Übersicht - Arznei

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Übersicht - Arznei
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arznei-telegramm 8/98
Warenzeichen in
Österreich
und Schweiz
(Beispiele)
Fluvastatin:
LESCOL
(A, CH)
Heparin:
LIQUEMIN
(A, CH)
Phenprocoumon
MARCOUMAR
(A, CH)
Phenytoin:
PHENHYDAN
(A, CH)
Tamoxifen:
NOLVADEX
(A, CH)
Tolbutamid:
RASTINON
(A, CH)
Torasemid:
UNAT
(A)
TOREM
(CH)
0,04% unter Clopidogrel seltener als unter Ticlopidin (0,8%;
ASS: 0,02%).3 Ein Patient erleidet eine aplastische Anämie.
Die Rate schwerer Thrombozytopenien beträgt 0,2% (ASS
0,1%).2 Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura ist
nicht beschrieben (vgl. a-t 5 [1998], 52).3
Clopidogrel kann die Blutungsneigung unter anderen Arzneimitteln verstärken. Bei gleichzeitiger Anwendung mit Heparin (LIQUEMIN N u.a.), Fibrinolytika, ASS und nichtsteroidalen Antirheumatika ist Vorsicht geboten. In hohen Konzentrationen kann Clopidogrel das Leberenzym CYP2C9
hemmen und somit den Abbau von Wirkstoffen wie Phenytoin (PHENHYDAN u.a.), Tamoxifen (NOLVADEX u.a.),
Tolbutamid (RASTINON u.a.), Warfarin (COUMADIN),
Torasemid (UNAT, TOREM), Fluvastatin (CRANOC, LOCOL) und vielen nichtsteroidalen Antirheumatika.3 Von der
Komedikation mit Warfarin wird abgeraten.2 Dies gilt wegen
der Gefahr von Blutungskomplikationen auch für andere Cumarine wie Phenprocoumon (MARCUMAR u.a).6
Bei Ratten wurden vermehrt Thyroidzysten beobachtet. 7
KOSTEN: Ersatz von ASS durch Clopidogrel würde die
Sekundärprävention nach Herzinfarkt u.a. um das 70- bis 90fache verteuern. Die Jahreskosten für den neuen Thrombozytenaggregationshemmer (ISCOVER, PLAVIX, täglich 75
mg) betragen 2.040 DM im Vergleich zu jährlich 22 DM bis
29 DM für ASS-Präparate (täglich 100 mg bis 300 mg). Gegenüber Ticlopidin entstehen Mehrkosten von 16% bis 29%
(TIKLYD: jährlich 1.750 DM für täglich 500 mg, bei Verordnung eines Reimports 1.575 DM).
CLOPIDOGREL IM KOSTENVERGLEICH (DM)
Clopidogrel
ISCOVER 75 mg
PLAVIX 75 mg
Brist.-M.-Squibb
Sanofi Winthrop
Azetylsalizylsäure
ASS 100 VON HEXAL
ASPIRIN 100 N
ASS RATIOPHARM 300
Hexal Pharma
Bayer
Ratiopharm
Ticlopidin
TIKLYD 250
TIKLYD 250
Sanofi Winthrop
Eurim-Pharm
OP*
Jahr
469,59
469,59
2040,48
2040,48
6,00
7,70
7,85
21,90
28,11
28,65
215,75
194,17
1749,97
1574,93
*
Packungen mit 100 (ASS), 84 (ISCOVER, PLAVIX) bzw. 90 (TIKLYD)
Tabletten.
FAZIT: Mit Clopidogrel (ISCOVER, PLAVIX)
kommt ein ungewöhnlich gut geprüfter, aber extrem teurer Thrombozytenaggregationshemmer in den Handel. In
einer großen Phase-III-Studie schützt die Ticlopidin (TIKLYD)-Variante Patienten nach Herzinfarkt, Schlaganfall oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit nicht
besser als Azetylsalizylsäure (ASS; ASPIRIN u.a.) vor erneuten kardiovaskulären Erkrankungen oder Tod. Die
preiswerte, verträgliche und lang erprobte ASS bleibt
Mittel der Wahl. Clopidogrel scheint weniger toxisch für
das Knochenmark zu sein als Ticlopidin. Sollte sich dieser
Vorteil bestätigen, kann die Neuerung Ticlopidin bei Gegenanzeigen für ASS ersetzen. Auf Blutbildungsstörungen bei der Anwendung ist dennoch zu achten.
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Scrip 2182 (1996), 19
Fachinformation ISCOVER, PLAVIX, Stand Juli 1998
Med. Letter 40 (1998), 59
CAPRIE Steering Committee: Lancet 348 (1996), 1329
Scrip 2280 (1997), 18
DANESCH, Sanofi-Winthrop: pers. Mitteilung
Committee for Proprietary Medicinal Products: European Public Assessment
Report ISCOVER, 15. Juli 1998
Übersicht DAS DIABETISCHE FUSS-SYNDROM
Die sogenannte diabetische Gangrän galt lange Zeit als
unvermeidliche Folge der diabetischen Stoffwechsellage, die
Amputation möglichst weit im gesunden Gewebe als Therapie der Wahl. In der Deklaration von St. Vincente von 1989
forderte die Weltgesundheitsorganisation, die hohen Amputationszahlen – in Deutschland jährlich zwischen 23.000 und
28.000 – innerhalb von fünf Jahren zu halbieren. In erster
Linie gilt es, die über die Vorfußamputation hinausgehenden
Majoramputationen zu vermeiden, die mit hoher perioperativer Sterblichkeit und häufig mit dauerhafter Pflegebedürftigkeit einhergehen. Die Zielvorgabe der WHO wurde hierzulande flächendeckend bisher nicht erreicht.1
Nach längerem Bestehen des Diabetes mellitus bringen
vor allem zwei Folgeerkrankungen eine erhöhte Verletzungsgefahr für die Füße mit sich: die diabetische Polyneuropathie
und die periphere arterielle Verschlusskrankheit. Zu über
70% entsteht das diabetische Fußsyndrom auf dem Boden
einer Polyneuropathie, teilweise bei gleichzeitig bestehender
Makroangiopathie. Rein ischämisch bedingte Läsionen werden mit 13% bis 25% angegeben.2,3
NEUROPATHISCH-INFIZIERTER FUSS: Die diabetische Polyneuropathie entwickelt sich meist symmetrisch von
distal nach proximal. Füße sind eher betroffen als Hände. Im
Rahmen der sensiblen Neuropathie sind Schmerz-, Temperatur- und Lageempfinden gestört. Die vegetativ gesteuerte
Schweißdrüsenfunktion erlischt: die Haut wird trocken und
rissig. Die Gefäße sind bei Ausfall der autonomen Regulation
maximal weitgestellt, die Füße daher rosig und warm und die
Pulse gut tastbar. Bedingt durch die motorische Neuropathie
atrophiert die Fußmuskulatur, es bilden sich Krallenzehen aus
– eine Deformierung, die mit hoher Druckbelastung im Bereich der Ballen einhergeht. Entscheidend für die Entstehung
des typischen Ulkus in diesem Bereich (Mal perforans) ist
aber die Schmerzlosigkeit. Der Patient bemerkt den überhöhten Druck nicht und belastet den Fuß weiter. Auch Verletzungen durch Fremdkörper im Schuh oder zu enge Schuhe
werden nicht wahrgenommen. Es entwickeln sich Schwielen,
darunter Blasen, die einreißen, einbluten und bakteriell besiedelt werden können.
Bei fehlender Entlastung kann sich die Infektion auf tiefer
gelegene Gewebe einschließlich Knochen und Gelenke ausbreiten. Durch die entzündliche Schwellung wird die Blutversorgung der Zehen gestört. Es entsteht die neuropathische
Gangrän, typischerweise bei erhaltenen kräftigen Fußpulsen.
Auf Überbeanspruchung bei fehlendem Schmerzempfinden wird auch die diabetische Osteopathie (CHARCOTFuß) zurückgeführt: Es kommt zu Ermüdungsfrakturen und
schließlich zum Zusammenbruch des Fußgewölbes.
ISCHÄMISCH-MAKROANGIOPATHISCHER
FUSS:
Zuckerkranke haben ein zwei- bis dreifach höheres Risiko der
peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) als Nichtdiabetiker. Der Fuß ist kühl, blass bis livide, Schmerzempfinden und Schweißsekretion sind erhalten. Fußpulse lassen sich
nicht oder nur schwach tasten. Bagatellverletzungen rufen
schlecht heilende Wunden hervor, weil die Sauerstoffversorgung dem erhöhten Bedarf nicht angepasst werden kann. Die
Läsionen sind typischerweise an den Akren lokalisiert. Nekrosen breiten sich wesentlich schneller aus als bei neuropathisch
bedingten Verletzungen. Fußläsionen bei gleichzeitigem Vorliegen von Neuropathie und PAVK haben eine besonders ungünstige Prognose.2
DIAGNOSE: Die Diagnostik bei Fußverletzungen des
Diabetikers soll den möglichen Ursachen Rechnung tragen.
Zur Erfassung einer Polyneuropathie genügen einfache klinische Untersuchungen. Geprüft wird der Reflexstatus (die
Muskeleigenreflexe sind bereits im Frühstadium abgeschwächt oder aufgehoben), das Vibrationsempfinden mit
Stimmgabel und das Druckempfinden mit SEMMES-WEINSTEIN-Filament*. 4
Fußverletzungen bei PAVK gehen mit hohem Amputationsrisiko einher. Von entscheidender Bedeutung ist daher
die Klärung der Durchblutung. Der Fuß kann als ausreichend
durchblutet gelten, wenn mindestens ein Fußpuls tastbar ist.
Einfache weiterführende Methode bei unklarem Tastergebnis
ist die Doppler-Ultraschalluntersuchung. Ein systolischer
*
Nylonfäden unterschiedlicher Dicke, die sich bei definierten Drucken biegen
und eine abgestufte Messung der Druckempfindung ermöglichen.