MU-40 Hochzeiten und eine Abrissbirne.pd[...]
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MU-40 Hochzeiten und eine Abrissbirne.pd[...]
40 Wer dieses Fest einmal erlebt hat, kann diejenigen Zeitgenossen nicht verstehen, die die Landshuter Hochzeit nicht mögen. Nirgendwo wühlt sich eine Stadt mit so viel liebevoller Detailfreude, mitreißendem Enthusiasmus und herrlicher Feierlaune in seinen historischen Nährboden wie die Landshuter während ihrer mittelalterlichen Festwochen – dieses Jahr zum 40. Mal! H o c h z e i t e n... P Na dann prost: Dieses Jahr wird wieder geheiratet in Landshut. ferdemist drückt sich in das Kopfsteinpflaster, ein Pulk barfüßiger Männer im bunten Kostüm steht im Kreis – plötzlich fliegt einer dieser Gaukler, von den anderen hochkatapultiert, drei Meter in die Luft, Applaus brandet auf, von den historischen Fassaden hallt ein tausendfaches „Halloooo!“ zurück. Es wuselt vor Menschen in der sonst eher beschaulichen Landshuter Altstadt, zwischen vielen, vielen Holztribünen. Der Backsteinturm von St. Martin schaut stoisch auf das Treiben, die Frauen im Edelgewand mit Kaninchenfell am Saum, die Gaukler und Landsknechte, die Kinder mit Buchskranz im Haar. Es wird wieder geheiratet in Landshut, und die halbe Welt ist zu Gast. Seit 1903, heuer zum 40. Mal, spielt Landshut (anfangs jährlich, seit ein paar Jahrzehnten vierjährlich) Mittelalter, oder man muss vielmehr sagen: Sie lebt es, in tausend Facetten, vier Wochen lang jeden Tag, von der Früh bis in die Nacht hinein; dann vielleicht sogar noch etwas mehr. Wenn es endlich losgeht – heuer am 28. Juni –, wirft sich die Stadt nach einer Phase der leise köchelnden Vorfreude und der akribischen Vorbereitungen in einen regelrechten Historientaumel. „Landshuter Hochzeit 1475“ heißt das Fest mit vollem Namen, „Laho“ (Betonung bitte auf der letzten Silbe) nennen sie es so knapp wie liebevoll. Und selbst wenn man sich dieser Mutter aller Mittelalterfeste entziehen wollte, man kommt ihr einfach nicht aus – wer sich in diesen 28 Tagen in Landshut aufhält, den holt die Vergangenheit unweigerlich ein. Ja, es gibt sie auch: die Landshuter, die die Laho nicht leiden können. Ein „narrischer Bonzenfasching“ ist sie für manchen, weil es natürlich auch ums Geld geht bei dem Fest, das für die Stadt längst ein Wirtschaftsfaktor erster Güte ist. Ums Wirtschaftliche ging es – neben genuiner Liebe für und Stolz auf die Stadt und ihre Geschichte – auch 1902, als sich eine illustre Runde betuchter Landshuter Bürger und Unternehmer zusammenfand, um den Verein „Die Förderer e.V.“ aus der Taufe zu heben. Schon die längste Zeit wurmte es sie, wenn sie von ihrer schönen Stadt – einst stolzer Hauptsitz der Wittelsbacher und faktisch Kapitale Bayerns, doch seit dem Ende der Goldenen Ära der Reichen Herzöge Anfang des 16. 76 Jahrhunderts in einer Art provinziellem Dornröschenschlaf versunken – südwärts schauten. Südwärts nach München, zur Rivalin, die seit Jahr und Tag mit saftigen Festen und königlich-bayerischem Prunk alle Aufmerksamkeit auf sich zog – nicht zuletzt die der vielen Touristen aus ganz Deutschland und dem Ausland, die nach Bayern drängten. Was die „Förderer“ also zuvörderst fördern wollten, war das Interesse an, die Begeisterung für Landshut über dessen Grenzen hinaus. Mehr Menschen sollten es kennenlernen, dieses Städtchen mit seinen gotischen Fassaden, dem weiten Altstadt-Straßenzug und der Isar mittendrin. Die Männer rund um den Vorsitzenden Josef Linnbrunner – der erste Zwiebackfabrikant Bayerns – und Georg Tippel, ein Gastwirt in der Altstadt, schwenken auf die Idee für ein historisches Fest ein, inspiriert von einem Gemälde, das seit 1880 im Landshuter Rathausprunksaal hängt. Darauf dargestellt ist der Festzug der grandios aufwändigen Hochzeit von Herzog Georg dem Reichen mit der polnischen Königstochter Jadwiga im Jahr 1475. Wie dokumentarischen Quellen aus der Zeit zu entnehmen ist, sollen damals an die 10.000 Gäste aus Fürstenhäusern in ganz Europa tagelang in Landshut gefeiert, geta- ... u n d e i n e aus: MUH 10 Sommer 2013 (c) MUH Verlag GmbH Text und Bilder: Abdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der MUH Verlag GmbH s s i r b A e n r i b www.muh.by Wer dieses Fest einmal erlebt hat, kann die Landshuter nicht verstehen, wie sie bei all ihrer aufwändig demonstrierten Verbundenheit zur eigenen Geschichte die historische Bausubstanz ihrer Stadt so lieblos Profitinteressen opfern. Landshut, sein historisches Hochzeitsfest und sein mit Füßen getretener Denkmalschutz: Die Schizophrenie einer Stadt, die nicht – oder vielleicht zu genau? – weiß, was sie will. D ie Stadt Landshut gilt heute als eine der schönsten Städte weithin. Sie verdankt der ‚Landshuter Hochzeit’ ein Gutteil ihrer Originalität, und diese ihrerseits wäre ohne das Stadtbild nicht denkbar.“ So schreibt der Verein Die Förderer e.V., Ausrichter der Landshuter Hochzeit, auf seiner Homepage. Wir lesen diese Sätze Dieter Wieland vor. „Ich glaube nicht, dass man das noch mit gutem Gewissen sagen kann“, sagt der Journalist und engagierte Landschafts- und Denkmalschützer, bekannt geworden durch seine Dokumentarfilme der BR-Reihe „Topographie“. Wieland, aufgewachsen in Landshut, kennt und liebt die Stadt wie wenige andere. „Es ist unglaublich viel getrickst und geschminkt worden in Landshut“, urteilt er, der in zwei Reportagen 1973 und 1993 die Zerstörung der Altstadt anprangerte. Landshut hatte – ein unschätzbares Glück – den Krieg fast unbeschadet überstanden. Doch Ende der 60er Jahre glaubte man moderner werden zu müssen, wollte teilhaben am großen Kuchen der Innenstadtkaufkraft, die Kaufhäuser wie Hertie und Oberpaur gezielt anzuzapfen begannen. Mit Josef Deimer (CSU) hatte man einen zupackenden, gern autokratisch regieren- Texte: Christian Lex & Eva Hirsch den Mann an der Spitze. Das neue Denkmalschutzgesetz dräute über der alten Stadt, und bevor es am 1. Oktober 1973 in Kraft trat, wurde man noch schnell eine ganze Reihe von oft jahrhundertealten Gebäuden los. An deren Stelle traten moderne Bauten, denen man pseudohistorische Kunstfassaden vorhängte. Dieter Wieland prägte damals den Begriff der „Betongotik“, sprach in seinen Filmen von „Stilmöbelarchitektur“ und „Disneylandfassaden“. Es tat ihm hörbar im Herzen weh, wie hier jahrhundertelang gewachsene Qualität für eine gesichtslose, aber praktisch-profitable Moderne aufgegeben wurde. Daran hat sich wenig geändert, ja: der identitätsfressende Abrisswahn in der Stadt hat eine Kraft wie nie zuvor. Jahrhundertelang, seit dem Ende des „Goldenen Zeitalters“ der reichen Herzöge, war Landshut Provinzstadt gewesen. Das bewahrte das Stadtbild aus dem Mittelalter. Doch heute prosperieren Region und Stadt, Landshut hat Erfolg, und dessen Geldfluss gräbt der historischen Stadt seit gut 40 Jahren das Leben ab. Wer in der Landshuter Altstadt Immobilien besitzt, ist reich. Aber Reiche wollen eben oft gern noch reicher sein. Die Originalität, von der die Förderer so stolz schreiben, wird dieses Jahr zur Landshuter Hochzeit vier weitere unübersehbare Wunden haben. In der Neustadt fehlen die Häuser Nummer 441 77 und 442. 441 war der „Duschlbräu“, eine uralte Wirtschaft mit Schankrecht von vor 1547; die 442 daneben war jahrhundertelang eine Schmiede. Beide wurden 2012 abgerissen. Denkmalschützern blieb nur noch kurz Zeit, die zwei Häuser vor dem Abbruch grob zu dokumentieren. Dabei erwies sich, dass das Holz der Dachstühle in den Wintern 1393/94 bzw. 1384/85 geschlagen wurde. Die Häuser waren also Zeugen der originalen Landshuter Hochzeit 1475, doch ihr ehrwürdiges Alter schützte sie nicht vor der Zerstörung. Der Duschlbräu hatte seinen Denkmalschutz schon in den 90ern verloren, sein schlichterer Nachbar hatte nie einen. Und das, obwohl beide Gebäude herausragende rare Details bargen. Der Duschlbräu verfügte über einen Dachausbau mit Schmuckelementen von Mittelalter bis Renaissance, Neustadt 442 über eine mittelalterliche Bohlenstube mit der einzigen (!) in Altbayern bekannten gewölbten Balken-Bohlendecke. Trotzdem freute sich das „Landshuter Wochenblatt“ im März 2012, dass die Tage des „Schandflecks“ gezählt seien, Stadtratsmitglied Christoph Zeitler (damals FDP, seit Frühjahr 2013 parteilos) äußerte sich nach der ohne Gegenstimme verlaufenen Abstimmung „hocherfreut“ über den Abriss der Häuser. Mindestens so schlimm mutet der Verlust der beiden gegenüberliegenden Gebäude an – Neustadt 533 und 532. Hier ergaben eilig durchgeführte Untersuchungen, dass das Haus 532 im Kern gar schon 1280 erbaut worden war; bis dahin war man davon ausgegangen, dass erst 1300 begonnen wurde, die Neustadt anzulegen. Die beiden Häuser fielen bereits im Januar 2012 der Abrissbirne zum Opfer (siehe Foto oben). Der Verlust dieser mittelalterlichen Bausubstanz ist nur der vorläufige Endpunkt einer unfassbaren Kette von Denkmalfraß in der Landshuter Altstadt seit 1968. Warum schafft es eine Stadt, die sich so auf ihr historisches Erbe beruft, nicht konsequenter ihre Kulturdenkmäler zu erhalten? Weil sie es im Herzen gar nicht will, glaubt Dieter Wieland. „Der Landshuter hat eine Krämerseele.“ Viele der Patrizierfamilien Landshuts seien ja auch bei der Laho engagiert. Wieland klingt fast resigniert: „S‘Gwand muaß schee sei, aber bei de Häuser glangen Plastikfenster. Alle vier Jahre spielen sie sich auf, und das ist dann auch wunderschön, aber dazwischen sind sie glücklich mit den Kulissen. Wohnen tun sie felt und gelumpt haben. Und dieses Fest – oder eine Ahnung davon – wollen die Förderer wiederbeleben. Die Idee: Wir spielen das nach, mit Kostümen und allem drum und dran, in unserer Stadt, der schönsten Festkulisse, die es nur geben kann, hingestellt wie gemalt von der Historie und ihren Irrungen und Wirrungen. Bereits ein Jahr nach der Gründung der „Förderer“, bewegte sich zum ersten Mal der Mittelalter-Zug durch die gotische Stadt, 145 Teilnehmer in historischen Kostümen, mit Fanfarenbläsern, einem Krönchen auf dem Haupt der Königstochter und sechs prächtigen Apfelschimmeln, die den Brautwagen zogen. Und auch die ersten Gäste von außerhalb kamen für das Ereignis in die Stadt, ganz wie erhofft. 110 Jahre später, bei ihrer 40. Wiederkehr, ist die Landshuter Hochzeit eine Traditionsveranstaltung grandiosen Ausmaßes, ein Tourismusfaktor für die längst prosperierende Stadt und untrennbar mit deren Image verbunden. An die 600.000 Menschen – das sind knapp zehnmal so viel wie Landshut Einwohner hat – besuchen die Stadt im Lauf der vier Wochen der Laho, vor allem an den Sonntagen, wenn sich der kilometerlange Zug aller 2.500 Mitwirkenden durch die Alt- und Neustadtgassen mit ihren bunten gotischen Häuserfassaden schlängelt. Allein über 400 Kinder rennen dann durch die Gegend, Edeldamen, Moriskentänzer, Gaukler, Stelzengänger, die hohe Obrigkeit, der Kaiser, natürlich das Brautpaar, Pagen, Bischöfe, Zigeuner, folgen – alle in extra gefertigten Kostümen. Im Fundus der Laho, der tausende Kostüme fasst, wird auch während der spielfreien Jahre ehrenamtlich gearbeitet. Röcke, Strumpfhosen, einfache und aufwändige Hüte, Fürstinnenkleider, bei denen der Meter Stoff schon mal 1000 Euro kostet, Leinenhemden, Schnabelschuhe, Ledertaschen, dicke Schmuckringe, Fahnen, Gürtel, Überwürfe – all das wird alle vier Jahre fein säuberlich nach Zahlung einer Kaution an die Teilnehmer ausgegeben und bei der Rückgabe peinlich genau überprüft. Die Konkurrenz um die begehrten Kostüme ist hart. Auf sechs freie werdende Plätze kommen schon mal über hundert Bewerber. Denn nur, wer ein von den Förderern ausgegebenes und genehmigtes Kostüm hat, ist Darsteller beim Festspiel, darf hinein in das Mittelalterlager am Zehrplatz, auf dem gegegessen, getrunken, geredet und noch viel mehr wird. Bei der letzten Laho 2009 sollen sogar Besucher aus anderen Städten in „nicht genehmigten Kostümen“ vom Platz geworfen worden sein. NeuanwärterInnen für ein Kostüm müssen ein quasi-Casting durchlaufen, der Besetzungsausschuss der Förderer entscheidet dann, wer mitspielen darf. Da wird genau die Haarlänge gemessen, die Haare der Mädchen bis 23 müssen schulterblattbedeckend sein (alle anderen müssen „unter die Haube“), bei Männern darf man die Ohren nicht sehen, Bart geht nur in einigen genehmigten Ausnahmefällen. Ein Brief der Förderer, der im Festspiel-Jahr meist um Ostern kommt, entscheidet, ob man ein Kostüm kriegt; das Warten darauf begleitet etliche Landshuter in den Frühlingsmonaten der Laho-Jahre. Tränen hat man da schon gesehen und auch Menschen kurz vor dem Tobsuchtsanfall, wenn die ersehnte Zusage eben nicht im Briefkasten lag. Die Förderer e.V., weiterhin Ausrichter der Festlichkeiten, wachen streng – mit jeder Laho verstärkt sich das noch – über die maximale historische Korrektheit sämtlicher Details, die auch nur entfernt mit der Hochzeit zu tun haben. Lange Haare sind bei mitwirkenden Männern Pflicht. Brillen, Handys, Piercings, Zigaretten oder z.B. moderne Trinkbecher sind für die rund 2.500 Hochzeiter während der Zeit im Kostüm streng verboten; wer mit solcherlei neuzeitlichem Tand erwischt wird, dem drohen Strafen, im schlimmsten Fall der Kostümentzug. Logisch, dass moderne Verkehrsschilder mit braunen Jutesäcken, den Rupfen, abgehängt werden. Klar, dass sich kleine Darsteller reicher Fürstenkinder beim Hochzeitsfestzug nicht nach zugeworfenem Geld oder geschmissenen Bonbons bücken dürfen. Und für die Jubiläums-Hochzeit 2013 warten die Förderer mit einer ganz famosen Neuerung auf: Für 100.000 An Sonntagen geht‘s bei der Laho so zu, dass sie die Leute in der Altstadt übereinander stapeln müssen Euro hat man den „hängenden Wagen in Kobelbauweise“ der polnischen Braut Hedwig historisch exakt nachbauen lassen. Er ist der weltweit einzige seiner Art. Einen Haufen Arbeit macht die Landshuter Hochzeit unbestritten. Angefangen bei den Aufbauten der zig Tribünen und des Turnierplatzes, auf dem die Ritterspiele stattfinden, über die Tanz- und Gesangsproben bis hin zum Kostümeschneidern. Monatelang trainieren Darsteller für die vielen Aufführungen wie Reiter- und Ritterspiele, bei denen ganz normale Bürger, nicht etwa Stuntmen auf den Pferden sitzen – Verletzungen werden beim Gaudium mitgeliefert, was aber kaum einen davon abhält, vier Jahre später wieder zur Lanze zu greifen. Hunderte Musiker proben für ihre Auftritte, Buben in Strumpfhosen von „Tanzpolen“ lernen mittelalterliche Schreitschritte, und die Jongleure üben wie wild, um die historisch korrekten Bälle vor dem Portal der Martinskirche dann auch schön in der Luft halten zu können. Das Ende zweier jahrhundertealter Baudenkmäler: Der „Duschlbräu“ iund sein Nebenhausstanden schon,80 Jahre vor der originalen Landshuter Hochzeit; im März 2012 wurden sie nach jahrzehntelangem Siechtum abgerissen, in der Baulücke entsteht jetzt das luxuriöse „City Palais“ aus: MUH 10 Sommer 2013 (c) MUH Verlag GmbH Text und Bilder: Abdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der MUH Verlag GmbH www.muh.by 78 Der Turm von St. Martin hat die originale Laho übrigens gar nicht miterlebt – er war erst um das Jahr 1500 fertiggestellt. Ihn mit einem Rupfensack zu kaschieren, geht bei 130 Metern Höhe allerdings schlecht. So blickt er hinab auf das Treiben. Die Holztribünen, die über die ganze Stadt verteilt stehen und auf denen Abend für Abend gefeiert wird. Vor allem zwischen Montag und Freitag wird gepicknickt in der Altstadt, mit Wein und Käsewürfeln, mittelalterliche Musikgruppen mischen sich unter die Feiernden, Kostümierte flanieren umher, denen anzusehen ist, welches Glück das sein muss, vormittags, mittags, nachmittags, abends und nachts in einer mitunter kratzigen Mittelalterklamotte zu stecken. Mit Vorfreude haben viele Landshuter die letzten Wochen und Monate verbracht. Sie lieben ihre Stadt und ihr Fest und den vierwöchigen Ausnahmezustand, den es ihnen alle vier Jahre beschert. Die Liebe zur Laho nehmen einige sogar mit ins Grab – wer für sein Sterbebild ein Foto im Kostüm verfügt, der muss ein echter Hochzeiter gewesen sein. Alles schon dagewesen in Landshut, wo Menschen im Sommer barfuß durch Pferdeäpfel gehen und vier Wochen lang aus Kupferbechern trinken, Metallallergie hin oder her. Und wenn auch diese 40. Hochzeit vorbei ist, darf man – auch das ein hübscher Nebeneffekt der Laho – gespannt sein, wie viele Kinder wohl in neun Monaten das Licht der Welt erblicken werden. * * * * * eh längst oben am Berg, in praktischen Bungalows.“ Offenbar genüge den Bürgern eine gewisse Oberflächlichkeit. Es sei ein bisschen wie mit dem Rupfen, „das mittelalterliche Feigenblatt der Landshuter Hochzeit“. Der grobe Jutestoff wird über Verkehrszeichen gezogen, um die Illusion des Alten aufrechtzuerhalten. Auch für den alten Moserbräu – Altstadt Nr. 178 und 179 – liegt die Abrissgenehmigung vor. Nur noch einmal darf er dem Treiben der Hochzeit zusehen. Das alte Wirtshaus besteht aus zwei Gebäuden aus dem 15. Jahrhundert, mit klassizistischer Fassade aus dem 19. Jahrhundert. Der in der Altstadt nahe St. Martin gelegene Bau wurde „mit System vernachlässigt“, bis er nun so kaputt ist, dass man ihn angeblich nur noch abreißen könne, sagt Dieter Wieland. Dies sei in der Stadt übliche Praxis. Als der Stadtrat am 8. Februar 2012 den Abrissantrag genehmigte, ließ sich CSU-Oberbürgermeister Hans Rampf vernehmen, man müsse auch mal „den Mut zum Abriss“ haben, wenn ein Haus nicht mehr saniert werden könne. Die Grünen-Frakton hielt und hält dem entgegen, der Besitzer, der Immobilienunternehmer Johann Eller, trage selber die Schuld am schlechten Zustand des Moserbräus. Insgesamt vier Anträge auf Abbruch hat der bereits gestellt. Zum ersten Mal bereits im Jahr des Erwerbs 1990, danach 1995, 2003 und 2004, jeweils erfolglos. Eller ging wohl nicht sorgsam mit dem Haus um. Durch kaputte Dachziegel und Fenster soll es über 20 Jahre ins Gebälk geregnet haben. Nichts sei in all den Jahren für den Erhalt des Gebäudes geschehen, sondern strikt auf den Abbruch hingearbeitet worden, hält auch Thomas Keyßner von den Grünen den Vorwurf aufrecht. Keyßner, Zweiter Bürgermeister der Stadt, setzt sich mit seiner Fraktion für sorgsameren Umgang mit der historischen Innenstadt ein, steht im Stadtrat aber einem großen bürgerlichen Lager gegenüber, das sich seiner Meinung nach in der Mehrheit als „willfährige Unterstützer von Investorenwünschen“ versteht. „Die Förderer haben eine sehr klare Gestaltungserwartung“, so Keyßner. Der einflussreiche Verein mischt sich stets ein, wenn es ums Landshuter Altstadtbild geht – da wird dann auch mal wild diskutiert, welche Art von Stüh- len die Cafés aufstellen dürfen zu verantworten. Dabei gingen barocke Stuckdecken und und wie hoch das Grün in den Ausstattungselemente verloren; der Hof, in dem 1475 während Trögen sein darf. Dabei haben der Landshuter Hochzeit 90 Pferde standen, ist jetzt zugebaut sich die Förderer eigentlich weit mit einem Riegel voller Verkaufsfläche, der seit Jahrhunderten höhere Ziele gesetzt. Laut ihrer bestehende Durchgang verschlossen. Der Architekt, der bereits Satzung sind Vereinsmitglieder lange vor Feigel die Rückgebäude zur Ländgasse in „Betongotik“ verpflichtet, für das kunsthierbaut hatte und in den 70ern von Dieter Wieland kritisiert storische Stadtbild Sorge zu trawurde, war ein gewisser Rudi Wohlgemuth – fast 30 Jahgen. Doch der Vorsitzende Ernst re lang Vorsitzender der Förderer. Als Außenstehender mag Pöschl gibt zu, dass der Kampf man sich ob solcher Gemengelagen schon die Augen reiben. gegen die Zerstörung der InnenBarbara Anetsberger, Architektin und stellvertretende stadt einer Sisyphosarbeit gleicht. Vorsitzende des Architektur und Kunst e.V. Landshut, ärgert Die Förderer würden dem kontisich über die Stadt im Zusammenhang mit der Neubebauung nuierlich entgegentreten. „Solange des Moserbräu-Areals. „Erst dem eigentlich rechtswidrigen aber der Mammon über die echten Abbruch nach jahrelanger gezielter Verwahrlosung zuzuideellen Werte siegt, werden wir in stimmen und dann auch noch eine maximale Bebauung unserem Kampf nicht erfolgreich durchzuwinken“, empfindet sie als „Einladung zu einem solsein.“ So kämpferisch Pöschl sich chen Vorgehen“. Der geplante Bau mit Büroflächen und Lugibt, und auch wenn man ihm xuswohnungen wird die Baugrenzen und Möglichkeiten auf persönlich seine hehren Ziele abdem Grundstück bis aufs Äußerste ausnutzen. In einer Genimmt – seine Position ist eine gend mit fast monatlich steigenden Immobilienpreisen rentiert schwache. Denn so viel haben wir es sich so offenbar auch, ein Haus 22 Jahre vor sich hinsiechen im Kapitalismus jetzt zu lassen, um es dann losschon gelernt: Wer auf zuwerden. „So wird es für den Sieg „echter Wert“ Investoren immer leichter, über den Mammon historische Bausubstanz nur hoffen kann und durch profitmaximierte mag, der steht auf verNeubauten zu ersetzen“, lorenem Posten. sagt Barbara AnetsberDie mangelnde ger. Hans Eller jedenfalls Einflussnahme der sucht auf seiner HomeFörderer in politischen page schon weitere AltGremien hat wohl stadthäuser zum Ankauf. auch mit dem dicht Der über 500 Jahre alte Moserbräu in der Auf die Bitte der MUH verwobenen Netz der Altstadt: Der Abriss ist beschlossene Sache. um eine Stellungnahme Abhängigkeiten in eireagierte er leider nicht. ner kleinen Stadt wie Landshut zu Aber auch wenn man die jüngsten Abrisse mit Namen tun. Im von Ernst Pöschl beschwoverbindet, sind das nicht etwa Investoren von außerhalb, sonrenen „Kampf“ sieht er sich immer dern meist finanzpotente Landshuter Bürger. Die Flächen der wieder auch Gesichtern aus den Neustadt 532 und 533 werden bebaut von Thomas Küffner, eigenen Reihen gegenüber. Allen einem langjährigen CSU-Stadtrat, der sich andererseits mit voran Johann Eller, Gründer der zwei Stadtratskollegen in einer Plenaranfrage beispielsweise „Ellergruppe“, einer der größten darum Sorgen machte, dass ein kleines Gerüst am Eingang Immobilienmagnaten Landshuts von St. Martin während der Landshuter Hochzeit „die Geund für viele der personifizierte samtkulisse beinträchtige“. Auf der Fläche der ehemaligen Denkmaltod. Er, der bald auch Häuser Neustadt 441 und 442 baut die Brauerfamilie Koller, dem Moserbräu den Garaus madie auch zwei Sorten „Hochzeitsbier“ im Angebot hat. chen wird, hat der Stadt schon Barbara Koller-Fichtel, Architektin und Miteigentümerin, so manches Gebäude beschert, sieht das „City Palais“, wie der dort geplante neue Wohnkomdas nicht nur dem Zweiten Bürplex heißt, als Aufwertung fürsganze Viertel. Beim Spatenstich germeister Keyßner ein Dorn im sah sie dessen weitere Entwicklung schon voraus: „Ich denk Auge ist. Doch genau dieser Joauch nicht, dass wir die letzten sein werden, ich denke, dass hann Eller findet sich auch im sich jetzt hier viele dran aufhängen. Und so soll’s ja auch Teilnehmerregister der Landssein.“ Man muss also Schlimmstes befürchten. Das City Pahuter Hochzeit. Er ist mitverantlais wirbt mit einer „Symbiose aus Moderne und einer Zeitwortlich als Gruppenführer der reise in die Gotik“. Wenn sich weiter so viele leichten Herzens Ringelstecher, wie man im Persovon der Gotik verabschieden, wird diese Zeitreise auch bei nenverzeichnis der Förderer lesen der Landshuter Hochzeit immer mehr zur Farce. kann und ist seit vielen Jahren als * * * * * Aktiver dabei. Sein Sohn stellte 2005 gar den Bräutigam, Herzog „Betongotik“ vom Feinsten: Das Kaufhaus Oberpaur Georg den Reichen, dar. Thomas Keyßner sagt, ihm sei der geringe Widerstand aufgefallen, den es gegenüber Ellers bislang letztem Abrissantrag zum Moserbräu gab. Über die Hintergründe könne aber auch er nur spekulieren. Stefan Feigel, Beirat der Förderer, wiederum hat den Umbau des alten Gasthauses Silbernagel zu den „Stores“, einer Buchhandlung- und Bekleidungskette im Herzen Landshuts, als Architekt 79