch in einem so elenden Zustand befinden sollt. Ihr habt eure Blicke von Jesu
abgewandt und euch zuviel mit euch selbst beschäftigt. Die große Sünde eurer Familie ist,
unnötigerweise über Gottes Vorsehung zu murren. Eure mangelnde Unterwürfigkeit in dieser Hinsicht
ist wirklich alarmierend. Ihr habt kleine Schwierigkeiten groß erscheinen lassen und zuviel über
Entmutigung gesprochen. Ihr habt die Gewohnheit, über alles zu klagen, und habt euch ohne Ursache
selbst unglücklich gemacht. Euer fortwährendes Murren trennt euch von Gott.
Ihr solltet euch von Satans bezaubertem Grund fernhalten und nicht zulassen, daß ihr von eurer
Treue gegenüber Gott abweicht. Durch Christum könnt und sollt ihr glücklich sein und
Selbstbeherrschung üben. Selbst eure Gedanken müssen dem Willen Gottes untergeordnet werden.
Bringt eure Gefühle unter die Herrschaft von Vernunft und Religion. Eure Einbildungskraft wurde euch
nicht verliehen, damit sie mit euch durchgehen und eigene Wege gehen sollte, ohne Bemühen, sie zu
zügeln und in Zucht zu halten. Sind die Gedanken verkehrt, werden auch die Gefühle verkehrt sein, und
Gedanken und Gefühle vereint, formen den moralischen Charakter. Wenn ihr als Christen entscheidet,
daß es nicht erforderlich ist, eure Gedanken und Gefühle in Schranken zu halten, geratet ihr unter den
Einfluß böser Engel und ladet ihre Gegenwart und ihre Herrschaft über euch ein. Wenn ihr euren
Eindrücken folgt und zulaßt, daß eure Gedanken sich mit Argwohn, Zweifel und Unzufriedenheit
befassen, werdet ihr die unglücklichsten Menschen sein. Euer Leben wird sich als Fehlschlag erweisen.
Liebe Schwester F, du leidest an krankhafter Einbildung. Du entehrst Gott, indem du erlaubst, daß
deine Gefühle völlig deine Vernunft und dein Urteil beherrschen. Du hast einen entschlossenen Willen,
der deinen Geist veranlaßt, auf den Körper einzuwirken, die Blutzirkulation durcheinanderzubringen und
Blutfülle in einigen Organen hervorzurufen. Du opferst deine Gesundheit deinen Gefühlen.
325
Du machst einen Fehler, der nicht nur dein eigenes Glück zerstört, wenn er nicht korrigiert wird. Du
richtest Schaden an, nicht nur bei dir selbst, sondern auch bei anderen Familiengliedern, besonders bei
deiner Mutter. Sie ist sehr nervös und höchst empfindsam. Wenn eines ihrer Kinder leidet, wird sie
irritiert und aufs äußerste beunruhigt. Ihre Sinne werden durch die häufigen hysterischen Anfälle, die sie
miterleben muß, nahezu aus dem Gleichgewicht gebracht. Du machst alle in deiner Umgebung
unglücklich. Du bist imstande, deine Einbildung zu beherrschen und diese nervösen Anfälle zu
überwinden. Du besitzt Willenskraft. Du solltest sie anwenden. Bis jetzt hast du es nicht getan, sondern
hast deine Einbildung über deine Vernunft herrschen lassen. Hiermit hast du den Geist Gottes betrübt.
Hättest du keine Gewalt über deine Gefühle, wäre dies keine Sünde. Aber es wäre noch lange keine
Entschuldigung, dem Feind nachzugeben. Dein Wille muß geheiligt und unterworfen werden, anstatt
sich in Widerstand gegen den göttlichen Willen zu erheben.
Meine lieben Freunde, anstatt gegen Krankheit anzukämpfen, hegt und pflegt ihr sie und unterwerft
euch ihrer Gewalt. Vermeidet die Anwendung von Medikamenten und beachtet sorgfältig die
Gesundheitsgesetze. Wenn ihr Achtung vor eurem Leben habt, solltet ihr einfache Nahrung zu euch
nehmen, auf einfachste Weise zubereitet, und euch mehr körperlich bewegen. Jedes Familienglied
braucht den Nutzen der Gesundheitsreform. Medikamente sollten für immer aufgegeben werden, denn
sie werden keine Krankheit heilen, sondern den Organismus schwächen und ihn für Krankheiten
empfänglicher machen.
Der Mensch ist in eine Welt des Kummers, der Sorge und der Verwirrung hineingestellt. Er befindet
sich hier, um geprüft und erprobt zu werden wie Adam und Eva, damit er einen rechten Charakter
entwickeln und Unordnung und Verwirrung in Harmonie umgestalten kann. Wir können viel zu unserem
eigenen Wohlergehen und zum Glück anderer beitragen. Wir können viel Freude haben. Durch
Christum werden wir in Verbindung mit Gott gebracht. Die Mitteilung seine Gnade stellt
326
uns unter eine fortwährende Verpflichtung. Während wir fühlen, daß wir seiner Wohltaten unwürdig
sind, sollten wir selbst die kleinsten zu schätzen wissen.
Für alles, was ihr habt und seid, liebe Freunde, seid ihr Gott verpflichtet. Er hat euch Kräfte
verliehen, die in gewisser Hinsicht den seinen gleichen. Ihr müßt ernstlich bemüht sein, diese Kräfte zu
entwickeln, nicht um euch selbst zu gefallen und zu erhöhen, sondern um ihn zu verherrlichen. Ihr habt
eure Vorzüge nicht voll in Anspruch genommen. Ihr müßt euch dazu erziehen, Verantwortung zu
tragen. Der Verstand muß entwickelt werden. Wenn er durch Untätigkeit einrostet, wird er
herabgewürdigt.
Die Erde ist des Herrn. Hier können wir sehen, daß die belebte und unbelebte Natur seinem Willen
gehorcht. Gott erschuf den Menschen als ein höherstehendes Wesen. Er allein wurde nach Gottes
Ebenbild geformt und ist fähig, Teilhaber der göttlichen Natur zu werden. Er kann mit seinem Schöpfer
zusammenarbeiten und seine Pläne ausführen. Und er allein befindet sich im Kampf mit Gottes
Absichten.
Wie wunderbar, in welcher Schönheit ist alles in der Natur angeordnetÜberall begegnen wir den
vollkommenen Werken des großen Meisterkünstlers. Die Himmel verkündigen seine Herrlichkeit. Die
Erde, die zur Freude des Menschen erschaffen wurde, spricht von seiner unvergleichlichen Liebe. Ihre
Oberfläche ist keine langweilige Ebene. Majestätische Berge sorgen für Abwechslung in der
Landschaft. Da sind glitzernde Ströme, fruchtbare Täler, herrliche Seen, breite Flüsse und der
unendliche Ozean. Gott sendet Tau und Regen, die durstige Erde zu erquicken. Die leichten Winde, die
durch Reinigung und Kühlung der Atmosphäre die Gesundheit fördern, werden von seiner Weisheit
beherrscht. Er hat die Sonne an den Himmel gestellt, um Tag und Nacht zu kennzeichnen und durch
ihre milden Strahlen der Erde Licht und Wärme zu geben, damit die Vegetation wachsen kann.
Ich lenke eure Aufmerksamkeit auf die Segnungen der freigebigen Hand Gottes. Laßt die frische
Schönheit eines jeden neuen Morgens in euren Herzen Lob erwecken für diese Zeichen
327
seiner liebevollen Fürsorge. Während unser freundlicher himmlischer Vater uns so viele Dinge zur
Förderung unseres Glücks geschenkt hat, gibt er auch verborgene Segnungen. Er versteht die
Bedürfnisse des gefallenen Menschen. Einerseits versieht er uns mit Vorteilen, andererseits läßt er
auch Unbequemlichkeiten zu, die uns veranlassen sollen, die uns verliehenen Fähigkeiten zu nutzen.
Diese entwickeln geduldigen Fleiß, Ausdauer und Mut.
Es gibt Übel, die der Mensch zwar verringern, denen er aber nicht entgehen kann. Er muß
Widerstände überwinden und seine Umgebung gestalten, anstatt sich von ihr formen zu lassen. Er kann
seine Talente anwenden, um dort, wo Unordnung herrscht, Ordnung und Harmonie herzustellen. In
diesem Bemühen kann er göttliche Hilfe haben, wenn er sie beansprucht. Er ist in Versuchung und
Schwierigkeiten nicht sich selbst überlassen. Ein allmächtiges Wesen hält Hilfe bereit. Jesus verließ
den königlichen Hof des Himmels und litt und starb in einer durch Sünden entarteten Welt, damit er die
Menschen lehren konnte, wie sie mit den Prüfungen des Lebens fertig werden und Versuchungen
überwinden können. Er ist unser Vorbild.
Fühlt ihr euch nicht getadelt wegen eurer undankbaren Klagen, wenn ihr die Segnungen betrachtet,
die unser himmlischer Vater seinen Geschöpfen zuteil werden läßt? Für eine Anzahl von Jahren
überließ er euch eine Tochter und Schwester, bis ihr sie als euer Eigentum betrachtetet und dachtet, ihr
hättet ein Recht auf diese gute Gabe. Gott hörte euer Murren. Sobald eine Wolke in Sicht kam, schient
ihr zu vergessen, daß je die Sonne geschienen hatte. Ihr wart ständig von Wolken und Finsternis
umgeben. Gott suchte euch mit Leiden heim. Er nahm euch euren Schatz, damit ihr lernen solltet,
zwischen Wohlergehen und wirklicher Not zu unterscheiden. Aber ihr habt eure Herzen nicht vor ihm
gedemütigt und eure große Sünde der Undankbarkeit bereut, die euch von seiner Liebe trennte. Gleich
Hiob habt ihr gefühlt, daß ihr Ursache zum Kummer hattet und wolltet nicht getröstet werden. War das
vernünftig? Ihr wußtet, daß der Tod eine Macht ist, der niemand widerstehen kann. Durch euren
nutzlosen Gram habt ihr euer Leben beinahe unbrauchbar
328
gemacht. Eure Gefühle waren schon fast Empörung gegen Gott. Ich sah, daß ihr euch völlig eurem
Verlust hingabt und euren erregten Gefühlen nachgegeben habt, bis eure lauten, unkontrollierten
Schmerzbekundungen die Engel veranlaßten, ihr Angesicht zu verbergen und sich von der Szene
zurückzuziehen.
Habt ihr, während ihr euren Gefühlen freien Lauf ließet, daran gedacht, daß ihr einen Vater im
Himmel habt, der seinen einzigen Sohn um unseretwillen in den Tod dahingab, damit der Tod kein
ewiger Schlaf sein sollte? Habt ihr euch daran erinnert, daß der Herr des Lebens und der Herrlichkeit
durchs Grab ging und es mit seiner eigenen Gegenwart erhellte? Der geliebte Jünger schreibt: „Selig
sind die Toten, die in dem Herrn sterben von nun an. Ja, der Geist spricht, daß sie ruhen von ihrer
Arbeit; denn ihre Werke folgen ihnen nach.“ Offenbarung 14,13. Der Apostel wußte sehr wohl, wovon er
sprach, als er diese Worte schrieb. Stimmt aber euer Verhalten mit diesem Trostwort überein, wenn ihr
unbeherrschtem Schmerz nachgebt?
Der Herr ist gnädig, barmherzig und treu. Er hat der einen von eurem Haushalt, die am
unschuldigsten und am besten vorbereitet war, gestattet, während der Gefahren der letzten Tage zu
ruhen. O, verschließt doch nicht eure Herzen vor Gesang und Freude; trauert nicht, als ob es keine
Auferstehung von den Toten gäbe. Preist Gott, daß es für sie keinen Tod, keine Prüfungen und keine
Sorgen mehr gibt. Sie ruht in Jesu, bis der Lebensspender seine schlafenden Heiligen zu einer
herrlichen Unsterblichkeit auferweckt.
F hat ein Werk zu tun, durch die Gnade Gottes Herrschaft über ihre Gefühle zu erlangen. Sie weiß,
daß sie sich nicht im Himmel befindet, sondern in einer Welt, wo der Tod regiert und wo unsere Lieben
in jedem Augenblick dahingerafft werden können. Sie sollte bedenken, daß die große Last des Lebens
uns auf eine bessere Welt vorbereiten soll. Wenn sie sich fest an das ewige Leben klammert, wird es
sie nicht für das Leben in dieser Welt und das Tragen der Lebenslast unfähig machen, sondern ihr in
der Verrichtung selbstverleugnender, opferwilliger Pflichten helfen.
329
Ihr als Familie habt euch in Finsternis und Klagen gehüllt, bis ihr selbst ein Abbild davon geworden
seid. Ihr scheint gegenseitig auf eure Gefühle einzuwirken und nervöse Erregung hervorzurufen, so daß
ihr euch selbst eine düstere, traurige, trübe Atmosphäre schafft. Ihr habt Trauerzusammenkünfte
veranstaltet. Aber diese ziehen keine Engel an. Wenn ihr euer Verhalten nicht ändert, wird Gott euch
noch nähertreten und sein Gericht über euch ergehen lassen. Ist es nicht an der Zeit, daß ihr in eurem
Heim Dankgottesdienste abhaltet, um Gott für die Segnungen zu preisen, die er euch zuteil werden
ließ?
Die Macht der Wahrheit sollte genügen, in jedem Unglück zu unterstützen und zu trösten. Die
Religion Christi offenbart ihren wahren Wert, indem sie ihren Besitzer befähigt, über jedes Leid zu
triumphieren. Sie bringt den Appetit, die Leidenschaften und die Gefühle unter die Herrschaft der
Vernunft und des Gewissens und erzieht die Gedanken, sich in gesunden Bahnen zu bewegen. Dann
wird die Zunge Gott nicht durch sündhaftes Klagen entehren.
Unser Schöpfer beansprucht das ihm gebührende Recht, mit den Geschöpfen seiner Hand nach
eigenem Gutdünken zu handeln. Er hat das Recht zu regieren, wie er will, und nicht wie der Mensch es
wählt. Aber er ist kein strenger Richter, kein harter, strenger Gläubiger. Er ist der Brunnquell der Liebe,
der Geber unzähliger Gaben. Es sollte euch aufs tiefste betrüben, daß ihr solche Liebe mißachtet habt
und daß nicht Lob und Dank für die wunderbare Güte Gottes aus eurem Herzen geflossen sind. Wir
verdienen nicht all seine Wohltaten. Sie werden uns aber trotz unserer Unwürdigkeit und grausamen
Undankbarkeit zuteil. Deshalb hört auf mit Klagen, als befändet ihr euch als Sklaven unter einem harten
Aufseher. Jesus ist gut. Preist ihn. Preist ihn, der eures Angesichts Hilfe und euer Gott ist.
Kapitel 34: „Lobet den Herrn“
„Alles, was Odem hat, lobe den Herrn!“ Psalm 150,6. Haben wir schon recht darüber nachgedacht,
wieviel wir besitzen, wofür wir dankbar sein sollten? Denken wir daran, daß die Güte des Herrn jeden
Morgen neu ist, und daß seine Treue nicht aufhört? Erkennen wir unsere Abhängigkeit von ihm an, und
danken wir ihm für all seine Güte? Im Gegenteil, wir vergessen nur zu oft, daß „jede gute und alle
vollkommene Gabe kommt von obenherab, von dem Vater des Lichts.“ Jakobus 1,17.
Wie oft vergessen die Menschen in gesunden Tagen die wunderbare Gnade, die ihnen Tag für Tag
und Jahr um Jahr zuteil wird. Sie bringen Gott keine Dankopfer für alle seine Segnungen dar. Tritt aber
Krankheit ein, dann denken sie an Gott. Das starke Verlangen nach Genesung treibt sie zu ernstem
Gebet, und das ist recht. Gott ist unsere Zuflucht in Krankheit und Gesundheit. Aber viele überlassen
ihm nicht ihren Fall; sie verschlimmern Schwäche und Krankheit, indem sie sich Sorgen machen.
Würden sie aufhören zu zagen und sich über Niedergeschlagenheit und Trübsinn erheben, so würde
ihre Genesung sicherer sein. Sie sollten dankbar daran denken, wie lange sie sich des Segens der
Gesundheit erfreuten; und wenn ihnen diese köstliche Gabe wieder zuteil wird, so dürfen sie nicht
vergessen, daß sie ihrem Schöpfer gegenüber unter erneuter Verpflichtung stehen. Als die zehn
Aussätzigen geheilt wurden, kehrte nur einer zu Jesu zurück, um ihm die Ehre zu geben. Laßt uns nicht
sein wie die gedankenlosen Neun, deren Herzen nicht von der Barmherzigkeit Gottes gerührt wurden.
Gott ist Liebe. Er trägt Sorge für die Geschöpfe, die er gemacht hat. „Wie sich ein Vater über Kinder
erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, so ihn fürchten.“ Psalm 103,13. „Sehet, welch eine Liebe hat
uns der Vater erzeigt, daß wir Gottes Kinder sollen heißen!“ 1.Johannes 3,1. Welch ein köstliches
Vorrecht ist es, Söhne und Töchter des Allerhöchsten, Erben Gottes und Miterben Jesu Christi sein zu
können. Deshalb laßt uns nicht murren und klagen, weil wir in diesem Leben nicht frei sind von
Enttäuschungen und Leiden. Sind wir in der Vorsehung
331
Gottes dazu berufen, Prüfungen zu erdulden, so laßt uns das Kreuz auf uns nehmen und den bitteren
Kelch trinken, indem wir daran denken, daß es eines Vaters Hand ist, der ihn an unsere Lippen hält.
Laßt uns ihm vertrauen sowohl in der Dunkelheit als auch am Tage. Können wir nicht glauben, daß er
uns alles geben wird, was zu unserem Besten ist? „Welcher auch seines eigenen Sohnes nicht hat
verschont, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben; wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?“
Römer 8,32. Wie können wir uns weigern, selbst in der Nacht der Leiden Herz und Stimme in
dankbarem Lob zu erheben, wenn wir an die Liebe denken, die am Kreuz auf Golgatha ihren Ausdruck
fand?
Welch ein Gegenstand zum Nachdenken ist das Opfer, welches Jesus für verlorene Sünder brachte!
„Er ist um unserer Missetat willen verwundet, und um unserer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt
auf ihm, auf daß wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ Jesaja 53,5. Wie können
wir die Segnungen schätzen, die für uns hierdurch erreichbar wurden? Hätte Jesus mehr leiden
können? Hätte er uns reichere Segnungen erwerben können? Sollte es nicht das härteste Herz
erweichen, daran zu denken, daß er um unseretwillen die Glückseligkeit und Herrlichkeit des Himmels
verließ und Armut und Schande, grausame Leiden und einen schrecklichen Tod erlitt? Hätte er uns
nicht durch seinen Tod und seine Auferstehung das Tor der Hoffnung geöffnet, so hätten wir nur die
Schrecken der Finsternis und den Jammer der Verzweiflung gekannt. Wir können in unserem jetzigen
begünstigten und gesegneten Zustand nicht erkennen, von welchen Tiefen wir errettet sind. Wir können
nicht ermessen, wieviel größer unsere Trübsal und unser Weh gewesen wären, wenn Jesus uns nicht
mit seinem menschlichen Arm der Teilnahme und Liebe umfaßt und erhoben hätte.
Wir können fröhlich sein in Hoffnung. Unser Mittler befindet sich im himmlischen Heiligtum und bittet
für uns. Durch seine Verdienste haben wir Vergebung und Frieden. Er starb, um unsere Sünden
abzuwaschen, uns mit seiner Gerechtigkeit zu bekleiden und geschickt zu machen für die Gemeinschaft
der
332
Bewohner des Himmels, wo wir ewig im Lichte wohnen dürfen. Lieber Bruder, liebe Schwester, wenn
Satan dich mit Kleinmut, Traurigkeit und Zweifel erfüllen will, so widerstehe seinen Einflüsterungen.
Sage ihm, daß das Blut Jesu uns rein macht von aller Sünde. Du kannst dich selbst nicht von der Macht
des Versuchers retten; aber er erzittert und flieht, wenn du dich auf die Verdienste dieses kostbaren
Blutes berufst. Willst du nun nicht dankbar die Segnungen annehmen, die Jesus verleiht? Willst du nicht
den Kelch des Heils nehmen, den er dir anbietet, und den Namen des Herrn anrufen? Zeige nicht, daß
du dem mißtraust, der dich aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht berufen hat. Betrübe
keinen Augenblick das Herz des mitleidsvollen Heilandes durch deinen Unglauben. Er verfolgt mit dem
tiefsten Anteil deine Fortschritte auf dem Himmelsweg. Er sieht deine ernsten Bemühungen, er bemerkt
deine Abweichungen und dein Umkehren, deine Hoffnung und deine Furcht, deine Kämpfe und deine
Siege.
Soll unser ganzer Gottesdienst nur in Bitten und Nehmen bestehen? Sollen wir nur stets an unsere
Wünsche denken und nicht an die Segnungen, die wir empfangen? Sollen wir Empfänger der Gnade
Gottes sein und ihm niemals unseren Dank aussprechen, ihn niemals für das preisen, was er für uns
getan hat? Wir beten durchaus nicht zuviel, aber wir sind mit unserem Dank zu zurückhaltend. Würde
die Güte Gottes mehr Dank und Lob in uns hervorrufen, so würden wir mehr Kraft im Gebet haben. Wir
würden immer mehr in der Liebe Gottes zunehmen und mehr erhalten, wofür wir ihn loben können. Der
du klagst, daß Gott deine Gebete nicht erhöre, ändere die bisherige Weise und sende Lobpreisungen
mit deinen Bitten empor. Gedenkst du seiner Güte und Gnade, so wirst du finden, daß er auch deine
Bedürfnisse beachtet.
Bete, bete ernstlich und ohne Unterlaß, aber vergiß nicht zu loben. Es gebührt jedem Kinde Gottes,
seinen Charakter zu rechtfertigen. Du kannst den Herrn verherrlichen; du kannst die Macht der Gnade,
die dich erhält, bekunden. Unzählige schätzen nicht die große Liebe Gottes, noch das göttliche
Erbarmen Jesu. Tausende verachten sogar die unvergleichliche Gnade, die im
333
Erlösungsplan offenbart ist. Alle Teilhaber dieses großen Heils sind sich über diesen Punkt nicht klar
und pflegen deshalb keine dankbaren Herzen. Aber die Erlösung ist etwas, das selbst die Engel
gelüstet zu schauen. Sie wird die Wissenschaft und der Gesang der Erlösten durch die endlosen
Zeitalter der Ewigkeit sein. Ist sie jetzt nicht des ernsten Nachdenkens und Studiums wert? Sollten wir
Gott nicht mit Seele, Herz und Mund preisen für „seine Wunder, die er an den Menschenkindern tut“?
Psalm 107,8.
Lobet den Herrn in der Versammlung seines Volkes! Wenn in alter Zeit das Wort des Herrn zu den
Hebräern gesprochen wurde, so lautete das Gebot: „Und alles Volk spreche: Amen!“ Psalm 106,48. Als
die Bundeslade in die Stadt Davids gebracht wurde, sprach alles Volk: „Amen! und: Lobe den Herrn.“
1.Chronik 16,36. Diese eifrige Antwort war ein Beweis, daß sie das gesprochene Wort verstanden und
an der Anbetung Gottes teilnahmen.
Es herrscht zuviel Formenwesen in unseren Gottesdiensten. Der Herr möchte, daß seine Prediger,
die das Wort verkündigen, von seinem Heiligen Geiste belebt werden, und die Zuhörer nicht in träger
Gleichgültigkeit dasitzen oder vor sich hin starren, ohne etwas auf das Gesprochene zu erwidern. Der
Eindruck, der dadurch auf die Ungläubigen gemacht wird, ist sicherlich nicht günstig für die Religion
Christi. Diesen teilnahmslosen, sorglosen, vorgeblichen Christen mangelt es nicht an Ehrgeiz und Eifer,
wenn weltliche Angelegenheiten sie beschäftigen; aber Dinge von ewiger Wichtigkeit machen keinen
tiefen Eindruck auf sie. Die Stimme Gottes durch seine Boten mag ihnen ein angenehmer Klang sein,
aber die heiligen Warnungen, Mahnungen und Ermutigungen werden nicht beachtet. Der Weltgeist hat
sie gelähmt. Die Wahrheiten des Wortes Gottes werden zu tauben Ohren und zu harten,
unempfänglichen Herzen geredet. Die Gemeinden sollten hellwach und tätig sein, um die Prediger
Christi zu ermutigen und zu stärken und ihnen in dem Werk der Seelenrettung zu helfen. Wo die
Gemeinde im Lichte wandelt, da werden stets fröhliche, herzliche Antworten und Worte freudigen Lobes
vernommen werden.
334
Unser Gott, der Schöpfer Himmels und der Erde, sagt: „Wer Dank opfert, der preiset mich.“ Psalm
50,23. Der ganze Himmel vereint sich zum Lobe Gottes. Laßt uns jetzt das Lied der Engel lernen, damit
wir es singen können, wenn wir uns ihren leuchtenden Reihen anschließen. Laßt uns mit dem
Psalmisten sagen: „Ich will den Herrn loben, solange ich lebe, und meinem Gott lobsingen, solange ich
hier bin.“ Psalm 146,2. „Es danken dir, Gott, die Völker; es danken dir alle Völker.“ Psalm 67,4.
Kapitel 35: Die Verantwortung der Eltern
Eltern sind in großem Maße verantwortlich für die Charakterbildung ihrer Kinder. Sie müssen auf
gleichmäßige Entwicklung achten. Es gibt nur wenig wohl ausgewogene Gemüter, weil Eltern ihre
Pflicht sträflich vernachlässigt haben, schwache Wesenszüge zu entwickeln und verkehrte zu
unterdrücken. Sie denken nicht darüber nach, daß sie feierlich verpflichtet sind, die Neigungen eines
jeden Kindes zu überwachen und daß sie ihre Kinder zu rechten Gewohnheiten und richtiger
Denkweise heranziehen müssen.
Manchmal erwarten die Eltern vom Herrn, daß er das Werk tun soll, das er ihnen aufgetragen hat.
Anstatt ihren Kindern Einschränkungen aufzuerlegen und sie zu kontrollieren, wie sie es tun sollten,
befriedigen sie all ihre Ansprüche und Wünsche und verwöhnen sie in jeder Weise. Wenn diese Kinder
ihr Heim verlassen, sind ihre Charaktere durch Egoismus verdorben, ihre Eßlust ist unbeherrscht und
ihr Eigenwille stark. Sie haben weder Achtung vor ihren Eltern noch freundliche Gefühle für sie und
keine Liebe für religiöse Wahrheit oder die Anbetung Gottes. Sie sind mit Wesenszügen aufgewachsen,
die ihnen selbst und anderen zum lebenslangen Fluch gereichen. Das Heim ist alles andere als
glücklich, wenn dem bösen Unkraut des Streits, der Selbstsucht, des Neides, der Leidenschaft und des
mürrischen Eigensinns gestattet wird, im vernachlässigten Seelengarten zu gedeihen.
335
Eltern dürfen keine Parteilichkeit aufkommen lassen, sondern sollten jedes ihrer Kinder mit
Zartgefühl behandeln, daran denkend, daß sie Christi bluterkauftes Eigentum sind. Kinder ahmen ihre
Eltern nach. Wie sorgsam sollten sie deshalb sein, ihnen ein rechtes Beispiel zu geben! Eltern, die
daheim freundlich und höflich, zu gleicher Zeit auch fest und entschlossen sind, werden die gleichen
Wesenszüge bei ihren Kindern sehen. Sind sie aufrichtig, ehrlich und ehrenhaft, werden die Kinder sie
ebenfalls in diesen Tugenden nachahmen. Sind die Eltern ehrerbietig und beten sie Gott an, werden sie
ihre Kinder in gleicher Weise erziehen, so daß diese nicht vergessen werden, ihm auch zu dienen.
Es ist oftmals der Fall, daß Eltern nicht darauf achten, ihre Kinder mit den rechten Einflüssen zu
umgeben. Wenn sie ein Heim wählen, ziehen sie mehr weltliche Interessen in Betracht als die
moralische und gesellschaftliche Atmosphäre. Die Kinder stellen Verbindungen her, die der Entwicklung
von Frömmigkeit und eines guten Charakters entgegenwirken. Dann gestatten die Eltern der Welt, ihre
Zeit, Kräfte und Gedanken völlig in Anspruch zu nehmen. Wenn der Sabbat naht, sind sie so sehr
erschöpft, daß sie für ihren Gott an seinem heiligen Tag nichts haben, keine süße Liebe, die häusliche
Atmosphäre zu erwärmen und den Sabbat zu einer Freude für ihre Kinder zu machen. Sie werden
selten von einem Prediger besucht, weil sie sich außerhalb der Reichweite religiöser Vorteile begeben
haben. Die Seele wird von Gleichgültigkeit erfaßt. Die Kinder werden durch falschen Umgang befleckt,
und das Zartgefühl der Seele, das sie einst empfanden, erstirbt und gerät in Vergessenheit.
Eltern klagen die Kanaaniter an, die ihre Kinder dem Moloch opferten. Aber was tut ihr selbst? Ihr
bringt eurem Gott Mammon das kostbarste Opfer. Wenn eure Kinder dann mit unschönen und nicht
liebenswerten Charakterzügen heranwachsen, wenn sie keine Neigung zu Frömmigkeit zeigen und
ungläubig sind, klagt ihr den Glauben an, zu dem ihr euch bekennt, weil er unfähig war, sie zu retten. Ihr
erntet nur, was ihr gesät habt — das Resultat eurer eigensüchtigen Liebe zur Welt und der
336
Vernachlässigung der Gnadenmittel. Ihr seid mit eurer Familie an eine Stätte der Versuchung gezogen.
Gottes Bundeslade, eure Herrlichkeit und euren Schutz, habt ihr nicht für notwendig erachtet, und der
Herr tat kein Wunder, um eure Kinder aus der Versuchung zu befreien.
Ihr, die ihr bekennt, Gott zu lieben, nehmt Jesum überall mit, wohin ihr auch geht. Errichtet überall,
wo ihr euer Zelt aufschlagt, einen Altar für den Herrn, wie es die Patriarchen vor alters taten. In dieser
Hinsicht ist eine Reformation nötig, — eine Reformation, tief und weitreichend. Eltern müssen
reformieren, Prediger müssen reformieren. Sie brauchen Gott in ihren Familien. Sie müssen bauen, was
wüst gelegen ist in Zion, ihre Tore einsetzen und starke Schutzmauern zur Verteidigung des Volkes
errichten.
In dieser Zeit muß ein entschiedenes Werk getan werden, und Eltern sollten ihre Kinder dazu
erziehen, sich daran zu beteiligen. Die Worte Mardochais an Esther mögen sich an die Menschen und
die Jugend von heute richten: „Wer weiß, ob du nicht um dieser Zeit willen zur königlichen Würde
gekommen bist?“ Ester 4,14. Junge Männer sollten Festigkeit des Charakters entwickeln, damit sie zur
Brauchbarkeit befähigt sind. Daniel und Joseph waren Jugendliche mit festen Grundsätzen, die Gott
brauchen konnte, seine Absichten auszuführen. Achtet auf ihre Geschichte und schaut darauf, wie Gott
für sie wirkte. Joseph begegnete einer Vielfalt von Erfahrungen, die seinen Mut und seine Aufrichtigkeit
auf härteste Proben stellten. Nachdem er an die Ägypter verkauft worden war, wurde er zunächst
begünstigt und mit großer Verantwortung betraut. Doch plötzlich wurde er, obgleich er gänzlich
unschuldig war, ungerecht verklagt und ins Gefängnis geworfen. Aber er ist nicht entmutigt. Er vertraut
auf Gott. Die Absicht seines Herzens und die Reinheit seiner Beweggründe kommen an den Tag.
Gottes Auge wacht über ihn, eine göttliche Hand leitet ihn, und bald sehen wir, wie er das Gefängnis
verläßt und den Thron Ägyptens mit dem König teilt.
Josephs bewegtes Leben war kein Unglück. Es war von der Vorsehung bestimmt. Aber was
befähigte ihn zu einer solchen
337
Charakterfestigkeit, Aufrichtigkeit und Weisheit? Es war das Resultat einer sorgfältigen Erziehung in
jungen Jahren. Er hatte eher Pflicht als Neigung zu Rate gezogen. Die Reinheit und das kindliche
Vertrauen des Knaben brachten Frucht in der Handlungsweise des Mannes. Die hervorragendsten
Talente haben keinen Wert, wenn sie nicht entwickelt werden. Gewohnheiten des Fleißes und der
Charakterstärke müssen durch Übung erlangt werden. Einen edlen moralischen Charakter und
Geistesschärfe bekommt man nicht von ungefähr. Gott gibt die Gelegenheiten. Der Erfolg hängt davon
ab, welcher Gebrauch davon gemacht wird. Wenn die Vorsehung Wege öffnet, muß man sie rasch
entdecken und sich ihrer mit Eifer bedienen.
Junge Männer, wenn ihr stark sein wollt, wenn ihr die Redlichkeit und Weisheit eines Josephs oder
Daniels begehrt, dann studiert die Heilige Schrift. Eltern, wenn ihr eure Kinder unterweisen möchtet,
Gott zu dienen und in der Welt Gutes zu tun, dann macht die Bibel zu eurem Lehrbuch. Es enthüllt die
List Satans. Es hebt die menschliche Rasse hoch empor. Es tadelt und korrigiert moralische
Übelstände. Es befähigt uns, zwischen dem Wahren und Falschen zu unterscheiden. Was auch immer
daheim oder in der Schule gelehrt wird — die Bibel sollte als großer Erzieher an erster Stelle stehen.
Wird ihr dieser Platz eingeräumt, empfängt Gott die ihm gebührende Ehre, und er wird für euch wirken
in der Bekehrung eurer Kinder. In diesem heiligen Buch ist eine reichhaltige Mine der Wahrheit und
Schönheit enthalten. Eltern verdienen Tadel, wenn sie es für ihre Kinder nicht äußerst interessant
machen.
Für viele bedeutet Erziehung eine Erkenntnis, die aus Büchern erlangt wird. Aber „die Furcht des
Herrn ist der Weisheit Anfang.“ Psalm 111,10. Das wahre Ziel der Erziehung ist die Wiederherstellung
des Bildes Gottes in der Seele. Die erste und köstlichste Erkenntnis ist die Erkenntnis Christi. Kluge
Eltern werden ihren Kindern diese Tatsache einprägen. Sollte ein Knochen brechen, würden Eltern
jedes Mittel anwenden, das Liebe oder Weisheit ersinnen kann, damit das Glied ordentlich
zusammenwächst, so daß seine Schönheit und Brauchbarkeit erhalten bleibt. Das ist richtig, es ist ihre
Pflicht. Aber der Herr
338
fordert, daß noch größere Klugheit, Geduld und ausdauerndes Bemühen aufgewandt wird, um die
Verletzungen der Seele zu heilen. Ein Vater, der seinen Kindern kein christlicher Lehrer, Herrscher und
Freund ist, der sie nicht durch starke Bande geheiligter Liebe an sein Herz bindet — einer Liebe, die ihr
Fundament in treuer Pflichterfüllung hat — ist des Namens Vater unwürdig.
Eltern haben eine große und verantwortungsvolle Aufgabe, und sie mögen sich wohl die Frage
stellen: „Wer ist hierzu tüchtig?“ Gott hat verheißen, denen Weisheit zu verleihen, die ihn im Glauben
darum bitten. Er wird tun, was er verheißen hat. Ihm gefällt der Glaube, der ihn beim Wort nimmt. Die
Mutter von Augustinus betete um die Bekehrung ihres Sohnes. Sie sah keine Beweise, daß Gottes
Geist an seinem Herzen wirkte, aber sie ließ sich nicht entmutigen. Sie legte ihren Finger auf den Text,
legte Gott seine eigenen Worte vor und betete, wie nur eine Mutter beten kann. Ihre tiefe Demütigung,
ihr ernstes Flehen, ihr unwandelbarer Glaube siegten, und der Herr erfüllte ihren Herzenswunsch.
Heute ist er genauso bereit, auf die Bitten seines Volkes zu hören. „Des Herrn Hand ist nicht zu kurz,
daß er nicht helfen könne, und seine Ohren sind nicht hart geworden, daß er nicht höre.“ Jesaja 59,1.
Wenn christliche Eltern ihn ernsthaft suchen, wird er ihnen Argumente eingeben, und um seines
Namens willen wird er für sie mächtig zur Bekehrung ihrer Kinder wirken.
Kapitel 36: Die Erziehung der Kinder
Lieber Bruder und liebe Schwester G, ich bin beunruhigt über euren Fall. Mir sind Gefahren bewußt,
die ihr scheinbar nie erkannt habt. Habt ihr euch je Gedanken über eure Pflicht gemacht, die ihr euren
Kindern gegenüber habt, denen ihr das Leben gabt? Habt ihr darüber nachgedacht, ob diese Kinder
von euch eine Erziehung und Zucht empfangen, die sie dazu führt, ihren Schöpfer in ihren jungen
Jahren zu ehren? Habt ihr in Betracht gezogen, daß ihr sie dazu erzieht, Gott zu entehren, wenn
339
ihr versäumt, sie zu lehren, euch als Vater und Mutter zu respektieren und sich eurer Autorität zu
unterwerfen? Jedesmal, wenn ihr ihnen erlaubt, daß sie eure Autorität mit Füßen treten und daß ihr
Wille euren Willen beherrscht, fördert ihr einen Fehler, der ihre ganze Erfahrung beeinflussen wird,
sollten sie je an Religion interessiert sein. Er wird sie veranlassen, die göttliche Autorität ebenfalls zu
mißachten und mit Füßen zu treten.
Die Frage, die ihr lösen müßt, lautet: „Ziehe ich Kinder heran, um den Einfluß der Mächte der
Finsternis zu stärken und ihre Reihen zu füllen, oder erziehe ich Kinder für Christum?“ Wenn ihr eure
Kinder nicht in Zucht haltet und ihre Charaktere so bildet, daß sie den Anforderungen Gottes genügen,
dann wäre es für euch, ihre Eltern, und für die Gesellschaft weit besser, weniger Kinder in die Welt zu
setzen, die wegen der fehlerhaften Erziehung nur zu leiden haben. Wenn Kinder nicht vom
Säuglingsalter an durch eine weise, verständige Mutter erzogen und in Zucht gehalten werden können,
einer Mutter, die gewissenhaft und klug ist und ihr Haus in der Furcht Gottes führt und den Charakter
ihrer Kinder so formt, daß er dem Maßstab der Gerechtigkeit entspricht — dann ist es eine Sünde, eure
Familie zu vergrößern. Gott hat euch einen Verstand gegeben, und er erwartet, daß ihr ihn benutzt.
Ihr solltet euch verpflichtet fühlen, durch geduldiges, sorgfältiges Bemühen und unter ernstem,
inbrünstigem Gebet die Charaktere eurer Kinder so zu formen, daß sie daheim, in der Gemeinde und in
der Gesellschaft ein Segen sein können. Ihr werdet keinen Lohn für eure Arbeit empfangen, wenn ihr
zulaßt, daß eure Kinder vom Feind aller Gerechtigkeit beherrscht werden. Lohn ist nur denen
verheißen, die gewissenhaft ihre Charaktere nach dem göttlichen Vorbild gestalten. Wenn ihr diese in
ihren Folgen so weitreichende Aufgabe vernachlässigt, weil es euch im Augenblick bequemer ist; wenn
ihr eure Kinder moralisch verunstaltet aufwachsen laßt, während ihre Füße den breiten Weg zur
Verdammnis beschreiten, wie könnt ihr erwarten, daß Gott euer Werk gutheißen wird? Diejenigen, die
nicht imstande sind, sich selbst heranzubilden und mit allen Kräften verständig ans Werk zu gehen, ihre
Kinder Jesu zuzuführen,
340
sollten sich entschließen, nicht die Verantwortung auf sich zu nehmen, Eltern zu werden.
Mütter müssen willig und sogar ängstlich darauf bedacht sein, sich für ihre wichtige Aufgabe, den
Charakter ihrer Kinder zu formen, zu qualifizieren. Laßt sie ihre zarten Schützlinge leiten, unterweisen
und in Schranken weisen. Väter und Mütter müssen sich in diesem Werk einig sein. Schwäche im
Fordern von Gehorsam, falsche Liebe und Sympathie — die verkehrte Vorstellung, daß Verwöhnen
anstatt Einschränkung Weisheit sei — bringt ein Erziehungssystem hervor, das Engel betrübt, aber
worüber Satan frohlockt, weil es Hunderte und Tausende von Kindern in seine Reihen treibt. Deshalb
verblendet er die Augen der Eltern, benebelt ihr Empfindungsvermögen und verwirrt ihre Sinne. Sie
sehen, daß ihre Söhne und Töchter unliebenswürdig, lieblos, sorglos und ungehorsam sind. Und doch
füllen sie ihr Heim mit noch mehr Kindern, die nur ihr Leben vergiften und ihre Herzen mit Kummer
erfüllen und so die Zahl derer vergrößern, die Satan benutzt, um Seelen ins Verderben zu stürzen.
Ach, wann werden Eltern endlich weise werden? Wann werden sie ihr Werk im wahren Licht
erkennen, wenn sie es unterlassen, entsprechend dem Worte Gottes Gehorsam und Respekt zu
fordern? Das Resultat dieser lässigen Erziehung tritt deutlich hervor, wenn diese Kinder in die Welt
hinausgehen und ihren Platz als Haupt einer eigenen Familie einnehmen. Sie verewigen das
Fehlverhalten ihrer Eltern. Ihre fehlerhaften Charakterzüge haben weiten Spielraum. Sie geben ihren
verkehrten Geschmack, ihre Gewohnheiten und Wesensarten, die ihren eigenen Charakter formten, an
andere weiter. So gereichen sie der Gesellschaft zum Fluch anstatt zum Segen.
Weil Männer und Frauen Gott nicht gehorchen, sondern eigene Wege wählen und ihrer verderbten
Einbildung folgen, ist es Satan gestattet, sein höllisches Banner in ihren Familien aufzupflanzen und
seine Macht durch Säuglinge, Kinder und Jugendliche zu entfalten. Seine Stimme und sein Wille
kommen im unbeherrschten Willen und dem verzogenen Wesen der Kinder zum Ausdruck. Durch sie
übt er beherrschende Macht aus
341
und bringt seine Pläne zur Ausführung. Gott wird entehrt durch die Ausbrüche ungeheiligten
Temperaments, die Ehrerbietung vor ihm ausschließen und dazu veranlassen, Satans Einflüsterungen
zu gehorchen. Die Sünde, die Eltern begehen, indem sie Satan die Vorherrschaft einräumen, geht über
jedes Begriffsvermögen. Sie streuen Samen aus, der Dornen und Disteln hervorbringt und jede Pflanze
himmlischen Ursprungs erstickt. Erst das Gericht wird das volle Ausmaß der Ernte zeigen. Wie traurig
ist der Gedanke, daß, wenn das Leben und die begangenen Fehler im Lichte der Ewigkeit betrachtet
werden, die Einsicht zu spät kommt, um noch von Nutzen zu sein.
Das gänzliche Versäumnis, Kinder für Gott zu erziehen, hat das Übel verewigt und viele in die
Reihen des Feindes gedrängt, die durch verständige Fürsorge Mitarbeiter Christi geworden wären.
Verkehrte Ansichten und törichte, fehlgeleitete Zuneigung haben Wesenszüge entwickelt, welche die
Kinder unliebenswert und unglücklich gemacht und das Leben der Eltern verbittert haben. Ihr Einfluß
hat sich von Generation zu Generation fortgesetzt. Jedes Kind, dem erlaubt wird, eigene Wege zu
gehen, wird Gott entehren und seinem Vater und seiner Mutter Schande bereiten. Licht hat aus Gottes
Wort und den Zeugnissen seines Geistes geschienen, so daß niemand betreffs seiner Pflicht zu irren
braucht. Gott fordert von den Eltern, daß sie ihre Kinder dazu erziehen, ihn zu kennen und seine
Ansprüche zu respektieren. Sie sollen ihre Kinder als die jüngeren Glieder der Familie des Herrn
heranbilden, damit sie liebliche Charaktere und Wesenszüge entwickeln und vorbereitet sind, in den
himmlischen Höfen zu leuchten. Indem Eltern ihre Pflicht versäumen und sie in Verkehrtheiten
unterstützen, verschließen sie vor ihnen die Tore der Gottesstadt.
Diese Tatsache muß den Eltern ganz klar vor Augen gestellt werden. Sie müssen sich erheben und
ihr lange vernachlässigtes Werk in Angriff nehmen. Eltern, die bekennen, Gott zu lieben, tun nicht
seinen Willen. Weil sie ihre Kinder nicht richtig in Schranken halten und anleiten, entwickeln Tausende
fehlerhafte Charaktere und lockere Moral. Sie wachsen auf mit wenig Heranbildung in den praktischen
Pflichten des täglichen
342
Lebens. Sie können mit ihren Empfindungen, ihrer Zeit und ihren geistigen Fähigkeiten machen, was
sie wollen. Der Verlust, den Gottes Werk durch diese vernachlässigten Talente erleidet, geht zu Lasten
der Eltern. Welche Entschuldigung werden Väter und Mütter gegenüber dem vorbringen können, der sie
zu seinen Haushaltern machte und mit der heiligen Pflicht betraute, die Seelen unter ihrer Fürsorge zu
befähigen, all ihre Kräfte zur Verherrlichung ihres Schöpfers zu vervollkommnen?
Mein lieber Bruder und meine Schwester, möge der Herr eure Augen öffnen und euren Verstand
beleben, daß ihr sehen und eure Versäumnisse nachholen könnt. Keiner von euch beiden hat Gottes
Verherrlichung im Auge. Ihr zeigt nur wenig Neigung, für Jesum einzustehen und den Glauben zu
verteidigen, der einst den Heiligen übergeben worden ist. Ihr habt eure Pflicht gegenüber eurer Familie
vernachlässigt und bewiesen, daß die euch anvertrauten Jugendlichen nicht sicher sind. So betrachtet
Gott eure Arbeit im Heim. So ist es in den Himmelsbüchern eingetragen. Ihr hättet viele zu Jesu bringen
können. Aber euer Mangel an moralischem Mut hat euch in jeder Richtung untreu gemacht.
Die Irrtümer in eurem lockeren Erziehungssystem offenbaren sich im Charakter eurer Kinder. Ihr
habt euch selbst nicht dazu erzogen, den Unterweisungen des Wortes Gottes zu folgen. Die Übel, die
von eurer Pflichtversäumnis herrühren, sind ernst und tiefgreifend. Schwester G übt keinen guten
Einfluß aus. Sie hat dem ausgeprägten Willen ihrer falsch gesinnten Kinder nachgegeben und sie zu
ihrem Schaden verwöhnt. Ihr beide solltet die Kinder vom frühesten Säuglingsalter an gelehrt haben,
daß sie euch nicht beherrschen dürfen, sondern daß eurem Willen gehorcht werden muß. Wäre
Schwester G in ihrer Kindheit richtig erzogen worden, und hätte sie selbst eine Charakterbildung
entsprechend dem Worte Gottes erhalten, dann hätte sie einen ganz anderen Charakter und könnte
besser ihre Pflicht verstehen. Sie hätte gewußt, wie man Kinder erziehen muß, damit ihre Wege Gottes
Wohlgefallen haben. Doch die Fehler, die das Resultat ihrer eigenen verkehrten Erziehung sind,
wiederholen sich bei ihren Kindern. Was werden sie tun, wenn sie
343
einmal eigene Familien gründen? Die Älteste hat etwas Ahnung von den häuslichen Pflichten, aber in
allem andern ist sie ein Neuling.
Durch weise, entschlossene Führung hätten diese Kinder brauchbare Glieder der Gesellschaft
werden können, doch wie es heute um sie steht, sind sie ein Fluch, eine Schande für unseren Glauben.
Sie sind eitel, leichtfertig, eigenwillig und verschwenderisch. Sie haben nur wenig Ehrfurcht vor ihren
Eltern. Ihr Gewissen ist weit davon entfernt, ein feines Empfinden zu haben. Sie haben ihren eigenen
Willen bekommen. Ihre Wünsche haben ihre Eltern beherrscht, bis es beinahe unmöglich ist, ihr
moralisches Gefühl zu wecken. Die natürlichen Neigungen der Eltern, besonders die unangenehmen,
sind in ihren Kindern stark entwickelt. Die ganze Familie, Eltern und Kinder, stehen unter göttlichem
Tadel. Keiner von ihnen kann hoffen, die friedlichen Wohnungen der Seligkeit zu erlangen, wenn sie
nicht ihre lange vernachlässigten Pflichten aufnehmen und im Geiste Christi Charaktere entwickeln, die
Gott gutheißen kann.
Eltern sind verantwortlich für das Werk ihrer Hände. Sie brauchen Weisheit und Festigkeit, ihre
Arbeit treu und im rechten Geist zu verrichten. Sie müssen ihre Kinder durch Entwicklung der ihnen von
Gott gegebenen Talente zur Brauchbarkeit erziehen. Ein Versäumnis in dieser Hinsicht darf nicht
übersehen, sondern sollte als Grund zur Anwendung von Gemeindezucht betrachtet werden, denn es
wird Gottes Fluch auf die Eltern und eine Schande und große Schwierigkeiten über die Gemeinde
bringen. Ein moralischer Aussatz, der ansteckend ist, und Körper und Seelen der Jugendlichen befleckt,
ist oftmals das Resultat des Versäumnisses, die Jungen in Zucht zu nehmen und ihnen Zügel
anzulegen. Es war höchste Zeit, der Verheerung Einhalt zu gebieten.
Die Bibel gibt ausdrückliche Anweisungen betreffs der Wichtigkeit des Erziehungswerkes, das für
Kinder getan werden muß: „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist ein einiger Herr. Und du sollst den
Herrn, deinen Gott, liebhaben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allem Vermögen. Und diese
Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen.“ 5.Mose 6,4-6.
344
Die Eltern selbst müssen mit Gott verbunden sein. Sie müssen sich vor ihm fürchten und eine
Erkenntnis seines Willens haben. Dann kommt ihre Aufgabe: „Und sollst sie deinen Kindern einschärfen
und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzest oder auf dem Wege gehst, wenn du dich
niederlegst oder aufstehst, und sollst sie binden zum Zeichen auf deine Hand, und sollen dir ein
Denkmal vor deinen Augen sein, und sollst sie über deines Hauses Pfosten schreiben und an die Tore.“
5.Mose 6,7-9.
Der Herr gebot Israel, daß sie keine Ehen mit den götzendienerischen Nationen um sie her
eingehen sollten. „Und sollst dich mit ihnen nicht befreunden: eure Töchter sollt ihr nicht geben ihren
Söhnen, und ihre Töchter sollt ihr nicht nehmen euren Söhnen. Denn sie werden eure Söhne mir
abfällig machen, daß sie andern Göttern dienen: so wird dann des Herrn Zorn ergrimmen über euch
und euch bald vertilgen.“ 5.Mose 7,3.4. „Denn du bist ein heiliges Volk dem Herrn, deinem Gott. Dich
hat der Herr, dein Gott, erwählt zum Volk des Eigentums aus allen Völkern, die auf Erden sind. Nicht
hat euch der Herr angenommen und euch erwählt, darum daß euer mehr wäre als alle Völker — denn
du bist das kleinste unter allen Völkern —; sondern darum, daß er euch geliebt hat und daß er seinen
Eid hielte, den er euren Vätern geschworen hat ...“ 5.Mose 7,6-8.
Hier sind ausdrückliche Anweisungen gegeben worden, die bis in unsere Zeit hineinreichen. Gott
spricht zu uns in diesen letzten Tagen. Man wird ihn verstehen und ihm gehorchen. Gott sprach durch
seine Diener zu Israel: „Und laß das Buch dieses Gesetzes nicht von deinem Munde kommen, sondern
betrachte es Tag und Nacht, auf daß du haltest und tuest allerdinge nach dem, was darin geschrieben
steht. Alsdann wird es dir gelingen in allem, was du tust, und wirst weise handeln können.“ Josua 1,8.
„Das Gesetz des Herrn ist vollkommen und erquickt die Seele; das Zeugnis des Herrn ist gewiß und
macht die Unverständigen weise.“ Psalm 19,8. „Wenn dein Wort offenbar wird, so erfreut es und macht
klug die Einfältigen.“ Psalm 119,130. „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem
Wege.“ Psalm 119,105.
345
Hier sind die Pflichten der Eltern klar beschrieben. Gottes Wort soll täglich ihr Lehrmeister sein. Es
gibt solche Unterweisung, daß Eltern in der Erziehung ihrer Kinder nicht zu irren brauchen. Es gestattet
keine Gleichgültigkeit und keine Vernachlässigung. Gottes Gesetz muß den Kindern als der große
moralische Maßstab vor Augen geführt werden. Wenn sie aufstehen, wenn sie sich niedersetzen, wenn
sie ausgehen und wiederkommen — dieses Gesetz muß ihnen vorgeführt werden als die große
Lebensregel. Seine Grundsätze müssen mit ihrer Erfahrung verbunden werden. Sie müssen gelehrt
werden, ehrlich, vertrauenswürdig, mäßig, sparsam und fleißig zu sein und Gott von ganzem Herzen zu
lieben. Das bedeutet, sie „in der Zucht und Vermahnung zum Herrn“ (Epheser 6,4) aufzuziehen. Auf
diese Weise setzen sie ihre Füße auf den Pfad der Pflicht und der Sicherheit.
Jugendliche sind unwissend und unerfahren. Die Liebe zur Bibel und ihre heiligen Wahrheiten stellt
sich nicht von Natur aus ein. Werden keine ernsten Anstrengungen gemacht, um sie her Schranken vor
Satans Verführungen zu errichten, werden sie seinen Versuchungen unterliegen und nach seinem
Willen gefangengenommen werden. Bereits in jungen Jahren müssen sie mit den Anforderungen des
Gesetzes Gottes und mit dem Glauben an Jesum, unseren Erlöser, der uns von der Befleckung der
Sünde reinigt, bekannt gemacht werden. Dieser Glaube muß Tag für Tag, Vorschrift um Vorschrift,
gelehrt werden.
Auf Eltern ruht eine feierliche Verantwortung. Wie kann der Herr sie segnen, wenn sie eine deutlich
vorgeschriebene Pflicht vernachlässigen? Die Kinder können geformt werden, wenn sie jung sind. Aber
die Jahre gehen dahin, wenn ihre Herzen zart und für die Eindrücke der Wahrheit zugänglich sind, und
nur wenig Zeit wird für ihre moralische Erziehung aufgewandt. Täglich sollten die kostbaren Lektionen
der Wahrheit und Pflicht ihren Herzen eingeprägt werden. Sie benötigen eine Gotteserkenntnis, wie die
Natur sie vermittelt. Dies wird von größerem Wert für sie sein als jede Erkenntnis, die aus Büchern
erlangt wird.
346
„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund
Gottes geht“ (Matthäus 4,4) lauten die Worte unseres Heilandes. Irrtümliche Lehren nehmen zu und
nehmen mit schlangenhafter Verschlagenheit Besitz von menschlichen Gemütern. Es gibt keine
biblische Lehre, die nicht schon abgeleugnet worden wäre. Die großen prophetischen Wahrheiten, die
unsere Stellung in der Weltgeschichte verdeutlichen, sind durch die Geistlichkeit ihrer Schönheit und
Macht beraubt worden, die diese überaus wichtigen Wahrheiten als dunkel und unverständlich darstellt.
In vielen Fällen entfernen die Kinder sich von den alten Grenzsteinen. Der Herr gebot seinem Volk
Israel: „Wenn dich nun dein Sohn heute oder morgen fragen wird und sagen: Was sind das für
Zeugnisse, Gebote und Rechte, die euch der Herr, unser Gott, geboten hat? So sollst du deinem Sohn
sagen: Wir waren Knechte des Pharao in Ägypten, und der Herr führte uns aus Ägypten mit mächtiger
Hand, und der Herr tat große und böse Zeichen und Wunder an Ägypten und Pharao und allem seinem
Hause vor unsern Augen und führte uns von dannen, auf daß er uns einführte und gäbe uns das Land,
das er unsern Vätern geschworen hatte; und der Herr hat uns geboten, zu tun nach allen diesen
Rechten, daß wir den Herrn, unsern Gott, fürchten, auf daß es uns wohl gehe alle unsre Lebtage, wie
es geht heutigestages; und es wird unsre Gerechtigkeit sein vor dem Herrn, unserm Gott, so wir tun und
halten alle diese Gebote, wie er uns geboten hat.“ 5.Mose 6,20-25.
Hier sind Grundregeln, die wir nicht gleichgültig behandeln dürfen. Diejenigen, die Gottes Wahrheit
erkannt und ihre Wichtigkeit empfunden und eine Erkenntnis in göttlichen Dingen erlangt haben, sollen
ihre Kinder in gesunder Lehre unterweisen. Sie sollen sie mit den großen Pfeilern unseres Glaubens
und mit den Gründen, warum wir Siebenten-Tags-Adventisten sind, bekanntmachen — warum wir wie
die Kinder Israel zu einem besonderen Volk, zu einer heiligen Nation, getrennt und verschieden von
allen Völkern auf Erden, berufen wurden. Diese Dinge muß man den Kindern in einfachen, leicht
verständlichen Worten erklären. Wenn sie älter werden, sollten die Lektionen ihrem wachsenden
Verständnis angepaßt werden, bis das Fundament der Wahrheit breit und tief gelegt ist.
347
Eltern, ihr nennt euch Kinder Gottes. Seid ihr gehorsame Kinder? Tut ihr den Willen eures
himmlischen Vaters? Folgt ihr seinen Anweisungen oder wandelt ihr im Schein eures eigenen Feuers?
Wirkt ihr täglich daran, dem Feind die Zügel aus der Hand zu nehmen und eure Kinder vor seinen
Ränken zu schützen? Eröffnet ihr ihnen die kostbaren Wahrheiten des Wortes Gottes? Erklärt ihr ihnen
die Gründe unseres Glaubens, damit ihre jungen Füße auf dem Fundament der Wahrheit gegründet
werden?
Die Bibel mit ihren kostbaren Edelsteinen der Wahrheit wurde nicht nur für die Gelehrten
geschrieben. Im Gegenteil; sie wurde für das Volk geschrieben. Die Auslegung durch das Volk, mit Hilfe
des Heiligen Geistes, stimmt genau mit der Wahrheit, wie sie in Jesu ist, überein. Die großen
Wahrheiten, die zur Erlösung notwendig sind, sind so klar wie der Mittag, und niemand wird irregehen
und seinen Weg verlieren, es sei denn jene, die ihrem eigenen Urteil anstatt dem deutlich offenbarten
Willen Gottes folgen.
Kapitel 37: Christliche Nachsicht
Lieber Bruder, liebe Schwester H, bezüglich eures gegenwärtigen Verhältnisses zur Gemeinde
möchte ich euch raten, soweit es an euch liegt, alles zu tun, um in Übereinstimmung mit euren
Geschwistern zu kommen. Hegt einen freundlichen, versöhnlichen Geist. Laßt kein Gefühl der
Wiedervergeltung in euren Gedanken und Herzen aufkommen. Uns steht in dieser Welt nur eine kurze
Zeitspanne zur Verfügung. Laßt uns wirken für Zeit und Ewigkeit. Wendet allen euren Fleiß daran, eure
Berufung und Erwählung fest zu machen. Achtet darauf, keinen Fehler zu machen, was euren Anspruch
auf ein Heim in Christi Reich anbelangt. Wenn euer Name im Lebensbuch des Lammes eingetragen ist,
steht es wohl um euch. Seid willig und eifrig darauf bedacht, eure Fehler zu bekennen und aufzugeben,
damit eure Verfehlungen und Sünden dem Gericht zuvorkommen und ausgetilgt werden.
348
Ich glaube, daß ihr Fortschritte macht. Doch muß das Werk noch tiefer, gründlicher und ernsthafter
sein. Laßt nichts ungetan, was getan werden muß. Wandelt demütig vor Gott. Bringt euer Herz in
Ordnung. Überwindet das eigene Ich und seid wachsam, jeder List Satans auszuweichen. Wenn das
Herz in Harmonie mit Jesu ist, wenn ihr in Worten, im Geist und im Verhalten seinem Beispiel folgt,
dann werden die Manieren veredelt und geläutert. Alle werden davon überzeugt sein, daß eine radikale
Veränderung in euch stattgefunden hat. Ihr werdet dann zu den tugendhaften, gottesfürchtigen
Nachfolgern Jesu gezählt werden.
Mein Bruder, dein Bericht ist sehr befleckt. Gott kennt und du selbst weißt dies. Niemand wird sich
mehr darüber freuen als ich, wenn ich sehe, daß du deine Füße auf den Weg stellst, den Christus
vorausgegangen ist, und dir im Reiche Gottes zu begegnen. Es ist schwierig für uns, Selbsterkenntnis
zu erlangen. Gottes Wort ist klar, aber oftmals versäumen wir, es auf uns persönlich anzuwenden. Wir
sind zum Selbstbetrug geneigt, und wir glauben, ihre Warnungen und Tadel betreffen nicht uns. „Es ist
das Herz ein trotzig und verzagt Ding; wer kann es ergründen?“ Jeremia 17,9. Eigenlob mag als
christliches Empfinden und christlicher Eifer ausgelegt werden. Eigenliebe und Selbstvertrauen mögen
uns zusichern, daß wir recht stehen, während wir weit davon entfernt sind, den Anforderungen des
Wortes Gottes gerecht zu werden.
Die Bibel ist ausführlich, deutlich und bestimmt. Der Charakter des wahren Jüngers Christi ist
deutlich beschrieben. Wir müssen die Schrift mit demütigem Herzen erforschen, vor dem Wort des
Herrn erzittern, wenn wir nicht in irgendeiner Weise betreffs unseres wahren Charakters betrogen
werden wollen. Es müssen ausdauernde Anstrengungen gemacht werden, Selbstsucht und
Selbstvertrauen zu überwinden. Die Selbstprüfung erfordert Gründlichkeit, damit wir uns nicht selbst
betrügen. Ein wenig Selbstprüfung dann und wann, bei besonderen Gelegenheiten, genügt nicht. Prüft
täglich den Grund eurer Hoffnung und seht, ob Christi Liebe wirklich in euch wohnt. Behandelt euer
Herz aufrichtig, denn ihr könnt es euch nicht
349
leisten, hier einen Fehler zu begehen. Überschlagt die Kosten, ein ganzherziger Christ zu sein, und
dann zieht die Rüstung an. Studiert das Vorbild. Schaut auf Jesum und seid ihm gleich. Euer
Herzensfriede, eure Hoffnung auf die ewige Seligkeit hängt von der Treue in diesem Werk ab. Wir als
Christen sind in der Selbstprüfung weniger gründlich als in allen anderen Dingen. Da ist es wirklich kein
Wunder, daß wir so geringe Fortschritte in der Selbsterkenntnis machen.
Ich schreibe euch diese Dinge, weil ich euch gerne gerettet sehen möchte. Entmutigen will ich euch
nicht, sondern ich möchte euch nur drängen, ernstere und größere Anstrengungen zu machen. Die
Eigenliebe wird euch veranlassen, eure Selbstprüfung oberflächlich durchzuführen. Laßt nicht zu, daß
eitles Vertrauen euch des ewigen Lebens beraubt. Erbaut euch nicht auf den Fehlern und Irrtümern
anderer, sondern löst zwischen Gott und eurer eigenen Seele die wichtige Frage, wovon euer ewiges
Schicksal abhängt.
„Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an“ (1.Samuel 16,7) — das
menschliche Herz mit seinen veränderlichen Gefühlen von Freude und Leid — das unstete, launenhafte
Herz, das eine Wohnstätte von so viel Unreinheit und Betrug ist. Er kennt seine Beweggründe,
Absichten und Ziele. Geh zu ihm, so befleckt du auch bist. Öffne gleich dem Psalmisten die Kammern
deines Herzens vor dem alles sehenden Auge und sage: „Erforsche mich, Gott, und erfahre mein Herz;
prüfe mich und erfahre, wie ich‘s meine. Und siehe, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf
ewigem Wege.“ Psalm 139,23.24. Unterwirf dein Herz dem Läuterungs- und Reinigungsprozeß. Dann
wirst du zum Teilhaber der göttlichen Natur, der Verderbtheit entrinnend, die infolge der Sinneslust in
der Welt herrscht. Du wirst bereit sein „zur Verantwortung jedermann, der Grund fordert der Hoffnung,
die in euch ist.“ 1.Petrus 3,15. Christi Friede wird in dir wohnen. Dein Name wird im Lebensbuch
stehen. Dein Anspruch auf das himmlische Erbe wird das königliche Siegel tragen, welches niemand
auf Erden in Frage stellen darf. Niemand kann dir den Weg zu den Toren der Stadt Gottes versperren.
Du wirst freien Zugang zu
350
der Gegenwart des Königs und zum Tempel Gottes droben haben.
Noch mehr Worte liegen mir auf der Seele. Ich wünsche, daß du dich mit der Gemeinde verbindest,
nicht weil ich alle Gemeindeglieder für vollkommen ansehe, noch weil ich dich als vollkommen
betrachte. Gott hat kostbare Seelen in seiner Gemeinde. Es gibt allerdings auch Männer und Frauen,
die Unkraut unter dem Weizen sind. Der Herr gibt weder dir noch sonst jemand das Amt zu sagen, wer
Weizen und wer Unkraut ist. Wir mögen die Fehler anderer sehen und verurteilen, während wir größere
Fehler haben, die wir nie wahrnehmen, die aber von anderen deutlich erkannt werden. Gott fordert von
dir, der Welt und der Gemeinde ein gutes Beispiel zu geben, ein Leben, das Jesum darstellt. Es gibt
Pflichten zu erfüllen und Verantwortlichkeiten zu tragen. Die Welt hat nicht genug wahre Christen. Die
Gemeinde braucht sie; die Gesellschaft kann sie nicht entbehren. Christi Gebet für seine Jünger lautete:
„Ich bitte nicht, daß du sie von der Welt nehmest, sondern daß du sie bewahrest vor dem Übel.“
Johannes 17,15. Jesus weiß, daß wir uns in der Welt befinden und ihren Versuchungen ausgesetzt
sind. Aber er liebt uns und gönnt uns die Gnade des Sieges über ihre verderblichen Einflüsse. Er
möchte unseren Charakter vollkommen sehen, damit unser Eigensinn keine moralische Entartung in
anderen verursacht.
Du erkennst, daß deine Geschwister nicht an den biblischen Maßstab heranreichen, daß sie Fehler
haben. Du verweilst bei diesen Fehlern. Du nährst dich von ihnen anstatt von Christo. Durch Anschauen
wirst du in das gleiche Bild verwandelt. Kritisiere niemand. Vergleiche nicht deine Handlungsweise mit
dem Zukurzkommen anderer. Du magst wünschen, andere zu korrigieren und ihnen ihre Verkehrtheiten
vorzuhalten. Tue es nicht. Diese Aufgabe hat Gott dir nicht gegeben. Er hat dich nicht zu einem
Kesselflicker der Gemeinde berufen. Es gibt manche Dinge, die du im Lichte der Bibel siehst. Während
du in einigen Punkten im Recht bist, gewinne nicht den Eindruck, daß deine Stellung immer richtig ist;
denn in einigen Punkten sind deine Ansichten verwirrt und vertragen keine Kritik.
351
Trachte nicht danach, dich selbst zu erhöhen. Lerne in der Schule Christi Sanftmut und Demut des
Herzens. Du weißt, welche besonderen Charakterzüge Petrus besaß und wie stark sie entwickelt
waren. Vor seinem großen Fall war er immer vorlaut, diktatorisch und sprach unüberlegt und von
augenblicklichen Gefühlen geleitet. Er war immer bereit, andere zu korrigieren und seine Meinung zu
äußern, bevor er eine klare Vorstellung von sich selbst hatte oder davon, was er sagen wollte. Doch
Petrus bekehrte sich. Der bekehrte Petrus unterschied sich sehr von dem raschen, ungestümen Petrus.
Während er seine frühere Inbrunst behielt, lenkte Christi Gnade seinen Eifer in rechte Bahnen. Anstatt
ungestüm, selbstvertrauend und über andere erhaben, war er jetzt ruhig, selbstbeherrscht und lehrhaft.
Dann konnte er sowohl die Lämmer als auch die Schafe der Herde Christi weiden.
Du, mein Bruder, hast Tag für Tag ein Werk für dich zu verrichten. Du mußt dich fortwährend
bemühen, üble Launen und Neigungen zu zügeln. Diese haben mit deinem Wachstum zugenommen.
Nur Jesus allein kann dich stärken, sie zu überwinden. Du solltest dich als ein Diener Christi betrachten
und versuchen, ihm im Charakter gleich zu werden. Bemühe dich, mit anderen in Übereinstimmung zu
kommen. Sei auch in deinen Geschäftsverbindungen höflich, freundlich und geduldig. Offenbare Christi
Sanftmut und zeige, daß sein Geist dich beherrscht. Du gehörst zur menschlichen Familie und mußt
geduldig, freundlich und mitfühlend sein. Du mußt Rücksichtnahme üben und deinen Egoismus
unterdrücken. Stelle dir die Frage: „Was kann ich tun, um anderen zum Segen zu sein?“ Wenn dein
Herz danach verlangt, ihnen Gutes zu tun, selbst wenn es Unbequemlichkeit bedeutet, wirst du Gottes
Segen haben. Liebe, die sich aus dem Bereich von Leidenschaft und Neigung emporschwingt, wird
vergeistigt und offenbart sich in Worten und Taten. Ein Christ soll geheiligte Zärtlichkeit und Liebe an
den Tag legen, worin keine Ungeduld und kein Ärger Raum hat. Die groben, rauhen Manieren müssen
durch die Gnade Christi besänftigt werden.
352
O mein Bruder, meine Schwester, lernt in der Schule Christi! Gebt den Kampfgeist auf, den ihr
daheim und in der Gemeinde offenbart. Entwickelt in euren Herzen Liebe zum Volke Gottes. Herzen,
die von der Liebe Christi erfüllt sind, können sich nie zu weit voneinander entfernen. Religion ist Liebe.
In einem christlichen Heim herrscht Liebe und findet in Worten und Taten rücksichtsvoller Freundlichkeit
und zuvorkommender Höflichkeit Ausdruck. Sprecht keine harten Worte. Macht die Familienandacht
gefällig und interessant. Sei ein christlicher Ehrenmann, mein Bruder; denn die gleichen Prinzipien, die
das häusliche Leben kennzeichnen, werden mit in die Gemeinde gebracht. Ein Mangel an Höflichkeit,
ein Augenblick der Verdrießlichkeit, ein einziges hitziges, gedankenloses Wort kann deinen Ruf
zerstören und dir Herzen verschließen, so daß du sie nie wieder erreichen kannst.
Ich habe dir jetzt deine Gefahren vor Augen geführt. Du kannst köstliche Siege erringen. Wir können
niemals ins Himmelreich kommen, wenn wir nicht Christi Sinn und Geist besitzen. Deshalb folge dem
Vorbild zu Hause, bei deiner Arbeit und in der Gemeinde. Versuche nicht, andere zu belehren, noch
trachte danach, dich so weit wie möglich von ihnen zu unterscheiden. Versuche vielmehr, ihnen so
nahe wie möglich zu kommen und in Harmonie mit ihnen zu sein. Tue alles, was in deiner Macht steht,
den christlichen Charakter zu vervollkommnen, und dann überlaß dein Herz dem Herrn, daß er es nach
seinem Wohlgefallen umgestalte. Er wird dir helfen, dessen bin ich gewiß. Gott segne dich und deine
lieben Kinder. Daß ich euch allen am erhabenen weißen Thron begegnen möchte, ist mein Wunsch und
Gebet.
Kapitel 38: Weltlicher Ehrgeiz
Mein lieber Bruder I, seit ich dir auf der Lagerversammlung in Maine begegnet bin, habe ich das
Empfinden, daß es nicht zu spät für dich ist, dein Herz und dein Haus in Ordnung zu bringen. Ich weiß,
daß Gottes Geist an dir wirkte. Jetzt lautet
353
die Frage: Wirst du, in Beantwortung seiner Einladung, bereuen und freudig dein Herz Gott übergeben?
Dein Fall wurde mir im Gesicht vor Augen geführt. Während du völlig unter der Herrschaft des
Seelenfeindes standest, hatte ich nicht den Mut, dir die Botschaft zu senden, die ich vom Herrn
empfing. Ich mußte befürchten, daß du leicht darüber hinweggehen würdest und daß der Heilige Geist
sich endgültig von dir zurückziehen würde. Jetzt aber fühlte ich mich gedrungen, dir dieses Zeugnis zu
schicken, welches sich für dich entweder als Geruch des Lebens zum Leben oder als Geruch des
Todes zum Tode erweisen wird.
Lies es nicht, wenn du entschlossen bist, lieber die Finsternis als das Licht und den Mammon als
Christum zu wählen. Wünschst du wirklich, Gottes Willen zu tun, und bist du bereit, auf dem von ihm
bezeichneten Weg gerettet zu werden, dann lies das Zeugnis. Lies es aber nicht, um daran
herumzukritteln, es zu verdrehen, zu verspotten und zu verachten. Wenn das der Fall ist, wird es für
dich ein Geruch des Todes zum Tode sein und im Gericht wider dich zeugen. Bevor du diese
Warnungsbotschaft liest, beuge dich allein vor Gott und bitte ihn, den Geist des Trotzes, der Empörung
und des Unglaubens von dir zu entfernen und dein steinernes Herz zu erweichen und zu unterwerfen.
Wir begreifen nicht die Erhabenheit und Majestät Gottes, noch erkennen wir die unermeßliche
Distanz, die zwischen dem Schöpfer und den Geschöpfen seiner Hand besteht. Er, der im Himmel
wohnt und das Zepter des Universums schwingt, richtet weder nach unserem beschränkten Maßstab
noch rechnet er, wie wir rechnen. Wir sind im Irrtum, wenn wir meinen, daß etwas, das in unseren
Augen groß ist, auch für Gott groß sein muß, und daß etwas, was uns klein erscheint, auch für ihn klein
sein muß. Er wäre nicht größer als wir, wenn er nur die gleichen Fähigkeiten besäße.
Gott betrachtet nicht alle Sünden als gleich groß. Auch er macht einen Unterschied darin, genau wie
der sterbliche Mensch. Doch wie gering dieses oder jenes Vergehen in den Augen der Menschen
erscheinen mag, ist keine Sünde klein in Gottes Augen. Sünden, die der Mensch geneigt ist, als
unbedeutend
354
anzusehen, mögen gerade solche sein, die Gott als großes Verbrechen betrachtet. Der Trunksüchtige
wird verachtet, und ihm wird gesagt, daß seine Sünde ihn vom Himmel ausschließt, während Stolz,
Selbstsucht und Habsucht ungetadelt bleiben. Aber diese Sünden sind besonders anstößig in Gottes
Augen. Er „widersteht dem Hoffärtigen“, und Paulus sagt uns, daß Geiz Abgötterei sei. Alle, die mit der
Verurteilung von Abgötterei im Worte Gottes vertraut sind, werden sofort sehen, welch eine große
Sünde dieses anstößige Vergehen ist.
Gott spricht durch seinen Propheten: „Der Gottlose lasse von seinem Wege und der Übeltäter seine
Gedanken und bekehre sich zum Herrn, so wird er sich sein erbarmen, und zu unserm Gott, denn bei
ihm ist viel Vergebung. Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht
meine Wege, spricht der Herr; sondern soviel der Himmel höher ist denn die Erde, so sind auch meine
Wege höher denn eure Wege und meine Gedanken denn eure Gedanken.“ Jesaja 55,7-9. Wir brauchen
ein klares Unterscheidungsvermögen, damit wir die Sünde nach Gottes Maßstab messen und nicht
nach unserem. Keine menschlichen Meinungen dürfen unsere Ordnungsregel sein, sondern das
göttliche Wort.
Wir befinden uns auf dem großen Kampffeld des Lebens. Laßt uns nie vergessen, daß wir
persönlich für den Ausgang des Kampfes verantwortlich sind. Wären gleich Noah, Hiob und Daniel im
Land, könnten sie durch ihre Gerechtigkeit weder Sohn noch Tochter erretten. Du, mein Bruder, hast
nicht daran gedacht. Du hast deine eigene Handlungsweise gerechtfertigt, weil du dachtest, deine
Brüder handelten nicht recht. Manchmal hast du dich wie ein verwöhntes, verzogenes Kind betragen.
Du hast von Unglauben und Zweifel gesprochen, um andere zu ärgern. Wird sich das auszahlen? Gibt
es irgend etwas in deiner Familie, in der Gemeinde oder in der Welt, das deine Gleichgültigkeit
gegenüber Gottes Anforderungen rechtfertigt? Wird eine deiner Entschuldigungen gelten, wenn du von
Angesicht zu Angesicht dem Richter des ganzen Erdkreises gegenüberstehst? Wie töricht und sündig
wird dein selbstsüchtiges, habgieriges Verhalten dann erscheinen! Wie unverantwortlich wird es dich
355
dann dünken, daß du zugelassen hast, daß weltliche Meinungen und weltlicher Gewinn dir den Lohn
raubten, der den Treuen zuteil wird — eine gesegnete Ewigkeit im Paradiese Gottes.
Als du sehr krank warst und menschliches Geschick dir keine Hoffnung brachte, hatte der Herr
Mitleid mit dir und heilte dich in Gnaden von deinem Leiden. Satan suchte dich zu plagen, zu ruinieren
und dir sogar dein Leben zu nehmen. Doch dein Heiland hat dich immer wieder beschützt, damit du
nicht hinweggerafft wurdest, während du, von satanischem Wahn erfüllt, Worte der Bitterkeit und des
Unglaubens gegenüber der Bibel und der Wahrheit, die du einst verteidigtest, geäußert hast. Als Satan
dich forderte und als sein Eigentum beanspruchte, hat Christus deinen grausamen, boshaften Feind mit
den Worten zurückgewiesen: „Ich habe meinen Geist noch nicht von ihm zurückgezogen. Er hat noch
zwei weitere Schritte zu machen, ehe er die Grenze meiner Gnade und Liebe überschritten hat. Seelen
sind Erkaufte meines Blutes. Der Herr strafe dich, du Satan; der Herr strafe dich.“
Ich konnte dann auf dein Leben zurückblicken. Du wurdest mir gezeigt, als die Wahrheit Widerhall in
deinem Herzen fand. Der Geist Gottes überzeugte dich von dem Kurs, den du einschlagen solltest. Du
kämpftest mit dir selbst. Du warst ein scharfsinniger, ränkevoller Mann gewesen. Du hattest andere
nicht so behandelt, wie du wünschtest, von ihnen behandelt zu werden. Wo immer du konntest, hattest
du sie übervorteilt. Du mußtest wirklich hart kämpfen, um das eigene Ich zu unterdrücken und den Stolz
zu töten. Nur durch Gottes Gnade konnte dies geschehen. Anstatt eine gründliche Reformation
durchzuführen, verbandest du dich mit der Wahrheit, ohne deinen Charakter von Grund auf zu ändern.
Dein Bemühen war Stückwerk und würde der Probe der Versuchung nicht standhalten. Du hast Gott zu
Beginn nicht mit zerbrochenem und reumütigem Herzen gesucht und Unrecht nicht berichtigt. Hättest
du dies getan, wärest du nicht gestrauchelt und in Satans Netz gefangen worden. Deine Beweggründe
waren mit Selbstsucht vermischt, was du nicht klar erkannt hast. Argumente, die weltlichen Interessen,
356
sozialer Stellung und dementsprechendem Ansehen entsprangen, beeinflußten dich und bestimmten
darüber, daß du kein ernstes, gründliches Werk vor Gott und Menschen unternahmst. Du hast dich
nach menschlichen Maßstäben gerichtet, und dadurch wurde die Aufrichtigkeit und Reinheit deines
christlichen Charakters verderbt. Du versäumtest, rechtschaffene Frucht der Buße zu bringen.
Zachäus erklärte: „So ich jemand betrogen habe, das gebe ich vierfältig wieder.“ Lukas 19,8. Du
hättest wenigstens versuchen sollen, deine Handlungen der Ungerechtigkeit gegenüber deinen
Mitmenschen gutzumachen. Du kannst nicht jeden Fall berichtigen, denn einige, denen du Schaden
zugefügt hast, sind ins Grab gesunken, und der Bericht zeugt gegen dich. In diesem Fall ist das Beste,
was du tun kannst, dem Herrn ein Sühnopfer darzubringen; und er wird es annehmen und dir vergeben.
Wo es aber möglich ist, solltest du den Schaden wiedergutmachen.
Hätten die Ungläubigen, mit denen du in Verbindung warst, in dir die umgestaltende Macht der
Wahrheit wahrgenommen, wäre das ein Argument zugunsten der Wahrheit gewesen, dem sie nicht
widersprechen konnten. Du hättest auf diese Weise ein helles, klares Licht in die Welt hinausstrahlen
können. Statt dessen hast du dich mit der Welt vermengt und ihren Geist eingesogen. Mein Bruder, du
mußt wiedergeboren werden. Eine bloße Form des Christentums hat nicht den geringsten Wert. Ihr fehlt
die rettende Kraft, die reformierende Energie. Eine Religion, die sich auf den Sabbatgottesdienst
beschränkt, vermittelt anderen keine Lichtstrahlen. Ich bitte dich, erforsche dein eigenes Herz gründlich.
Du besitzt einen kämpferischen, streitsüchtigen Geist, und du hegst ihn, anstatt dagegen anzukämpfen.
Du mußt dich entschieden ändern und Sanftmut, Glauben, Demut und Liebe üben. Deine Seele
befindet sich in Gefahr. Du wirst mit Sicherheit den starken Verführungen Satans zum Opfer fallen,
wenn du nicht innehältst und dich gegen den Strom der Weltlichkeit und des Ehrgeizes stemmst. Dein
Verhältnis zur Welt muß geändert werden. Eine entschiedene Trennung muß stattfinden. Die
Stellungen, die du bekleidest, und die ständig
357
vor dir Türen der Versuchung öffnen, müssen aufgegeben werden. Vermeide Politik; scheue dich vor
Wortfechterei. Halte dich von jedem Amt fern, das jene Wesenszüge in dir entwickeln würde, die du
bekämpfen und überwinden mußt.
Mein Bruder, du mußt dich sehr anstrengen, oder du wirst nie imstande sein, die Werke der
Finsternis abzulegen. Satan betrachtet dich als sein Eigentum. Wenn du den Ansprachen der Diener
Gottes lauschst, wie auf der letzten Lagerversammlung, bist du tief überzeugt. Aber du gibst den
Eindrücken des Heiligen Geistes nicht nach. Mischst du dich unter die Weltmenschen, dann wirst du
ihres Geistes teilhaftig und wirst durch die weltliche Strömung mitgerissen. Du hast keine moralische
Kraft, ihrem Einfluß zu widerstehen. Du wirst eins mit den Weltliebenden, und dein Geist ist ärger als
ihrer, weil deine Wahl freiwillig ist. Du liebst Menschenlob, und du liebst weltliche Besitztümer mehr als
Jesum. Die Liebe zum Mammon ist mit jeder Faser deines Wesens verwachsen und hat jede andere
Regung aufgezehrt. Sie auszumerzen kommt dem Ausreißen des rechten Auges und dem Abhauen der
rechten Hand gleich. Ich spreche zu dir als jemand, der es weiß: Wenn du diese ausgeprägte Geldliebe
nicht überwindest, wird es dich die Rettung deiner Seele kosten, und es wäre besser für dich, nie
geboren worden zu sein.
„Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“ Matthäus 6,24. In dem Maße, wie du den Geist der
Welt liebst und pflegst, wirst du einen Widerspruchsgeist entwickeln und diejenigen in Frage stellen und
kritisieren, die dir die Botschaft der Wahrheit bringen. Du wirst die Wahrheit verspotten. Du wirst ein
falscher Zeuge und ein Verkläger der Brüder werden. Die Gaben, die dir Gott verliehen hat, damit sie zu
seiner Verherrlichung dienen, wirst du aktiv gegen sein Werk einsetzen. Es gibt keine Übereinstimmung
zwischen Christo und Belial. Du hast bereits die Freundschaft der Welt gewählt. Deshalb befindest du
dich ganz auf Satans Seite. Das natürliche Herz ist Gott gegenüber feindlich gesinnt und wird den
klarsten Beweisen der Wahrheit widersprechen. Die Bösen können das Licht nicht ertragen, das ihre
verkehrte Handlungsweise verurteilt.
358
Du hast dein Herz dem Zweifel und Unglauben geöffnet. Aber du wirst es nie fertigbringen, ehrlich
ungläubig zu sein. Du magst dich rühmen, der Bibel nicht zu glauben. Damit betrügst du dich nur selbst,
denn du weißt es besser.
Ich bitte dich, mache ernste Anstrengungen, das ewige Leben zu erlangen. Zerbrich Satans Ketten.
Wirke seinen Ränken entgegen. Laß dies die Sprache deiner Seele sein: „Es gibt nichts im Universum,
das ich so sehr fürchte, wie meine Pflicht nicht zu erkennen, oder wenn ich sie erkannt habe, sie nicht
zu tun.“ „Tritt für Jesum ein!“ lauteten die Worte eines sterbenden Heiligen. Ja, Bruder I, tritt für Jesum
ein! Es wird dich alles kosten, dies zu tun. Du magst deine Stellung in der Welt aufgeben müssen. Doch
ein Name, Auszeichnung und Amt mögen für dich ein Fallstrick sein und deine Seele gefährden. Eine
kalkulierende, weltliche Weisheit versucht dich ständig vom Heiland abwendig zu machen. Eine kühne,
herausfordernde, lästerliche Untreue wird versuchen, sein Evangelium auszulöschen, nicht nur in deiner
eigenen Seele, sondern auch in der Welt. Tritt ein für Jesum! In der Gegenwart deiner Verwandten und
Freunde, in all deinen geschäftlichen Verbindungen, in deinem gesellschaftlichen Umfeld — überall und
unter allen Umständen — tritt ein für Jesum!
Kapitel 39: Liebe unter Brüdern
Liebe Geschwister in ... Ich bin sehr betrübt über euren Zustand. Ich konnte nicht schlafen und
erhob mich nachts um zwölf Uhr, um J und euch als Gemeinde zu schreiben. Wie der Zustand von J
heute wäre, wenn ihr ihn christlich und in rechter Weise, wie es Gotteskindern gebührt, behandelt
hättet, weiß ich nicht. Einige von euch werden meine Worte nicht verstehen, denn euer eigenes
Verhalten hat euch dahin gebracht, keine geheiligte Unterscheidungsgabe zu besitzen. Ihr habt in euren
Herzen starke, harte Gefühle gegen ihn aufkommen lassen und habt euch gerechtfertigt, ihn mit
Gleichgültigkeit und sogar mit Verachtung zu behandeln. Eure Schlußfolgerung war, daß ihr wegen
359
seines Unglaubens und seines verkehrten Verhaltens keine Gemeinschaft mit ihm haben solltet, da er
dadurch der Gemeinde Schaden zufügte und Seelen gefährdete. Wenn ihr im Lichte von Gottes
großem Maßstab der Gerechtigkeit eure eigenen Worte und Handlungen, an die ihr euch erinnern
könnt, kritisch betrachtet — könnt ihr dann sagen, daß sie mit dem Leben Christi übereinstimmen?
Wenn ihr den Willen Gottes getan habt, wird sein Licht und sein Wohlgefallen eure Bemühungen
unterstützen und euch Gedeihen schenken. Ich wünschte, daß alle Glieder dieser einst gedeihlichen
Gemeinde beginnen würden, an ihrem eigenen Haus zu bauen. Wenn sie ihr Verhalten im wahren Licht
betrachten, werden sie erkennen, daß sie einen sehr großen Fehler machten, indem sie zuließen, daß
ihr kritischer, pharisäischer Geist ihre Zungen beherrschte und sich in der Behandlung ihrer
Geschwister entwickelte. Diese unchristliche Härte hat Jesum von der Gemeinde vertrieben und
Trennung hineingebracht. Es hat eine Haltung bestärkt, zu richten und zu verdammen und jene zu
hassen, die nicht alle Dinge so sehen, wie ihr sie seht. Selbst wenn eure Geschwister Dinge sagen und
tun, die euch wirklich kränken, wollt ihr sie deshalb beiseite stoßen und sagen: „Ich bin heiliger als du“?
„An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.“ Matthäus 7,16. In eurem Verhalten einigen gegenüber, die
dem Himmelreich näher standen als ihr selbst, habt ihr nicht Christum offenbart. Der Herr hat euch
gezeigt, wie verkehrt ihr seine Kinder behandelt habt — euren Mangel an Liebe und Barmherzigkeit,
eure Absicht, Gemüter zu beherrschen und sie zu veranlassen, Dinge im gleichen Licht zu sehen, wie
ihr sie seht. Welche Stellung habt ihr eingenommen, als das Licht zu euch kam? Habt ihr nur
zugegeben, daß ihr verkehrt ward, oder habt ihr euren Irrtum von Herzen bekannt und eure stolzen
Herzen vor Gott gedemütigt? Wandtet ihr euch von euren Wegen ab und nahmt Gottes Belehrung an?
Seid ihr persönlich zu jenen gegangen, die ihr verletzt und verwundet habt, und habt ihr zu ihnen
gesagt: „Ich war verkehrt. Ich habe gegen dich gesündigt. Vergib mir mein Verfehlen. Ich habe nach
eigenem Gutdünken gehandelt. Ich hatte Eifer, aber nicht gemäß der Erkenntnis. Es war
360
eher der Geist Jehus als die Sanftmut und Demut Christi. Gottes Wort gibt die Anweisung: ‚Bekenne
einer dem andern seine Sünden und betet füreinander, daß ihr gesund werdet.‘ Jakobus 5,16. Willst du
für mich beten, daß Gott mir die Not und die Schmerzen vergibt, die ich dir bereitet habe?“
Wenn ihr, die ihr an diesem Werk des Verletzens und Verurteilens beteiligt gewesen seid, nicht von
Herzen bereut, wird kein Licht, kein Friede und keine Freude in eure Herzen kommen. Wenn ihr jetzt in
gleichem Maße besorgt, freundlich und zartfühlend gegenüber euren Geschwistern seid, wie ihr früher
hart, nachtragend und tyrannisch gewesen seid, werdet ihr eure Fehler bekennen und soweit wie
möglich wiedergutmachen. Habt ihr dann alles von eurer Seite getan, bittet den Herrn, das zu tun, was
ihr nicht könnt — die Wunden zu heilen, die ihr geschlagen habt, euch zu vergeben und eure
Übertretungen auszutilgen. Besteht aber ein langes Hinauszögern, das Verkehrte zu bekennen, das
dem Irrenden klar vor Augen gestellt wurde, dann wird offenbar, daß er von seiner unbezähmbaren,
ungeheiligten Natur beherrscht wird, anstatt vom Geiste des Evangeliums Christi.
Wenn Gott je durch mich gesprochen hat, dann in folgenden Worten: Ihr müßt allen Ernstes Buße
tun, daß ihr vor den Irrenden das satanische Element in eurem Charakter zum Ausdruck brachtet, nicht
nur durch Kälte und Gleichgültigkeit, sondern außerdem in Vernachlässigung und Verachtung. Befinden
sie sich tatsächlich in Finsternis, tun sie Dinge, die ihre Seelen gefährden, dann solltet ihr um so
größeres Interesse für sie an den Tag legen. Zeigt ihnen, daß, während ihr treu zum Grundsatz steht
und nicht vom Rechten weichen wollt, ihr doch ihre Seelen liebt. Zeigt durch eure Worte und
Handlungen, daß ihr keinen Geist der Rache und Wiedervergeltung hegt, sondern daß ihr um ihretwillen
eure Gefühle opfern und das eigene Ich unterdrücken wollt. Stellt Jesum, unser Vorbild, dar. Offenbart
zu allen Zeiten und unter allen Umständen seinen Geist; seid gesinnt, wie Christus auch war. Eure
Wege waren nicht Gottes Wege. Sein Wille war nicht euer Wille. Ihr habt die kostbare Pflanze der Liebe
nicht gepflegt und mit dem Tau der Gnade
361
bewässert. Eigenliebe, Selbstgerechtigkeit und Selbstgefälligkeit haben eine beherrschende Macht
ausgeübt.
Was hat Jesus alles für euch getan? Was tut er fortwährend für einen jeden von uns? Was besitzt
ihr, das ihr nicht empfangen habt? Christus sagte: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.“ „Eine
jegliche Rebe an mir, die nicht Frucht bringt, wird er wegnehmen; und eine jegliche, die da Frucht
bringt, wird er reinigen, daß sie mehr Frucht bringe.“ Johannes 15,5.2. Die Reben versorgen nicht den
Weinstock. Der Weinstock erhält und nährt die Reben. Die Gemeinde unterhält nicht Christum; sondern
Christus unterhält durch seine lebenspendende Kraft die Gemeinde. Es genügt nicht, eine Rebe zu
sein. Wir müssen fruchttragende Reben sein. „Wer in mir bleibt,“ sagte Jesus, „und ich in ihm, der bringt
viele Frucht.“ Bringen wir aber die Früchte eines Dornengestrüpps, dann ist erwiesen, daß wir keine
Reben am lebendigen Weinstock sind.
Das Leben ist ein Erzieher. So lange der Christ in der Welt ist, wird er es mit widrigen Einflüssen zu
tun haben. Er wird Kränkungen erfahren, die sein Gemüt prüfen. Begegnet er ihnen in der richtigen
Geisteshaltung, dann offenbart er seine christlichen Tugenden. Wenn er Ungerechtigkeit und
Beleidigungen sanftmütig erträgt, Scheltreden und hartes Vorgehen freundlich beantwortet, so beweist
er damit, daß der Geist Christi in seinem Herzen wohnt, daß Saft vom lebendigen Weinstock in die
Zweige strömt. In diesem Leben sind wir in der Schule Christi. In ihr sollen wir lernen, sanftmütig und
von Herzen demütig zu werden. Am Tag der Endabrechnung werden wir sehen, daß alle Härten und
Widrigkeiten, denen wir begegneten, alles Ungemach und aller Verdruß, die wir erdulden mußten,
praktische Unterweisungen in der Anwendung christlicher Lebensgrundsätze waren. Ertragen wir sie im
rechten Sinn und Geist, dann vervollkommnen wir Christi Wesensart in uns und unterscheiden uns
damit als Gläubige von Weltmenschen.
Wenn wir Gottes Kinder sein wollen, dann müssen wir einen hohen Stand erreichen. Wir müssen
edel, rein, heilig und makellos sein. Aber das erreichen wir nicht ohne einen Veredlungsvorgang. Wie
sollte diese Veredlung nun vor sich gehen,
362
wenn nicht Schwierigkeiten und Hindernisse da wären, die überwunden werden müssen, wenn nichts
vorhanden wäre, das unsere Geduld und Ausdauer erprobt? Diese Prüfungen sind nicht die geringsten
Segnungen in unserer Erfahrung. Sie sollen unsere Entschlossenheit zum Siege führen. Wir sollen sie
als Mittel in Gottes Hand benutzen, um einen entschiedenen Sieg über das eigene Ich davonzutragen,
anstatt ihnen zu gestatten, uns zu behindern, zu belasten und zu zerstören.
Unser Charakter wird einer Prüfung unterzogen. Christus offenbart sich in uns, wenn wir wirklich
Reben des lebendigen Weinstocks sind. Wir werden geduldig, freundlich und nachsichtig sein, fröhlich
in Verdruß und Ärger. Tag für Tag und Jahr um Jahr werden wir uns selbst besiegen und zu edlem
Heldentum heranwachsen. Dies ist die uns zugewiesene Aufgabe. Wir vermögen sie aber ohne Jesu
immerwährende Hilfe, ohne feste Entschiedenheit, unwandelbaren Entschluß, dauernde Wachsamkeit
und Gebet ohne Unterlaß nicht zu lösen. Jeder hat seinen persönlichen Kampf durchzustehen und
unter Anstrengungen und Entmutigungen seinen Weg zu gehen. Wer den Kampf meidet, verliert die
Kraft und die Freude des Sieges. Niemand kann für uns den Himmel erringen, nicht einmal Gott, wenn
wir nicht unsererseits die notwendigen Anstrengungen dazu machen. Bemühen wir uns doch, unser
Leben zu verschönern und die natürlichen, abstoßenden Charakterzüge auszumerzen, die uns Jesu
unähnlich machen! Während Gott in uns das Wollen und Vollbringen nach seinem Wohlgefallen wirkt,
müssen wir in Übereinstimmung mit ihm tätig sein. Die Religion Christi wandelt das Herz um. Sie führt
den weltlich gesinnten Menschen zu himmlischer Gesinnung. Unter seinem Einfluß wird der
Selbstsüchtige selbstlos, weil das dem Charakter Christi entspricht. Der Unredliche, der Intrigant wird
aufrichtig, so daß es ihm zur zweiten Natur wird, andere so zu behandeln, wie er selbst behandelt
werden möchte. Der Liederliche wendet sich von der Unkeuschheit zur Reinheit. Er bildet rechte
Gewohnheiten heran; denn das Evangelium Christi ist ihm ein Geruch des Lebens zum Leben
geworden.
363
Jetzt, während die Gnadenzeit noch währt, steht es keinem zu, andere zu verurteilen und sich selbst
für vorbildlich zu halten. Christus ist unser Vorbild. Eifert ihm nach. Wandelt in seinen Fußtapfen. Ihr
mögt jede Einzelheit der gegenwärtigen Wahrheit mit dem Munde bekennen, lebt ihr sie aber nicht aus,
wird es euch gar nichts nützen. Es steht uns nicht zu, andere zu verdammen, vielmehr sollten wir
einander lieben und füreinander beten. Sehen wir jemanden von der Wahrheit abirren, mögen wir über
ihn weinen wie Christus über Jerusalem. Laßt uns sehen, was unser himmlischer Vater in seinem Wort
über die Irrenden sagt: „So ein Mensch etwa von einem Fehler übereilt würde, so helfet ihm wieder
zurecht mit sanftmütigem Geist ihr, die ihr geistlich seid; und siehe auf dich selbst, daß du nicht auch
versucht werdest.“ Galater 6,1. „So jemand unter euch irren würde von der Wahrheit, und jemand
bekehrte ihn, der soll wissen, daß, wer den Sünder bekehrt hat von dem Irrtum seines Weges, der hat
einer Seele vom Tode geholfen und wird bedecken die Menge der Sünden.“ Jakobus 5,19.20. Welch
eine bedeutende Missionsaufgabe ist das! Wieviel christlicher ist sie für arme, fehlende Sterbliche, als
die zu verklagen und zu verdammen, mit denen man nicht völlig einer Meinung ist! Laßt uns daran
denken, daß Jesus uns persönlich kennt. Unsre Schwachheit erregt sein Mitgefühl. Er weiß von den
Bedürfnissen eines jeden seiner Geschöpfe. Er kennt den verborgenen, unausgesprochenen Kummer
jedes Herzens. Wird einem von den Kleinen, für die er gestorben ist, weh getan, sieht er das und zieht
den Schuldigen zur Rechenschaft. Jesus ist der Gute Hirte. Er ist besorgt um seine schwachen,
kränklichen, verirrten Schafe und kennt sie alle mit Namen. Das Unglück jedes Schafes und jedes
Lammes seiner Herde rührt sein Herz voll mitfühlender Liebe, und jeder Hilferuf erreicht sein Ohr. Eine
der größten Sünden der Hirten Israels wird vom Propheten folgendermaßen gekennzeichnet: „Der
Schwachen wartet ihr nicht, und die Kranken heilt ihr nicht, das Verwundete verbindet ihr nicht, das
Verirrte holt ihr nicht, und das Verlorene sucht ihr nicht; sondern streng und hart herrschet ihr über sie.
Und meine Schafe sind zerstreut, als die keinen Hirten haben, und allen wilden Tieren zur Speise
364
geworden und gar zerstreut. Und gehen irre hin und wieder auf den Bergen und auf den hohen Hügeln
und sind auf dem ganzen Lande zerstreut; und ist niemand, der nach ihnen frage oder ihrer achte.“
Hesekiel 34,4-6.
Jesus sorgt so für jeden, als gäbe es keinen anderen auf Erden. Als Gottheit übt er große Kraft zu
unserem Nutzen aus, und als unser ältester Bruder nimmt er an all unserem Weh teil. Die Majestät des
Himmels hielt sich nicht von den gefallenen, sündigen Menschen fern. Wir haben keinen Hohenpriester,
der so erhaben wäre, daß er nicht mit uns fühlen könnte, sondern einen, der in allem versucht ist wie
wir, doch ohne Sünde.
Wie anders als dieser Geist ist doch die Gleichgültigkeit und Verachtung, die einige in ... Bruder J
und denen gegenüber bekundet haben, die von ihm beeinflußt sind! Wenn je die umwandelnde Gnade
Gottes nötig wäre, dann ist es in dieser Gemeinde. Indem sie einen Bruder richteten und verurteilten,
taten sie etwas, wozu Gott sie niemals ermächtigt hat. Hartherzigkeit, ein Geist der Urteils- und
Tadelsucht, der Persönlichkeit und Unabhängigkeit vernichten würde, ist mit ihrer christlichen Erfahrung
verbunden, und sie haben die Liebe Jesu aus ihrem Herzen verloren. Beeilt euch, Geschwister, diese
Eigenschaften aus eurem Herzen zu verbannen, ehe im Himmel der Spruch gefällt wird: „Wer böse ist,
der sei fernerhin böse, und wer unrein ist, der sei fernerhin unrein; aber wer fromm ist, der sei fernerhin
fromm, und wer heilig ist, der sei fernerhin heilig.“ Offenbarung 22,11.
Ihr werdet in eurem Glaubensleben vielen Schwierigkeiten in der Gemeinde begegnen, aber bemüht
euch nicht zu sehr, eure Brüder umzugestalten. Verdammt sie nicht, wenn ihr bemerkt, daß sie den
Forderungen des Wortes Gottes nicht entsprechen. Fordern sie euch heraus, so vergeltet nicht
Gleiches mit Gleichem. Reden sie Dinge, die euch verärgern, so regt euch trotzdem nicht auf. Ihr seht
bei anderen viel, das euch als Unrecht erscheint, und wollt es abstellen. Ihr fangt mit eigener Kraft an,
eine Reform zu bewirken, aber ihr greift am falschen Ende an. Bemüht euch um die Irrenden mit einem
demütigen Herzen, das der Heilige Geist besänftigt hat, und laßt den Herrn
365
durch euch als Werkzeuge wirken. Werft eure Last auf Jesum. Ihr fühlt, daß der Herr sich des Falles
annehmen muß, wenn Satan um eine Seele kämpft. Was ihr tun könnt, das muß in Demut und
Sanftmut geschehen, aber die verwickelten Angelegenheiten legt in die Hände Gottes. Folgt den
Anweisungen seines Wortes und überlaßt das Ergebnis seiner Weisheit. Habt ihr alles nur Mögliche zur
Errettung eures Bruders getan, dann hört auf, euch zu mühen, und geht ruhig an andere dringende
Pflichten. Es ist nun nicht mehr eure, sondern Gottes Sache.
Laßt euch bei Schwierigkeiten nicht von Ungeduld übermannen und macht den Fall dadurch nicht
hoffnungslos. Laßt Gott die verschlungenen Fäden für euch entwirren. Er ist weise genug, die
Verwicklungen unseres Lebens in Ordnung zu bringen. Er ist geschickt und vorsichtig. Wir erkennen
seine Pläne nicht immer. Deshalb müssen wir ihre Entfaltung geduldig abwarten und dürfen sie nicht
beeinträchtigen und zunichte machen. Er wird sie uns zur rechten Zeit offenbaren. Trachtet nach
Einigkeit. Pflegt die Liebe und sucht Übereinstimmung mit Christo in allen Dingen. Er ist die Quelle der
Einigkeit und Stärke. Aber ihr habt nicht nach christlicher Einigkeit gestrebt, daß eure Herzen in Liebe
miteinander verbunden würden.
Es gibt für euch noch viel Arbeit innerhalb und außerhalb der Gemeinde. „Darin wird mein Vater
geehrt, daß ihr viel Frucht bringet.“ Johannes 15,8. Die Frucht, die wir hervorbringen, ist der Welt der
einzige Beweis für den Wert des Baumes. Sie ist der Beweis unserer Jüngerschaft. Sind unsere Werke
so, daß wir wie die Reben am Weinstock köstliche Trauben als Frucht hervorbringen, dann tragen wir
damit vor der Welt das Merkmal als Gottes Söhne und Töchter. Wir sind lebendige Briefe, gekannt und
gelesen von allen Menschen.
Jetzt, fürchte ich, versäumt ihr, wiedergutzumachen, was ihr in der Vergangenheit unterlassen habt,
und bemüht euch nicht, lebendige, fruchttragende Reben zu werden. Wenn ihr nach Gottes Willen
handeln würdet, dann käme sein Segen auf die Gemeinde. Ihr seid noch nicht demütig genug gewesen,
um gründliche Arbeit zu leisten und der Absicht des Geistes Gottes zu entsprechen. Ihr seid immer
noch selbstgerecht und selbstgefällig,
366
statt Demut, Reue und Bußfertigkeit zu bekunden. Räumt jeden Stein des Anstoßes aus dem Wege und
„tut gewisse Tritte mit euren Füßen, daß nicht jemand strauchle wie ein Lahmer“. Hebräer 12,13. Noch
ist es nicht zu spät, Unrecht in Ordnung zu bringen; denkt nur nicht, daß ihr gesund seid und keines
Arztes bedürft, denn ihr braucht Hilfe. Wenn ihr mit zerbrochenem Herzen zu Jesu kommt, hilft und
segnet er euch, daß ihr mutig und kraftvoll im Werk des Meisters vorangehen könnt. Der beste Beweis
dafür, daß ihr in Christo seid, ist eure Frucht. Seid ihr nicht wahrhaft mit ihm verbunden, werden eure
Erkenntnis und eure Gnadengaben euch nur verdammen.
Kapitel 40: Kaufet die Zeit aus
Lieber Bruder J, ich bin nachts um zwölf Uhr aufgestanden, um dir zu schreiben. Mein Geist ist
bekümmert. Ich mache mir Sorgen um dich, denn ich weiß, daß wir uns nahe am Abschluß der
Weltgeschichte befinden, und dein Lebensbericht nicht so ist, daß du ihm gerne an jenem großen Tag,
wo jedermann nach seinen Taten gerichtet wird, gegenübertreten möchtest.
Du magst empfinden, daß andere verkehrt gehandelt haben. Und ich weiß so gut wie du, daß in der
Gemeinde kein christlicher Geist offenbart wurde. Wird dir das im Gericht von Nutzen sein? Werden
zwei Fehler einen aufwiegen? Wenn auch einer, zwei oder drei in der Gemeinde gefehlt haben, wird
dies deine Sünde weder austilgen noch entschuldigen. Welchen Kurs andere auch einschlagen mögen,
deine Arbeit besteht darin, dein eigenes Herz in Ordnung zu bringen. Gott hat Ansprüche an dich, die
du unter keinen Umständen vergessen oder vernachlässigen darfst. Jede Seele ist in seinen Augen
kostbar.
Mein Herz geht jenen nach, die an den finsteren Klippen des Unglaubens gestrauchelt sind. Wie
gerne würde ich ihnen helfen! Es befindet sich gutes Material in der Gemeinde in. ... Die Glieder sind
nicht durch den Geist Gottes wiedergeboren. Sie befinden sich nicht in einer Lage, die es ihnen
ermöglicht,
367
ihr Licht in der Welt scheinen zu lassen. Einige, die beste Beweggründe haben und Fähigkeiten
aufweisen, die sehr gebraucht werden, versagen aus Mangel an Liebe und Barmherzigkeit, die so
reichlich im Herzen Christi wohnten, völlig, wenn sich Schwierigkeiten in der Gemeinde erheben. Sie
sehen jemand, der sich im Irrtum befindet; aber anstatt ihm zu helfen, halten sie sich zurück. Sie sind
geneigt, unfreundliche Anspielungen zu machen und empfindliche Stellen zu berühren, wo sie es doch
vermeiden sollten. Das eigene Ich erhebt sich und gewinnt die Oberhand, und sie verursachen Schmerz
und erregen verkehrte Gefühle. Wie rein ihre Absichten auch sein mögen, wenn Christi Zartgefühl und
Mitleid fehlen, werden ihre Bemühungen, Gutes zu tun, beinahe in einem Fehlschlag enden, wenn nicht
gar in wirklichem Schaden. Sie würden gute Chirurgen sein; aber schlechte Pfleger. Sie besitzen nicht
das aus der Liebe geborene Taktgefühl. Hätten sie dies, dann wüßten sie das rechte Wort zur rechten
Zeit und am rechten Platz zu sprechen und auch das Rechte zu unternehmen. Andere mögen keinen
aufrichtigeren Wunsch haben, das Rechte zu tun. Sie mögen kein tieferes Interesse am Werke Gottes
haben; sie mögen nicht treuer und gehorsamer, ihr Mitgefühl nicht ernsthafter und ihre Liebe nicht
wärmer sein. Und doch haben sie wegen ihrer Freundlichkeit und ihres Taktgefühls mehr Erfolg, die
Irrenden zurückzubringen.
Es würde dem Herrn wohlgefällig sein, wenn sein Volk untereinander rücksichtsvoller, barmherziger
und hilfreicher wäre, als es jetzt der Fall ist. Lebt Christi Liebe im Herzen, dann wird jeder zärtlich über
die Interessen des andern wachen. Ein Bruder wird den anderen nicht im Geschäft übervorteilen; er
wird keine übermäßigen Zinsen von ihm fordern, weil sein Bruder in Schwierigkeiten geraten ist und
finanzieller Hilfe bedarf. Diejenigen, die Vorteile aus der Not anderer ziehen, beweisen deutlich, daß sie
sich nicht von den Grundsätzen des Evangeliums Christi leiten lassen. Ihre Handlungsweise ist in den
Himmelsbüchern als Betrug und Unehrlichkeit eingetragen. Wo immer nach solchen Prinzipien
gehandelt wird, kann nicht mit des Herrn Segen gerechnet werden; er bleibt dem Herzen fern.
368
Solche Personen empfangen den Stempel des großen Widersachers, anstatt vom Geiste Gottes
geprägt zu werden. Die zuletzt das Himmelreich ererben, müssen durch die göttliche Gnade
umgestaltet werden. Sie müssen in Herz und Leben rein sein und ebenmäßige Charaktere besitzen.
Mein Bruder, ich betrachte dich als jemand, der sich in großer Gefahr befindet. Du hast deinen
Schatz auf Erden angelegt, und dein Herz ist da, wo dein Schatz ist. Doch alle Mittel, die du anhäufen
magst, selbst wenn es Millionen wären, könnten deine Seele nicht erlösen. Deshalb beharre nicht in
Unbußfertigkeit und Unglauben. Vereitle nicht Gottes gnadenvolle Absichten. Zwinge seine zögernde
Hand nicht, dein Eigentum zu vernichten oder dich selbst anzutasten.
Wie viele beschreiten jetzt einen Weg, der zu Heimsuchungen und Gerichten führen muß. Sie leben
Tag für Tag, Woche für Woche, Jahr für Jahr ihren selbstsüchtigen Interessen. Ihr Einfluß und ihre
Mittel, die sie durch von Gott verliehenes Geschick und Takt erworben haben, werden für sie und ihre
Familien verwendet, ohne einen Gedanken an ihren gnadenvollen Wohltäter. Nichts geht an den Geber
zurück. Sie sind dahin gekommen, ihr Leben und die anvertrauten Talente als ihr Eigentum zu
betrachten. Wenn sie Gott jenen Teil zurückerstatten, den er rechtmäßig fordert, glauben sie, daß ihr
Schöpfer nun in ihrer Schuld stehe. Zuletzt ist seine Geduld mit diesen untreuen Haushaltern erschöpft.
Er bringt all ihre egoistischen, weltlichen Pläne plötzlich zum Ende. Er zeigt ihnen, daß er alles
zerstreuen kann, was sie zu ihrer eigenen Verherrlichung angehäuft haben, und daß sie hilflos sind,
seiner Macht zu widerstehen.
Bruder J, ich wende mich heute an dich als einen Gefangenen auf Hoffnung. Willst du beachten,
daß du die Zeit deiner Mittagssonne vor Jahren überschritten hast und daß sie rapide im Abnehmen
begriffen ist? Der Abend ist gekommen. Siehst du nicht die länger werdenden Schatten? Dir bleibt nur
noch eine kurze Zeit, für dich selbst, für die Menschheit und für deinen Meister zu wirken. Ein
besonderes Werk ist für dich, für deine eigene Seele zu tun, wenn du jemals zu den Überwindern
gezählt werden sollst. Wie steht es mit deinem Lebensbericht?
369
Bittet Jesus umsonst für dich? Soll er von dir enttäuscht werden? Einige deiner Gefährten, die dir zur
Seite standen, haben ihren Lauf schon vollendet. Die Ewigkeit wird zeigen, ob sie Schiffbruch im
Glauben erlitten und versäumten, das ewige Leben zu erlangen, oder ob sie reich in Gott waren und
Erben einer ewigen und über alle Maßen wichtigen Herrlichkeit geworden sind. Willst du nicht in
Betracht ziehen, daß Gottes langmütige Geduld dir gegenüber Reue und Demütigung der Seele ihm
gegenüber fordert?
Es gibt andere wichtige Überlegungen, außer deiner persönlichen Seligkeit, die deine
Aufmerksamkeit fordern. So spät es auch ist, während deine Sonne fast hinter den westlichen Hügeln
versinkt, hast du noch ein großes Werk für deine Kinder zu tun, denen gestattet wurde, die Welt zu
lieben und sich von Gott zu trennen. Du hast auch ungerettete Verwandte, Nachbarn und Freunde.
Hätte dein Beispiel mit dem empfangenen Licht übereingestimmt; wärest du so eifrig gewesen, diese
kostbaren Seelen zu retten, wie du es im Sammeln irdischer Schätze warst; hättest du deine Mittel,
deinen Einfluß, deine Weisheit und Geschicklichkeit benutzt, um diese Verirrten zur Herde Christi zu
führen — wäre dies dein Lebenswerk gewesen, dann hättest du eine Seelenernte einheimsen können
und dir einen reichen Lohn am Tage Gottes gesichert. Du hättest wertvolles, unvergängliches Material
zum Bauen auf dem wahren Fundament verwendet. Statt dessen hast du mit Holz, Heu und Stoppeln
gebaut, mit verderblichem Material, das am Tage, an dem das Werk eines jeden geprüft wird, in
Flammen aufgehen wird.
Dein Leben war ein Fehlschlag. Für Sünder bist du ein Stein des Anstoßes gewesen. Sie haben von
dir gesagt: „Wenn die Religion wirklich echt ist, die dieser Mann bekennt, warum jagt er denn so eifrig
dieser Welt nach? Warum zeigt er in seinem Verhalten nicht den Geist Christi?“ Beeile dich, mein
Bruder, diese Steine des Anstoßes aus dem Weg der Sünder zu entfernen, ehe es für immer zu spät
ist. Kannst du mit Vergnügen dein Leben oder den Einfluß, den du ausgeübt hast, überblicken? Willst
du jetzt auf dein Verhalten achten? Willst du dich jetzt anstrengen, mit Gott ins rechte Verhältnis zu
kommen?
370
Ich glaube nicht, daß dein Herz für Eindrücke unempfänglich ist. Ich weiß, daß Gottes liebevolle
Freundlichkeit und zärtliche Barmherzigkeit wunderbar sind. Dir steht noch eine kurze Gnadenzeit zur
Verfügung. Willst du sie auskaufen, während Jesus noch sein Blut vor dem Vater geltend macht? Er hat
in Gnaden dein Leben verschont. Aber es war dem unfruchtbaren Feigenbaum gleich, auf dem Jahr um
Jahr keine Frucht erschien, nichts als Blätter. Wie lange noch willst du den Meister enttäuschen? Wirst
du ihn zwingen zu sagen: „Nun wachse auf dir nimmermehr eine Frucht“ (Matthäus 21,19) oder „Haue
ihn ab! Was hindert er das Land?“ Lukas 13,7. Ach, warte nicht, bis der Herr seine Hand wider dich
erhebt und dein angehäuftes Vermögen zerstreut. Denke daran, daß dein ganzer Reichtum dir auf dem
Sterbebett weder süße Zusicherung noch Frieden vermitteln wird.
Ich betone nachdrücklich, wie notwendig es für dich ist, unverzüglich zum Herrn zurückzukehren.
Enttäusche den Feind. Löse dich von seiner grausamen Macht. Sorge in der dir verbleibenden
Lebenszeit für einen gänzlich anderen Bericht im Himmel, dessen du dich nicht zu schämen brauchst,
wenn die Bücher geöffnet werden und der Richter über alle, die diese große Erlösung versäumten, das
Urteil sprechen wird.
Paulus ermahnt seine Brüder zu Ephesus, die Zeit auszukaufen, weil es böse Zeit ist. Diese
Ermahnung gilt auch dir. Es ist unmöglich, vergangene Zeit zurückzuholen; vorbei ist vorbei. Aber du
bist aufgerufen, dich zu reformieren, eifrig zu guten Werken zu sein, in dem Maße, wie du zuvor die
Pflicht vernachlässigt hast. Mache eine Kehrtwendung. Verdopple deinen Fleiß, deine Berufung und
Erwählung fest zu machen. Halte Gottes Gebote und lebe. Halte sein Gesetz wie deinen Augapfel.
Benutze jeden Augenblick bis zum äußersten, um für dein eigenes ewiges Heil und für die Rettung der
Seelen in deiner Umgebung zu wirken. Indem du es tust, magst du dich selbst und diejenigen retten, die
mehr oder weniger durch dein Beispiel beeinflußt wurden. Dies sind Beweggründe, die ernsthaft in
Betracht gezogen werden müssen.
371
Wach auf! Wach auf! Du hast eine Arbeit vor dir, und deine Sonne geht bald unter. Deine Kräfte
lassen nach. Alles, was du bist, jede Fähigkeit gehört Gott und sollte ernstlich und uneigennützig in
seinen Dienst gestellt werden. Wirke, solange die Sonne noch am Himmel verweilt; denn „es kommt die
Nacht, da niemand wirken kann“. Johannes 9,4.
Komm, mein Bruder, komm so, wie du bist, sündig und befleckt. Schütte deine Sündenlast vor Jesu
aus und beanspruche im Glauben seine Verdienste. Komm jetzt, solange noch Gnade ist. Komm,
bekenne, komm mit Zerknirschung der Seele, denn bei Gott ist viel Vergebung. Wage nicht, eine
weitere Gelegenheit zu versäumen. Höre auf die Stimme der Gnade, die dich jetzt bittet, von den Toten
aufzustehen, damit Christus dich erleuchten kann. Jeder Augenblick scheint jetzt in direktem
Zusammenhang mit den Schicksalen der unsichtbaren Welt zu stehen. Laß dein Stolz und Unglaube
dich nicht verleiten, weiterhin die angebotene Gnade zu verschmähen. Tust du das, so wirst du zuletzt
klagen müssen: „Die Ernte ist vergangen, der Sommer ist dahin, und uns ist keine Hilfe gekommen.“
Jeremia 8,20.
Beuge dich in tiefer Demut vor Gott. Beschließe von Stund an, dem Herrn zu gehören, deine ganze
Pflicht zu tun und völlig auf die große Versöhnung zu vertrauen. Tue dies, und du hast nichts zu
befürchten. Der Rest deiner Lebenszeit wird ruhig und glücklich sein. Du wirst dir jenes Leben sichern,
das währen wird, so lange Gott lebt.
Ich habe dir dies geschrieben, weil ich mich vom Geiste Gottes gedrängt fühlte, und weil ich tiefes
Interesse für dich empfinde. Deine Gefühle sollten sich nicht für einen Augenblick gegen mich richten;
denn nur die Liebe zu dir war mein Beweggrund. Wir haben uns vieler kostbarer Gelegenheiten der
Anbetung Gottes erfreut, wo unsere Herzen seinen Segen verspürten. Soll dieses für immer vorüber
sein? Wir mögen uns in diesem Leben nie wieder begegnen. Werden wir uns begegnen, wenn die
Erlösten um den großen weißen Thron versammelt sind?
Kapitel 41: Die Herstellung von Wein und Most
Liebe Geschwister der Gemeinde in. ... Es wurde mir gezeigt, daß ihr als Gemeinde nicht in der
Gnade und in Erkenntnis der Wahrheit zunehmt. Es besteht unter euch nicht jene Weihe an Gott und
seinen Dienst und jene uneigennützige Arbeit zum Aufbau seines Werkes, die euch zu einer
gedeihlichen und gesunden Gemeinde machen würden. Ihr seid nicht einander untertan. Es sind zu
viele unter euch, die ihre eigenen Ansichten beibehalten und ihre eigenen selbstsüchtigen Pläne
durchführen wollen, und unter ihnen sind solche, die eine leitende Stellung in der Gemeinde
einnehmen.
Bruder K hat nicht Gottes Verherrlichung im Auge. Er betrachtet die Dinge nicht im rechten Licht. Er
achtet auf Satans Einflüsterungen und folgt seinem eigenen ungeheiligten Urteil. Er greift jedes Wort
auf, das er benutzen kann, um seinen verkehrten Kurs zu rechtfertigen. Er betrügt sich selbst und
erkennt nicht, daß er sich dem Geiste Gottes verschließt. Als er diesen Weg beschritt, erkannte er nicht
seine Gefahr und sah nicht voraus, wohin er ihn führen würde. Alle, die den gleichen Weg beschreiten,
täten wohl daran, sofort umzukehren und ihre Füße auf den sicheren Pfad zu stellen.
Wir leben in einem Zeitalter der Unmäßigkeit, und dem Appetit des Weintrinkers
entgegenzukommen, ist eine Beleidigung Gottes. Mit anderen zusammen hast du dich auf dieses
Geschäft eingelassen, weil du nicht dem Licht gefolgt bist. Hättest du im Licht gestanden, würdest du
anders gehandelt haben. Jeder von euch, der sich an diesem Geschäft beteiligt hatte, wird von Gott
verdammt werden, wenn ihr nicht eine entschiedene Veränderung vornehmt. Ihr solltet euch ernstlich
bemühen. Ihr müßt sofort etwas unternehmen, um euch von der Verdammnis zu befreien.
Einige von euch in ... haben wunderbaren Eifer entwickelt, den „Roten-Ordensband-Klub“ zu
denunzieren. Soweit ihr von dem Wunsch geleitet wurdet, das Übel in diesen Vereinen zu verurteilen,
ist es ja recht und gut. Aber als ihr euch so verhieltet, als sei es ein Verbrechen, zu ihren Gunsten zu
sprechen
373
oder ihnen gegenüber den geringsten guten Willen zu zeigen, seid ihr entschieden zu weit gegangen.
Ihr solltet in allem konsequent sein. Allein schon der Name „Roter-Ordensband-Klub“ hat bei euch einen
Haß erweckt, der nichts mit Christi Geist zu tun hat, und eure Gefühle der Bitterkeit haben weder euch
noch anderen geholfen.
Ihr habt die Zeugnisse, die unser Volk vor einer Verbindung mit den Mäßigkeitsvereinen warnten,
zum Schaden ihrer geistlichen Interessen benutzt, und indem ihr sie verdrehtet, habt ihr Seelen
unterdrückt und belastet. Indem ihr das gegebene Licht so behandeltet, habt ihr mein Werk in Verruf
gebracht. Dazu bestand nicht die geringste Notwendigkeit. Einige von euch sollten diese Sache
richtigstellen. Ihr wolltet für andere eine eiserne Regel aufstellen. Alles, was euch nicht entsprach, habt
ihr verurteilt. „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet.“ Matthäus 7,1.
Nachdem ihr einen entschiedenen Stand gegen aktive Teilnahme am Werk der Mäßigkeitsvereine
eingenommen hattet, wäre es euch immer noch möglich gewesen, einen guten Einfluß auf andere zu
haben, wenn ihr gewissenhaft in Übereinstimmung mit dem heiligen Glauben gehandelt hättet, zu dem
ihr euch bekennt. Als ihr jedoch an die Herstellung von Wein herangegangen seid, habt ihr eurem
Einfluß sehr geschadet. Was noch schlimmer ist, ihr habt Schande über die Wahrheit gebracht und eure
eigenen Seelen verletzt. Ihr habt eine Schranke zwischen euch und den Mäßigkeitsbestrebungen
aufgerichtet. Ihr habt Ungläubige veranlaßt, eure Prinzipien in Frage zu stellen. Die von euch
beschrittenen Pfade sind nicht eben, und die Lahmen straucheln und stolpern über euch ins Verderben.
Es erstaunt mich, wie Christen es im Lichte des Gesetzes Gottes mit ihrem Gewissen vereinbaren
können, Hopfen anzubauen oder Wein und Most für den Markt zu produzieren. All diese Artikel können
in gute Ware umgewandelt werden und zum Segen sein, oder sie werden so verarbeitet, daß sie zur
Versuchung und zum Fluch gereichen. Most und Wein können, frisch konserviert, lange Zeit süß
erhalten werden. Wenn man sie in unvergorenem Zustand genießt, werden sie die Vernunft
374
nicht beeinträchtigen. Aber diejenigen, die aus Äpfeln Most für den Markt herstellen, kümmern sich nicht
um den Zustand der Früchte, und oft wird faules Obst für den Saft verwendet. Menschen, die nie auf
den Gedanken kämen, diese giftigen, verfaulten Äpfel für andere Zwecke zu verwenden, trinken den
Most, der aus diesen Äpfeln hergestellt wurde und nennen ihn eine Delikatesse. Das Mikroskop würde
die Tatsache offenbaren, daß dieses angenehme Getränk völlig unbrauchbar für den menschlichen
Magen ist, selbst wenn es frisch von der Presse käme. Wenn der Saft gekocht und von Unreinheiten
befreit würde, wäre er weniger schädlich.
Oft hörte ich Leute sagen: „O, das ist nur Süßmost, der ist vollkommen unschädlich und sogar
gesund!“ Ganze Fässer voll werden mit nach Hause genommen. Einige Tage lang bleibt der Most
frisch; aber dann beginnt er zu gären. Das scharfe Aroma macht ihn für einige Zungen noch
angenehmer, und der Liebhaber von süßem Wein oder Most will nur ungern zugeben, daß sein
bevorzugtes Getränk inzwischen schwer oder vergoren geworden ist. Man kann von Wein und Most
ebenso betrunken werden wie von stärkeren Getränken, und die schlimmste Art von Trunkenheit wird
durch die sogenannten „leichten Getränke“ verursacht. Die Leidenschaften werden mehr angestachelt,
die Herabwürdigung des Charakters ist größer, entschiedener und hartnäckiger. Einige Gläser Most
oder Wein können den Geschmack für starke Getränke wecken. In vielen Fällen hat der spätere
Trunkenbold dadurch das Fundament für seine Trunksucht gelegt. Für einige Personen ist es absolut
nicht ungefährlich, Wein oder Most im Haus zu haben. Sie haben die Sucht nach Genußmitteln geerbt,
und Satan versucht sie fortwährend, dieser Sucht zu frönen. Geben sie seinen Versuchungen nach, gibt
es keinen Halt mehr. Die Sucht will befriedigt werden und führt zum Untergang. Der Verstand ist
gelähmt und umwölkt. Die Vernunft regiert nicht länger, sondern wird auf dem Altar der Lust geopfert.
Als Resultat der Befriedigung des Appetits auf Wein und Most folgen Ausschweifung, Ehebruch und
Laster jeder Art. Ein Religionsbekenner, der diese Reizmittel liebt und sich daran gewöhnt, wird niemals
in der Gnade wachsen. Er
375
wird stumpfsinnig und lüstern; die tierischen Neigungen beherrschen die höheren Verstandeskräfte, und
die Tugend kommt zu Schaden.
Mäßiges Trinken ist die Schule, in der Menschen sich auf die Karriere als Trinker vorbereiten. So
allmählich führt Satan sein Opfer von der Festung der Mäßigkeit hinweg, so unmerklich übt der
harmlose Wein und Most seinen Einfluß aus, daß die Heerstraße der Trunkenheit ganz arglos betreten
wird. Der Appetit auf Reizmittel wird gehegt, das Nervensystem gerät durcheinander. Satan hält die
Sinne im Fieber der Unrast gefangen. Das Opfer, das sich völlig sicher glaubt, geht weiter und weiter,
bis jede Schranke niedergerissen und jeder Grundsatz geopfert ist. Die besten Vorsätze werden
untergraben. Die ewigen Interessen sind nicht stark genug, den verderbten Appetit unter die Kontrolle
der Vernunft zu bringen.
Einige sind nie richtig betrunken, befinden sich aber immer unter dem Einfluß von Most oder
vergorenem Wein. Sie sind fieberhaft, unausgewogener Gemütsverfassung, nicht wirklich
geistesgestört, befinden sich aber in schlechtem Zustand; denn alle edleren Geisteskräfte sind entartet.
Eine Neigung zu den verschiedensten Krankheiten wie Wassersucht, Leberbeschwerden,
Nervenzittern, Blutandrang zum Kopf ist das Resultat gewohnheitsmäßigen Trinkens von vergorenem
Most. Wer dieser Gewohnheit frönt, setzt sich ständigem Kranksein aus. Einige sterben an
Schwindsucht oder Schlaganfall, allein aus diesem Grund. Andere sind magenkrank. Jede
lebenswichtige Körperfunktion wird zerstört, und die Ärzte sagen ihren Patienten, daß die Leber nicht in
Ordnung sei. Würden sie ihr Faß Most ausschütten und niemals mehr füllen, könnten ihre
geschwächten Lebenskräfte sich erholen und wieder voll funktionsfähig werden.
Mosttrinken führt zum Gebrauch stärkerer Getränke. Der Magen verliert seine natürliche Kraft und
etwas Stärkeres wird benötigt, ihn an die Arbeit zu bringen. Einmal, während mein Mann und ich auf
unseren Zug warten mußten, begaben wir uns in den Wartesaal. Dann stürmte ein rotgesichtiger,
aufgeschwemmter Farmer ins Restaurant, das mit dem Warteraum
376
verbunden war, und rief mit lauter, rauher Stimme: „Haben Sie erstklassigen Branntwein?“ Die Antwort
war „ja“, und er bestellte einen halben Becher. „Haben Sie auch Pfeffersoße?“ „Ja“, lautete die Antwort.
„Dann schütten Sie zwei große Löffel voll ins Glas.“ Dann bestellte er zwei Löffel voll Alkohol und „eine
gute Portion schwarzen Pfeffer“. Der Mann, der das Getränk vorbereitete, fragte: „Was wollen Sie mit
einer solchen Mixtur machen?“ Er erwiderte: „Natürlich werde ich sie trinken“; dann setzte er das volle
Glas an seine Lippen und leerte es bis zum Grund. Dieser Mann hatte Reizmittel zu sich genommen,
bis die zarten Magenschleimhäute völlig abgetötet waren.
Viele, die dies lesen, werden über die Warnung vor der Gefahr lachen. Sie werden sagen: „Wahrlich,
das bißchen Wein oder Most, das ich trinke, wird mir nicht schaden.“ Satan merkt sich solche als sein
Opfer. Er führt sie Schritt für Schritt weiter, und sie merken nichts, bis die Ketten der Gewohnheit und
des Appetits zu stark geworden sind, um noch gebrochen zu werden. Wir sehen, welche Macht die
Sucht nach starken Getränken über Menschen hat. Wir sehen, wie viele Menschen aller Stände und
schwerer Verantwortung, Männer in gehobener Stellung, hervorragender Talente, großer Kenntnisse,
begabt mit Feingefühl, starken Nerven und guten Geisteskräften, alles der Genußsucht opfern, bis sie
auf die Ebene von Tieren herabgewürdigt sind. Und in sehr vielen Fällen begann der Niedergang mit
dem Trinken von Wein oder Most.
Wenn intelligente Männer und Frauen, bekenntliche Christen, behaupten, es bringe keinen
Schaden, Wein oder Most für den Markt herzustellen, weil sie nicht benebeln, solange sie nicht gegoren
sind, dann kann ich nur traurig darüber sein. Ich weiß, daß diese Sache noch eine andere Seite hat,
und sie weigern sich, diese in Betracht zu ziehen. Selbstsucht hat ihre Augen vor den schrecklichen
Übeln verschlossen, die vom Gebrauch dieser Reizmittel resultieren. Ich weiß nicht, wie unsere Brüder
allen bösen Schein meiden wollen, wenn sie den Anbau von Hopfen betreiben, wohl wissend, wozu er
verwendet wird. Diejenigen, die mithelfen, diese Reizmittel zu produzieren, welche die Sucht nach
stärkeren Anregungsmitteln nähren,
377
werden nach ihren Werken belohnt werden. Sie sind Übertreter des Gesetzes Gottes. Sie werden für
ihre Sünden bestraft werden und für die Sünden derer, die diese durch die Versuchungen, denen sie
ausgesetzt waren, begangen haben.
Alle, die vorgeben, an die gegenwärtige Wahrheit zu glauben und Reformer zu sein, sollten in
Übereinstimmung mit ihrem Glauben handeln. Wenn jemand, dessen Name im Gemeindebuch steht,
Wein oder Most für den Markt herstellt, muß ernstlich mit ihm gearbeitet werden. Fährt er trotzdem darin
fort, muß Gemeindezucht angewendet werden. Wer sich von diesem Geschäft nicht abbringen läßt, ist
eines Platzes und eines Namens unter Gottes Volk unwürdig. Wir sollen Nachfolger Christi sein und
unser Herz und unseren Einfluß gegen jede üble Praktik richten. Wie würden wir empfinden, wenn uns
am Tage, wo Gottes Gerichte über die Menschheit ergehen, uns solche begegnen, die durch unseren
Einfluß zu Trunkenbolden wurden? Wir leben im wesentlichen Versöhnungstag. Unser Fall wird bald
von Gott untersucht werden. Wie werden wir im himmlischen Gerichtshof dastehen, wenn unsere
Handlungsweise den Gebrauch von Reizmitteln ermutigt hat, die die Vernunft beeinträchtigen und für
Tugend, Reinheit und die Liebe Gottes nachteilig sind?
Der Schriftgelehrte fragte Christum: „Meister, was muß ich tun, daß ich das ewige Leben ererbe? Er
aber sprach zu ihm: Wie steht im Gesetz geschrieben? Wie liesest du? Er antwortete und sprach: >Du
sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von
ganzem Gemüte, und deinen Nächsten wie dich selbst Er aber sprach zu ihm: Du hast recht
geantwortet; tue das, so wirst du leben.“ Lukas 10,25-28. Das ewige Leben ist ein Preis, der auf dem
Spiel steht. Christus sagt uns, wie wir es erlangen können. Er verweist uns auf das geschriebene Wort:
„Wie liesest du?“ Der Weg ist klar umrissen. Wir sollen Gott über alles lieben und unseren Nächsten wie
uns selbst. Wenn wir unseren Nächsten wie uns selbst lieben, werden wir nicht Dinge auf den Markt
bringen, die sich ihm als Fallstrick erweisen.
378
Gott und den Menschen zu lieben, ist des Christen ganze Pflicht. Das Gesetz der Liebe ist auf die
Tafeln des Herzens geschrieben. Der Geist Gottes wohnt in ihm. Sein Charakter tut sich in guten
Werken kund. Jesus wurde arm, daß wir durch seine Armut reich werden möchten. Welche Opfer sind
wir bereit, um seinetwillen zu bringen? Wohnt seine Liebe in unseren Herzen? Lieben wir unsere
Nächsten, wie Christus uns liebt? Wenn wir diese Liebe zu Seelen haben, werden wir sorgfältig darauf
achten, sie weder durch unsere Worte, unsere Taten noch durch unseren Einfluß Versuchungen
auszusetzen, denen die Schwachen an moralischer Kraft nicht widerstehen können. Wir werden die
Schwachen und Leidenden nicht rügen, wie es die Pharisäer fortwährend taten. Wir werden
entschlossen jeden Stein des Anstoßes aus dem Weg unseres Bruders entfernen, damit der Lahme
nicht strauchle und falle.
Als Volk bekennen wir, Reformer, Lichtträger für die Welt, treue Wächter Gottes zu sein und jeden
Zugang zu verschließen, durch den Satan mit seinen Versuchungen, den Appetit irrezuleiten,
hereinkommen könnte. Unseren Einfluß und unser Beispiel müssen wir für die Reform einsetzen. Wir
müssen von allen Handlungen Abstand nehmen, die das Gewissen verletzen und Versuchung
herausfordern. Wir dürfen keine Tür öffnen, die Satan Zugang zum Gemüt eines Menschen verschafft,
der nach dem Bilde Gottes gemacht wurde. Wenn alle mit Eifer und Treue die kleinen Lücken
bewachten, die durch den mäßigen Genuß des harmlos genannten Weins und Mosts gemacht werden,
könnte die Heerstraße zur Trunksucht gesperrt werden. Was in jeder bürgerlichen Gesellschaft benötigt
wird, ist fester Entschluß, der Wille, nicht anzurühren, nicht zu probieren und nicht zu handhaben; dann
wird die Mäßigkeitsreform stark, dauerhaft und durchgreifend sein.
Die Liebe zum Geld wird Menschen verleiten, das Gewissen zu verletzen. Es mag sein, daß dieses
Geld ins Schatzhaus des Herrn gebracht wird. Er wird eine solche Gabe nicht annehmen. Sie ist ihm ein
Greuel. Das Geld wurde durch Übertretung seines Gesetzes erlangt, welches fordert, daß ein Mensch
379
seinen Nächsten liebt wie sich selbst. Es ist keine Entschuldigung für den Übertreter, wenn er sagt:
„Hätte ich den Wein oder den Most nicht hergestellt, hätte es jemand anders getan“, und sein Nachbar
wäre genauso zum Trinker geworden. Wollen Christen es wagen, weil andere die Flasche an die Lippen
des Nachbarn setzen, ihre Kleider mit dem Blut von Seelen zu beflecken und den Fluch einzuheimsen,
der über alle ausgesprochen ist, die in dieser Weise irrende Menschen der Versuchung aussetzen?
Jesus beruft seine Nachfolger unter sein Banner, um die Machwerke des Teufels zu zerstören.
Der Welterlöser, der nur zu gut den Zustand der Gesellschaft in diesen letzten Tagen kennt, stellt
Essen und Trinken als die Sünden dar, die ein Fluch dieser Zeit sind. Er sagt uns, daß es zur Zeit
seiner Wiederkunft sein wird, wie in den Tagen Noahs. „... sie aßen, sie tranken, sie freiten und ließen
sich freien, bis an den Tag, da Noah zu der Arche einging; und sie achteten‘s nicht, bis die Sintflut kam
und nahm sie alle dahin.“ Matthäus 24,38.39. Gerade solch ein Zustand wird in den letzten Tagen
vorherrschen. Diejenigen, die diesen Warnungen glauben, werden sehr vorsichtig sein, keinen solchen
Weg einzuschlagen, der sie der Verdammnis aussetzt.
Brüder, laßt uns diese Angelegenheit im Lichte der Schrift betrachten und einen entschiedenen
Einfluß auf seiten der Mäßigkeit ausüben. Äpfel und Trauben sind Gaben Gottes. Sie können zu
hervorragenden Nahrungsmitteln verarbeitet werden oder auch durch falsche Anwendung verderbt
werden. Gott hat die Weinstöcke und Apfelbäume wegen den sündigen Praktiken der Menschen bereits
mit Mehltau behaftet. Wir stehen in der Welt als Reformer. Gebt Gottesleugnern und Ungläubigen
keinen Grund, unseren Glauben zu lästern. „Ihr seid das Salz der Erde ... Ihr seid das Licht der Welt ...“
Matthäus 5,13.14. Zeigt, daß unsere Herzen und Gewissen unter dem umgestaltenden Einfluß der
göttlichen Gnade stehen und unser Leben von den heiligen Grundsätzen des Gesetzes Gottes geleitet
wird, selbst wenn diese Grundsätze Aufopferung zeitlicher Interessen fordern.
Kapitel 42: Ehen mit Ungläubigen
Liebe Schwester L, ich habe erfahren, daß du dich mit dem Gedanken trägst, einen Mann zu
heiraten, der nicht deines Glaubens ist. Ich fürchte, du hast diesen bedeutsamen Schritt nicht sorgfältig
genug erwogen. Ehe du einen Schritt tust, der dein ganzes künftiges Leben beeinflußt, bitte ich dich
dringend, überlege dir die Sache gründlich und unter Gebet. Wird diese neue Verbindung eine Quelle
wahren Glücks für dich sein? Wird sie dir eine Hilfe im Glaubensleben sein? Wird sie Gott wohlgefallen?
Wirst du damit anderen ein gutes Beispiel geben?
Bevor sie die Hand zum Lebensbunde reicht, sollte sich jede Frau erkundigen, ob der, mit dem sie
ihr Geschick verbinden will, dessen auch würdig ist. Wie war sein Ruf in der Vergangenheit? Ist sein
Leben rein? Ist seine Liebe edel und erhaben, oder besteht sie nur aus gefühlsmäßiger Verliebtheit?
Besitzt er die Eigenschaften, die eine Frau glücklich machen? Kann sie in seiner Zuneigung wahrhaft
Frieden und Freude finden? Darf sie ihre persönliche Eigenart bewahren, oder muß sie Urteil und
Gewissen der Herrschaft ihres Mannes unterstellen? Als Nachfolgerin Christi gehört sie sich nicht
selbst, denn sie ist teuer erkauft. Kann sie vor allem den Forderungen des Heilandes nachkommen?
Werden Leib und Seele, Gedanken und Absichten rein und heilig bleiben? Diese Fragen sind von
lebenswichtiger Tragweite für das Wohlergehen jeder Frau, die in die Ehe tritt.
Das Heim bedarf der Religion. Nur dadurch kann der schmerzlichen Unbill vorgebeugt werden, die
so oft das Eheleben verbittert. Nur wo Christus herrscht, ist wahre, tiefe und selbstlose Liebe. Dann
verbinden sich beider Seelen eng miteinander, und ihr Leben gestaltet sich zu voller Harmonie. Engel
Gottes sind dann Gäste im Heim, und ihre heiligen Nachtwachen weihen das Ehegemach. Niedrige
Sinnlichkeit ist verbannt. Zu Gott empor sind die Gedanken gerichtet, zu ihm erhebt sich die Andacht
der Herzen.
381
Das Herz des Menschen sehnt sich nach Liebe, aber diese menschliche Liebe ist nicht stark, rein
oder kostbar genug, um die Liebe Jesu zu ersetzen. Nur in ihrem Heiland kann die Frau Weisheit, Kraft
und Gnade finden, um die Sorgen, Kümmernisse und Verantwortungen des Lebens tragen zu können.
Sie sollte ihn als ihre Stärke und ihren Führer erwählen. Laßt die Frau sich zuerst Christo schenken,
ehe sie sich einem irdischen Freunde gibt, und laßt sie keine Verbindung eingehen, die damit im
Widerstreit steht! Wer wahres Glück finden will, muß auf allem Besitz und zu allem Tun den Segen
Gottes haben. Ungehorsam gegen Gott ist schuld an dem Elend so vieler Herzen und Heime. Meine
Schwester, wenn du kein Heim haben willst, von dem die Schatten niemals weichen, dann verbinde
dich mit niemanden, der ein Feind Gottes ist.
In der Erwartung, diesen Worten im Weltgericht begegnen zu müssen, bitte ich dich dringend, den
geplanten Schritt zu bedenken. Frage dich: „Wird ein ungläubiger Mann meine Gedanken nicht von
Jesu ablenken? Er liebt das Vergnügen mehr als Gott. Wird er mich nicht verleiten, mich an dem zu
freuen, was ihm Vergnügen macht?“ Der Pfad zur Ewigkeit ist steil und rauh. Nimm keine zusätzliche
Last auf dich, die deinen Fortschritt verzögert. Du hast zu wenig geistliche Kraft und brauchtest Hilfe
statt Hinderung.
Der Herr befahl Israel vor alters, keine Heiraten mit den götzendienerischen Völkern seiner
Umgebung einzugehen: „Du darfst dich auch nicht mit ihnen verschwägern, weder deine Töchter an
ihre Söhne verheiraten, noch ihre Töchter für deine Söhne zu Frauen nehmen.“ Auch der Grund dafür
wird angegeben. Die unendliche Weisheit sieht die Folgen solcher Verbindungen voraus und erklärt
deshalb: „Denn sie würden deine Söhne von mir abwendig machen, so daß sie anderen Göttern dienen,
und der Zorn des Herrn würde gegen euch entbrennen und euch schnell vertilgen.“ „Denn du bist ein
dem Herrn, deinem Gott, geheiligtes Volk: dich hat der Herr, dein Gott, aus allen Völkern, die auf dem
Erdboden sind, zu seinem Eigentumsvolk erwählt.“ „So erkenne denn, daß der Herr, dein Gott, der
[wahre] Gott ist, der treue Gott, der den Bund und die Gnade
382
bis ins tausendste Glied denen bewahrt, die ihn lieben und seine Gebote halten, aber denen, die ihn
hassen, mit Vernichtung ihrer eigenen Person vergilt und seinen Widersachern keinen Aufschub
gewährt, sondern ihnen an ihrer eigenen Person vergilt.“ 5.Mose 7,3.4.6.9.10 (Menge).
Im Neuen Testament stehen ähnliche Verbote der Heirat von Christen mit Ungläubigen. Der Apostel
Paulus schreibt in seinem ersten Brief an die Korinther: „Ein Weib ist gebunden durch das Gesetz,
solange ihr Mann lebt; so aber ihr Mann entschläft, ist sie frei, zu heiraten, wen sie will, nur, daß es in
dem Herrn geschehe.“ 1.Korinther 7,39. In seinem zweiten Brief schreibt er: „Ziehet nicht am fremden
Joch mit den Ungläubigen. Denn was hat die Gerechtigkeit zu schaffen mit der Ungerechtigkeit? Was
hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis? Wie stimmt Christus mit Belial? Oder was für ein Teil
hat der Gläubige mit dem Ungläubigen? Was hat der Tempel Gottes für Gleichheit mit den Götzen? Ihr
aber seid der Tempel des lebendigen Gottes; wie denn Gott spricht: ‚Ich will unter ihnen wohnen und
unter ihnen wandeln und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein.‘ Darum gehet aus von ihnen
und sondert euch ab, spricht der Herr, und rühret kein Unreines an, so will ich euch annehmen und euer
Vater sein, und ihr sollt meine Söhne und Töchter sein, spricht der allmächtige Herr.“ 2.Korinther
6,14-18.
Meine Schwester, wagst du, diese klaren und bestimmten Weisungen zu mißachten? Wie kannst du
als Kind Gottes und durch Christi Blut erworbener Untertan seines Reiches dich mit jemandem
verbinden, der Jesu Ansprüche nicht anerkennt und sich nicht von seinem Geiste leiten läßt? Die
Gebote, die ich angeführt habe, sind nicht Menschen-, sondern Gotteswort. Wäre der Gefährte deiner
Wahl auch in jeder anderen Hinsicht würdig [er ist es nicht], so hat er doch die Botschaft für unsere Zeit
nicht angenommen. Er ist ungläubig, und dir hat der Himmel verboten, dich mit ihm zu verbinden. Du
kannst dieses ausdrückliche Gebot nicht ohne Gefahr für deine Seele mißachten.
Ich möchte dich vor dieser Gefahr warnen, ehe es zu spät ist. Du hörst auf freundliche, angenehme
Worte und bist geneigt
383
zu glauben, daß alles gut gehen wird. Aber du erkennst die Beweggründe nicht, die diese schönen
Reden veranlassen. Du siehst die Tiefen der im Herzen verborgenen Bosheit nicht. Du kannst nicht
hinter die Kulissen schauen und die Schlingen erkennen, die Satan dir legt. Er möchte dich auf einen
Weg locken, der es ihm leicht macht, die Pfeile der Versuchung auf dich abzuschießen. Räume ihm
nicht den geringsten Vorteil ein. Während Gott auf die Gedanken seiner Diener einwirkt, arbeitet Satan
durch die Kinder des Ungehorsams. Es gibt keine Übereinstimmung zwischen Christo und Belial. Die
beiden können nicht miteinander harmonieren. Wenn du dich mit einem Ungläubigen verbindest,
begibst du dich selbst auf Satans Boden. Du betrübst den Geist Gottes und verwirkst seinen Schutz.
Kannst du es dir leisten, im Kampf um das ewige Leben solche erschreckende Übermacht gegen dich
zu haben?
Du sagst vielleicht: „Ich habe aber mein Wort gegeben, soll ich es jetzt zurückziehen?“ Ich antworte:
„Wenn du Versprechungen gemacht hast, die mit der Bibel im Widerspruch stehen, dann ziehe sie auf
jeden Fall und unverzüglich zurück und bereue in Demut vor Gott die Verblendung, die dich zu solch
vorschnellem Gelübde brachte. Es ist viel besser, solche Versprechungen in der Furcht Gottes
zurückzunehmen, als sie zu halten und dadurch deinen Schöpfer zu entehren.“
Denke daran, du kannst einen Himmel gewinnen und einen offenen Weg ins Verderben meiden.
Gott meint es so, wie er es sagt. Er verbot unseren Ureltern, vom Baum der Erkenntnis zu essen. Ihr
Ungehorsam aber öffnete die Schleusen des Elends für die ganze Welt. Wenn wir Gott zuwiderhandeln,
wird er uns entgegenhandeln. Der einzig sichere Weg für uns ist, allen seinen Forderungen um jeden
Preis zu gehorchen, denn sie alle haben ihre Grundlage in unendlicher Liebe und Weisheit.
Der derzeitige Hang zu ausgesprochener Weltlichkeit, die Neigung, keinen höheren Anspruch als
den der Befriedigung aller eigenen Wünsche anzuerkennen, ist ein Zeichen der letzten Tage: „Wie es
geschah zu den Zeiten Noahs,“ sagte Christus, „so wird‘s auch geschehen in den Tagen des
Menschensohnes:
384
sie aßen, sie tranken, sie freiten, sie ließen sich freien bis auf den Tag, da Noah in die Arche ging und
die Sintflut kam und brachte sie alle um.“ Lukas 17,26.27. Die Menschen dieser Generation heiraten
und lassen sich heiraten und mißachten damit unbekümmert die Forderungen Gottes wie in den Tagen
Noahs. In der Christenheit herrscht eine erstaunliche und zugleich beunruhigende Gleichgültigkeit
gegen die Lehren des Wortes Gottes über die Heirat von Christen mit Ungläubigen. Viele, die
behaupten, Gott zu lieben und zu fürchten, folgen lieber dem Zuge ihres eigenen Herzens als dem Rat
der unendlichen Weisheit. In einer Angelegenheit, die ganz wesentlich das Glück und Wohl beider Teile
in dieser und der künftigen Welt betrifft, werden Vernunft, Urteilsfähigkeit und Gottesfurcht beiseite
gesetzt und blindem Trieb und hartnäckiger Entschlossenheit der Weg freigegeben. Männer und
Frauen, die sonst besonnen und gewissenhaft sind, verschließen sich jedem Rat. Sie sind den
dringenden Bitten ihrer Freunde, Verwandten und der Diener Gottes gegenüber taub. Die Äußerung
einer Warnung oder die Bitte um Vorsicht betrachten sie als freche Einmischung, und der Freund, der
so treu ist, Einwendungen zu machen, wird als Feind behandelt. Gerade so möchte es Satan haben. Er
bezaubert die Seele und betört sie. Vernunft und Selbstbeherrschung werden ausgeschaltet, und man
läßt der Sinnenlust die Zügel schießen. Ungeheiligte Leidenschaft erringt die Macht, bis das Opfer — zu
spät — in einem Leben des Elends und der Knechtschaft erwacht. Das ist kein Bild der Phantasie,
sondern ein Tatsachenbericht. Gott bestätigt keine Verbindungen, die er ausdrücklich verboten hat.
Jahre hindurch erhielt ich Briefe von verschiedenen Menschen, die unglückliche Ehen geschlossen
haben, und die empörenden Geschichten darin reichten aus, einem das Herz schwer zu machen. Es ist
nicht leicht, zu entscheiden, welchen Rat man diesen Unglücklichen geben oder wie man ihr hartes Los
erleichtern könnte, aber ihre traurige Erfahrung sollte eine Warnung für andere sein.
In dieser Zeit, da die Weltgeschichte ihrem Ende zueilt und wir in eine Zeit noch nie dagewesener
Trübsal eintreten, wäre es für Männer und Frauen am besten, wenn möglichst
385
wenig Ehen geschlossen würden. Vor allem aber, wenn Satan mit listenreicher Ungerechtigkeit mittels
derer arbeitet, die verlorengehen, mögen Christen davon Abstand nehmen, sich mit Ungläubigen zu
verbinden. Gott hat gesprochen. Alle, die ihn fürchten, werden sich seinen weisen, dringenden Befehlen
unterwerfen. Unsere Gefühle, Triebe und Neigungen müssen himmelwärts, nicht erdwärts gerichtet
sein, nicht in sinnlichen Gedanken und niedrigem Sichgehenlassen Befriedigung finden. Es ist an der
Zeit, daß jedermann sich verhalten sollte, als stünde er vor dem Angesicht Gottes, der die Herzen prüft.
Meine liebe Schwester, als eine Jüngerin Jesu solltest du dich fragen, welchen Einfluß dein Schritt
nicht nur auf dich, sondern auch auf andere haben wird. Nachfolger Christi müssen Mitarbeiter ihres
Meisters werden. Sie sollen sein, wie Paulus sagt, „ohne Tadel und lauter und Gottes Kinder, unsträflich
mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht, unter welchem ihr scheinet als Lichter in
der Welt“. Philipper 2,15. Uns sollen die hellen Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit erleuchten. Laßt
sie gleichsam durch unsere guten Werke in unverminderter Kraft widerstrahlen und niemals trübe
werden. Laßt uns einen Einfluß ausüben, der himmelwärts führt, damit wir niemandem in unserer
Umgebung schaden.
„Ihr seid meine Zeugen,“ sagt Jesus, und wir sollten uns in unserem Alltagsleben immer wieder
fragen: Wie weit wird das Ansehen des Reiches Christi von unserem Tun berührt? Bist du wirklich eine
Jüngerin Christi, wirst du in seinen Fußtapfen wandeln, wie schmerzlich es auch für deine natürlichen
Gefühle sein mag? Paulus sagte: „Es sei aber ferne von mir, mich zu rühmen, denn allein von dem
Kreuz unsers Herrn Jesu Christi, durch welchen mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt.“ Galater
6,14. Du, Schwester L, mußt zu Jesu Füßen sitzen und von ihm lernen wie einst Maria. Gott fordert von
dir eine vollständige Übergabe deines Willens, deiner Pläne und Absichten. Dein Führer ist Jesus,
schau auf ihn, vertraue ihm und laß nichts dich von dem Leben der Heiligung abhalten, das du Gott
schuldig bist. Dein Wandel sei im Himmel, von dannen du
386
deinen Heiland erwartest. Philipper 3,20. Deine Frömmigkeit sei von der Art, daß alle sie verspüren, die
im Bereich deines Einflusses leben. Gott erwartet von dir, daß du in allen Dingen des täglichen Lebens
sogar den Schein des Bösen meidest. Bemühst du dich darum? Du stehst unter der unverbrüchlichen
Verpflichtung, deinen heiligen Glauben nicht durch eine Verbindung mit des Herrn Feinden zu
entwürdigen oder bloßzustellen. Solltest du versucht sein, die Gebote seines Wortes zu mißachten, weil
andere das getan haben, dann bedenke, daß dein Beispiel ebenfalls andere beeinflußt. Sie werden sich
ähnlich verhalten wie du, und so wird das Übel größere Kreise ziehen. Wenn du vorgibst, ein Kind
Gottes zu sein, wird dein Abweichen von seinen Geboten grenzenloses Unglück für diejenigen zur
Folge haben, die auf dich als Vorbild schauen.
Die Rettung von Seelen ist das unverrückbare Ziel derer, die in Christus leben. Aber womit hast du
die Ruhmestaten dessen sehen lassen, der dich aus der Finsternis herausgerufen hat? „Wache auf, der
du schläfst, und stehe auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.“ Epheser 5,14. Schüttle
diese verhängnisvolle Verblendung ab, die deine Sinne und Seelenkräfte lähmt.
Das Wort Gottes hält uns den stärksten Ansporn zur Treue, den edelsten Beweggrund, den
herrlichsten Lohn vor Augen. Christen sollen Christi Vertreter sein, Söhne und Töchter Gottes. Sie sind
seine Edelsteine, sein besonderer Schatz. Von allen, die standhaft bleiben, sagt er: „Sie werden mit mir
wandeln in weißen Kleidern, denn sie sind‘s wert.“ Offenbarung 3,4. Wer die Tore der ewigen Seligkeit
erreicht, wird kein Opfer, das er gebracht hat, als zu hoch bewerten.
Möge Gott dir helfen, die Prüfung zu bestehen und deine Unschuld zu bewahren! Klammere dich im
Glauben an Jesum. Enttäusche deinen Heiland nicht.
St. Helena, California
13. Febr. 1885
Kapitel 43: Unterhalt der Stadtmissionen
Lieber Bruder M, vor wenigen Tagen erhielt ich einen Brief, den du an den Ältesten N geschrieben
hast. Du erhebst ernsthaften Einspruch dagegen, daß die ...-Mission von eurer Vereinigung unterstützt
werden soll, und sagst, daß andere Vereinigungen des ganzen Feldes ein gleiches Interesse an dieser
Mission haben sollten. Wenn diese Vereinigungen im Augenblick keine wichtigen Missionen in Städten
und ihrer Umgebung zu unterhalten haben, gibt es dann nicht Plätze, wo solche gegründet werden
sollten? Wenn eure Vereinigung aufgerufen wird, für die ...-Mission zu sorgen und sie unter
Oberaufsicht der Generalkonferenz weiterzuführen, dann sollten die verantwortlichen Männer fühlen,
daß dies ein Vertrauensbeweis von seiten der Brüder ist. Sie sollten sagen: „Ja, wir akzeptieren das uns
heilig Anvertraute. Wir wollen alles tun, was in unserer Macht steht, dieser Mission zum Erfolg zu
verhelfen und zu zeigen, daß unsere Brüder nicht umsonst Vertrauen in uns gesetzt haben. Wir werden
Gott um Weisheit bitten, und, wenn nötig, Selbstverleugnung und strikte Sparsamkeit üben.“ Gott wird
euch in der freudigen Erfüllung dieser Pflicht unterstützen. Er wird es zum Segen, anstatt zu einer Last
oder zu einem Hindernis in eurer Vereinigung machen.
Diese große Stadt befindet sich in Finsternis und Irrtum. So lange Zeit ließen wir sie in diesem
Zustand. Wird der Herr uns diese Nachlässigkeit vergeben? Welchen Bericht werden wir geben betreffs
dieser Männer und Frauen, die gestorben sind, ohne die gegenwärtige Wahrheit zu vernehmen, die das
Licht angenommen hätten, wenn man es ihnen gebracht hätte? Mein Geist ist erregt, daß das Werk in
... so lange hinausgezögert wurde. Die Arbeit, die jetzt dort getan wird, hätte schon vor Jahren getan
werden sollen. Damals hätte sie weit weniger Geld, Zeit und Arbeit erfordert. Jetzt aber darf sie nicht
ungetan bleiben. Es wurde mit sehr wenigen Mitteln ein kleiner Anfang gemacht. Und doch wurde mehr
erreicht, als man unter diesen Umständen hätte erwarten können. Mehr Hilfsmittel müssen eingesetzt
werden. Es muß ein Platz geschaffen werden, wo die
388
Leute die Wahrheit hören können. Es müssen Mittel zum Unterhalt der Arbeiter in diesem Missionsfeld
bereitgestellt werden, nicht um Leichtsinn und Luxus zu ermutigen, sondern daß ihnen ein einfaches,
behagliches Leben ermöglicht wird. Sie sind Werkzeuge in Gottes Hand, und nichts darf gesagt oder
getan werden, das sie entmutigen könnte. Im Gegenteil, stärkt ihre Hände und ermutigt ihre Herzen.
Es ist genug Geld in eurer Vereinigung vorhanden, um das Werk erfolgreich voranzutreiben. Darf es
dem Fürsten der Finsternis gestattet werden, ungehindert unsere großen Städte in seinem Besitz zu
haben, bloß weil es etwas kostet, die Missionen zu unterhalten? Laßt diejenigen, die Christo nachfolgen
wollen, das Werk in die Hand nehmen, wenn nötig, selbst über die Köpfe der Prediger und des
Vorstehers hinweg. Solche, die betreffs einer Aufgabe wie dieser sagen: „Ich bitte dich, entschuldige
mich“, sollten sich sehr in acht nehmen, daß sie nicht für alle Zeit und endgültig entlassen werden. Laßt
pflichtbewußte Christen jede Anstrengung machen und dann auf Gott schauen um weitere Kraft. Er wird
durch die Bemühungen durchgreifender Männer und Frauen wirken und das tun, was ihnen nicht
möglich ist. Wenn sie das Vorhandene nutzen, werden sie neues Licht und neue Kraft empfangen.
Neue Inbrunst und neuer Eifer wird die Gemeinde beleben, wenn die Geschwister sehen, daß etwas
geschieht.
Wir freuen uns im Geiste, wenn wir überschauen, was getan werden könnte. Doch wir erröten vor
unserem Schöpfer bei dem Gedanken, wie wenig bewirkt wurde. Hirten haben die ihnen von Gott
aufgetragenen Verantwortlichkeiten versäumt. Sie sind engstirnig und treulos geworden und haben
unverzeihliche Feigheit, Nachlässigkeit und Habsucht ermutigt. Sie haben die Bedeutung und
Wichtigkeit des Werkes nicht erkannt. Es werden Männer gebraucht, deren Augen gesalbt sind, die
Absichten des Himmels zu sehen und zu verstehen. Dann wird das Niveau der Frömmigkeit angehoben
werden. Es werden wirkliche Missionare vorhanden sein, die bereit sind, um der Wahrheit willen Opfer
zu bringen. Gottes Gemeinde hat keinen Raum für Egoisten und Bequemlichkeitsliebende. Es werden
Männer und
389
Frauen benötigt, die sich bemühen, das Banner der Wahrheit in unseren großen Städten, in den großen
Handelsmittelpunkten aufzurichten.
Eine Welt muß gewarnt werden. In Demut sollen wir arbeiten, je nach unseren Befähigungen, die
Gott uns verliehen hat. Laßt jede Vereinigung ans Werk gehen. Welches Recht haben solche, die
engstirnige, ungeheiligte Meinungen hegen, zu bestimmen, was ihre Vereinigung tun oder nicht tun
soll? Die ...-Mission wird nicht ganz eurer Vereinigung überlassen bleiben. Würde eure Vereinigung sich
ganzherzig einsetzen, könnte sie zwei solcher Missionen unterhalten, ohne besonders belastet zu
werden. Kommt Brüder, geht ans Werk! Die Zeit, die durch euren Unglauben und euren Mangel an Mut
verlorenging, ist für immer verloren. Die Prediger müssen sich so verhalten, als gäbe es etwas zu tun;
und die großherzigen Männer, die Gott lieben und seine Gebote halten, werden dem Herrn zu Hilfe
kommen. Auf diese Weise wird die Gemeinde für zukünftige Anstrengungen geschult, denn ihre
Wohltätigkeit soll niemals aufhören.
Ältester M als Vorsteher der ... Vereinigung, du hast durch dein allgemeines Verhalten in deinem
Amt bewiesen, daß du der Vertrauensstellung, die du bekleidest, unwürdig bist. Du hast gezeigt, daß du
konservativ eingestellt bist, am Hergebrachten festhältst und keinen Weitblick hast. Du hast nicht die
Hälfte von dem getan, was du hättest tun können, wenn du im rechten Geist die Arbeit in Angriff
genommen hättest. Du könntest weit fähiger und erfahrener sein, als es jetzt der Fall ist. Du könntest
besser vorbereitet sein, diese heilige und wichtige Mission erfolgreich durchzuführen — eine Aufgabe,
die dir den größten Anspruch auf das allgemeine Vertrauen unseres Volkes verliehen hätte. Aber, gleich
den anderen Brüdern im Predigtamt in eurer Vereinigung, hast du versäumt, mit Gottes Vorsehung
Schritt zu halten. Du hast nicht gezeigt, daß der Heilige Geist dein Herz tief beeindruckte, so daß Gott
durch dich zu seinem Volk sprechen konnte. Wenn du in dieser Krise in den Gemeinden deiner
Vereinigung Zweifel und Mißtrauen stärkst, wenn du
390
das Volk davon abhältst, sich von Herzen an diesem Werk zu beteiligen, wird Gott dich verantwortlich
halten. Hat Gott dir unmißverständlich den Beweis gegeben, daß die Brüder eurer Vereinigung keine
Verpflichtung haben, sich um die Stadt von ... zu kümmern, wie er sich um sie gekümmert hat? Wenn
du dich im Licht befändest, würdest du diese Mission durch deinen Glauben ermutigen.
Du selbst mußt von den Strömen der Gnade und des Heils trinken, ehe du andere zur Quelle
lebendigen Wassers führen kannst. Während du das Amt eines Vereinigungsvorstehers innehast mit
der Erfahrung und dem Einfluß, die dieses Amt umfaßt, solltest du die Geschwister zu erneuter
Anstrengung drängen, schwerere Verantwortlichkeiten zu übernehmen, anstatt sie zu entmutigen.
Männer in verantwortlichen Stellungen haben spezielle Pflichten. Arbeiten müssen verrichtet werden,
denen man lieber ausweichen würde. Möge der Herr Mitleid mit seinen armen Schafen haben, wenn die
Hirten ihre Pflicht versäumen.
Deine Arbeit, mein Bruder, zeugt nicht davon, daß du deine Verpflichtungen als heilig und wichtig
ansiehst. Mir wurde gezeigt, daß du zu einem weit besseren Werk befähigt wärest; und Gott fordert dies
von deinen Händen. Er fordert Redlichkeit und Treue. Das Werk der Seelenrettung ist das höchste und
edelste, das Sterblichen je anvertraut wurde. Du solltest nicht zulassen, daß sich andere Dinge
zwischen dich und diese heilige Aufgabe stellen, deine Gedanken völlig in Anspruch zu nehmen und
dein Urteil zu verwirren. Jemand, der solch eine verantwortliche Stellung bekleidet wie du, sollte ewigen
Interessen den ersten Platz einräumen und zeitlichen Dingen den zweiten. Du bist ein Botschafter
Christi. Du solltest jene, die deiner Obhut anvertraut sind, ermutigen, höhere geistliche Erkenntnisse
anzustreben und ein reineres und heiligeres Leben zu führen. In deinen Bemühungen, Seelen vom
Verderben zu retten und die Gemeinde in Wahrheit und Gerechtigkeit zu bauen, benötigst du
Taktgefühl, Weisheit und die Kraft, die du durch fortwährende Verbindung mit Gott erlangen kannst.
Gott fordert dies von dir und von jedem anderen Prediger, der in seinem
391
Dienst steht. Zeige deine Treue gegenüber deinem gekreuzigten Erlöser, indem du deiner feierlichen
Verpflichtung nachkommst, „einen jeglichen Menschen vollkommen in Christo Jesu“ (Kolosser 1,28)
darzustellen, so daß es an nichts mangelt.
Was deinen Fall betrifft, hättest du durch ein heiliges Leben, inbrünstiges Gebet und sorgfältige,
gewissenhafte Pflichterfüllung viel mehr ausrichten können. Du hättest durch treue Warnungen, Rügen
und liebevolle Einladungen mehr erreichen können. Es werden nicht nur Verstandeskräfte benötigt,
sondern auch ein starkes Herz. Die Wahrheit wird immer eine Wirkung ausüben, wenn sie so vorgeführt
wird, wie sie in Jesu ist. Dir fehlt es an Religion, die sich im häuslichen Leben offenbart. Selbstsüchtige
Interessen haben deinen Verstand umwölkt und deine Urteilskraft verdorben, und Gottes Ansprüche
wurden nicht wahrgenommen. Du solltest dich weltlicher Sorgen und Geschäfte entledigen und Gottes
Verherrlichung ins Auge fassen.
Das ewige Schicksal aller wird bald entschieden sein. Von Illinois, Wisconsin, Iowa und anderen
Vereinigungen sollten eine Menge Prediger ausgehen, um mit brennendem Eifer die letzte
Warnungsbotschaft zu verkündigen. Wollen die Vorsteher unserer Vereinigungen sich zu einer Zeit wie
dieser im Geschirr zurücklehnen und sich weigern, die schwere Last zu ziehen? Wollen sie durch Wort
oder Schrift einen Einfluß ausüben, der diejenigen entmutigt, die arbeiten möchten? Was sie auch
unternehmen mögen, um Trägheit und Unglauben zu ermutigen, ist im höchsten Maße kriminell. Laßt
sie das Volk zum Fleiß im Werke Gottes ermutigen und jede Anstrengung zu machen, um Seelen zu
retten. Niemals dürfen sie den geringsten Eindruck erwecken, daß die Geschwister zu viel für Gottes
Sache opfern oder daß mehr von ihnen gefordert wird, als der Vernunft entspricht. Im himmlischen
Kampf muß etwas riskiert werden. Jetzt ist unsere Zeit zu wirken und Schwierigkeiten und Gefahren
entgegenzutreten. Gottes Vorsehung sagt: „Geht voran!“, nicht zurück nach Ägypten. Anstatt zu
predigen, was dem Volk gefällt, müssen Prediger danach trachten, die Schlafenden aufzuwecken.
392
In deinem Brief, Bruder M, entdecke ich eine Neigung zum Unglauben, einen Mangel an Urteilskraft
und Unterscheidungsvermögen. Deine Stellung bestätigt mein Zeugnis, daß du der Vereinigung eine
falsche Prägung gibst und daß du ihrem Wachstum im Wege stehst, weil du das Niveau der Wahrheit
erniedrigst. Ich möchte folgend einige Paragraphen dieses Zeugnisses anführen, das während der
Generalkonferenz in Battle Creek im November 1883 geschrieben wurde:
Unsere Unterhaltung betreffs der ... Mission hat bei mir einen unangenehmen Eindruck hinterlassen.
Denke nicht, daß meine Bemerkungen diesbezüglich zu streng waren. Du äußertest dich sehr zufrieden
darüber, wie diese Arbeit getan wurde. Du sagtest, daß Bruder O und seine Mitarbeiter willig waren, das
Werk im Gang zu halten; daß sie einen kleinen Raum hatten, wo sie ihre Mahlzeiten bereiten konnten,
und daß sie ein gutes Werk auf sparsamste Weise verrichteten. Deine Ansichten bezüglich dieses
Gegenstandes sind nicht korrekt. Das uns von Gott verliehene Licht, kostbarer als Silber und Gold, muß
in einer Weise veröffentlicht werden, die dem Werk Ansehen verleiht. Die Brüder, die mit dieser Mission
verbunden sind, sind den Schwächen der Menschheit unterworfen, und wenn nicht auf ihre Gesundheit
geachtet wird, könnten sie in ihrer Arbeit sehr gehindert werden. Die Leiter der Vereinigung dürfen
solche Zustände nicht zulassen. Sie sollen die Geschwister anweisen, von ihrem Geld zu geben, damit
die Arbeiter nicht unter solchem Mangel zu leiden haben. Als Gottes Haushalter sind sie verantwortlich,
darauf zu achten, daß nicht ein oder zwei alle Opfer bringen müssen, während es sich die andern
bequem machen, essen, trinken und kleiden, ohne einen Gedanken an unsere heiligen Missionen und
ihre Verpflichtung ihnen gegenüber.
Bruder M, es wurde mir gezeigt, daß du keine rechte Stellung gegenüber dem Werk einnimmst, daß
du seine Wichtigkeit nicht erkennst. Du hast versäumt, das Volk im Geiste der Opferbereitschaft und
Weihe zu unterrichten. Du hast dich gefürchtet, wohlhabenden Männern ihre Pflicht zu zeigen. Wenn du
eine schwache Anstrengung in der rechten Richtung machtest und sie dann anfingen,
Entschuldigungen vorzubringen und
393
einen kleinen Fehler bei jemand zu suchen, der mit der Verwaltung des Werkes zu tun hatte, dachtest
du, sie könnten im Recht sein. Diese Ausflucht, die in ihnen Zweifel und Unglaube entwickelt hatte, hat
in deinem Herzen Wurzel geschlagen. Daraus haben sie Vorteile gezogen und haben gelernt, wie sie
deine Bemühungen behandeln sollen. Wenn sie Zweifel betreffs der Zeugnisse weckten, bist du ihnen
nicht entgegengetreten. Du hättest ihnen zeigen sollen, daß Satan stets bereit ist, Fehler aufzugreifen,
in Frage zu stellen, anzuklagen und Schmach auf die Brüder zu häufen, und daß es unsicher ist, in
einer solchen Stellung zu beharren.
Mein Bruder, du hast andere nicht ermutigt, ins Predigtamt einzutreten. Anstatt die Ausgaben des
Werkes zu sehr einzuschränken, ist es deine Pflicht, dem Volk verständlich zu machen, daß jeder
Arbeiter „seines Lohnes wert“ ist. 1.Timotheus 5,18. Den Gemeinden muß die Tatsache eingeprägt
werden, daß es ihre Pflicht ist, ehrlich mit dem Werk Gottes umzugehen. Die Prediger dürfen nicht
zulassen, daß die Geschwister die schlimmste Art von Raub begehen, nämlich Gott Zehnten und Opfer
vorzuenthalten. Wenn Abkommen mit den Arbeitern im Werk Gottes getroffen werden, sollten sie nicht
gezwungen werden, einem geringen Lohn zuzustimmen, weil im Schatzhaus Geldmangel vorherrscht.
Vielen wurde auf diese Weise der ihnen zustehende Lohn vorenthalten, und dies ist in Gottes Augen
genauso schlimm, als wenn jemand, der ein weltliches Geschäft hat, seine Arbeiter um ihren Lohn
betrügt.
Es gibt fähige Männer, die gerne in unseren Vereinigungen arbeiten würden. Aber sie haben keinen
Mut, denn sie brauchen Geld zum Unterhalt ihrer Familien. Die schlimmste Art der Verwaltung ist,
zuzulassen, daß das Werk unserer Vereinigung zum Stillstand kommt, oder zu versäumen, ihre
Schulden zu bezahlen. Dies geschieht oft; und wenn so gehandelt wird, mißfällt es Gott.
Wenn die Vorsteher und anderen Arbeiter in den Vereinigungen dem Volk einprägen, welche Sünde
es ist, Gott zu berauben, und wenn sie den Geist wahrer Weihe besitzen und eine Last für das Werk
fühlen, wird Gott ihre Arbeit für das
394
Volk zum Segen machen. Als Resultat ihrer Bemühungen wird man Früchte sehen. Die Prediger haben
ihre Pflicht versäumt, in dieser Weise unter den Gemeinden zu arbeiten. Neben dem Predigen muß ein
wichtiges Werk getan werden. Wäre dies nach Gottes Absicht geschehen, gäbe es heute viel mehr
Arbeiter im Feld. Und hätten die Prediger ihre Pflicht getan und jedes Gemeindeglied, ob reich oder
arm, bezüglich seiner Pflicht zu geben, nach dem Gott einen jeden gesegnet hat, getreulich
unterwiesen, dann wäre genügend Geld im Schatzhaus vorhanden. Den Arbeitern könnte ein gerechter
Lohn gezahlt werden, und dies würde das Missionswerk in ihrem Feld sehr fördern. Gott hat mir
gezeigt, daß vielen Seelen durch Selbstsucht und Weltlichkeit der Untergang droht. Die Wächter tragen
die Schuld, denn sie haben ihre Pflicht vernachlässigt. Darüber ist Satan sehr erfreut.
Die Prediger sind für alle Zweige des Werkes verantwortlich. Es entspricht nicht Gottes Ordnung,
daß irgend jemand hinterhergehen und ihre unfertige Arbeit vollenden muß. Es gehört nicht zur Pflicht
der Vereinigung, andere Arbeiter einzustellen, um die Maschen aufzuheben, die nachlässige Arbeiter
haben fallenlassen. Es ist Pflicht der Vorsteher, die Arbeiter der Vereinigung und ihre Arbeit zu
überwachen und sie zu lehren, treu in ihrer Pflichterfüllung zu sein. Keine Gemeinde kann gedeihen,
wenn sie Gott beraubt. Der geistliche Tod unserer Gemeinden ist häufig die Folge davon, daß in
alarmierender Weise Selbstsucht vorherrscht. Egoistische, weltliche Vorhaben und Projekte schieben
sich zwischen die Seele und Gott. Menschen klammern sich an die Welt. Sie scheinen zu befürchten,
daß Gott sie nicht versorgen würde, wenn sie die Welt aufgeben. So versuchen sie, selbst für sich zu
sorgen. Sie sind ängstlich, beunruhigt, sorgenvoll und halten an ihren großen Farmen fest und
vermehren ihre Besitztümer.
Das Wort Gottes spricht vom zurückgehaltenen Lohn der Arbeiter. Jakobus 5,4. Allgemein versteht
man, daß dieser Text sich auf die Reichen bezieht, die Arbeiter beschäftigen und sie nicht für ihre Arbeit
bezahlen. Aber dieser Text meint mehr. Er bezieht sich in besonderer Weise auf solche, die durch
Gottes
395
Geist erleuchtet sind, sich jedoch irgendwie von den gleichen Prinzipien leiten lassen, die diese Männer
veranlaßt, Arbeiter einzustellen und ihnen dann den geringsten Lohn zu zahlen.
Ich warne euch feierlich, euch nicht ähnlich zu verhalten wie die untreuen Kundschafter, die
ausgingen, das verheißene Land zu erkunden. Als diese Kundschafter von ihrer Mission zurückkehrten,
hegte die ganze Gemeinde der Israeliten hohe Hoffnungen. Alle waren in eifriger Erwartung. Die
Nachricht von ihrer Rückkehr verbreitet sich von Stamm zu Stamm und wird mit großer Freude begrüßt.
Das Volk eilt herzu, um die Boten zu begrüßen, die die Mühsal der Reise auf den staubigen Straßen
und unter der brennenden Sonne erduldet haben. Sie bringen Proben von den Früchten mit, die von der
Fruchtbarkeit des Bodens zeugen. Die Versammlung ist hoch erfreut, daß sie in den Besitz eines so
guten Landes kommen sollen. Sie lauschen aufmerksam dem Bericht, der Mose gebracht wird, daß
ihnen nur ja kein Wort entgeht. Die Kundschafter beginnen: „Wir sind in das Land gekommen, dahin ihr
uns sandtet, darin Milch und Honig fließt, und dies ist seine Frucht.“ 4.Mose 13,27. Das Volk ist
entzückt. Sie wollen der Stimme des Herrn gehorchen und sich sofort aufmachen, es in Besitz zu
nehmen.
Doch die Kundschafter fahren fort: „nur, daß starkes Volk darin wohnt und sehr große und feste
Städte sind; und wir sahen auch Enaks Kinder daselbst.“ 4.Mose 13,28. Sofort ändert sich die Szene.
Hoffnung und Mut verwandeln sich in feige Verzweiflung, als die Kundschafter das Empfinden ihrer
ungläubigen Herzen äußern, die von Entmutigung erfüllt sind, die Satan ihnen eingeflößt hat. Ihr
Unglaube wirft einen düsteren Schatten auf die Versammlung. Gottes große Allmacht, die sich so oft
zugunsten der auserwählten Nation offenbart hat, ist vergessen.
Das Volk ist verzweifelt in seiner Enttäuschung. Ein qualvolles Jammergeschrei erhebt sich und
vermischt sich mit verwirrtem Gemurmel. Kaleb erfaßt die Situation. Entschlossen, Gottes Wort zu
verteidigen, tut er alles, was in seiner Macht steht, dem bösen Einfluß seiner untreuen Gefährten zu
widerstehen. Einen Augenblick lang beruhigt sich das Volk, um seinen Worten der Hoffnung und des
Muts bezüglich des guten Landes
396
zu lauschen. Er widerspricht dem nicht, was bereits gesagt wurde: Die Mauern sind hoch und die
Kanaaniter stark. Er drängt: „Laßt uns hinaufziehen und das Land einnehmen, denn wir können es
überwältigen.“ 4.Mose 13,30. Aber die zehn unterbrechen ihn und malen die Hindernisse noch düsterer
aus als zuvor. Sie erklären: „Wir vermögen nicht hinaufzuziehen gegen das Volk; denn sie sind uns zu
stark.“ „Alles Volk, das wir darin sahen, sind Leute von großer Länge. Wir sahen auch Riesen daselbst,
Enaks Kinder von den Riesen; und wir waren vor unsern Augen wie Heuschrecken, und also waren wir
auch vor ihren Augen.“ 4.Mose 13,31-33.
„Da fuhr die ganze Gemeinde auf und schrie, und das Volk weinte die Nacht.“ 4.Mose 14,1. Die
Männer, die so lange mit der Verkehrtheit der Israeliten Geduld gehabt hatten, wissen nur zu gut, was
die nächste Szene sein wird. Aufruhr und offene Meuterei folgen rasch, denn Satan hat volle Gewalt
über sie. Das Volk scheint aller Vernunft beraubt zu sein. Sie verfluchen Mose und Aaron und
vergessen, daß Gott ihre bösen Worte hört. Sie bedenken nicht, daß der Engel des Bundes, in der
Wolkensäule verborgen, Zeuge von ihrem schrecklichen Zornesausbruch ist. In Bitterkeit rufen sie aus:
„Ach, daß wir in Ägyptenland gestorben wären oder noch stürben in dieser Wüste! Warum führt uns der
Herr in dies Land, daß wir durchs Schwert fallen und unsere Weiber und unsere Kinder ein Raub
werden? Ist‘s nicht besser, wir ziehen wieder nach Ägypten? Und einer sprach zu dem andern: Laßt
uns einen Hauptmann aufwerfen und wieder nach Ägypten ziehen!“ 4.Mose 14,2-4.
In Demut und mit Kummer erfüllt, fallen Mose und Aaron „auf ihr Angesicht vor der ganzen
Versammlung der Gemeinde der Kinder Israel“ (4.Mose 14,5), nicht wissend, was sie tun sollen, um sie
von ihrem unüberlegten, leidenschaftlichen Vorhaben abzubringen. Kaleb und Josua versuchen, den
Tumult zu stillen. Indem sie ihre Kleider als Zeichen ihres Kummers und ihrer Entrüstung zerreißen,
springen sie unters Volk. Ihre lauten Stimmen übertönen den Sturm des Klagegeschreis und des
empörerischen Grams: „Das Land, das wir durchwandelt haben, es zu erkunden, ist sehr gut. Wenn der
Herr uns gnädig
397
ist, so wird er uns in das Land bringen und es uns geben, ein Land, darin Milch und Honig fließt. Fallet
nur nicht ab vom Herrn und fürchtet euch vor dem Volk dieses Landes nicht; denn wir wollen sie wie
Brot fressen. Es ist ihr Schutz von ihnen gewichen; der Herr aber ist mit uns. Fürchtet euch nicht vor
ihnen.“ 4.Mose 14,7-9.
Der falsche Bericht der untreuen Kundschafter wurde völlig akzeptiert. Dadurch wurde die ganze
Versammlung getäuscht. So wollte Satan es haben. Die Stimme Gottes durch seine treuen Diener
wurde mißachtet. Die Verräter hatten ihr Werk getan. Die ganze Versammlung erklärte einstimmig, daß
Kaleb und Josua gesteinigt werden sollten.
Doch jetzt offenbart sich der allmächtige Gott, zur Verwirrung seines ungehorsamen, murrenden
Volkes. „Da erschien die Herrlichkeit des Herrn in der Hütte des Stifts allen Kindern Israel.“ 4.Mose
14,10. Welche Bürde wurde Mose und Aaron auferlegt! Wie ernst waren ihre Fürbitten, daß Gott sein
Volk doch nicht vernichten möchte! Mose hält dem Herrn die wunderbaren Offenbarungen göttlicher
Macht vor, die den Namen des Gottes Israels zu einem Schrecken für ihre Feinde gemacht haben. Er
bittet, daß den Feinden Gottes und seines Volkes doch keine Gelegenheit gegeben werden möchte, zu
triumphieren und zu sagen: „Der Herr konnte mitnichten dies Volk in das Land bringen, das er ihnen
geschworen hatte; darum hat er sie geschlachtet in der Wüste.“ 4.Mose 14,16. Der Herr erhörte das
Gebet Moses; aber er erklärte, daß alle, die sich gegen ihn empört hatten, nachdem sie Zeuge seiner
Macht und Herrlichkeit gewesen waren, in der Wüste sterben sollten. Sie sollten niemals das Land
sehen, das ihnen zum Erbe verheißen war. Doch von Kaleb sagte er: „Aber meinen Knecht Kaleb,
darum daß ein anderer Geist mit ihm ist und er mir treulich nachgefolgt ist, den will ich in das Land
bringen, darein er gekommen ist, und sein Same soll es einnehmen.“ 4.Mose 14,24.
Kalebs Glaube an Gott war es, der ihm Mut verlieh; daß er sich nicht vor Menschen fürchtete, selbst
nicht vor mächtigen Riesen, den Söhnen Enaks. Der Glaube befähigte ihn, kühn und unerschütterlich
für das Rechte einzustehen. Von der gleichen
398
erhabenen Quelle, dem mächtigen General der Himmelsheere, muß jeder treue Kämpfer des Kreuzes
Christi Kraft und Mut schöpfen, um Hindernisse zu überwinden, die oftmals unüberwindlich erscheinen.
Gottes Gesetz wird für null und nichtig erklärt. Wer seine Pflicht tun will, muß immer bereit sein, die
Worte zu sprechen, die Gott ihm eingibt, nicht Worte des Zweifels, der Entmutigung und Verzweiflung.
Obwohl du, Bruder M, von vielen unterstützt werden magst, wie die untreuen Kundschafter, ist der
Inhalt deines Briefes nicht vom Geist des Herrn inspiriert. Gib acht, daß deine Worte und dein Geist
nicht denen dieser Kundschafter gleichen, daß du nicht das gleiche unheilvolle Werk tust. In einer Zeit
wie dieser dürfen wir keinen Gedanken hegen und keine Worte sprechen, die von Unglauben zeugen,
und kein selbstsüchtiges Verhalten ermutigen. Dies ist in den Vereinigungen von Upper Columbia und
North Pacific geschehen. Als wir dort waren, empfanden wir in gewissem Maße die Sorge, die
Kränkung und die Entmutigung, die Mose, Aaron, Kaleb und Josua erfuhren. Wir versuchten, dem
Strom eine andere Richtung zu geben; aber es geschah auf Kosten viel harter Arbeit, großer Sorge und
Kümmernisse des Geistes. Das Reformationswerk in diesen Vereinigungen hat gerade erst begonnen.
Es erfordert Zeit, den Unglauben, das Mißtrauen und den Argwohn von Jahren zu überwinden. Satan
hat viel Erfolg gehabt, seine Absichten in diesen Vereinigungen zu verwirklichen, weil er Personen
gefunden hat, die er als Werkzeuge benutzen konnte.
Bruder M, hinterlasse um Christi und der Wahrheit willen das Werk in deiner Vereinigung nicht in
einem solchen Zustand, daß es deinem Nachfolger im Amt unmöglich ist, die Dinge in Ordnung zu
bringen. Die Geschwister haben ganz verkehrte Eindrücke betreffs des Werkes empfangen. Selbstsucht
wurde ermutigt, und Weltliebe blieb ungerügt. Ich rufe dich auf, alles zu tun, was in deinen Kräften steht,
um die verkehrte Prägung, die du dieser Vereinigung gegeben hast, auszulöschen. Beseitige die
traurigen Folgen deiner Pflichtversäumnis und bereite das Feld für einen anderen Arbeiter vor. Tust du
das nicht, möge Gott sich des Arbeiters erbarmen, der dir in deinem Amt folgt.
399
Vereinigungsvorsteher sollten Männer sein, denen Gottes Werk anvertraut werden kann. Sie sollten
redliche, selbstlose, fromme und arbeitsame Christen sein. Ermangeln sie dieser Befähigungen, werden
die Gemeinden unter ihrer Fürsorge nicht gedeihen. Sie müssen noch mehr als andere Diener Christi
Vorbilder heiligen Lebens und selbstloser Weihe an Gottes Werk sein, damit diejenigen, die sie sich
zum Vorbild nehmen, nicht in die Irre geleitet werden. In einigen Fällen jedoch versuchen sie, beiden zu
dienen, Gott und dem Mammon. Sie verleugnen nicht sich selbst. Sie fühlen keine Seelenlast. Ihr
Gewissen ist abgestumpft. Wenn Gottes Werk verwundet wird, machen sie sich nichts daraus. In ihren
Herzen stellen sie die Zeugnisse des Geistes Gottes in Frage und zweifeln sie an. Sie tragen nicht
persönlich das Kreuz Christi; sie wissen nichts von der innigen Liebe Jesu. Sie sind keine treuen Hirten
der Herde, über die sie als Wächter gesetzt wurden. Ihr Bericht ist nicht so, daß sie sich freuen würden,
ihm am Tage Gottes zu begegnen.
Wie viel wird von einem Prediger in seiner Aufgabe, über Seelen zu wachen als jemand, der
Rechenschaft ablegen muß, verlangt! Welche Weihe, welch ehrliche Absicht, welche erhabene
Frömmigkeit sollten sich in seinem Leben und Wesen offenbaren! Wie viel geht durch Mangel an
Taktgefühl und Geschick beim Vorführen der Wahrheit verloren, wie viel durch unachtsames Betragen,
durch ungehobelte Worte und Weltlichkeit, die in keiner Weise Jesum darstellen oder den Geruch des
Himmels an sich tragen. Unser Werk wird bald zum Abschluß kommen. Bald wird es im Himmel heißen:
„Wer böse ist, der sei fernerhin böse, und wer unrein ist, der sei fernerhin unrein; aber wer fromm ist,
der sei fernerhin fromm, und wer heilig ist, der sei fernerhin heilig.“ Offenbarung 22,11. In dieser
feierlichen Zeit ist die Gemeinde aufgerufen, wegen der intensiven Tätigkeit Satans wachsam zu sein.
Sein Wirken kann überall wahrgenommen werden, doch Prediger und Volk verhalten sich so, als wären
sie mit seinen Plänen unbekannt und durch seine Macht gelähmt. Laßt jedes Gemeindeglied erwachen.
Laßt jeden Arbeiter daran denken, daß der Weinberg, den er bearbeitet, nicht ihm, sondern dem Herrn
gehört, der eine lange Reise unternommen und
400
während seiner Abwesenheit seinen Knechten befohlen hat, über seine Interessen zu wachen. Er
denke daran, daß er, wenn er sich als untreu erweist, seinem Herrn Rechenschaft geben muß, wenn
dieser zurückkehrt.
Während die Zweifler von Unmöglichkeit sprechen, während sie beim Gedanken an hohe Mauern
und starke Riesen erzittern, laßt die treuen Kalebs, die „einen andern Geist“ haben, in die Frontlinie
treten. Die Wahrheit Gottes, die Erlösung bringt, wird das Volk erreichen, wenn Prediger und
bekenntliche Gläubige nicht den Weg versperren, wie es die untreuen Kundschafter taten. Unser Werk
ist ein angreifendes. Es muß etwas geschehen, um die Welt zu warnen. Es darf sich keine Stimme
erheben, die egoistische Interessen auf Kosten von Vernachlässigung der Missionsfelder ermutigt. Wir
müssen das Werk mit Herz und Seele und mit unserer Stimme in Angriff nehmen. Unsere geistigen und
körperlichen Kräfte müssen geweckt werden. Der ganze Himmel ist an unserer Arbeit interessiert, und
die Engel Gottes schämen sich unserer schwachen Bemühungen.
Ich bin alarmiert über die Gleichgültigkeit unserer Gemeinden. Gleich Meros haben sie versäumt,
dem Herrn zu Hilfe zu kommen. Die Laienglieder waren bequem. Sie haben ihre Hände in den Schoß
gelegt und gemeint, die Verantwortung ruhe auf den Predigern. Gott hat aber jedem eine Arbeit
zugewiesen; nicht Arbeit auf den Feldern von Korn und Weizen, sondern ernstes, beharrliches Werk zur
Rettung von Seelen. Gott verhüte es, daß du, Ältester M, oder irgendein anderer Prediger es
unternehmt, auch nur in geringster Weise den jetzt vorhandenen Geist der Arbeit zu dämpfen. Wollt ihr
ihn nicht eher anfeuern durch Worte brennenden Eifers? Der Herr hat uns zu Bewahrern seines
Gesetzes gemacht. Er hat uns heilige, ewige Wahrheiten anvertraut, die in Gestalt von getreulichen
Warnungen, Tadel und Ermutigung an andere weitergegeben werden sollen. Durch Eisenbahnen und
Schiffe sind wir mit jedem Teil der Welt verbunden. Wir haben Zugang zu jeder Nation, um unsere
Botschaft der Wahrheit verbreiten zu können. Laßt uns den Samen der Evangeliumswahrheit an allen
Wassern säen;
401
denn wir wissen nicht, ob dies oder das gerate, oder ob beides Frucht bringen wird. Ein Paulus mag
pflanzen und ein Apollos begießen; aber es ist Gott, der das Gedeihen gibt.
„Lasset euer Licht leuchten vor den Leuten, daß sie eure guten Werke sehen und euren Vater im
Himmel preisen.“ Matthäus 5,16. Stellt euer Licht nicht unter einen Scheffel, sondern auf einen
Leuchter, damit es allen leuchte, die im Hause sind. Ihr gehört euch nicht selbst. „Ihr seid teuer erkauft“,
nämlich mit dem kostbaren Blut des Sohnes Gottes. Wir haben kein Recht, nur dem eigenen Ich zu
leben. Jeder Prediger soll ein geheiligter Missionar sein; jedes Laienglied ein Arbeiter, der seine
Zentner von Einfluß und Mittel im Dienste seines Herrn einsetzt. Wohltätigkeit ist ein lebendiger
Grundsatz des Christentums. Durch Ausübung dieses Prinzips werden Garben für den Herrn der Ernte
hereingebracht, während ein Mangel daran Gottes Werk hindert und den Weg für die Rettung von
Seelen versperrt.
Die Prediger haben versäumt, das Evangeliumswerk der Wohltätigkeit einzuschärfen. Über Zehnten
und Gaben wurde nicht mit solchem Nachdruck gesprochen, wie es hätte sein sollen. Menschen sind
nicht von Natur aus wohltätig gesinnt, sondern geizig und habgierig und immer geneigt, dem eigenen
Ich zu leben. Und Satan ist immer bereit, die Vorteile vorzuführen, die durch die Verwendung ihrer Mittel
für egoistische, weltliche Vorhaben erlangt werden können. Er ist froh, wenn er sie beeinflussen kann,
der Pflicht auszuweichen und Gott an Zehnten und Gaben zu berauben. Niemand ist von dieser Pflicht
entbunden. „Lege ein jeder von euch beiseite, im Verhältnis dazu, wie Gott ihn gesegnet hat.“
1.Korinther 16,2 (KJV). Arm und reich, der junge Mann und die junge Frau, die Geld verdienen — alle
sind zum Geben verpflichtet, denn Gott fordert es. Das geistliche Gedeihen eines jeden
Gemeindegliedes hängt von persönlichem Einsatz und strenger Treue gegenüber Gott ab. Paulus sagt:
„Den Reichen von dieser Welt gebiete, daß sie nicht stolz seien, auch nicht hoffen auf den ungewissen
Reichtum, sondern auf den lebendigen Gott, der uns dargibt reichlich, allerlei zu genießen; daß sie
Gutes tun, reich werden an guten Werken,
402
gern geben, behilflich seien, Schätze sammeln, sich selbst einen guten Grund aufs Zukünftige, daß sie
ergreifen das wahre Leben.“ 1.Timotheus 6,17-19. Von allen wird ein tiefes Interesse am Werke Gottes
und seinen verschiedenen Zweigen verlangt. Alle werden in ernsthafte, unerwartete Prüfungen geraten,
um zu sehen, wer des Siegels des lebendigen Gottes würdig ist.
Jeder fühle, daß er nicht Eigentümer, sondern nur Verwalter ist, und daß die Zeit kommen wird, wo
er Rechenschaft darüber ablegen muß, welchen Gebrauch er von seines Herrn Geld gemacht hat.
Gottes Werk braucht Geld. Mit David sollten wir sagen: „Von dir ist alles gekommen, und von deiner
Hand haben wir dir‘s gegeben.“ 1.Chronik 29,14. An verschiedensten Orten müssen Schulen
gegründet, Literatur muß gedruckt, in großen Städten müssen Versammlungshäuser gebaut und
Arbeiter müssen ausgesandt werden, nicht nur in die Städte, sondern auch an die Landstraßen und
Zäune. Jetzt, meine Geschwister, die ihr an die Wahrheit glaubt, ist eure Gelegenheit. Wir stehen an
der Schwelle der ewigen Welt. Wir warten auf das glorreiche Erscheinen unseres Herrn. Die Nacht ist
nahezu vorbei; der Tag bricht an. Wenn wir die Größe des Erlösungsplanes erkennen, werden wir mehr
Mut, mehr Opferbereitschaft und größere Weihe offenbaren.
Bevor unsere Arbeit von Erfolg gekrönt sein kann, haben wir viel zu tun. Es müssen entschiedene
Reformen in unseren Heimen und Gemeinden stattfinden. Eltern müssen für die Errettung ihrer Kinder
arbeiten. Gott wird uns in unserem Bemühen unterstützen, wenn wir selbst alles tun, was er uns
anbefohlen und wozu er uns befähigt hat. Aber wegen unseres Unglaubens, unserer Weltlichkeit und
Trägheit sterben bluterkaufte Seelen ungewarnt dahin, und das in unserer unmittelbaren Nähe. Soll
Satan immer den Sieg davontragen? O nein! Das Licht, das vom Kreuz auf Golgatha ausgeht, weist
darauf hin, daß ein größeres Werk getan werden muß, als wir bisher mit unseren Augen gesehen
haben.
Der dritte Engel, der mitten durch den Himmel fliegt und die Gebote Gottes und das Zeugnis Jesu
verkündigt, versinnbildet unser Werk. Während der Engel sich voranbewegt, verliert
403
die Botschaft nichts von ihrer Kraft. Johannes sieht, wie sie an Stärke und Macht zunimmt, bis die
ganze Erde von ihrer Herrlichkeit erleuchtet ist. Der Weg des Gottesvolkes, das die Gebote hält, führt
vorwärts, immer vorwärts. Die Botschaft, die wir tragen, muß zu allen Nationen, Sprachen und Völkern
gelangen. Bald wird sie mit lauter Stimme verkündigt, und die Erde wird von ihrer Herrlichkeit erleuchtet
werden. Bereiten wir uns auf diese große Ausgießung des Geistes Gottes vor?
An diesem Werk sind menschliche Werkzeuge beteiligt. Eifer und Energie müssen neu belebt,
Talente, die wegen Untätigkeit verrosten, müssen in den Dienst gestellt werden. Die Stimme, die da
sagt: „Warte doch, laß nicht zu, daß man dir Lasten auferlegt,“ ist die Stimme der feigen Kundschafter.
Wir benötigen jetzt Kalebs, die in die Frontlinie treten — Hauptleute in Israel, die mit mutigen Worten
einen Bericht zugunsten sofortigen Handelns ablegen. Wenn die egoistischen,
bequemlichkeitsliebenden, von Schrecken erfaßten Leute, die die großen Riesen und uneinnehmbaren
Mauern fürchten, zum Rückzug aufrufen, dann laßt Kalebs Stimme ertönen, selbst wenn die Feiglinge
Steine in ihren Händen haben, um sie wegen ihres mutigen Zeugnisses zu steinigen.
Können wir nicht die Zeichen der Zeit erkennen? Sehen wir nicht, wie sehr Satan bemüht ist, das
Unkraut in Bündel zu binden und die Elemente seines Reiches zu einigen, damit er die ganze Welt
beherrschen kann? Dieses Werk, das Unkraut zu bündeln, geht rascher voran, als wir ahnen können.
Satan tut alles, um den Fortschritt der Wahrheit zu verhindern. Er versucht, Meinungsstreit zu entfachen
und weltliche Gesinnung und Habsucht anzuregen. Er arbeitet mit dem Scharfsinn der Schlange und —
wenn nötig — mit dem Grimm des Löwen. Der Untergang von Seelen ist seine einzige Freude, ihre
Vernichtung seine einzige Beschäftigung. Dürfen wir uns verhalten, als wären wir gelähmt? Wollen
diejenigen, die sich zur Wahrheit bekennen, auf die Versuchungen des verschlagenen Feindes hören
und selbstsüchtig und engherzig werden und gestatten, daß ihre weltlichen Pläne sich dem Werk der
Seelenrettung entgegenstellen?
404
Alle, die zu den Himmelstoren eingehen, werden es als Überwinder tun. Wenn das Heer der
Erlösten Gottes Thron umringt, mit Palmen in ihren Händen und Kronen auf ihren Häuptern, wird
bekannt sein, welche Siege sie errungen haben. Man wird erkennen, wie Satan Macht über Gemüter
ausgeübt hat, wie er Seelen mit sich verband, die sich schmeichelten, Gottes Willen zu tun. Man wird
sehen, daß seiner Macht und seiner Verschlagenheit niemals erfolgreich hätte widerstanden werden
können, ohne daß göttliche Kraft sich mit den menschlichen Anstrengungen verband. Der Mensch muß
sich selbst besiegen. Sein Temperament, seine Neigungen und sein Geist müssen sich dem Willen
Gottes unterwerfen. Christi Gerechtigkeit und Kraft jedoch nützen allen, die seine Verdienste
beanspruchen.
Wir müssen ernste, entschlossene Anstrengungen machen, den schrecklichen Feind
zurückzuschlagen. Wir brauchen die volle Rüstung der Gerechtigkeit. Die Zeit vergeht, und wir haben
beinahe das Ende unserer Prüfungszeit erreicht. Werden unsere Namen im Lebensbuch verzeichnet
stehen, oder werden wir zu den Untreuen gehören? Werden wir zu der Schar gehören, die um den
erhabenen weißen Thron versammelt ist und in den Gesang der Erlösten einstimmt? In jener Schar gibt
es keine kalten Formenchristen. Jede Seele ist mit Ernst dabei; jedes Herz ist voller Dankbarkeit für die
wunderbare Liebe Gottes und die siegreiche Gnade, die sein Volk befähigt haben, aus dem Kampf
gegen die Sünde als Sieger hervorzugehen. Mit lauter Stimme erhebt sich der Gesang: „Heil sei dem,
der auf dem Stuhl sitzt, unserm Gott, und dem Lamm!“ Offenbarung 7,10.
Kapitel 44: Der wahre Missionsgeist
Wahrer Missionsgeist ist der Geist Christi. Für den Missionar war der Heiland der Welt das große
Vorbild. Viele seiner Nachfolger haben ernst und selbstlos im Werk der Seelenrettung gearbeitet. Aber
keines Menschen Arbeit hält einen Vergleich aus mit der Selbstverleugnung, dem Opfer und der
Wohltätigkeit unseres Vorbildes.
405
Ohnegleichen ist die Liebe, die uns Christus erwiesen hat. Mit welcher Hingabe wirkte er! Wie oft
war er in inbrünstigem Gebet an einem Bergabhang oder in der Einsamkeit eines Gartens allein, wo er
sein Flehen mit Tränen und starkem Geschrei darbrachte! Hebräer 5,7. Wie beharrlich legte er seine
Bitten für die Sünder vor! Sogar am Kreuz vergaß er sein eigenes Leiden über seiner tiefen Liebe zu
denen, die er zu retten kam. Wie kalt wirkt unsere Liebe, wie schwach unser Interesse, verglichen mit
der Liebe und dem Interesse unseres Heilands! Jesus gab sich selbst, um das Menschengeschlecht zu
retten. Wie sind wir doch nur allzu bereit, uns zu entschuldigen, wenn wir unser alles Jesus opfern
sollen! Unser Erlöser ertrug ermüdende Arbeit, duldete Schmach und Leiden. Er wurde abgewiesen,
verhöhnt, verspottet bei dem großen Werk, um dessentwillen er auf die Erde gekommen war.
Liebe Geschwister, fragt euch: Welchem Vorbild sollen wir folgen? Ich weise euch nicht auf große
und gute Menschen hin, sondern auf den Erlöser der Welt. Wenn wir den rechten Missionsgeist haben
wollen, müssen wir von der Liebe Christi durchdrungen sein. Wir müssen auf den Anfänger und
Vollender unseres Glaubens sehen, seinen Charakter studieren, seinen Geist der Sanftmut und Demut
pflegen und in seinen Fußtapfen wandeln!
Viele denken, der Missionsgeist, die Befähigung zur Missionsarbeit sei eine besondere Gabe, die
Predigern und einigen wenigen Gemeindegliedern verliehen sei, alle anderen wären bloß Zuschauer.
Einen größeren Irrtum hat es nie gegeben. Jeder wahre Christ besitzt Missionsgeist, denn Christ sein
heißt, Christus ähnlich sein. Niemand lebt sich selber, und „wer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht
sein.“ Römer 8,9. Jeder, der von der Kraft der zukünftigen Welt geschmeckt hat — er sei jung oder alt,
gelehrt oder ungelehrt —, wird von dem Geist bewegt, der Christus trieb. Die erste Regung des
erneuerten Herzens ist, auch andere zum Heiland zu bringen. Wer diesen Wunsch nicht hegt, beweist,
daß er seine erste Liebe verloren hat. Er prüfe darum sein Herz im Lichte des Wortes Gottes genau und
trachte ernstlich nach einer neuen Taufe durch den
406
Geist Christi. Er sollte um tieferes Verständnis der wunderbaren Liebe bitten, welche Jesus für uns
bekundete, als er das Reich der Herrlichkeit verließ und in eine gefallene Welt kam, die Verlorenen zu
retten.
Im Weinberg des Herrn gibt es für jeden von uns Arbeit. Wir dürfen aber nicht den Platz suchen, der
uns die meiste Freude oder den größten Gewinn verspricht. Wahre Religion ist frei von Selbstsucht.
Missionsgeist ist ein Geist persönlicher Opferbereitschaft. Wir sollen immer und überall für das Werk
des Meisters bis zum letzten Einsatz arbeiten.
Sobald jemand wirklich zur Wahrheit bekehrt ist, entsteht im Herzen das ernste Verlangen, einem
Freund oder Nachbarn von dem köstlichen Licht zu erzählen, das aus der Heiligen Schrift strahlt. In
seinem selbstlosen Bemühen, andere zu retten, wird er zum lebendigen Brief, den alle Menschen
kennen und lesen. Sein Leben beweist, daß er sich zu Christo bekehrt hat und sein Mitarbeiter
geworden ist.
Im allgemeinen sind die Siebenten-Tags-Adventisten warmherzig und freigebig. Bei der
Verkündigung der gegenwärtigen Wahrheit kann man sich auf ihr starkes und bereitwilliges Mitgefühl
verlassen. Sobald man sie auf einen angemessenen Gegenstand für ihre Freigebigkeit hinweist und
sich an ihre Einsicht und ihr Gewissen wendet, ist man einer herzlichen Antwort stets sicher. Ihre
Gaben zur Unterstützung des Werkes bezeugen, daß es für sie das Werk der Wahrheit ist. Es gibt aber
auch Ausnahmen unter uns. Nicht alle, die behaupten, den rechten Glauben zu haben, sind ernste,
aufrichtige Gläubige. Das gleiche galt auch für die Zeit Christi. Sogar unter den Aposteln war ein Judas,
womit aber nicht gesagt ist, daß alle diesen Charakter aufwiesen. Wir haben keinen Grund zur
Entmutigung, weil wir wissen, daß so viele der Sache der Wahrheit ergeben und bereit sind, großzügige
Opfer zu ihrer Ausbreitung zu bringen. Trotzdem herrscht immer noch großer Mangel und großes
Bedürfnis unter uns. Es gibt noch zu wenig echten Missionsgeist. Alle Missionsarbeiter sollten jene tiefe
Teilnahme für ihre Mitmenschen empfinden, die Herz und Herz in der Liebe Jesu vereint. Bittet ernstlich
um göttliche Hilfe und arbeitet weise,
407
um Seelen für Christum zu gewinnen. Kaltes und geistloses Bemühen wird nichts vollbringen. Es tut
not, daß der Geist Christi über die Kinder der Propheten komme. Dann werden sie solche Liebe zu den
Menschen offenbaren, wie Jesus sie uns vorlebte.
Der Grund für den geringen Glaubenseifer und die mangelnde Liebe untereinander in der Gemeinde
ist im erlöschenden Missionsgeist zu suchen. Wie wenig wird jetzt über das Kommen Christi geredet,
das einst der Gegenstand des Denkens und der Unterhaltung war. Es besteht eine unerklärliche
Abneigung, ein wachsender Widerwille gegen religiöse Unterhaltung. Statt dessen duldet man selbst
bei den bekenntlichen Nachfolgern Christi müßiges, leichtfertiges Geschwätz.
Liebe Geschwister, wollt ihr nicht die euch umfangende Zaubermacht brechen? Wollt ihr aus eurer
Schwerfälligkeit erwachen, die der Todesstarre so ähnlich ist? Geht an die Arbeit, ob ihr dazu Lust habt
oder nicht. Setzt euch persönlich ein und bringt Seelen zu Jesu und zur Erkenntnis der Wahrheit. Bei
solcher Arbeit werdet ihr ermuntert und gestärkt. Sie wird euch beleben und kräftigen. Durch Übung
werden eure geistlichen Kräfte zunehmen, so daß ihr mit besserem Erfolg auch an eurer eignen
Errettung arbeiten könnt. Die Todesstarre hat viele erfaßt, die sich zu Christo bekennen. Bemüht euch,
sie zu wecken. Warnt sie, bittet sie, macht ihnen freundschaftliche Vorhaltungen. Betet, daß die zarte
Liebe Gottes ihr eisiges Wesen auftaue und erwärme. Wenn sie auch nicht gleich hören wollen, so ist
eure Anstrengung doch nicht vergeblich. Wenn ihr euch bemüht, anderen zum Segen zu werden,
werdet ihr selbst gesegnet.
Wir haben rein theoretisch wohl die Wahrheit, aber jetzt müssen wir auch ernstlich nach ihrer
heiligenden Kraft streben. Ich wage es nicht, in dieser Zeit der Gefahr zu schweigen. Es ist eine Zeit der
Versuchung und Verzagtheit. Wir sind alle von Satans Tücken umgeben und sollten uns enger
zusammenschließen, um seiner Macht zu widerstehen. Wir sollten eines Sinnes sein, über dieselben
Dinge reden und Gott wie mit einem Munde verherrlichen. Dann können wir erfolgreich umfassendere
Pläne legen und mittels sorgfältiger Missionsarbeit jede tüchtige Kraft verwenden, die wir in den
verschiedenen Abteilungen des Werkes benötigen.
408
Durch missionarisches Bemühen breitet das Licht der Wahrheit seine hellen Strahlen über die Welt
aus. Die Presse ist ein Mittel, durch das viele erreicht werden, zu denen unmöglich ein Prediger
kommen kann. Großes könnte getan werden, wenn man dem Volke die Bibel in unveränderter Form
darböte. Tragt darum das Wort Gottes an alle Türen, bringt seine klaren Aussprüche jedem Gewissen
nahe, wiederholt allen des Heilands Befehl: „Suchet in der Schrift.“ Johannes 5,39. Ermahnt sie, die
Bibel so zu nehmen, wie sie ist, Erleuchtung von oben zu erflehen, und dann, wenn das Licht scheint,
jeden kostbaren Lichtstrahl freudig anzunehmen und sich vor den Folgen nicht zu fürchten.
Das zu Boden getretene Gesetz Gottes muß vor den Menschen wieder erhöht werden. Sobald sie
sich ernst und ehrerbietig der Heiligen Schrift zuwenden, wird ihnen Erkenntnis von oben wunderbare
Dinge aus dem Gesetz Gottes offenbaren. Bedeutsame Wahrheiten, die durch Aberglauben und falsche
Lehren lange verdunkelt waren, werden aus den erleuchteten Seiten des heiligen Wortes
hervorstrahlen. Das lebendige Wort Gottes wird seine alten und neuen Schätze ausschütten und allen
Licht und Freude bringen, die sie annehmen wollen. Viele werden aus ihrem Schlafe aufgeweckt. Sie
stehen auf wie von den Toten und empfangen Licht und Leben, wie sie Christus allein geben kann.
Kinder im Glauben begreifen nun Wahrheiten, die einem Riesenverstand verschlossen waren. Ihnen ist
klar offenbart, was für die geistliche Anschauung der gelehrtesten Ausleger des Wortes dunkel war, weil
sie — wie die Sadduzäer vor alters — die Schrift und die Kraft Gottes nicht kannten.
Wer die Bibel mit dem aufrichtigen Bemühen erforscht, den Willen Gottes zu erkennen und zu
befolgen, wird klug werden zur Seligkeit. Die Sabbatschule ist ein wichtiger Zweig der Missionsarbeit,
nicht nur weil sie jung und alt eine Kenntnis des Wortes Gottes vermittelt, sondern weil sie in ihnen
Liebe zu den ehrwürdigen Wahrheiten, ein Verlangen nach persönlichem Studium erweckt und sie vor
allem lehrt, ihr Leben nach seinen heiligen Unterweisungen einzurichten.
409
Alle, die das Wort Gottes zur Richtschnur ihres Lebens wählen, treten in nahe Beziehung
zueinander. Die Bibel ist das Band, das sie vereint. Wer sich aber dem heiligen Wort als der einen
unfehlbaren Richtschnur nicht beugt, wird ihre Gesellschaft nicht suchen. Sie werden sich im Glauben
und Leben nicht einigen können. Zwischen ihnen kann es keine Übereinstimmung geben, sie sind
unversöhnlich. Als Siebenten-Tags-Adventisten berufen wir uns aus Gewohnheit und Tradition auf das
klare „So spricht der Herr“, und deshalb können wir mit der großen Menge nicht übereinstimmen, die
Menschenlehren und -gebote lehrt und befolgt.
Alle, die aus Gott geboren sind, werden zu Mitarbeitern Christi. Sie sind das Salz der Erde. „Wo nun
das Salz dumm wird, womit soll man‘s salzen?“ Wenn die Religion, die wir bekennen, unser Herz nicht
erneuert und unser Leben nicht heiligt, wie soll sie dann für Ungläubige zu einer rettenden Kraft
werden? „Es ist hinfort zu nichts nütze, denn daß man es hinausschütte und lasse es die Leute
zertreten.“ Matthäus 5,13. Eine Religion, die keine erneuernde Kraft auf die Welt ausstrahlt, ist wertlos.
Wir können uns, was unser Heil anbelangt, nicht auf sie verlassen. Je eher wir sie aufgeben, desto
besser, denn sie ist unecht und kraftlos.
Wir sollen unserem großen Führer dienen und gegen jeden widrigen Einfluß vorgehen, wenn wir
Mitarbeiter Gottes sein wollen. Die uns zugewiesene Aufgabe ist, die Saat des Evangeliums an allen
Wassern zu säen. In diesem Werk muß jeder eine Aufgabe übernehmen. Die uns verliehene vielfältige
Gnade Christi setzt uns zu Verwaltern über Gaben, die wir vermehren müssen, indem wir sie den
Wechslern bringen, damit der Meister, wenn er sie zurückfordert, sein Eigentum mit Zinseszins
zurückerhalten kann.
Kapitel 45: Junge Männer als Missionare
Junge Männer, die den Wunsch haben, als Prediger, Kolporteure oder als Buchevangelisten ins
Werk einzutreten, sollten zuerst geistig geschult und für ihre Aufgabe speziell vorbereitet werden.
Ungeschulte, unerzogene und ungebildete Anwärter sind nicht geeignet, ein Feld zu betreten, wo der
machtvolle Einfluß von Talent und Erziehung die Wahrheiten des Wortes Gottes bekämpft. Sie sind
auch nicht fähig, erfolgreich dem Gemisch von Irrtum, Religion und Philosophie zu begegnen, was
sowohl wissenschaftliche Kenntnis als auch ein Vertrautsein mit der biblischen Wahrheit erfordert.
Besonders diejenigen, die das Predigtamt im Auge haben, sollten die Wichtigkeit der biblischen
Methoden der Heranbildung zum Prediger empfinden. Sie sollen mit ganzem Herzen bei der Arbeit sein,
und während sie auf den Schulen studieren, vom großen Lehrer die Sanftmut und Demut Christi lernen.
Ein Gott, der seinen Bund hält, hat verheißen, daß er in Beantwortung der Gebete seinen Geist über
diese Schüler in Christi Schule ausgießen wird, so daß sie zu Predigern der Gerechtigkeit heranreifen
können.
Es erfordert harte Arbeit, Irrtum und falsche Lehren aus dem Kopf zu entfernen, so daß biblische
Wahrheit und biblische Religion im Herzen Wurzel fassen können. Damit junge Männer und Frauen auf
ihre Arbeit in den verschiedenen Abteilungen der Missionsunternehmungen vorbereitet werden können,
wurden Schulen von uns eröffnet, wie Gott es angeordnet hat. Gott wünscht, daß aus ihnen nicht nur
wenige, sondern viele Arbeiter hervorgehen. Aber Satan, der entschlossen ist, diese Absicht zu
verhindern, hat sich oftmals gerade jene gesichert, die Gott zur Brauchbarkeit in seinem Werk
heranbilden wollte. Es gibt viele, die ins Werk eintreten würden, wenn man sie nur dazu auffordern
würde, und die ihre Seelen durch diese Arbeit retten könnten. Die Gemeinde sollte fühlen, wie schuldig
sie sich macht, wenn sie das Licht der Wahrheit unter einen Scheffel stellt und Gottes Gnade durch ihre
eigenen beschränkten Ansichten hindert, wo doch Geld und Einfluß freigebig eingesetzt
411
werden sollten, um befähigten Personen den Eintritt ins Missionsfeld zu ermöglichen.
Hunderte junger Männer sollten in Vorbereitung sein, am Ausstreuen des Samens der Wahrheit an
allen Gewässern Anteil zu nehmen. Wir brauchen Männer, die den Triumph des Kreuzes vorantreiben;
Männer, die unter Entmutigung und Entbehrung ausharren, die jenen Eifer, jene Entschlossenheit und
jenen Glauben besitzen, die im Missionsfeld unentbehrlich sind.
Unsere Gemeinden werden aufgerufen, diese Aufgabe mit weit größerem Ernst in Angriff zu
nehmen, als es bis jetzt geschehen ist. Jede Gemeinde sollte besondere Vorsorge treffen, ihre
Missionare heranzubilden und damit zur Erfüllung des großen Missionsauftrages beizutragen: „Gehet
hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur.“ Markus 16,15. Meine Brüder, wir haben darin
geirrt und gesündigt, daß wir zu wenig versucht haben. Viel mehr Arbeiter werden in auswärtigen
Missionsfeldern benötigt. Es gibt solche unter uns, die, ohne sich der Mühe und Verzögerung, eine
Fremdsprache zu lernen, unterziehen zu müssen, darangehen können, sich auf die Verkündigung der
Wahrheit unter anderen Nationen vorzubereiten. In der Apostelgemeinde wurden Missionare auf
übernatürliche Weise mit einer Kenntnis der Sprachen ausgestattet, in denen sie die unerforschlichen
Reichtümer Christi verkündigen sollten. Wenn Gott willig war, damals seinen Dienern auf diese Weise
zu helfen, können wir dann zweifeln, daß sein Segen auf unseren Bemühungen ruhen wird, diejenigen
auszubilden, die von Natur aus eine Kenntnis der Fremdsprachen besitzen? Würde man sie nur dazu
ermutigen, dann könnten sie ihren eigenen Landsleuten die Botschaft der Wahrheit bringen. Wir
könnten mehr Arbeiter in den ausländischen Missionsfeldern haben, wenn jene, die dort eingesetzt
waren, sich jedes Talent in ihrer Reichweite zunutze gemacht hätten. Einige haben jedoch die Stellung
eingenommen, jede Hilfe abzulehnen, die nicht genau mit ihren Ideen und Plänen übereinstimmte. Was
war die Folge? Wo waren die Männer, die sie herangebildet hatten, ihren Platz einzunehmen, als sie
selbst durch Krankheit oder Tod ihr Arbeitsfeld verlassen mußten?
412
Nicht einer von unseren Missionaren hat sich die Mitarbeit jeden verfügbaren Talents gesichert. Viel
Zeit ist dadurch verlorengegangen. Wir freuen uns des guten Werkes, das in fernen Ländern getan
wurde. Wären die verschiedensten Arbeitsmethoden angewandt worden, hätte zehnmal, ja zwanzigmal
mehr erreicht werden können. Wie annehmbar wäre das Opfer für Jesum gewesen, wenn viele Seelen
aus den Banden des Irrtums befreit worden wären.
Jeder, der das Licht der Wahrheit annimmt, sollte unterwiesen werden, es an andere weiterzugeben.
Unsere Missionare in anderen Ländern sollten dankbar jede Hilfe, jede Erleichterung annehmen, die
man ihnen zuteil werden läßt. Sie müssen bereit sein, ein Risiko einzugehen und etwas zu wagen. Es
gefällt Gott nicht, wenn wir gegenwärtige Gelegenheiten, Gutes zu tun, hinausschieben in der Hoffnung,
in der Zukunft ein größeres Werk zu leisten. Jeder sollte den Fügungen der Vorsehung folgen, ohne
den Eigennutz zu Rate zu ziehen. Niemand sollte sich völlig auf sein eigenes Urteil verlassen. Einige
mögen so veranlagt sein, daß sie einen Fehlschlag sehen, wo Gott zum Erfolg führen möchte. Sie
mögen nur Riesen und von Mauern umgebene Städte sehen, wo andere mit einer klaren Sicht auch
Gott und Engel erkennen, bereit, seiner Wahrheit den Sieg zu geben.
In einigen Fällen mag es notwendig sein, daß junge Männer fremde Sprachen erlernen. Dies kann
am erfolgreichsten geschehen, indem sie mit den Leuten Umgang pflegen und gleichzeitig einen Teil
des Tages dem Sprachstudium widmen. Dies ist nur dann ratsam, wenn es sich um einen notwendigen
Schritt handelt, den Arbeiter darauf vorzubereiten, andere zu unterrichten, die sich im Missionsfeld
befinden und durch richtige Erziehung Arbeiter werden können. Es ist notwendig, solche zum Dienst
heranzuziehen, die die Leute in den verschiedenen Ländern in ihrer Muttersprache anreden können.
Für einen Mann in mittleren Jahren ist es ein großes Unternehmen, eine Fremdsprache zu erlernen,
und bei allem Bemühen ist es für ihn beinahe unmöglich, so gut und korrekt sprechen zu können, daß
aus ihm ein brauchbarer Mitarbeiter wird.
413
Wir können es uns nicht leisten, unsere heimatlichen Felder des Einflusses unserer Arbeiter in
mittleren oder fortgeschrittenen Jahren zu berauben, um sie in entfernte Gebiete zu schicken. Sie sind
zu dieser Arbeit nicht befähigt, selbst wenn sie noch soviel Mühe aufwenden würden, sich dafür zu
qualifizieren. Solche Männer hinterlassen Lücken, wenn man sie wegschickt, die von unerfahrenen
Arbeitern niemals ausgefüllt werden können.
Aber die Gemeinde mag sich fragen, ob junge Männer überhaupt mit der schweren Verantwortung,
Missionen in fremden Ländern zu gründen und ihnen vorzustehen, betraut werden können. Ich
antworte: Gottes Absicht ist, daß sie in unseren Missionsschulen und durch ihre Zusammenarbeit mit
Männern von Erfahrung vorbereitet werden, sich in irgendeiner Abteilung dieses Werkes als brauchbar
zu erweisen. Wir müssen unseren jungen Männern Vertrauen entgegenbringen. Sie sollen in jedem
Unternehmen, das viel Mühe und Opfer fordert, Pionierarbeit leisten, während die überlasteten Diener
Christi als Ratgeber geschätzt werden und jene ermutigen und segnen sollen, die die schwerste
Schlacht für Gott zu führen haben. Die Vorsehung brachte diese erfahrenen Väter in einem Alter, als
weder ihre körperlichen noch ihre Verstandeskräfte voll entwickelt waren, in prüfende, verantwortliche
Stellungen. Die Bedeutung des ihnen Anvertrauten erweckte ihre Energie, und ihre aktive Arbeit im
Werk half mit, sie geistig und körperlich zu entwickeln.
Junge Männer werden benötigt. Gott beruft sie ins Missionsfeld. Weil sie verhältnismäßig frei von
Sorge und Verantwortlichkeiten sind, befinden sie sich in einer günstigeren Lage, dies Werk zu tun, als
solche, die eine große Familie heranziehen und unterhalten müssen. Junge Menschen können sich
auch besser einem neuen Klima und neuer Gesellschaft anpassen. Sie können besser
Unbequemlichkeiten und Härten ertragen. Durch Taktgefühl und Ausdauer können sie die Leute dort
erreichen, wo sie sind.
Kraft kommt durch Übung. Alle, die ihre von Gott verliehenen Fähigkeiten benutzen, werden seinem
Dienst vermehrte Kräfte weihen können. Diejenigen, die nichts im Werke Gottes
414
tun, werden versäumen, in der Gnade und der Erkenntnis der Wahrheit zu wachsen. Jemand, der sich
niederlegt und sich weigert, seine Gliedmaßen zu gebrauchen, wird bald alle Kraft dazu verlieren. So
wird der Christ, der seine geistlichen Kräfte nicht übt, nicht nur versäumen, in Christo zu wachsen,
sondern wird auch die Stärke verlieren, die er bereits hatte. Er wird geistlich gelähmt. Wer mit Liebe zu
Gott und seinen Mitmenschen danach strebt, anderen zu helfen, wird in der Wahrheit gegründet,
gekräftigt und gefestigt. Der wahre Christ arbeitet für Gott nicht nach Gefühlen, sondern aus Prinzip;
nicht einen Tag oder einen Monat lang, sondern während seines ganzen Lebens.
Wie könnte unser Licht in die Welt hinausleuchten, wenn nicht durch ein beständiges christliches
Leben? Wie kann die Welt wissen, daß wir zu Christo gehören, wenn wir nichts für ihn tun? Unser
Heiland sagt: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“ (Matthäus 7,16); und weiter: „Wer nicht mit mir
ist, der ist wider mich.“ Matthäus 12,30. Es gibt keinen neutralen Grund zwischen jenen, die sich bis
zum äußersten für Christum einsetzen, und solchen, die für den Seelenfeind arbeiten. Alle, die müßig
im Weinberg des Herrn herumstehen, tun nicht nur selber nichts, sondern hindern noch andere, die
etwas tun wollen. Satan findet Beschäftigung für einen jeden, der nicht ernsthaft danach strebt, sich und
andere zu retten.
Die Gemeinde Christi kann treffend mit einer Armee verglichen werden. Das Leben eines jeden
Soldaten ist von Mühe, Härte und Gefahr gekennzeichnet. Überall lauern wachsame Feinde, die vom
Fürsten der finsteren Mächte befehligt werden, der niemals schläft, noch seinen Posten verläßt. Wenn
immer ein Christ in seiner Wachsamkeit nachläßt, macht dieser machtvolle Widersacher einen
plötzlichen, heftigen Angriff. Sind die Gemeindeglieder nicht aktiv und auf der Hut, wird er sie durch
seine Kunstgriffe verführen.
Was würde geschehen, wenn die Hälfte der Soldaten einer Armee müßig oder am Schlafen wären,
während sie im Dienst sind? Das Resultat wäre Niederlage, Gefangenschaft oder Tod. Entkäme jemand
aus den Händen des Feindes — würde man ihn einer Belohnung für würdig erachten? Nein; man
415
würde das Todesurteil über ihn fällen. Ist Christi Gemeinde sorglos und untreu, steht viel mehr auf dem
Spiel. Was könnte es Schlimmeres geben als eine schlafende Armee christlicher Soldaten! Welcher
Vormarsch gegen die Welt könnte unternommen werden, einer Welt, die unter der Befehlsgewalt des
Fürsten der Finsternis steht? Diejenigen, die sich am Tag des Kampfes gleichgültig im Hintergrund
halten, als würde sie der Ausgang des Streits gar nicht interessieren und als wären sie in keiner Weise
dafür verantwortlich, sollten besser sofort die Reihen verlassen.
Der Meister ruft nach Evangeliumsarbeitern. Wer will den Ruf beantworten? Nicht alle, die ins Heer
eintreten, sind Generäle, Hauptmänner, Feldwebel oder auch nur Unteroffiziere. Nicht alle haben die
Sorge und Verantwortung der Leiter. Es gibt andere Arten schwerer Arbeit zu tun. Einige müssen
Schützengräben ausheben und Festungen bauen. Einige sind als Wachposten berufen, andere als
Funker. Während es nur wenige Offiziere gibt, sind viele Soldaten erforderlich, um ein Heer zu bilden.
Doch der Erfolg hängt von der Treue eines jeden einzelnen Soldaten ab. Eines Mannes Feigheit oder
Verrat kann über eine ganze Armee Unglück bringen.
Jeder von uns persönlich hat ein wichtiges Werk zu tun, wenn wir den guten Kampf des Glaubens
bestehen wollen. Ewige Interessen stehen auf dem Spiel. Wir müssen uns mit der ganzen
Waffenrüstung der Gerechtigkeit bekleiden. Wir müssen dem Teufel widerstehen, und wir haben die
sichere Verheißung, daß er die Flucht ergreifen wird. Die Gemeinde muß einen Angriffskampf führen.
Sie muß Siege für Christum erringen und Seelen aus der Macht Satans befreien. Gott und heilige Engel
sind in diesen Kampf verwickelt. Laßt uns ihm zu Gefallen leben, der uns als Soldaten berufen hat.
Alle können etwas in diesem Werk tun. Niemand wird vor Gott schuldlos sein, der nicht ernsthaft und
selbstlos bemüht war, Seelen zu retten. Die Gemeinde sollte die Jugend durch Vorschrift und Beispiel
lehren, für Christum zu arbeiten. Es gibt viele, die über ihren Zweifel klagen, die jammern, daß sie sich
nicht ihrer Verbindung mit Gott sicher sind. Dies ist oftmals auf
416
die Tatsache zurückzuführen, daß sie nichts im Werke Gottes tun. Sie sollten aufrichtig danach
trachten, anderen zu helfen und ihnen zum Segen zu sein. Dann werden ihre Zweifel und ihre
Verzagtheit verschwinden.
Viele der bekenntlichen Nachfolger Christi sprechen und verhalten sich so, als gereichten ihre
Namen dem Werke Gottes zur großen Ehre. Aber sie tragen keine Lasten und gewinnen keine Seelen
für die Wahrheit. Solche Menschen leben dahin, als hätte Gott keine Ansprüche an sie. Wenn sie so
fortfahren, werden sie schließlich herausfinden, daß sie keine Ansprüche an Gott haben.
Er, der jedem eine Aufgabe nach seiner Befähigung zugewiesen hat, wird treue Pflichterfüllung
niemals unbelohnt lassen. Jede Handlung der Treue und des Glaubens wird mit besonderen Zeichen
von Gottes Gunst und Billigung gekrönt werden. Jedem Arbeiter ist die Verheißung gegeben: „Die mit
Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen und tragen edlen Samen und
kommen mit Freuden und bringen ihre Garben.“ Psalm 126,5.6.
Kapitel 46: Die Wichtigkeit des Kolportagewerkes
Auf dem Gebiet der Kolportage kann sehr viel mehr bewirkt werden, als bisher geschehen ist. Der
Kolporteur sollte nicht zufrieden sein, wenn er nicht beständig Fortschritte macht. Er muß sich gründlich
vorbereiten, sollte aber nicht mit auswendig gelernten Redewendungen zufrieden sein. Er sollte dem
Herrn Gelegenheit einräumen, mit seinen Bemühungen zusammenzuwirken und seine Gedanken zu
leiten. Die Liebe Jesu in seinem Herzen wird ihn befähigen, Mittel zu ersinnen, wie er bei einzelnen
Menschen und Familien Eingang finden kann.
Kolporteure benötigen Selbsterziehung und gute Umgangsformen, nicht die vorgetäuschten und
künstlichen Höflichkeitsformen der Welt, sondern das liebenswürdige Verhalten, das aus natürlicher
Herzensbildung und dem Wunsch, Christi
417
Vorbild nachzuahmen, hervorgeht. Sie sollten Gewohnheiten der Rücksichtnahme und Fürsorglichkeit
pflegen, Gewohnheiten des Fleißes und der Umsicht. Sie sollten danach streben, Gott zu ehren, indem
sie alles aus sich machen, was ihnen möglich ist. Jesus brachte ein unendliches Opfer, um sie ins
rechte Verhältnis mit Gott und ihren Mitmenschen zu bringen. Die Gottheit, verbunden mit
menschlichem Bemühen, wird sie befähigen, den höchsten Stand der Vollkommenheit zu erreichen.
Der Kolporteur sollte keusch wie Joseph, sanftmütig wie Mose und mäßig wie Daniel sein. Dann wird
ihn Macht begleiten, wohin er geht.
Falls der Kolporteur einen verkehrten Kurs einschlägt, wenn er Falschheit äußert und Betrug begeht,
wird er alle Selbstachtung verlieren. Er mag sich nicht darauf besinnen, daß Gott ihn sieht und sein
Geschäftsgebaren kennt, daß heilige Engel seine Beweggründe erwägen und seinen Worten lauschen
und daß er belohnt werden wird nach seinen Werken. Selbst wenn es ihm möglich wäre, sein
verkehrtes Handeln vor Menschen und vor Gott zu verbergen, wird doch die Tatsache, die ihm bekannt
ist, sein Gemüt und seinen Charakter erniedrigen. Eine einzige Tat entscheidet nicht über den
Charakter, aber sie reißt die Schranke nieder. Der nächsten Versuchung wird schon leichter
nachgegeben, bis schließlich Ausflüchte und Unehrlichkeit im Geschäft zur Gewohnheit werden und
man dem Menschen nicht mehr vertrauen kann.
Es gibt zu viele in Familien und in der Gemeinde, die sich nichts aus krasser Widersprüchlichkeit
machen. Es gibt junge Männer, die etwas zu sein vorgeben, was sie nicht sind. Sie scheinen redlich
und wahr zu sein, gleichen aber den getünchten Gräbern, von außen schön, aber inwendig durch und
durch verdorben. Das Herz ist unrein, mit Sünden befleckt. So steht es in den Himmelsbüchern
verzeichnet. In ihrem Gemüt ist ein Prozeß vor sich gegangen, der sie abgestumpft und gefühllos
gemacht hat. Wird aber ihr Charakter in der Waage des Heiligtums gewogen und am großen Tag
Gottes zu leicht erfunden, dann wird das eine Katastrophe sein, von der sie heute noch nichts ahnen.
Wahrheit, kostbare, makellose Wahrheit muß Bestandteil des Charakters sein.
418
Welcher Weg auch gewählt wird, das Leben ist immer von Gefahren umgeben. Wenn die Arbeiter in
irgendeinem Zweig des Werkes sorglos und unaufmerksam gegenüber ihren ewigen Interessen
werden, wird dies immer ein großer Verlust für sie sein. Der Versucher wird Zugang zu ihnen finden. Er
wird Netze für ihre Füße ausspannen und sie unsichere Pfade führen. Nur diejenigen sind sicher, deren
Herzen durch reine Grundsätze geschützt sind. Gleich David werden sie beten: „Erhalte meinen Gang
auf deinen Fußsteigen, daß meine Tritte nicht gleiten.“ Psalm 17,5. Fortwährend muß gegen
Selbstsucht und Verderbtheit des menschlichen Herzens angekämpft werden. Oftmals scheinen die
Gottlosen in ihren Wegen erfolgreich zu sein. Aber alle, die Gott vergessen, sei es auch nur für eine
Stunde oder einen Augenblick, sind in Gefahr. Sie mögen dies nicht erkennen, und ehe sie es gewahr
werden, ist eine Gewohnheit zu einem eisernen Band geworden, das sie an das gehegte Übel bindet.
Gott verachtet ihre Handlungsweise, und sein Segen wird sie nicht begleiten.
Ich habe gesehen, daß junge Männer in die Kolportage eintreten, ohne sich mit dem Himmel
verbunden zu haben. Sie begeben sich in Versuchung, um ihre Tapferkeit zu beweisen. Sie lachen über
die Torheit anderer. Sie wissen den rechten Weg. Sie wissen, wie man sich beträgt. Wie leicht fällt es
ihnen, der Versuchung zu widerstehen! Wie lächerlich, zu denken, daß sie fallen könnten! Aber sie
machen Gott nicht zu ihrer Verteidigung. Satan hat eine hinterhältige Schlinge für sie bereitet, und sie
selbst werden zum Spott der Törichten.
Unser großer Widersacher hat Helfershelfer, die fortwährend auf eine Gelegenheit lauern, Seelen zu
vernichten, wie ein Löwe auf sein Opfer lauert. Hütet euch vor ihnen, ihr jungen Männer. Während sie
sich als eure Freunde ausgeben, werden sie euch hinterlistig auf böse Wege führen und zu schlechten
Handlungen verleiten. Mit ihren Lippen schmeicheln sie euch. Sie bieten euch an, euch zu helfen und
zu führen, aber ihre Schritte neigen sich der Hölle zu. Hört ihr auf ihren Rat, mag dies der Wendepunkt
in eurem Leben sein. Ein vom Gewissen
419
entfernter Wächter, das Frönen einer bösen Gewohnheit, eine Vernachlässigung der hohen Ansprüche
der Pflicht mag der Anfang auf dem Wege des Betrugs sein, der euch in die Reihen derer bringt, die
Satan dienen, während ihr immer noch vorgebt, Gott und sein Werk zu lieben. Ein Augenblick der
Gedankenlosigkeit, ein einziger Fehltritt kann euer Leben in die falsche Richtung lenken. Ihr mögt
niemals erkennen, was zu eurem Untergang führte, bis das Urteil ausgesprochen wird: „Weichet alle
von mir, ihr Übeltäter!“ Lukas 13,27.
Einige junge Männer wissen, daß meine Worte eine genaue Beschreibung ihres Zustandes sind. Ihr
Tun ist vor dem Herrn nicht verborgen, wenn auch ihre besten Freunde und selbst Väter und Mütter
nichts davon wissen. Ich habe wenig Hoffnung, daß einige von ihnen je ihre Heuchelei und ihr
betrügerisches Handeln aufgeben werden. Andere, die geirrt haben, werden versuchen, sich zu
bessern. Möge der teure Heiland ihnen helfen, sich entschlossen gegen alle Falschheit und
Schmeichelei derjenigen zu stellen, die ihre guten Absichten, das Rechte zu tun, schwächen oder ihnen
Zweifel und Unglauben einflößen wollen, um ihren Glauben an die Wahrheit zu erschüttern. Junge
Freunde, verbringt nicht eine Stunde in der Gesellschaft solcher, die euch unfähig zu eurem reinen und
heiligen Dienst im Werke Gottes machen würden. Tut nichts unter Fremden, was ihr in Gegenwart von
Vater und Mutter nicht tun würdet, und dessen ihr euch vor Christo und heiligen Engeln schämen
müßtet.
Einige mögen denken, daß diese Warnungen für Sabbathalter nicht nötig sind. Jene aber, die es
betrifft, wissen, was ich meine. Ihr jungen Männer, ich sage euch, gebt acht! Ihr könnt nichts tun, das
vor den Augen der Engel und vor den Blicken Gottes nicht offenkundig wäre. Ihr könnt nichts Böses tun,
ohne daß andere davon in Mitleidenschaft gezogen werden. Während eure Handlungsweise offenbart,
welches Material zu eurer Charakterbildung verwandt wird, hat sie ebenfalls auf andere einen
machtvollen Einfluß. Verliert nie die Tatsache aus den Augen, daß ihr Gott gehört, daß er euch mit
einem Preis erkauft hat und daß ihr euch vor ihm für alle anvertrauten Gaben verantworten
420
müßt. Niemand darf sich mit der Arbeit als Buchevangelist oder Kolporteur befassen, dessen Hände mit
Sünde befleckt oder dessen Herz nicht recht vor Gott steht, denn solche Menschen werden mit
Sicherheit das Werk der Wahrheit verunehren. Wer als Arbeiter im Missionsfeld wirkt, muß Gott als
Führer haben. Er muß darauf achten, im rechten Geist zu beginnen und dann still und beharrlich auf
dem Weg der Redlichkeit voranzuschreiten. Er sollte fest entschlossen sein, denn Satan ist eifrig
bemüht, ihn zu überwinden.
Ein Fehler ist gemacht worden, daß die Abonnements für unsere Zeitschriften auf wenige Wochen
beschränkt wurden, während man durch angemessenes Bemühen die Leute hätte veranlassen können,
sie für einen viel größeren Zeitraum zu beziehen. Ein jährliches Abonnement ist viel wertvoller als viele
für eine kurze Zeit. Wenn die Schrift nur für wenige Monate bestellt wird, endet das Interesse meistens
mit Ablauf des Abonnements. Nur wenige verlängern es für eine weitere Bezugsperiode. So wird viel
Zeit aufgewandt, die nur wenig Ertrag bringt. Wäre mehr Taktgefühl und Ausdauer verwendet worden,
hätten jährliche Abonnements erlangt werden können. Euch fehlt es an Weitblick, Brüder, eure Pläne
sind zu eingeengt. Ihr setzt in eurem Werk nicht allen Takt und alle Ausdauer ein, die ihm gebührt. In
diesem Geschäftszweig müssen mehr Schwierigkeiten überwunden werden als in anderen. Aber die
Lektionen, die hier gelernt, der Takt und die Erziehung, die hier erworben werden können, wird euch für
andere Gebiete der Brauchbarkeit befähigen, wo ihr Seelen dienen könnt. Solche, die nur schwer ihre
Lektionen lernen, die achtlos und kurz angebunden im Umgang mit Menschen sind, würden das gleiche
fehlerhafte Betragen, den gleichen Mangel an Taktgefühl und Geschick im Verhalten offenbaren, wenn
sie als Prediger fungierten.
Während kurzzeitige Abonnements angenommen werden, bemühen einige sich gar nicht darum,
solche für einen längeren Zeitraum zu erlangen. Kolporteure sollten ihre Arbeit in ihrem Gebiet nicht
sorglos und interesselos verrichten. Sie sollten empfinden, daß sie für Gott arbeiten. Liebe zu Seelen
421
sollte sie veranlassen, alle Anstrengungen zu machen, daß Männer und Frauen durch die Wahrheit
erleuchtet werden. Vorsehung und Gnade, Mittel und Wege sind eng miteinander verbunden. Wenn
seine Arbeiter ihr Bestes tun, wird er für sie tun, was sie nicht ausrichten können. Niemand hingegen
darf erwarten, daß er unabhängig und durch eigene Anstrengungen erfolgreich sein kann. Aktivität muß
sich mit festem Vertrauen auf Gott verbinden.
In jeder Abteilung des Werkes Gottes muß Sparsamkeit geübt werden. Der natürliche Trend der
heutigen Jugend neigt dazu, Sparsamkeit zu vernachlässigen und zu verachten. Sie wird mit Geiz und
Engherzigkeit verwechselt. Sparsamkeit aber steht in engem Zusammenhang mit den weitesten und
freigebigsten Ansichten und Gefühlen. Ohne Sparsamkeit kann es keine Freigebigkeit geben. Niemand
sollte es als unter seiner Würde betrachten, Sparsamkeit zu studieren und Wege zu ersinnen, wie man
die übrigen Brocken verwenden kann. Christus, nachdem er das bemerkenswerte Speisungswunder
vollbracht hatte, sagte: „Sammelt die übrigen Brocken, daß nichts umkomme.“ Johannes 6,12.
Es mag eine gute Summe für Hotelrechnungen ausgegeben werden, was absolut unnötig ist. Den
Pionieren dieser Botschaft lag das Werk Gottes so am Herzen, daß sie äußerst selten im Restaurant
aßen, selbst wenn das Essen nur 25 Cent kostete. Doch junge Männer und Frauen sind im allgemeinen
nicht zur Sparsamkeit erzogen, und Verschwendung folgt auf Verschwendung. Einige Familien
vergeuden so viel, daß davon gut eine weitere Familie ernährt werden könnte, wollte man Sparsamkeit
üben. Würden unsere Jugendlichen, wenn sie unterwegs sind, über alle Ausgaben exakt Buch führen,
könnten ihnen die Augen geöffnet werden, wo ihr Geld geblieben ist. Während von ihnen nicht verlangt
werden mag, ohne warme Mahlzeit auszukommen, wie es die ersten Arbeiter in ihrem Wanderleben
hielten, sollten sie doch lernen, ihre wirklichen Bedürfnisse mit weniger Auslagen zu decken, als es jetzt
geschieht. Es gibt Seelen, die Selbstverleugnung üben, um ihre Mittel dem Werke Gottes zu geben.
Deshalb laßt auch die Arbeiter
422
im Werk Selbstverleugnung üben, indem sie ihre Ausgaben so weit wie möglich einschränken. Es wäre
gut, wenn all unsere Arbeiter die Geschichte der Waldensermissionare studierten und ihr Beispiel der
Opferbereitschaft und Selbstverleugnung nachahmten.
Wir haben ein erhabenes Werk für den Meister zu tun — Gottes Wort jenen zu eröffnen, die sich im
Dunkel des Irrtums befinden. Junge Freunde, handelt so, als ob ihr einen heiligen Auftrag hättet. Ihr
müßt die Bibel studieren, damit ihr jederzeit bereit seid, jedem zu antworten, der Grund der Hoffnung
fordert, die ihr hegt. Beweist durch wahrhaft christliches Verhalten, daß ihr euch dessen bewußt seid,
eine Wahrheit zu besitzen, die es wert ist, von den Leuten angehört zu werden. Wenn die Wahrheit mit
der Seele verwoben ist, wird dies im Angesicht, im Betragen, in ruhigem, edlem Selbstbewußtsein und
Frieden, den nur ein Christ besitzen kann, zum Ausdruck kommen.
Solche, die wahre Demut besitzen, deren Gemüt sich durch die im Evangelium entfalteten
Wahrheiten erweitert hat, werden einen fühlbaren Einfluß ausüben. Sie werden einen Eindruck auf
Gemüter und Herzen machen und von den meisten Menschen respektiert werden, auch wenn sie nicht
mit ihrer Glaubensanschauung übereinstimmen. Mit den Wahrheiten der Bibel und unserem wertvollen
Schriftenmaterial werden sie Erfolg haben, weil der Herr ihnen die Wege bahnen wird. Aber unsere
Schriften den Leuten aufzudrängen, indem man ihnen kleine Geschenke oder Prämien anbietet, wird
keinen dauerhaften Einfluß zum Guten ausüben. Wenn unsere Arbeiter sich auf die Wahrheiten der
Bibel verließen, mit der Liebe zu Christo und zu Seelen in ihren Herzen, könnten sie weit mehr
langzeitige Abonnements erlangen, als wenn sie sich auf Prämien oder niedrige Preise verlassen.
Verläßt man sich auf diese Zugaben, um zur Abnahme der Schriften zu ermutigen, wird leicht der
Eindruck erweckt, daß die Schriften an sich keinen wirklichen Wert besitzen. Die Resultate wären
besser, wenn man der Schrift den Vorrang gäbe und das Geld, das man für Prämien ausgibt, dafür
verwendete, einige Schriften umsonst herzugeben. Einige mögen durch die Prämie veranlaßt werden,
die Schrift zu
423
bestellen, die es sonst nicht tun würden. Andere jedoch werden gerade wegen der Prämie kein
Abonnement bestellen, weil sie es als Spekulationsgeschäft betrachten. Würde der Kolporteur auf den
Wert der Schrift hinweisen, indem er Gott um Erfolg anfleht und sich nicht auf die Prämie stützen,
könnte mehr bewirkt werden.
In der heutigen Zeit werden nichtige Dinge angepriesen und aufgebauscht. Es besteht ein Verlangen
nach allem, was sensationell ist und sich verkaufen läßt. Das Land wird überflutet mit gänzlich
wertlosem Lesestoff, der nur hergestellt wurde, um Geld zu machen, während wirklich wertvolle Bücher
unverkauft und ungelesen bleiben. Solche, die diese sensationelle Literatur verkaufen, weil sie dadurch
mehr verdienen, versäumen eine kostbare Gelegenheit, Gutes zu tun. Es erfordert wirklich einen
Kampf, die Aufmerksamkeit von Männern und Frauen auf wertvolle Bücher zu lenken, die die Bibel zum
Fundament haben, und sie dafür zu interessieren. Und es ist eine noch schwierigere Aufgabe,
gewissenhafte, gottesfürchtige Arbeiter zu finden, die diese Bücher als Buchevangelisten verkaufen, mit
der Absicht, Licht zu verbreiten.
Der Arbeiter, dem Gottes Werk am Herzen liegt, wird nicht den höchsten Lohn verlangen. Er wird
nicht darauf bestehen, wie einige unserer Jugendlichen getan haben, daß man nicht mit ihm rechnen
kann, wenn er sich nicht modisch und elegant kleiden und in den besten Restaurants essen kann. Was
der Kolporteur benötigt, ist nicht fehlerlose Kleidung oder das Auftreten eines Schauspielers oder
Clowns, sondern jene Ehrenhaftigkeit und Redlichkeit des Charakters, die sich im Angesicht
widerspiegelt. Freundlichkeit und Höflichkeit prägen das Gesicht, und das geübte Auge sieht keinen
Betrug und entdeckt kein wichtigtuerisches Verhalten.
Viele sind in die Kolportage eingetreten, die sich nur auf die Prämien als Bedingung zum Erfolg
verlassen. Als Arbeiter sind sie von wenig Wert. Ihnen mangelt es an Erfahrung in praktischer Religion.
Sie haben die gleichen Fehler, den gleichen Geschmack und die gleichen eigensüchtigen Neigungen,
die sie kennzeichneten, bevor sie sich zum Christentum bekannten.
424
Von ihnen kann gesagt werden, daß Gott keinen Platz in ihren Gedanken, noch in ihren Herzen hat. Ihr
Charakter ist so nichtssagend, so irdisch, so minderwertig wie auch ihr Betragen. Man sieht, daß sie
nach eigenem Gutdünken, nach eigenen Ansichten handeln. Sie wollen keine Selbstverleugnung üben.
Sie sind entschlossen, die Freuden des Lebens zu genießen. Der himmlische Schatz hat keine
Anziehungskraft für sie. Ihr Geschmack ist abwärts, nicht aufwärts gerichtet. Freunde und Verwandte
sind nicht imstande, ihnen zu einem erhabeneren Stand zu verhelfen, denn sie sind keineswegs
entschlossen, das Böse zu meiden und das Gute zu wählen.
Je weniger Vertrauen wir in diese Personen setzen — und ihrer sind viele —, um so besser wird das
Werk der gegenwärtigen Wahrheit in den Augen der Welt dastehen. Unsere Brüder sollten in der Wahl
von Kolporteuren und Buchevangelisten Vorsicht walten lassen, wenn sie nicht wollen, daß die
Wahrheit mißverstanden und falsch dargestellt werden soll. Alle wirklichen Arbeiter sollen einen
angemessenen Lohn erhalten, aber die Summe sollte nicht erhöht werden, um Kolporteure zu kaufen.
Das würde ihnen schaden. Es würde sie selbstsüchtig und verschwenderisch machen. Weckt wahren
Missionsgeist in ihnen und entwickelt die Fähigkeiten, die sie in ihrer Arbeit erfolgreich machen. Wenn
Jesu Liebe in der Seele wohnt, wird der Kolporteur es als Vorrecht betrachten, Licht verbreiten zu
dürfen. Er wird nachdenken, planen und darüber beten.
Es werden Jugendliche benötigt, die dem Verständnis nach Männer sind, die die Verstandeskräfte,
die Gott ihnen verliehen hat, würdigen und mit äußerster Sorgfalt pflegen. Durch Übung erstarken diese
Fähigkeiten, und wenn die Herzenskultur nicht vernachlässigt wird, kann ein wohl ausgerichteter
Charakter erlangt werden. Die Mittel zur Vervollkommnung stehen allen zur Verfügung. Niemand sollte
den Meister, der nach Früchten sucht, enttäuschen, indem er nichts als Blätter hervorbringt. Eine fest
entschlossene Absicht, geheiligt durch die Gnade Christi, wird Wunder bewirken. Jesus und heilige
Engel werden den Bemühungen verständiger, gottesfürchtiger Männer,
425
die alles tun, um Seelen zu retten, Erfolg verleihen. Laßt sie ruhig, bescheiden und mit einem von Liebe
überfließenden Herzen versuchen, Gemüter für die Wahrheit zu interessieren und Bibelstunden zu
halten, wo es möglich ist. Indem sie das tun, werden sie den Samen der Wahrheit überall ausstreuen
und das Lob dessen verkündigen, der sie aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht geführt hat.
Wer diese Arbeit mit rechten Beweggründen verrichtet, versieht einen wichtigen Dienst. Er wird keinen
schwachen, unentschlossenen Charakter offenbaren. Sein Verständnis nimmt zu. Sein Verhalten wird
veredelt. Er soll seiner Entwicklung keine Schranken auferlegen, sondern jeden Tag fähiger werden, ein
gutes Werk zu tun.
Viele der Kolporteure bringen keine Opfer. Im ganzen gesehen, besitzen sie weniger Missionsgeist
als die Arbeiter anderer Kirchen. Wenn alle Wege vor ihnen geebnet sind und sie den höchsten
Verdienst beanspruchen können, dann sind sie bereit, das Feld zu betreten. Kolporteure bekommen
viele Angebote, weltliche Bücher zu verkaufen, und ihnen wird hoher Verdienst versprochen. Viele
weigern sich dann, für weniger Verdienst Bücher zu verkaufen, welche die gegenwärtige Wahrheit
enthalten. So wurde höherer Verdienst angeboten, um mit anderen Verlagen Schritt zu halten, und als
Folge davon sind die Auslagen, unsere Literatur den Leuten zugänglich zu machen, sehr angestiegen.
Viele Kolporteure erlangen ihr Geld leicht und sind verschwenderisch im Ausgeben.
Unter dem Volk, das sich zur gegenwärtigen Wahrheit bekennt, stimmt der Missionsgeist nicht mit
unserem Glauben überein. Der Klang reinen Goldes fehlt in ihrem Wesen. Das christliche Leben umfaßt
mehr, als sie sich eingestehen. Es besteht nicht nur in Freundlichkeit, Geduld, Sanftmut und Liebe.
Diese Gnadengaben sind notwendig; aber es besteht ein Mangel an Mut, Stärke, Tatkraft und
Ausdauer. Viele, die ins Kolportagewerk eintreten, sind schwach, ohne Energie, geistlos und rasch
entmutigt. Es fehlt ihnen die Antriebskraft. Sie besitzen nicht die positiven Wesenszüge, die dem
Menschen Kraft geben, etwas zu unternehmen, nicht den Geist und die Fähigkeit, Begeisterung zu
entfachen. Der Kolporteur betreibt ein ehrenwertes
426
Geschäft, und er darf sich nicht so verhalten, als schäme er sich seiner Beschäftigung. Wenn er in
seinen Anstrengungen Erfolg haben will, muß er mutig und hoffnungsvoll sein.
Die aktiven Tugenden müssen ebenso gepflegt werden wie die passiven. Während der Christ immer
bereit sein soll, sanft zu antworten, um den Zorn zu stillen, muß er auch den Mut eines Helden haben,
dem Bösen zu widerstehen. Mit der Liebe, die alles erträgt, muß er jene Charakterfestigkeit verbinden,
die seinen Einfluß zu einer Macht zum Guten werden läßt. Glaube muß zu seinem Wesenszug werden.
Er muß feste Grundsätze haben, edel gesonnen und über alle Gemeinheiten erhaben sein. Der
Kolporteur darf nicht eingebildet sein. In seinem Umgang mit Menschen darf er sich weder auffällig
benehmen noch in prahlerischer Weise von sich reden, denn das würde intelligente, vernünftige Leute
anwidern. Er soll weder egoistisch in seinen Gewohnheiten noch herrschsüchtig und dominant in
seinem Verhalten sein. Viele Menschen haben sich gesagt, daß sie keine Zeit haben, auch nur ein
Buch von den zehntausenden zu lesen, die auf dem Büchermarkt erscheinen. In vielen Fällen
verschließen sich ihre Herzen, sobald der Kolporteur sein Anliegen vorbringt. Wie notwendig ist es
deshalb, daß er seine Arbeit mit Taktgefühl und in einem demütigen, andachtsvollen Geist versieht. Er
sollte mit dem Worte Gottes vertraut sein und Worte finden, die kostbare Wahrheit und den großen Wert
der reinen Literatur darzulegen, die er verkaufen möchte.
Wie angebracht wäre es, daß jeder eine persönliche Verantwortung in diesem Werk fühlt! Wie
wichtig, daß jeder darüber nachsinnt, wie er am besten das Interesse wecken kann; denn seine Art, wie
er die Wahrheit vorführt, mag über das Schicksal einer Seele entscheiden. Hinterläßt er einen günstigen
Eindruck, kann sein Einfluß jener Seele zu einem Geruch des Lebens zum Leben gereichen, und diese
eine Person, die betreffs der Wahrheit erleuchtet wird, mag vielen anderen zur Erkenntnis verhelfen.
Deshalb ist es gefährlich, sorglos mit menschlichen Gemütern umzugehen.
427
Das Kolportagewerk ist Gottes Mittel, viele zu erreichen, die andernfalls niemals mit der Wahrheit
bekannt werden könnten. Das Werk ist gut, der Gegenstand hoch und erhaben. Dementsprechend
würdevoll sollte das Betragen sein. Der Kolporteur wird den verschiedensten Menschen begegnen. Er
wird solche antreffen, die unwissend und niedrig gesinnt sind, die nichts schätzen werden, was kein
Geld einbringt. Sie mögen ihn beschimpfen, aber er sollte diesem keine Beachtung schenken. Seine
Gutmütigkeit sollte durch nichts erschüttert werden. Nichts sollte ihn seiner Freudigkeit und Zuversicht
berauben. Er wird solchen Personen begegnen, die traurig, entmutigt oder kranken und verwundeten
Geistes sind. Es werden sich viele Gelegenheiten bieten, wo er freundliche, ermutigende,
hoffnungsvolle Worte des Glaubens an sie richten kann. Wenn er will, kann er für andere eine
erquickende Quelle sein, allerdings nur, wenn er selbst aus dem Brunnen lebendiger Wahrheit schöpft.
Das Kolportagewerk ist wichtiger, als viele es betrachtet haben. Bei der Auswahl der Kolporteure
muß ebenso sorgfältig und weise vorgegangen werden wie bei der Wahl von Männern für das
Predigtamt. Junge Männer können herangebildet werden, ein weit besseres Werk zu verrichten, als es
bisher geschah, und bei weniger Bezahlung, als viele erhalten haben. Erhöht den Maßstab und laßt
sich Männer dem Heer der Arbeiter anschließen, die sich selbst verleugnen, opferbereit sind und Gott
und die Menschheit lieben. Laßt sie ans Werk gehen, nicht in Erwartung von Bequemlichkeit, sondern
mit Entschlossenheit, trotz schroffer Abweisung und Härte nicht den Mut zu verlieren. Laßt solche
kommen, die unserer Literatur einen guten Ruf verschaffen, weil sie selbst von ihrem hohen Wert
überzeugt sind.
Möge der Herr einem jeden helfen, die ihm anvertrauten Talente zur höchsten Entfaltung zu bringen.
Die in diesem Werk angestellt sind, studieren ihre Bibel nicht so, wie es der Fall sein sollte. Täten sie
es, dann würden ihre praktischen Lehren einen positiven Einfluß auf ihr Leben ausüben. Welche Arbeit
ihr, liebe Brüder und Schwestern, auch verrichtet, tut sie für den Meister. Gebt euer Bestes. Überseht
nicht die goldenen Gelegenheiten, die sich heute bieten. Gebt acht, daß euer Leben sich
428
nicht als Fehlschlag erweist, während ihr müßig dasitzt und von Bequemlichkeit und Erfolg in einer
Aufgabe träumt, für die euch Gott niemals befähigte. Tut die Arbeit, die sich gerade anbietet. Tut sie,
selbst inmitten von Gefahren und Nöten im Missionsfeld. Doch ich bitte euch, klagt nicht über die Härten
und Opfer, die euch abverlangt werden. Denkt an die Waldenser. Denkt daran, welche Pläne sie
ersonnen haben, damit verfinsterte Gemüter vom Licht des Evangeliums erleuchtet werden konnten.
Wir sollten nicht erwarten, in diesem Leben Lohn zu empfangen, sondern unseren Blick fest auf den
Preis am Ende des Wettlaufes gerichtet halten. Jetzt werden Männer und Frauen gebraucht, die treu
zur Pflicht stehen wie die Nadel zum Pol, Männer und Frauen, die zur Arbeit bereit sind, ohne daß ihnen
der Weg geebnet und jedes Hindernis entfernt wird.
Ich habe beschrieben, was die Kolporteure sein sollten. Möge Gott ihr Verständnis öffnen, damit sie
diesen Gegenstand in seiner Länge und Breite begreifen. Möchten sie doch ihre Pflicht erkennen, durch
ihre Geduld, ihren Mut und standhafte Redlichkeit Christi Charakter darzustellen. Laßt sie bedenken,
daß sie ihn durch nachlässiges, lasches und unentschlossenes Verhalten verleugnen können. Junge
Männer, wenn ihr diese Grundsätze mit ins Arbeitsfeld nehmt, wird man euch achten. Viele werden an
die Wahrheit glauben, die ihr vertretet, weil ihr euren Glauben auslebt und weil euer tägliches Leben
einem hellen Licht auf einem Leuchter gleicht, der allen Licht gibt, die im Hause sind. Selbst eure
Feinde werden euch respektieren, auch wenn sie eure Lehren noch so sehr bekämpfen. Und wenn ihr
dies erreicht habt, werden eure einfachen Worte Macht besitzen, Herzen zu überzeugen.
Kapitel 47: Das Verlagswerk
Im Verlagshaus in Battle Creek hat es diese und jene Schwierigkeit gegeben, und es wird auch
weiterhin so sein. Die dort errichteten Anstalten sind Gottes Werkzeuge, um sein Werk auf Erden zu
verrichten. Aus diesem Grund ist Satan auf dem Plan und wendet seinen ganzen Einfallsreichtum an,
um zu
429
verwirren und zu hindern. Er richtet seine Versuchungen an Männer und Frauen, die mit diesen
Einrichtungen verbunden sind, ob sie nun eine verantwortliche Position bekleiden oder nur einfachste
Arbeiten verrichten. Er ist entschlossen, sie — wenn möglich — in seinen Schlingen zu verstricken,
damit sie ihren Halt an Gott verlieren, in ihrem Urteil verwirrt und unfähig werden, zwischen Recht und
Unrecht zu unterscheiden. Er weiß, daß die Zeit gewiß kommen wird, wo der Geist, der ihr Leben
beherrscht hat, sich offenbaren wird. Wie freut er sich, wenn der Wandel dieser Personen dann
bezeugt, daß sie nicht Christi Mitarbeiter sind.
Viele, die zum vollen Mannesalter herangewachsen sind, ermangeln der Elemente, die einen edlen
männlichen Charakter bilden. Gott betrachtet sie nicht als Männer. Sie sind nicht vertrauenswürdig.
Einige von ihnen sind mit unseren Anstalten verbunden. Sie haben Einfluß; dieser ist jedoch
verderblicher Natur, weil er selten das Rechte unterstützt. Während sie sich zur Gottseligkeit bekennen,
neigt ihr Beispiel ständig dazu, Ungerechtigkeit zu fördern. Sie hegen Zweifel in ihren Gedanken und
äußern ihn in Worten und benutzen ihre Kräfte, um Gerechtigkeit, Wahrheit und Recht zu verdrehen.
Ihre Sinne werden von Satan beherrscht. Er wirkt durch sie, herabzuwürdigen und zu verwirren. Je
angenehmer und anziehender ihr Benehmen ist, je mehr hervorragende Talente sie besitzen, desto
brauchbarere Werkzeuge sind sie in den Händen des Feindes aller Gerechtigkeit, um alle zu
demoralisieren, die unter ihren Einfluß kommen. Es wird sich herausstellen, daß es eine schwere und
undankbare Aufgabe ist zu verhindern, daß sie zu einer beherrschenden Macht werden und ihre
eigenen Absichten ausführen, indem sie Unordnung und lockere, lasche Grundsätze ermutigen.
Die Jugendlichen, die ihrem Einfluß ausgesetzt sind, befinden sich in großer Gefahr, es sei denn,
daß diejenigen, deren Obhut sie anvertraut sind, äußerste Wachsamkeit üben, und daß sie selbst in
rechten Grundsätzen fest gegründet sind. Es ist jedoch eine traurige Tatsache, daß viele der
Jugendlichen der heutigen Zeit dazu neigen, dem Einfluß Satans nachzugeben und dem Geist Gottes
zu widerstehen. In vielen Fällen sind falsche
430
Gewohnheiten so tief eingewurzelt, daß die größten Anstrengungen der Verantwortlichen nichts
ausrichten können, ihre Charaktere ins rechte Lot zu bringen.
Diejenigen, die in der Verlagsanstalt verantwortliche Stellen bekleiden, haben schwere Lasten zu
tragen; und sie sind nicht für diese Positionen geeignet, wenn sie nicht Tag für Tag eine tiefere und
verläßlichere christliche Erfahrung erlangen. Ewigen Interessen sollte die erste Aufmerksamkeit gelten.
Jeder Einfluß, der dem göttlichen Leben dienlich ist, soll willkommen geheißen werden. Männer, denen
Gott die geschäftliche Verwaltung seines Werkes anvertraut hat, müssen geistlich gesinnt sein. Sie
sollen weder versäumen, religiösen Versammlungen beizuwohnen noch es als schwierig betrachten,
miteinander über ihr religiöses Leben und ihre Erfahrungen zu sprechen. Gott wird ihren Zeugnissen
lauschen. Sie werden im Gedächtnisbuch verzeichnet, und er wird seinen Getreuen Gunst erweisen
und „ihrer schonen, wie ein Mann seines Sohnes schont, der ihm dient.“ Maleachi 3,17.
Diejenigen, die das Verlagswerk leiten, sollten daran denken, daß sie vielen als Vorbild dienen, und
sie sollten in der öffentlichen Anbetung Gottes gewissenhaft sein, wie sie selbst von jedem Arbeiter in
allen Abteilungen des Verlages Gewissenhaftigkeit erwarten. Wenn sie sich nur gelegentlich im
Gottesdienst blicken lassen, werden sich andere veranlaßt sehen, das gleiche zu tun. Diese
Geschäftsleute können sich zu jeder Zeit fließend und vernünftig über geschäftliche Angelegenheiten
unterhalten und bekunden, daß sie ihre Kräfte in dieser Richtung nicht umsonst geschult haben. Sie
haben Taktgefühl, Geschick und Kenntnis mit ihrer Arbeit verbunden. Wie wichtig ist es aber, daß ihre
Herzen, ihr Verstand und alle Seelenkräfte ebenfalls zu treuem Dienst im Werk und in der Anbetung
Gottes geschult werden, damit sie imstande sind, in beredten, einfachen Worten den Weg der Erlösung
durch Christum kundzutun. Sie müssen Männer des ernsten Gebetes sein und sich völlig auf Gott
verlassen; Männer, die gleich Abraham ihrem Hause nach ihnen befehlen und die ein spezielles
Interesse am geistlichen Wohlergehen aller bekunden, die im Verlag angestellt sind.
431
Allen, die Christus den ersten Platz einräumen, kann getraut werden. Sie werden weder selbstsicher
sein noch ihr religiöses Interesse in ihrem Geschäft untergehen lassen. Hat Gott Männer mit heiligen
Verantwortlichkeiten betraut? Dann wünscht er auch, daß sie ihre eigene Schwäche und ihre
Abhängigkeit von ihm fühlen. Es besteht für Menschen keine Sicherheit, sich auf ihren eigenen
Verstand zu verlassen. Deshalb müssen sie täglich um Kraft und Weisheit von oben bitten. Gott soll den
ersten Platz in ihren Gedanken einnehmen. Dann werden alle Anschläge und Raffinessen der alten
Schlange sie nicht zu sündiger Vernachlässigung ihrer Pflicht verführen können. Sie werden dem
Widersacher mit der einfachen Waffe begegnen, die Christus benutzte: mit einem „Es steht
geschrieben“, oder sie werden ihn zurückweisen, indem sie sagen: „Gehe hinter mich, du Satan.“
In der Warnung zu wachen und zu beten, hat Christus den einzig sicheren Weg gewiesen. Wir
müssen wachsam sein. Unsere eigenen Herzen sind trügerisch. Wir sind mit den Schwächen und
Fehlern der Menschheit behaftet; und unser Widersacher ist nicht untätig. Er will vernichten. Wir mögen
das Wachen vernachlässigen; doch der Feind schläft nicht. Da wir mit seiner unermüdlichen
Wachsamkeit bekannt sind, dürfen wir „nicht schlafen wie die andern, sondern lasset uns wachen und
nüchtern sein.“ 1.Thessalonicher 5,6. Wir müssen dem Geist und Einfluß der Welt begegnen, aber wir
dürfen nicht gestatten, daß sie von unserem Gemüt und Herzen Besitz nehmen.
Wenn der aktive Geschäftsmann mit der Welt in Kontakt kommt, wird er Prüfungen, Schwierigkeiten
und ängstliche Sorgen zu erdulden haben. Er wird finden, daß die Neigung besteht, weltlichen
Gedanken und Plänen den Vorrang zu geben, und daß es Mühe erfordert, Verstand und Seele in Zucht
zu halten und einen weihevollen Geist zu bewahren. Aber Gottes Gnade steht ihm zur Verfügung. Sein
großes Bedürfnis ist das machtvolle Argument, das den Sieg über Gott erringt. Für diese Männer hat
Gott eine besondere Vorsorge getroffen. Er ladet sie ein: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und
beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernt
432
von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.
Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“ Matthäus 11,28-30. Wer Umgang mit Jesu pflegt,
erfreut sich dauerhafter Ruhe und anhaltenden Friedens. Weshalb wandern wir denn allein und lehnen
seine Begleitung ab? Warum ziehen wir ihn nicht zu Rate? Warum bringen wir ihm nicht all unsere
Sorgen und Kümmernisse und prüfen die Kraft seiner Verheißungen?
Die Heilige Schrift erhellt unsere Finsternis, unterrichtet uns in unserer Unwissenheit und versteht
unsere vielfältigen Bedürfnisse und hilft ihnen ab. Aber unsere Gedanken müssen fortwährend auf
Christum gerichtet sein. Wenn wir gestatten, daß Kälte und Weltlichkeit sich einschleichen, haben wir
keine Lust zum Gebet, keinen Mut, auf ihn zu blicken, der die Quelle unserer Kraft und Weisheit ist.
Deshalb, liebe Geschwister, betet „ohne Unterlaß“ und hebt „heilige Hände“ auf „ohne Zorn und
Zweifel“. 1.Timotheus 2,8. Drängt euch mit euren Bitten zum Gnadenthron, und verlaßt euch Stunde um
Stunde und jeden Augenblick auf Gott. Der Dienst für Christum wird euer Verhältnis zu euren
Mitmenschen regeln und euer Leben zu guten Werken fruchtbar machen.
Laßt sich niemand einbilden, daß Selbstsucht, Eigendünkel und Selbstbefriedigung mit Christi Geist
übereinstimmen. Auf jedem wahrhaft bekehrten Menschen ruht eine Verantwortung, die wir nicht richtig
einschätzen können. Die Maßstäbe und Sitten der Welt können von den Söhnen und Töchtern des
himmlischen Königs nicht übernommen werden. „Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder; und es ist
noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir ihm
gleich sein werden; denn wir werden ihn sehen, wie er ist. Und ein jeglicher, der solche Hoffnung hat zu
ihm, der reinigt sich, gleichwie Er auch rein ist.“ 1.Johannes 3,2.3. Die Welt kennt uns nicht, weil sie
Christus, unseren Meister, nicht kennt.
In unserem Review-Verlag werden Geschäftsführer benötigt, die Jesum und den Erlösungsplan
korrekt darstellen. Es mißfällt Gott, wenn sie all ihre Kräfte in weltlichen Unternehmen
433
verzehren oder selbst in Angelegenheiten, die sich mit dem Verlagswerk befassen, während sie nichts
tun, um Gottes Gemeinde und den Aufbau seines Reiches zu fördern. Die Arbeit für Gott und für die
Seelenrettung ist die edelste und heiligste Berufung, die je an Menschen ergehen kann. Die Verluste
und Gewinne in diesem Unternehmen sind von größter Bedeutung. Die Resultate enden nicht mit
diesem Leben, sondern reichen bis in die Ewigkeit.
Brüder, welches Geschäft ihr auch betreibt, welche Abteilung des Werkes euch auch anvertraut ist,
bezieht eure Religion mit ein. Gott und der Himmel dürfen nicht von der Erfahrung und dem Lebenswerk
getrennt werden. Die Arbeiter in diesem Werk sollten sich hüten, einseitig zu werden und das weltliche
Element ihren Charakter prägen zu lassen. In der Vergangenheit haben Männer, die im Verlag
angestellt waren, schwerwiegende Fehlschläge erlitten. Ihnen mangelte es an geistlicher Gesinnung. Ihr
Einfluß neigte nicht dazu, Seelen dem himmlischen Kanaan entgegenzuführen, sondern zurück nach
Ägypten.
Bruder P wurde mit Fähigkeiten ausgestattet, die es ihm ermöglicht hätten, etwas Großes zu tun,
hätte er sie Gott geweiht. Er hat eine schnelle Auffassungsgabe. Er versteht die Theorie der Wahrheit
und die Ansprüche von Gottes Gesetz. Doch er hat in Christi Schule nicht jene Sanftmut und Demut
gelernt, die ihn zu einem Mann gemacht hätten, dem man eine leitende Position anvertrauen kann. Er
wurde in der Waage des Heiligtums gewogen und zu leicht erfunden. Ihm wurde durch Warnungen und
Tadel großes Licht zuteil, aber er schenkte ihnen keine Beachtung. Er hat nicht einmal die
Notwendigkeit erkannt, seine Handlungsweise zu ändern. Das Beispiel, das er den Arbeitern im Verlag
gab, stimmte nicht mit seinem Bekenntnis überein. Er offenbarte keine festen Vorsätze. Sein Verhalten
war kindisch. Durch seinen Einfluß führte er von Christus weg, hin zur Gleichförmigkeit mit der Welt.
Das Kreuz Christi wurde vor Bruder P erhöht, aber er wandte sich davon ab, weil es eher Schmach
und Schande als Ehre und Lob von der Welt einschließt. Wieder und wieder hat Jesus ihm zugerufen:
„Nimm das Kreuz auf und folge mir nach,
434
so wirst du mein Jünger sein.“ Aber andere Stimmen lockten in die Richtung weltlichen Stolzes und
Ehrgeizes. Er hörte auf diese Stimmen, weil ihr Geist seinem natürlichen Herzen gefiel. Er hat sich von
Jesus abgewandt, von Gott getrennt und die Welt umarmt. Er wurde berufen, Christum darzustellen und
ein helles Licht in der Welt zu sein. Er hat das ihm heilig Anvertraute verraten. Die Welt hat sich
zwischen seine Seele und Jesum geschoben. Seine Erfahrung ist weltlich ausgerichtet, während sie
doch gänzlich anderer Natur sein sollte. Sein Geschmack und seine Ansichten sind absolut weltlich; so
war er nicht imstande, geistliche Dinge zu verstehen.
Bruder P‘s Erfolg sowohl im Predigtamt als auch in seiner Vertrauensstellung im Verlag hing von
seinem Charakter ab, den er beibehalten sollte. Gewissenhaftes, ausdauerndes Bemühen wäre nötig
gewesen, damit er seinen Mitarbeitern durch sein Verhalten kein schlechtes Beispiel gäbe. Den Weg,
den er hätte einschlagen, die Handlungsweise, deren er sich hätte befleißigen sollen, sind im Worte
Gottes deutlich beschrieben. Hätte er jenes Wort beachtet, wäre es ein Licht auf seinem Weg gewesen
und hätte seine unerfahrenen Füße einen sicheren Weg geführt. Wiederholt wurden ihm Zeugnisse des
Geistes Gottes gesandt, die ihm zeigten, wo er vom schmalen Pfad abgewichen war, der für die
Erlösten des Herrn vorgesehen ist. Er wurde gewarnt und aufgerufen, seine Handlungsweise zu
ändern. Aber seine eigenen Wege erschienen ihm recht. Er folgte seinen Neigungen und beachtete das
ihm gesandte Licht nicht. Er war kein sicherer Ratgeber. Er war weder ein sicherer Leiter im Verlag
noch war er ein verläßlicher Hirte der Herde, denn er würde die Schafe in die Irre führen. Er konnte
wunderbare Predigten halten, aber außerhalb des Rednerpultes handelte er nicht nach den
Grundsätzen, die er predigte. Eine solche Arbeit ist dem Herrn ein Greuel.
Bruder P‘s Übereinstimmung mit der Welt hat sich ihm selbst und anderen als Fallstrick erwiesen.
Ach, wie viele straucheln wegen eines solchen Lebens, wie er es führte. Sie gewinnen den Eindruck,
daß, wenn sie die ersten Schritte in der Bekehrung
435
unternommen haben — Reue, Glaube und Taufe —, dies alles sei, was von ihnen gefordert werde.
Dies ist ein verhängnisvoller Irrtum. Der mühsame Kampf, das Ich zu besiegen und Heiligkeit für den
Himmel zu erlangen, ist ein lebenslanges Ringen. Aus diesem Kampf gibt es keine Entlassung. Das
Bemühen muß fortwährend und ausdauernd sein. Nach christlicher Redlichkeit muß man mit aller
Energie streben und sie mit fester Entschlossenheit wahren.
Eine echte religiöse Erfahrung entfaltet und verstärkt sich. Anhaltender Fortschritt, wachsende
Erkenntnis und Macht im Worte Gottes ist das natürliche Resultat einer lebendigen Verbindung mit Gott.
Das Licht heiliger Liebe wird immer heller strahlen bis auf den vollen Tag. Es war Bruder P‘s Vorrecht,
eine solche Erfahrung zu erlangen. Seinem Gefäß und seiner Lampe mangelte es jedoch am Gnadenöl.
Sein Licht ist am Verlöschen. Wenn er sich nicht bald entschieden ändert, wird er dahin gelangen, wo
ihn weder Warnungen noch Einladungen erreichen können. Sein Licht wird zu Finsternis werden, und er
wird in Verzweiflung zurückgelassen.
Sparsamkeit ist wichtig
Bruder R hat gute geschäftliche Fähigkeiten für bestimmte Zweige des Werkes, die ihn geschickt
machen, im Verlag annehmbaren Dienst zu tun. Aber er hat sich nicht dazu erzogen und herangebildet,
ein gründlicher, fähiger Verwalter zu sein. Unter seiner Leitung wurde vieles sehr vernachlässigt. Es hat
sich eine Unordnung und Schlampigkeit eingeschlichen, die unverzüglich korrigiert werden muß. Mit
seiner Arbeit sind viele kleine Angelegenheiten verbunden, die keine Beachtung er-fuhren. So haben
sich Lecks gebildet. Verluste und Verschwendung werden zugelassen, die man hätte vermeiden
können.
Ich bin durch den Verlag gegangen, und es wurde mir gezeigt, wie die Engel Gottes das Werk
betrachten, das in den verschiedenen Räumen geschieht. In einigen Räumen sind die Zustände besser
als in anderen, aber in allen sind Verkehrtheiten zu finden, die man verbessern kann. In vielen
Abteilungen gibt
436
es Verluste über Verluste. Die unachtsame Art und Weise, in der viele ihre Arbeit verrichten, fügt dem
Verlag Schaden zu. Dies ist eine Beleidigung Gottes. Es ist traurig, daß so etwas geschieht. Jesus hat
uns eine Lehre in Sparsamkeit erteilt. Er hat gesagt: „Sammelt die übrigen Brocken, daß nichts
umkomme.“ Johannes 6,12. Es wäre weit besser, nicht solche großen Unternehmungen zu beginnen,
wenn dadurch den kleinen Dingen keine Aufmerksamkeit geschenkt werden kann; denn die kleinen
Dinge gleichen kleinen Schrauben, die die ganze Maschine zusammenhalten, damit sie nicht
auseinanderfällt. Das Wort Gottes macht die Pflicht deutlich. Sie gibt die Regel treuen Dienstes an.
„Wer im Geringsten treu ist, der ist auch im Großen treu; und wer im Geringsten unrecht ist, der ist auch
im Großen unrecht.“ Lukas 16,10.
Es wurde mir gezeigt, daß zusätzlich zu den jetzigen Helfern im Verlag kompetente Männer
eingestellt werden sollten, welche die Oberaufsicht in den verschiedenen Abteilungen des Werkes
führen. Es sollten Männer sein, die Erfahrung in geschäftlichen Dingen haben und weise Verwalter sind.
Es wäre besser gewesen, schon vor Jahren Männer einzusetzen, die befähigt waren, eine gründliche
Arbeit zu verrichten — die in Gründlichkeit, Pünktlichkeit und Sparsamkeit unterrichten konnten —
selbst wenn es nötig gewesen wäre, ihnen das doppelte Gehalt eines gewöhnlichen Vorarbeiters zu
zahlen. Bruder R ist zu diesem Amt unfähig; er ist nicht imstande, Übelstände zu korrigieren. Er
unternimmt es, dies Werk zu tun, aber vieles wird völlig vernachlässigt, das sofort entschieden
gebessert werden müßte. Im Verlag gab es keinen geschickten Volkswirt, keinen wirklichen
Geschäftsmann. Es geht dreifach soviel verloren, wie erforderlich gewesen wäre, den geeignetsten und
erfahrensten Mann für diese Arbeit zu bezahlen.
Es kommt zu Verlusten, weil niemand vorhanden ist, die verschiedenen Abteilungen zu überwachen,
der durch praktische Erfahrung für diese Aufgabe geeignet ist. Es wird ein geschulter Drucker benötigt,
der mit allen diesbezüglichen Arbeiten vertraut ist. Einige verstehen zwar zu drucken, sind aber völlig
ungeeignet, die Oberaufsicht zu übernehmen. Andere tun ihr
437
Bestes, sind aber noch zu unerfahren, um alles überblicken zu können. Ihre Ansichten sind oftmals
beschränkt. Sie sind den Anforderungen des Werkes nicht gewachsen. Deshalb sind sie nicht imstande,
Vorteile bzw. Nachteile richtig einzuschätzen. Sie neigen zu verkehrtem Urteil, falschen Kalkulationen
und Fehleinschätzungen. Aus diesem Grunde ist es zu Verlusten gekommen. Auch wurden günstige
Gelegenheiten, das Verlagswerk zu fördern, versäumt. In einer Einrichtung wie dieser können durch
falsche Kalkulationen, die von unzuverlässigen Personen stammen, Tausende von Dollars
verlorengehen. Bruder P ist in gewisser Hinsicht befähigt, die Interessen des Verlagswerkes zu wahren,
aber sein Einfluß hat dem Verlag zum Schaden gereicht.
Es sollte jemand da sein, der sich ernstlich um die jungen Leute bemüht, die als Lehrlinge in die
Verlagsanstalt kommen. Für diese Aufgabe sollte jemand eingestellt werden, der unterrichten kann und
geduldig, freundlich und umsichtig ist. Genügt ein Mann nicht, stellt mehrere ein. Wenn dieses Werk
treu verrichtet wird, bleiben dem Verlag die Ausgaben für drei Männer erspart. Diese jungen Leute
bilden Gewohnheiten, die ihre ganze Erfahrung beeinflussen. Sie befinden sich sozusagen in einer
Schule. Wenn man sie sich selbst überläßt, um sich hier und da gewisse Kenntnisse anzueignen,
werden sich in Zukunft in ihrer Arbeitsweise ausgeprägte Fehler bemerkbar machen. Das Fundament
zur Gründlichkeit, Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit muß in der Jugend gelegt werden. Die Entwicklung
richtiger Gewohnheiten in der Jugend ist von äußerster Wichtigkeit. Werden die jungen Menschen nicht
dazu erzogen, Regeln und Anordnungen zu gehorchen und Gewohnheiten der Pünktlichkeit,
Gründlichkeit, Ordnung, Reinlichkeit und Sparsamkeit heranzubilden, sondern statt dessen lockere,
schlaffe Gewohnheiten, dann werden sie diese meistens ihr ganzes Leben hindurch beibehalten. Sie
mögen Talente besitzen, die ihnen zum Erfolg in ihrem Beruf verhelfen, und man sollte sie lehren, wie
wichtig es ist, den rechten Gebrauch von ihren Kräften zu machen. Sie müssen auch zur Sparsamkeit
angeleitet werden, die übrigen Brocken zu sammeln, damit nichts umkommt.
438
Männer in verantwortlichen Stellungen sollten nicht mehr Aufgaben übernehmen, als sie imstande
sind, gründlich, pünktlich und gut zu erfüllen. Wollen sie allen, die ihrer Aufsicht unterstellt sind, richtige
Gewohnheiten beibringen, müssen sie gute Vorbilder sein. Auf diesen Leitern liegt eine schwere
Verantwortung, weil sie durch ihre Prinzipien und ihre Arbeitsweise den Charakter der Jugendlichen
prägen. Sie müssen bedenken, daß sie durch die Unterweisung, die sowohl ihre Arbeit als auch ihre
religiöse Erziehung betrifft, diesen jungen Leuten helfen, einen Charakter zu bilden. „Fortschritt“ lautet
die Parole. Welche Arbeit sie auch unternehmen, sie sollten angewiesen werden, das Ziel der
Vollkommenheit anzustreben. Wenn es in den einzelnen Abteilungen Aufsichtspersonen gibt, die nicht
gründlich und sparsam sind, die nicht fleißig die Zeit nutzen und nicht sorgfältig auf ihren Einfluß
achten, werden sie andere in der gleichen Weise prägen. Hat man sie ermahnt, und sie ändern sich
nicht, soll man sie entlassen und besser geeignete Männer einstellen, und wenn notwendig, muß man
es wiederholt versuchen. Die Arbeiter müssen viel leistungsfähiger und treuer sein, als es bis jetzt der
Fall war.
Die ersten Eindrücke, die erste diesen jungen Arbeitern beigebrachte Disziplin, müssen das höchste
Niveau anstreben, denn ihr Charakter wird für Zeit und Ewigkeit gebildet. Die Männer, deren Obhut sie
anvertraut sind, sollten daran denken, daß sie eine große und feierliche Verantwortung tragen. Sie
müssen den weichen Ton formen, ehe er hart wird und für Eindrücke nicht mehr empfänglich ist. Laßt
sie den Sprößling erziehen, ehe er zur knorrigen, verwachsenen Eiche wird. Laßt sie dem Bach eine
Richtung weisen, ehe er zum reißenden Strom wird. Wenn den jungen Leuten erlaubt wird, ihre eigene
Unterkunft und ihre eigenen Gefährten zu wählen, mögen einige eine gute Wahl treffen. Andere
hingegen werden schlechten Umgang wählen. Wird das religiöse Element nicht mit ihrer Erziehung
verbunden, werden sie leicht Versuchungen zum Opfer fallen. Ihr Charakter ist in Gefahr, verzogen und
einseitig zu werden. Die Jugendlichen, die vor heiligen Dingen Achtung zeigen, haben dies im
Elternhaus gelernt, ehe die Welt ihrer Seele ihren
439
Stempel — das Bild von Sünde, Betrug und Unehrlichkeit aufprägen konnte. Liebe zu Gott wird am
Familienaltar bereits im frühen Kindesalter von Vater und Mutter gelernt.
Im Verlagshaus macht sich ein trauriger Mangel an re-ligiösem Einfluß bemerkbar. Da sollte tiefere
Weihe, mehr geistliche Gesinnung und mehr praktische Religion herrschen. Würde hier von
gottesfürchtigen Männern und Frauen echte Missionsarbeit geleistet, dann könnten die besten
Resultate erzielt werden. Bruder R‘s Verhalten mißfällt Gott. Ein Mann in seiner Stellung muß mehr
Hingabe an den Tag legen. In religiösen Angelegenheiten sollte er den ersten Platz einnehmen. Seine
einzige Sicherheit besteht darin, eine lebendige Verbindung mit Gott zu unterhalten und seine
Abhängigkeit vom Herrn zu fühlen. Ohne dies kann er weder seiner Aufgabe gerecht werden noch wird
er einen rechten Einfluß in der Verlagsanstalt und in all seinen Geschäftsverbindungen ausüben.
Es wurde mir auch gezeigt, daß im Verlag sehr auf die Umgangsformen sowohl mit Geschwistern
als auch mit Ungläubigen geachtet werden muß. Wohltätigkeit, Reinheit, Wahrheit und Frieden sind die
Früchte, die man dort sehen soll. Beweggründe und Verhalten müssen sorgfältig untersucht und auch
mit dem Gesetz Gottes verglichen werden; denn dieses Gesetz ist die einzige unfehlbare Richtschnur,
die das Betragen regelt, der einzige Maßstab der Ehrenhaftigkeit zwischen Mensch und Mensch.
Einigkeit im Werk
Der Herr wünscht Einigkeit unter denen, die dem Werk in seinen verschiedenen Zweigen vorstehen.
Die Verwalter seines Werkes an der Pazifik-Küste und die Leiter seines Werkes an der Ostseite der
Rocky Mountains sollten gleichen Geistes und Urteils sein — eins im Herzen, eins in ihren Plänen und
eins im Handeln. Weder im einen noch im anderen Verlagshaus sollten die Brüder meinen, es sei eine
Tugend, verschiedener Meinung mit den anderen zu sein. Erkenntnisse, Pläne und Ideen sollten
ausgetauscht werden. Wenn eine Anstalt Verbesserungen
440
vorschlägt, sollten die Leiter die Vorschläge prüfen und fortschrittliche Pläne und Methoden
übernehmen. In beiden Verlagshäusern müssen sehr große Verbesserungen vorgenommen werden.
Die Leiter haben noch viel zu lernen. Und das, was am entschiedensten und glücklichsten dem
Fortschritt des Werkes dienen wird, ist, sich weniger auf den eigenen Verstand zu verlassen und mehr
von der Sanftmut und Demut Christi zu lernen. Weder die Verwalter der einen noch der anderen Anstalt
sollten so egoistisch sein — Christo so unähnlich —, daß sie ihre eigenen Pläne verwirklichen, nur um
der Befriedigung willen, den eigenen Willen durchgesetzt zu haben, ungeachtet der Folgen.
Diejenigen, die mit unserer Verlagsanstalt in Battle Creek in Verbindung stehen, sind nicht das, was
sie sein könnten. Sie bilden sich ein, ihr Geschmack, ihre Gewohnheiten und Ansichten seien korrekt.
Sie sind fortwährend in Gefahr, in ihren Ansichten eingeengt und auf die Pazifik-Druckerei eifersüchtig
zu sein, eine kritisierende Haltung einzunehmen und Gefühle der Überlegenheit zu hegen. Diesen
Gefühlen wird gestattet zuzunehmen und dem Fortschritt im eigenen Bereich und dem Werk an der
Pazifik-Küste beeinträchtigend und hindernd im Wege zu stehen. Das geschieht nur, weil egoistische
Gefühle das klare Unterscheidungsvermögen, das zum eigenen Besten und zum Wachstum und
Aufbau des Werkes Gottes dient, beherrschen und behindern. Dieser sektiererische Geist widerspricht
dem Geiste Christi. Er mißfällt Gott. Er wünscht, daß er ganz und gar überwunden wird. Das Werk ist
ein Ganzes. Der Weinberg ist ein einziges großes Feld, wo Gottes Diener in den verschiedenen
Abteilungen eingesetzt sind. Es sollte kein anderes Ziel geben, als daß alle uneigennützig bemüht sind,
die Sorglosen zu warnen und die Verlorenen zu retten.
Die Männer, die im Verlag, im Sanatorium und in der Missionsschule mit Gottes Werk verbunden
sind, können nur insofern als vertrauenswürdig gelten, falls sie Christi Charakter widerspiegeln. Aber
viele haben Charakterzüge geerbt, daß sie in keiner Weise das göttliche Vorbild repräsentieren. Sie
haben als Erbgut fehlerhafte Charakterzüge übernommen, die sie nicht überwunden, sondern gehegt
und gepflegt haben, als seien sie
441
wertvolles Gold. Diese haben sie mit ihrer religiösen Erfahrung verwoben. In vielen Fällen werden diese
Wesensmerkmale während des ganzen Lebens beibehalten. Eine Zeitlang mag es so scheinen, als
richteten sie keinen besonderen Schaden an. Doch der Sauerteig arbeitet, und wenn sich eine günstige
Gelegenheit bietet, dann tritt das Böse in Erscheinung.
Einige dieser Männer, die entschiedene Charakterfehler aufweisen, halten fest und entschlossen an
eigenen Ansichten fest und sind unnachgiebig, wenn es doch christlich wäre, anderen nachzugeben,
die die Sache der Wahrheit ebenso lieben wie sie. Solche Personen sollten entgegengesetzte
Wesenszüge entwickeln und lernen, andere höher zu achten als sich selbst. Wenn sie mit wichtigen
Unternehmungen betraut werden, wo große Pläne verwirklicht werden müssen, sollten sie sehr darauf
achten, daß ihre eigenen besonderen Ansichten und speziellen Charakterzüge keinen ungünstigen
Einfluß auf deren Fortgang ausüben. Der Herr sah die Folgen voraus, wenn einem einzelnen Mann
gestattet werden würde, Beschlüsse und die Ausführung von Plänen nach eigenem Urteil zu
beherrschen. Deshalb hat er in seinem inspirierten Wort geboten, daß einer dem anderen untertan sein
und andere höher achten soll als sich selbst. Wenn Pläne gelegt werden sollen, die das Werk Gottes
betreffen, dann sollten sie einer Ratsversammlung von auserwählten und erfahrenen Männern
vorgelegt werden; denn in all diesen Unternehmungen ist vereintes Bemühen erforderlich.
Männer mit verschiedensten Temperamenten und fehlerhaften Charakteren können die Fehler
anderer erkennen, scheinen aber keine Kenntnis von ihren eigenen Irrtümern zu haben. Wäre es ihnen
überlassen, ihre eigenen Pläne ohne Beratung mit anderen durchzuführen, würden sie traurige Fehler
machen. Sie benötigen mehr Weitsicht. Der gewöhnliche Mensch ist von Natur aus selbstsüchtig und
ehrgeizig, was sich nachteilig auf Gottes Werk auswirkt. Eigene Interessen müssen aufgegeben
werden. Niemand sollte der Erste sein wollen, noch sich von Gottes Arbeitern absondern. Niemand
sollte engherzig über Angelegenheiten sprechen und schreiben, die nicht kritisch und unter Gebet
untersucht und demütig einer Ratsversammlung vorgelegt wurden.
442
Die zukünftige Welt mit ihren unveränderlichen und feierlichen Entscheidungen ist so nahe gerückt
— so sehr nahe —, und ein so großes Werk muß noch getan, so viele wichtige Entscheidungen
müssen noch getroffen werden. Aber in euren Ausschüssen sind vorgefaßte Meinungen, egoistische
Ideen und Pläne vorherrschend. Verkehrte ererbte Charakterzüge werden gehegt, und ihnen wird
gestattet, ihren Einfluß auszuüben. Ihr solltet immer empfinden, daß es Sünde ist, euer Tun von
Gefühlen beherrschen zu lassen. Ihr dürft eure Macht nicht mißbrauchen, indem ihr sie benutzt, eure
eigenen Ziele zu erreichen, ohne Rücksicht auf die Folgen für andere, nur weil ihr euch in einer Stellung
befindet, die dies möglich macht. Vielmehr solltet ihr die euch verliehene Macht als etwas Heiliges,
Feierliches euch Anvertrautes betrachten, daran gedenkend, daß ihr Diener des Allerhöchsten seid und
im Gericht einer jeden getroffenen Entscheidung wiederbegegnen müßt. Wenn eure Handlungsweise
selbstlos ist und zur Verherrlichung Gottes gereicht, wird sie die Prüfung bestehen. Ehrgeiz tötet den
geistlichen Fortschritt, Genialität ist dem Irrtum unterworfen. Träge Faulheit ist ein Verbrechen. Aber ein
Leben, worin jedes gerechte Prinzip respektiert wird, muß erfolgreich sein.
Viele eurer Ausschußsitzungen tragen nicht den Stempel des Himmels. Ihr kommt nicht zu ihnen als
Männer, die Umgang mit Gott gepflegt und seinen Geist und sein warmherziges Mitgefühl haben,
sondern als Männer mit der festen Absicht, eure eigenen Pläne auszuführen und Fragen nach eigenem
Gutdünken zu entscheiden. In jeder Abteilung des Werkes Gottes wird Christi Sinn und Geist benötigt.
Ihr seid Gottes Mitarbeiter. Ihr müßt höflich und freundlich sein, sonst könnt ihr Jesus nicht darstellen.
Alle, die in unseren Einrichtungen angestellt sind, sollten bedenken, daß sie entweder ein Segen
oder ein Fluch sein werden. Wollen sie ein Segen sein, müssen sie täglich ihre geistliche Kraft
erneuern. Sie müssen Teilhaber der göttlichen Natur und der Verderbtheit entronnen sein, die in der
Welt durch die Sinnenlust vorherrscht.
443
Inmitten der Sorgen des aktiven Lebens ist es oftmals schwierig, unsere eigenen Beweggründe zu
erkennen. Doch werden täglich Fortschritte entweder zum Guten oder zum Bösen gemacht. Zuneigung
oder Abneigung, ein Aufkommen persönlicher Gefühle werden unser Handeln kontrollieren. Was wir mit
unseren Sinnen wahrnehmen, wird unser Sehvermögen trügen. Ich habe gesehen, daß Jesus uns liebt.
Aber er ist betrübt über unseren Mangel an weiser Urteilsfähigkeit, unser Versäumnis, uns dem Werk
anzupassen und den Mangel an Weisheit, menschliche Herzen zu erreichen und uns in die Gefühlswelt
anderer zu versetzen. Während wir uns vor der ständigen Gefahr hüten müssen, Verbindungen mit den
Feinden Christi zu knüpfen und durch sie verdorben zu werden, müssen wir uns ebenso in acht
nehmen, uns nicht von denen fernzuhalten, die unser Herr als die Seinen beansprucht. Er sagt: „Was
ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ Matthäus 25,40.
Wenn wir mit ernster, liebevoller Absicht jede Gelegenheit benutzen, den Strauchelnden und Gefallenen
auf die Füße zu helfen, haben wir nicht umsonst gelebt. Unser Verhalten wird nicht hart, anmaßend und
diktatorisch sein, sondern unser Leben wird den Wohlgeruch der innewohnenden Gnade Christi
verströmen.
Unser himmlischer Vater fordert von seinen Dienern nur gemäß dem Rechenschaft, was er ihnen
anvertraut hat. Seine Forderungen sind vernünftig und gerecht. Er wird von uns nicht weniger
akzeptieren, als das, was er beansprucht. All seinen gerechten Forderungen muß entsprochen werden.
Andernfalls werden sie gegen uns zeugen, und wir werden in der Waage gewogen und zu leicht
erfunden werden. Jesus überwacht unsere Bemühungen mit tiefstem Interesse. Er weiß, daß Menschen
sein Werk verrichten, die mit allen Schwächen der Menschheit behaftet sind. Er bemerkt ihre
Fehlschläge und ihre Entmutigung mit zärtlichstem Mitgefühl. Aber die Fehlschläge und Fehler könnten
durchaus vermindert werden. Wenn wir uns in Übereinstimmung mit dem Himmel bewegen, werden
dienstbare Engel mit uns zusammenarbeiten und unsere Bemühungen mit Erfolg krönen.
444
Wir leben in der Zeit der Vorbereitung. Das feierliche Werk, das im himmlischen Heiligtum vor sich
geht, sollte den Gemütern derer, die in unseren verschiedenen Anstalten tätig sind, ständig vor Augen
gehalten werden. Geschäftlichen Sorgen sollte nicht gestattet werden, die Gedanken so in Anspruch zu
nehmen, daß das Werk im Himmel, das jeden einzelnen betrifft, leichtsinnig betrachtet wird. Die
feierlichen Gerichtsszenen und der große Versöhnungstag müssen dem Volk vor Augen gestellt und
ihrem Gewissen mit Ernst und Kraft aufgenötigt werden. Der Gegenstand des Heiligtums wird uns den
richtigen Blick für die Wichtigkeit des Werkes für diese Zeit vermitteln. Eine angemessene Würdigung
dieser Aufgabe wird die Arbeiter im Verlagshaus veranlassen, größere Energie und Eifer an den Tag zu
legen, dieses Werk zu einem Erfolg zu machen. Niemand darf achtlos und den Bedürfnissen des
Werkes und den Gefahren gegenüber blind werden, die jeder Seele drohen. Jeder sollte danach
trachten, ein Kanal des Lichts zu sein.
In all unseren Einrichtungen ist zu viel vom eigenen Ich und zu wenig von Christo zu finden. Alle
Augen sollten auf unseren Erlöser gerichtet sein. Alle Charaktere sollten dem seinen gleichen. Er ist
das Vorbild, welchem wir nachstreben müssen, wenn wir ausgeglichene Sinne und Charaktere haben
wollen. Sein Leben war wie ein Garten des Herrn, in welchem jeder Baum gedieh, der den Augen
angenehm und gut zur Nahrung war. Während seine Seele jeden lieblichen Charakterzug aufwies,
brachten ihn sein Feingefühl, seine Höflichkeit und Liebe in engen Kontakt mit der menschlichen
Familie. Er war der Schöpfer aller Dinge und der Erhalter aller Welten durch seine unendliche Macht.
Engel standen bereit, ihm Ehrerbietung zu erweisen und seinem Willen zu gehorchen. Und doch konnte
er dem Plappern des Säuglings lauschen und seinen gelispelten Lobpreis annehmen. Er nahm kleine
Kinder in seine Arme und drückte sie an sein großes Herz der Liebe. Sie fühlten sich vollkommen wohl
in seiner Gegenwart und lösten sich nur widerwillig aus seinen Armen. Er betrachtete die
Enttäuschungen und den Kummer der Erdenbewohner nicht als geringfügig. Sein Herz wurde stets von
den Leiden derer gerührt, die er retten wollte.
445
Die Welt hatte das ursprüngliche Muster der Güte verloren und war in allgemeinen Abfall und
moralische Verdorbenheit versunken. Christi Leben war ein Leben arbeitsamen, selbstverleugnenden
Bemühens, um den Menschen zu seinem ersten Zustand zurückzuführen, indem er ihn mit dem Geist
göttlicher Wohltätigkeit und selbstloser Liebe beseelte. Während er sich in der Welt befand, war er doch
nicht von der Welt. Es war für ihn ein fortwährender Schmerz, mit der Feindschaft, der Verdorbenheit
und Unreinheit in Kontakt zu kommen, die Satan hereingebracht hatte. Aber er hatte die Aufgabe, den
Menschen in Harmonie mit dem göttlichen Plan und die Erde in Verbindung mit dem Himmel zu
bringen, und er erachtete kein Opfer zu groß, um dieses Ziel zu erreichen. „Er wurde allenthalben
versucht gleichwie wir“. Satan stand bereit, ihn bei jedem Schritt anzufechten und ihm feurigste
Versuchungen entgegenzuschleudern. Aber er „sündigte nicht, noch ward irgendein Falsch in seinem
Munde gefunden.“ „Er litt, während er versucht wurde“ — er litt im Verhältnis zu der Vollkommenheit
seiner Heiligkeit. Der Fürst dieser Welt fand jedoch nichts bei ihm; nicht ein einziger Gedanke, nicht ein
einziges Gefühl kam seiner Versuchung entgegen.
Seine Lehre glich dem Regen, seine Sprache dem erquickenden Tau. Mit seinem Wesen war eine
solche Majestät verbunden, wie Gott sie nie zuvor dem gefallenen Menschen gezeigt hatte, und eine
solche Sanftmut, wie der Mensch sie nie entwickelt hatte. Nie zuvor wandelte unter den Menschen
jemand, der so edel, so rein, so wohltätig und sich seiner göttlichen Natur so bewußt und dennoch so
einfach, so voller Pläne und Absichten war, der Menschheit Gutes zu erweisen. Während er die Sünde
verabscheute, weinte er voll Mitleid über den Sünder. Er lebte nicht sich selbst zum Gefallen. Die
Majestät des Himmels kleidete sich in die Demut eines Kindes. Dies ist Christi Charakter. Wandeln wir
in seinen Fußstapfen? O mein Heiland, wie armselig wirst du von deinen bekenntlichen Nachfolgern
dargestellt!
Kapitel 48: Geschäft und Religion
Diejenigen, welche in unseren verschiedenen Anstalten — Verlagshäusern, Schulen und
Heilanstalten — beschäftigt sind, sollten in lebendiger Verbindung mit Gott stehen. Besonders wichtig
ist es, daß die Leiter dieser großen Zweige des Werkes Männer sind, die dem Reich Gottes und seiner
Gerechtigkeit den ersten Platz einräumen. Sie sind nicht geschickt zu ihren Vertrauensstellungen, wenn
sie sich nicht von Gott beraten lassen und Früchte zu seiner Ehre tragen. Sie müssen einen Lebensweg
verfolgen, der ihren Schöpfer ehrt, sie selbst veredelt und ihren Mitmenschen zum Segen wird. Alle
haben natürliche Charakterzüge, die gepflegt oder unterdrückt werden müssen, je nachdem, ob sie das
Wachstum in der Gnade und die Tiefe der religiösen Erfahrung fördern oder hindern.
Wenn die im Werke Gottes Angestellten nicht den bestmöglichen Gebrauch von den religiösen
Vorrechten machen, die sie genießen dürfen, so ist ihr Dienst vor Gott nicht angenehm. Wir sind wie
Bäume, gepflanzt im Garten des Herrn, und er kommt und sucht die Frucht, die er mit Recht erwarten
kann. Sein Auge sieht auf uns alle. Er liest in unseren Herzen und kennt unser Leben. Es ist ein
feierliches Erforschen, denn es hat Bezug auf unsere Pflicht und unser Schicksal, und mit welch
großem Interesse wird es ausgeführt! Möchte doch jeder, dem heilige Pflichten anvertraut sind, sich
fragen: „Wie kann ich dem alles erforschenden Auge Gottes begegnen? Ist mein Herz von jeder
Befleckung gereinigt? Oder sind seine Tempelhöfe so entheiligt, so mit Käufern und Verkäufern
angefüllt, daß Christus keinen Raum findet?“ Durch das fortgesetzte geschäftliche Treiben wird das
geistliche Leben beeinträchtigt und die Seele ohne Christum gelassen. Wenn Menschen Tag für Tag
ohne lebendige Verbindung mit Gott dahinleben, so werden sie, obgleich sie die Wahrheit bekennen,
dazu verleitet, seltsam zu handeln und Entscheidungen zu treffen, die nicht in Übereinstimmung mit
dem Willen Gottes sind. Unsere leitenden Brüder gehen nicht sicher, wenn sie sich von ihren Gefühlen
leiten lassen; sie werden nicht mit Christo verbunden sein und deshalb
447
auch nicht in Übereinstimmung mit ihm handeln. Sie werden nicht imstande sein, die Bedürfnisse des
Werkes zu sehen und zu erkennen, und Satan wird sie beeinflussen, Stellungen einzunehmen, die in
Verlegenheit bringen und hindern.
Meine Brüder, pflegt ihr die Andacht? Herrscht die Liebe zu religiösen Dingen vor? Lebt ihr durch
den Glauben und überwindet ihr die Welt? Besucht ihr die öffentlichen Gottesdienste? Hört man eure
Stimme in den Gebets- und Erfahrungsstunden? Ist der Familienaltar aufgerichtet? Versammelt ihr eure
Kinder des Morgens und des Abends um euch und legt ihr Gott ihre Angelegenheiten vor? Belehrt ihr
sie, wie sie Nachfolger des Lammes werden können? Wenn eure Familien ohne Religion sind, so
bezeugen sie dadurch eure Vernachlässigung und Untreue. Es ist eine traurige Sache, wenn eure
Kinder gleichgültig und unehrerbietig sind und keine Freude an religiösen Versammlungen und heiligen
Wahrheiten haben, während ihr mit dem heiligen Werk Gottes verbunden seid. Eine solche Familie übt
einen Einfluß gegen Christum und die Wahrheit aus. Christus sagt: „Wer nicht mit mir ist, der ist wider
mich.“ Matthäus 12,30. Die Vernachlässigung der Religion im Hause und der Kindererziehung mißfällt
Gott sehr. Wenn eines eurer Kinder in den Fluß fiele, mit den Wellen kämpfte und in Gefahr wäre zu
ertrinken, welch eine Aufregung würde dann sein! Welche Anstrengungen würden gemacht, welche
Gebete emporgeschickt, welcher Eifer offenbart werden, um das leibliche Leben zu retten. Aber hier
sind eure Kinder ohne Christum, ihre Seelen sind nicht gerettet. Vielleicht sind sie sogar ungesittet und
unhöflich, eine Schmach für den Namen Adventisten. Sie gehen verloren, leben ohne Hoffnung und
ohne Gott in der Welt, und ihr seid sorglos und gleichgültig.
Welches Beispiel gebt ihr euren Kindern? Welcher Geist herrscht bei euch zu Hause? Eure Kinder
sollten erzogen werden, freundlich zu sein, für andere zu sorgen, gütig und hilfsbereit zu sein, vor allem
aber religiöse Dinge zu achten und die Wichtigkeit der göttlichen Forderungen zu empfinden. Sie sollten
gelehrt werden, die Gebetsstunde zu achten und sollten des Morgens zeitig genug aufstehen, um an
der Familienandacht teilzunehmen.
448
Väter und Mütter, die Gott den ersten Platz in ihrem Haushalt einräumen, die ihre Kinder lehren, daß
die Furcht des Herrn der Weisheit Anfang ist, verherrlichen Gott vor den Engeln und vor den Menschen,
indem sie der Welt eine gut geregelte, wohlgeordnete Familie vorführen, eine Familie, die Gott liebt und
ihm gehorcht, anstatt sich gegen ihn zu empören. Christus ist in ihren Häusern kein Fremder, sein
Name gehört zur Familie und wird geehrt und verherrlicht. Engel haben ihr Wohlgefallen an einem
Haushalt, wo Gott die Oberherrschaft hat und die Kinder gelehrt werden, die Religion, die Bibel und
ihren Schöpfer zu verehren. Solche Familien können die Verheißung beanspruchen: „Wer mich ehret,
den will ich auch ehren.“ 1.Samuel 2,30. Geht der Vater aus einem solchen Heim an seine täglichen
Pflichten, so geschieht es mit einem sanften, durch den Umgang mit Gott unterwürfig gemachten Geist.
Er ist ein Christ, nicht nur in seinem Bekenntnis, sondern im Gewerbe und in allen seinen
geschäftlichen Beziehungen. Er verrichtet treu seine Arbeit, wissend, daß das Auge Gottes auf ihm ruht.
In der Gemeinde ist er nicht stumm. Er hat Worte des Dankes und der Ermutigung, denn er ist ein
wachsender Christ mit täglich neuer Erfahrung. Er ist ein hilfreicher, tätiger Arbeiter in der Gemeinde,
der für die Ehre Gottes und zum Heil seiner Mitmenschen wirkt. Er würde sich strafbar und vor Gott
schuldig fühlen, wenn er den öffentlichen Gottesdienst versäumen und dadurch der Vorrechte verlustig
gehen würde, befähigt zu werden, der Wahrheit bessere und wirksamere Dienste zu leisten.
Gott wird nicht verherrlicht, wenn einflußreiche Männer sich nur zu Geschäftsleuten machen und
ihre ewigen Interessen nicht beachten, die soviel anhaltender, soviel edler und erhabener sind als die
zeitlichen. Wo sollte der meiste Takt und die größte Geschicklichkeit geübt werden, wenn nicht in den
Dingen, die unvergänglich, die so dauernd sind wie die Ewigkeit? Brüder, entfaltet eure Talente zum
Dienst des Herrn; offenbart soviel Takt und Fähigkeit im Wirken für den Aufbau des Werkes Christi, wie
ihr in weltlichen Unternehmungen an den Tag legt.
449
Es herrscht auf seiten vieler Familienhäupter — es betrübt mich, es zu sagen — ein großer Mangel
an Ernst und Interesse an geistlichen Dingen. Es gibt einige, die man nur selten im Gotteshause findet.
Sie entschuldigen ihre Abwesenheit mit diesem und jenem; aber der wahre Grund ist, daß sie keinen
Sinn für die Religion haben. Der Geist der Frömmigkeit wird nicht in der Familie gepflegt. Die Kinder
werden nicht in der Zucht und Vermahnung zum Herrn aufgezogen. Diese Männer sind nicht so, wie
Gott sie haben möchte. Sie stehen nicht in lebendiger Verbindung mit ihm; sie sind nur
Geschäftsmänner. Sie besitzen keinen versöhnlichen Geist. Es herrscht solcher Mangel an Sanftmut,
Freundlichkeit und Höflichkeit in ihrem Betragen, daß ihre Beweggründe falsch ausgelegt werden, und
von dem Guten, welches sie wirklich besitzen, böse gesprochen wird. Wenn sie erkennen könnten, wie
anstößig ihr Wandel in den Augen Gottes ist, so würden sie ihn ändern.
Das Werk Gottes sollte von Männern geleitet werden, die eine tägliche lebendige Erfahrung in der
Religion Christi haben. „Ohne mich“, sagt Christus, „könnt ihr nichts tun.“ Johannes 15,5. Keiner von
uns ist vor der Macht der Versuchung sicher. Alle, die mit unseren Anstalten, unseren Vereinigungen
und unseren Missionsunternehmungen in Verbindung stehen, können stets sicher wissen, daß sie
einen mächtigen Feind haben, dessen beständiges Ziel es ist, sie von Christo, ihrer Kraft, zu trennen.
Je verantwortlicher die Stellung ist, die sie einnehmen, desto heftiger werden Satans Angriffe werden;
denn er weiß, daß andere ihrem Beispiel folgen werden, wenn er sie bewegen kann, einen anstößigen
Weg einzuschlagen. Aber die beständig in der Schule Christi lernen, werden imstande sein, ebenmäßig
ihren Weg zu verfolgen, und Satans Anstrengungen, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen, werden
vereitelt werden. Versuchung ist keine Sünde. Jesus war rein und heilig; doch wurde er versucht
allenthalben gleichwie wir, und zwar mit solcher Macht und Heftigkeit, wie Menschen sie niemals zu
erdulden haben werden. In seinem erfolgreichen Widerstand hat er uns ein leuchtendes Beispiel
hinterlassen, und wir sollen seinen Fußtapfen nachfolgen. Sind wir selbstvertrauend oder selbstgerecht,
so
450
werden wir unter der Macht der Versuchung fallen. Sehen wir auf Jesum und vertrauen ihm, dann
haben wir eine Macht zu unserer Hilfe, die den Feind auf dem Kampfplatze überwunden hat und bei
jeder Versuchung einen Weg zum Entfliehen öffnen wird. Wenn Satan gleich einer Flut hereinbricht, so
müssen wir seinen Versuchungen mit dem Schwert des Geistes entgegentreten, und Jesus wird unsere
Hilfe sein und für uns ihm gegenüber Stellung einnehmen. Der Vater der Lüge bebt und zittert, wenn
ihm die Wahrheit Gottes in ihrer verzehrenden Kraft ins Gesicht geschleudert wird.
Satan macht jegliche Anstrengung, um Menschen von Gott abwendig zu machen. Er ist erfolgreich,
wenn das religiöse Leben in geschäftlichen Sorgen untergeht, wenn ihre Gedanken so sehr von
Geschäftsangelegenheiten in Anspruch genommen werden, daß sie keine Zeit mehr finden, ihre Bibel
zu lesen, im Kämmerlein zu beten und die Lob- und Dankopfer morgens und abends auf dem Opferaltar
brennend zu erhalten. Wie wenige erkennen die Ränke des Erzbetrügers! Wie viele sind betreffs seiner
Anschläge in Unwissenheit! Wenn unsere Geschwister freiwillig den Versammlungen fernbleiben, wenn
man nicht an Gott denkt und ihn verehrt, wenn man ihn nicht zum Ratgeber und zur Burg der
Verteidigung erwählt, wie bald kommen dann weltliche Gedanken und Unglaube herein! Eitles
Selbstvertrauen und Weltweisheit nehmen die Stelle demütigen, vertrauenden Glaubens ein. Oftmals
werden Versuchungen für die Stimme des guten Hirten gehalten, weil die Menschen sich von Jesu
getrennt haben. Sie können keinen Augenblick sicher sein, wenn nicht richtige Grundsätze im Herzen
gepflegt werden, die jede geschäftliche Handlung leiten.
„So aber jemand unter euch Weisheit mangelt, der bitte Gott, der da gibt einfältig jedermann, und
rücket‘s niemand auf, so wird sie ihm gegeben werden.“ Jakobus 1,5. Eine solche Verheißung ist mehr
wert als Gold oder Silber. Sucht ihr mit demütigem Herzen in aller Mühsal und Ratlosigkeit die göttliche
Leitung, so verbürgt euch sein Wort, daß euch eine gnädige Antwort zuteil werden soll. Sein Wort kann
nicht täuschen. Himmel und Erde mögen vergehen, aber seine Worte vergehen nicht.
451
Vertraut auf den Herrn, und ihr werdet weder beschämt noch zu Schanden werden. „Es ist gut, auf den
Herrn vertrauen, und nicht sich verlassen auf Menschen. Es ist gut, auf den Herrn vertrauen und nicht
sich verlassen auf Fürsten.“ Psalm 118,8.9.
Welche Stellung wir auch im Leben einnehmen mögen, was unser Beruf auch sein mag, wir müssen
demütig genug sein einzusehen, daß wir Hilfe nötig haben. Wir müssen uns unbedingt auf die Lehren
des Wortes Gottes verlassen, Gottes Fürsorge in allen Dingen anerkennen und unsere Seelen treulich
im Gebet vor ihm ausschütten. Verlaßt ihr euch auf eurem Lebenswege auf euren eigenen Verstand,
liebe Geschwister, so werdet ihr Kummer und Enttäuschung ernten. Vertraut ihr aber von ganzem
Herzen auf den Herrn, so wird er eure Schritte in Weisheit leiten und eure Angelegenheiten für diese
und für die zukünftige Welt sicher führen. Ihr braucht Licht und Erkenntnis. Entweder ihr folgt dem Rat
Gottes oder dem eurer eigenen Herzen; entweder wandelt ihr im Schein eures eigenen Feuers oder
sammelt euch göttliches Licht von der Sonne der Gerechtigkeit.
Handelt nicht aus weltklugen Beweggründen. Die große Gefahr für unsere Geschäftsleute und für
Männer in verantwortlichen Stellungen liegt darin, daß sie sich von Christo abwenden lassen und Hilfe
außer ihm suchen. Petrus würde keine solche Schwachheit und Torheit bekundet haben, wenn er nicht
in eigener Klugheit gesucht hätte, den Schmähungen, dem Spott, der Verfolgung und Schande zu
entgehen. Seine höchsten Hoffnungen gipfelten in Christo; als er ihn aber erniedrigt sah, schlich sich
der Unglaube ein und wurde von ihm genährt. Er fiel in der Versuchung und verleugnete leichtfertig
seinen Herrn, anstatt ihm in einer Krise seine Treue zu beweisen.
Viele trennen sich von Gott und vernachlässigen Gewinnes halber ihre ewigen Interessen. Sie
verfolgen denselben Weg wie der Pläne machende Weltmensch, aber Gott ist nicht dabei, es beleidigt
ihn. Es entspricht wohl seinem Willen, daß sie Pläne entwerfen und ausführen, aber alle
Geschäftsangelegenheiten sollten in Übereinstimmung mit dem großen Sittengesetz Gottes stehen. Die
Grundsätze der Liebe zu Gott und unserem Nächsten müssen in allen Handlungen des täglichen
Lebens, sowohl
452
in den kleinsten als auch in den größten, ausgeführt werden. Es muß ein Geist herrschen, mehr zu tun,
als Kümmel, Dill und Minze zu verzehnten. Das Schwerste im Gesetz — Gericht, Barmherzigkeit und
Glaube — darf nicht vernachlässigt werden, denn der persönliche Charakter eines jeden, der mit dem
Werk verbunden ist, läßt seinen Eindruck zurück.
Es gibt Männer und Frauen, die um Christi willen alles verlassen haben. Ihre eigenen zeitlichen
Interessen, ihre Freuden der Geselligkeit, Familie und Freunde sind ihnen weniger wichtig als die
Interessen des Reiches Gottes. Ihre Häuser, Ländereien, Verwandte und Freunde, so wert sie ihnen
auch sind, nehmen nicht den ersten und das Werk Gottes den zweiten Platz bei ihnen ein. Alle, die so
handeln und ihr Leben der Verbreitung der Wahrheit widmen, um Gott viele Söhne und Töchter zu
bringen, haben die Verheißung, daß sie hundertfältig in diesem Leben empfangen werden und in der
zukünftigen Welt das ewige Leben. Wer von diesem Standpunkt aus ohne selbstsüchtige Beweggründe
arbeitet, wird Leib, Seele und Geist Gott weihen. Sie werden nicht das eigene Ich erheben, sich nicht für
tüchtig erachten, Verantwortlichkeiten auf sich zu nehmen, aber sie werden sich auch nicht weigern,
Lasten zu tragen, denn sie haben den Wunsch, alles zu tun, was sie können. Sie werden nicht ihre
eigene Bequemlichkeit in Betracht ziehen, sondern fragen: Was ist meine Pflicht?
Je verantwortlicher die Stellung ist, desto wichtiger ist es, daß ein guter Einfluß ausgeübt wird.
Jeder, den Gott zu einem besonderen Werk erwählt hat, wird eine Zielscheibe für Satan. Große und
schwere Versuchungen treten an ihn heran, denn unser wachsamer Feind weiß, daß seine
Handlungsweise einen bildenden Einfluß auf andere hat. Wir stehen mitten in den Gefahren der letzten
Tage, und Satan hat einen großen Zorn, weil er weiß, daß er wenig Zeit hat. Er wirkt mit allerlei
Verführung zur Ungerechtigkeit. Aber der Himmel steht jedem offen, der sein Vertrauen auf Gott setzt.
Die einzige Sicherheit für einen jeden von uns ist, sich an Jesum zu klammern und durch nichts die
Seele von dem mächtigen Helfer trennen zu lassen.
453
Solche, die nur einen Schein der Gottseligkeit haben und doch mit dem Werk in geschäftlichen
Beziehungen stehen, sind zu fürchten. Sie werden sicherlich ihrer Pflicht nicht treu bleiben. Sie werden
von den Verführungen Satans überwunden werden und das Werk Gottes gefährden. Es werden
Versuchungen kommen, das eigene Ich herrschen zu lassen. Ein überheblicher, kritisierender Geist
wird sich offenbaren, und in vielen Fällen wird das Mitleid und die Rücksicht für die, denen man mit
Liebe begegnen sollte, nicht vorhanden sein.
„Was der Mensch sät, das wird er ernten.“ Galater 6,7. Welchen Samen streuen wir aus? Was wird
unsere Ernte für Zeit und Ewigkeit sein? Der Herr hat jedem Menschen seine Arbeit je nach seiner
Fähigkeit angewiesen. Säen wir den Samen der Wahrheit und der Gerechtigkeit oder den des
Argwohns und der Liebe zur Welt? Wer bösen Samen ausstreut, mag die Natur seines Werkes
erkennen, bereuen und Vergebung erlangen; aber die Vergebung des Meisters verändert nicht die
Natur des gesäten Samens und macht aus Dornen und Disteln keinen köstlichen Weizen. Er selbst mag
selig werden als durchs Feuer, aber wenn die Zeit der Ernte kommt, wird nur giftiges Unkraut da sein,
wo Felder voll wogenden Getreides stehen sollten. Das, was in gottloser Unbesonnenheit gesät wurde,
wird sein Werk des Todes tun. Dieser Gedanke tut meinem Herzen weh und erfüllt mich mit Traurigkeit.
Wenn alle, die bekennen, der Wahrheit zu glauben, den köstlichen Samen der Freundlichkeit und Liebe,
des Glaubens und der Ermutigung säen würden, so würden sie auf ihrer Reise nach oben Gott in ihrem
Herzen singen, würden sich erfreuen an den hellen Strahlen der Sonne der Gerechtigkeit und am
großen Tag der Ernte einen ewigen Lohn empfangen.
Kapitel 49: Weltliche Gesinnung — ein Fallstrick
Lieber Bruder, liebe Schwester P, ich bin sehr traurig, wenn ich euren Fall in Betracht ziehe. Letzte
Nacht war mein Geist furchtbar bedrückt. Mir träumte, daß ich mit dir, Bruder P, sprach. Deine
Trennung von Gott war so offensichtlich, und du
454
warst so blind betreffs deines wahren Zustandes, daß es schien, als spräche man zu einem Blinden:
„sieh“, wenn man versuchte, dir deine wirkliche Stellung erkennbar zu machen.
Seit drei Uhr habe ich keinen Schlaf mehr gefunden und bat Gott um ein größeres Maß seines
Geistes. Ich frage mich immer wieder: „Wer ist hierzu tüchtig?“ Ich wage nicht zu schweigen, wenn Gott
mir Licht gegeben hat. Sprechen muß ich, aber es geschieht mit Zittern und in der Furcht, daß die
Botschaft verworfen wird und die angesprochenen Seelen in dichtere Finsternis gehüllt werden als
zuvor, ehe sie Licht empfingen. Ich muß mich ganz nah zu Jesu halten. Ich habe meine Hand in seine
gelegt mit dem ernsten Gebet: „Leite mich, führe mich, ich bin nicht weise genug, allein zu gehen.“
Jesus scheint mir sehr nahe zu sein. Ich bin tief davon beeindruckt, daß er jetzt ein besonderes Werk
für sein Volk tun wird, besonders für jene, die in Wort und Lehre dienen. Er ist bereit, euch beiden zu
helfen, wenn ihr Hilfe auf die von ihm gewählte Art und Weise annehmen wollt. Doch ist jedes Wort der
Ermutigung fehl am Platze, wenn ihr in eurem gegenwärtigen Zustand beharrt. Die Worte Christi an die
Pharisäer: „... ihr wollt nicht zu mir kommen, daß ihr das Leben haben möchtet“ (Johannes 5,40)
betreffen euch.
Wie sehr wünsche ich, daß wir euch helfen könnten! Aber was können wir tun, wenn ihr euch
weiterhin auf den weltlichen Bahnen bewegt, die ihr gewählt habt? Ihr liebt die Welt, und die Welt liebt
euch, weil es — was praktische Frömmigkeit betrifft — keine Trennung zwischen euch und
Weltmenschen gibt. In ihren Augen seid ihr angenehm, geschickt und gut; sie finden in euch beiden,
was ihnen gefällt. Sie haben euch gelobt und angenehme Dinge zu euch gesagt. So hatten sie Einfluß,
euch zu beruhigen und zu trösten, und ihr wiederum habt sie in ihrer sorglosen Gleichgültigkeit
gegenüber Gottes Ansprüchen beruhigt und getröstet. Ihr habt sie ermutigt in ihrem Stolz und ihrer
Vergnügungssucht; denn euer Verhalten hat dem Sünder zu verstehen gegeben: „Es steht wohl um
dich.“ Indem ihr euch mit Weltmenschen abgegeben habt, ist eure Urteilskraft verdorben, und Sünden,
die Gott verabscheut, erscheinen euch gering und harmlos.
455
Ich muß sehr befürchten, daß eure Selbstgerechtigkeit um eure Seelen Schranken errichtet, die
durch nichts niedergerissen werden können. Ihr steht Gott nicht näher, ihr tut nicht mehr seine Werke,
noch seid ihr mehr von seinem Geist beseelt als die bekenntlichen Christen in den Namenskirchen. Ihr
habt kein wirkliches Empfinden von der Heiligkeit des Sabbats. Gott hat eure Beobachtung seines
heiligen Tages nicht akzeptiert. Ihr kennt weder Hingabe noch aufrichtige Weihe. Keiner von euch
beiden hat Gott geehrt. Ihr kennt ihn nicht aus Erfahrung. Ihr seid so lange fern von ihm gewandelt, daß
er euch gänzlich entfremdet ist. Geistliche Dinge werden geistlich beurteilt, aber ihr habt so lange
weltlichen Geschmack und weltliche Gewohnheiten herangebildet, daß es nicht leicht für euch sein
wird, euren Gedanken eine andere Richtung zu geben.
Euer Gefühl wird sein: „Das ist eine harte Rede; wer kann sie hören?“ Johannes 6,60. Die Welt hat
kein Verständnis für Gottes Volk. Es besteht keine Übereinstimmung zwischen den Kindern des Lichts
und den Kindern der Finsternis. „Wie stimmt Christus mit Belial? Oder was für ein Teil hat der Gläubige
mit dem Ungläubigen? Was hat der Tempel Gottes für Gleichheit mit den Götzen? Ihr aber seid der
Tempel des lebendigen Gottes; wie denn Gott spricht: ‚Ich will unter ihnen wohnen und unter ihnen
wandeln und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein.‘ Darum gehet aus von ihnen und sondert
euch ab, spricht der Herr, und rühret kein Unreines an, so will ich euch annehmen und euer Vater sein,
und ihr sollt meine Söhne und Töchter sein, spricht der allmächtige Herr.“ 2.Korinther 6,15-18.
Johannes bezeugt: „Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder, und es ist noch nicht erschienen, was
wir sein werden. Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir ihm gleich sein werden; denn wir
werden ihn sehen, wie er ist. Und ein jeglicher, der solche Hoffnung hat zu ihm, der reinigt sich,
gleichwie er auch rein ist.“ 1.Johannes 3,2.3. Jakobus stellt die Frage: „Wisset ihr nicht, daß der Welt
Freundschaft Gottes Feindschaft ist? Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein.“
Jakobus 4,4.
456
Jesus sagte zu seinen Jüngern: „Liebet ihr mich, so haltet meine Gebote! Und ich will den Vater
bitten, und er soll euch einen andern Tröster geben, daß er bei euch bleibe ewiglich: den Geist der
Wahrheit, welchen die Welt nicht kann empfangen; denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr aber
kennet ihn; denn er bleibt bei euch und wird in euch sein. ... Wer meine Gebote hat und hält sie, der ist
es, der mich liebt. Wer mich aber liebt, der wird von meinem Vater geliebt werden, und ich werde ihn
lieben und mich ihm offenbaren. Spricht zu ihm Judas, nicht der Ischariot: Herr, was ist‘s, daß du dich
uns willst offenbaren und nicht der Welt? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wer mich liebt, der wird
mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei
ihm machen. Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht.“ Johannes 14,15-17.21-24.
Christi Worte finden keinen Widerhall in euren Herzen; denn ihr habt euer Sehvermögen verblendet
und eure Herzen verhärtet. In den Büchern des Himmels erscheint ihr als solche, die der Welt
angehören. Manchmal sind eure Herzen betrübt, aber es reicht nicht aus, euch zur Reue zu führen und
eure Handlungsweise zu ändern. Eure Zuneigung ist auf die Welt gerichtet. Ihre Gebräuche erscheinen
euch anziehender als Gehorsam gegenüber dem himmlischen Lehrer.
Das Beispiel, das ihr euren Kindern gebt, ist wirklich nicht in Übereinstimmung mit der Wahrheit, die
ihr zu lieben vorgebt. Die Wahrheit hat weder euch noch sie geheiligt. Ihr liebt selbstsüchtige Ergötzung.
Die Lektionen, die ihr sie durch Wort und Beispiel lehrt, haben in ihnen keine Demut, Sanftmut und
keine christlichen Neigungen geweckt. Ihr gestaltet sie nach dem Standard der Welt. Wenn Jesus die
Berichtsbücher vor euch öffnet, wo Tag für Tag eure Worte und Taten getreulich registriert wurden,
werdet ihr erkennen, daß euer beider Leben ein Fehlschlag war.
Was das Leid, das euch vor kurzem getroffen hat, für euch bewirkt haben könnte, kann ich nicht
sagen, aber wenn es die Kraft hatte, eure Augen zu öffnen und eure Seelen zu überzeugen, werdet ihr
dies gewiß durch euer Verhalten beweisen.
457
Ohne gründliche Umkehr werdet ihr niemals die Krone des ewigen Lebens erlangen. Eure Kinder
werden niemals zu jener Schar gehören, die ihre Kleider im Blute des Lammes gewaschen haben, ehe
sie nicht die Lektionen verlernt haben, die ihr sie gelehrt habt und die zum Bestandteil ihres Lebens und
Charakters geworden sind. Euer Beispiel hat sie veranlaßt zu denken, daß Religion ein Kleid ist, das
man tragen oder ablegen kann, wie es die Gelegenheit oder Bequemlichkeit erfordert. Erfahren die auf
sie ausgeübten Einflüsse keine entschiedene Veränderung, werden diese lockeren Ansichten bezüglich
der Ansprüche Gottes mit ihrem Wesen verwoben werden. Sie wissen nicht, was zu einem christlichen
Leben gehört. Sie haben nicht gelernt, was es heißt, die Wahrheit auszuleben und das Kreuz zu tragen.
„So euch die Welt haßt,“ sagt Christus, „so wisset, daß sie mich vor euch gehaßt hat.“ Johannes
15,18. Ihr hegt die Meinung, der Grund dafür, daß die Welt uns als Volk solchen Widerstand leistet,
bestehe darin, daß wir so ungesellig, so einfach in unserer Kleidung, so streng gegenüber
Vergnügungen sind, und daß wir uns sowohl in der Praxis als auch in der Lehre zu sehr von ihr
unterscheiden. Ihr denkt, wenn wir weniger abgeschlossen lebten und uns mehr unter die
Weltmenschen mischen würden, dann würden sie eine ganz andere Meinung und weit bessere
Eindrücke von uns haben. Aber kein größerer Irrtum könnte das menschliche Gemüt beeinflussen.
Christus hat gesagt: „Wäret ihr von der Welt, so hätte die Welt das Ihre lieb; weil ihr aber nicht von der
Welt seid, sondern ich habe euch von der Welt erwählt, darum haßt euch die Welt. Gedenket an mein
Wort, das ich euch gesagt habe: ‚Der Knecht ist nicht größer denn sein Herr.‘ Haben sie mich verfolgt,
sie werden euch auch verfolgen; haben sie mein Wort gehalten, so werden sie eures auch halten. Aber
das alles werden sie euch tun um meines Namens willen; denn sie kennen den nicht, der mich gesandt
hat.“ Johannes 15,19-21.
Dies sind Worte desjenigen, von dem selbst seine Feinde erklären mußten: „Es hat nie ein Mensch
also geredet wie dieser Mensch.“ Johannes 7,46. Die Worte von Menschen bringen ihre
458
eigenen menschlichen Gedanken zum Ausdruck, aber Christi Worte sind Geist und sind Leben. „So ihr
bleiben werdet an meiner Rede,“ sagte er, „so seid ihr meine rechten Jünger.“ Johannes 8,31. „Wer von
Gott ist, der hört Gottes Worte.“ Johannes 8,47. Diese göttlichen Worte finden jedoch im Herzen
dessen, der von der Welt ist und ihre Vergnügungen liebt, keinen Platz.
Gott hat uns spezielle Anweisungen gegeben, so daß niemand zu irren braucht. „Der Mensch lebt
nicht vom Brot allein,“ sagt er, „sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes geht.“
Matthäus 4,4. Die Wahrheit, durch Inspiration eingegeben, „ist nütze zur Lehre, zur Strafe, zur
Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit“. 2.Timotheus 3,16. Nicht durch ein Wort, nicht durch
viele Worte, sondern von einem jeglichen Wort, das Gott gesprochen hat, soll der Mensch leben. Ihr
könnt nicht ein Wort, einen einzigen ausdrücklichen Befehl, den er gegeben hat, mißachten — wie
geringfügig er euch scheinen mag — und dennoch sicher sein. „Wer nun eins von diesen kleinsten
Geboten auflöst und lehrt die Leute also, der wird der Kleinste heißen im Himmelreich; wer es aber tut
und lehrt, der wird groß heißen im Himmelreich.“ Matthäus 5,19. Wer vorsätzlich ein Gebot übertritt,
kann nicht eins im Geist und in der Wahrheit halten. Er kann nicht behaupten, daß er sie alle hält mit
Ausnahme des einen, worin er sich eine geringe Abweichung erlaubt. Wenn er wissentlich in einem
Punkt sündigt, ist er an allen schuldig.
Bruder und Schwester P, ihr habt euch zum Christentum bekannt, aber ihr habt einen Teil des
geforderten Preises zurückbehalten. Ihr habt Gott beraubt, was Gedanken, Hingabe, Talente und
Einfluß anbelangt. Eure Neigungen waren ein Fallstrick für euch. Ihr seid nicht dem Licht gefolgt, das
Gott euch gnädig durch die Zeugnisse gesandt hat. Ihr habt Dinge getan, die euch ohne Reue und
Reformation vom Himmel ausschließen werden. Hättet ihr den Tadel des Heiligen Geistes beachtet,
wäret ihr jetzt stark in Gott und in eurer christlichen Erfahrung weit fortgeschritten. Ein ganz anderer
Bericht stände in den Himmelsbüchern verzeichnet.
459
Christus sagt: „Wer mich verachtet und nimmt meine Worte nicht auf, der hat schon seinen Richter;
das Wort, welches ich geredet habe, das wird ihn richten am Jüngsten Tage.“ Johannes 12,48. Welche
Schande und welche Verwirrung wird denen an jenem Tag begegnen, die solch großes Licht und
solche Vorrechte hatten, in deren Reichweite die Erlösung war, erkauft durch das unendliche Opfer des
Sohnes Gottes, und die sich dennoch diese kostbaren Gaben nicht zunutze machten. Gott zeigt uns in
seinem Wort fortwährend den rechten Weg, den erhabenen und herrlichen Pfad der Gerechten. Die
Pilger auf diesem Pfad wandern nicht im Dunkeln, denn er ist erhellt von der Sonne der Gerechtigkeit.
Ihr aber habt diesen Pfad abgelehnt, weil er zu sehr von der Welt getrennt ist. Selbstliebe und
egoistischer Ehrgeiz können nicht durch die enge Pforte eingehen und den schmalen, aufwärts
führenden Pfad pilgern.
Am Tage der Endabrechnung wird sich zeigen, daß Gott einen jeden Namen kennt. Es gibt einen
unsichtbaren Zeugen für all unser Tun im Leben. „Ich weiß deine Werke“, sagt, „der da wandelt mitten
unter den sieben goldenen Leuchtern.“ Offenbarung 2,2.1. Es ist bekannt, welche guten Gelegenheiten
gering geachtet wurden und wie unermüdlich die Anstrengungen des Guten Hirten waren, die zu finden,
die auf krummen Wegen wanderten, um sie auf den sicheren Pfad des Friedens zurückzubringen.
Wieder und wieder hat Gott die Vergnügungssüchtigen gerufen. Immer wieder läßt er das Licht seines
Wortes über ihrem Pfad aufleuchten, damit sie die Gefahr erkennen und ihr entfliehen möchten. Aber
sie bleiben auf dem breiten Weg, scherzen und spaßen, bis schließlich ihre Gnadenzeit abgelaufen ist.
Gottes Wege sind gerecht und gerade, und wenn das Urteil über diejenigen gefällt wird, die zu leicht
erfunden wurden, dann wird jeder Mund verstummen.
Wie anders würdet ihr beide heute dastehen, hättet ihr Menschenlob und -ehre im rechten Licht
betrachtet! Ihr dürstet mehr nach dem Lob der Welt als nach dem Wasser des Lebens. Der Gedanke,
von Weltmenschen für wichtig gehalten zu werden, hat euch berauscht. Ihre Worte der Hochachtung
haben euch betrogen. Wenn ihr ewige Dinge richtig einschätzt, werden
460
die Freundschaft und die Achtung der Reichen und Gebildeten keinen Einfluß auf euch haben. Stolz,
worin er sich auch offenbaren mag, wird nicht länger in eurem Herzen wohnen. Aber ihr habt so lange
von dem trüben Strom der Weltlichkeit getrunken, daß ihr keine bessere Lebensweise wünscht.
Immer wieder hat Gott seine Hand ausgestreckt, um euch zu retten, indem er euch eure Pflichten
und Verantwortungen zeigte. Diese Pflichten ändern sich, sobald das Licht zunimmt. Wenn das Licht
scheint und unentdeckte Irrtümer aufdeckt und rügt, muß eine dementsprechende Veränderung im
Leben und Charakter stattfinden. Die Fehler, die eine natürliche Folge der Blindheit des Gemüts sind,
gelten, sobald darauf hingewiesen wurde, nicht länger als Sünden der Unwissenheit oder des
Fehlurteils. Findet keine entschiedene Reformation gemäß des gegebenen Lichtes statt, werden sie zu
anmaßenden Sünden. Die euch umgebende moralische Finsternis wird dichter. Eure Herzen werden
immer mehr verhärtet, und ihr werdet in Gottes Augen immer anstößiger werden. Ihr erkennt nicht die
große Gefahr, in der ihr euch befindet, nämlich die Gefahr, daß das Licht in eurem Fall gänzlich
erlöschen wird, und ihr in völlige Finsternis gehüllt sein werdet. Wenn das Licht angenommen und
befolgt wird, werdet ihr der Sünde absterben und für die Welt tot sein, aber lebendig für Gott. Ihr werdet
eure Götzen aufgeben, und euer Beispiel wird auf seiten der Selbstverleugnung sein, anstatt der
Befriedigung des eigenen Ichs.
Bruder und Schwester P, hättet ihr die Zeugnisse des Geistes Gottes beachtet, würdet ihr jetzt im
Licht und in Übereinstimmung mit dem Volke Gottes wandeln. Euer Unglaube hat euch vieles Guten
beraubt. Schwester P hat sich nicht gegen die Zeugnisse gestellt, sie hat aber weder Vertrauen in sie
gezeigt, daß sie vom Herrn der Welt kommen, noch hat sie ihnen gehorcht. Sie hat es gerne, wenn ihr
Mann von der Welt gelobt und geehrt wird. Es befriedigt ihren Stolz, der keineswegs gering ist. Es wäre
für euch angemessen zu fragen: „Warum zögere ich so sehr, aus der Welt auszugehen und Christus zu
erwählen? Warum sollte ich jene lieben und ehren, von denen ich weiß, daß sie weder Gott lieben noch
seine Ansprüche
461
respektieren? Warum möchte ich die Freundschaft der Feinde meines Herrn behalten? Warum sollte
ich ihren Sitten folgen oder von ihren Ansichten beeinflußt werden?“ Meine lieben Freunde, ihr könnt
nicht Gott und dem Mammon dienen. Ihr müßt eine rückhaltlose Übergabe vornehmen, andernfalls wird
in naher Zukunft das Licht, das auf euren Pfad scheint, in der Finsternis der Verzweiflung untergehen.
Ihr befindet euch auf Satans Grund und Boden. Ihr habt euch freiwillig dorthin begeben, und der Herr
wird euch nicht vor seinen Angriffen bewahren.
In eurem gegenwärtigen Stand richtet ihr weit mehr Schaden an, als ihr Gutes tut. Ihr habt den
Schein der Frömmigkeit und gebt vor, der Wahrheit zu glauben. Durch eure Worte und euer Verhalten
sagt ihr aber: „Weit ist die Pforte und breit ist der Weg,“ der zum Leben führt, „und ihrer sind viele, die
darauf wandeln.“ Wenn euer Leben ein Bekennen Christi darstellt, dann müßten wir sagen, daß die
Welt ihm nachfolgt. Euer Bekenntnis mag richtig sein, aber besitzt ihr Demut und Liebe, Sanftmut und
Hingabe? „Wer nun mich bekennet vor den Menschen“ durch ein heiliges Leben und göttliche
Gespräche, „den wird auch des Menschen Sohn bekennen vor den Engeln Gottes.“ Lukas 12,8.
Niemand kann Christus bekennen, er habe denn Christi Sinn und Geist. Er kann nicht mitteilen, was er
selbst nicht besitzt. Das tägliche Leben muß ein Ausdruck der heiligenden Macht der Wahrheit sein und
bezeugen, daß Christus durch den Glauben in der Seele wohnt. Was immer den Früchten des Geistes
und dem Werk Gottes, sein Volk von der Welt zu trennen, entgegenwirkt, ist eine Verleugnung Christi,
und er sagt: „Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, der wird verleugnet werden vor den Engeln
Gottes.“ Lukas 12,9.
Wir können Christum durch unsere weltlichen Gespräche und unseren Kleiderstolz verleugnen. Ihr
habt einen Freundeskreis, der euch und euren Kindern zum Fallstrick gereichen wird. Ihr liebt ihre
Gesellschaft. Durch eure Verbindung mit ihnen werdet ihr und eure Kinder verführt, den Moden derer zu
folgen, die keine Gottesfurcht haben. Damit zeigt ihr, daß ihr der Welt Freund seid. „Wo viel Worte sind,
da geht‘s ohne Sünde nicht ab.“ Sprüche 10,19. Veranlaßt euch der Umgang mit
462
diesen Freunden, ins Kämmerlein zu gehen und um göttliche Liebe und Gnade zu bitten, oder wendet
er eure Gedanken von Gott ab? Und was bewirkt die Vernachlässigung der ewigen Interessen eurer
lieben Kinder an ihnen? Euer Beispiel hat sie dazu ermutigt, die Reise ihres Lebens mit gedankenloser
Anmaßung oder blindem Selbstvertrauen anzutreten, ohne feste religiöse Grundsätze, die sie leiten. Sie
beobachten weder den Sabbat gewissenhaft noch respektieren sie Gottes Forderungen. Sie lieben die
christlichen Pflichten nicht und irren immer weiter von der Quelle des Lichtes, des Friedens und der
Freude ab.
Ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen, denn was „nicht aus dem Glauben geht, das ist
Sünde“. Römer 14,23. Der Glaube, der hier gefordert wird, besteht nicht in bloßer Zustimmung zu
Glaubenslehren. Es ist der Glaube, der durch die Liebe tätig ist und das Herz reinigt. Demut, Sanftmut
und Gehorsam sind kein Glaube, sondern Auswirkungen, Früchte des Glaubens. Diese christlichen
Tugenden müßt ihr in der Schule Christi noch erlangen. Die Wesensart und die Grundsätze des
Himmels sind euch unbekannt. Seine Sprache ist euch beiden fremd. Der Geist Gottes bittet noch für
euch. Aber ich habe ernste, schmerzliche Zweifel, ob ihr auf die Stimme achtet, die euch jahrelang
gemahnt hat. Ich hoffe, ihr tut es, auf daß ihr umkehrt und lebt.
Glaubt ihr, daß es ein zu schweres Opfer ist, wenn ihr euer armes, unwürdiges Ich Jesu schenkt?
Wollt ihr lieber die hoffnungslose Knechtschaft der Sünde und des Todes, statt euch von der Welt zu
trennen und mit Christo durch das Band der Liebe zu vereinen? Jesus lebt noch, um für uns
einzutreten. Das sollte die Dankbarkeit unserer Herzen täglich aufs neue wachrufen. Wem seine Schuld
und Hilflosigkeit klar ist, der kann kommen, wie er ist, und den Segen Gottes empfangen. Die
Verheißung gehört dem, der sie im Glauben ergreift. Wer aber in seinen eigenen Augen reich, ehrenhaft
und gerecht ist, wer mit den Augen der Welt sieht und Böses gut und Gutes böse nennt, kann nicht
bitten und empfangen, weil er kein Bedürfnis empfindet. Er hält sich für satt, deshalb muß er leer
ausgehen.
463
Wenn ihr wegen eurer Seelen in Unruhe geratet und Gott eifrig sucht, wird er sich von euch finden
lassen. Er nimmt indessen keine halbherzige Reue an. Sagt ihr euren Sünden ab, ist er stets bereit zu
vergeben. Wollt ihr euch ihm nicht gerade jetzt zu eigen geben? Wollt ihr den Blick auf Golgatha richten
und euch fragen: „Brachte Jesus dies Opfer für mich? Erduldete er Erniedrigung, Schmach und
Schande und litt er den grausamen Kreuzestod, weil er mich von den Leiden der Schuld und dem
Schrecken der Verzweiflung erretten und mich in seinem Reiche unsagbar glücklich machen will?“ Seht
auf ihn, den unsere Sünden durchbohrt haben, und faßt den Entschluß: „Dem Herrn soll der Dienst
meines Lebens gehören. Ich will mich nicht länger mit seinen Feinden verbinden. Ich will meinen Einfluß
nicht mehr den Empörern gegen seine Herrschaft leihen. Alles, was ich habe und bin, ist zu gering für
ihn, der mich so liebte, daß er sein Leben für mich gab — seine ganze Gottheit für einen irrenden
Sünder.“ Trennt euch von der Welt, stellt euch ganz auf die Seite des Herrn, dringt kämpfend bis an die
Stadttore vor, und ihr werdet herrliche Siege erringen.
Gesegnet ist, wer die Worte des ewigen Lebens bewahrt. Geleitet vom „Geist der Wahrheit“, wird er
in alle Wahrheit geführt werden. Die Welt liebt, ehrt und rühmt ihn zwar nicht, aber in den Augen des
Himmels ist er lieb und wert. „Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeigt, daß wir Gottes Kinder
sollen heißen! Darum kennt euch die Welt nicht; denn sie kennt ihn nicht.“ 1.Johannes 3,1.
Kapitel 50: Die Verantwortlichkeit des Arztes
„Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang.“ Psalm 111,10. Fachleute aller Berufe bedürfen
göttlicher Weisheit. Der Arzt aber, der es mit aller Art Menschen und Krankheiten zu tun hat, bedarf
ihrer ganz besonders. Seine Stellung ist noch verantwortungsreicher als die eines Predigers. Er ist zum
Mitarbeiter Christi berufen und braucht unerschütterliche religiöse Grundsätze und eine enge
Verbindung mit dem Gott der Weisheit.
464
Nimmt er Rat von Gott an, wird ihm der große Arzt in seinen Bemühungen beistehen, und er wird mit
der größten Behutsamkeit vorgehen, damit er kein Geschöpf Gottes durch falsche Behandlung
schädigt. Fest wie ein Fels wird er zu den Grundsätzen stehen und doch zu allen freundlich und höflich
sein. Er wird sich der Verantwortung seiner Stellung bewußt sein, und seine Praxis wird zeigen, daß er
von reinen, selbstlosen Beweggründen und dem Wunsch geleitet wird, in allen Dingen die Lehre Christi
zu verherrlichen. Solch ein Arzt besitzt einen himmlischen Rang und ist ein machtvolles Werkzeug zum
Guten auf Erden. Wird er auch von denen, die keine Verbindung mit Gott haben, nicht geachtet, würdigt
ihn doch der Himmel. In Gottes Augen ist er kostbarer als Gold aus Ophir.
Der Arzt sollte sich strikter Mäßigkeit befleißigen. Die Menschheit seufzt unter zahllosen
körperlichen Leiden, und er hat mit der Krankheit in ihren verschiedensten Erscheinungsformen zu tun.
Er weiß, daß viele der Leiden, die er zu lindern sucht, die Folge von Unmäßigkeit und anderen Formen
selbstsüchtiger Befriedigung sind. Er ist berufen, junge Männer, Männer in der Blüte des Lebens und
solche fortgeschrittenen Alters zu behandeln, die durch den Gebrauch von Tabak krank geworden sind.
Wenn er ein kluger Arzt ist, dann wird er von der Ursache auf die Wirkung schließen können. Benutzt er
aber selbst Tabak, so wird er zögern, den wunden Punkt anzurühren und den Patienten gewissenhaft
über die Ursache seiner Krankheit aufzuklären. Er wird versäumen, den jungen Menschen
nahezulegen, mit dieser Gewohnheit zu brechen, ehe sie zur Sucht geworden ist. Wenn er selbst von
diesem Kraut abhängig ist, wie kann er den unerfahrenen Jugendlichen die schädlichen Auswirkungen
auf sie persönlich und auf ihre Umgebung vor Augen führen?
Heute ist der Gebrauch von Tabak beinahe in der ganzen Welt üblich. Frauen und Kinder leiden,
weil sie die rauchgeschwängerte Luft einatmen müssen, die durch die Pfeife, die Zigarre oder den
schlechten Atem der Raucher verpestet ist. Wer in solcher Atmosphäre leben muß, ist immer kränklich,
und der rauchende Arzt verschreibt irgendeine Medizin, um Leiden
465
zu heilen, die am leichtesten verschwinden würden, wenn man dem Tabak entsagte.
Ärzte können ihre Pflichten nicht in Treue zu Gott oder ihren Mitmenschen erfüllen, während sie
einem Götzen in Form von Tabak huldigen. Wie widerlich ist den Kranken der Atem des Rauchers! Wie
schrecken sie davor zurück! Wie unverantwortlich handeln Männer, die ihr medizinisches Studium
abgeschlossen haben und den Anspruch erheben, befähigt zu sein, der leidenden Menschheit zu
dienen, während sie fortwährend einen Gifthauch ins Krankenzimmer ihrer Patienten mitnehmen. Und
doch benutzen viele Kautabak oder rauchen, bis das Blut verdorben und das Nervensystem zerrüttet
ist. Es ist besonders widerlich in Gottes Augen, wenn Ärzte, die viel Gutes tun könnten und sich zur
Wahrheit für diese Zeit bekennen, dieser ekelhaften Gewohnheit frönen. Die Worte des Apostels Paulus
sind auf sie anwendbar: „Dieweil wir nun solche Verheißungen haben, meine Liebsten, so lasset uns
von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes uns reinigen und fortfahren mit der Heiligung in der
Furcht Gottes.“ 2.Korinther 7,1. „Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes,
daß ihr eure Leiber begebet zum Opfer, das da lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei, welches sei
euer vernünftiger Gottesdienst.“ Römer 12,1.
Raucher können keine brauchbaren Arbeiter im Mäßigkeitswerk sein; denn wie stimmt ihr Verhalten
mit ihrem Mäßigkeitsbekenntnis überein? Wie können sie zu Menschen sprechen, die durch Alkohol
ihre Vernunft und ihr Leben zerstören, während ihre Taschen mit Tabak gefüllt sind und sie nur danach
gieren, wieder frei zu sein, damit sie rauchen, kauen und spucken können, wie es ihnen paßt? Wie
können sie mit gutem Gewissen vor Gesundheitsausschüssen und Mäßigkeitsversammlungen
moralische Reformen fordern, während sie selbst Sklaven des Tabaks sind? Wenn sie Kraft besitzen
wollen, das Volk dahin zu beeinflussen, daß es seine Liebe zu Rauschmitteln aufgibt, dann müssen sie
dies mit reinem Atem und unbefleckten Lippen tun
466
Vor allen anderen Menschen in der Welt müssen sich Ärzte und Geistliche strikter Mäßigkeit
befleißigen. Das Wohlergehen der Gesellschaft fordert völlige Enthaltsamkeit von ihnen, denn ihr
Einfluß spricht ständig für oder gegen moralische Reform und die Förderung der Gesellschaft. Es ist
ihrerseits eine vorsätzliche Sünde, wenn sie bezüglich der Gesundheitsgesetze unwissend oder
gleichgültig bleiben, weil man sie für weiser hält als andere Menschen. Dies betrifft besonders den Arzt,
weil ihm menschliches Leben anvertraut ist. Von ihm wird erwartet, daß er keine Gewohnheit hegt,
welche die Lebenskräfte schwächt.
Wie kann ein Prediger oder ein Arzt, der raucht, seine Kinder in der Furcht und Ermahnung des
Herrn erziehen? Wie kann er bei seinem Kind mißbilligen, was er sich selbst zu tun gestattet? Wenn er
das Werk verrichtet, das der Herrscher des Universums ihm auferlegt hat, wird er gegen Unrecht in
jeder Form und jeden Grades protestieren. Er wird seine Autorität und seinen Einfluß zugunsten der
Selbstverleugnung und striktem, unnachgiebigem Gehorsam gegenüber den gerechten Forderungen
Gottes ausüben. Es wird sein Ziel sein, seinen Kindern die günstigsten Verhältnisse zu schaffen, um
ihnen Glück in diesem Leben und ein Heim in der Stadt Gottes zu sichern. Wie könnte er dies tun, wenn
er der Eßlust frönt? Wie kann er die Füße anderer auf die Leiter des Fortschritts stellen, während er
selbst sich auf dem abwärts führenden Weg befindet?
Unser Heiland gab ein Beispiel in Selbstverleugnung. Im Gebet für seine Jünger sagte er: „Ich
heilige mich selbst für sie, auf daß auch sie geheiligt seien in der Wahrheit.“ Johannes 17,19. Wenn ein
Mann, der die schwere Verantwortung eines Arztes trägt, durch Übertretung der Naturgesetze gegen
sich selbst sündigt, wird er die Folgen seines Tuns ernten und sich mit diesem gerechten Urteil abfinden
müssen, wovon es kein Entrinnen gibt. Die Ursache bringt die Wirkung hervor. In vielen Fällen hat der
Arzt, der einen klaren, scharfen Verstand und ruhige Nerven haben sollte, damit er rasch entscheiden
und handeln kann, ein gestörtes Nervensystem und ein Gehirn, das durch Rauschmittel umwölkt ist.
Seine Fähigkeit, Gutes zu bewirken,
467
nimmt ab. Er wird andere auf den Pfad führen, den seine eigenen Füße gehen. Hunderte werden dem
Beispiel eines Arztes folgen, der der Unmäßigkeit frönt, weil sie sich sicher fühlen, wenn sie tun, was
der Doktor tut. Und am Tage Gottes wird er dem Bericht von seiner Verhaltensweise begegnen müssen
und zur Rechenschaft gezogen werden für all das Gute, das er hätte verrichten können, aber nicht tat,
weil er durch eigenes, freiwilliges Handeln seine körperlichen und geistigen Kräfte durch selbstsüchtige
Befriedigung schwächte.
Die Frage ist nicht: „Was tut die Welt?“ sondern „Was tun Fachleute, um dem weit verbreiteten und
vorherrschenden Fluch des Tabaks Einhalt zu gebieten?“ Werden Männer, denen Gott Verstand
verliehen hat und die heilige Vertrauensstellungen bekleiden, der Vernunft folgen? Werden diese
verantwortlichen Männer, die Personen unter ihrer Obhut haben, die durch ihren Einfluß in eine richtige
oder in eine verkehrte Richtung gelenkt werden, wahre Vorbilder sein? Werden sie durch Wort und
Beispiel Gehorsam gegenüber den Gesetzen lehren, die den Körper beherrschen? Wenn sie keine
praktische Anwendung von der Erkenntnis machen, die sie betreffs der Gesundheitsgesetze haben,
wenn sie augenblickliche Befriedigung einem gesunden Geist und Körper vorziehen — dann sind sie
nicht dazu geeignet, ihnen das Leben anderer anzuvertrauen. Es ist ihre Pflicht, in der Würde ihrer von
Gott verliehenen Männlichkeit dazustehen, frei von der Knechtschaft der Eßlust und jeder Leidenschaft.
Der Mann, der Kautabak benutzt oder raucht, schadet nicht nur sich selbst, sondern allen, die sich in
seinem Einflußbereich befinden. Muß ein Arzt hinzugezogen werden, dann sollte man nicht so einen
rufen, der ein Sklave des Tabaks ist. Er wird kein sicherer Ratgeber sein. Wurde die Krankheit durch
den Gebrauch von Tabak hervorgerufen, wird er versucht sein, einer anderen als der wahren Ursache
die Schuld zuzuschreiben. Wie könnte er sich selbst und seine tägliche Gewohnheit verdammen?
Es gibt mancherlei Möglichkeiten, die Heilkunst auszuüben, aber nur eine, die Gott gutheißt. Gottes
Heilmittel sind die schlichten Kräfte der Natur, die den Körper durch starke Wirkung
468
weder zu sehr anstrengen noch schwächen. Frische Luft und Wasser, Sauberkeit, angemessene Kost,
ein reines Leben und starkes Gottvertrauen sind Heilmittel, aber Tausende sterben, weil sie ihnen
fehlen. Diese Heilmittel kommen aus der Mode, weil ihre Anwendung Mühe verursacht, wovor sich die
Menschen scheuen. Frische Luft, Bewegung, reines Wasser und saubere, freundliche Räume sind mit
geringem Kostenaufwand allen erreichbar. Medikamente aber sind ebenso teuer für den Geldbeutel wie
in ihren Folgen für den Körper.
Die Arbeit des christlichen Arztes erschöpft sich nicht in der Heilung der körperlichen Krankheiten.
Seine Bemühungen sollten sich vielmehr auch auf die Leiden des Gemütes und die Rettung der Seele
erstrecken. Es mag nicht zu seinen Pflichten gehören, irgendwelche Lehren der Botschaft vorzuführen,
es sei denn, man bittet ihn darum. Aber er kann seine Patienten auf Christum hinweisen. Die Worte
dieses himmlischen Lehrers eignen sich stets dazu. Er sollte die Aufmerksamkeit der Unzufriedenen auf
die immer neuen Beweise der göttlichen Liebe und Fürsorge, auf Gottes Weisheit und Güte lenken, wie
sie sich in seinen Schöpfungswerken offenbaren. Dann kann das Gemüt von der Natur zum Gott der
Natur gewiesen werden und sich auf den Himmel richten, den Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.
Der Arzt sollte beten können. Oft muß er die Schmerzen vermehren, um das Leben zu retten. Ob
der Patient nun Christ ist oder nicht, er fühlt sich sicherer, wenn er weiß, daß sein Arzt gottesfürchtig ist.
Das Gebet wird den Kranken mit bleibendem Vertrauen erfüllen. Und wenn sein Zustand dem großen
Arzt in demütigem Vertrauen vorgelegt wird, hilft ihnen das mehr als alle Medikamente, die man
verabreichen kann.
Satan ist der Urheber aller Leiden, und der Arzt kämpft gegen Satans Tätigkeit und Macht. Vor allem
nehmen die Gemütskrankheiten immer mehr überhand. Neun Zehntel all der Gebrechen, an denen die
Menschen leiden, haben in ihnen ihren Grund. Vielleicht nagt irgendein geheimer Familienkummer am
Herzen und schwächt die Lebenskräfte. Gewissensbisse über eine Sünde untergraben manchmal die
Gesundheit und stören das seelische Gleichgewicht. Auch falsche Glaubenslehren wie
469
die vom ewig brennenden Höllenfeuer und der endlosen Qual der Gottlosen, die ein Zerrbild vom
Charakter Gottes geben, haben bei empfindsamen Gemütern die gleiche Wirkung. Ungläubige haben
diese bedauernswerten Fälle gut ausgenutzt, wenn sie den Wahnsinn der Religion zur Last legten. Aber
das ist eine grobe Verleumdung, die bald an sich selbst zu erfahren, ihnen nicht gefallen wird. Die
Religion Christi ist weit davon entfernt, die Ursache des Irrsinns zu sein. Sie ist im Gegenteil eins seiner
kräftigsten Heilmittel, denn sie wirkt wundersam beruhigend auf die Nerven.
Der Arzt braucht mehr als nur menschliche Weisheit und Kraft, damit er in den zahlreichen
verwickelten Krankheitsfällen an Herz und Gemüt, um deren Behandlung er gebeten ist, helfen kann.
Wenn er nichts von der Kraft der Gnade Gottes weiß, kann er keinem der Unglücklichen helfen,
sondern wird das Leiden womöglich noch verschlimmern. Hat er aber einen starken Halt an Gott, wird
es ihm gelingen, dem kranken, verwirrten Gemüt zu helfen. Er kann dann seine Patienten auf Christum
hinweisen und ihnen sagen, daß sie alle ihre Sorgen und Nöte dem großen Lastenträger bringen
dürfen.
Es besteht ein von Gott vorgesehener Zusammenhang zwischen Sünde und Krankheit. Kein Arzt
kann auch nur einen Monat lang praktizieren, ohne davon ein anschauliches Bild zu bekommen. Er mag
die Tatsache an sich ignorieren; seine Gedanken mögen so sehr mit anderen Dingen beschäftigt sein,
daß seine Aufmerksamkeit nicht darauf gelenkt wird. Aber will er es beobachten und ist er ehrlich, muß
er anerkennen, daß Sünde und Krankheit im Verhältnis von Ursache und Wirkung stehen. Der Arzt
sollte das beizeiten wahrnehmen und dementsprechend handeln. Hat er das Vertrauen der Betroffenen
gewonnen, indem er ihre Leiden heilte und sie vom Rande des Grabes rettete, kann er ihnen vor Augen
halten, daß Krankheit die Folge der Sünde ist und daß der gefallene Feind sie zu Gewohnheiten zu
verführen sucht, die Leib und Seele zerstören. Er wird ihnen die Notwendigkeit der Selbstverleugnung
und des Gehorsams gegen die Gesetze des Lebens und der Gesundheit nahelegen. Besonders den
jungen Leuten sollte er richtige Grundsätze einprägen. Gott
470
umgibt seine Geschöpfe mit zarter aber starker Liebe. Er schuf die Naturgesetze, aber diese Gesetze
sind keine Willkürhandlungen. Jedes „Du sollst nicht“ im Natur- oder im Sittengesetz enthält eine
Verheißung. Wenn wir ihm gehorchen, wird unser Gang gesegnet sein. Sind wir ungehorsam, so bringt
das Gefahr und Unglück mit sich. Gottes Gesetze sollen sein Volk ihm näherbringen, denn er will es ja
vor dem Bösen bewahren und zum Guten führen, sofern es willig ist; aber niemals wird er Zwang
anwenden. Wir können Gottes Pläne nicht immer erkennen, müssen aber unseren Glauben durch
unsere Werke beweisen.
Im Gegensatz zu den Ärzten, die ungläubig oder offene Atheisten sind, gibt es nur wenig Ärzte, die
Gott lieben und fürchten. Diese soll man den ersten vorziehen. Es ist angebracht, dem gottlosen Arzt zu
mißtrauen. Eine Tür der Versuchung steht ihm offen. Ein verschlagener Feind wird niedrige Gedanken
und Handlungen anregen, und nur die Macht göttlicher Gnade kann stürmische Leidenschaft in
Schranken halten und gegen Sünde wappnen. Für solche, die moralisch verdorben sind, gibt es immer
Gelegenheit, reine Herzen zu verderben. Wie aber wird der zügellose Arzt am Tage Gottes erscheinen?
Während er vorgab, für die Kranken zu sorgen, verriet er heilig Anvertrautes. Er hat Seelen und Körper
der Geschöpfe Gottes herabgewürdigt und ihre Füße auf den Weg gelenkt, der ins Verderben führt. Wie
schrecklich, unsere Lieben den Händen eines unreinen Mannes anzuvertrauen, der die Moral vergiften
und die Seele zu ruinieren vermag! Wie fehl am Platze ist der gottlose Arzt am Sterbebett!
Der Arzt sieht sich beinahe täglich dem Tode gegenüber. Er setzt den Fuß sozusagen an den Rand
des Grabes. In vielen Fällen hat die Vertrautheit mit Leiden und Tod Sorglosigkeit und Gleichgültigkeit
gegen menschliches Weh und Rücksichtslosigkeit in der Behandlung der Kranken zur Folge. Solche
Ärzte scheinen keinerlei zartes Mitgefühl zu haben. Sie sind barsch und schroff, und der Kranke fürchtet
ihr Kommen. Solche Menschen können dem Leidenden nur wenig Gutes tun, wie groß ihre Kenntnisse
und ihr Geschick auch sein mögen. Wenn aber die Liebe und das Mitgefühl, wie Jesus sie im Umgang
mit
471
den Kranken offenbarte, sich mit der Geschicklichkeit des Arztes verbinden, dann kann seine
Anwesenheit zum Segen werden. Er wird seinen Patienten nicht als ein bloßes Stück menschlichen
Mechanismus betrachten, sondern als eine Seele, die gerettet werden oder verlorengehen kann.
Die Pflichten des Arztes sind schwierig. Nur wenige machen sich klar, welcher geistigen und
körperlichen Anstrengung er ausgesetzt ist. Alle Kräfte und Fähigkeiten muß er im Kampf gegen
Krankheit und Tod einsetzen. Er weiß, daß oft nur eine ungeschickte Handbewegung, manchmal nur
um Haaresbreite nach der verkehrten Richtung, einem unvorbereiteten Menschen den Tod bringen
kann. Wie sehr braucht der gewissenhafte Arzt die Anteilnahme und die Gebete des Volkes Gottes!
Seine Ansprüche diesbezüglich sind nicht geringer als die des frömmsten Predigers und Missionars. Oft
fehlt es ihm am notwendigen Schlaf und der erforderlichen Ruhe, und selbst die geistlichen Segnungen
am Sabbat muß er des öfteren entbehren. Deshalb braucht er ein täglich neues, doppeltes Maß der
Gnade, oder er verliert seinen Halt an Gott und erliegt der Gefahr, tiefer in geistliche Finsternis zu
versinken als Menschen anderer Berufe. Und doch muß er oft unberechtigte Vorwürfe hinnehmen, steht
als Zielscheibe der grimmigsten Anfechtungen Satans allein und fühlt sich überdies von seinen
Freunden mißverstanden und verraten.
Viele wissen, wie anstrengend die Pflichten eines Arztes und wie gering die Möglichkeiten der
Erholung selbst am Sabbat sind. Darum erwählen sie diesen Beruf nicht zu ihrer Lebensaufgabe. Aber
der starke Feind versucht fortgesetzt, die Werke Gottes zu zerstören. Deshalb werden begabte und
gebildete Menschen zum Kampf gegen seine grausame Macht aufgerufen. Wir brauchen noch mehr
rechtschaffene Menschen, die sich diesem Beruf weihen. In unverdrossenen Bemühungen sollte man
versuchen, geeignete Menschen für die Ausbildung zu diesem Beruf zu gewinnen. Es sollten Menschen
sein, deren Charaktere auf die klaren Grundsätze des Wortes Gottes gegründet sind, Menschen mit
natürlicher Kraft und Ausdauer, die sie zu hervorragender Tüchtigkeit befähigen. Nicht jeder kann
472
ein erfolgreicher Arzt werden. Viele haben die Pflichten dieses Berufes in jeder Beziehung unvorbereitet
auf sich genommen. Sie besitzen weder das erforderliche Wissen oder das notwendige Geschick und
Feingefühl noch die Sorgfalt und Klugheit, die den Erfolg verbürgen.
Ein Arzt kann viel mehr leisten, wenn er auch über körperliche Kraft verfügt. Ist er hingegen
schwächlich, wird er die aufreibende Mühsal seines Berufes nicht aushalten. Ein kränklicher Mann, ein
Magenkranker oder ein Unbeherrschter, eignet sich nicht, die verschiedensten Arten von Krankheiten
zu behandeln. Man sollte darum sehr darauf achten, niemanden zum Studium der Medizin zu
ermutigen, wenn er in geringerer Verantwortung bessere Dienste leisten könnte und kein tüchtiger Arzt
zu werden verspricht, da das Medizinstudium mit großem Aufwand an Zeit und Geld verbunden ist.
Schon mancher versprach, ein leistungsfähiger Arzt zu werden, und wurde ermutigt, das
Medizinstudium aufzunehmen. Aber einige von ihnen, die dieses Studium als Christen begannen,
räumten Gottes Gesetz nicht den ersten Platz ein. Sie opferten ihre Grundsätze und verloren ihren Halt
an Gott. Sie empfanden deutlich, daß sie das vierte Gebot nicht ohne göttliche Hilfe halten und auch
dem Spott und Hohn der Ehrgeizigen und Weltlichen, der Oberflächlichen, der Zweifler und
Ungläubigen nicht standhalten könnten. Auf diese Art der Verfolgung waren sie nicht vorbereitet. Der
Ehrgeiz trieb sie, in der Welt vorwärtszukommen. Da strauchelten sie auf den dunklen Bergen des
Unglaubens und wurden vertrauensunwürdig. Versuchungen aller Art taten sich vor ihnen auf, und nun
fehlte ihnen die Kraft zu einem energischen Widerstand. Einige von ihnen wurden unredliche, gewitzte
Ränkeschmiede und fielen in schwere Sünden.
In dieser Zeit ist jeder gefährdet, der Medizin studiert. Oft sind die Lehrer weltkluge Leute und die
Mitstudenten Ungläubige, in deren Gedankenwelt Gott keinen Platz hat. So steht er in Gefahr, durch
diesen ungläubigen Umgang beeinflußt zu werden. Trotzdem haben manche das Medizinstudium
beendet und sind den Grundsätzen treu geblieben. Sie unterbrachen ihr Studium am Sabbat und
bewiesen, daß man gleichzeitig eine
473
ärztliche Ausbildung erhalten kann und die Erwartungen derer nicht zu enttäuschen braucht, die die
Mittel für die Ausbildung stellten. Wie Daniel ehrten sie Gott, und er hat sie bewahrt. Daniel setzte sich
in seinem Herzen vor, die Gewohnheiten des Königshofes nicht anzunehmen. Er wollte weder vom
Fleisch der Königstafel essen noch den Wein trinken. Er suchte bei Gott Kraft und Gnade, und Gott gab
ihm Weisheit, Geschicklichkeit und Erkenntnis in weit höherem Maße, als die Sterndeuter, Wahrsager
und Zauberer des Königreiches sie besaßen. An ihm bewahrheitete sich die Verheißung: „Wer mich
ehret, den will ich auch ehren.“ 1.Samuel 2,30.
Der junge Arzt hat Zugang zu dem Gott Daniels. Dank der göttlichen Gnade und Kraft kann er in
seinem Beruf ebenso leistungsfähig werden wie Daniel in seiner hohen Stellung. Aber es ist ein Fehler,
der wissenschaftlichen Ausbildung eine alles überragende Bedeutung beizumessen, während religiöse
Grundsätze als Grundlage einer erfolgreichen Praxis vernachlässigt werden. Viele, die als geschickte
Vertreter ihres Berufes gelobt werden, spotten darüber, daß sie sich auf Jesum um Weisheit in ihrer
Arbeit verlassen sollen. Wieviel Bedeutenderes könnten diese Männer mit ihrem Wissen leisten, wenn
sie vom Licht des Himmels erleuchtet wären! Wieviel größer wäre ihre Kraft! Mit wieviel stärkerem
Vertrauen könnten sie schwierige Fälle behandeln! Wer eng mit dem großen Arzt für Leib und Seele
verbunden ist, hat die Kraftquellen des Himmels und der Erde zu seiner Verfügung und kann mit einer
Weisheit und unfehlbaren Genauigkeit arbeiten, die Gottlose niemals besitzen.
Diejenigen, denen die Sorge für die Kranken anvertraut ist — seien es Ärzte oder Pflegepersonal —
müssen daran denken, daß ihre Arbeit der Prüfung des durchbohrenden Blickes Jehovas standhalten
muß. Es gibt kein wichtigeres Missionsfeld als das des treuen, gottesfürchtigen Arztes. Es gibt kein
Feld, wo ein Mann mehr Gutes bewirken oder mehr Edelsteine für seine Krone gewinnen kann, als
gerade dieses. Er kann Christi Gnade gleich süßem Wohlgeruch in alle Krankenzimmer mitnehmen, die
er betritt. Er kann der sündenkranken Seele den wahren heilenden Balsam vermitteln. Er kann die
Kranken und Sterbenden
474
auf das Lamm Gottes hinweisen, das der Welt Sünde trägt. Er soll nicht auf die Anregung hören, es sei
gefährlich, mit denen, deren Leben in Gefahr ist, über ihre ewigen Interessen zu sprechen, da ihr
Zustand sich sonst verschlimmern werde. In neun von zehn Fällen würde die Erkenntnis, daß es einen
Heiland gibt, der Sünden vergibt, sie im Gegenteil an Geist und Leib genesen lassen. Jesus kann
Satans Macht einschränken. Er ist der Arzt, auf den die sündenkranken Seelen vertrauen, der sowohl
die Krankheiten des Leibes als auch der Seele heilen kann.
Der Oberflächliche und Übelgesinnte im Arztberuf wird versuchen, Mißtrauen gegen den Mann zu
erwecken, der treu seine Pflicht als Arzt erfüllt. Er wird ihm Hindernisse in den Weg legen. Doch werden
diese Prüfungen nur das pure Gold des Charakters zum Vorschein bringen. Christus wird vor dem Streit
der Zungen seine Zuflucht sein. Obgleich sein Leben schwer und selbstverleugnend und er in den
Augen der Welt ein Versager sein mag, ist sein Leben aus der Sicht des Himmels ein Erfolg, und er
wird als ein Adliger geachtet sein. „Die Weisen aber werden leuchten wie des Himmels Glanz, und die,
so viele zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne immer und ewiglich.“ Daniel 12,3 (KJV).
Kapitel 51: Die kommende Krise
„Und der Drache ward zornig über das Weib und ging hin zu streiten mit den übrigen von ihrem
Samen, die da Gottes Gebote halten und haben das Zeugnis Jesu Christi.“ Offenbarung 12,17. Wir
werden in der nahen Zukunft diese Worte erfüllt sehen, wenn die protestantischen Kirchen sich mit der
Welt und mit der päpstlichen Macht gegen diejenigen verbinden, die Gottes Gebote halten. Derselbe
Geist, der in vergangenen Zeiten die Anhänger des Papstes beseelte, wird auch die Protestanten
verleiten, in gleicher Weise gegen die vorzugehen, welche Gott treu bleiben wollen.
Kirche und Staat treffen jetzt Vorbereitungen für den zukünftigen Kampf. Die Protestanten arbeiten
unter dem Vorwand,
475
den Sonntag in den Vordergrund zu bringen, wie die Römischen ehemals taten. Durch das ganze Land
[bezieht sich auf die Vereinigten Staaten] errichtet das Papsttum seine hohen, massiven Gebäude, um
in deren geheimen Tiefen seine früheren Verfolgungen zu wiederholen. In großem Maßstab wird der
Weg für die Offenbarung lügenhafter Wunder vorbereitet, durch welche Satan, so es möglich wäre,
selbst die Auserwählten verführen würde.
Der Erlaß gegen Gottes Volk wird demjenigen sehr ähnlich sein, welchen Ahasveros zur Zeit
Esthers gegen die Juden ergehen ließ. Das persische Edikt entsprang der Bosheit Hamans gegen
Mardochai. Nicht, daß Mardochai ihm etwas zuleide getan hätte, aber er hatte sich geweigert, ihm die
Ehrerbietung zu erzeigen, die allein Gott zukommt. Der Schiedsspruch des Königs gegen die Juden
wurde durch falsche Aussagen und verkehrte Darstellung dieses eigentümlichen Volkes veranlaßt.
Satan stiftete den Plan an, um die von der Erde zu vertilgen, welche die Erkenntnis des wahren Gottes
bewahrten. Aber seine Anschläge wurden durch eine entgegengesetzte Macht, die unter den
Menschenkindern herrscht, vereitelt. Mächtige Engel wurden beauftragt, das Volk Gottes zu
beschützen, und die Anschläge ihrer Widersacher fielen auf deren eigenes Haupt. Die protestantische
Welt sieht heute in der kleinen Schar, die den Sabbat hält, einen Mardochai im Tor. Ihr Charakter und
Betragen, welche Ehrfurcht gegen das Gesetz Gottes ausdrücken, sind denen, welche die Furcht des
Herrn verlassen haben und seinen Sabbat mit Füßen treten, ein beständiger Vorwurf. Diese
unwillkommenen Störenfriede müssen durch irgendein Mittel aus dem Wege geräumt werden.
Derselbe gewalttätige Geist, der in vergangenen Zeiten gegen die Treuen Ränke schmiedete, sucht
auch jetzt noch die Erde von denjenigen zu befreien, die Gott fürchten und sein Gesetz halten. Satan
wird Unwillen gegen die geringe Minderheit erregen, die sich gewissenhaft weigert, volkstümliche
Gewohnheiten und Überlieferungen anzunehmen. Menschen von Rang und Ansehen werden sich den
Gesetzlosen und Nichtswürdigen anschließen, um gegen Gottes Volk zu beratschlagen. Reichtum,
476
Geist und Bildung werden sich vereinen, um Schmach auf sie zu häufen. Verfolgungssüchtige
Herrscher, Prediger und Kirchenglieder werden sich gegen sie verschwören. Durch Wort und Schrift,
durch Drohung, Hohn und Spott werden sie versuchen, ihren Glauben zu Fall zu bringen. Durch
Entstellungen und von Zorn entzündete Aufrufe werden sie die Leidenschaften des Volkes erregen. Da
sie kein „so sagt die Schrift“ gegen die Verteidiger des biblischen Sabbats vorbringen können, so
werden sie zu Gewalttaten greifen, um den Mangel zu ersetzen. Um sich beliebt zu machen und sich
Gönner zu verschaffen, werden die Gesetzgeber dem Verlangen nach Sonntagsgesetzen nachgeben.
Die Gottesfürchtigen aber können keine Einrichtung annehmen, die eins der zehn Gebote verletzt. Auf
diesem Schlachtfeld wird der letzte große Streit in dem Kampf zwischen Wahrheit und Irrtum
ausgefochten werden; und wir sind über den Ausgang nicht im Zweifel gelassen. Der Herr wird, wie in
den Tagen Mardochais, seine Wahrheit und sein Volk verteidigen.
Durch die Verordnung, welche die Einrichtung des Papsttums im Gegensatz zu Gottes Gesetz
erzwingen will, wird sich die amerikanische Nation völlig von der Gerechtigkeit lossagen. Wenn der
Protestantismus seine Hand über die Kluft ausstreckt, um die Hand der römischen Macht zu erfassen,
wenn er über den Abgrund hinüberreicht, um mit dem Spiritismus Hand in Hand zu gehen, wenn unter
dem Einfluß dieser dreifachen Vereinigung Amerika jeden Grundsatz seiner Verfassung als
protestantische und republikanische Regierung verwirft und Vorkehrungen zur Ausbreitung päpstlicher
Irrtümer und Täuschungen trifft, dann können wir wissen, daß die Zeit für das erstaunliche Wirken
Satans gekommen und das Ende nahe ist.
Wie das Herannahen des römischen Heeres für die Jünger ein Zeichen von der bevorstehenden
Zerstörung Jerusalems war, so mag dieser Abfall für uns ein Zeichen sein, daß die Grenze der Geduld
Gottes erreicht, daß das Maß der Ungerechtigkeit der amerikanischen Nation voll ist und daß der Engel
der Gnade im Begriff steht wegzufliegen, um nie mehr zurückzukehren. Gottes Volk wird dann in solche
Szenen der Angst und Trübsal gestürzt werden, welche die Propheten als die Zeit
477
der Angst Jakobs beschrieben haben. Das Schreien der verfolgten Gläubigen steigt zum Himmel auf.
Und wie Abels Blut von der Erde rief, so rufen auch Stimmen aus den Gräbern der Märtyrer, aus den
Tiefen des Meeres, aus den Höhlen der Berge, aus den Gewölben der Klöster: „Herr, du Heiliger und
Wahrhaftiger, wie lange richtest du nicht und rächest unser Blut an denen, die auf Erden wohnen?“
Offenbarung 6,10.
Der Herr vollzieht sein Werk. Der ganze Himmel ist in Bewegung. Der Richter der ganzen Erde wird
sich bald erheben, um für seine beleidigte Autorität einzustehen. Das Siegel der Befreiung wird denen
aufgedrückt werden, die Gottes Gebote halten, die sein Gesetz ehren und sich weigern, das Malzeichen
des Tieres oder seines Bildes anzunehmen.
Gott hat offenbart, was in den letzten Tagen stattfinden wird, damit sein Volk vorbereitet sein möge,
im Sturme des Widerstands und Zorns festzustehen. Wenn seine Kinder vor den ihnen bevorstehenden
Ereignissen gewarnt worden sind, so sollen sie nicht in ruhiger Erwartung des kommenden Sturmes
harren und sich damit trösten, daß der Herr seine Treuen in den Tagen der Trübsal beschützen wird.
Wir sollen sein wie Menschen, die auf ihren Herrn harren, nicht in träger Erwartung, sondern in ernster
Arbeit mit unerschütterlichem Glauben. Es ist jetzt keine Zeit, unsere Gedanken mit Dingen von
geringer Wichtigkeit zu beschäftigen. Während die Menschen schlafen, ist Satan tätig, die Dinge so zu
wenden, daß Gottes Volk weder Gnade noch Gerechtigkeit widerfahren werde. Die Sonntagsbewegung
bahnt sich jetzt ihren Weg im Finstern. Die Führer verheimlichen das wahre Ziel und viele, die an der
Bewegung teilnehmen, sehen nicht, wohin die Strömung treibt. Ihr Bekenntnis ist milde und scheinbar
christlich, aber ihre Rede wird den Geist des Drachen offenbaren. Es ist unsere Pflicht, alles zu tun, was
in unserer Macht steht, um die drohende Gefahr abzuwenden. Wir sollten danach streben, die
Vorurteile zu entkräften, indem wir uns vor den Leuten in das rechte Licht stellen. Wir sollten ihnen die
wahre Frage klarmachen, um die sich der Streit dreht, und auf diese Weise den wirksamsten Protest
gegen Maßregeln erheben, welche die Gewissensfreiheit beschränken. Wir sollten die
478
Schrift erforschen und imstande sein, den Grund für unseren Glauben anzugeben. Der Prophet sagt:
„Die Gottlosen werden gottlos Wesen führen, und die Gottlosen alle werden‘s nicht achten; aber die
Verständigen werden‘s achten.“ Daniel 12,10.
Wer durch Christum Zutritt zu Gott hat, hat ein wichtiges Werk vor sich. Nun ist die Zeit, den Arm
unserer Stärke zu ergreifen. Das Gebet Davids sollte das Gebet der Prediger und Laien sein: „Es ist
Zeit, daß der Herr dazu tue; sie haben dein Gesetz zerrissen.“ Psalm 119,126. „Laßt die Priester, des
Herrn Diener, weinen zwischen Halle und Altar und sagen: Herr, schone deines Volkes, und laß dein
Erbteil nicht zu Schanden werden.“ Joel 2,17. Gott ist immer für sein Volk in seiner größten Not
eingetreten, wenn nur die geringste Hoffnung vorhanden zu sein schien, das Verderben abzuwenden.
Die Anschläge gottloser Menschen, der Feinde seiner Gemeinde, sind seiner Macht und der alles
beherrschenden Vorsehung unterworfen. Er kann auf die Herzen von Staatsmännern einwirken. Der
Zorn der Ungestümen und Unzufriedenen, der Feinde Gottes, seiner Wahrheit und seines Volkes, kann
gewendet werden, wie auch die Wasserströme gelenkt werden, wenn er es befiehlt. Das Gebet bewegt
den Arm des Allmächtigen. Er, der die Sterne des Himmels in ihrer Bahn erhält, dessen Wort die
Wogen der großen Tiefe beherrscht, der unendliche Schöpfer, wird für sein Volk wirken, wenn es ihn im
Glauben anruft. Er wird die Mächte der Finsternis zurückhalten, bis der Welt die Warnung gegeben ist
und alle, die sie annehmen, für den Kampf vorbereitet sind.
„Der Grimm des Menschen preiset dich,“ sagt der Psalmist; „gegen den Rest des Grimms gürtest du
dich.“ Psalm 76,11 (EB). Gott will, daß die prüfende Wahrheit in den Vordergrund gestellt und ein
Gegenstand der Untersuchung und Diskussion werde, selbst wenn es durch die ihr zuteil werdende
Verachtung geschieht. Die Gemüter der Menschen müssen beunruhigt werden. Jede Streitfrage, jeder
Vorwurf und jede Verleumdung wird Gott als Mittel benutzen, zum Forschen anzuspornen und Gemüter
zu erwecken, die sonst schlummern würden.
479
So war es ehedem in der Geschichte des Volkes Gottes. Die drei Hebräer wurden in den feurigen
Ofen geworfen, weil sie sich weigerten, das goldene Bild anzubeten, welches Nebukadnezar hatte
aufrichten lassen. Gott aber bewahrte seine Knechte inmitten der Flammen, und der Versuch, den
Götzendienst zu erzwingen, brachte die Erkenntnis des wahren Gottes vor die versammelten Fürsten
und Großen des gewaltigen Königreiches Babylon.
So war es auch, als das Gebot ausging, daß niemand etwas bitten dürfe, es sei denn von dem
König. Als Daniel, seiner Gewohnheit gemäß, dreimal täglich seine Gebete dem Gott des Himmels
darbrachte, wurde die Aufmerksamkeit der Fürsten und Herrscher auf seinen Fall gelenkt, und er hatte
Gelegenheit, für sich selbst zu reden und zu zeigen, wer der wahre Gott sei. Er konnte den Grund
vorführen, warum Gott allein Anbetung empfangen sollte, und konnte die Pflicht zeigen, ihm Preis und
Ehre darzubringen. Die Befreiung Daniels aus der Löwengrube war ein anderer Beweis, daß das
Wesen, dem seine Anbetung galt, der wahre und lebendige Gott war.
So brachte auch die Einkerkerung Pauli das Evangelium vor Könige, Fürsten und Herrscher, die
sonst dies Licht nicht erhalten hätten. Alle Anstrengungen, den Fortschritt der Wahrheit zu
unterdrücken, werden nur dazu dienen, sie auszubreiten. Die Vorzüglichkeit der Wahrheit wird mit
jedem weiteren Punkt, von dem aus sie betrachtet wird, deutlicher erkenntlich. Der Irrtum erfordert
Verstellung und Verheimlichung. Er kleidet sich in ein Engelsgewand, doch jede Offenbarung seines
wahren Charakters vermindert seine Aussicht auf Erfolg.
Das Volk, welches Gott zum Verwahrer seines Gesetzes gemacht hat, soll sein Licht nicht
verbergen. Die Wahrheit muß an den dunklen Orten der Erde verkündigt, Hindernisse müssen bekämpft
und überwunden werden. Ein großes Werk muß geschehen, und es ist denen anvertraut, welche die
Wahrheit kennen. Sie sollten flehende Bitten um Hilfe zu Gott emporsenden. Die Liebe Christi muß ihre
Herzen durchdringen. Der Geist Christi muß über sie ausgegossen werden, und sie müssen sich bereit
machen, im Gericht bestehen zu können. Während sie
480
sich Gott weihen, wird eine überzeugende Macht ihre Anstrengungen, anderen die Wahrheit
vorzuführen, begleiten, und ihr Licht wird in viele Herzen Eingang finden. Wir dürfen nicht länger auf
Satans verzaubertem Boden schlafen, sondern müssen all unsere Kräfte aufraffen und jeden Vorteil
ausnutzen, womit uns die Vorsehung ausgestattet hat. Die letzte Warnung soll vor „vielen Völkern und
Nationen und Sprachen und Königen“ verkündigt werden, und es ist uns die Verheißung gegeben:
„Siehe ich bin bei euch bis an der Welt Ende!“
Kapitel 52: Die Gemeinde das Licht der Welt
Der Herr berief sein Volk Israel und sonderte es von der Welt ab, um ihm ein heiliges Vermächtnis
anzuvertrauen. Er machte sie zu Bewahrern seines Gesetzes, und es war seine Absicht, durch sie die
Erkenntnis Gottes unter den Menschen zu erhalten. Durch die Israeliten sollte das Licht des Himmels in
die dunklen Gebiete der Erde hinausstrahlen; ihre Stimme sollte alle Völker aufrufen, dem Götzendienst
zu entsagen und dem lebendigen und wahren Gott zu dienen. Wären sie diesem Vermächtnis treu
geblieben, dann hätten sie in der Welt eine Macht dargestellt. Gott wäre ihr Schutz gewesen. Er hätte
sie über alle anderen Völker erhöht. Sein Licht und seine Wahrheit wären durch sie offenbart worden,
und er hätte sie unter seiner weisen und heiligen Herrschaft erhalten als ein Beispiel für die
Überlegenheit seiner Regierung über jede Form des Götzendienstes.
Aber sie haben ihren Bund mit Gott nicht gehalten. Sie folgten den götzendienerischen Praktiken
anderer Nationen. Statt daß sie den Namen des Schöpfers auf Erden verherrlichten, machten sie ihn
durch ihren Wandel unter den Heiden verächtlich. Dennoch mußte die Absicht Gottes verwirklicht
werden. Die Kenntnis seines Willens sollte auf Erden ausgebreitet werden. Gott brachte die Hand des
Unterdrückers über sein Volk und zerstreute es als Gefangene unter die Völker. Viele von ihnen
bereuten in der Trübsal ihre Übertretungen und suchten
481
den Herrn. In die Länder der Heiden zerstreut, verbreiteten sie die Kenntnis vom wahren Gott. Die
Grundsätze des Gesetzes Gottes standen im Gegensatz zu den Sitten und Gebräuchen der Völker.
Götzendiener bemühten sich, den wahren Glauben auszurotten. In seiner Vorsehung brachte der Herr
seine Diener Daniel, Nehemia und Esra vor Fürsten und Könige, um diesen Götzendienern eine
Gelegenheit zu geben, Licht zu empfangen. Das Werk, das Gott sein Volk unter günstigen
Verhältnissen im eigenen Lande tun lassen wollte, hatten sie durch ihre Untreue vernachlässigt. Nun
mußten sie es in Gefangenschaft und unter großen Schwierigkeiten und Erschwernissen verrichten.
Wie vor alters das Volk Israel, so hat Gott in unserer Zeit seine Gemeinde berufen, ein Licht auf
Erden zu sein. Die Botschaften des ersten, zweiten und dritten Engels sind der mächtige Keil der
Wahrheit, durch den er seine Gemeinde von den Kirchen und von der Welt getrennt hat, um sie in seine
heilige Nähe zu bringen. Er hat sie zu Hütern seines Gesetzes gemacht und ihnen die großen
Wahrheiten der Prophetie für diese Zeit anvertraut. Wie vor alters die heiligen Gottesbotschaften dem
Volke Israel, so sind diese seiner Gemeinde als ein heiliges Vermächtnis übergeben worden, damit sie
der Welt verkündigt werden. Die drei Engel aus Offenbarung 14 stellen das Volk dar, das die Botschaft
von Gott annimmt und als seine Boten hinausgeht, um den Warnungsruf über die Länge und Breite der
Erde zu tragen. Christus spricht zu seinen Nachfolgern: „Ihr seid das Licht der Welt.“ Matthäus 5,14. Zu
jeder Seele, die Christum annimmt, spricht das Kreuz von Golgatha: „Bedenke den Wert einer Seele!
Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur.“ Markus 16,15. Nichts darf dieses
Werk hindern. Es ist das Wichtigste in dieser Zeit; es reicht hinein in die Ewigkeit. Die gleiche Liebe für
Menschenseelen, die Jesus durch sein Opfer für ihre Erlösung offenbarte, wird jeden bewegen, der ihm
nachfolgt.
Nur sehr wenige von denen, welche das Licht empfangen haben, tun das ihren Händen anvertraute
Werk. Es gibt nur wenige Männer von unwandelbarer Treue, die nicht nach Ruhe, Bequemlichkeit oder
nach dem irdischen Leben streben, die
482
jeden sich ihnen eröffnenden Weg beschreiten, um das Licht der Wahrheit scheinen zu lassen und dem
heiligen Gesetz Gottes Geltung zu verschaffen. In der Welt herrschende Sünden fanden Eingang in die
Gemeinden und in die Herzen derer, die den Anspruch erheben, Gottes abgesondertes Volk zu sein.
Viele, die das Licht empfangen haben, üben trotzdem einen Einfluß aus, der die Befürchtungen der
Weltmenschen und derer, die nur dem Namen nach Christen sind, zerstreut. Selbst unter denen, die
ihrem Bekenntnis nach auf den Herrn warten, gibt es Menschen, welche die Welt liebhaben. Sie streben
nach Reichtum und Ehre. Diese Klasse meint Christus, wenn er erklärt, der Tag Gottes werde wie ein
Strick über die Bewohner der Erde kommen. Jesaja 24,17. Diese Welt ist ihre Heimat. Es ist ihr
Bestreben, irdische Schätze zu sammeln. Sie errichten kostspielige Häuser und statten sie mit allem
erdenklichen Luxus aus; sie kleiden sich zum Vergnügen und frönen ihrer Eßlust. Die Dinge dieser Welt
sind ihre Götzen. Diese stehen zwischen der Seele und Christo, während sie von der feierlichen und
ernsten Wirklichkeit, mit der wir es zu tun haben, nur unklare und verschwommene Vorstellungen
haben. Der gleiche Ungehorsam und das gleiche Versagen wie einst in der jüdischen Gemeinde sind in
weit höherem Maße für das Volk charakteristisch, dem das große Himmelslicht der letzten
Warnungsbotschaft gegeben wurde. Werden wir wie jene unsere Gelegenheiten und Vorzüge vertun,
bis Gott Unterdrückung und Verfolgung über uns kommen läßt? Soll das Werk, das im Frieden und
unter verhältnismäßig günstigen Umständen getan werden könnte, ungetan bleiben, bis es in den
Tagen der Finsternis und unter dem Druck von Prüfungen und Verfolgungen getan werden muß?
Für ein erschreckendes Maß an Schuld ist die Gemeinde verantwortlich. Warum bemühen sich
diejenigen, welche das Licht haben, nicht ernstlich, es anderen weiterzugeben? Sie sehen, wie nahe
das Ende ist. Sie sehen, wie die breite Masse täglich Gottes Gesetz übertritt; sie wissen auch, daß
diese Seelen im Zustande der Übertretung nicht errettet werden können. Dennoch liegt ihnen mehr an
ihrem Beruf, ihren Farmen, ihren
483
Häusern, ihrem Geschäft, ihrer Kleidung und an ihrer Speise als an den Seelen von Männern und
Frauen, denen sie am Tage des Gerichts begegnen müssen. Die Menschen, die beanspruchen, der
Wahrheit zu gehorchen, schlafen. Wären sie wach, dann könnten sie nicht so bequem dahinleben, wie
sie es tun. In ihren Herzen liegt die Liebe zur Wahrheit im Sterben. Ihr Beispiel ist nicht geeignet, die
Welt davon zu überzeugen, daß sie vor jedem anderen Volk auf Erden die fortschrittliche Wahrheit
besitzen. Gerade, wo sie stark in Gott sein und täglich eine lebendige Erfahrung haben sollten, sind sie
schwach und zaudern. Sie verlassen sich auf die Hilfe der Prediger, während sie doch mit ihrem
Denken und ihrem Fühlen, mit Wort und Schrift, mit ihrer Zeit und ihrem Geld anderen dienen sollten.
Liebe Geschwister, viele von euch entschuldigen sich mit der Ausrede, sie seien nicht fähig, mit
anderen zu arbeiten. Aber hat Gott euch so untüchtig erschaffen? Habt ihr nicht diese Unfähigkeit durch
eure eigene vorsätzliche Wahl hervorgerufen und zum Dauerzustand gemacht? Hat Gott euch nicht
wenigstens eine Gabe verliehen, nicht zu eurer eigenen Bequemlichkeit und Befriedigung, sondern für
ihn? Seid ihr euch über die Verpflichtung klar geworden, daß ihr als seine berufene Diener dieses euch
anvertraute Kapital durch weisen und geschickten Gebrauch für ihn vermehren sollt? Habt ihr nicht
Gelegenheiten versäumt, eure Kräfte zu diesem Zweck zu gebrauchen? Es ist zu wahr, daß nur wenige
ein wirkliches Verständnis für ihre Verantwortung vor Gott besitzen. Liebe, Urteilskraft, Gedächtnis,
Voraussicht, Feingefühl, Tatkraft und jede andere Gabe dienten dem Eigennutz. Im Dienste der Sünde
habt ihr mehr Weisheit entwickelt als für die Sache Gottes. Durch eifrige Betätigung in weltlichen
Unternehmungen und unter Vernachlässigung des Werkes Gottes habt ihr eure Kräfte verderbt und
geschwächt, ja, trunken gemacht.
Immer noch beschwichtigt ihr euer Gewissen. Ihr sagt, Vergangenes könnt ihr nicht ungeschehen
machen. Ihr meint, daß ihr die Kraft, die Stärke und die Geschicklichkeit nicht finden werdet, die ihr
hättet haben können, wenn ihr eure Fähigkeiten so gebraucht hättet, wie Gott es verlangte. Aber denkt
484
daran, daß er euch zur Verantwortung ziehen wird für Arbeit, die ihr nachlässig oder aus Untreue
überhaupt nicht geleistet habt. Je mehr ihr eure Kräfte für den Herrn einsetzt, desto leistungsfähiger und
geschickter könnt ihr werden. Je inniger ihr mit der Quelle des Lichtes und der Kraft verbunden seid,
desto mehr Licht wird er über euch scheinen lassen, und um so mehr Kraft wird euch im Dienst für Gott
zur Verfügung stehen. Ihr seid verantwortlich für alles, das ihr hättet haben können, aber wegen eurer
Weltliebe nicht empfangen habt. Als ihr Nachfolger Jesu wurdet, habt ihr gelobt, ihm und nur ihm zu
dienen. Er gab euch die Verheißung, bei euch zu sein und euch zu segnen, euch mit seinem Licht zu
erquicken, euch seinen Frieden zu verleihen und euch Freudigkeit für sein Werk zu schenken. Wenn ihr
diese Segnungen nicht erfahren habt, dann seid gewiß, daß es die Folge eures eigenen Verhaltens ist.
Um während des Krieges der Einberufung zu entgehen, machten sich manche Männer krank,
andere wieder verstümmelten sich und machten sich dadurch dienstuntauglich. Das diene als
Illustration, aus dem wir ersehen können, wie es viele mit der Sache Gottes halten. Sie lassen ihre
körperlichen und geistigen Kräfte verkümmern und sind nun untauglich für die so dringend erforderliche
Arbeit.
Nehmt einmal an, euch würde eine Geldsumme für einen bestimmten Zweck in die Hände gegeben;
würdet ihr sie wegwerfen und dann erklären, daß ihr nun für ihren Gebrauch nicht mehr verantwortlich
seid? Würdet ihr meinen, daß ihr euch nun große Sorgen erspart habt? Und doch handelt ihr so mit den
Gaben, die Gott euch gab. Wer sich unter dem Vorwand der Unfähigkeit der Arbeit für andere entzieht,
während er ganz in weltlichen Dingen aufgeht, der verhöhnt Gott. Menschenmassen gehen dem
Untergang entgegen. Diejenigen hingegen, die das Licht der Wahrheit erhielten, sind im Kampf gegen
das ganze Heer des Bösen nur eine Handvoll. Und dennoch setzt diese kleine Schar ihre Kräfte für alle
nur denkbaren Interessen ein, nur nicht dafür, wie man es lernt, Seelen vom Tode zu erretten. Ist es
dann ein Wunder, daß die Gemeinde schwach und erfolglos ist und daß Gott nur wenig für sein ihn
bekennendes Volk
485
tun kann? Sie stehen dort, wo er keine Möglichkeit hat, an ihnen und durch sie zu wirken. Wagt ihr es,
seine Ansprüche weiterhin unbeachtet zu lassen? Wollt ihr noch länger mit dem heiligsten Vermächtnis
des Himmels tändeln? Wollt ihr mit Kain sagen: „Soll ich meines Bruders Hüter sein?“ 1.Mose 4,9.
Bedenkt, daß eure Verantwortung nicht nach euren jetzigen Hilfsquellen und Fähigkeiten bemessen
wird, sondern nach den euch ursprünglich von Gott verliehenen Kräften und nach den Möglichkeiten,
sie zu vervollkommnen. Die Frage, die sich jeder selbst stellen sollte, darf nicht lauten, ob er jetzt für die
Arbeit in Gottes Werk unerfahren oder ungeübt ist, sondern wodurch und warum er in diesen Zustand
geraten ist und wie dem abgeholfen werden kann. Gott wird uns nicht auf übernatürlichem Wege mit
Eigenschaften ausstatten, deren wir ermangeln; aber wenn wir jede vorhandene Fähigkeit nutzen, wird
er in uns wirken und diese Fähigkeiten fördern und stärken. In uns schlummernde und seit langem
gelähmte Kräfte wird er wecken und neu beleben.
Solange wir in der Welt leben, haben wir uns mit weltlichen Dingen zu befassen. Es wird immer
notwendig sein, irdische und rein zeitliche Angelegenheiten zu erledigen. Doch wir dürfen nicht
ausschließlich darin aufgehen. Der Apostel Paulus hat uns eine sichere Regel gegeben: „Im Eifer seid
nicht lässig, im Geist feurig, für den Herrn zum Dienst bereit!“ Römer 12,11 (Zürcher). Auch die
alltäglichen Pflichten müssen treu erfüllt werden „mit Einfalt des Herzens“, sagt der Apostel, „als dem
Herrn“. Kolosser 3,23. Welcher Art auch unsre Arbeit sei, ob Haus- oder Feldarbeit oder geistige
Tätigkeit, wir werden sie zur Ehre Gottes ausführen, wenn uns Christus der Erste, Letzte und Beste in
allem ist. Neben diesen weltlichen Obliegenheiten ist jedem Nachfolger Christi eine besondere Aufgabe
zum Bau seines Reiches gestellt — eine Aufgabe, die persönliche Bemühungen um die Rettung von
Menschen verlangt. Wir sollen dieser Pflicht nicht nur einmal in der Woche am Ort der Anbetung
nachkommen, sondern zu jeder Zeit und an jedem Ort.
Jeder, der sich der Gemeinde anschließt, legt dadurch das feierliche Gelübde ab, im Interesse der
Gemeinde zu wirken und
486
dieser Arbeit den Vorrang vor allen weltlichen Erwägungen zu geben. Es ist seine Aufgabe, eine
lebendige Verbindung mit Gott zu pflegen, mit Herz und Seele an dem großen Erlösungsplan
teilzunehmen und durch sein Leben und seinen Charakter die Überlegenheit der Gebote Gottes über
die Gewohnheiten und die Vorschriften dieser Welt darzustellen. Jede Seele, die sich zu Christo
bekennt, hat sich verpflichtet, alles zu tun, was in ihrer Kraft liegt, um als geistlicher Arbeiter im Dienste
des Meisters tatkräftig, eifrig und leistungsfähig zu sein. Christus erwartet, daß jedermann seiner Pflicht
nachkommt. Laßt dies die Losung innerhalb der Reihen seiner Nachfolger sein.
Wir sollen nicht warten, bis wir aufgefordert werden, unser Licht leuchten zu lassen, oder bis man
uns dringend um Rat und Unterweisung bittet. Wer Strahlen von der Sonne der Gerechtigkeit empfängt,
hat ihren Glanz für jedermann in seiner Umgebung auszustrahlen. Seine Religion soll einen bestimmten
und überzeugenden Einfluß ausüben. Seine innigen Gebete sollen so sehr mit dem Heiligen Geist
erfüllt sein, daß sie die Seele bewegen und überwältigen. Jesus sagt: „Also lasset euer Licht leuchten
vor den Leuten, daß sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ Matthäus 5,16.
Für einen Weltmenschen wäre es besser, niemals einem Religionsbekenner zu begegnen, als unter
den Einfluß eines solchen zu geraten, der betreffs der Kraft der Gottseligkeit unwissend ist. Welche
Begeisterung erfüllte uns, wie sehr strengten wir uns an, wie freigebig und selbstlos wären wir, wenn wir
Christum als Vorbild nähmen und sein Leben zu unserer Richtschnur machten! Wie unermüdlich
arbeiteten wir, welche ernsten Bitten um Kraft und Weisheit stiegen dann zu Gott auf! Wie anders sähe
es in den Herzen, in den Familien, in den Gemeinden, ja selbst in der Welt aus, wenn alle bekenntlichen
Kinder Gottes den ihnen von Gott aufgetragenen Dienst als die Hauptaufgabe ihres Lebens
betrachteten und in selbstloser Hingabe förderten!
Wachsamkeit und Treue wurden zu jeder Zeit von Christi Nachfolgern erwartet; doch nun, wo wir
dicht an der Schwelle der Ewigkeit stehen, wo uns ein so klares Licht der Wahrheit scheint und ein so
wichtiges Werk übertragen ist, müssen wir
487
unseren Fleiß verdoppeln. Jedermann muß bis zur äußersten Grenze seines Könnens mitarbeiten.
Mein Bruder, du gefährdest deine eigene Seligkeit, wenn du dich jetzt zurückhältst. Gott wird dich zur
Rechenschaft ziehen, wenn du die dir von ihm aufgetragene Aufgabe nicht erfüllst. Kennst du die
Wahrheit? Dann gib sie an andere weiter.
Was kann ich mehr sagen, um unsere Gemeinden zu wecken? Was kann ich denen sagen, die
einen wesentlichen Anteil an der Ausbreitung der letzten Botschaft hatten? „Der Herr kommt“ — das
sollen wir nicht nur mit unseren Lippen bezeugen, sondern mit unserem Leben und unserem Charakter.
Aber vielen, denen Gott Verständnis und Wissen, Einfluß und Geldmittel gegeben hat, lieben die
Wahrheit nicht und leben sie nicht aus! Sie haben den berauschenden Becher der Selbstsucht und der
Weltliebe so tief geleert, daß sie trunken sind von den Sorgen dieses Lebens. Brüder, wenn ihr so
müßig, so weltlich und selbstsüchtig bleibt wie bisher, wird Gott gewiß an euch vorübergehen und
andere berufen, die weniger auf sich selbst und auf weltliche Ehre bedacht sind, und die nicht zögern,
gleich ihrem Herrn hinauszugehen aus dem Lager und seine Schmach zu tragen. Hebräer 13,13. Das
Werk wird denen gegeben werden, die es hochschätzen und die bereit sind, es zu treiben, und seine
Grundsätze mit ihrer täglichen Erfahrung zu verbinden. Gott wird sich demütige Männer erwählen, die
lieber seinen Namen verherrlichen und sein Werk fördern, als für sich selbst Ehre und Vorteil suchen.
Er wird Männer erwecken, die kein so umfassendes weltliches Wissen haben, aber mit ihm verbunden
sind und Rat und Kraft von oben suchen.
Manche unserer leitenden Männer neigen zur Nachsicht gegenüber dem Geist, den der Apostel
Johannes zeigte, als er sprach: „Meister, wir sahen einen, der trieb Teufel in deinem Namen aus,
welcher uns nicht nachfolgt: und wir verboten‘s ihm, darum daß er uns nicht nachfolgt.“ Markus 9,38.
Organisation und Disziplin sind wichtig, aber jetzt stehen wir in der großen Gefahr, die Schlichtheit des
Evangeliums Christi zu verlieren. Wir benötigen weniger Gebundenheit an äußere Formen und
Zeremonien, aber weit mehr die Kraft wahrer Frömmigkeit.
488
Soweit sein Leben und sein Charakter vorbildlich ist, gebt jedem, der arbeiten will, die Möglichkeit, es
nach seiner Fähigkeit zu tun. Auch wenn sich jemand nicht genau eurer Methode bedient, sollt ihr ihn
mit keinem Wort verurteilen oder entmutigen. Als die Pharisäer Jesum aufforderten, die Kinder, die sein
Lob sangen, zum Schweigen zu bringen, sprach der Erlöser: „Wo diese werden schweigen, so werden
die Steine schreien.“ Lukas 19,40. Die Weissagung mußte erfüllt werden. Auch in unseren Tagen muß
das Werk getan werden. Die Arbeit verteilt sich auf vielerlei Gebiete; laßt jeden da arbeiten, wo er es
am besten kann. Der Mann mit nur einem Zentner soll ihn nicht in der Erde vergraben. Jedem
Menschen wurde entsprechend seiner Fähigkeiten von Gott eine Aufgabe zugewiesen. Wem reichere
Fähigkeiten verliehen wurden, der versuche nicht, andere mit weniger Erfahrung und mit geringeren
Fähigkeiten zum Schweigen zu bringen. Jemand mit nur einem Zentner kann Menschen erreichen, die
ein anderer mit zwei oder fünf Zentnern nicht zu erreichen vermag. Große und kleine Gefäße sind in
gleicher Weise bestimmt, durstenden Seelen das Wasser des Lebens zu bringen. Wer das Wort
predigt, der soll seine Hand auch nicht auf den schlichtesten Arbeiter legen und ihm sagen: „Du mußt
entweder so oder so arbeiten, oder du darfst überhaupt nicht mitarbeiten.“ Hände weg, Brüder! Laßt
jeden in seiner eigenen Art arbeiten, in seiner eigenen Rüstung. Laßt jeden tun, was er auf seine
einfache Weise tun kann. Stärkt seine Hände darin. In dieser Zeit darf das Pharisäertum nicht
herrschen. Laßt Gott wirken, durch wen er will. Die Botschaft muß vorwärtsgehen.
Jeder hat seine Treue zu Gott durch den weisen Gebrauch des ihm anvertrauten Kapitals zu
beweisen, nicht allein in geldlicher Hinsicht, sondern mit jeder Begabung, die dem Aufbau seines
Reiches dient. Satan wird jede nur mögliche List anwenden, die Wahrheit von im Irrtum verstrickten
Seelen fernzuhalten; doch die Stimme der Warnung und der Einladung muß sie erreichen. Wo zur Zeit
nur wenige dieser Aufgabe dienen, sollten Tausende die gleiche Hingabe an den Tag legen wie sie. Es
ist niemals Gottes Absicht gewesen, daß Laienglieder der Gemeinde sich der Arbeit in seinem Werke
entziehen. „Gehe hin
489
und arbeite in meinem Weinberg“, lautet des Meisters Auftrag für jeden seiner Nachfolger. Solange es
unbekehrte Seelen in der Welt gibt, haben wir uns mit größtem Ernst tatkräftig, eifrig und entschieden
um ihre Rettung zu bemühen. Wer das Licht der Erkenntnis empfangen hat, soll es denen mitteilen, die
es nicht haben. Wenn nicht jedes einzelne Glied der Gemeinde diese Arbeit in Angriff nimmt, zeigt sich
darin das Fehlen einer lebendigen Gemeinschaft mit Gott. Ihre Namen stehen dann als faule Knechte
aufgezeichnet. Könnt ihr nicht erkennen, aus welchem Grunde das geistliche Leben in unseren
Gemeinden nicht reger ist? Nur weil ihr keine Mitarbeiter Christi seid.
Gott gab jedermann sein Werk. Laßt uns alle auf Gott warten, dann wird er uns lehren, wie wir
arbeiten sollen und für welche Arbeit wir am geeignetsten sind. Doch soll niemand damit beginnen,
selbständig neue Ansichten zu verbreiten. Jeder Mitarbeiter soll auf Übereinstimmung mit der Wahrheit
und mit den Brüdern bedacht sein. Im Geist der Zusammenarbeit soll jeder bereit sein, sich beraten zu
lassen. Aber niemand soll das Gefühl haben, man müsse bei jedem Schritt erst irgendeinen der
leitenden Brüder fragen, ob man dies oder jenes tun dürfe. Sucht eure Führung nicht bei Menschen,
sondern bei dem Gott Israels.
Das Werk, das die Gemeinde in einer Zeit des Friedens und des Wohlergehens nicht getan hat, wird
sie in einer schrecklichen Krise unter den entmutigendsten und widrigsten Umständen verrichten
müssen. Die Warnungen, die durch Anpassung an die Welt verschwiegen oder zurückgehalten wurden,
müssen dann unter grimmigstem Widerstand der Feinde des Glaubens verbreitet werden. In der Zeit
wird die Klasse der unbelehrbar Oberflächlichen, deren Einfluß den Fortgang des Werkes ständig
verlangsamt hat, den Glauben aufgeben und sich auf die Seite der geschworenen Feinde Christi
stellen, zu denen sie seit langem innerlich gehörten. Diese Abtrünnigen werden dann in bitterster
Feindschaft alles in ihrer Macht Stehende tun, ihre früheren Brüder zu unterdrücken und zu verleumden
und Unwillen gegen sie zu erregen. Dieser Tag steht unmittelbar vor uns. Die Glieder der Gemeinde
werden einzeln der Prüfung unterzogen werden. Sie werden in solche Verhältnisse kommen, die sie
490
zwingen, ein Zeugnis für die Wahrheit abzulegen. Viele werden vor Ratsversammlungen oder
Gerichtshöfen sprechen müssen, vielleicht allein und nur auf sich gestellt. Sie haben es versäumt, sich
die Erfahrung zu sichern, die ihnen in dieser Zwangslage helfen könnte; nun sind sie durch
Gewissensbisse innerlich bedrückt, weil sie günstige Gelegenheiten vergeudet und Vorrechte versäumt
haben.
Mein Bruder, meine Schwester, ich bitte euch, denkt darüber nach. Jeder von euch muß etwas tun.
Eure Untreue und Lässigkeit sind in den Büchern des Himmels gegen euch aufgezeichnet. Eure Kräfte
und Fähigkeiten habt ihr geschwächt und verkümmern lassen. Euch fehlen die Erfahrungen und die
Leistungsfähigkeit, die ihr hättet haben können. Aber bevor es für immer zu spät ist, bitte ich euch:
Erwacht! Zögert nicht länger! Der Tag ist fast vorüber. Die Abendsonne will gerade für immer vor euren
Augen untergehen. Dennoch könnt ihr Vergebung finden, solange das Blut Christi für euch bittet. Bietet
alle Kräfte der Seele auf und nützt die wenigen noch verbliebenen Stunden zu ernster Arbeit für Gott
und eure Mitmenschen.
Mein Herz ist zutiefst bewegt. Worte reichen nicht aus, meine Gefühle auszudrücken, wenn ich für
umkommende Seelen bitte. Muß ich vergeblich bitten? Als Botschafter Christi möchte ich euch
ermuntern zu arbeiten, wie ihr nie zuvor gearbeitet habt. Eure Pflicht könnt ihr nicht auf andere
abwälzen. Eure Arbeit kann kein anderer für euch verrichten. Haltet ihr euer Licht zurück, muß irgend
jemand durch eure Nachlässigkeit in Finsternis bleiben.
Die Ewigkeit liegt vor uns. Der Vorhang wird bald weggezogen werden. Was tun wir, und wie
empfinden wir darüber, daß wir an einem so bedeutungs- und verantwortungsvollen Platz stehen und
dennoch so sehr unsere Bequemlichkeit lieben, während um uns her Seelen verloren gehen? Sind
unsere Herzen so stumpf geworden? Können wir nicht fühlen und verstehen, daß wir für die Rettung
anderer zu arbeiten haben? Brüder, gehört ihr zu jener Klasse, die Augen haben und doch nicht sehen,
die Ohren haben und doch nicht hören? Hat Gott euch die
491
Erkenntnis seines Willens vergeblich geschenkt? Hat er euch umsonst Warnung um Warnung gesandt?
Glaubt ihr den Erklärungen der ewigen Wahrheit über das, was bald über die Erde hereinbrechen wird?
Glaubt ihr, daß die Gerichte Gottes über dem Volke schweben? Könnt ihr dennoch so bequem und
lässig, so sorglos und vergnügungssüchtig bleiben?
Es ist jetzt keine Zeit für das Volk Gottes, in dieser Welt Schätze zu sammeln und das Herz daran zu
hängen. Die Zeit ist nicht fern, in der wir wie einst die ersten Jünger gezwungen sein werden, an wüsten
und einsamen Stätten Zuflucht zu suchen. Wie für die Christen Judäas die Belagerung Jerusalems
durch die römischen Heere das Signal zur Flucht war, so wird es für uns eine Warnung sein, wenn die
USA sich die Macht anmaßen, die Feier des päpstlichen Sonntags gesetzlich zu erzwingen. Dann wird
es Zeit sein, die großen Städte zu verlassen und sich auch zum Verlassen der kleineren Städte
bereitzuhalten, um in der Zurückgezogenheit und Abgeschiedenheit der Berge ein Heim zu suchen.
Auch heute schon sollten wir nicht in dieser Welt kostspielige Wohnungen suchen, sondern uns auf eine
bessere, ja die himmlische Heimat vorbereiten. Statt unsere Geldmittel zur Befriedigung des eignen
Ichs auszugeben, sollten wir darauf bedacht sein, sie haushälterisch zu gebrauchen. Jedes uns von
Gott verliehene Talent sollen wir zu seiner Ehre verwenden, indem wir der Welt die Warnungsbotschaft
vermitteln. Gott hat für seine Mitarbeiter Arbeit in den Städten. Unsere bereits bestehenden
Missionsstationen müssen unterstützt und neue gegründet werden. Es wird keine geringen Auslagen
erfordern, das Werk erfolgreich voranzutreiben. Gotteshäuser müssen errichtet werden, damit man
Menschen einladen kann, die gegenwärtige Wahrheit zu hören. Gerade dafür hat Gott seinen
Haushaltern Kapital anvertraut. Legt euer Vermögen nicht in weltlichen Unternehmungen fest, wodurch
dieses Werk gehindert würde. Legt euer Geld dort an, wo ihr es zum Nutzen der Sache Gottes
gebrauchen könnt. Sendet eure Schätze vor euch in den Himmel.
Jedes Gemeindeglied soll sich selbst und all seinen Besitz auf den Altar Gottes legen. Mehr denn je
zuvor ist heute die Mahnung des Erlösers am Platze: „Verkaufet, was ihr habt, und
492
gebet Almosen. Machet euch Beutel, die nicht veralten, einen Schatz, der nimmer abnimmt, im Himmel,
da kein Dieb zukommt, und den keine Motten fressen. Denn wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz
sein.“ Lukas 12,33.34. Wer seine Geldmittel in großartigen Häusern, in Landbesitz oder weltlichen
Unternehmungen festlegt, sagt durch seine Handlungsweise: „Gott kann sie nicht bekommen; ich
brauche sie für mich selbst.“ Er hat seinen Zentner in ein Tuch gebunden und in der Erde verborgen.
Wer so handelt, hat Ursache, alarmiert zu sein. Liebe Geschwister, Gott hat euch Geldmittel nicht
anvertraut, damit sie untätig daliegen oder damit ihr sie eifersüchtig zurückhaltet oder verbergt, sondern
damit ihr sie zur Förderung seiner Sache verwendet, um Seelen vom Verderben zu retten. Jetzt ist nicht
die Zeit, des Herrn Geld in kostspieligen Gebäuden und großen Unternehmungen festzulegen, während
sein Werk Mangel leidet und darauf angewiesen ist zu betteln, weil sein Schatzhaus halb leer ist. Der
Herr kann dies Verhalten nicht billigen. Denkt daran, daß der Tag schnell näher kommt, an dem es
heißt: „Tu Rechnung von deinem Haushalten!“ Lukas 16,2. Könnt ihr denn die Zeichen der Zeit nicht
erkennen?
Jeder Tag, der verstreicht, bringt uns dem letzten, entscheidenden Tag näher. Wir sind dem Gericht
und der Ewigkeit ein Jahr näher als am Anfang des Jahres 1884. Kommen wir auch näher zu Gott?
Sind wir wachsam im Gebet? Ein weiteres Jahr der uns zur Arbeit gegebenen Zeit ist Teil der Ewigkeit
geworden. Jeden Tag kommen wir mit Männern und Frauen in Berührung, die dem Gericht
entgegengehen. Jeder Tag kann einen entscheidenden Schnitt für manche Seele bedeuten. Mancher
kann eine Entscheidung getroffen haben, die sein ewiges Schicksal festgelegt hat. Welchen Einfluß
haben wir auf diese Mitpilger ausgeübt? Welche Anstrengungen haben wir unternommen, sie zu Christo
zu bringen?
Es ist etwas Ernstes zu sterben; aber es ist weit ernster zu leben. Jeder Gedanke, jedes Wort und
jede Tat unseres Lebens werden uns wieder begegnen. Was wir in der Zeit der Vorbereitung aus uns
machen, das müssen wir bis in alle Ewigkeit bleiben. Der Tod bedeutet eine Auflösung des Leibes, aber
er ändert
493
unsern Charakter nicht. Das Kommen Christi verändert nicht unseren Charakter, sondern verleiht ihm
statt der Möglichkeit zur Änderung etwas Bleibendes.
Nochmals rufe ich die Glieder der Gemeinde auf, Christen zu sein und Christum ähnlich zu werden.
Jesus hat gearbeitet, aber nicht für sich selbst, sondern für andere. Sein Wirken brachte Verlorenen
Segen und Rettung. Wenn ihr Christen seid, werdet ihr sein Beispiel nachahmen. Er hat das
Fundament gelegt, und wir sollen mit ihm den Bau errichten. Aber mit welchem Material bauen wir auf
diesem Fundament weiter? „So wird eines jeglichen Werk offenbar werden; der Tag wird‘s klar machen.
Denn es wird durchs Feuer offenbar werden; und welcherlei eines jeglichen Werk sei, wird das Feuer
bewähren.“ 1.Korinther 3,13. Wenn ihr all eure Kraft und alle Talente den Dingen dieser Welt widmet,
wird euer Lebenswerk mit Holz, Heu und Stoppeln verglichen und durch das Feuer des Jüngsten Tages
verzehrt werden. Aber selbstlose Arbeit für Christum und für das künftige Leben wird sein wie Gold,
Silber und edle Steine und ist unvergänglich.
Liebe Geschwister, ich bitte euch, erwacht vom tödlichen Schlaf. Es ist zu spät, die Kräfte des
Geistes und des Leibes zu eigennützigen Zwecken aufzubrauchen. Seht zu, daß der Jüngste Tag euch
nicht ohne einen Schatz im Himmel findet. Bemüht euch, den Triumph des Kreuzes voranzutreiben und
Seelen das Licht der Wahrheit zu bringen. Arbeitet an der Rettung eurer Mitmenschen; dann wird euer
Werk die Feuerprobe bestehen.
„Wird jemandes Werk bleiben, ... so wird er Lohn empfangen.“ 1.Korinther 3,14. Herrlich wird der
Lohn sein, wenn die treuen Arbeiter um den Thron Gottes und des Lammes versammelt sind. Als
Johannes in seinem sterblichen Zustand die Herrlichkeit Gottes schaute, fiel er nieder wie tot; er
vermochte den Anblick nicht zu ertragen. Doch wenn das Sterbliche die Unsterblichkeit anziehen wird,
werden die Erlösten Jesu gleich sein, denn sie werden ihn sehen, wie er ist. Sie stehen vor dem Thron,
was bedeutet, daß sie angenommen sind. All ihre Sünden und Übertretungen sind ausgelöscht. Nun
können sie die unverhüllte Herrlichkeit des Thrones Gottes schauen. Sie waren Teilhaber
494
der Leiden Christi und haben mit ihm am Erlösungsplan gearbeitet. Nun teilen sie seine Freude, daß
durch ihre Mitwirkung Seelen gerettet wurden, die Gott in alle Ewigkeit Lob darbringen.
Kapitel 53: Josua und der Engel
Könnte der Schleier, der die sichtbare Welt von der unsichtbaren trennt, gelüftet werden und
könnten Gottes Kinder den großen Kampf schauen, der zwischen Christo samt seinen heiligen Engeln
und Satan mit seinem bösen Heer bezüglich der Erlösung des Menschen vor sich geht; könnten sie
verstehen, wie wunderbar Gott wirkt, um Seelen von den Banden der Sünde zu retten und wie er sich
beständig bemüht, sie vor dem Haß Satans zu schützen, so würden sie besser vorbereitet sein, den
listigen Anschlägen Satans zu widerstehen. Angesichts der weiten Ausdehnung und der Wichtigkeit des
Erlösungsplanes sowie der Größe des vor ihnen liegenden Werkes als Mitarbeiter Christi, würden ihre
Herzen von Ehrfurcht erfüllt werden. Sie würden gedemütigt, aber auch ermutigt werden, wissend, daß
der ganze Himmel an ihrer Errettung Anteil nimmt.
Sowohl Satans als auch Christi Werk und die Macht unseres Vermittlers, den Verkläger seines
Volkes niederzuwerfen, sind äußerst treffend und eindringlich in der Weissagung Sacharjas
veranschaulicht. In hehrem Gesicht schaut der Prophet den Hohenpriester Josua, mit unreinen Kleidern
angetan, vor dem Herrn stehen und um Gnade für sein Volk flehen, welches sich in großer Trübsal
befindet. Satan steht zu seiner Rechten, ihm zu widerstehen. Weil Israel erwählt war, Gottes Erkenntnis
auf Erden zu bewahren, war es auch von seinem ersten Anfang als Nation an der besondere
Gegenstand der Feindschaft Satans, der entschlossen war, dessen Vernichtung herbeizuführen.
Solange die Israeliten Gott gehorchten, konnte er ihnen kein Leid zufügen; deshalb wandte er alle seine
Macht und List an, sie zur Sünde zu verleiten. Durch seine Versuchungen verstrickt, hatten sie Gottes
Gesetz übertreten, und dadurch
495
von der Quelle ihrer Stärke getrennt, wurden sie eine Beute ihrer heidnischen Feinde. Sie wurden nach
Babel in die Gefangenschaft verschleppt und blieben dort viele Jahre. Doch hatte der Herr sie nicht
verlassen. Er sandte ihnen seine Propheten mit Zurechtweisungen und Warnungen. Das Volk wurde
aufgeweckt, seine Schuld einzusehen. Es demütigte sich vor Gott und kehrte mit wahrer Reue zu ihm
zurück. Dann sandte der Herr ihm ermutigende Botschaften und erklärte, es aus der Gefangenschaft zu
befreien und wieder in seine Gunst aufnehmen zu wollen. Dies aber wollte Satan verhindern. Ein
Überrest der Israeliten war schon ins eigene Land zurückgekehrt, und Satan versuchte, die heidnischen
Völker, die seine Werkzeuge waren, zu bewegen, sie gänzlich zu vernichten.
Als Josua demütig um die Erfüllung der Verheißungen Gottes fleht, erhebt Satan kühn sein Haupt,
ihm zu widerstehen. Er verweist auf die Übertretungen Israels als Grund, warum dies Volk nicht wieder
in die Gunst Gottes aufgenommen werden sollte. Er beansprucht sie als seine Beute und verlangt, daß
man sie zur Vernichtung in seine Hand gebe.
Der Hohepriester kann weder sich selbst noch sein Volk gegen Satans Anklagen verteidigen. Er
behauptet nicht, daß die Israeliten ohne Fehler seien. In seinen unreinen Kleidern — ein Sinnbild der
Sünde des Volkes —, die er als ihr Vertreter trägt, steht er vor dem Engel und bekennt ihre Schuld,
weist aber auch auf ihre Reue und Demütigung hin und erklärt, daß sie auf die Gnade des
sündenvergebenden Erlösers trauen und im Glauben die Verheißungen Gottes erfassen.
Dann gebietet der Engel, welcher Christus, der Heiland der Sünder, selbst ist, Satan, dem Verkläger
seines Volkes, zu schweigen und sagt: „Der Herr schelte dich, du Satan; ja, der Herr schelte dich, der
Jerusalem erwählet hat! Ist dieser nicht ein Brand, der aus dem Feuer errettet ist?“ Sacharja 3,2. Israel
war lange in dem Ofen der Trübsal gewesen. Seiner Sünde wegen war das Volk fast von der von Satan
und seinen Helfern zu seiner Vernichtung angezündeten Flamme verzehrt worden, aber Gott hatte
seine Hand ausgestreckt, um es herauszuführen. In ihrer Reue und Demütigung will der mitleidige
Heiland es
496
nicht der grausamen Macht der Heiden überlassen. „Das zerstoßene Rohr wird er nicht zerbrechen und
den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.“ Jesaja 42,3.
Als die Fürbitte Josuas angenommen wird, ergeht der Befehl: „Tut die unreinen Kleider von ihm“
(Sacharja 3,4), und der Engel sagt zu Josua: „Siehe, ich habe deine Sünde von dir genommen und
habe dich mit Feierkleidern angezogen.“ „Und sie setzten einen reinen Hut auf sein Haupt und zogen
ihm Kleider an.“ Sacharja 3,5. Seine eigenen Sünden sowie die seines Volkes waren vergeben. Israel
wurde mit Feierkleidern angetan — die Gerechtigkeit Christi ihnen zugerechnet. Der Hut, der auf
Josuas Haupt gesetzt wurde, war ein solcher, wie ihn die Priester trugen und hatte die Inschrift:
„Heiligkeit des Herrn“, um anzuzeigen, daß er ungeachtet seiner früheren Übertretungen jetzt befähigt
sei, vor Gott in seinem Heiligtum zu dienen.
Nachdem ihm auf diese feierliche Weise die Würden des Priestertums verliehen waren, sagte der
Engel: „So spricht der Herr Zebaoth: Wirst du in meinen Wegen wandeln, und meines Dienstes warten,
so sollst du regieren mein Haus, und meine Höfe bewahren; und ich will dir geben von diesen, die hier
stehen, daß sie dich geleiten sollen.“ Sacharja 3,7. Er sollte als Richter oder Oberster des Tempels und
aller seiner Dienste geehrt werden; er sollte bereits in diesem Leben von Engeln umgeben sein und sich
zuletzt der verherrlichten Menge um den Thron Gottes zugesellen.
„Höre zu, Josua, du Hoherpriester, du und deine Freunde, die vor dir sitzen; denn sie sind
miteinander ein Wahrzeichen. Denn siehe, ich will meinen Knecht Zemach kommen lassen.“ Sacharja
3,8. Hier wird die Hoffnung Israels offenbart. Durch den Glauben an den kommenden Erlöser empfingen
Josua und sein Volk Vergebung. Durch den Glauben an Christum wurden sie wieder in die Gunst
Gottes aufgenommen. Wenn sie in seinen Wegen wandeln und seine Gebote halten würden, sollten sie
kraft seiner Verdienste „ein Wahrzeichen“ und unter den Völkern der Erde als die Erwählten des
Himmels geehrt sein. Christus war ihre Hoffnung, ihre Verteidigung, ihre Rechtfertigung und Erlösung,
wie er auch heute die Hoffnung seiner Gemeinde ist.
497
Wie Satan Josua und sein Volk beschuldigte, so verklagt er zu allen Zeiten die, welche die Gnade
und Gunst Gottes suchen. In der Offenbarung wird er der „Verkläger unserer Brüder“ genannt, „der sie
verklagte Tag und Nacht vor Gott“. Offenbarung 12,10. Der Streit wiederholt sich über jede Seele, die
von der Macht des Bösen befreit und deren Name in das Lebensbuch des Lammes eingetragen ist.
Niemals wird jemand aus der Familie Satans in die Familie Gottes aufgenommen, ohne den
entschiedenen Widerstand des Bösen zu erregen. Satans Anklagen gegen die, welche den Herrn
suchen, entspringen nicht dem Mißfallen an ihren Sünden. Er frohlockt über ihre Charakterfehler. Nur
durch ihre Übertretung des Gesetzes Gottes kann er Macht über sie erlangen. Seine Anklagen
entspringen allein seiner Feindschaft gegen Christum. Durch den Erlösungsplan bricht Jesus Satans
Macht über die menschliche Familie und befreit Seelen aus seiner Gewalt. Aller Haß und alle Bosheit
des Erzrebellen werden erregt, wenn er den Beweis der Oberherrschaft Christi sieht, und mit teuflischer
Macht und List arbeitet er, um ihm den Überrest der Menschenkinder zu entreißen, die seine Erlösung
angenommen haben.
Er führt die Menschen in Zweifelsucht, veranlaßt sie, ihr Vertrauen in Gott zu verlieren und sich von
seiner Liebe zu trennen. Er versucht sie, sein Gesetz zu brechen, beansprucht sie dann als seine
Gefangenen und bestreitet das Recht Christi, sie ihm wegzunehmen. Er weiß, daß die, welche Gott
ernstlich um Vergebung und Gnade bitten, sie erlangen werden, und deshalb hält er ihnen ihre Sünden
vor, um sie zu entmutigen. Er sucht beständig danach, etwas gegen die zu finden, die versuchen, Gott
zu gehorchen. Selbst ihren besten und wohlgefälligsten Dienst stellt er als verdorben hin. Durch
zahllose listige und grausame Anschläge sucht er ihre Verdammnis herbeizuführen. Der Mensch selbst
kann diesen Anklagen nicht entgegentreten. In seinen sündenbefleckten Kleidern, seine Missetat
bekennend, steht er vor Gott. Aber Jesus, unser Fürsprecher, bringt eine wirkungsvolle Bitte bezüglich
aller dar, die in Reue und Glauben ihre Seelen ihm übergeben haben. Er verteidigt ihre Sache und
besiegt ihren Verkläger durch die mächtigen Beweisgründe von
498
Golgatha. Sein vollkommener Gehorsam gegen das Gesetz Gottes, selbst bis zum Tode am Kreuz, hat
ihm a