kultur - Roman Zeschky
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kultur - Roman Zeschky
W www.waz.de/kultur WKU_1 NR.163 Montag, 16. Juli 2012 KULTUR Der mysteriöse Tod von Sylvester Stallones Sohn Sage »Tummelplatz aller Klugscheißer« So umschreibt Ralph Caspers („Wissen macht Ah!“) den Ort Bibliothek. Er meint es nett: Caspers ist Pate der Aktionswoche „Treffpunkt Bibliothek“ im Oktober Der Anwalt des 36-Jährigen weist Spekulationen über Selbstmord zurück. Gesellschaft Schluss-Akkorde beim Klavierfestival, die bewegen Till Brönner und seine Freunde verzücken die Mercatorhalle. Kultur 2 Wes Westfälische Rundschau Wie das Gedächtnis des Reviers wächst 24 neue Fotoserien ins „Pixelprojekt“ aufgenommen – Ausstellung im Wissenschaftspark Gelsenkirchen Gelsenkirchen. Das fotografische Gedächtnis des Reviers wächst unaufhörlich – im Internet. Das „Pixelprojekt Ruhrgebiet“, 2003 von Fotografen der Region gegründet, nutzt die unendlichen Speichermöglichkeiten des Netzes, um festzuhalten, was sich vor Ort bewegt, verändert, strukturwandelt. 2011/12 sind 24 Serien von 24 Fotografen neu aufgenommen worden – beworben hatten sich 82 aus ganz Deutschland, der Schweiz und Australien mit insgesamt 131 Fotoserien. Ausschnitte dieser Serien sind jetzt im Wissenschaftspark Gelsenkirchen zu sehen. Sie zeigen den Alltag: die Details von gelungener, hochmoderner Kirchenarchitektur und heitere bis herzige Seiten der Tierliebe im Revier, die dunkelblutigen Seiten des türkischen Opferfestes und des beinahe klinischen Schlachthof-Betriebs, den Abbruch von Jugendstil-Häusern in Duisburg-Bruckhausen und die Versuche, die Schwachstellen neuerer Architektur zu kaschieren (in Dortmund, Stadtkrone-Ost), den Sparringsbetrieb beim Boxclub in Hamborn und einmal auch die lachenden, rußgeschminkten Bergleute in Unterbuxe – eine alte Serie aus den 80er-Jahren, noch in schwarzweiß. JD i Pixelprojekt Ruhrgebiet, Neuaufnahmen 2011/12. Wissenschaftspark Gelsenkirchen, Munscheidstraße 14, Eintritt frei, Öffnungszeiten: mo-fr 6-19 Uhr, sa 7.30-17 Uhr, Tel 0209 1671000 www.pixelprojekt-ruhrgebiet.de AUF EIN WORT Nach dem Biogas ist vor dem Knall Von Lars von der Gönna D ie Bayreuther Festspiele sind auch „Werkstatt“. Eine Inszenierung darf sich verändern. Das nahmen Opernregisseure unterschiedlich ernst. Manche machten sich Mühe, ihre Sicht auf Parsifal oder Lohengrin auf den Prüfstand zu stellen. Andere kamen nach der Premiere nie wieder, was Wagners natürlich weniger gern sahen. Etwa im Falle von Peter Hall. Der bekam 1983 den Zuschlag für den „Ring des Nibelungen“. Die Kritik war mäßig. Als man bei der Wiederaufnahme Wolfgang Wagner 1984 fragte, wo denn Sir Hall stecke, sagte er trocken: „Der ist volljährig, da schreibt man sich seine Entschuldigung selbst.“ Fast 30 Jahre später fiel 2011 der „Tannhäuser“ durch, eine Inszenierung im Zeichen einer Biogasanlage. Regisseur war Sebastian Baumgarten. 2012 kommt er wieder, trotz lauter Buhsalven. Pikant: Baumgartens „Kloaken-Tannhäuser“ hat einen neuen Dirigenten. Es ist Christian Thielemann, bekennender Gegner des Regietheaters. Da fällt einem schon wieder die Werkstatt ein. Und dass dort manchmal auch der Hammer kreist. Marc Ziegert hat die Ruhrgebietskneipe dokumentiert, die zu den vom Aussterben bedrohten Arten des Bierreichs gehören. „Früher hatte ich immer einen Vorrat an Drachenfutter hinter dem Tresen“, sagt etwa Elfriede Fey vom oben abgelichteten „Haus Fey“. Pralinenschachteln also, Dirk Krüll rückt die Tierliebe des Reviers ins Bild, und manchmal ist das ein Ziegenbesitzer mit seinen meckernden Freundinnen, manchmal aber auch ein ganzer Kaninchenzüchterverein wie hier in Dinslaken, der sich kollektiv einen Züchtungsakt zu Gemüte führt. Die unvermeidlichen Brieftauben, die gerade für die Reise fertig gemacht werden, sind auf dieser Fotostrecke genauso vertreten wie das beinahe nackte Hündchen, das sein Frauchen über die Messe „Hund und Pferd“ in Dortmund spazieren führt. Ein Teil der Bilder gehört auch schon zur Dauerausstellung des Ruhrmuseums in der Kohlenwäsche der Essener Welterbe-Zeche Zollverein. die ihre Stammkunden den Ehefrauen nach einem ausgedehnten Kneipenbesuch zur Besänftigung mitbrachten. Doch heute werden die Pralinen alt und älter, genau wie die Leute, die noch in die Kneipe kommen. Was bleibt, ist die Einrichtung. Die Jukebox, eine Art öffentlicher iPod Bianca Behnisch porträtiert in ihrer Serie „Traditionsbetriebe in Husen-Kurl“ Pächter und Besitzer von Kneipen, Imbissstuben, Mühlen und Hofläden in den Dortmunder Stadtteilen an ihrem Arbeitsplatz. Diese Frauen halten für einen Moment inne, als ließen sie ein Stück der teilweise über 100 Jahre währenden Geschichte ihrer Betriebe vor dem inneren Auge vorüberziehen. Vielleicht wirken sie auch deshalb mitunter so, als hätten sie auch Edward Hopper Modell stehen können. Roman Zeschky hat von Iserlohn bis Duisburg „Schattenwelten im Ruhrgebiet“ fotografiert – „Unter uns das Gestern“ heißt seine Serie, die wie aus einer anderen Welt wirkt. Während über der Erde das alte Revier fast nur noch in Denkmälern zu finden ist, blieb unter der Erde vieles beim Alten: Luftschutzstollen und Krankenhäuser, Atom- und Operations-Bunker, Produktionsanlagen und Luftschutzräume gibt es noch. Das Foto links zeigt einen OP-Bunker unter Duisburg. der 60er- und 70er-Jahre mit „200 Wahlmöglichkeiten“. Die Butzenscheiben, die abgewetzten Möbel und die Tischdecken, deren Bügelfalten wie ein kleiner Protest gegen den Sieg der Glätte wirken. Es menschelt auf diesen Bildern, auch wenn sie nur Dinge zeigen. Das ist die Kunst. David Klammer hat es auf das bewegte Nachtleben des Reviers abgesehen – auf die größte türkische Diskothek Deutschlands in Bochum etwa, dem „Taksim Club“. Klammers „Diskoszene Ruhrgebiet“ bietet ein Panorama des tänzerischen Schaulaufens, das erheblich mehr schillert als das tagsüber immer noch zum Grauschleier neigende Revier. Das Bild oben zeigt den Bochumer „Matrix Club“, andere Bilder entstanden in der Oberhausener „Turbinenhalle“ und im Duisburger „Delta Music Park“. Klammer lichtet dabei nicht nur die Selbstdarsteller ab, sondern auch das junge Zögern und die Ausgelassenheit auf der Nachtseite des Alltags. Stefanie Vielhauer hat in Gelsenkirchen, Herne und Bochum die ehemalige Eisenbahnstrecke fotografiert, auf der das Eisenerz zu den Hochöfen des Ruhrgebiets gelangte, eine Pulsader der Schwerindustrie. Das heutige Naherholungsgebiet hat sie mit jenem Puderzuckerüberzug aus Schnee fotografiert, der sonst nur für bayerische Wälder und österreichische Almen Anwendung findet. Das Revier auf dem Weg zur Tourismusregion, lautet die Botschaft – oder auch schlicht: So schön kann’s hier sein. EKD übt Kritik an Documenta-Chefin Kassel. Teilnehmer eines kirchlichen Kunst-Symposions haben die Documenta-Leiterin Carolyn ChristovBakargiev kritisiert. Der Kunstbegriff der Documenta sei seltsam entgrenzt, kritisierte die Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bahr. Christov-Bakargiev schreibe der Kunst eine religiöse Funktion zu, so Bahr. Sie solle versöhnen und heilen sowie auf eine andere Welt hinweisen. „Das ist der ästhetische Versuch der Ersetzung der Religion durch die Künste“, sagte Bahr. Besucher sollten sich nicht vom Programm der Leiterin beirren lassen, sagte Bahr vor der Evangelischen Akademie Hofgeismar. epd DAS GEDICHT Verratene Liebe Von Hans Christian Andersen (1805-1875) Da nachts wir uns küssten, o Mädchen, Hat keiner uns zugeschaut. Die Sterne, die standen am Himmel, Wir haben den Sternen getraut. Es ist ein Stern gefallen, Der hat dem Meer uns verklagt, Da hat das Meer es dem Ruder, Das Ruder dem Schiffer gesagt. Da sang der selbige Schiffer Es seiner Liebsten vor. Nun singen’s auf Straßen und Märkten Die Knaben und Mädchen im Chor.