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Jänner 16 | #536 Das Kommunale Kino Wiens, Akademiestraße 13, 1010 Wien Joachim Trier, „Louder than Bombs“, ab 8. Jänner 2016 Apichatpong Weerasethakul, „Cemetery of Splendour“, ab 22. Jänner 2016 Nature Theater of Oklahoma, Sergei Loznitsa, und andere Sonderveranstaltungen Foto: © Jakob Ihre Die Grenzen des Phantasmas Isabelle Huppert, Gabriel Byrne und Jesse Eisenberg in einem neuen Film von Joachim Trier. PHILIPP STADELMAIER W enn Louder than Bombs eine gelungene Unternehmung ist, dann auch in einer ganz bestimmten Hinsicht: Der Regisseur Joachim Trier hat es endlich geschafft, Norwegen zu verlassen. Denn das war es, was die Figuren seiner ersten beiden noch dort gedrehten Filme – sich ihrer Privilegien überbewusste Osloer Mittelschichtswohlstandskinder - immer wieder predigten: Endlich raus aus dem beschaulichen Oslo! Bislang gelang dies lediglich durch kurze, ziemlich imaginäre Kurztrips ins Traum-Paris der Nouvelle Vague (Reprise von 2006) oder durch die letale Überdosis Heroin am Ende von Oslo, 31 August (2011). Nach diesen ersten beiden auf Norwegisch gedrehten Filmen, die ihm internationale Aufmerksamkeit und Teilnahmen an Festivals wie Sundance und Cannes bescherten, ist Trier mit seiner ersten englischsprachigen Produktion nun endlich dort, wo der Held von Oslo eine letzte Chance auf ein neues Leben sah: In New York. Triers erste beide Filme waren eher noch Übungen darin, so schnell wie möglich zum Ende zu kommen. Der Held von Reprise hatte die manische Angewohnheit, immer wieder zur Null runter zu zählen, Oslo erzählte vom Gang seines Protagonisten in den Selbstmord. In Louder than Bombs hingegen gab es das böse Ende schon vor Beginn der Handlung: Der Tod der berühmten Kriegsfotografin Isabelle Reed (Isabelle Huppert) bei einem Autounfall. Wenn der Film beginnt, ist dies schon einige Jahre her. Nun müssen sich ihr Mann und die beiden Söhne mit der Erinnerung an sie auseinandersetzen. Denn eine Ausstellung ihrer Arbeit steht bevor und die Veröffentlichung eines großen Artikels in der „New York Times“. Der älteste Sohn (Jesse Eisenberg), der gerade Vater geworden ist, kommt nach Hause zurück, um vor der Retrospektive das Archiv der Mutter durchzusehen, und trifft eine alte Jugendliebe wieder, während Fortsetzung auf Seite 2 » Inhalt Der einmalige Ort des Kinos Joachim Trier über „Louder than Bombs“. 3 Citizen Christin Das Nature Theater of Oklahoma gastiert im Stadtkino mit den letzten 3 Episoden von „Life & Times“. 5 Auflösungs-Erscheinungen Dossier zu „Cemetery of Splendour“, dem neuen Film von Apichatpong Weerasethakul. Zulassungsnummer GZ 02Z031555 Verlagspostamt 1150 Wien / P.b.b. 7 Joachim Trier, „Louder than Bombs“ 02 ihr Mann (Gabriel Byrne) eine Affäre mit der Lehrerin des jüngsten Sohnes begonnen hat. Dieser wiederum ist unglücklich in ein Mädchen in seiner Klasse verliebt. Und der einzige, der noch nicht weiß, dass der Tod seiner Mutter in Wahrheit ein Selbstmord war. Wie schon in Triers früheren Männerwelten sind die Frauen entweder abwesend, werden erobert, fetischisiert oder ignoriert. Sie existieren allein in Bezug auf Männer, nie für sich. Nehmen wir Reprise: „Frauen behindern die Arbeit des Mannes“, erklärt da der Oberchauvinist aus dem Freundeskreis der beiden Hauptfiguren mit Schriftstellerambitionen, Philip und Erik. So macht Philip seine Freundin zum Objekt einer ungesunden Obsession, während Erik seine Freundin immer mehr ignoriert. Damit bestätigen sie die These des Oberchauvis: Philip wird nicht mehr schreiben können; Erik schon. Was den Oberchauvi betrifft, so heiratet er am Ende die mit Abstand emanzipierteste Frauenfigur des Films, die auf diese Weise „neutralisiert“ wird. Auch Anders, der depressive, Philip sehr ähnliche (und ebenfalls von Anders Danielsen Lie gespielte) Ex-Junkie aus Oslo setzt dieses neurotische Muster fort. Seine Exfreundin ist weit weg in New York; er will sie telefonisch erreichen, vergeblich. Zuvor beginnt der Film im Schlafzimmer mit einer anderen. Der Sex sei schlecht gewesen, erzählt Anders später. Wir erinnern uns an eine ebenfalls lustlose Sexszene zwischen Philip und seiner Freundin in Reprise und daran, dass die „schlecht gemachte Liebe“ und die negative Darstellung körperlicher Genüsse (Drogen, Sex, Alkohol) als leere Vergnügungen schon Louis Malles frühere Verfilmung von Drieu La Rochelles Le feu follet von 1963 geprägt hatten. So hat ebenso wie das Kino von Louis Malle auch jenes von Trier einen sehr moralischen und bürgerlichen Charakter. Seine Moral entsteht aus dem klassischen Dualismus: Die körperlichen Begehren töten die Ideale oder zeigen durch Impotenz und Leere deren Schwächen auf. Trier warnt vor der Angst und der Weigerung der Jungen (Männer) vor dem Älterwerden (der Kern der Selbstzerstörung von Anders in Oslo) und zeigt, wenngleich pessimistisch, die Notwendigkeit der Familie (was in Reprise wie in Oslo augenzwinkernd geschieht). Der Mann findet seine Bestimmung im frustrierten Macho, die Frau in der Rolle der Mutter. Trier ist aber auch in so weit Malles Nachfolger, als er sich des Formenschatzes der Nouvelle Vague bedient, um (bürgerliche) Themen zu illustrieren. Und dabei vergaß er nie, dass es sich dabei eben nur um Zitate handelte, was diesen Illustrationen eine ironische Ambiguität verlieh. In Reprise etwa nahm Trier die bürgerliche Moral von Philip und Anders (neben den Frauen ihre Kämpfe à la „Kunst vs. Kommerz“) ebenso ernst wie nicht ernst, da sie als Jungschriftsteller zwar die Verliebtheit der Nouvelle Vague in Schrift und Literatur verkörperten (auch An- Foto: © Jakob Ihre » Fortsetzung von Seite 1 Präsenz durch Abwesenheit: Isabelle Huppert. ders in Oslo ist ein Schreibender), man aber nie einen ihrer Texte sah - nur Bücher mit Titeln wie „Phantombilder“. Trier zeigte das schiere Fantasma zu schreiben, während die Geschichte in Wiederholungen und Varianten einer verschwundenen Urszene erzählt wurde. Als würde Trier selbst nur mit dem Fantasma jonglieren, einen Film zu machen, der am Ende ebenso wenig existierte wie die Texte von Philip und Erik; als würde er nur aus Zitaten bestehen von Duras (Cesarée), Resnais (Marienbad), Truffaut (Jules et Jim) und Godard (Le Mépris), bis sein zweiter Film ein reines Remake eines Filmes von Malle Wie Antonioni geht es Trier darum, seine Figuren von einer plötzlich fremd und anders gewordenen Welt neu zu affizieren. wurde. Wenn Trier die Frauen fetischisierte, dann, weil Godard und Truffaut das getan hatten; wenn er einen bürgerlichen Moralismus vertrat, dann, weil Malle einen solchen vertreten hatte. Die Ideologie der Filme von Trier war stets eine zitierte, da seine Filme nichts als Zitate waren, nur durch Zitate existierten. Mit Louder than Bombs wird nun Triers Bedürfnis deutlich, aus diesem Palimpsest auszutreten. Als hätte er paradoxerweise Norwegen verlassen müssen, um zu sich zu kommen, um die spielerische Beliebigkeit, die seine Filme bisher ausgezeichnet hatte, bis zur Grenze zu führen, auf die sie zusteuerten: die physische Außenwelt. Mit der gestorbenen Isabelle Reed setzt er nun die Figur der abwesenden Frau in den Mittelpunkt seines Films, lässt sie durch Flashbacks präsent werden. Dass die Tote und Abwesende, die von einem Star wie Isabelle Huppert gespielt wird, auf diese Weise tatsächlich dauergegenwärtig wird, macht ihre Fetischisierung realer, greifbarer und angreifbarer, ebenso wie jene der anderen Frauen in Nebenrollen (darunter die fabelhafte Amy Ryan), die zur moralischen Neuorientierung der hinterlassenen Männer dienen (der Vater verlässt die Lehrerin, die er sehr zu mögen scheint, nachdem ihre Affäre für seinen pubertierenden und verkniffenen Sohn zum Problem wird). Auch die Texte sind nicht länger ungeschrieben, sondern gewinnen an Realität. Die Literaturwissenschaftler und Schriftsteller der letzten Filme, die Blanchot und Rilke verehrten, haben mit Jesse Eisenbergs Figur einem Soziologen Platz gemacht, und der jüngere Bruder verfasst ein (vorgelesenes) Tagebuch, in dem er eine hyperkonkrete Vermessung seiner Existenz vornimmt, inklusive Strumpfinventur und Anzahl der erreichten Orgasmen beim Masturbieren. Ein weiterer Anker in der realen Welt bilden außerdem die Bilder von Isabelle Reed, die Trier in Agenturen wie Magnum und VII akquiriert hat und unter anderem von der 2007 verstorbenen französischen Kriegsfotografin Alexandra Boulat stammen. Vor allem mit dem Krieg klopft Triers Kino an die Wand des Realen, das es bisher gemieden hatte. Wenn bereits in Reprise und Oslo in den von Anders Danielsen Lie gespielten Figuren psychische Erschütterungen festzustellen waren, so war doch nie klar, wo diese herkamen. Woher rührte Philips seltsame Obsession für seine Freundin, wie wurde Anders ein depressiver Junkie? Diese Fragen blieben im Dunkel. Selbstverstümmelungen, Alkohol und Drogen waren nur spontane körperliche Ausdrücke einer abstrakten Depression. In Louder than Bombs begründet nun die äußere physische Welt die Neurosen der Figuren. Die Männer leiden auf Grund von Isabelles Selbstmord, deren Autounfall dank Slow Motion körperlich detailliert StadtkinoZeitung dargestellt wird. Und wenn diese sich umbrachte, dann aufgrund ihrer Kriegserlebnisse, von denen wiederum ihre Narben zeugen, die quer über ihre Haut verstreut sind. Mit dieser körperlichen Konkretisierung des Traumas wechselt Trier gleichzeitig von den Einzelgängern zur (bisher in seinen Filmen lediglich gestreiften) Familie. Sie ist damit für Trier nicht länger Gegenstand eines Spiels mit einer (ironisch zitierten) bürgerlichen Moral und der ungewissen Traumatisierung Einzelner, sondern Schutzwall gegen konkrete Erschütterungen einer äußeren Welt. Mit anderen Worten: eine Notwendigkeit. Nicht zuletzt, da Isabel Reed Kriegsfotografin war, sind es nun auch die Bilder selbst, die Trier auf eine in ihnen verborgene, ungestüme Wirklichkeit jenseits des Sichtbaren abtastet. Etwa wenn er in Isabelles „crash“ in Zeitlupe eine zerstiebende Dingwelt analysiert. Man denkt an das Ende von Antonionis Zabriskie Point (dessen L’eclisse Trier schon am Ende von Oslo zitiert hatte). Dies ist zwar eine Fantasie des jüngsten Sohnes - aber eine, in der das Vorgestellte in einen Zustand der Vaporisierung eintritt und der Unfall seine Wirklichkeit einfordert. In einer weiteren an Antonioni erinnernden Szene entdeckt der älteste Sohn in einem Foto der Mutter einen anderen Mann neben ihr im Hotelzimmerbett – ebenso wie der Fotograph aus Blow Up, der in einem seiner Bilder plötzlich auf Spuren eines Mordes stößt. Dies mögen, nach der Nouvelle Vague und Malle, weitere cinephile Zitate sein. Aber diese zeigen nun die Grenze auf, an dem das unverbindliche Phantasma auf ein Reales trifft, abprallt und zu den Figuren zurückgespielt wird. Denn wie Antonioni geht es Trier darum, seine Figuren von einer traumatisierten, plötzlich fremd und anders gewordenen Welt neu zu affizieren. Was ihnen anders als in den ersten beiden Filmen, in denen es ums „Schlussmachen“ ging, eine neue Perspektive ermöglicht. Norwegen hat Joachim Trier damit hinter sich gelassen. • Joachim Trier Louder than Bombs (Dänemark, Norwegen, USA 2015) Regie Joachim Trier Drehbuch Joachim Trier, Eskil Vogt Darsteller Gabriel Byrne, Isabelle Huppert, Jesse Eisenberg, Amy Ryan, David Strathairn, Rachel Brosnahan, Ruby Jerins Kamera Jakob Ihre Schnitt Olivier Bugge Coutté Musik Ola Fløttum Produktion Motlys, Animal Kingdom, Arte France Cinéma, Bona Fide Productions, Memento Films Production, Nimbus Verleih Stadtkino Filmverleih Länge 108 Min. Format Digital / Farbe und s/w / OmdU Ab 8. Jänner im Kino Joachim Trier, „Louder than Bombs“ StadtkinoZeitung „Ich glaube fest an den einmaligen Ort des Kinos“ Regisseur Joachim Trier im Gespräch. Wie kam es zu diesem Film? Wo liegt der Ursprung des Projekts? Nach meinem ersten Film Auf Anfang bekam ich in den Vereinigten Staaten viel Aufmerksamkeit. Ich fing an, viele Drehbücher auf Englisch zu lesen und bekam mehrere Angebote. Ich traf eine Menge interessanter Leute aus der amerikanischen Filmindustrie, aber ich konnte kein Projekt finden, bei dem ich das Gefühl hatte, dass ich damit ausdrücken könnte, was ich filmisch erforschen möchte und was mich wirklich beschäftigt. Zusammen mit dem Drehbuchautor Eskil Vogt hatte ich eine Menge Ideen. Daher fühlte es sich natürlicher an bei Null anzufangen als auf schon vorhandene Skripte aufzuspringen. Sie müssen bedenken, dass ich aus einem Land komme, dessen Sprache gerade einmal fünf Millionen Menschen sprechen. Deshalb war es für mich – nachdem ich mich entschieden hatte, Filme zu machen – ganz natürlich, eine Filmhochschule in London zu besuchen. Dort drehte ich drei preisgekrönte Kurzfilme auf Englisch. Eskil und ich wollten immer Filme für ein internationales Publikum machen, und es war eine lohnende Erfahrung, dass sowohl Auf Anfang als auch Oslo, 31. August in so vielen verschiedenen Ländern so gut aufgenommen wurden. Es war besonders schön und gleichzeitig paradox zu entdecken, dass es gerade die kulturelle Spezifität war, die diese Filme interessant und so universal machte. Daraus haben wir gelernt und sehr ausführlich die amerikanischen Milieus und Charaktere recherchiert, bevor wir uns in die Arbeit an Louder than Bombs stürzten. Ich glaube ehrlich, dass man als Filmemacher weniger über seine gesprochene Sprache definiert wird, als vielmehr über die stilistische Gestaltung der Geschichte, die man in seiner eigenen filmischen Sprache erzählt. Ein weiterer Reiz auf Englisch zu arbeiten bestand darin, mit großartigen internationalen Schauspielern zu drehen – etwas, das ich schon seit einer langen Zeit tun wollte. Ich war von klein auf Filmfan und wuchs mit internationalen Filmen auf. Als junger Mann war es typisch für mich, in die Cinemathek in Oslo zu gehen und am gleichen Abend einen Film von Louis Malle aus Frankreich, Ozu Yasujiro aus Japan oder Sidney Lumet aus den U.S.A. zu sehen. Im Kino ging es für mich immer darum, Sprachbarrieren zu überwinden. Wie war es für Sie in den Vereinigten Staaten zu arbeiten? Wie vertraut oder auch anders war die Arbeit dort? Erzählen Sie uns von ihren Eindrücken. Natürlich war das Team beim Dreh in New York viel größer als ich es je in Norwegen erlebt habe. Aber als Regisseur ist es deine Verantwortung immer ein Arbeitsumfeld um die Kamera herum zu schaffen, das zu deiner Geschichte und deinen Schauspielern passt. Also ging ich so vor, wie bei meinen vorherigen Produktionen. Ich hatte die Möglichkeit, mir Zeit zum Proben mit den Darstellern zu nehmen und versuchte die gleiche Art von gegenseitigem Vertrauen zu schaffen, wie ich es bei meinen früheren Filmen erleben durfte. Es ist natürlich prinzipiell egal, wo Du arbeitest. Und als der Dreh voranschritt, sah ich hinüber zu meinem engen Mitarbeiter, dem Kameramann Jakob Ihre, und sagte: „Es ist genau so, wie wir das sonst machen, nicht wahr? Es ist gar nicht so anders?“ Vaters leid waren, dem sich Söhne beweisen müssen, wie wir ihn schon in so vielen Geschichten gesehen haben. Gene ist in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich mit seiner emotionalen Verantwortung und Gabriel fügt der Figur viel Wahrheit und Humor hinzu. Ich denke, er ist die Art von Schauspieler, die gut mit dem Thema des Films umgehen kann. Er schafft es wirklich, den Film in eine größere Perspektive zu rücken. Jesse Eisenberg konnte für die Rolle des Jonah gewonnen werden.Wen verkörpert er da? Jonah ist eine Art Überflieger, der empfindet, dass er seiner Mutter näher war, als jede Foto: © Niko Tavernise Was ist die Geschichte hinter dem Titel? Worauf bezieht er sich? Ist „Louder than Bombs“ eine Kriegsgeschichte? Wir haben nach einem Titel gesucht, der eine Balance schaffen kann zwischen den kleinen und zarten Schmerzen im Familienleben sowie den großen Ambitionen und den Erfahrungen einer Mutter, die im Ausland als Kriegsfotografin arbeitet. Dass sich Schmerzen nicht vergleichen lassen, finde ich faszinierend. Natürlich ist Louder than Bombs auch der Titel des ersten amerikanischen Albums der Band The Smiths. Aber der Film handelt weder vom Krieg noch von The Smiths. Ich habe auch herausgefunden, dass sich The Smiths den Titel von der amerikanischen Dichterin Elizabeth Smart und ihrem Buch By Grand Central Station I sat down and wept ausgeliehen haben. Mir gefiel es, dass diese Worte eine spezifisch amerikanische Herkunft hatten, während ich an diesem Film arbeitete, der ebenfalls in den Vereinigten Staaten spielt. Joachim Trier am Set. Es ist die gleiche Herausforderung wie immer: Der Versuch, Risiken zu wagen, im Moment zu sein, und ein sicheres Arbeitsumfeld zu schaffen, wo die Schauspieler ihre Charaktere erkunden können, statt jedes Mal den Nagel auf den Kopf treffen zu müssen. Gabriel Byrne spielt Gene, den Familienvater. Können Sie uns etwas zu dieser Figur erzählen? Gene ist das Porträt einer modernen Vaterfigur. Mit modern meine ich, dass er – zumindest im Vergleich zum klassischen Patriarchen – eine emotionalere Verantwortung übernommen hat. Er wurde Lehrer und hat seine Karriere als Schauspieler aufgegeben, um näher bei seinen Kindern zu sein. Gene versucht, seine Familie zusammenzuhalten, aber er tut sich schwer eine Verbindung zu seinem Ich finde unsere Erinnerungen und unsere Idee von einem Selbst und von einer Identität faszinierend und rätselhaft. 15-jährigen Sohn Conrad aufzubauen, der umgeben ist von Computerspielen und seinem Leben im Internet – was für seinen Vater schwer zu verstehen ist. In vielerlei Hinsicht schafft das auch ein paar komödiantische Elemente, wie z.B. die Szene, in der Gene versucht einen Avatar zu erstellen und bei einem Onlinespiel mitzumachen, um seinen Sohn zu treffen – mit unvorhergesehenen Folgen. Da ist etwas Warmes und Zartes an Gene. Seine Stärke liegt in seiner Fähigkeit andere zu sehen, aber er kämpft damit herauszufinden, was er für sich selbst und mit seinem eigenen Leben anfangen möchte. Gabriel Byrnes Mischung aus Intelligenz und Gefühlswärme war sehr wichtig, um Gene als Charakter entstehen zu lassen. Wir sprachen darüber, dass wir das Klischee des autoritären andere Person. In vielerlei Hinsicht geht es in seiner Geschichte um verspätete Trauer und darum, wie die Fassade eines jungen und ehrgeizigen Akademikers, der gerade selber Vater geworden ist, zusammenbricht, nachdem er die Vorstellungen, die er von seiner Mutter hat, neu bewertet. Jesse Eisenberg ist ein präziser und unglaublich witziger Schauspieler und ich bin dankbar dafür, dass er einen neuen Charakter erforscht, indem er in der Rolle des Jonah eine vielleicht etwas verletzlichere Seite von sich zeigt. Jesse ist im wahren Leben ein sehr smarter und kreativer Typ und – was viele nicht wissen – auch ein großartiger Theaterautor. Es war inspirierend, mit ihm sowohl die Dramaturgie als auch seine Figur zu diskutieren. Wie wichtig ist es, dass Isabelle Reed Kriegsfotografin ist? Sie wird von Isabelle Huppert gespielt ... Ich wollte von Familie erzählen und dem Preis, den man für Ehrgeiz zahlt. Die unglaubliche und bewundernswerte Arbeit einer Krisenjournalistin gegenüber dem endlosen Bedürfnis, im Leben seiner Familie präsent zu sein. Ein Konflikt, mit dem sich, glaube ich, sehr viele Menschen identifizieren können. Die Figur der Isabelle Reed ist von mehreren prominenten Kriegsfotografen inspiriert, die ich entweder getroffen oder studiert habe, aber es ist keine Geschichte über diesen Beruf per se. In der Geschichte geht es um Eltern-KindBeziehungen und die Probleme einer Familie. Ich bin seit langer Zeit ein Fan von Isabelle Huppert. Zum ersten Mal habe ich sie vor ein paar Jahren auf dem Filmfestival in Stockholm getroffen. Ich blieb mit ihr in Kontakt und war begeistert als sie zustimmte, die Mutter in unserer Familie zu spielen. Obwohl sie nicht die Figur ist, die am meisten auf der Leinwand zu sehen ist, schwebt ihre Präsenz immer über der Geschichte, während sie voranschreitet. Ich kann mir keine andere Schauspielerin vorstellen in der Rolle dieser rätselhaften und faszinierenden Mutter. Welche Fotografien repräsentieren die fotografische Arbeit Isabelle Reeds im Film? Ich habe eine Menge über Kriegsfotografie recherchiert, obwohl es in dem Film nicht 03 nur darum geht. In Oslo, 31. August hatte die Hauptfigur beispielsweise eine Hintergrundgeschichte als Drogensüchtiger, aber in der Geschichte geht es um andere Teile seines Lebens, die gezeigt werden. Obwohl das Suchtelement nur ein Hintergrunddetail war, wollte ich es recherchieren und korrekt wiedergeben. Auf die gleiche Weise wollte ich in Louder than Bombs alle Details ihres Lebens als Kriegsfotografin akkurat präsentieren. Wir hatten viel Unterstützung von großartigen Fotoagenturen wie Magnum und VII. Wir haben die Werke verschiedener Fotografen genutzt, um Isabelles fotografische Arbeit im Film zu erschaffen. Unter ihnen sind Bilder der französischen Fotografin Alexandra Boulat, die zu denjenigen in diesem Bereich gehört, die ich sehr bewundere. Da ist eine große Menschlichkeit in ihren Bildern, kombiniert mit fotografischer Sensibilität, die sie von anderen absetzt. Der emotionale Kern des Films scheinen die individuellen und gemeinsamen Erinnerungen an Isabelle zu sein. Können Sie uns etwas erzählen über diese Dynamik und Ihre langjährige Faszination für das Thema Erinnerung? Sie kommen auch immer wieder in ihrer Arbeit auf dieses Thema zurück ... Ich finde unsere Erinnerungen und unsere Idee von einem Selbst und von einer Identität, basierend auf diesen Erinnerungen, faszinierend und rätselhaft. In dem Film versuche ich den speziellen Prozess des sich Erinnerns zu zeigen. Ich wollte die Art Trauerdrama vermeiden, bei dem wir dort sind, wenn die Mutter stirbt und jeder sitzt im Raum herum und weint. Unsere Geschichte trägt sich drei Jahre, nachdem die Mutter gestorben ist, zu und verfolgt den Dominoeffekt ihres tragischen Todes und die Wirkung, die er auf die drei Männer hat, während sie versuchen mit ihren eigenen Leben weiterzumachen. Es ist interessant, wie einen das Familienleben zwingt, sich selbst zu betrachten und sich selbst ständig neu zu hinterfragen.Warum nehmen Geschwister Eltern so unterschiedlich wahr? Wie kann man eine gemeinsame Sprache finden, wenn man sich gleichzeitig manchmal auch abkapseln muss? Da ist sowohl Verzweiflung als auch Hoffnung in Erinnerungen. Während der Trauer beschreiben Leute häufig ein statisches und unveränderliches Gefühl von Erinnerungen.Wie ich im Film versuche zu zeigen, gibt uns das ständige Hinterfragen, wer wir sind, die Fähigkeit, uns von diesen eingeschlossenen Ideen zu befreien. Es gibt eine Szene, in der Conrad, der jüngere Bruder, sich daran erinnert, wie er in seiner Kindheit Verstecken mit seiner Mutter gespielt hat.Während er zum ersten Mal seit Jahren daran denkt, erkennt er die Perspektive seiner Mutter auf die gleiche Szene, und dass sie ebenfalls dieses Spiel spielen wollte, da sie offensichtlich die ganze Zeit über gewusst hatte, wo er sich verstecken würde. Im Film wird vieles nicht linear erzählt. Sie arbeiten vielmehr mit verschiedenen Zeit- und Charakterperspektiven.Wie kamen Sie zu dieser Entscheidung? Heutzutage sind viele Charakterdramen auf die TV-Bildschirme emigriert. Ich glaube immer noch fest an den einmaligen Raum des Kinos. Es ist ein großartiger Ort, um über menschliche Geschichten nachzudenken. Ein Close-Up auf der Kinoleinwand ist einmalig: Es ist eine intime menschliche Begegnung, die man in keiner anderen Kunstform erleben kann.Wann sieht man im Alltag je ein Gesicht so groß? Ich versuche Geschichten aus verschiedenen Perspektiven zu erzählen, um hoffentlich ein gewisses Maß an Einsicht in die Leben dieser Charaktere zu bekommen. In einem Roman ist es nicht ungewöhnlich, sich innerhalb einer Geschichte zwischen Zeitschichten zu bewegen und in verschiedene Charaktere hineinzublicken. Es erstaunt mich, dass das im Kino als so ungewöhnlich angesehen wird. Je größer die Maschinerie um dich als Filmemacher herum wird, desto wichtiger ist es sich daran zu erinnern, dass es Spaß macht mit dem Erzählen zu experimentieren. Behalte die große Maschine nah an dir dran. Nur durch deine persönliche Perspektive als Geschichtenerzähler kannst du dem Publikum nahe kommen. Das hat nichts zu tun mit dem Budget oder wie viele große Trailer du am Set hast. 04 Sergei Loznitsa zu Gast im Stadtkino StadtkinoZeitung „Die Vergangenheit ist immer präsent.“ Zwei Abende mit dem ukrainischen Filmemacher Sergei Loznitsa – am 13. & 14. Jänner im Stadtkino. I m Jänner kommt der ukrainische Filmemacher Sergei Loznitsa auf Einladung der Akademie der bildenden Künste nach Wien, wo er einen Workshop für Studierende hält. Aus diesem Anlass zeigt und diskutiert das Medienlabor an der Akademie in Kooperation mit dem Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) Loznitsa neueste Filme, Sobytie (Das Ereignis, 2015) und Maidan (2014) im Stadtkino im Künstlerhaus. Der Regisseur wird anwesend sein. Sergei Loznitsa wurde 1964 in Weißrussland geboren, wuchs in Kiew auf und studierte am dortigen Polytechnikum Mathematik; nach seinem Abschluss arbeitete er von 1987-91 am Kiewer Institut für Kybernetik. Er ging dann nach Moskau an die staatliche Filmhochschule. Seit 1996 drehte er sechzehn Dokumentar- und zwei Spielfilme, für die er zahlreiche Auszeichnungen erhielt. Sčast’e moe (Mein Glück, 2010) und V tumane (Im Nebel, 2012) liefen im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes. 2014 präsentierte Loznitsa dort seinen Dokumentarfilm Maidan. Sein neuester Film Sobytie wurde 2015 im Rahmen der Filmfestspiele in Venedig uraufgeführt. Beide Filme dokumentieren historische Wendepunkte: den Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 und den Fall des Janukowytsch-Regimes in der Ukraine 2013/14, jeweils einhergehend mit einer intensiven Aufbruchstimmung. Sie tun das, indem sie die Menge zum Helden machen und selbst sprechen lassen, auf ganz unterschiedliche Weise – in Sobytie auf der Basis von dokumentarischen Aufnahmen aus den Tagen des August-Putsches 1991 in St. Petersburg; in Maidan aus der Perspektive einer fast unbewegten Kamera, die die dramatische Entwicklung vom Dezember 2013 bis Februar 2014 aufzeichnet. Loznitsa wundert sich, dass damals so wenige Filmemacher auf dem Maidan waren. „Wann bekommt man das nächste Mal wieder die Gelegenheit, solch eine Revolution live zu beobachten?“ meinte er kürzlich in einem Interview. Eine Kooperation zwischen dem Medienlabor der Akademie der bildenden Künste Wien, dem Stadtkino im Künstlerhaus und dem Institut für Bewusst Partei ergreifend gibt der Film auch einen Blick auf die nationalreligiös aufgeladenen Pathosformeln des Umsturzes frei. viennale.at Sergei Loznitsa die Wissenschaften vom Menschen und seinem Programm Ukraine in European Dialogue. MITTWOCH, 13. JANUAR 2016 Filmbeginn 19.30 Uhr SOBYTIE (DAS EREIGNIS) 74 Min. OemU Im August 1991 versuchen kommunistische Hardliner den damaligen Präsidenten der UdSSR aus dem Amt zu putschen und scheitern. Kurz darauf zerfällt die Sowjetunion, gründet sich die russische Föderation. In Leningrad versammeln sich die Menschen auf den Straßen und Plätzen, Informationen sind rar, die Ratlosigkeit groß; präventiv kann man ja schon mal Barrikaden bauen und streiken. Loznitsa montiert seinerzeit entstandenes Material mit bewährter Zurückhaltung und konzentriert sich auf die Gesichter; man lernt: Im Moment ihres Geschehens ist Geschichte banal und du und ich sind auch durch bloßes Herumstehen daran beteiligt. viennale.at Mit anschließender Podiumsdiskussion (in Englisch).TeilnehmerInnen: Yustyna Kravchuk, Film- und Medienwissenschaftlerin; Mitglied das VCRC (Visual Culture Research Center) in Kiew, derzeit Paul Celan Fellow am IWM Sergei Loznitsa, Filmemacher, Amsterdam/Kiew Oksana Sarkisova, Direktorin des Verzio International Human Rights Documentary Film Festival in Budapest; Research Fellow am Open Society Archive, Central European University Budapest Moderation: Bettina Henkel, Künstlerin; Leiterin des Medienlabors an der Akademie der bildenden Künste Wien DONNERSTAG, 14. JÄNNER 2016 Filmbeginn 19.15 Uhr MAIDAN 134 Min, OemU, Einführung (in Englisch): Yustyna Kravchuk, Kiew / Wien Von Dezember 2013 bis Februar 2014 richtet Loznitsa seine Kamera auf den Kiewer Unabhängigkeitsplatz. In kühnen, die handelsübliche Reportageästhetik kontrastierenden Einstellungen verdüstert sich die Atmosphäre aus fast karnevalesk anmutenden Anfängen zu den gewaltsamen Szenen unmittelbar vor der Absetzung des Präsidenten. Loznitsa verzichtet auf genretypische Verfahren wie Interviews oder hervorgehobene Protagonisten. Stattdessen gelingen ihm an Delacroix gemahnende Revolutionspanoramen aus der Perspektive der demonstrierenden Massen. Sergei Loznitsa ist mit seinen Kameras mittendrin, als Ende 2013 die Maidan-Proteste gegen die Regierung Viktor Yanukowitschs in der Ukraine an Fahrt gewinnen, und versucht sich an der Vermittlung einer Aktualität des Revolutionären. Dabei postuliert er eine strenge Form, die er unerbittlich beibehält: Statische Totalen, demokratische Kader und lumière’sche Wimmelbilder zugleich, durch welche die Ströme und Strudel des Aufstands ungehindert passieren, fast so, als wäre der Kamerablick unsichtbar, die Panoramen behäbig montiert (ein bisschen wie bei Nikolaus Geyerhalter), keine Interviews oder OffErklärungen, stattdessen sporadische Inserts mit basalen Infos und eine ebenso dichte wie vielschichtige Tonebene, deren künstlicher Collage-Natur, Kommentar-Funktion und akribischer Mischung man erst nach und nach gewahr wird. Loznitsa, der voll und ganz hinter der aufständischen Bevölkerung steht, hat in Interviews gemeint, dass man nicht Filmen und Kämpfen zugleich könne, da das Filmen eine gewisse Distanz erfordere. In besagter Distanz, die keinesfalls mit Gleichgültigkeit zu verwechseln ist (in den Zwischentiteln und bei weitem nicht nur da macht der Regisseur seine Position unmissverständlich klar), liegt das Besondere an Maidan. In manchen Szenen ist man verblüfft, dass es den Filmemachern gelingen konnte, eine derart ruhige Stellung zu wahren und heftige Zusammenstöße zwischen Protestierenden und Polizei mit derselben gesetzten Klarheit aufzuzeichnen wie die Menschenschlangen vor der Suppenküche. An einer zentralen Stelle bricht Loznitsa die Fassade von buchstäblicher Unerschütterlichkeit bewusst auf und zeigt, wie sich die Kamera im Ausnahmezustand aus ihrer Verankerung löst und Hals über Kopf die Flucht ergreift, vor den Tränengasschwaden und Schüssen, die immer erratischer fallen. Man kann sich denken, dass dies nicht das einzige Mal gewesen ist. Andrey Arnold, movienerd.de In Kooperation mit: Menschenmengen – damals und heute (Sobytie und Maidan) „Life & Times“ – Nature Theater of Oklahoma StadtkinoZeitung 05 Life & Times Das Nature Theater of Oklahoma vollendet seinen Epischen Zyklus „Life & Times“ und zeigt 3 Filmepisoden im Stadtkino. Eine Kooperation mit dem „steirischen herbst“. JOOST RAMAER E Gesamtdauer ca. 300‘ (ohne Pause) Sprache Englisch Episode 7 (132 Min) Auftragswerk und Residenz bei Live Arts Bard at the Richard B. Fisher Center for the Performing Arts at Bard College Mit Unterstützung durch King’s Fountain, FringeArts, The Wyncote Foundation & Doris Duke Performing Artist Awards Programm Episode 8 (118 Min) Residenzen bei Live Arts Bard at the Richard B. Fischer Center for the Performing Arts at Bard College Mit Unterstützung durch Fondation d‘entreprise Hermès / New Settings & Doris Duke Performing Artist Awards Programm Foto: © Steirischer Herbst Selbst für Bürger des Digitalzeitalters unverzichtbares Theater: Life & Times. Kama Sutra oder im japanischen Shunga ein. Sie lernten eine neue Technik, die Herstellung mittelalterlicher Manuskripte. Heraus kam ein Buch, dessen weicher, schaumgefüllter Plastikeinband es aussehen lässt wie eine Mormonenbibel aus einem Motel. Darin befindet sich die Niederschrift des 20 minütigen Gesprächs mit Worrall, ihre bekannten uhhs und umms und oh my god’s eingeschlossen, von Copper handgeschrieben in karolingischer Minuskel, einer mittelalterlichen Handschrift, die auch für uns Bürger des Digitalzeitalters noch einigermaßen lesbar ist. Jede Seite ist mit einer Zeichnung Liskas verziert, von ihm und seiner Frau, zu Hause, in allen möglichen Stellungen. „Wir haben uns für die Last, diese Episode selbst darzustellen, entschieden“, schreibt Copper im Nachwort. Sie sagt auch, dass das Buch „eine Arbeit der Liebe“ sei. Zwei Jahre lang arbeiteten die beiden kostenlos. Die vorherigen Life & Times-Episoden fraßen das vorhandene Budget komplett auf. Das Buch konnte nur fertiggestellt werden, nachdem es „großzügig von Festivals und Theatern in Berlin und Norwich unterstützt wurde“. Jetzt also Episoden 7-8-9. Eine letzte tour de force. Drei Spielfilme diesmal. Der erste fast gänzlich in Schwarz/Weiß, nostalgisch, mit Filmmusik und einer Titelsequenz, die an Hollywoodfilme aus den 30er Jahren erinnern. Der zweite Film ist in Farbe, in wunderbarem sommerabendlichem Licht gedreht in Parks und verlassenen Industriehalden um New York, der „home-base“ der Gruppe. Der dritte Film ist ein Gangsta-Rap, aufgenommen in Graz. Er dauert nur 17 Minuten lang – aber in dieser Zeit sind tatsächlich die letzten Tropfen des Budgets und der Energie der Truppe aufgebraucht. Das macht allerdings überhaupt nichts.Worrall stolpert von einem belanglosen Job zum nächsten, von einer flüchtigen Bekanntschaft in die nächste. Jeder Triumph und jede Niederlage verzückt sie oder schlägt sie nieder, als wäre es das erste Mal in ihrem Leben. Höhen und Tiefen in ihrer Stimmung dauern nur kurz. Und jedes Mal fängt sie wieder hoffnungsvoll von Vorne an. Träumt dieselben Träume vor einem Publikum, das schon lange weiß, dass sie nicht erfüllt werden. Aber genau das macht dieses Leben so einzigartig und wiedererkennbar für uns, erlaubt uns, mit ihr mitzufühlen. Die Art, in der das Nature Theater dieses Leben darstellt – das lächerlich insistierende Spiel, die Diktion, das laute Singen, die platte Musik, die fast schon militärische Choreografie – transformiert alles in ein wahres Heldinnenepos, erhebt Worrall weit über ihre demütige Gestalt in der richtigen Welt. Sie wird zu einem Fest unserer eigenen Bedeutungslosigkeit. Das Ergebnis ist eine Intimität, die uns, die Zuschauer, eine Bindung eingehen lässt, untereinander und mit der Oklahoma Family. • Zuerst erschienen auf: http://www.culturebot.org Episode 9 (18 Min) Koproduktion steirischer herbst & Nature Theater of Oklahoma Mit Unterstützung durch Doris Duke Performing Artist Awards Programm Regie, Konzept und Drehbuch Kelly Copper & Pavol Liska Nach Telefongesprächen mit Kristin Worrall Mit Ilan Bachrach, Asli Bulbul, Elisabeth Conner Skaervold, Kelly Copper, Gabel Eiben, Daniel Gower, Robert M. Johanson, Dany Naierman, Peter Nigrini, Kristin Worrall u. a. Künstlerische Leitung Dany Naierman Kamera Pavol Liska Kamera und Design Peter Nigrini Editor Kelly Copper Komposition & Musik Daniel Gower Musik Robert M. Johanso 20. & 21. Jänner 2016, ab 16.30 Uhr. Pausen zwischen den einzelnen Episoden. Karten sind zum Preis von 18‰ (15‰ für Studenten) ab sofort an unseren Kinokassen erhältlich. FRÜHJAHR ABO 2016 »3 aus 5« JÉR mit DO ÔME RIS B IAN UHL EL JAN KA ICH L ME MAR ER T GS TU ENS AR T Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem steirischen herbst. N JÉR Y Tim ÔM es üb E »a t BEL’s Ger ou ala Weitere Info & Tickets — www.tqw.at TQW-Stadtkino-FJ-Abo-134x212.indd 1 f : ent orce, w r de er ta inin ildly g rad ica , truly l« (c) Piet Goethals in Epos; monumental und gleichzeitig intim. Es dauert fünf Stunden, erzählt aber von keinem Heldenleben. Sondern von Kristin Worrall, einer Durchschnitts-Amerikanerin. Was ihr passiert, ist absolut wiedererkennbar und veranlasst das Publikum, mit ihr eine Verbindung einzugehen. Worrall selbst ist ein Teil davon. Das verstärkt die Identifikation mit ihr immens. Während der Premiere bewältigte sie diese duale Präsenz: Auf der Leinwand und im Raum. Das war aber nur einer der vielen einzigartigen Aspekte der Weltpremiere von Life and Times – Episodes 7-8-9 des Nature Theater of Oklahoma am 4. Oktober während des Steirischen Herbstes in Graz. Sie markierte das große Finale eines Theaterepos, das vor sechs Jahren im Kasino am Schwarzenbergplatz, der black box des Burgtheaters, seinen Ausgang nahm. Und geht es nach Veronica Kaup-Hasler, der Intendantin des Festivals und einer der ersten und treuesten Verbündeten von Pavol Liska und Kelly Copper, dem Team hinter dem Nature Theater, soll das auch so bleiben. „Wir sehen uns in zehn Jahren wieder“, scherzte Kaup-Hasler, nach der Aufführung. Sie weiß aber besser als alle anderen, dass die erwartete Episode 10 wohl nie das Licht der Welt erblicken wird. Denn das Nature Theater, das ein Publikum weltweit kennen und lieben gelernt hat, existiert praktisch seit einem Jahr nicht mehr. Die einst so stark miteinander verbündete Theaterfamilie, die ihren Namen aus Franz Kafkas unvollendetem Roman Amerika etlehnte, hat sich aufgelöst. Manche Mitglieder haben die Gruppe schon vor längerer Zeit verlassen, alle verfolgen neue Wege. Liska und Copper arbeiten somit als Duo an neuen Projekten. Die epischen Shows, die die Familie als Ensemble bestritten hat – jede mehrere Stunden lang und sich in Form und Inhalt nahe, ganz besonders No Dice (2007) und Life & Times (2009–2015) – machten sie weltberühmt und brachten ihnen Preise und Tributes ein, wie einen drei Jahre langen Aufenthalt am Burgtheater Aber sie zehrten alle Beteiligten auch extrem aus: künstlerisch, physisch, finanziell und privat, aufgrund der ständigen Reisen – durch ganz Europa, nach China, Japan, Singapur, Australien und über die USA wieder zurück nach Europa. Während sie sich auf einer Seite des Globus‘ mit den Episoden 5 und 6 beschäftigten, warteten Festivals und Theater anderswo darauf, dass bei ihnen die ersten vier Episoden zur Aufführung kämen. „Mit diesem ständigen Neuanfangen fertig zu werden, wurde für uns mit der Zeit immer schwieriger.“, sagte Schauspieler Robert M. Johanson in Graz. Manche Rückschläge verstärkten den Druck. Life & Times basiert zur Gänze auf zehn Telefonaten mit Gruppenmitglied Worrall aus dem Jahr 2007, insgesamt 16 Stunden lang. Zum fünften Gespräch wechselten Liska und Copper von einem analogen zu einem digitalen Aufzeichnungsgerät – um am Schluss herauszufinden, dass dieser nur 20 Minuten des Gesprächs mitgeschnitten hatte. Aufgrund dieses Textlochs war es ihnen unmöglich, den Zyklus wie ursprünglich gedacht fertigzustellen. Die ersten vier Episoden waren Live-Shows, die Worralls Leben in etwa bis zum Ende der High School umfassten. Doch dann kamen die „verlorenen Jahre“, wie Liska und Copper die nächsten Episoden grimmig betitelten. Wie sollten diese aussehen? Zuerst machten Liska und Copper einen animierten Film, den sie Episode 4.5 nannten. Da das Medium für sie etwas Neues war, mussten sie sich die ganze Technik aneignen. Danach zeichneten sie tausende für den Film benötigte Bilder. Ein zu schweres Unterfangen: Copper litt unter schmerzhaften Nervenknotenzysten an ihren Händen. Pavol und Kelly blieben aber ihrem neuen ZeichenHandwerk zugewandt. Die 20 nicht verlorenen Minuten des Gesprächs mit Worrall beschrieben viele ihrer ersten sexuellen Erfahrungen. Die Macher tauchten in eine jahrhundertealte Tradition der sexuellen Bebilderung, wie etwa im 13.11.15 18:38 Ein Kick the Machine Films und Illuminations Films (Past Lives) Produktion, in Koproduktion mit Anna Sanders Films, Geißendörfer Film- und Fernsehproduktion, Match Factory Productions ZDF/arte und mit Astro Shaw, Asia Culture Center-Asian Arts Theatre, Detalle Films, Louverture Films, Tordenfilm รักที่ขอนแก่น CEMETERY OF SPLENDOUR Mit Jenjira Pongpas Widner, Banlop Lomnoi, Jarinpattra Rueangram Kamera Diego Garcia Ausstattung Akekarat Homlaor Ton Akritchalerm Kalayanamitr Schnitt Lee Chatametikool Aufnahmeleitung Suchada Sirithanawuddhi Regieassistenz Sompot Chidgasornpongse Produzenten Keith Griffiths, Simon Field, Charles de Meaux, Michael Weber, Hans Geißendörfer Koproduzenten Viola Fügen, Najwa Abu Bakar, Moisés Cosio Espinosa, Eric Vogel, Ingunn Sundelin, Joslyn Barnes, Caroleen Feeney, Danny Glover Associate Producers Georges Schoucair, Susan Rockefeller, Holger Stern (ZDF/arte) Produktion, Drehbuch und Regie Apichatpong Weerasethakul Mit der Beteiligung von L'aide aux cinémas du monde, Centre national du cinéma et de l'image animée - Ministère des Affaires étrangères et du Développement international - Institut Franais Mit der Unterstützung von Serfond, World Cinema Fund, Hubert Bals Fund und Hong Kong - Asia Film Financing Forum Weltvertrieb The Match Factory Stadtkino Filmverleih ein film von apichatpong weerasethakul AB 22. JÄNNER IM STADTKINO IM KÜNSTLERHAUS StadtkinoZeitung Apichatpong Weerasethakul, „Cemetery of Splendour“ 07 Auflösungs-Erscheinungen „Cemetery of Splendour“ von Apichatpong Weerasethakul. IOANA FLORESCU & PATRICK HOLZAPFEL A rthur Rimbaud beschreibt in seinem Gedicht Le Dormeur du Val einen schlafenden Soldaten in der Natur. Doch hinter dem friedvollen Bild verbirgt sich ein grausamer Abgrund, den der Dichter in der letzten Zeile offenbart: Der Schläfer ist schwer verletzt, wahrscheinlich tot, er hat ein rotes Loch in seiner rechten Brust. In Apichatpong Weerasethakuls siebtem Langfilm Cemetery of Splendour gibt es auch schlafende Soldaten und einen unvermeidlichen Abgrund, der sich hinter den wunderschönen Bildern abzeichnet wie eine Erscheinung des Unterbewusstseins. Es ist gleichermaßen ein persönliches wie kollektives Erwachen, das sich in diesem Schlaf manifestiert. Cemetery of Splendour ist ein großartiger Film der Dazwischenheit. Auf den ersten Blick bewegt man sich auf gewohntem WeerasethakulTerrain. Der Film spielt in der Heimatstadt des thailändischen Filmemachers, Khon Kaen im Nordosten des Landes. Es ist eine spirituell und magisch angereicherte Welt, in der Träumen, Illusionen und religiösen Erscheinungen der gleiche Platz eingeräumt wird wie den realen Dämonen der Gegenwart. Weerasethakul kreiert einen poetischen Sog, der einen ganz sanft in das ewige Königreich zwischen Kino und Traum zieht. Im Zentrum des Films steht Jenjira, die von Jenjira Pongpas Widner verkörpert wird. Es ist die bereits vierte Zusammenarbeit der Darstellerin mit Weerasethakul und ihr reales Leben liefert einiges an Material für den Film. Sie taucht als Freiwillige in einer temporären Klinik in einer ehemaligen, von Geschichte durchzogenen Schule auf und kümmert sich um Soldaten mit einer merkwürdigen Schlafkrankheit. Bald schon wirft sie ein gesondertes Auge auf den jungen Erkrankten Itt, der keine sonstigen Besucher hat. In seinen Wachphasen unterhält sie sich mit ihm. Wenn er schläft, beobachtet und berührt sie seinen Körper. Darüber hinaus trifft sich Jenjira mit dem Medium Keng, das mit den Schlafenden kommuniziert. In kurzen Begegnungen wird Jenjira mit den realen und illusionären Räumen ihrer Umgebung konfrontiert. Weerasethakul verwebt einzelne Motive und Stimmungen zu einem sich wandelnden, somnambulen Gesamteindruck, der im Zuseher, den Träumenden und darüber hinaus in seiner Protagonistin einen tiefergehenden Wandel offenlegt, der auch mit dem Bewusstwerden eines politischen Zustandes zusammenhängt, weil man sich irgendwann fragen muss, ob diese Schlafkrankheit nicht kollektiv über das nach einem Militärputsch 2014 in Starre verharrende Land gefallen ist. Menschen stehen bewegungslos in einem Kinosaal oder wechseln wie automatisiert ihre Sitzplätze am Ufer eines Sees. Subtile politische Kritik ist Teil der Agenda von Weerasethakul, aber hier bekommt sie eine neue Deutlichkeit. Die Dazwischenheit ist also zunächst eine der unterschiedlichen Schichten des Raumes und der Geschichte. Auf dem Grundstück des improvisierten Krankenhauses wird beständig gebaggert, es gibt ausgestopfte Dinosaurier oder Paläste aus früherer Zeit und ähnlich verhält es sich mit dem Bewusstsein und der Vergangenheit von Jenjira, ja selbst ihrer Gesundheit. Wir befinden uns in einer Welt, in der Cremen und Ernährung Oberflächen erhalten, die unter derselbigen schon lange am Verfallen sind. Der Sinneskörper der Dazwischenheit ist daher auch die Haut, die ähnlich wie in Blissfully Yours eine besonders wichtige Rolle im Film einnimmt und gelegentlich zu einem kurzen Ausbruch der Sinnlichkeit führt. Es sei bemerkt, dass es sich innerhalb der Fiktionen um tatsächlich physische und psychische Narben der Hauptdarstellerin handelt, die ganz im Stil von Mysterious Object at Noon hier ihre Realitäten zum Teil der Illusion macht. Es tut sich ein enormes Loch auf zwischen den Oberflächen der Dinge und dem, was sich darunter verbirgt. Das beständige Babyblau und Türkis der brillanten Farbdramaturgie des mexikanischen Kameramanns Diego Garcia, der zum ersten Mal mit Eine seltsame Schlafkrankheit hat den Soldaten Itt befallen … Weerasethakul zusammenarbeitet, wickelt einen in eine Zärtlichkeit, die mehr und mehr zur Verlorenheit wird. Es ist ein Film über die Zärtlichkeit der Verlorenheit und die Verlorenheit von Zärtlichkeit. Neonfarbröhren stehen neben den Betten der Schlafenden. Es handelt sich dabei um eine Methode, die Träume der Soldaten erträglicher zu machen. Solche Gedanken oszillieren zwischen ihrer Schönheit und der Kritik daran. Allgemein lässt sich festhalten, dass sich Weerasethakul in Cemetery of Splendour Tondesign gibt es kaum merkbare Schnitte, alles fließt ineinander und gleichbleibende Soundkulissen setzen sich über die hypnotischen Schnitte fort. So fühlt man sich gleich dem Rimbaud Gedicht geborgen, bis man erkennt, dass man es nicht ist. Der Film installiert einen ernsten Zweifel, in dem die Harmonie und Grausamkeit eines Traums im gleichen Atemzug bestehen. Ein Mosaik aus Krankheit, dem Einfluss des Westens, den Wurzeln der Monarchie, persönlichen und gesellschaftlichen Erin- Ein Film über die Zärtlichkeit der Verlorenheit und die Verlorenheit von Zärtlichkeit. kritischer an den Spiritualismus oder die Magie annähert als in vorherigen Arbeiten. Mehrfach konfrontiert er Jenjira mit Wahrheiten oder einer Leere hinter dem Glauben. So drohen sich beständig Erscheinungen aufzulösen, um sich doch im Bewusstsein zu verankern. Es gibt Szenen wie eine Meditationssession oder die Begehung eines Palastes, den der Zuseher nicht sehen kann, in denen Weerasethakul sich von außen an das Fantastische heranschleicht und es auf diese Weise als solches bloßstellt, aber es gibt auch das steigende Gefühl, dass alles, was man im Film sieht,Teil einer unwirklichen Welt ist und sich der Filmemacher mitten in dieser treibenden Bewegungslosigkeit aufhält, die ihr visuelles Pendant in den sich drehenden Ventilatoren, Rolltreppen und Wasserrädern findet. Im nerungen entsteht vor dem Zuseher, der nicht mehr unterscheiden muss zwischen Traum und Realität, weil beide aus denselben Wunden entspringen. Es entsteht eine Verunsicherung zwischen Anziehung und Ekel, Begehren und Angst. Ambivalenz als eine Form der Dazwischenheit bedeutet bei Weerasethakul nicht, dass zwei konträre Emotionen hintereinander, sondern immer gleichzeitig bestehen. Die Faszination am Ekel ist in diesem Sinn das Begehren. Das verunstaltete Bein von Jenjira wird von Itt im Körper von Keng abgeschleckt, das erigierte Glied eines Schlafenden wird vorsichtig berührt, ein merkwürdiges Objekt schwimmt im Wasser und man will es unbedingt sehen und berühren. Und dann beginnt eine aktive Entscheidung, die gleichermaßen die nächste Dazwischenheit ist: Man fragt sich, ob man schläft, wacht, einschlafen will oder aufwachen muss. Weerasethakul erklärt in Cemetery of Splendour den Eskapismus zur Politik. Diese Welt wird zum Innenleben von Jenjira, das für ein ganzes Land gilt. Als Zuseher taucht man mitten hinein in diese wundervolle Starre und das Traumland der Angst, in dem man die Temperatur von Lampen fühlen kann, sodass man mit einem anderen Dichter, nämlich T.S. Eliot bemerken könnte: „I was neither Living nor dead.“ • Apichatpong Weerasethakul Rak ti Khon Kaen Cemetery of Splendour (Thailand, Großbritannien, Frankreich, Deutschland 2015) Regie und Drehbuch Apichatpong Weerasethakul Darsteller Jenjira Pongpas Widner, Banlop Lomnoi, Jarinpattra Rueangram, Petcharat Chaiburi, Tawatchai Buawat, Sujittraporn Wongsrikeaw, Bhattaratorn Senkraigul Kamera Diego Garcia Schnitt Lee Chatametikool Ton Akritchalerm Kalayanamitr Produktion Kick the Machine Films, Illuminations Films Past Live Verleih Stadtkino Filmverleih Länge 122 Min. Format DCP 2K / Farbe / OmdU Ab 22. Jänner im Kino Die politische Situation in Thailand D as Königreich Thailand befindet sich politisch gesehen seit einigen Jahren in einer Art Bewegungsunfähigkeit. Die Gründe hierfür reichen sehr weit zurück und umschließen soziale, ethnische und wirtschaftliche Faktoren. Der Beginn der ganz aktuellen politischen Probleme reicht in das Jahr 2001 zurück, als Thaksin Shinawatra mit seiner Partei Thai-Rak-Thai (TRT) einen Wahlsieg verzeichnen konnte und Premierminister des Landes wurde. Während seiner Amtszeit wurden in der Opposition immer wieder Macht- missbrauchs- und Korruptionsvorwürfe laut, besonders durch die 2005 gegründete Volksallianz für Demokratie, deren Anhänger auch „Gelbhemden“ genannt werden. Nach zahlreichen Protesten gegen die Regierung fang 2006 ein Militärputsch statt, der Thaksin Shinawatra seines Amtes enthob. 2007 gingen Thaksins Anhänger nach einer einjährigen parteilosen Übergangsregierung allerdings wieder als Wahlsieger hervor (Kritikern zufolge durch Stimmenkauf), dieses Mal mit der Partei der Volksmacht, die als Ersatz für die mittlerweile nicht mehr existierende TRT fungierte. Nach Ansicht der „Gelbhemden“ war Thaksin dabei weiterhin der eigentliche Drahtzieher im Hintergrund, was zu erneuten Protesten sowie heftigen Auseinandersetzungen zwischen Oppositionellen und Regierungstreuen, den sogenannten „Rothemden“, führte. Das Verfassungsgericht löste 2008 schließlich die Partei der Volksmacht auf, während das Parlament Abhisit Vejjajiva, dem früheren Oppositionsführer der Demokratischen Partei, die Re- Apichatpong Weerasethakul, „Cemetery of Splendour“ 08 gierungsgeschäfte übertrug. Infolgedessen kam es nun zu Protesten seitens der „Rothemden“, die 2009 und 2010 soweit ausuferten, dass das Militär sie niederschlug. Neuwahlen im Jahr 2011 konnte die Partei Pheu-Thai für sich entscheiden, ebenfalls eine Nachfolge-Partei der TRT, und Yingluck Shinawatra, die jüngere Schwester Thaksins, übernahm das Amt der Ministerpräsidentin. Die Amtszeit Yinglucks war ebenso wie die ihres Bruders geprägt von Vorwürfen bezüglich Korruption und Machtmissbrauch, und verschiedene oppositionelle Gruppen organisierten wiederholt Demonstrationen gegen ihre Regierung. Besondere Kritik fand 2013 Yinglucks Entwurf eines Amnestiegesetzes, welches vorsah, dass Beteiligte an vorherigen politischen Auseinandersetzungen straffrei blieben. Nachdem sich dieses Gesetz zunächst nur auf Teilnehmer von Protesten beziehen sollte, wurde es später so geändert, dass es auch politische und militärische Machthaber umfasste, was auch Thaksins Ausschluss von Strafverfolgung bedeutet hätte. Obwohl Yingluck aufgrund von Massenprotesten die Durchführung des Gesetzes schließlich nicht weiterverfolgte, rissen die Demonstrationen von Regimekritikern nicht ab und erreichten Anfang 2014 mit dem sogenannten „Bangkok Shutdown“ einen neuen Höhepunkt. Dabei wurden im Laufe von über zwei Wochen mehrere wich- tige Bereiche der thailändischen Hauptstadt blockiert oder besetzt (inklusive Brücken, Straßen und Regierungsgebäuden) was teilweise die Unterbrechung des üblichen Alltagslebens zur Folge hatte und zum vorläufigen Ausruf des Ausnahmezustands führte. Nach der Enthebung Yingluck Shinawatras aus ihrem Amt durch das Verfassungsgericht Anfang Mai 2014 wurde noch im selben Monat das Kriegsrecht durch die Armee unter der Führung von General Prayuth Chan-ocha verhängt. Kurz darauf gab es einen Militärputsch, der Thailand unter Militärherrschaft stellte. Seitdem ist das Land eine Militärdiktatur mit Chan-ocha als neuem Premierminister, der von König Bhumibol adulyadej, StadtkinoZeitung dem aktuell längst regierenden Oberhaupt der Welt, im Amt bestätigt wurde. Trotz der Aufhebung des Kriegsrechts im April 2015 sieht die aktuelle politische Lage der Thailänder nicht sehr zuversichtlich aus: Die Regierungsmacht liegt in den Händen des Militärregimes, währen die Bevölkerung so gut wie keine Rechte mehr hat. So sind beispielsweise öffentliche politische Treffen strengstens untersagt, ebenso wie Kritik an der Regierung. Proteste gibt es momentan nur noch selten, was einerseits ein Zeichen der Angst vor möglichen Strafen bei Widerstand gegen das Regime sein könnte, andererseits aber auch ein Zeichen für die stille Vorbereitung des nächsten Befreiungsschlags. • „Ich wollte einen Hauch von Melancholie.“ Ein Gespräch mit Regisseur Apichatpong Weerasethakul. „Cemetery of Splendour“ spielt in Ihrer Heimatstadt Khon Kaen. Sie haben geschrieben, dass der Film „ein persönliches Portrait von Orten, die sich wie Parasiten an Ihnen festgeklammert haben,“ ist. Was macht diese Orte so besonders für Sie? Der Film ist eine Suche nach den alten geistern meiner Kindheit. Meine Eltern waren Ärzte und wir haben in einer der Wohneinheiten des Krankenhauses gelebt. Meine Welt war die Krankenstation, wo meine Mutter gearbeitet hat, unser Holzhaus, eine Schule und ein Kino. Der Film ist eine Verschmelzung dieser Orte. Ich habe fast 20 Jahre nicht mehr in meiner Heimatstadt gelebt und diese Stadt hat sich sehr verändert. Als ich aber dorthin zurückgekehrt bin, habe ich nur meine alten Erinnerungen gesehen, die die neuen Gebäude überlagert haben. Einer meiner Lieblingsplätze, der Khon-Kaen-See, ist allerdings derselbe geblieben. Sie haben Ihr Aufwachsen in einem Krankenhaus Umfeld erwähnt. Inwiefern hat dies Ihre Filme mit ihrem Fokus auf medizinische Ausstattung beeinflusst und Ihre Auseinandersetzung mit dem Thema Krankheit? Für mich war es magisch, mir Herzschläge durch ein Stethoskop anzuhören oder eine Woher kam diese Idee, die Geschichte von den schlafenden Männern zu erzählen? Was hat Sie an diesem mysteriösen Schlaf interessiert? Ist es eine wahre Geschichte? Vor drei Jahren gab es einen Nachrichtenbericht über ein Krankenhaus im Norden, wo es eine mysteriöse Krankheit gab, wegen der das Krankenhaus 40 Soldaten unter Quarantäne stellen musste. Ich habe das Bild der Soldaten mit meinem Krankenhaus und meiner Schule in Khon Kaen vermischt. Diese drei Jahre über ist die politische Situation in Thailand in eine Sackgasse gelaufen (eigentlich tut sie das bis heute). Ich war vom Schlafen fasziniert und habe meine Träume notiert und ich denke, dass das ein Weg ist, um der schrecklichen Situation auf den Straßen zu entkommen. Basiert die Behandlung mit farbigem Licht auf einer tatsächlichen Therapieform? Sie scheint auch von Ihrem Interesse an Science Fiction herzurühren. Zu einem bestimmten Zeitpunkt habe ich Artikel über Neurowissenschaften gelesen. Es gab da einen MIT-Professor, der die Gehirnzellen mit Licht dazu manipuliert hat, bestimmte Erinnerungen zu wiederholen. Er sagte, dass die Ergebnisse in gewisser Weise Descartes Annahme wiederlegten, dass Geist und Körper getrennte Einheiten sind. Diese Hypothese stand im Einklang mit meiner Ansicht, dass Meditation nichts weiter ist als ein biologischer Prozess. Man kann immer in den Schlaf und das Gedächtnis eindringen. Wenn ich Arzt wäre, würde ich versuchen, eine Schlafkrankheit durch die Beeinflussung von Licht auf zellulärer Ebene zu heilen. Das Licht in diesem Film spiegelt vage diese Idee wider. Es ist nicht nur für die Soldaten gedacht, sondern auch für die Zuschauer. Eine unserer Clubgarnituren. Ö1 Club-Mitglieder erhalten im Stadtkino im Künstlerhaus und im Filmhaus Kino am Spittelberg € 2,— Ermäßigung. Jenjira entdeckt das Notizbuch von Itt mit seinen seltsamen Zeichnungen und Plänen. Es gibt reale Orte, die wir in dem Film sehen, aber genauso präsent sind andere Orte, ein mythologischer Ort eines Palastes und ein Friedhof. Als wir klein waren, haben wir Geschichten von diesem wirklich beeindruckenden Ort gehört, wo das Wasser voller Fische ist und das Land von Reisfeldern bedeckt. Die Zeichen des Wohlstands waren immer idyllisch, wobei die Brutalitäten ausgelassen wurden. Wir tragen diese Bürde von erzeugter Geschichte. Sie hat Sämtliche Ö1 Club-Vorteile finden Sie in oe1.ORF.at Ö1_Club_134x212_Stadtkino.indd 1 Lupe mit Licht zu verwenden. Zu seltenen Gelegenheiten hatte ich auch das besondere Vergnügen durch ein Mikroskop zu sehen. Eine weitere aufregende Erinnerung ist das Anschauen von 16mm-Filmen im Amerikanischen Institut. Die Amerikaner hatten damals Basisstationen im Nordosten, um dem Kommunismus entgegenzuwirken. Neben anderen Filmen erinnere ich mich sehr gut an den schwarz-weißen King Kong. Filme und medizinische Instrumente waren die besten Erfindungen meiner Kindheit. 11.12.15 09:32 Auswirkungen auf Generationen: Wie sehen wir uns selbst? Durch diese Informationen, die zutage treten, und durch aktuelle Studien verändert sich unser Identitätssinn. Ich denke, der Film spielt mit diesem instabilen Zugehörigkeitsgefühl. In Ihren Filmen arbeiten Sie regelmäßig mit der echten Jenjira zusammen. In „Cemetery of Splendour“ hat sie aber eine noch zentralere Rolle als in der Vergangenheit. Unsere Zusammenarbeit hat mit Blissfully Yours (2002) begonnen. Danach war sie oft und gern in unserem Büro. Ich habe sie für ihren Charakter, ihre Töchter und ihre Geschichten lieben gelernt. Sie hat ein Gedächtnis, das ich gerne hätte, ein Gedächtnis, das sich an alles erinnert. Ich glaube, sie kann sich zum Beispiel daran erinnern, was wir an welchem Drehtag vor zehn Jahren zu Mittag gegessen haben. Also haben wir bei vielen Projekten zusammengearbeitet, auch für ein Buch, das sie geschrieben hat. Sie hat mich dazu inspiriert, mehr über die Geschichte Isans, des Nordostens Thailands zu erfahren. Dadurch wurde dieser Film mein Traum, ihrer, und ein bisschen, so stelle ich es mir vor, der meiner Mutter. Im Nachhinein gesehen kann „Cemetery of Splendour“ ein Traum des Wachseins sein oder eine Realität, die scheinbar wie ein Traum ist. Die meisten der Darsteller stammen aus Isan und im Film wird hauptsächlich im isanischen Dialekt gesprochen. Gibt es bestimmte Traditionen und Überzeugungen, die nur in Isan zu finden sind? Das Gebiet von Isan bestand früher aus verschiedenen Reichen – Kambodscha, Lan Chang (Laos). Dies war bis zur Vereinigung (oder Thaifizierung) so, als Bangkok den Nordosten übernommen hat. Meine Familie ist einige Jahre bevor ich geboren wurde von Bangkok dorthin gezogen. Es ist ein trockener Ort, nicht so prächtig wie das zentral gelegene Flachland (wo Bangkok liegt). Für mich ist es allerdings sehr farbenfroh wegen der Spur des Animismus der Khmer. Die Leute leben also nicht nur in einer alltäglichen Welt, sondern auch in einer spirituellen Welt. Einfache Dinge können magisch sein. Apichatpong Weerasethakul, „Cemetery of Splendour“ StadtkinoZeitung 09 Schlafend gebannt von Illusion und höchst realen Dämonen. Können Sie etwas über Ihre Rollenbesetzung erzählen? Sie arbeiten regelmäßig mit denselben Schauspielern, wie Jenjira, aber suchen auch nach Leuten, die keine Profis sind. Da der Film in Khon Kaen gedreht wurde, haben wir auch dort ein Casting gemacht. Ich war positiv überrascht, so viele Talente zu entdecken. Es gibt dort sogar einige junge enthusiastische Filmemacher. Diesen Film zu drehen war für mich so, als würde ich einen Debütfilm machen. Ich habe versucht, einige meiner stilistischen Beschränkungen aufzugeben und mich der Energie der Stadt hingegeben. Mit den Laiendarstellern zu arbeiten hat mir geholfen, einen Rhythmus zu finden. Bei diesem Dreh war Ihr Kameramann Diego Garcia der einzige, mit dem Sie zum ersten Mal zusammengearbeitet haben. Miguel Gomes hat meinen üblichen Kameramann nach Portugal entführt, um seine Filmtrilogie 1001 Nacht zu drehen. Ich habe mich für ihn gefreut, weil Gomes einer der besten ist. Aber ich befand mich in einem Dilemma, also habe ich nach Vorschlägen herumgefragt. Carlos Reygadas hat mir Diego vorgestellt, der wahrscheinlich an Carlos‘ nächstem Film mitarbeitet. Ich war also vielleicht sowas wie Carlos‘ Versuchskaninchen. Ich bin natürlich sehr glücklich über die Erfahrung. Was ich am meisten an Diego bewundere, ist seine Persönlichkeit. Außer der Tatsache, dass er sehr talentiert ist, ist er sehr ruhig. Ich mag es nicht, wenn es Geschrei am Set gibt (meins eingeschlossen). Die ganze Crew liebt ihn. Nach einigen Drehtagen hatte ich das Gefühl, schon eine lange Zeit mit ihm gearbeitet zu haben. Bei diesem Film habe ich natürliches Licht bevorzugt, ich wollte einen Hauch von Melancholie. Er hat Wunderschönes geschaffen. In gewisser Weise ist dieser Film näher an einer linearen Erzählung dran als Ihre anderen Filme. Wie bei meinen anderen Filmen war die Entwicklung von Cemetery of Splendour sehr organisch. Ich habe meine Träume beobachtet und gedacht, dass sie ziemlich erzählerisch sind, mehr noch als meine eigenen Filme. Meine Träume und meine Erfahrungen im Wachzustand sind gleich wichtig für mich. Im Nachhinein gesehen kann Cemetery of Splendour ein Traum des Wachseins sein oder eine Realität, die scheinbar wie ein Traum ist. Filmografie Apichatpong Weerasethakul 2015 CEMETERY OF SPLENDOUR 2012 MEKONG HOTEL 2010 UNCLE BOONMEE ERINNERT SICH AN SEINE VORHERIGEN LEBEN 2006 SYNDROMES AND A CENTURY 2004 TROPICAL MALADY 2003 THE ADVENTURE OF IRON PUSSY 2002 BLISSFULLY YOURS 2000 MYSTERIOUS OBJECT AT NOON Georges Feydeau Der Gockel ab 18. November 2015 Sie haben den Film als „ein Nachsinnen über Thailand, eine fieberhafte Nation“ beschrieben? Es gab endlose Zyklen von Befreiungsschlägen seit 1932, als wir das Regierungssystem einer absoluten Monarchie zu einer konstitutionellen Monarchie verändert haben. Wir haben einen Zyklus von träumen und einen Zyklus von Befreiungsschlägen. Propaganda hat ihre Form über die Jahre verändert. Leute wurden ins Gefängnis geworfen. Der Film ist ein Ort, an dem ich kommunizieren kann. Ich möchte nicht mit Bildern von Schusswaffen und Blut sprechen. Ich teile meine Gedanken in Form von Humor, wobei ich weiß, dass Angst und Traurigkeit die wahren Einflüsse sind, die zu diesem Film geführt haben. »Eine Riesenhetz. Ein Pointenfeuerwerk.« (NEWS) Regie Josef E. Köpplinger Deutsch von Elfriede Jelinek Mit Pauline Knof, Alexandra Krismer, Silvia Meisterle, Susanna Wiegand, Michael Dangl, Dominic Oley, Roman Schmelzer, Siegfried Walther, Martin Zauner u.v.a. www.josefstadt.org Karten und Info unter: T +43 1 42700-300 Jarinpattra Rueangram und Jenjira Pongpas Widner INSERAT_Der_Gockel_fin.indd 1 09.12.15 14:12 Scope 100 10 StadtkinoZeitung Auf Schatzsuche Die „heiße Phase“ unseres Scope100 Projekts hat begonnen. S eit Anfang Dezember sichten sich unsere 100 Filmfans durch zehn ausgewählte europäische Filme, die bislang keinen regulären Kinoverleih in Österreich haben und somit um die Gunst unserer Scope100erInnen buhlen. Wir stellen sie Ihnen hier vor: Maryland von Alice Winocour lief bereits auf dem Filmfestival in Cannes und erzählt die Geschichte eines Ex-Soldaten, der unter posttraumatischen Störungen leidet und auf die Frau eines reichen französischen Geschäftsmannes aufpassen soll, die von Diane Kruger (Inglorious Basterds) gespielt wird … Filme aus Estland sind hierzulande so gut wie nie zu sehen – vielleicht ändert sich durch Scope100 dieser Umstand ja und Risttuules (In the Crosswind) von Martti Helde, der beim Toronto Film Festival seine Weltpremiere feierte, läuft bald auf unseren Kinoleinwänden? Die wunderschön gefilmten schwarz/weiß Bilder stehen in krassem Gegensatz zur heftigen Geschichte aus dem Kriegsjahr 1941: Eine junge Frau und ihre Tochter kämpfen sich aus der sibirischen Gefangenschaft zurück in ihre estnische Heimat … In Tempête (Land Legs) von Samuel Collardey verschlägt es die Zuschauer an die raue französische Westküste. Dort ist der Fischer Dom oft lange von seinen Kindern, die trotzdem bei ihm leben, getrennt – als seine Tochter ihm jedoch ihre Schwangerschaft offenbart, muss er eine Entscheidung treffen. Dominique Leborne erhielt in Venedig einen Preis als Bester Hauptdarsteller … Arnaud Desplechin als Altmeister zu bezeichnen, wäre etwas verwegen, ein gänzlich Unbekannter ist der Franzose allerdings auch nicht gerade. Mit Trois souvenirs de ma jeunesse ist er nach ein paar Manal Issa in „Parisienne“. Jahren Pause wieder zurück im Kino – und schlägt darin die Brücke zu seinem Comment je me suis disputé… (ma vie sexuelle) aus dem Jahr 1996. „Ein Film, in den man sich verlieben muss“, schrieb der Mit-Autor des Weerasethakul-Textes in dieser Ausgabe, Patrick Holzapfel … Die Dokumentation Olmo and the Seagull von Lea Glob und Petra Costa begleitet das Schauspielerpaar Olivia und Serge durch ihre Höhen und Tiefen und gibt intime Einblicke in ihr Seelenleben. Auf dem Festival in Locarno gewann der Film den Junior Jury Award … Peur de rien (Parisienne) von Regisseurin Da- Sky Night Golden Globes nielle Arbid ist ein autobiographisch geprägtes Drama über eine junge Libanesin, die in den 90ern in Paris landet und sich durchschlagen muss. Kritiker zeigten sich insbesondere von Manal Issa in ihrer ersten Hauptrolle beeindruckt … Federico Veiroj ist zwar eigentlich aus Uruguay, aber dank französisch-spanischer Beteiligung ist sein neues Werk El apóstata bei Scope100 vertreten. Darin erzählt der Regisseur, dem auf der letzten Viennale ein Tribute gewidmet worden ist, von Gonzalo und seiner Odyssee, sich von den Fesseln des katholischen Glaubens zu befreien. Es ist vielmehr aber die Geschichte einer behüteten Kindheit, einer verklemmten Sexualität und die Liebe zu einer unantastbaren Frau … Efterskalv (The Here After) ist gewissermaßen der obligate schwedische Beitrag zu Scope100: Nach Verbüßung seiner Haftstrafe für den Mord an seiner Exfreundin, kehrt der Teenager John zurück zu seinem Vater und jüngeren Bruder und möchte ein neues Leben beginnen. Andere Mitbürger sind allerdings wenig erfreut darüber: Sie wollen ihm nicht vergeben – und ein Teufelskreis beginnt. Magnus von Horns Spielfilmdebüt lief in Cannes und erhielt beim Polnischen Filmfestival u.a. den Preis für die Beste Regie … Nicht unbedingt weniger düster geht es in Las altas presiones (The high pressures) von Ángel Santos‘ (ebenfalls ein Debütfilm) aus Spanien zu. Miguel, ein junger Mann, befindet sich in einer totalen Existenzkrise und zieht sinnlos durch die Landschaft Galiziens, wo er für ein Filmprojekt Locations sichten sollte. Er macht dabei zwar auch neue Bekanntschaften, bleibt aber trotzdem allein. Nicht nur visuell ist der Film wuchtig! … Die Zehn komplett macht mit dem Rumänen Corneliu Porumboiu ein Zehn Filme stehen bei unserem Scope100 Projekt zur Auswahl. alter Bekannter des Stadtkino Filmverleihs (seinen Film 12:08 östlich von Bukarest brachten wir 2006 in die Kinos). In Comoara (The Treasure) – in Cannes für das Beste Drehbuch ausgezeichnet – treffen wir auf zwei Männer, die sich auf die Suche nach einem geheimnisvollen Schatz auf dem Anwesen der Großeltern des einen begeben. Dabei entdecken sie jedoch so manch anderes … Was die Schatzsuche unserer Scope100erInnen zu Tage führen wird, und für welchen dieser zehn Filme sie sich entscheiden werden, ist derzeit noch unbekannt. In der nächsten Ausgabe werden wir diesem Geheimnis allerdings näher auf der Spur sein. • presented by TNT Serie & E! Entertainment 10. Jänner Stadtkino im Künstlerhaus Beginn: 20.30 Uhr Freier Eintritt skynightevent skynight.at In Kooperation mit: EVERYDAY REBELLION (OmeU) 18.01.2016 19:00 UHR Filmhauskino am Spittelberg in Anwesenheit von Arman T. Riahi, Ko-Regisseur „Everyday Rebellion“ wird mit dem „Ciné-Club du Lycée français de Vienne“, in Zusammenarbeit mit dem „Club du Mardi“, im Rahmen der „Demokratie- und Brüderlichkeit-Woche“ des Lycée Francais gezeigt. Die Organisation dieser Woche kommt dem Wunsch der Schülerinnen angesichts der schrecklichen Ereignisse in Paris 2015 nach. Karten ab sofort erhältlich Impressum Telefonische Reservierungen von Mo. bis Do. 8.30-17 Uhr, Fr. 8.30-14 Uhr unter 522 48 14 – während der Kassaöffnungszeiten: Stadtkino im Künstlerhaus Akademiestraße 13, 1010 Wien, Tel. 712 62 76 / Filmhaus Kino am Spittelberg Spittelberggasse 3, 1070 Tel. 522 48 16. Online www.stadtkinowien.at Herausgeber, Medieninhaber Stadtkino Filmverleih und Kinobetriebsgesellschaft m.b.H., Spittelberggasse 3/3, 1070 Wien Graphisches Konzept Markus Raffetseder Redaktion Claus Philipp Druck Druck Styria GmbH & Co KG, Styriastraße 20, 8042 Graz Offenlegung gemäß Mediengesetz 1. Jänner 1982 Nach § 25 (2) Stadtkino Filmverleih und Kinobetriebsgesellschaft m.b.H. Unternehmungsgegenstand Kino, Verleih, Videothek Nach § 25 (4) Vermittlung von Informationen auf dem Sektor Film und Kino-Kultur. Ankündigung von Veranstaltungen des Stadtkinos. Preis pro Nummer 7 Cent / Zulassungsnummer GZ 02Z031555 Verlagspostamt 1150 Wien / P.b.b. StadtkinoZeitung „Anomalisa“, Nacht der Programmkinos, Mara Mattuschka 11 Anomalisa Charlie Kaufmans erster Trickfilm ab 21.1. im Filmhaus Kino. Fantasie jederzeit auch in eine berührende, konzertierte Erzählung einfügen kann. Mit seinem Ko-Regisseur Duke Johnson fusionieren in den zehntausend Einzelbildern der Begegnung zwischen Michael und Lisa paranoide und hyperrealistische Elemente, während sich zugleich der langsame mentale Zusammenbruch des Mannes als ein in jeder Hinsicht bewegender Moment in Lisas Leben erweist. Anomalisa ignoriert, smart und wendungsreich, die Konventionen des Animationskinos ebenso, wie die Zwänge einer rein realistischen Erzählung und schenkt den Zuschauern eine schillernde Projektionsfläche für ihre Phantasien. • Charlie Kaufman Anomalisa (USA 2015) Ausgezeichnet mit dem Großen Spezialpreis der Jury beim Filmfestival in Venedig. D er erfolgreiche Motivationstrainer und Bestsellerautor Michael Stone reist durch Amerika und begeistert mit seinen Vorträgen unzählige Menschen. Viele hoffnungslose Fälle hat er durch sein Buch erlöst, doch nun scheint er selbst in eine große Krise zu geraten. Während er anderen Menschen hilft, wird sein Leben immer leerer und bedeutungsloser. Müde vom vielen Reisen, gelangweilt von seinem Leben als Familienvater, kommen ihm alle Menschen gleich vor. Als plötzlich in einer weiteren einsamen Nacht die schöne und lebendige Stimme einer Frau in sein Hotelzimmer dringt, schöpft er neue Hoffnung. Die unwiderstehliche Stimme gehört Lisa, die in einem Call-Center arbeitet und extra für Michaels Vortrag von weit her angereist ist. Michael ist überzeugt: Mit Lisa kann er einen Neustart wagen … Charlie Kaufman, genialischer Autor von Arbeiten wie Being John Malkovich oder Eternal Sunshine oft he Spotless Mind, zeigt mit Anomalisa, wie sich der Wahnwitz seiner Regie Charlie Kaufman, Duke Johnson Drehbuch Charlie Kaufman Darsteller David Thewlis (Stimme), Jennifer Jason Leigh (Stimme), Tom Noonan (Stimme) Kamera Joe Passarelli Schnitt Garret Elkins Musik Carter Burwell Produktion Starburns Industries Verleih Universal Länge 90 Min. Format DCP / Farbe / OmdU Ab 21. Jänner im Kino Die Nacht der Programmkinos am Freitag, 22. Jänner 2016 V on der IG Programmkino 2011 erstmals veranstaltet, war diese Veranstaltung auf Anhieb ein riesiger Erfolg und ist seither aus dem jährlichen Programmkalender nicht mehr wegzudenken. Die Nacht der Programmkinos ist eine Einladung an all jene, die das Arthauskino noch nicht ganz für sich entdeckt haben und zugleich ein kleines Dankeschön an die vielen StammbesucherInnen die gerne und regelmäßig in die Programmkinos gehen. Denn die Programmkinos sind nicht nur ein Ort der lebendigen Auseinandersetzung mit den jeweils wichtigsten Arthausfilmen, sondern sind stets bemüht, ihrem Publikum eine familiäre und angenehme Atmosphäre zu bieten. Angesichts der Übermacht der Multiplexe gibt es nur mehr wenige traditionelle Kinos in innerstädtischen Lagen, und viele (wenn nicht die meisten) von ihnen sind Programmkinos, die die urbane Tradition der europäischen KinoKultur auf durchdachte und zeitgemäße Weise fortsetzen. Seit 1981 versorgt das Stadtkino – Wiens einziges kommunales Kino – die Filmlandschaft mit unverwechselbaren internationalen und nationalen Handschriften des Kinos. Rund 500 Filme wurden seither angekauft – die meisten davon wären ohne das Stadtkino, das seit 2013 im Künstlerhaus am Karlsplatz beheimatet ist, und den angeschlossenen Stadtkino Filmverleih in Österreich nicht zu sehen gewesen. Auch die zweite Stadtkino-Spielstätte, das Filmhauskino am Spittelberg, hat sich als beliebte Anlaufstelle für wesentliche Beiträge zum Autorenkino unserer Zeit etabliert. Cineasten schätzen vor allem die Vielfalt an heimischen Produktionen, die hier zu entdecken sind. • Programm im Stadtkino im Künstlerhaus 17:00 Gerald Igor Hauzenberger: LAST SHELTER (Ö 2015, 103 Min, OmdU) 19:00 Apichatpong Weerasethakul: CEMETERY OF SPLENDOUR (THA/UK/F/D 2015, 122 Min, OmdU) 21:30 Thomas Heise präsentiert Arbeiten der Filmklasse der Akademie der Bildenden Künste Programm im Filmhaus Kino am Spittelberg 16:00 Miguel Gomes: 1001 NACHT - TEIL 1: DER RUHELOSE (PT/F/D/CH 2015, 125 Min, OmdU) 18:30 Miguel Gomes: 1001 NACHT - TEIL 2: DER VERZWEIFELTE (PT/F/D/CH 2015, 131 Min, OmdU) 21:00 Miguel Gomes: 1001 NACHT - TEIL 3: DER ENTZÜCKTE (PT/F/D/CH 2015, 125 Min, OmdU) Neue Filme von Mara Mattuschka Im Filmhaus Kino am Spittelberg FREITAG, 28.1., 21:00 UHR & SAMSTAG, 6.2., 21:00 UHR STIMMEN (Ö 2014, 115 Min, Deutsche Originalfassung) SAMSTAG, 29.1., 21:00 UHR & FREITAG 5.2., 21:00 UHR PERFECT GARDEN (Ö 2013, 80 Min, Deutsche Originalfassung) A I lex Gottfarb ist nicht allein, beschreibt Mattuschka die Idee von Stimmen, in seinem inneren Haus wohnen der schüchterne Alexander, die sexy Sandra, der Teenager Alex und das Wunderkind Xandi – Abspaltungen seiner Selbst. Eine Tour de Force durch die psychische Innenarchitektur eines Menschen, die bildhafte und stimmliche Gleichzeitigkeit, die wir alle erleben, während wir nach Außen hin eine geschlossene Persona repräsentieren. Das ist in diesem überbordend fantasiereichen Film alles zugleich: ernsthaft, komisch, verspielt, tragisch, verrückt, verschoben – a real Mattuschka-Experience, that nobody should miss. Viennale n einem okkupierten Etablissement – einer Art selbstdefinierten Subkosmos der Realität – vollzieht sich eine körperbetonte Suche nach Lust und Erfüllung. Frauen und Männer tanzen, begehren und interagieren, ihr perfekt choreografiertes Körperspiel wird zur symbiotischen Verlängerung eines exzessiv hedonistischen Unterbewusstseins. Dazwischen: Ein Mafiaboss, der das Lokal zu übernehmen trachtet und den Sinn des Lebens findet. Ein traumhaft-hypnotischer Spielfilm. Utopisch realistisch. Diagonale Ab Februar im Stadtkino im Künstlerhaus & Filmhaus Kino am Spittelberg BELLA E PERDUTA von Pietro Marcello & RIGHT NOW, WRONG THEN von Hong Sang-soo