Informationen zu den Möbeln - RAISERLOPES Architekten +

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Informationen zu den Möbeln - RAISERLOPES Architekten +
LC 14 / LC 14
Die Abmessungen entsprechen den Werten seines Modulors.
Es sind Holzhocker, mit denen der Architekt Le Corbusier in
den 1950er Jahren die Studentenzimmer im Brasilianischen
Pavillon in der Pariser „Cité Universitaire“ einrichtete. Auf
den ersten Blick erinnern sie an profane Kisten, wie sie lange
im Transportwesen Verwendung fanden. Der zweite Blick
offenbart die sorgsame, werkgerechte Schwalbenschwanz
verbindung der Bauteile und allseitig vorgesehene GriffÖffnungen, die das Hantieren mit dem Sitzbaustein
vereinfachen. Die Maße 430x430x270 mm (HxBxT) entsprechen den Werten der roten Reihe seines Modulors, dass er
als Maß- werkzeug bezeichnete.
Ausgehend von den menschlichen Maßen und dem Goldenen
Schnitt hatte er bereits 1945/46 damit begonnen, ein
Entwurfswerkzeug zu entwickeln, das geeignet sein sollte,
die Harmoniegesetze auf Produkte moderner Serienherstellung anzuwenden. Architektur, Plastik, Design – alles sollte
im Gleichklang mit einander stehen, sich ergänzen,
aufeinander aufbauen. Das dokumentieren stellvertretend
die heute von Cassina produzierten Hocker LC1401 und
LC1402, die sich sowohl senkrecht als auch waagerecht
gestellt, angenehm nutzen lassen. Werden sie in größerer
Stückzahl zusammengestellt, entsteht eine Sitzlandschaft,
die dazu einlädt, sie zu besteigen. Darin artikuliert sich der
Gedanke des spielerischen Umgangs mit Bauelementen eines
Systems, von dem Le Corbusier im ersten Band zum Modulor
sagt, dass entsprechende Teile dazu auffordern, Gruppierungen vorzunehmen, „die jedes Gefühl, jede Laune und alle
rein rationellen Bedürfnisse zu befriedigen vermögen“.
The size corresponds to the measuring scale of his Modulor:
stools designed by Le Corbusier in the 1950ies for student
apartments in the 'Maison du Brésil' of the 'Cité Universitaire' in Paris. At first sight, they look like profane boxes used
in the transport sector. The second look reveals the solid
and precise dovetail joint system on the corners and slots in
each side for easy mobility. Measuring 430x430x270 mm
(width x height x depth) correlates with the figures of the
red series of the Modulor, Le Corbusier called his measuring
tool.
Based on human measurements and the golden ratio, Le
Corbusier had already started to develop a draft tool in
1945/46 to apply the range of harmonious measurements to
modern industrial production. Architecture, sculpture,
design – everything should be in complete harmony,
complement each other, build on each other.
The stools LC1401 and LC1402, today produced by Cassina,
represent all this; placed either horizontally or vertically,
they are very nice to use. Many of them arranged together
create a 'stool landscape' inviting anyone to step in realizing
the idea of playing with structural elements of a system. Le
Corbusier wrote about this in 'The Modulor': some parts ask
for being arranged in groups 'satisfying every feeling, every
mood and all purely rational needs'.
Modell Nr. 214 / Model No. 214
Das früheste Objekt der Auswahl ist bezeichnenderweise ein
Stuhl, der mit der Tradition der handwerklich geschaffenen
Einzelstücke radikal bricht: der in Großserie gefertigte
Bugholzstuhl Nr.14, den die Brüder Thonet 1859/60 entworfen haben. Ein im Herstellungsverfahren patentierter
Standardstuhl, der so konzipiert ist, dass davon, je nach
Ausführung, bis zu sechsunddreißig Stück zerlegt in einer
Versandkiste mit nur einem Kubikmeter Rauminhalt Platz
finden können. Damit entsprach der Stuhl lange, bevor
Hermann Muthesius das exportfähige Qualitätsprodukt als
Typenware einforderte, den Anforderungen des internationalen Wettbewerbs.
Hintergrund für eine wohl einmalige Erfolgsgeschichte,
denn weltweit gelten die Modelle dieser ThonetProduktfamile als Synonym für den Typus des Kaffeehausstuhls.
Das Produzieren in Serie wurde durch Thonet hoffähig. Nicht
nur, weil sich auch die wohlhabenden Stände den ThonetProdukten zuwandten, sondern weil die hohe Verarbeitungs- qualität den Stuhl nicht zwangsläufig als Massenware ausweist. Denn während sich mit dem Begriff der
Masse oft negative Assoziationen verbinden, bietet die
Serie immer auch die Option auf Außergewöhnliches. Sie
erlaubt es, Gegenstände zu schaffen, die zwar
zusammengehören und vieles gemeinsam haben, sich aber
trotzdem deutlich voneinander unterscheiden können.
Daher lässt die serielle Fertigung eine Vielzahl möglicher
Variationen ausdrücklich zu. Der Bugholz- stuhl Nr.14 ist
dafür ein Beispiel, denn er bekundet in zahllosen ModifikaTypically, the earliest selected object is a chair radically
breaking with the tradition of hand-made objects: the
Bentwood chair No. 14, designed by the Thonet brothers in
1859/60 in mass production. A patented manufactured
standard chair, specifically designed to make up to 36 flat
packed chairs fit into a one cubic meter shipping box; this
met the requirements for international competition long
before Hermann Muthesius asked for the high-quality type
ware product for export. These models of the Thonet family
became synonymous with the typical café-style chairs:
history of a unique success story.
Thonet made production in series widely accepted; not only
because the privileged classes liked the Thonet products,
but also because the high quality of the chair didn't make it
look like mass production. Whereas everything acquainted
to 'mass' often has a negative touch, the Thonet series also
offers extraordinary features and makes it possible to
create objects which belong together and have a lot in
common, but still can be very different from each other. The
serial production explicitly allows a wide range of
variations.
Here, the Bentwood chair No. 14 is an example; with
numerous modifications it moves with the times without
loosing it's unmistakable signature.
Skizze + Text: Dr. Thomas Schriefers, Köln
Modell Nr. 209 / Model No. 209
Im 1925 erschienenen Buch „L’ Art Décoratif d’ Aujourd’hui“
gab Le Corbusier seiner Überzeugung Ausdruck, dass die für
ihr Werk hoch geschätzten Möbelschreiner Frankreichs ihre
Lehrlinge eines Tages in Automobil- und Flugzeugfabriken
schicken müssten, um dort die Vorgaben innovativer
Holzverarbeitung zu erlernen. Gemäß der Auffassung, dass
die Mechanik „in sich den Auslese erzeugenden Faktor der
Spar- samkeit“ trägt, galt Le Corbusier das damals noch
weitgehend aus Holzteilen gefertigte Chassis eines
Flugzeuges als geeignetes Studienobjekt; Beispiel für
praktizierte Mater- ialökonomie, die eine effektive
Herstellungstechnik voraus- setzt.
Dieser Zusammenhang war bereits siebzig Jahre zuvor den
Brüdern Thonet bewusst gewesen, als sie ihre Idee des
Dampfbiegens von Holz patentieren ließen, um im Folgenden
preiswerte Bugholzmöbel zu produzieren. Dadurch
revolutionierten sie nachhaltig die Fertigung von Standardmobiliar. Konsequenterweise würdigte Le Corbusier die
Thonet- Produkte nicht allein in seinen Publikationen,
sondern auch dadurch, dass er sie in wichtigen
Programmbauten platzierte. So fand sich der ThonetBugholzsessel 209 ganz selbstverständlich im modernistischen Pavillon de L´Esprit Nouveau der 1925 in Paris
stattfindenden L´Exposition
Internationale des Arts
Décoratifs. Fünfundzwanzig Jahre, nachdem Thonet den
Armlehnstuhl auf den Markt gebracht hatte, rückte er
massiv in den Fokus der Architektenschaft, da er vorbildlich
verkörperte, was Le Corbusier vom zeitgemäßen Einrichtungsgegenstand erwartete: bescheidene, klare und
In his book 'L´Art Décoratif d`Aujourd`hui', published in
1925, Le Corbusier expressed his belief that some day, the
highly recognized cabinet makers in France will have to send
their apprentices to car and aircraft factories in order to
learn the specifications of innovative wood-working.
According to Le Corbusier's perception, that mechanics
incorporate 'economical behavior as a factor for selection',
the chassis of an airplane mainly made of wooden parts at
that time, was the ideal object of study; an example for the
economy of materials in practice requiring a specific
manufacturing technique. The Thonet brothers were aware
of this already 70 years before when they had their
invention of steam-bending wood patented in order to
produce low-priced bentwood objects. This was a lasting
revolution for the production of standard furniture. As a
consequence, Le Corbusier did not only acknowledge the
Thonet products in his publications, but also used them in
his major constructions. Therefore, it was a matter of
course that Le Corbusier showed the Thonet Bentwood Chair
No. 209 in his Pavillon de L'Esprit Nouveau at the Paris
Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels
in 1925. Twenty-five years after Thonet introduced the
armchair to the market it gained further recognition among
architects; the chair was everything Le Corbusier expected
of modern furniture: a clear, undecorated and efficient
Skizze + Text: Dr. Thomas Schriefers, Köln
Tischset B9 / Table set B9
Die langsam erfolgte Abkehr vom Plüsch der Gründerzeit
förderte Anfang der 1930er Jahre das Interesse an
Stahlrohrmöbeln. Längst wurden nicht nur MetallrohrStühle gefertigt. Zum Angebot gehörten nun auch Schränkchen, Bettgestelle, Ess-, Club- und Schreibtische, Servierwagen und Beistelltische. Mobiliar, das der Anlage einer
neuzeitlichen Wohnung entsprach, wie sie Sigfried Giedion
1929 in seiner Programmschrift „Befreites Wohnen“
beschrieb. Die Rede war dort vom „Haus mit Gebrauchswert“, das, „auf industrieller Basis erstellt“, billiger und
zweckmäßiger sein sollte als ein Haus, das in herkömmlicher
Weise gebaut wird: „Leicht, lichtdurchlassend, beweglich“
solle es sein, sich in seiner ganzen Struktur im Gleichklang
mit einem durch Sport, Gymnastik, sinngemäße
Lebensweise befreiten Körpergefühl“ befinden. So forderte
Giedion gesunde gleichsam hygienische Wohnungen, die gut
organisiert sein sollten. Allgemein müsse der Wohnwert
steigen, was eine besondere Beschaffenheit der Einrichtungsgegenstände voraussetzt. Alle Reformer waren sich
einig, dass dazu unkompliziert zu handhabende Möbel
benötigt werden: z. B. das Ende der 1920er Jahre von Marcel
Breuer entworfene Beistell- und Hockerset, das unter der
Bezeichnung B9 von der Firma Thonet angeboten wurde: vier
kleine Stahlrohrtischchen von geringem Gewicht und
verschiedener Größe, die derart bemessen waren, dass sie
ganz unkompliziert ineinander gestellt werden konnten.
Bei Bedarf wurden sie hervorgezogen, um im Wohnraum an
beliebiger Stelle eingesetzt zu werden. So entspricht das
Tischset B9 dem Anspruch Giedions, den Gebrauchswert der
Wohnungseinrichtung zu steigern.
Slowly turning away from the period of promoterism with
all its plush, increased the interest in tubular steel in the
furniture sector in the early 1930ies. The time of producing
only tubular steel chairs had passed; now little cabinets,
bedsteads, dining tables, club tables, desks, trolley and side
tables expanded the product range: furniture belonging to a
modern home as Sigfried Giedion described in his journal
'Befreites Wohnen' i.e. Freed Living, in 1929. He wrote
about the 'practical house', 'built on an industrial basis', and
therefore cheap and more functional than traditional
building standards: a house should be 'light, translucent,
moving'; completely in harmony with a feeling of being
'free' like after sports, gymnastics, healthy living. Giedion
called for healthy and hygienic homes, well organized.
Generally, the living values should increase; this requires
special furnishing. All reformers have agreed on the need
for furniture easy to handle: e.g. a table set with a side table
and a stool, designed by Marcel Breuer in the late 1920ies
and sold by the Thonet Company as B9; four small nestling
tubular steel tables, easily pushed into on another,
lightweight and in different sizes. When needed, they are
individually placed anywhere in the house. The Table set B9
reflects Giedion's demand for enhancing the practical value
of furniture.
Skizze + Text: Dr. Thomas Schriefers, Köln
S 43 / S 43
Kaum eine Entwicklung hat unser Bild des „modernen“
Einrichtungsgegenstandes so sehr geprägt wie die der
Stahlrohrmöbel. Mit einem neuen Material eine neue
Konstruktion und damit verbunden auch neue Formen zu
finden, beflügelte in den 1920er Jahren viele progressive
Gestalter. In sehr kurzer Zeit entstanden damals zahllose
Modelle, mit denen man zuweilen auch an die Grenzen der
„Endlos- rohr“-Verarbeitung stieß. Dabei hatte alles mit
Gasrohr- teilen und entsprechenden Verbindungselementen
begonnen. Als Mart Stam 1926 seinen Prototyp schuf,
standen schließlich noch nicht Maschinen zur Verfügung, mit
denen sich durchlaufendes Stahlrohr biegen ließ, so dass
erst noch die geeigneten Werkzeuge geschaffen werden
mussten. Wie schon zu Zeiten der Entwicklung von Thonets
Bugholzstühlen bedurfte es neuer Herstellungsverfahren
für ein neues Sitzgerät: einen hinterbeinlosen Stuhl, den
Mart Stam im Sinne des „Einlinienprinzips“ 1927 in
Stuttgart vorstellt, um das große Potenzial des Stahlrohrs,
u.a. die Möglichkeit des Schwebens und Auskragens
einzelner Konstruktionsteile, darzustellen. In seinem Buch
„Kunst und Industrie“, in dem Herbert Read 1934 den
„Grundsätzen industrieller Formgebung“ nachspürt,
bezeichnet er die „federnde Elastizität und flüssige
Linienführung“ als besondere Eigenschaften der
Stahlstühle, die „unabhängig von den traditionellen Formen
Tubular steel furniture has influenced our understanding of
the 'modern' furnishing like no other design. Discovering a
new design along with new forms and a new material
inspired many progressive designers in the 1920ies. In a
very short time, numerous models were created, sometimes
reaching the limits of processing 'never ending' tubes. It all
began with gas pipes and the proper pipe joint fittings.
When Mart Stam created his prototype in 1926, he didn't
have any machines to bend steel tubes; the right equipment
still had to be invented. Similar to the Thonet bentwood
chairs, there was a need for new manufacturing methods
for a new sitting device: a cantilever chair. Mart Stam
presented this chair with no back legs in Stuttgart in 1927
following the 'one line principle'; he wanted to show the
great potential of steel tubes, like the floating or
overhanging of several parts. In his book 'Art and Industry',
published in 1934, Herbert Read traces the 'principles of
industrial design' and highlights the 'flexible elasticity and
clear contour design' as a specific characteristic of the steel
chairs 'independent of traditional wooden furniture forms'.
Skizze + Text: Dr. Thomas Schriefers, Köln
Trapèze / Trapèze
Das auch „Grand table“ oder „Esstisch 4568“ genannte
Möbel entstand Anfang der 1950er Jahre im Büro von Jean
Prouvé, der damals mit Charlotte Perriand zusammenarbeitete. Es handelt sich um einen Metallprofiltisch, den das
Gestalterteam mehrfach modifizierte. Als gelernter
Schmied verstand es Prouvé, immer wieder neu,
außergewöhnliche Details zu entwickeln. Dabei folgte er der
Devise, für jedes neue Projekt individuelle Lösungen zu
finden. Dementsprechend entwarf er jeweils auch die
notwendigen Werkzeuge, mit denen die verwendeten Bleche
Modellgerecht bearbeitet werden konnten. Le Corbusier
schrieb einmal bewundernd über Jean Prouvé, dass dieser
„unauflöslich beides zusammen ist, Architekt und
Ingenieur”. Noch genauer: Architekt und Konstrukteur, denn
alles, was er in die Hand nimmt und gestaltet, erhält
augenblicklich eine elegante bildnerische Form, löst aber
gleichzeitig alle Schwierigkeiten, auch die der Herstellung“
(Vgl. Modulor 2, S.115) Damit verband sich Prouvés
Anspruch, die Konstruktion möglichst einfach anzulegen.
Werkgerecht sollte sie sein, klar und charakteristisch.
Jan van Geest spricht in diesem Zusammenhang auch von
mechanischen Kräften, deren Wirksamkeit die Gestalt der
Möbel vermitteln. Bewegung, die der Gestalter förmlich
einfriert. Die Fähigkeit, Architektur und Mobiliar mit
technischem Verstand zu gestalten, charakterisiert
schließlich sein Gesamtwerk, das die High-Tech-Euphorie
This furniture, also known as the 'Grand table' or 'Esstisch
4568' was created in the 1950ies by Jean Prouvé; he worked
together with Charlotte Perriand at that time. The
designers modified this table made of profiled metal
several times. As a former metal worker, Prouvé knew how
to develop extraordinary details, again and again, following
his motto to find an individual solution for every new
project. He also designed the tools necessary to process the
metal sheets for his objects. Le Corbusier once admiringly
wrote about Jean Prouvé: “He is both in one person,
architect and engineer”. Or even better, architect and
design engineer; anything he puts his hands on and creates
immediately becomes a work of art and solves all difficulties, even production problems' (see Modulor 2, page 115).
This met the ambition of Prouvé to make the construction as
simple as possible; it should be authentic, clear and
characteristic. In this context, Jan van Geest spoke about
the design of the furniture demonstrating the effectiveness of mechanical forces. Movement which the designer
literally freezes. The ability to design architecture and
furniture with technical know-how is characteristic for his
complete work way ahead of the high-tech hype in the
following years.
Skizze + Text: Dr. Thomas Schriefers, Köln
Sacco / Sacco
Der Sitzsack, den Piero Gatti, Cesare Paolini und Franco
Teodoro 1968 vorstellten, entsprach der Proteststimmung
einer Zeit, in der provokativ agierende Architektengruppen
wie Archigram, Archizoom und Superstudio umfassende
Kampagnen zur Neufassung der Formensprache initiierten.
Ausdrücklich forderte man die Änderung der Lebensgewohn- heiten. Ausgehend von der Utopie einer umfassenden
Autonomie des Designs war man schließlich davon
überzeugt, dass es möglich sei, dem Konsumenten eine
neue Rolle zuweisen
zu können: aufgeklärt und
demokratisch solle er sein, einen Sinn für Humor entwickeln
und mehr am Leben als am Geschäft interessiert sein. Ettore
Sottsass sprach in diesem Zusammenhang vom „technisch
denkbaren Traum des Nomadentums“, dem auch sein
Entwurf der berühmten Valentine- Reiseschreibmaschine
entspricht.
Beweglichkeit wurde zum Credo jener, die dem starren
Wohn- ideal früherer Zeiten abschworen, um experimentell
auszu- loten, wie weit sich Gegenstände auf das Notwendigste redu- zieren lassen, ohne dass sie deshalb als
armselig empfunden werden. Im Gegenteil: Lustvoll sollte
man mit den Dingen umgehen können: sich in den Sacco
fallen lassen; jenen farbigen, mit Polystyrol-Kugeln
gefüllten, Kunstledersack, der sich dem Platznehmenden
selbstverständlich anpasst, um sich in ein weiches Sitznest
zu verwandeln. So thront man nicht mehr auf einem starren
Stuhl sondern schwelgt in einem sich dem Körper individuell
The 'beanbag' Piero Gatti, Cesare Paolini and Franco Teodoro
presented in 1968, met the mood of the worldwide protests;
a time in which provoking architectural firms like
Archigram, Archizoom and Superstudio initiated large
campaigns to rewrite the design language. They specifically
called for a change of lifestyle. On the basis of the utopia of
a complete self-governance of design, they were convinced
that it could be possible to give consumers a new role: they
should know the facts of life and be democratic; they should
have a sense of humor and should be more interested in life
than in business. In this context, Ettore Sottsass spoke of
the 'technically feasible dream of the nomadic way of life',
in line with his design of the famous portable Valentine
typewriter.
Mobility became the credo of all those who gave up the old
rigid idea of living in order to try and sound out to which
extent they can reduce objects to the essential minimum
without regarding them as 'poor'. It rather should be the
other way around. You should sensually enjoy the objects:
you should drop into the Sacco, into the colorful 'beanbag'
chair made of faux leather and filled with polystyrene
pellets, which adjusts to the person sitting and turns into a
soft nest seat. Instead of sitting on a hard chair like on a
throne you indulge in a cozy cocoon moving with the human
body.
Skizze + Text: Dr. Thomas Schriefers, Köln
Drehstuhl LC7 & Drehhocker LC8 / Swivel chair LC7 & swivel stool LC8
Als bequeme Tischbegleiter bevölkerten sie 1928 das
Esszimmer im Gästehaus der Villa Church in Ville-d´Avray:
drehbare Stahlrohr-Sessel, die Le Corbusier, Pierre
Jeanneret und Charlotte Perriand damals entworfen hatten.
Unbewegt starres Sitzen am Tisch war nicht mehr gewollt.
Stattdessen sollte die Möglichkeit bestehen, sich auch dem
Nachbarn bequem zuwenden zu können. Die gepolsterten
Sitzkissen waren mit rotem Leder bezogen.
Die Kragmöglichkeiten des Stahlrohrs spielen hier keine
Rolle. Vielmehr dient das stabile Chromrohr der Reduzierung
von Massen, so dass der LC7-Drehstuhl und sein Pendant,
der LC8-Hocker, als unkomplizierte Sitzobjekte vielseitig
an- wendbar sind. Im programmatischen nur 9x10 Meter
großen Einwohnraum, den das Team 1929 auf dem Pariser
Salon d´Automne vorstellte, finden sie sich wieder. In einem
ModellAppartement, dessen Einrichtung raumökonomischen
Vorgaben folgte. Flexibel und praktisch musste dort alles
sein; geeignet, auch auf engem Raum exklusiven Komfort zu
bieten. In einer Ausgabe der Zeitschrift Innendekoration
sprach Alfred Wenzel hinsichtlich der Möbel, die Le
Corbusier, Pierre Jeanneret und Charlotte Perriand dort
vorstellten auch von der „Beweglichkeit als Erscheinung“.
Es ginge dabei nicht allein um das Bedürfnis nach Mobilität,
sondern den Anspruch an Gegenstände, von denen zunehmend erwartet wurde, dass sie „bewegbar aussehen“.
Schließlich löst „das Aussehen, die Wirkung solcher
>Mobilia< ... gerade jene Stimmung eines heiteren, freien
>Losgebundenseins<, die >schwebende< Stimmung in uns
aus, die wir uns heute als eine Art notwendigen Elixiers, als
den Ausgleich für unser in starken Bindungen verlaufendes
These comfortable pieces of furniture populated the dining
room in the guest house of the Villa Church in Ville-d'Avray
in 1928: the turning tubular chairs designed by Le Corbusier,
Pierre Jeanneret and Charlotte Perriand. Sitting still and
stiff at the table was not wanted anymore. Instead,
everyone should also be able to easily turn to his neighbor.
The chair had foam upholstery: a red leather covered
cushion. The solid chromed steel tube frame reduced the
weight so that the LC7 'Swivel chair' and its pendant, the
LC8 stool, became uncomplicated and multifunctional
objects. The turning chair had its first presentation in the
programmatic 9 x 10 meter one- room unit in the “Salon d'
Automne” in Paris in 1929; in a model apartment with
furnishing in line with the principles of environmental
protection. Everything had to be flexible and practical;
suitable to offer exclusive comfort in a limited space. In the
magazine 'Innendekoration' Alfred Wenzel spoke about the
objects Le Corbusier, Pierre Jeanneret and Charlotte
Perriand presented there, as 'mobility in appearance'.
Mobility alone was not the key issue, but the special demand
for objects to 'seem movable'. Eventually, 'the look and the
effect of such “Mobilia” … specifically the atmosphere of a
cheerful, free easy-going “to-be-unleashed”, release this
floating mood we all would like to have nowadays as a sort
of elixir, as a balance for our working life work full of
Skizze + Text: Dr. Thomas Schriefers, Köln
CH04 Houdini / CH04 Houdini
2009 wurde der Stuhl von der Designergruppe „e15“ in
Mailand vorgestellt. Vier Millimeter Eichenfurnier bedeckt
das hölzerne Sitzgerät, dessen Besonderheiten Ingmar
Kurth in seiner Internetbeschreibung des Houdini-Stuhls
hervorhebt. Demnach werden Sperrholzflächen um einen
gefrästen Massiv- holzring gebogen. Lebendig erscheint das
Zueinander der Flächen, die virtuos kombiniert wurden –
dynamisch auch das Auf und Ab der sich durchdringenden
Flächen beim Stuhlmodell bzw. der „Schalen“ des Sessels.
Nicht zufällig trägt der Stuhl wohl auch den Namen des
berühmten Entfesselungs- und Zauberkünstlers Harry
Houdini, der für die außergewöhnlichsten Kunststücke
bekannt war.
So verfügt der Houdini-Chair zwar nicht über einen
doppelten Boden. Doch spielt sein Entwerfer, Stefan Diez,
mit Ebenen, die verschwinden und wieder auftauchen:
Stuhlgestalt, die uns zum genauen Hinsehen ermuntert. Der
Verzicht auf Nägel und Schrauben, die das gebogene
Schichtholz in Form halten, verstärkt das magische Moment
In 2009, the designer group 'e15' presented the chair in
Milan. The chair is made of 4 mm thin oak-veneered
plywood. This is how Ingmar Kurth highlights the characteristics of the Houdini chair on the internet: plywood is
stretched around a wooden ring, the material and construction artfully combined with each other make the chair
appear alive – the up and down of overlapping surfaces or
seat shells is dynamic. No wonder the chair is named after
the famous escapologist and magician Harry Houdini who
was well-known for his sensational escape acts. The Houdini
chair doesn't have a false bottom, but his designer, Stefan
Dietz, plays with different levels which disappear and turn
up again: a chair that encourages us to look twice. Leaving
away nails and screws to hold the form of the bent plywood
even makes the chair seem more magical.
Skizze + Text: Dr. Thomas Schriefers, Köln
Guhl Gartensessel / Guhl garden armchair
Mit Asbestzement verbindet man nicht selbstverständlich
bequemes Sitzen. Und doch gelang es dem schweizerischen
Gestalter Willy Guhl, mit diesem Werkstoff einen
Sitzgegenstand zu entwerfen, der ein überraschend
angenehmes Besitzen erlaubt. Als Partner wurde die in
Niederurnen ansässige Eternit A.G. gefunden.
Das Unternehmen produzierte bald diverse Objekte, z.B.
Pflanzenbehälter aus Asbestzement, die Guhl mit seinen
Studierenden im Rahmen seines Gestaltungsunterrichtes an
der Kunstgewerbeschule Zürich entwickelt hatte.
Die Möglichkeiten der Ein- und Überformung von Asbestzementflächen wurden dort ebenso erprobt, wie das Formen
von Eternit-Platten in Art einer elegant gewundenen
Schlinge. Gemäß der Devise, mit möglichst geringem
Aufwand ein Maximum zu erreichen, entstand schließlich
1954 Guhls Garten- und Strandstuhl, der aus nur einer
Platte geformt wurde.
Denn die Abwicklung des Stuhls entspricht den Massen der
industriell gefertigten Standard-Eternitplatte. Im Resultat
ist Guhls Gartensessel eine Nutz-Plastik, die dem profanen
Werkstoff ungeahnte Qualitäten abgewinnt. Der Schwung
der weich geformten Schlinge entspricht dem, was Paul
Westheim einst als Architektonik des Plastischen bezeichnete: ihre Wirkung resultiert aus der materialeigenen
Spannungen.
Der 1955 als Beispiel für gute Industrieform ausgezeichnete
Sessel wird bis heute gefertigt, allerdings mit asbestfreiem
Faserzement. Auch seine Gestalt erfuhr eine Modifikation,
da im Rückenbereich zusätzlich Sikken (Rillen) vorgesehen
Asbestos cement is usually not associated with comfortable
sitting. Still, the Swiss designer Willy Guhl managed to
create a chair surprisingly attractive to sit on; he found the
Eternit A.G. from Niederurnen in Switzerland as the ideal
partner.
The company soon produced various objects, e.g. containers
for plants made of asbestos cement. Guhl designed these
together with his students at the Art and Design College in
Zurich. They tested ways of molding asbestos cement and
forming eternit to elegant loops. According to his motto
achieving the most with minimum effort, Guhl created the
garden and beach chair made out of a single piece of
material. Producing the chair is the same as the mass
production of the industrial standard eternit panel. Guhl's
chair is a sculpture to use, revealing unsuspected qualities
of this simple material. The smooth curves of the loop are
what Paul Westheim once described as 'sculptural architecture': the effect is the result from the natural tension of the
material. The chair won the award for outstanding
industrial design in 1955 and is still produced today;
however, the chair is now made of a cement and fiber mix
which does not contain asbestos. The form has also changed
slightly: the backrest additionally has grooves to
DCW / DCW
Prototypen formgepresster Sperrholzstühle hatten Charles
Eames und Eero Saarinen bereits 1940 den ersten Preis beim
MOMA-Wettbewerb „Organic Design in Home Furnishings“
eingebracht. Daraufhin intensivierte Eames seine Versuche,
die er mit selbst gebauten Maschinen unternahm. Für die
US- Marine entwickelte er damals aus in Form gepresstem
Sperr- holz u. a. Beinschienen für verwundete Soldaten. Der
Gestalter war davon überzeugt, dass dem Körper
angepasste Sperrholzschalen modernen Stühlen mehr
Bequemlichkeit verleihen würden. So entstanden zahlreiche
Experimentalmodelle, die allerdings einen gravierenden
Schwachpunkt erkennen ließen, der im Knick der
integrierten Sitz-Rückenschalen auftritt. Schließlich galt
es, die dort wirkenden Kräfte abzufangen. Beim 1945
vorgestellten LCW (Lounge Chair Wood) entschied sich
Eames dafür, Sitz- und Rückenflächen zweiteilig zu
belassen, um sie mit einem weiteren Sperrholzteil, das als
eine Art Rückgrat fungiert, zu verbinden. Zwischen Rahmen
und Sitzfläche wurden Gummipuffer vorgesehen, die
Druckkräfte aufnehmen konnten. Ansonsten bestanden alle
Bauteile aus geformtem Schichtholz.
Zwei Modelle wurden angeboten: der für den Esstisch
geeignete DCW (Dining Chair Wood) und der tiefer gelegte
LCW (Lounge Chair Wood), zu dem das Eames-Office den
Entwurf eines passenden Wohnzimmertisches, dem CTW
(Coffee Table Wood), beisteuerte. Auf Werbeseiten vervollständigte der faltbare Sperrholz-Wandschirm FSW (Folding
Screen Wood) das Ensemble, das frei im Raum steht – Bühne
Already in 1940, Charles Eames and Eero Saarinen won the
first prize at the MOMA contest 'Organic Design in Home
Furnishings' with their prototypes of molded plywood
chairs. As a result, Eames made more and more experiments
with his self-made machines. He began making molded
plywood splints for wounded soldiers in the US Navy. The
designer was sure that custom-fitted plywood shells would
make modern chairs more comfortable. As a result, he
designed many experimental models and through trial and
error he discovered a serious weakness: plywood would
crack when bent into the sharp angle of seat and backrest.
In his LCW (Lounge Chair Wood) presented in 1945, Eames
decided to create two separate pieces for the seat and the
backrest, joining these by a plywood lumbar support. The
seat was joined to the backrest with a series of four heavy
rubber washers to absorb the compression forces. All other
parts ware made of molded laminated wood. There were two
models: the DCW (the Dining Chair Wood), and the lower
LCW (Lounge Chair Wood) which Eames complemented with
a concept for a compatible living room table, the CTW
(Coffee Table Wood). In advertisements, the free standing
plywood folding screen FSW (Folding Screen Wood),
completed the ensemble – stage free for plywood
Skizze + Text: Dr. Thomas Schriefers, Köln
Panton Chair / Panton Chair
Er gilt als erster nur aus einem Werkstoff und einer Form
gegossener Kunststoffstuhl: der „Panton“, der nach seinem
Schöpfer benannt, heute als Ikone der Pop-Kultur verehrt
wird. Es handelt sich dabei um einen Stuhl aus einem Stück –
keinen Vier-, Drei-, Zwei- oder Einbeiner, sondern den
„Keinbeiner“, da dessen schwungvoll geformte Kunststoffschale fugenlos in den Stand übergeht.
Verner Panton hatte ihn Ende der 1950er Jahre entworfen,
um zu zeigen, welche Möglichkeiten die neue Generation
tempe- raturbeständiger Kunststoffe bietet. Sieben Jahre
zuvor hatte der Architekt Hans Schwippert im Rahmen des
Darmstädter Gesprächs noch von der „unvorstellbaren
Willfährigkeit, Schmiegsamkeit und Charakterlosigkeit“
der neuen Stoffe gesprochen. Den Eigenschaften der Guss
und Press- stoffe, die dem Gestalter nicht den geringsten
Widerstand entgegensetzen, ihm aber jede Art der
Verformung gestatten. Von Ersatzstoffen war die Rede,
auch von Nachahmung und Surrogat. Als Vorsitzender des
Deutschen Werkbundes forderte Schwippert damals alle
Gestalter dazu auf, für das innovative Material strapazierfähiger Polymere-Verbindun- gen eigenständige Formen zu
entwerfen.
Dem entspricht Pantons starkfarbiger Vollkunststoffstuhl,
der durch seine leuchtende Farbigkeit Aufsehen erregte.
Überdies entspricht der Panton-Chair der Forderung nach
einer möglichst unkomplizierten Handhabung: denn er ist
relativ leicht, dabei robust und stapelbar. Ein flexibler
It is referred to as the very first chair produced from a
single piece of molded plastic: the 'Panton', named after its
creator and adored as a symbol of pop culture, today. The
swingingly bent plastic shell curves to form the back and
seat and smoothly drops to the floor; not a 'four, three, two
or one leg', but a 'no leg' chair. Verner Panton designed it in
the end of the 1950ies to show the opportunities the new
generation of temperature resistant plastic offers. Seven
years earlier, during the Darmstädter Gespräch, the
architect Hans Schwippert talked about the 'unimaginable
willingness, smoothness and lack of character' of the new
materials; the features of casting and molding materials
willingly allowing for any kind of forming. Here, he was
talking about substitutes and about imitation and
surrogates. At that time, Schwippert as the chairman of the
'Deutscher Werkbund', asked all designers to create
distinctive forms for the innovative material of durable
polymer compounds. This is what Panton's vibrant and
colorful plastic chair is like. Furthermore, the Panton chair
fulfills the requirement of easy handling: it is relatively
light, robust and stackable; a flexible roommate in the
colorful household of the 1960ies.
Skizze + Text: Dr. Thomas Schriefers, Köln
Plastic Side Chair / Plastic Side Chair
1948 beteiligte sich das Eames-Office an dem vom New
Yorker Museum of Modern Art ausgeschriebenen Wettbewerb „International Competition for Low-Cost Furniture
Design“. Charles und Ray Eames stellten damals einen
Kunststoffstuhl vor, der unter dem Namen „La Chaise“
firmierte. Revolutionär schien die Lösung, Sitz und Rücken
als Einheit herzustellen. Getragen wurde die organisch
anmutende Schale von einem filigranen Metallgestell, das auf
einem Holzkreuz fußte. Dadurch schien die ausladende Schale
zu schweben.
Der preisgekrönte Prototyp verfügte über eine formgepres- ste Hartgummischale, die durch zwei Kunststoffschichten verstärkt, im Sandwitsch-Verfahren hergestellt
worden war. Davon nahm Eames in den dann folgenden
Versuchen Abstand. Denn er experimentierte zunächst mit
Metallblechen, die in Schalenorm gestanzt werden sollten.
Deren Bearbeitung erwies sich letztlich aber als zu Kostenintensiv. Das beabsichtigte billige Stuhlmodell konnte so
nicht geschaffen werden. So wandte sich der Gestalter
erneut der Kunststoffverarbeitung zu, um den Kontakt mit
geeigneten Produzenten aufzunehmen. Als Partner fand
man schließlich die in Kalifornien beheimatete Firma
„Zenith-Plastics“, mit der es gelang, preiswerte Kunststoffschalen herzustellen. Damit wurde der Grund für die
1950 vorgestellte „Plastic- Side-Chair“-Produktfamilie
gelegt. Es entstanden Stühle, die preiswert, leicht und
vielseitig einsetzbar waren. Auch ohne Polstern waren sie
bequem. Zudem reizte die Farbvielfalt der Schalen, die im
hydraulischen Pressverfahren produziert wurden. Bald gab
es gelbe, rote, grüne, orange und blaue Schalen, die auf
verschiedenen Untergestellformen aufgesetzt werden
konnten. Mit Holzkufen versehen, verwandelte sich ein
Sesselmodell in einen Schaukelstuhl. Es entstanden auch
In 1948, Charles and Ray Eames created a chair for the
'International Competition for Low-Cost Furniture Design'
of the New York Museum of Modern Art: a plastic chair under
the name of 'La Chaise'. Building a chair having seat and
backrest as one part, seemed revolutionary. The organic
shaped molded seat shell atop a wire base with a wooden
frame base; the seat shell seemed to float. The prizewinning prototype had a hard rubber plastic shell reinforced
with two layers of plastic sheets, in a sandwich design.
Later, Eames used other methods. He experimented with
punching metal sheets to form the seat shell; this, however,
was too expensive and no alternative for producing the
low-cost chair he aimed for. The designer returned back to
processing plastic and contacting qualified producers.
Eventually, he chose the Californian company Zenith
Plastics as an ideal partner to produce low-priced plastic
shells. This set the groundwork for the 'plastic side chair'
product family: low-cost, lightweight and versatile chairs,
even comfortable without upholstery, and very attractive
with the seat shells in bright colors. Soon yellow, red, green,
orange and blue seat shells were available with a variety of
base options. With wooden runners it even become a
rocking chair. Also swivel chairs followed.
Skizze + Text: Dr. Thomas Schriefers, Köln
Wiggle Side Chair / Wiggle Side Chair
1972 erregte die Idee des Architekten Frank O. Gehry, aus
Wellkarton Möbel zu fertigen, großes Aufsehen. Mit
profanem Verpackungsmaterial fantasievolle Sitzgegenstände zu schaf- fen, begeisterte den Markt, der die als
Billigmöbel konzipierten Wohnobjekte sofort annahm.
Die vierzehn verschiedenen Modelle der damals entstandenen Serie „Easy Edges“ gelten heute als Meisterwerke der
Ideenkunst, denn sie zeigen, was möglich ist, wenn
unkonventionell gedacht wird. Schließlich nahm sich Gehry
Flachware vor, um daraus eine dreidimensionale Sitzplastik
zu bauen. Dazu setzte er Kartonschicht neben
Kartonschicht, um das Material anschließen zu verleimen.
Vielfach gedoppelt, verwandelte sich die labile Kartonfläche
in einen tragfähigen Körper, dessen Widerstandsfähigkeit
beeindruckt. Zudem erlaubt die Beschaffenheit des
Zellstoffmaterials die unkomplizierte Arbeit mit der
Schablone, die Gehrys expressive Sitzformen auf den
Werkstoff übertragen half.
So entstanden benutzbare Plastiken, die den Wohnraum als
Individuen bevölkern. Objekte einer Pappkartonwelt, die
dem meist unbeachteten Alltagsmaterial ungeahnte
Möglichkeiten entlocken. Etwa dann, wenn Gehry erprobt,
wie weit er die Struktur des Werkstoffs sichtbar einsetzen
kann, um wellpapp – gemaserte Sitzpersönlichkeiten, wie
den 1980 entstandenen Little Beaver, zu schaffen. Denn alle
glatten Materialflächen verschwinden dort zugunsten einer
viel weicheren Oberflächenanmutung, die durch das
freigelegte Innenleben der Wellpappe erzeugt wird.
Komfort und Exklusivität, den die limitierte Serie der
„Experimental Edges“ garantiert.
In 1972, Frank O. Gehry caused a sensation with his idea to
build cardboard furniture. His imaginative seat furniture
made of simple packing material and designed to be a lowcost object, attracted the market and was immediately
accepted. He became famous for his 'Easy Edges' line in
furniture consisting of fourteen different pieces. This
masterwork shows whatever an unconventional way of
thinking can develop. Eventually, Gehry decided to work on
flatware in order to create a three-dimensional object.
Here, he glued one carton sheet to the other. The multiple
layers made the rather unstable cardboard impressively
robust to bear the weight of a human being. This new
construction enabled Gehry to work with molding tools to
make it easier to transfer the expressive forms to the
material. This is how sculptures for homes could be
designed; in the form of cardboard objects an everyday
material with usually little attention reveals a huge
potential. Specifically, when Gehry tested the possibility of
using the structure of the material as it is, in order to make
card-board-seating furniture with personality, like the
'Little Beaver', created in 1980. All flat material disappears
giving way to a much smoother surface look of the exposed
inside of corrugated cardboard. The series of the 'Experimental Edges' marked the switch from low-priced mass
furniture to exclusive exhibition pieces.
Skizze + Text: Dr. Thomas Schriefers, Köln
Wire Chair / Wire Chair
Drahtschalenstühle wirken leicht, fast schwerelos. Der Verzicht auf Masse führt zum Offenlegen der Konstruktion.
Dadurch wird der Sitzgegenstand allseitig als Netzstruktur
wahrgenommen. Derart präsentieren sich die Wire-ChairModelle von Charles & Ray Eames, die Anfang der 50er Jahre
von der Hermann Miller Furniture-Company auf den Markt
gebracht wurden. Gemeinsam mit den von Harry Bertoia für
Knoll Associates entworfenen Stahldraht-Konstruktionen
offenbart die Wire-Chair Produktfamilie das Interesse der
Entwerfer an Strukturformen, wie sie bereits die
Gitterwerke frühindustrieller Großbauwerke kennzeichneten.
Bezeichnenderweise erhielt 1951 der von Charles & Ray
Eames
entworfene
DKR-2-Stuhl
ein
„Eiffelturm“-Untergestell; der direkte Verweis auf das
große Vorbild und Symbol innovativer Metallbauweise. Dabei
gründete die Entwicklung der von Eames geschaffenen
Metalldrahtschalen auf Erfahrungen, die das Gestaltungsbüro zuvor bereits mit Sitzgerät der „Plastic Shell Group“
gemacht hatte. Warum sollten sich Sitzschalen nicht
entmaterialisieren lassen, ohne Stabilität einzubüßen? Der
Sitzkomfort der verschweißten Metalldrahtsitze stand dem
der Kunststoffschalen allerdings nach, weshalb die meisten
Modelle mit Sitzkissen ausgestattet wurden.
Eine Werbeanzeige, mit der Anfang der 1950er Jahre für den
Wire-Chair gewoben wurde, zeigt eine dicht gestellte
Gruppe derartiger Metallstühle, die sich dem Betrachter als
Strebenwald darstellen. Ein ins Metalldickicht hinein
gesetzter Vogel verstärkt das bewusst erzeugte Bild eines
technoiden Hains, der uns rhythmisch bewegt erscheint.
Wire chairs seem light, almost weightless. Reducing the
material discloses its structure and produces the
impression of a 'net of wires'. This is how the Hermann Miller
Furniture Company described the wire chairs of Charles &
Ray Eames when they first introduced them to the market in
the early 1950ies. Together with the steel wire constructions Harry Bertoia designed for Knoll Associates, the wire
chair product line shows the designers' interest in the
structures characteristic for lattice work of early
industrial objects. Significantly, the chair DKR-2 designed
by Eames in 1951, had a wire base also called the 'Eiffel
Tower' because of its resemblance to the classic design and
big symbol of innovative metal construction. Although,
Eames' wire chairs based on experiences previously made
from creating a seat of the 'Plastic Shell Group'. Why
shouldn't it be possible to dematerialize the seat shell
without a loss of stability? However, the all wire seat was
not as comfortable as the plastic shell seat; therefore, most
models were equipped with seat cushions.
An advertisement for wire chairs in the beginning of the
1950ies showed a group of close-set wire chairs looking like
a 'forest of struts'. A bird right in the middle reinforced the
deliberately generated picture of a 'technoid grove'
rhythmically moving. Movement as an expression of
flexibility; this was also in the concept of the chair with a
base fitting for all Eames models.
Skizze + Text: Dr. Thomas Schriefers, Köln
Ulmer Hocker / Ulmer Hocker
In Zusammenarbeit mit Hans Gugelot und Paul Hildinger
entwarf der Architekt Max Bill 1954 einen einfach anmutenden Hocker, der vieles kann: zum einen bietet er zwei Sitzhöhen, je nachdem, ob man ihn senkrecht oder waagerecht
stellt. Zum anderen bietet er sich als Tragekörper an, wenn
man ihn auf den Kopf dreht, um den stabilisierenden Rundholzstab als Griff zu verwenden. Die Unterseite des Sitzes
wird dann zur belastbaren Fläche, auf der Bücher und Gefäße
Platz finden. Der Hocker wurde zum Begleiter der Studierenden, die an der damals neu gegründeten Ulmer Hochschule
für Gestaltung ihr berufliches Handwerkszeug erhielten.
Gleichsam artikulierte sich in der Gestalt des Ulmer Hockers
die Grundeinstellung des Bauhäuslers Max Bill, der Form allgemein und die täglich genutzter Gebrauchsgegenstände im
Besonderen als „harmonischen Ausdruck der Summe aller
Faktoren“ verstand. Die Rede ist von der natürlichen,
selbstverständlichen und funktionellen Erscheinung der
Dinge: brauchbare Gestalt, die sich bewährt, indem sie
unseren Bedürfnissen unaufdringlich nachkommt: dient.
Damit entspricht die Gestalt des Hockers, der lange Zeit
nicht im Handel angeboten wurde, dem Programm, dessen
Gesetz- mäßigkeiten Max Bill in der Losung
[form, funktion, schönheit] = [gestalt] fasst.
Längst gilt der Hocker aber als formalästhetische Marke der
Ulmer Schule, was in den 1980er Jahren jene Designer auf
den Plan rief, die manchen „Klassiker“ Erfurcht los
kommen- tierten. So kreierte die Gruppe Kunstflug (H.
Bartels,
H. Fischer, H. Hullmann) für ein Studentenwohnheim in Glasgower den „Max Schrill“-Hocker als
Resultat einer Metamorphose, die das strenge Bill-Modell
In cooperation with Hans Gugelot and Paul Hildinger, the
architect Max Bill designed a stool appearing quite simple,
but which actually is multi-faceted: it has two seat heights
depending on its position – vertical or horizontal. It can be
used for carrying something when turned upside down using
its stabilizing wooden stick as a handle; the bottom of the
seat can take high loads, e.g. books and pots. The stool
became a constant companion of the students at the newly
founded Ulmer University. The Ulm stool also demonstrated
the philosophy of the Bauhaus designer Max Bill; he saw
form in general and everyday objects in particular as a
'harmonious expression of all factors'. He talked about the
natural, self-evident and functional appearance of objects;
a practical shape standing the test of discreetly meeting
our needs: serving. This is what the Ulmer Hocker – not
available on the market for a long time - represents; Max
Bill defined the program with the slogan [form, function,
beauty] = [design]. Long since, the Ulmer Hocker is regarded
as the brand of the Ulm School; in the 1980ies, this of course
brought designers who generally liked to comment on
classic design into the scene: the group 'Kunstflug' (H.
Bartels, H. Fischer, H. Hullmann) created the 'Max Shrill
stool' for a dormitory for students in Glasgow; the result of
a metamorphosis reinventing the rather strict 'Bill model'.
Skizze + Text: Dr. Thomas Schriefers, Köln
Mezzadro / Mezzadro
Mit der Vorstellung eigenartiger Sitzgegenstände verblüfften Achille und Pier Giacomo Castiglioni 1957 die Öffentlichkeit. Denn sie verwendeten Fahrradsättel und Traktorensitze, die sie auf ungewohnte Art aufständerten. Der ironische
Kommentar zur längst erfolgten Mechanisierung des
Haushaltes, wie sie Sigfried Giedion in seinem 1948
erschienenen Buch „Mechanization takes Command“
beschrieben hatte. Darin hatte Giedion u. a. auch auf das
Beispiel des freitragend federnden Sitzes einer Mähmaschine verwiesen, um die allgemeine Tendenz der Reduzierung von Massen darzustellen. Schließlich ersetzte dort
durchlöchertes Metall, dass industriell zur Sitzschale
gepresst wurde, die viel schwerfälligeren Holzrahmen
früherer Zeiten.
Massenhaft fabriziert, war der Traktorensitz nur eines von
vielen Bestandteilen einer effizienten Maschinerie, als sich
Achille und Pier Giacomo Castiglioni´s Aufmerksamkeit auf
das profane Stanzprodukt richtete. Warum sollte sich der
praktische Werksitz nicht auch im Wohnbereich bewähren?
– mögen sich die italienischen Architekten gedacht haben,
als sie das anonyme Maschinenteil zum Clou ihrer bewunderten Sitzindividualität erklärten: profanes wurde exklusiv –
der Traktorensitz zum tragenden Motiv einer sperrigen
Designikone, die mit den traditionellen Vorstellungen
häuslichen Sitzkomforts bricht.
In 1957, Achille and Pier Giacomo Castiglioni astonished the
public by presenting strange seatings. They placed bicycle
and tractor seats on stands; an ironic comment on the
mechanization of the household as Sigfried Giedion
described in his book 'Mechanization takes command',
published in 1948. Here, Giedion uses the example of a
self-supporting flexible seat of a harvester in order to
depict the general tendency of mass reduction; here, seats
made of perforated metal replaced the inelegant wooden
frames of earlier times.
The mass-produced tractor seat was only one of the
components of efficient machinery when Achille and Pier
Castiglioni focused on the profane stamped products. Why
shouldn't this practical work seat prove itself in living
rooms? – this is probably what the Italian architects were
thinking when they revealed this anonymous machine part
as the secret of their much-admired individual way to sit:
what was profane became exclusive – the tractor seat as
the main theme of a bulky design icon breaking with
traditional ideas of seating comfort at home.
Skizze + Text: Dr. Thomas Schriefers, Köln