Artikel Katalog - Graduiertenkolleg Wert und Äquivalent
Transcription
Artikel Katalog - Graduiertenkolleg Wert und Äquivalent
RZ_Katalog_Werte im Widerstreit_final 26.09.2012 14:46 Uhr Seite 1 WERTE IM WIDERSTREIT Von Bräuten, Muscheln, Geld und Kupfer Hrsg. Charlotte Trümpler, Peter Breunig mit Doktorandinnen und Doktoranden des Graduiertenkollegs »Wert und Äquivalent«, Goethe-Universität Frankfurt a. M. RZ_Katalog_Werte im Widerstreit_final 26.09.2012 14:46 Uhr Seite 22 22 Felix Brandl BERNHARD LAUM UND DIE ENTSTEHUNG DES GELDES In meiner Dissertation untersuche ich die Theorien zur Geldentstehung der Frankfurter Forscher Wilhelm Gerloff und Bernhard Laum sowie ihren Werdegang und ihr akademisches Wirken. Neben einer vergleichenden Darstellung wird in einem weiteren Schritt gefragt, inwieweit die Theorien mit dem philologisch / archäologischen (Laum) beziehungsweise ethnologisch / soziologischen Ansatz (Gerloff) für heutige Fragen der Geldpolitik von Bedeutung sind. Dabei zeigt sich, dass gerade die Wirtschaftswissenschaft die empirischen Analysen Laums sowie die aus Gerloffs Theorie entwickelten Begriffe für sich fruchtbar machen könnte. In der Ausstellung behandle ich die Arbeit und das Leben Bernhard Laums (1884 – 1974). Laum studierte Rechtswissenschaften in Bonn, danach Archäologie und Geschichte in München und Straßburg. Im Anschluss an sein Studium wurde ihm ein Reisestipendium des Deutschen Archäologischen Institutes zuteil. Seine zweijährigen Studienreisen führten ihn nach Italien, Nordafrika, Kleinasien und Griechenland, also zu Stätten, die später für die Forschungen zu seinem Buch Heiliges Geld wichtig sein würden. Bernhard Laum (1884 – 1974) beim Bridge spielen. 1917 habilitierte er sich in Frankfurt an der Philosophischen Fakultät in Klassischer Philologie und Altertumswissenschaft. Aufgrund der Nähe seiner Vorlesungen und Forschungen zu den Wirtschaftsund Sozialwissenschaften habilitierte Laum sich 1920 zusätzlich an dieser Fakultät und bekam dort zu Beginn einen stiftungsfinanzierten Lehrauftrag. Er wechselte 1923 an die königliche Akademie in Braunsberg (Ostpreußen), wo er eine ordentliche Professur inne hatte. 1936 kam er nach Marburg. Nach dem Krieg wurde er zunächst entlassen, konnte aber nach einer späteren Genehmigung durch die Militärregierung wieder dort lehren. Bernhard Laum stellt seine Theorie zur Entstehung des Geldes 1924 im Buch Heiliges Geld vor. Seine These ist, dass das Geld aus dem religiösen Opfer entstanden ist. Ausgangspunkt seiner Argumentation sind die Homerischen Epen. Er beobachtet, dass in der Ilias und Odyssee Rinder als Wertmaßstab Verwendung finden, Rinder im antiken Griechenland aber als Tauschmittel keine Rolle spielten. Dies veranlasst ihn nach einer Antwort auf die Frage zu suchen, wie das Rind Wertmesser werden konnte RZ_Katalog_Werte im Widerstreit_final 26.09.2012 14:46 Uhr Seite 23 23 ohne zuvor Tauschmittel gewesen zu sein. Laum versucht sich von diesem Tauschparadigma zu lösen. Er bezeichnet das Rind, welches im Rahmen des Kultes in Fleischstücke zerlegt und verspeist wurde, als im sakralen Bereich verwendetes Zahlungsmittel. Dienste, die im Rahmen des Opferfestes beispielsweise durch Sänger, Priester oder Lieferanten erbracht wurden, wurden mit einem Anteil des Opferfleisches entgolten oder »bezahlt«. Eine Kultordnung regelte die Verteilung. Im staatlichen Kult diente das Rind nach Laums Interpretation darüber hinaus als Zahlungsmittel im Verkehr mit den Göttern. Dadurch entstand im Kult das erste Mal ein einheitliches Zahlungsmittel. An diesen Gedanken anschließend argumentiert Laum, dass es zu Stellvertretungsprozessen kam, im Rahmen derer das ursprüngliche Opfer (das Rind) durch Symbole (zum Beispiel durch tönerne Figuren) abgelöst wurde. Am Ende des Prozesses fand sich ein stofflich wertloses Symbol, dessen Wert sich aus der Funktion im Religiösen definierte. Als Beispiele für solche Objekte nennt Laum die Bratspieße, an welchen ursprünglich die Fleischportionen beim Opfer- mahle gereicht wurden, sowie kleine Tonfiguren in Form eines Rindes. Durch die Tempel kamen diese Objekte als normierte Güter in Umlauf und dienten nun auch außerhalb des sakralen Bereichs als Zahlungsmittel. Damit lagen alle Charakteristika vor, diese Güter auch Geld zu nennen. Sie wurden im 6. Jahrhundert v. Chr. schließlich durch Münzen ersetzt (siehe den Beitrag von Emanuel Seitz S. 15 ff). Wie eine Kritik an Laums Theorie ausfällt, hängt von dem Anspruch ab, den man an sein Buch stellt. Philologen und Archäologen werden ihren Schwerpunkt auf die Qualität seiner empirischen Belege sowie deren Interpretation legen. Wirtschaftswissenschaftler, die gemeinhin für theoretische Argumentationen aufgeschlossen sind, fragen dagegen nach dem logischen Bestand der Beweisführung und dem Mehrwert, der in seiner Idee zur Geldentstehung aus dem Sakralen liegt. In diesem Fall wird man Laums Theorie als Variante der »staatlichen Theorie des Geldes« von Georg Friedrich Knapp (1842 – 1926) erkennen und diese damit gestärkt sehen. Knapp formulierte die These, dass sich Geld aus den Einnahmen und Ausgaben des Staates entwickelt. Handgeschriebener Lebenslauf von Bernhard Laum (Universitätsarchiv, Frankfurt a. M.) RZ_Katalog_Werte im Widerstreit_final 26.09.2012 14:46 Uhr 24 Die Karteikarten dienten der Quellenarbeit zum Buch Heiliges Geld. Sie beinhalten Vermerke, Hinweise und Ideen und waren dem Rezensionsexemplar beigelegt (Maria-Louise Dittrich, Marburg) Seite 24 RZ_Katalog_Werte im Widerstreit_final 26.09.2012 14:46 Uhr Seite 25 25 Was Laum nun selbst wollte, ist letztlich nicht eindeutig zu beantworten. Einerseits stellt er seine Idee in radikaler Weise dar und beansprucht uneingeschränkte Gültigkeit. Auf der anderen Seite relativiert er seine These und betont, dass er absichtlich provokant und überspitzt argumentiert habe. Sein Ziel wäre es lediglich gewesen, die Bedeutung des Sakralen zu stärken – nicht aber es als einzig relevanten Ursprung der Geldentstehung zu bezeichnen. Wie man auch zu seinen Äußerungen steht, der Versuch, die Entstehung des Geldes auf das antike Griechenland und den sakralen Bereich zu beschränken, greift aus heutiger Sicht zu kurz. Titel der Dissertation: Beiträge von Wissenschaftlern der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main zur Genese von Geld (Bernhard Laum 1884 – 1974, Wilhelm Gerloff 1880 – 1954 und andere). Wirtschaftswissenschaften, Prof. Dr. Dres. h.c. Bertram Schefold Bernhard Laum, Heiliges Geld, Neuauflage 2006, Semele-Verlag, Berlin Rezensionsexemplar des Buches Heiliges Geld, 1923, das dem Autor zur letzten Korrektur vorgelegt wurde, bevor das Buch in Druck ging (Maria-Louise Dittrich, Marburg) RZ_Katalog_Werte im Widerstreit_final 26.09.2012 14:54 Uhr Seite 77 77 ABBILDUNGSNACHWEIS Antikenmuseum der Universität Heidelberg: S. 36 rechts, 37, 38 links Mitte Archäologisches Museum, Frankfurt a. M.: S. 40 Archäologisches Museum, Olympia: S. 15 rechts Marija Bajalović-Birtašević, Srednjevekovna nekropola u Mirijevu, Belgrad 1960: S. 65 links Miriam Balmuth, Hacksilber to Coinage, New York 2001: S. 17 Achim Bednorz, Köln: S. 56 rechts bpk /Antikensammlung, SMB, Berlin: S. 35 rechts Barry Cunliffe, Roman Bath Discovered, Stroud 20004: S. 57 Anamaria Depner, Augsburg: S. 72 – 74, 75 unten, 76 Deutsche Bundesbank, Frankfurt a. M.: S. 16, 18, 20 rechts Maria-Louise Dittrich, Marburg: S. 22 DRASSM, Marseille, Frankreich: S. 43 – 47 Jean Elsen & ses Fils s. a. – Auktion 90, Nr. 468: S. 66 Katherine Erdman, University of Minnesota: S. 58 Forschungsgruppe Nok-Kultur: S. 49, 51 (Barbara Voss und Monika Heckner); 48, 50 Frobenius Institut, Frankfurt a. M.: S. 21 links, 24, 25, 29, 30 rechts, 36 links, 38 rechts oben und Mitte, 59, 61, 71 links unten, 75 oben (Peter Steigerwald); 41 Grabungsprojekt Tell Chuera: S. 9, 27, 28, 30 links Grabungsprojekt Tell Mozan: S. 31 – 34 Jakob Hanke, Frankfurt a. M.: S. 56 links Robert Kern, Bad Reichenhall: S. 55 rechts Kathrin Knodel, Frankfurt a. M.: S. 69, 70, 71 links oben und rechts Landkreis Berchtesgadener Land: S. 53 Ministry of Education, Religious Affairs, Culture & Sports, General Secretariat of Culture, Numismatic Museum, »Coins and Numismatics«, Athen 1996: S. 15 links Museo di Santa Giulia, Brescia, Italien: S. 42 Museo Nazionale Romano, Rom: S. 35 links Museum der Weltkulturen, Frankfurt a. M.: S. 63 rechts (Wolfgang Günzel) Museum of Art, Rhode Island School of Design, Providence, USA: S. 21 rechts Nationalmuseum, Kruševac, Serbien: S. 65 rechts, 67 Janina von Römer, Frankfurt a. M..: S. 60, 62, 63 links und Mitte Sammlung des Archäologischen Instituts der Georg-Augustus-Universität Göttingen: S. 38 rechts unten (Stephan Eckardt) Soprintendenza per i Beni Archeologici dell’Abruzzo, Chieti, Italien: S. 39 Universitätsarchiv, Frankfurt a. M.: S. 23 Vorderasiatisches Museum, Berlin: S. 10, 14 Max Wieser, Piding: S. 55 links Württembergische Metallwarenfabrik AG, Geislingen an der Steige: S. 38 links oben und unten RZ_Katalog_Werte im Widerstreit_final 26.09.2012 14:54 Uhr Seite 78 78 IMPRESSUM Begleitbroschüre zur Ausstellung WERTE IM WIDERSTREIT – VON BRÄUTEN, MUSCHELN, GELD UND KUPFER Eine Ausstellung des Graduiertenkollegs »Wert und Äquivalent« im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, Wiesbaden, vom 12. Oktober bis 16. Dezember 2012 Ausstellung Leitung und Konzeption Charlotte Trümpler, Peter Breunig mit Doktorandinnen und Doktoranden des Graduiertenkollegs »Wert und Äquivalent«, Goethe-Universität Frankfurt a. M. Katalog Herausgeber Charlotte Trümpler, Peter Breunig mit Doktorandinnen und Doktoranden des Graduiertenkollegs »Wert und Äquivalent«, Goethe-Universität Frankfurt a. M. Gestaltung Studierende des Fachbereichs Gestaltung der Hochschule Darmstadt – nach Entwurf Nicole Lössner / Bernadette Engel, Überarbeitung und Ausführung Sara Spörecke, Katharina Klueber. Betreuung Ursula Gillmann Text- und Bildredaktion Charlotte Trümpler, Peter Breunig Film Jan Frederik Berger, Sophia Edschmid, Institut für Kunstpädagogik, Schwerpunkt Film, Goethe-Universität Frankfurt a. M. Copyright Graduiertenkolleg »Wert und Äquivalent«, Goethe-Universität Frankfurt a. M. www.value-and-equivalence.de Kommunikationsdesign Kommunikationskontor_Düsseldorf Förderer der Ausstellung und der Broschüre DFG – Deutsche Forschungsgemeinschaft, Bonn Vereinigung von Freunden und Förderern der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M. e. V. Gestaltung Kommunikationskontor_Düsseldorf, Mitarbeit Katrin Büttgen