Dr. Gabriele Czerny Friedrich Rückert1 Vom Bäumlein das andere

Transcription

Dr. Gabriele Czerny Friedrich Rückert1 Vom Bäumlein das andere
1
Dr. Gabriele Czerny
Friedrich Rückert 1
Vom Bäumlein
das andere Blätter hat gewollt
Es ist ein Bäumlein gestanden im Wald
in guten und schlechtem Wetter
das hat von unten bis oben halt
nur Nadeln gehabt und Blätter
die Nadeln, die haben gestochen
das Bäumlein, das hat gesprochen
„Alle meine Kameraden
haben schöne Blätter an,
und ich habe nur Nadeln,
niemand rührt mich an;
dürft ich wünschen, wie ich wollt,
wünscht ich mir Blätter von lauter Gold.“
Wie’s Nacht ist, schläft das Bäumlein ein,
und früh ist’s aufgewacht;
da hatt‘ es goldne Blätter fein,
das war eine Pracht!
Das Bäumlein spricht: „Nun bin ich stolz;
goldene Blätter hat kein Baum im Holz.“
Aber wie es Abend ward,
ging der Räuber durch den Wald,
mit großem Sack und großem Bart;
der sieht die goldnen Blätter bald;
er steckt sie ein, geht eilends fort,
und läßt das leere Bäumlein dort.
Das Bäumlein spricht mit Grämen:
„Die goldnen Blättlein dauern mich;
ich muß vor den andern mich schämen,
sie tragen so schönes Laub an sich;
dürft ich mir wünschen noch etwas,
so wünscht‘ ich mir Blätter von hellem Glas.“
Da schlief das Bäumlein wieder ein,
Und früh ist’s wieder aufgewacht,
da hatt‘ es gläserne Blätter fein,
das war eine Pracht!
Das Bäumlein spricht: „Nun bin ich froh;
kein Baum im Walde glitzert so.“
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Rückert, Friedrich (1788-1866)
2
Da kam ein großer Wirbelwind
mit einem argen Wetter,
der fährt durch alle Bäume geschwind
und kommt an die glasenen Blätter;
da lagen die Blätter von Glase
zerbrochen in dem Grase.
Das Bäumlein spricht mit Trauern:
„Mein Glas liegt in dem Staub,
die andern Bäume dauern
mit ihrem grünen Laub;
wenn ich mir noch was wünschen soll,
wünsch‘ ich mir grüne Blätter wohl.“
Da schlief das Bäumlein wieder ein,
und wieder früh ist’s aufgewacht,
da hatt‘ es grüne Blätter fein,
das Bäumlein lacht
und spricht: „Nun hab‘ ich doch Blätter auch,
daß ich mich nicht zu schämen brauch‘.“
Da kommt mit vollem Euter
die alte Geiß gesprungen;
sie sucht sich Gras und Kräuter
für ihre Jungen;
sie sieht das Laub und fragt nicht viel,
sie frißt es ab mit Stumpf mit Stiel.
Da war das Bäumlein wieder leer;
es sprach nun zu sich selber:
„Ich begehre nun keiner Blätter mehr,
weder grüner noch roter noch gelber.
Hätt‘ ich nur meine Nadeln,
ich wollte sie nicht tadeln“.“
und traurig schlief das Bäumlein ein,
und traurig ist es aufgewacht;
da besieht es sich im Sonnenschein
und lacht und lacht.
Alle Bäume lachen’s aus;
das Bäumlein macht sich aber nicht draus.
Warum hat’s Bäumlein denn gelacht
Und warum denn seine Kameraden?
Es hat bekommen in einer Nacht
wieder alle seine Nadeln,
daß jedermann es sehen kann;
geh‘ naus, sieh’s selbst, doch rühr’s nicht an!
Warum denn nicht?
Weil’s sticht.
3
„Vom Bäumchen das andere Blätter hat gewollt“ 2 (Friedrich Rückert):
Theater im Deutschunterricht
Bei der Auseinandersetzung mit Friedrich Rückerts Gedicht „Vom Bäumchen das
andere Blätter hat gewollt“ können Elemente des Körpers, der Bewegung und des
Theaterspiels in den Deutschunterricht integriert werden können.
Erlebensorientierte Verfahren stellen für die Kinder ein Gleichgewicht zwischen der
Außen und Innen dar. Sie aktivieren die vielfältigen Wahrnehmungs-, Erfahrungsund Ausdrucksmöglichkeiten der Kinder und beziehen sie in den literarischen
Erkenntnisprozess mitein.
Der Text ermöglicht dabei, nach Ulf Abraham, einen „Aufenthalt in
Übergangsräumen“ 3 , d. h. zwischen äußerer Wirklichkeit und Innenwelt. Der Begriff
des Erlebens ist auf den künstlertheoretischen Ansatz von K. Stanislawski 4 (18631938) zurückzuführen. Er hat die Elemente des Erlebens innerhalb der
schauspielerischen Arbeit analysiert und ihre Bedeutung für die Figurengestaltung
erschlossen. Die schauspielerische Aufgabe besteht darin, so Stanislawski, die aus
eigenen Empfindungen und Erlebnissen gewonnenen Erfahrungen in einer
Rollenfigur glaubwürdig zu verdichten, dass sie zu einer Kristallisation des
Alltagerlebens werden.
2
Durchgeführt wurde dieses Unterrichtsprojekt im Rahmen einer Theaterwerkstatt in einer 4. Klasse
an der GS Roßäcker in Weinsberg, das gemeinsam mit TheaterlehrerInnen, Studierenden des
Erweiterungsfaches Spiel und Theaterpädagogik und der Schulpraxisgruppe TPP2 der Pädagogischen
Hochschule Ludwigsburg geleitet und gestaltet wurde. Am dritten Tag fand eine Werkstattpräsentation
statt.
3
Abraham Ulf: Übergänge. Literatur, Sozialisation und literarisches Lernen. Wiesbaden 1998.
Stanislawski, Konstantin: Die Arbeit des Schauspielers an sich selbst. Berlin 1996.
4
4
Was bedeuten nun diese Erkenntnisse für den Deutschunterricht? Zwei Gedanken
werden deutlich:
•
Der Körper ist grundlegendes Ausdrucks- und Gestaltungsinstrument. Innere
Erlebensprozesse des Textinhalts werden „veräußerlicht“ und erhalten dadurch
Form und Struktur. Die Kinder geben durch ihr Erleben dem Text eine Bedeutung,
der dann in der Reflexion in das Bewusstsein gehoben wird. Hierin liegt ihr
Erkenntnisgewinn.
•
Erleben bedeutet, dass man zunächst emotional berührt sein kann von einem
Text oder einer Situation. Aus dem individuellen Zugang darüber, wie etwas erlebt
wird, werden Bewertungen getroffen und dem Text oder der Situation eine
Bedeutung zugesprochen. Erleben umfasst also die Vorgänge, die der Mensch
nur an sich selbst wahrnehmen kann. Man erlebt sich mit und in den Sinnen, in
den Gefühlen, Erinnerungen, Vorstellungen, Denkabläufen und seinem Handeln.
Erleben ist ein sehr individueller und komplexer Vorgang und wird von vielen
Faktoren beeinflusst. Diese Faktoren liegen bei einem selbst und in der Situation,
in der sich das Individuum befindet. Anliegen ist es die Fähigkeit wahrzunehmen,
zu fühlen, zu denken, zu wollen und zu handeln bei den Kindern zu wecken und
zu fördern. Die Fähigkeit, wie etwas wahrgenommen wird, ist von der
individuellen Intensität der Erlebensfähigkeit geprägt. Innere und äußere
Prozesse bedingen sich gegenseitig, d. h. es gibt keine kategorische Trennung
zwischen mentalen, emotionalen Prozessen und äußeren physischen Prozessen.
Überlegungen für den Deutschunterricht
Der Text ist Gegenstand des Erlebensprozesses. Auf der Grundlage der
Selbstbeobachtung und der Erfahrung des Verkörperns bietet er
Identifikationsmöglichkeiten mit den Figuren und füllt Leerstellen mit Inhalt. In der
Reflexion gelangen diese Prozesse ins Bewusstsein und führen zu Erkenntnissen.
Für die Erarbeitung dieses Gedichts wurden Erlebensvorgänge durch eine
Bewegungs- und Phantasiereise initiiert, die thematisch und inhaltlich in das Gedicht
einführen. Die Kinder sollen ihre eigenen Vorstellungen vom Inhalt des Textes, von
den Gefühlen und dem Verhalten der Figuren in Bewegung umsetzen können. Diese
inneren Vorstellungen werden dann mit dem Körper ausgedrückt, d. h. sie werden
verkörpert. Die Kinder probieren vor der eigentlichen Textbegegnung verschiedene
Figuren, Haltungen und Emotionen aus. Die Verkörperung gibt den Kindern Raum,
5
sich immer wieder anderes zu erleben und sich auszudrücken und sie zeigt das
subjektive Verständnis der Kinder von der zu gestaltenden Figur oder den/einen
emotionalen Zustand.
Danach erfolgt die Textbegegnung. Die zuvor individuell gemachten Erfahrungen mit
einzelnen Text- und Bildfragmenten fügen sich nun für die Kinder beim Lesen des
Gedichts zu einer sinnvollen Einheit zusammen. Sie erkennen Zusammenhänge und
können den Inhalt erfassen und leicht wiedergeben, da er ihnen bereits durch das
eigene Handeln und Gestalten vertraut ist. Im Anschluss daran fordern kreative
Schreibaufgaben zum freien Schreiben auf.
Zusammenfassend lässt sich sagen:
1. Der Weg des Textverstehens läuft vom inneren Erleben zum körperlichen
Ausdruck.
2.. Die Kinder machen Erfahrungen sowohl mit sich als auch mit den Figuren des
Textes: sie erleben sich doppelt: als Spielende und als Figuren.
3. In diesem „Dazwischen“ 5 entfaltet sich der Verstehensprozess, der auch als
Differenzerfahrung bezeichnet werden kann. Ihre subjektiven Erfahrungen werden in
der Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Gedichts erweitert
1. Textanalyse
Im Mittelpunkt dieses Gedichtes steht ein Tannenbaum, der nicht mit
sich zufrieden ist: Er möchte ein anderer sein, schöner und größer als
alle anderen Bäume. Er wünscht sich Blätter aus Gold, aus Glas und
Laub. Eine Fee erfüllt ihm daraufhin auch seine Wünsche. Aber der
Baum wird damit nicht glücklich. Ein Räuber stiehlt seine goldenen
Blätter, der Wind zerbricht die Blätter und die Geiß frisst die Blätter.
Nach diesen leidvollen Erfahrungen gewinnt das Bäumchen die
Erkenntnis, dass es doch nichts besseres gibt als seine Nadeln.
Es wird 6mal Tag und 6 mal Nacht. Am siebten Tag erwacht das
Bäumlein und ist mit sich zufrieden. 6
5
Czerny, Gabriele: Theaterpädagogik: Ein Ausbildungskonzept im Horizont personaler, ästhetischer und
sozialer Dimension. Augsburg 2004
6
Ein Vergleich mit Genesis 1,1-2,4a macht deutlich, dass es Gemeinsamkeiten zwischen der Entwicklung des
Bäumchens und der Schöpfungsgeschichte gibt: Dort schafft Gott die Welt als sein Gegenüber, das Bäumchen
dagegen findet seine Identität.
6
In diesem Gedicht geht es um die Entdeckung und Entwicklung
seines eigenen Ichs, um das Annehmen seiner Stärken und
Schwächen. Es thematisiert die Vorstellung, jemand anderes sein zu
wollen. Die Erfahrungen, die das Bäumchen macht, sind zentral für
das eigene Selbstbild der Kinder. Wenn sie sich in die Figur des
Bäumchens verwandeln, müssen sie sich in das Bäumchen einfühlen
und ihre eigene Perspektive verändern. Das Gedicht fordert die
Kinder auf, über sich selbst nachzudenken und in einem weiteren
Schritt ein positives Selbstbild aufzubauen.
2. Figurenentwicklung durch Bewegungs- und Phantasiereise
Die Kinder stehen im Kreis, hüftbreit, die Arme hängen locker am Körper. Sie sollen
ihre Füße spüren, Kontakt mit dem Boden aufnehmen, die Beweglichkeit der Arme
und Finger ausprobieren. Atemübungen, bei denen der Körper gedehnt und
gestreckt wird, lassen die Kinder zu Konzentration und Ruhe kommen.
Der Kreis wird aufgelöst und die Kinder machen ihre ersten Bewegungserfahrungen
im Raum. Im Takt einer rhythmischen Musik 7 erkunden die Kinder den Raum, achten
dabei auf ihre Körperhaltung und nehmen Blickkontakt mit den anderen Kindern auf.
Anschließend wird der Kontakt eingeschränkt und die Konzentration richtet sich auf
die eigene Bewegung. Die Kinder probieren verschiedene Bewegungsmöglichkeiten
aus wie z. B. auf Zehenspitzen gehen, auf der Ferse gehen, schnellen Wechsel
zwischen gehen, laufen, springen, stehen und sitzen. Die verschiedenen
Bewegungsimpulse erfolgen durch Zuruf.
Ein Wechsel in der Musik
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führt auch zu einem neuen Bewegungserlebnis. Die
Kinder machen eine Bewegungsreise 9 , die sie durch die Jahreszeiten führt.
Als „Reisebegleiter“ erhalten sie ein Stück Baumrinde, das sie zuerst blind erfühlen
und riechen.
7
z. B. Percussion von Guem e Zaka
Dan Gibson: Forest Piano
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Die Lehrerin erzählt die Geschichte und die Kinder bewegen sich dazu gleichzeitig.
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7
a) Bewegungsreise
„Wir machen jetzt zusammen eine Reise, bei der ihr fast ein ganzes Jahr unterwegs
seit. Ihr erlebt die Natur, wie sie sich verändert. Unsere Reise beginnt im Frühling. Ihr
steht in der warmen Frühlingssonne. Spürt die Sonnenstrahlen auf eurem Körper.
Streckt, dehnt euch der Sonne entgegen. Ihr habt große Lust hinaus zu gehen. Ihr
hüpft die Straße entlang, immer weiter und schneller bis ihr an eine große Wiese
kommt. Jetzt geht ihr barfuss über die Wiese. Sie ist noch feucht und ihr geht etwas
vorsichtiger. Da bleibt ihr stehen und hört den Vögeln zu. Ihr riecht an den Blumen.
Vor euch seht ihr einen kleinen Bach. Ihr streckt die Füße hinein. Es ist angenehm
warm. Die Sonne scheint kräftiger, ja es wird heiß. Ihr fangt an zu schwitzen. Da
verspürt ihr große Lust im Wasser zu waten und euch zu erfrischen. Ihr tollt und
spritzt mit dem Wasser. Da werdet ihr müde und legt euch auf der Wiese zum
Ausruhen hin. Mittlerweile ist es Herbst geworden und vor euch liegt ein
buntgefärbter Wald. Es ist auch kühler geworden und ihr beginnt zu frösteln. Der
Waldboden ist voll Laub und ihr raschelt damit. Das Gehen wird mühsamer. Auf
einmal wird der Wind stärker und die ersten Regentropfen fallen. Ihr springt durch
den Regen und hüpft über die Pfützen. Der Boden ist schlammig und ihr verliert fast
die Schuhe. Ihr versinkt im Schlamm.
Vor euch erstreckt sich nun eine weite Landschaft. Es ist merklich kalt geworden und
ihr fangt an zu frieren. Ihr macht euch warm und reibt eure Hände, die Füße und das
Gesicht. Auf einmal spürt ihr etwas Weiches auf eurer Haut. Es sind die ersten
Schneeflocken. Ihr versucht sie zu fangen, aber sie sind schneller, sie tanzen zur
Erde. Ihr setzt euch auf einen Stein und beobachtet sie. Da bekommt ihr Lust, selbst
zu Schneeflocken zu werden und ihr tanzt und kreist zur Erde. Da seht ihr in weiter
Ferne den Wald wieder. Ihr lauft immer schneller, macht eine Schneeballschlacht,
springt durch den Regen, hüpft noch mal über die Pützen, watet durch das Wasser
geht barfuss durch die Wiese und kommt schließlich im Wald an. Ihr balanciert auf
Baumstämmen und allmählich werdet ihr müde. Ihr sucht euch einen Platz im Wald
und ruht euch aus.
Im „Wald“ angekommen, platzieren die Kinder ihre Rind im Raum und legen sich
dazu. Dann erfolgt eine Phantasiereise.
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b) Phantasiereise:
Spannungsabbau nach Jakobson 10 :
- Hände zu Fäuste machen, dabei tief Luft holen und Luft halten
tief ausatmen und Spannung lösen
- Schultergürtel und Oberarme, Becken und Oberschenkel, Waden und Füße auf die
Unterlage drücken
- Beine anwinkeln, auseinanderfallen lassen und hin und her schaukeln, dabei
Rücken ganz breit machen
- Füße auf den Boden stellen und nach unten abstreifen
- Augen schließen
Entspannung
Ruhig liegen und den Atem fließen lassen, Gedanken kommen und gehen lassen
Du merkst wie du langsam schwerelos wirst und zu schweben
beginnst. Du lässt dich in die Höhe tragen. Du siehst deinen
Heimatort unter dir, er wird immer kleiner, immer entfernter, du
erkennst noch einzelne Häuser unter dir. Du fliegst an deinem
Haus, deiner Wohnung vorbei und schaust noch einmal hinein. Du
betrachtest dir alles in Ruhe und dann fliegst du weiter. Du siehst
unter dir eine weite Wiese mit . Mitten durch die Wiese fließt ein
kleiner Bach und am Rande der Wiese erkennst du einen Waldeinen großen Laubwald. Du schwebst näher und erkennst
einzelne Bäume, große und kleine, schlanke und weitausladende.
Bei den Bäumen berührst du den Boden- du fühlst den Boden
unter deinen Sohlen, du fühlst das Gras, das Moos, die Erde. Nun
schaust du dir die Bäume näher an, die Wurzeln, die den Stamm
tragen, die Rinde am Stamm, die Äste, die Krone. Und während
du dir die Bäume anschaust, erkennst du plötzlich einen Baum,
der irgendwann einmal sehr wichtig war für dich, oder noch wichtig
ist. Du schaust ihn dir genau an und du erkennst Einzelheiten
wieder.
Und du hörst was er dir sagt:
Du spürst, dass, wenn du willst, selbst zu diesem Baum werden
kannst. Du merkst welche Kraft auf dich übergeht. Du spürst, dein
Körper ist der Stamm, deine Arme werden zu Ästen, die sich in
den Himmel strecken und eine Krone bilden: Du empfindest deine
Baumgestalt, groß und mächtig und du spürst wie viel Kraft in dir
steckt.
Du bist ganz ruhig und gelöst, eine große Ruhe ist in dir.
Lass dir Zeit .
Ganz allmählich kannst du dich wieder in deine menschliche
Gestalt zurückverwandeln.
10 - 9....1 (zählen)
10
Johnen, Wilhelm: Muskelentspannung nach Jakobson. München 1995.
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Nach der Phantasiereise verwandeln sich die Kinder in ihren Baum. Sie stehen wie
ein Baum, die Arme werden zu Ästen, sie spüren die Kraft des Baumes, den Wind.
Ein weiterer Impuls diesen Baum im Frühling, Sommer, Herbst und Winter
darzustellen, regt die Kinder zu einem intensivieren Körper- und Bewegungsausdruck
an.
Nachdem die Kinder alles ausprobiert haben, wird die Klasse in eine darstellende
und beobachtende Gruppe geteilt. Die Beobachtenden teilen mit was sie sehen,
wobei auf wertende Aussagen verzichtet wird.
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3. Emotionen verkörpern
Der Raum wird zunächst in vier Emotionsfelder geteilt: traurig – stolz – böse –
neidisch. Die Kinder bekommen verschiedene Impulse. Sie sollen sich an Situationen
erinnern in denen sie einmal so richtig böse, traurig, stolz und neidisch waren. Sie
versuchen diese Gefühle mit ihrem Körper in den entsprechenden Feldern
auszudrücken. Wichtig ist beim Wechsel von Feld zu Feld, die Gefühle wieder richtig
von sich abzustreifen. Danach erhalten die Kinder verschieden farbige Tücher:
Grau/traurig, rot und gelb/stolz, schwarz/böse, grün/neidisch. Diese Tücher
unterstützen den Körperausdruck und lassen weitere Gestaltungsmöglichkeiten
hinsichtlich selbstgewählter Situationen zu. Die Kinder schreiben dann die erinnerten
Situationen auf. Sie entscheiden dabei selbst, welches Gefühl sie wählen.
Im Anschluss daran wird die Geschichte vom Bäumchen wieder aufgegriffen. Die
Lehrerin erzählt, wie ein Bäumchen bei gutem und bei schlechtem Wetter im Wald
gestanden hat, das einmal traurig, stolz, neidisch, böse und ängstlich. Die Kinder
verkörpern nun als Bäumchen die individuell gewählten Gefühle.
Sie erhalten dazu einen Erzählanfang aus der Perspektive des Bäumchens, z. B. „Ich
bin traurig..“ und assoziieren dazu Geschichten.
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Ein weiterer Schritt ist die Erarbeitung der anderen Figuren wie Räuber, Fee, Geiß.
Räuber und Fee sind z. B. zwei Figuren, die sich durch Polaritäten auszeichnen:
böse und gut – nehmen und geben – schleichen und schweben. Die Kinder
entwickeln für diese beiden Figuren eine Haltung, einen Ausdruck und einen Laut für
den Räuber wie z. B. Ho Ho, oder Ha. Für die Fee erfinden sie einen Zauberspruch.
Die Ergebnisse werden dann den anderen Kindern gezeigt. Die Schüler übernehmen
dabei wieder die Rolle der Spielenden und die Rolle der Beobachtenden.
4. Gedicht lesen und erzählen
Nachdem Emotionen und Figuren erlebt und im Spiel ausgedrückt wurden erfolgt die
Textbegegnung. Das Gedicht wird zunächst im Stehkreis zeilenweise reihum
gelesen. Danach werden die Zeilen in verschiedenen Emotionen und Haltungen
gelesen z. B. als Zeitungsnachricht, oder als geheimnisvolle Botschaft, im Sitzen, im
Liegen, auf dem Stuhl stehend. Danach wählen die Kinder ein Rhythmusinstrument
und sprechen die Textzeile in einem von ihnen ausgedachten Rhythmus. Nach
diesen „Leseübungen“ erhalten die Kinder den Impuls, die Geschichte zu erzählen.
Die Form des Kreises bleibt dabei bestehen. Dabei gilt folgende Vereinbarung: Die
Schülerinnen entscheiden selbst, wie sie ihre Geschichte abbrechen, um das Wort
an die Kreisnachbarin weiterzugeben.
In einer zweiten Runde erzählen die Kinder die Geschichte non-verbal. Sie müssen
jetzt besonders deutlich in Mimik und Körperausdruck sein. Die dritte Runde ist eine
Erzählrunde, in der die Kinder Sprache, Bewegung und Körper miteinander
verbinden.
Das Leitmotiv des Bäumchens ist „Dürft ich wünschen was ich wollt“. Dieses wird
aufgegriffen, insofern die Kinder gruppenweise zusammengehen und ein Kind als
„Fee“ die Wünsche des „Bäumchens“ nacheinander erfüllt. Hierbei ist Aufgabe für die
Kinder Körperausdrücke für ihre Wünsche zu finden und sie darzustellen.
Im Rahmen dieser Improvisation bietet es sich an, dass die Kinder ihre Wünsche
verschriftlichen. Die Kinder müssen dabei den kognitiven Schritt leisten, ihrem
Erleben auch durch Sprache, Klarheit und Form zu geben.
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5. Gedicht spielen
Die Kinder erhalten die folgenden Satzfragmente:
- ich bin froh
- ich will das Gold
- warum kann er nicht zufrieden sein
- ich habe Hunger
- alle haben schöne Blätter
- der spinnt ja
- pu wie der aussieht
- hui ich wirble alles auf
- ich bin stolz
- schlaf ein
- träum schön
- igitt wie sieht der aus
- ha ha ha ha ha
- ich mag diese grünen Blätter
- hui, hui, hui hui,
Dazu überlegen sie sich eine Haltung, ein Gefühl und eine Bewegung. Sie zeigen
sich damit einzeln. Die Sätze werden mehrfach getauscht, so dass auch hier die
Kinder vieles ausprobieren können. Aus diesen Improvisationen entwickelt sich dann
das Gedicht in Bildern:
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6. Gedicht in Bildern gestalten
Hier geht es darum, die individuellen Improvisationen in Bildern zu gestalten, an
denen alle Kinder beteiligt sind. Die Gestaltung ist hierbei das Ergebnis ihres
Verstehensprozesses.
Bild: Der Wald entsteht
Die Kinder erhalten die Vorstellungshilfe, dass aus einem Samen ein Baum wächst.
Sie suchen sich im Raum einen Platz, verwandeln sich in ein Samenkorn und
„wachsen“ in Zeitlupe zu „ihrem“ Baum. Ein Kind verwandelt sich in das Bäumchen,
geht in die Mitte und spricht: "Ich bin traurig!" Die anderen Bäume im Wald lachen es
aus und rufen: "Wünsch dir was!" Das Bäumchen antwortet: "Dürft ich wünschen was
ich wollt, wünschte ich mir goldene (gläserne, grüne) Blätter“
Das Bäumchen
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Zwischenspiele: Es wird Nacht und die Fee erscheint
Die Nacht wird von den Kindern durch ein Glockenspiel symbolisiert. Wenn die Fee
erscheint, gehen die Kinder ins „Freeze“ d. h. das Bild wird eingefroren und die Fee
hat ihren Auftritt. Sie begrüßt die andern Bäume im Wald und tanzt um das
Bäumchen herum. Zuerst legt sie ihm ein goldenes Tuch, dann eine Folie (gläsern),
dann ein grünes Tuch um. Am Schluss gibt sie ihm einen Tannenzweig in die Hand.
Die Fee
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Bild: Es wird wieder Tag
Die Bäume erwachen, sie recken und strecken sich zur Sonne und entdecken das
Bäumchen in seinem neuen Gewand. Sie lachen es aus: "Pu wie der aussieht!" oder
"Igitt, wie der aussieht!!" oder: "Warum kann er nicht zufrieden sein?"
Dann lösen sich aus dem Wald die anderen Figuren: der Räuber, der Wind, die Geiß,
wobei sie von den anderen Kindern durch Rhythmus, Worte und Geräusche
unterstützt werden:
Räuber: Ha He Ho
Wind: Hui hui,
Ziege: Mäh, Mäh
Aufgabe der Figuren ist es, analog zum Text, das neue „Gewand“ des Bäumchens zu
rauben, zu zerstören.
Die Räuber
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Bild: Das Bäumchen erhält seine Nadeln zurück
Jetzt verändern sich die Emotionen der Bäume: Sie freuen sich mit dem Bäumchen
und nehmen es mit in ihre Mitte.
7. Gedicht umschreiben und neuschreiben
Das Bäumchen im Gedicht mag sich nicht. Es will ein anderer Baum sein. Dies kann
Impuls für die Kinder sein, über sich selbst nachzudenken: Was gefällt mir an mir?
Was ist besonders an mir? Was habe nur ich?
Die Kinder bekommen dazu Zeit und Ruhe. In der Stille betrachten sie sich in einem
Handspiegel und werden dann ermutigt, sich selbst einen Brief zu schreiben.
Denkbar ist auch, sich selbst zu malen.
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Weitere Schreibimpulse könnten sein:
„Das Bäumchen träumt: Es hat seine Nadeln für immer verloren“ oder „Das
Bäumchen wird 300 Jahre alt! Schreibe eine Geschichte was es alles erlebt“ oder
„Das Bäumchen hat Tannenzapfen und streut neue Samen aus – was erleben die
Kinder des Bäumchens“.
Weiterführende Überlegungen: Durch Lieder wie z. B. „Bäumlein steigen“ oder „Du
alter Baum“ die Unterrichtseinheit zu bereichern.
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Literaturliste:
Czerny, Gabriele: Theaterpädagogik: Ein Ausbildungskonzept im Horizont personaler
ästhetischer und sozialer Dimension. Augsburg 2004.
Abraham Ulf: Übergänge. Literatur, Sozialisation und literarisches Lernen.
Wiesbaden 1998.
Stanislawski, Konstantin: Die Arbeit des Schauspielers an sich selbst. Berlin 1996.
Johnen, Wilhelm: Muskelentspannung nach Jakobson. München 1995.
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