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reise madeira Elftes Gebot: Besuche Madeira Eine Liebeserklärung an den Garten Eden Europas 6 7 5 1 2 3 E Fotos: © slipdealder.de / Collage © chilli in portugiesischer Prinz schickte Anfang des 15. Jahrhunderts zwei junge Kapitäne auf Entdeckungsreise. Sie stießen auf eine riesige, dunkle Wolkenmasse am Horizont. Als die beiden Abenteurer sich an dieses Ungetüm heranwagten, stellte es sich als komplett bewaldete Insel heraus, weswegen sie ihr den Namen „Madeira“ – Holz – gaben. Jahrhunderte später besuche ich als ziemlich mittellose Schulabgängerin die Insel und lande mitten im Atlantik auf einem schwimmenden Berg, der vor 12 Millionen Jahren entstand, als ein untermeerischer Vulkan Lavamassen vom Meeresboden in die Höhe gedrückt hat. Eine Insel, auf der ewiger Frühling, bestes Klima und enorme Vielfalt herrschen. In dem mit durchschnittlich 22 Grad milden, aber nicht zu heißen Klima wächst und gedeiht Obst und Gemüse in Hülle und Fülle. Beim Ankommen springen erst einmal die 14 CHILLI Kultur Dezember 2015 / Januar 2016 4 vielen Bananenstauden ins Auge. Diese sind zwar nicht so krumm und groß, wie die EU es sich wünschen würde – dafür schmecken sie noch echt nach Banane. Auch sehr lecker zum traditionellen Degenfisch. Madeira ist für bekennende Wandervögel wie mich ein Paradies: Die ganze Insel blüht und grünt, von Liebesblumen über Bougainvillea und Hibiskus bis hin zu Hortensien und dem „Stolz Madeiras“, den lila leuchtenden Echinacea. Neben der fantastischen Vegetation staune ich über die wandelbare Landschaft. Die Insel bietet nass-grüne Lorbeer- oder Eukalyptuswälder, aber auch heiße, trockene Staubwege mit orange blühenden Kakteen. Eine Wanderung kann einem Kurztrip durch den Regenwald ebenso ähneln wie einem durch Afrika. Schwindelfreiheit ist dabei von Vorteil, da viele Wanderwege direkt am Abhang von senkrecht in die Tiefe herabstürzenden Steilklippen laufen. Kaum zu glauben, dass die Insel früher als Urlaubsdomizil für rüstige Rentner schlechthin galt. Reise madeira Fotos: © Sophie Radix 8 9 1. Traditionelles madeirisches Bauernhaus in Santana. 2. Eine Touristenattraktion: In einem Korbschlitten auf Holzkufen geht es bergab. 3. Eine Spezialität des Landes, der Madeirawein (Likörwein 4. Bacalhau (Stockfisch), das mit 17-22% Vol.), reift in Barriquefässern. portugiesische Nationalgericht, darf auch in der madeirischen Küche nicht fehlen. 5. Der Hafen der Hauptstadt Funchal 6. Die berühmten portugiesischen Azulejos (große, historische Bildergeschichten in blau-weiß gebrannte Fliesen) finden sich auch im Botanischen Garten 7. Die wahrscheinlich berühmteste Blume, die Strelizie 8. Madeiras Westen besicht durch herrliche Panoramen. 9. Madeiras zentrales von Monte. oder Paradiesvogelblume, ist auf Madeira beheimatet. Hochland: Das Landesinnere bietet ein völlig anderes Landschaftsbild, das zum Wandern einlädt. Allerdings sind die steilen Touren kein Muss: Bereits im 15. Jahrhundert wurden künstliche Wasserläufe angelegt, die sogenannten Levadas, um das Wasser aus den niederschlagsreichen Bergen in andere Bereiche der Insel zu transportieren. Diese Wege sind flach, damit das Wasser besser fließen kann, und laden daher auch zum Spazierengehen ein. Plant man indes, einen der vielen Tunnel auf der Insel zu durchqueren, sollte man Licht dabei haben: Ich selbst vertraue in einem eigentlich harmlosen Tunnel bei Rabaçal naiverweise auf das Licht meines Handys, muss mich dann aber minutenlang im fast Stockdunkeln an nass-kalten glitschigen Wänden entlanghangeln, bis zwei fröhliche „Viva Colonia“ singende Touristen hinter mir mit ihren Taschenlampen Licht ins Dunkle bringen. Neben anderen Wandervögeln begleiten einen stets das Rascheln der schillernden Eidechsen, die über heiße Steine huschen, und hüpfende Finken, die einem durchaus mal überschüssige Krümel aus der Hand picken. Besonders ruhige und nicht überlaufene Pfade finden sich im Westen der Insel. Vom Dorf Estreito da Calheta geht es mit spektakulären Ausblicken entlang steiler Hänge in die Nachbardörfer Jardím do Mar und Paúl do Mar. In den umliegenden Bergen fließt ein Wasserfall, dessen Lauf einen Bach und kleine Teiche bildet, die zur Erfrischung inmitten grünster Natur einladen. In Jardím do Mar zeigt der Atlantik dann mit meterhohen Wellen, was er drauf hat. Beim Verlassen der Insel bin ich einerseits traurig, diese Schönheit hinter mir zu lassen. Aber auch ein bisschen erleichtert. Denn wer einmal auf Madeira war, macht sich weniger Gedanken darüber, ob er mal in Himmel oder Hölle landet. Er hat das Paradies auf Erden schon gesehen. Sophie Radix Madeira ANZEIGE INFO Ankommen & Rumkommen Edelweiss, eine Tochter von SwissAir, fliegt ab Zürich zweimal die Woche direkt nach Funchal (kostet um die 350 Euro hin und zurück) Vom EuroAirport Basel-Mulhouse-Freiburg aus gibt es Flug-Verbindungen nach Funchal entweder über London oder über Lissabon. Mehr Info: www.euroairport.com Ein Tipp zur Übernachtung ist das Hotel Atrio in Estreito da Calheta, familiäre und ruhige Atmosphäre 500 Meter über dem Meer. Viele schöne Wanderungen beginnen direkt hinterm Haus. Infos im Netz www.visitmadeira.pt | www.atrio-madeira.com Dezember 2015 / Januar 2016 CHILLI kultur 15 reise Ukraine Das gespaltene Land Ein Streifzug durch die Ukraine Denkwürdig: Auf dem Maidanplatz wurden vor zwei Jahren Menschen erschossen. Heute schlendern dort Touristen umher und fotografieren Denkmäler für die Gefallenen. E s ist derzeit nicht jedermanns Sache, aber chilli-Redakteur Till Neumann ist eine Woche lang durch die Ukraine gereist. Er besuchte Kiew, Charkow und Dnipropetrowsk – die drei größten Städte des Landes. Manches erinnert dort an Paris, manches auch an die Sowjetunion. Und manchmal fühlt man sich ein bisschen wie im Krieg. Die Ukraine. Nicht gerade ein typisches Touristenziel in diesen Tagen. Man erinnert sich an brennende Barrikaden in Kiew, an Erschossene auf dem Maidanplatz, denkt an die Unruhen im Osten des Landes und an die annektierte Krim. Erst Ende November versammelten sich Kiewer Bürger auf dem zentralen Platz der Stadt. Sie gedachten der blutigen Revolution vor zwei Jahren im Zentrum Kiews. reise Ukraine Fotos: © tln Voller Kontraste: Kiew wandelt zwischen europäischer Metropole und Relikten der Sowjetunion. An Souvenirständen gibt‘s Putin-Klopapier. Am Maidan beginnt auch die Reise. Genauer gesagt im altehrwürdigen Sowjet-Hotel Kozatskiy. Vom Balkon aus hat man den Brennpunkt der Revolution direkt vor sich. Autos schlängeln sich dort hupend über die vierspurige Straße der 2,7-Millionen-Einwohner-Metropole, im Schein der orangenen Laternen schlendern Fußgänger zwischen monumentalen Bauten über den Asphalt. Den besten Blick hat Erzengel Gabriel. Er thront in 36 Metern Höhe auf der Säule des Maidan. Willkommen in Kiew. Warmes Wasser zum Duschen gibt’s am nächsten Morgen nicht. Und auch das Frühstücksbüffet bietet herzhafte Überraschungen: Nudeln, Fleisch, Reis und Gemüse. Die ukrainischen Tischnachbarn bedienen sich reichlich. Zum Glück gibt’s auch etwas Kuchen, Brot und Joghurt. Englisch spricht das Hotel-Personal nur bedingt. Aber irgendwie versteht man sich. Gesprochen wird Ukrainisch oder Russisch. Das Land ist zweisprachig, nahezu jeder versteht beides. Vor dem Hotel herrscht reges Treiben. Zwischen lässigen Bistros, schicken Cafés und einem McDonald’s treffen sich Jung und Alt. Wäre da nicht die fremde Sprache, man könnte sich in Paris oder Berlin wähnen. Die Stadt lebt und pulsiert. Wiedergewonnene Normalität trotz der brodelnden Konflikte im Donbass. Doch ein paar Meter weiter wird man von den harten Fakten eingeholt: Im Zentrum Klitschko macht Wahlkampf des Maidanplatzes lebt die Revolution weiter. Mannsgroße Fotos zeigen martialische Bilder der Kämpfe. Vor einem alten VW-Bus stehen Erinnerungstafeln mit Bildern der Gefallenen, die blau-gelbe Landesfahne flackert im Wind, Alt-Revolutionäre sammeln Spenden für Hinterbliebene. Auch rund herum sind viele Gedenkstätten, Kerzen, Fotos und Blumen erinnern an die rund 100 Erschossenen des Winters 2013/2014. Wer die Scharfschützen auf den Dächern rund um den Maidan beauftragte, ist bis heute nicht geklärt. Ungewiss ist an diesem Sonntag auch noch, dass Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko eine Woche später erneut zum Bürgermeister Kiews gewählt wird. Sonderlich beliebt ist er in alternativen Kreisen Kiews nicht. Er sei korrupt wie viele andere Politiker auch, heißt es. Nur etwa 15 Gehminuten entfernt liegt ein Szene-Ort, der in keinem Touristenführer verzeichnet ist. Partkom. Ein Partykeller, ein Proberaum, ein Ort des Widerstands. In den Räumlichkeiten treffen sich kreative Köpfe zum Musizieren, Diskutieren und Feiern. Während der Revolution wurden dort Verwundete versorgt. Viele der heutigen Stammgäste standen auf dem Maidan an vorderster Front. So auch der Schlagzeuger Costa, für den sein Land weiter im Ausnahmezustand ist: „Hier ist Krieg“, sagt der 42-Jährige. Unsicher fühle er sich in Kiew aber nicht. So geht es auch den Touristen. Nachts stolpert man zwar auch mal über bewaffnete Soldaten und Panzer. 33 Dezember 2015 / Januar 2016 CHILLI kultur 17 reise Ukraine Fotos: © tln Auf in den Osten: In Charkow stehen Panzer in der Stadt, Dnipropetrowsk lädt mit Uferpromenade und Strand zum Flanieren ein. 33 Doch Kiew kann man erkunden, ohne sich bedroht zu fühlen. Ein Rundgang lohnt sich: Malerische Kirchen wie das St. Michaelskloster recken ihre gold-glänzenden Kuppeln Richtung Himmel. Und Souvenirstände bieten interessante Einblicke: Neben Revolutions-T-Shirts werden Klopapierrollen mit dem Konterfei Wladimir Putins feilgeboten. Wer müde ist, kann sich mit einem Kaffee an kleinen Foodtrucks stärken. Das Heißgetränk gibt’s für etwa 50 Cent. Mittagessen kann man ab drei Euro, Vodka gibt’s für zwei. Mit dem Nachtzug geht es weiter in die zweitgrößte Stadt des Landes Charkow. Es empfiehlt sich, ein Schlafabteil für zwei Personen zu nehmen. In den Massenlagern sind Sauerstoff und Platz Mangelware. Eiskalte Luft kann man dafür am frühen Morgen in Charkow atmen. Im Bildungszentrum des Landes leben 1,4 Millionen Einwohner. Bis nach Russland sind es von dort nur 40 Kilometer, bis ins umkämpfte Donezk 300. Absolut sehenswert ist die Mariä-Himmelfahrt-Kathedrale. Die rot-ocker gestreifte Fassade sieht aus wie gemalt, der prunkvolle Innenraum glitzert golden wie die Schatzkammer Dagobert Ducks. Dafür ist der mehr als 700 Meter lange Freiheitsplatz im Zentrum gähnend leer. Nur ein Militärzelt steht am Rande, es heißt, dort würden Kämpfer für den Donbass rekrutiert. Eine überaus stilvolle Bleibe in der nur überschaubar touristischen Stadt ist das Hotel 19 (www. hotel19.ua). Dort lässt sich seelenruhig schlafen und ausgezeichnet essen. Im Kühlschrank eines kleinen Ladens um die Ecke lächelt Manuel Neuer vom Etikett einer Bierflasche. 18 CHILLI Kultur Dezember 2015 / Januar 2016 Über holprige Straßen geht es mit dem Kleinbus weiter nach Dnipropetrowsk. Die drittgrößte Stadt des Landes hat touristisch mehr zu bieten als Charkow. Die Uferpromenade des Dnepr lädt zum Flanieren ein, am kleinen Strand streckt sich sogar im Oktober ein Badegast. Das Stadtzentrum lockt mit einer netten Einkaufspassage, der Club Moulin Rouge erinnert nicht nur namentlich an Paris. Auch das schwülstige Interieur passt zum französischen Namensgeber. Entlang dem Dnepr geht’s zurück nach Kiew – in die Stadt der Kontraste: West trifft Ost, Krieg trifft Alltag, funkelnd-modern trifft brüchig-verkommen. Nur eins ist hier zweifelsohne zeitlos: Vodka. Das entsprechende Supermarktregal ist so groß wie hierzulande das für Bier. Till Neumann Ukraine INFO Die ukrainische Landeshauptstadt Kiew ist vom EuroAirport Basel-Mulhouse-Freiburg mehrfach täglich zu erreichen. Die Flüge gehen mit der Lufthansa oder Austrian Airlines über München. Mehr Mehr Info: www.euroairport.com