Wir sind wie eine echte Familie

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Wir sind wie eine echte Familie
Marketing
April_2009
„Wir sind wie eine echte Familie“
Der Lutz-Ausnahmemarketer Thomas Saliger rief vor zehn Jahren die Familie Putz ins L
­ eben.
Wie es dazu kam, warum der studierte Jurist mit Tischlerausbildung am liebsten in einem
Möbelhaus wohnen würde, und was er von Woody Allen lernte, verriet er BESTSELLER.
interview harald wolkerstorfer
bestseller Herr Saliger, Marketer wie Sie
Wie sitzen Sie am liebsten?
­verbringen gut und gerne 70 Stunden die Woche
saliger Zu Hause sitze ich am liebsten auf mei-
im Büro. Was bedeutet es für Sie, nach Hause
ner Machalke-Ledergarnitur. Das ist für mich
zu kommen?
ein Ort der Entspannung. Da sehe ich fern oder
thomas saliger Das ist schwer zu beschrei-
lese mit meiner Tochter. Im Büro sitze ich am
ben. Wenn man zu Hause bei der Tür reinkommt,
liebsten auf dem Vitra-Sessel im Besprechungs-
dann ist man in einer anderen Welt. Ich muss
zimmer. Diese hier stammen aus der Mann-Mo-
schneller abschalten können als andere, bei de-
bilia-Zentrale in Deutschland, die wir übernom-
nen das vielleicht gleitender gehen kann. Ich geh
men haben. Wir sind sehr sparsam (lacht).
rein, und – zack – bin ich da. Eine gewisse Getriebenheit hört zu Hause auf. Abschalten ist aber
Sitzen Sie zu Hause auch auf Lutz-Möbeln?
auch eine Erscheinung des Alters. Früher war
saliger Ja, natürlich. Mittlerweile habe ich al-
für mich 24 Stunden „Trallala“. Mein zu Hause
les ausgetauscht und bin nun sortenrein.
sein beschränkt sich auf Samstagnachmittag und
Sonntag. Werbung bedeutet viel Tagesgeschäft.
Sie haben gesagt, Sie lesen mit Ihrer Tochter
Bei uns werden am Tag zwei Prospekte mit einem
auf Ihrem Lieblingssofa. Lesen Sie da auch
Umfang von 48 bis 100 Seiten fertig.
­Zeitung? Wie informieren Sie sich?
Ihre Zeit ist sehr knapp bemessen. Wie versu-
Info dient das Internet. Für den Bildungs- und
chen Sie, Arbeits- und Privatleben zu trennen,
Erholungsfaktor nehme ich die Zeitung oder das
haben Sie einen regelmäßigen Tagesablauf?
Magazin zur Hand. Am meisten lerne ich aller-
saliger Ich komme schon zwischen fünf und
dings, wenn ich durch ein Shoppingcenter spa-
sechs Uhr morgens ins Büro. Dann beginne ich
ziere. Da sieht man konkretes Kundenverhalten.
mit dem Aufarbeiten. Zwischen sechs und sie-
In vermeintlich interessanten „Marketingbü-
ben habe ich schon den ersten Termin mit mei-
chern“ liest man oft nur fünf Zeilen und legt sie
nem Grafikleiter. Und ab dann ist man im nor-
dann weg. Kommunikation funktioniert viel ein-
malen Tagesablauf drinnen. Ich habe viele
facher. Man muss sie spüren und erleben, das ist
Besprechungen. Die Hälfte des Tages besteht
keine theoretische G’schicht.
saliger Es ist ein Mix aus allem. Zur schnellen
Die Familie Putz wirbt seit zehn
Jahren für Lutz: Cecile Nordegg
(Mama Putz), Stephan Bauer
(Putzi), Trude Fukar (Oma Putz)
und Hubert Wolf (Papa Putz).
aus Sitzungen. Die andere Hälfte ist Tagesgeschäft. Um 19 bis 20 Uhr ist der Tag zu Ende.
Gibt es einen gewissen Spirit im Unternehmen,
in Ihrer Abteilung?
saliger Unser Credo lautet: „Mit Sonne im Herzen die Nummer eins.“ Unser Unternehmen ist
so, wie wir uns im Fernsehen darstellen: ein
bisschen crazy, etwas unkonventionell. Unsere
Mitarbeiter haben ein gewisses Leuchten in den
Augen und einen Spaß am Leben. Der Spaß und
das Wollen bei der Arbeit sind wichtig. Die ganze
Firma ist relativ jung. Unsere Expansion ist in
den 1990er-Jahren explodiert. Deswegen ist
auch das Management jung. Das ist ein riesiger
Kommen wir zu Ihrer Werbefamilie Putz,
die Sie ins Leben gerufen haben. Wie sind
Sie eigentlich auf die Idee gekommen?
saliger Meine Grundidee war, dass es das
Schönste ist, in einem Möbelhaus zu wohnen. Das
wollte ich immer. Aus diesem Gedanken heraus
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fotos XXXLutz, ms.foto.group
Wettbewerbsvorteil. Wir sind hungrig.
ist die Familie Putz entstanden. Den Einfall hatten Rosa Haider-Merlicek und ihr Team von unserer Agentur Demner, Merlicek & Bergmann.
Die Familie heißt deswegen Putz, weil sich das
auf Lutz reimt. Die ersten Spot-Intros lauteten:
„Das ist die Familie Putz, die wohnt beim Möbel
Lutz.“ Mittlerweile waren wir mit der Familie
Putz am Mond, wir waren Falco sowie Bundespräsident und haben die Steiermark erobert.
Welche Menschen stecken eigentlich hinter
den Familienmitgliedern?
saliger Der Putzi heißt in Wirklichkeit Stephan
Bauer, er ist mittlerweile Student der Wirtschaft. Er hat jetzt aber auch Lust auf Regie bekommen. Die Oma Putz heißt Trude Fukar, sie
ist pensionierte Schauspielerin. Hubert Wolf
fungiert als Papa Putz, er ist Schauspieler und
Kabarettist. Und Cecile Nordegg, die Mama
Putz, ist Schauspielerin und Malerin.
Wie sind Sie zu den Familienmitgliedern
­gekommen?
saliger Durch ein Casting. Außerdem spielten
viele Zufälle mit. Der Stephan Bauer etwa hat
seinen Schülerausweis verloren. Jemand von
der Casting-Agentur hat ihn dann gefunden und
ihn angerufen. Wir haben bei der Auswahl sicher ein glückliches Händchen gehabt.
Ist die Rolle der Familie Putz für die einzelnen
Mitglieder im Privaten belastend?
saliger Natürlich hat der Hubert Wolf den Papa
Putz weg, weil er eine der tragenden Figuren ist.
Er ist von dieser Rolle geprägt. Bei der Trude ist
es aber am extremsten, sie wird sofort erkannt.
Sie lebt ihre Rolle auch am stärksten. Für den
Putzi, er hat sich auch stark verändert, und die
Cecile ist es noch am einfachsten. Mittlerweile
sind wir wie eine echte Familie. Es ist jedes Mal
wie ein Familientreffen, wenn wir zusammenkommen und drei, vier Tage irgendwo drehen – in
Wien, Prag, Bratislava oder wo auch immer.
Einmal wollten Sie mit der Familie Putz
sogar zum Song Contest, was aber dann
­gescheitert ist. Wie ist das gelaufen?
saliger Da bin ich auf den ORF sauer. Auch wegen der Inder-Geschichte jetzt bei Dancing Stars.
Bei der Vorausscheidung 2003 haben Plattenfirmen die zehn Startplätze gehört und dann ihre
Kandidaten ins Rennen geschickt. Bei uns war es
Universal. Der ORF hat uns erst kurz vor der Sendung abgesagt, wohl weil es sich bei der Familie
Putz um Werbefiguren gehandelt hat. Beim Inder
geht das heutzutage. Das halte ich für äußerst bedenklich. Wir hatten damals schon fertige CDs.
Stichwort XXXLutz-Gruppe
Das Möbel-Imperium auf einen Blick
Der erste XXXLutz eröffnete im Jahr 1999 in der Shopping City Süd in Vösendorf bei Wien.
Vorher firmierte die Möbelkette einfach unter dem Namen Lutz. Die XXXLutz-Niederlassung in der
Shopping City wird ihrem Superlativ nach wie vor gerecht, sie ist nach Lutz-Angaben bis heute
das größte Einrichtungshaus Österreichs. Neben der klassischen Möbelkette XXXLutz
­befinden sich auch noch der Diskonter Möbelix sowie die österreichische Antwort auf Ikea,
Mömax, unter dem gleichen Unternehmensdach. Die Lutz-Gruppe verfügt national und international derzeit über insgesamt 143 Häuser. 46 XXXLutz stehen in Österreich, 20 in Deutschland. Möbelix verfügt über 47 Geschäfte in Österreich, 7 in CEE (Tschechien, Slowakei, ­Ungarn).
Und Mömax hat 9 Filialen in Österreich und 14 in Deutschland.
Die Lutz-Gruppe verfolgt einen scharfen Expansionskurs. Nach dem wichtigsten Möbelmarkt
Europas, Deutschland, und dem südosteuropäischen Markt nehmen die Welser nun Nordeuropa
in Angriff: Ausgerechnet im schwedischen Malmö wird 2010 in einer ehemaligen Ikea-Filiale
ein XXXLutz eröffnet.
Die Lutz-Gruppe erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2008 mit 16.500 Mitarbeitern einen Umsatz
von 2,5 Milliarden Euro.
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Marketing
April_2009
Das wäre für den Alf Poier, der dann gewonnen
gesamt sind diese Wohnungen auch kleiner. Des-
hat, schlecht ausgegangen (lacht). Fast wären wir
wegen gibt es da auch kaum Eckbänke, sondern
auch schon bei der Bundespräsidentenwahl ange-
eher Stuhlgruppen. Überhaupt sind Eckbänke ein
treten – und zwar mit dem Papa Putz, natürlich
sehr österreichisches Mobiliar. In Osteuropa gibt
unter dem Namen Hubert Wolf. Rechtlich war al-
es noch Eiche dunkel gebeizt oder schwarze Mö-
les geklärt, wir haben aber dann darauf verzich-
bel. Das existiert bei uns in dieser Form nicht.
tet, um nicht ins Politische abzugleiten.
Weiteres Beispiel Sitzkomfort: Österreicher sitzen relativ hart, in Deutschland wird von Süden
Zehn Jahre ist für das Werbegeschäft extrem
nach Norden der Sitzkomfort weicher. In Ame-
lange. Wie kam es dazu?
rika sitzt man ebenfalls ganz weich. Die Sorti-
saliger Dazu braucht es Kontinuität und Kon-
mente müssen regional stark angepasst sein.
sequenz. Kontinuität ist das Wichtigste in der
»Stress ist sehr
leicht auszuhalten,
wenn man ein
Plus macht.«
Thomas Saliger
Marketingleiter und Unternehmenssprecher XXXLutz-Gruppe
Werbung. Natürlich braucht man da etwas, mit
Wie hat sich in Österreich die Art des Wohnens
dem man kontinuierlich arbeiten kann. Wir ha-
verändert?
ben das auch bei Möbelix mit dem Möbelix-Man,
saliger Jetzt richtet man gerade eher luftig
das funktioniert seit neun Jahren. Bei Mömax
ein. Früher hat man die Wände verbaut. Heute
haben wir das mit Abstrichen mit dem Pfeil
richtet man weniger rational, vielmehr emotio-
(siehe Kasten, Anm.). Am Anfang war die Fami-
nal ein. Der Trend geht auch in Richtung Einzel-
lie Putz nicht unumstritten und sehr schrill.
stücke. Heute können wir auf Trends viel schnel-
Heute schreiben uns die Leute Spot-Ideen und
ler reagieren, weil wir mehr auf die Industrie
erkundigen sich, wie es der Oma geht. Mittler-
einwirken können. So können wir sagen: Okay,
weile gibt es 130 verschiedene Spots. Wir ma-
jetzt stärken wir den Bereich home office. In Ös-
chen zwölf Spots pro Jahr. Da muss sich immer
terreich und Deutschland ziehen sich die Leute
was tun, sonst hätte sich das Format schon tot
eher ins Private zurück. Wohntrends sieht man
gelaufen. Wir machen auch sehr viel mit Musik.
auch sehr schnell bei Fertigteilhäusern.
Ist bei der Familie Putz ein Ende abzusehen?
Also neues Biedermeier – Sie konnten von der
Immerhin geht die Oma schon auf den 90er zu?
derzeitigen Wirtschaftslage profitieren?
saliger Nein, da ist open end. Wir haben viele
saliger Zumindest kurzfristig. Wir spüren das
Ideen. So könnte auch der Putzi eine eigene Fa-
seit vergangenem Herbst. Die Menschen haben
milie haben. Es könnten aber auch zusätzliche
auch Angst davor, dass alles teurer wird, das führt
Personen dazukommen, wie die Tante Luzia ver-
zu Vorziehkäufen. Außerdem bilden die Wohn-­
gangenen Herbst. So lange die Trude (die Oma,
Accessoires einen wesentlichen Umsatzanteil.
Anm.) will, schreiben wir für sie eine Rolle. Wir
schicken unsere Omi nicht ins Altersheim.
Worauf legen Sie beim Wohnen Wert?
Ehrlich: Hat Sie die Familie Putz nie genervt?
Räume. Ich kann nichts damit anfangen, wenn
saliger Nein, nie.
die Küche, das Speisezimmer und das Wohnzim-
saliger Ich schätze offene, kommunikative
mer eigene Türen haben. In offenen Räumen
All Ihre Marken werden seit Jahren von
kann man mit Möbeln wiederum Nischen schaf-
­Demner, Merlicek & Bergmann betreut.
fen. Außerdem ist es mir wichtig, dass der Raum
Was schätzen Sie an der Agentur?
etwas höher ist als normal, dass mehr Luft- und
saliger Man darf Agenturen durch Briefings
Bewegungsräume vorhanden sind.
nicht so einschränken, dass sie nicht mehr arbeiten können. Das passiert in 80 Prozent der
Zum Abschluss: Was möchten Sie über sich
Fälle. Demner arbeitet bei allen Marken irrsin-
­hören?
nig konsequent und kontinuierlich. Zuerst wird
saliger Ich möchte hören, dass ich nicht jemand
ein Markenkern definiert und dann gelebt, ge-
bin, der glaubt, die Welt erfunden zu haben, dass
lebt, gelebt. Es ist immer der gleiche Trick.
ich ein Teamplayer bin und dass es mir sehr viel
Demner kann Marken, die nicht Nummer eins
auf Emotionen und natürliche Instinkte an-
sind, ganz nach vorne bringen.
kommt. Wir sind viel normaler und natürlicher,
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schon. Auch Kommunikation funktioniert viel
ten. Gibt es da unterschiedliche Wohnvorlieben?
einfacher, als wir glauben. Außerdem halte ich es
saliger Unterschiede gibt es quer durch alle Wa-
mit Woody Allen, der sagte: „Ich denke oft an die
rengruppen. Beispiel: In Osteuropa gibt es viele
Zukunft, denn dort werde ich den Rest meines
Gasherde, da schauen die Küchen anders aus, ins-
Lebens verbringen.“
foto ms. foto.group
als wir glauben. Wir funktionieren wie immer
Sie sind in den verschiedensten Ländern vertre-