Flöhe und Zecken - Medizinische Kleintierklinik
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Flöhe und Zecken - Medizinische Kleintierklinik
tierärztliches journal reise & medizin 5|2012 Flöhe und Zecken müssen draußen bleiben ... Insbesondere gegen Flöhe, aber auch gegen Zecken stehen mittlerweile gut wirksame Medikamente zur Verfügung. Kehren die lästigen Plagegeister dennoch immer wieder, liegt das in der Regel nicht an der Behandlung, sondern an der mangelnden Compliance. Flöhen haftet ein Stigma an, „fast so groß wie bei der Syphilis“, weiß Prof. Ralf S. Müller, Oberarzt der Dermatologie an der Münchner Medizinischen Kleintierklinik. Entsprechend stark ist der Widerwille vieler Besitzer, sich den Flohbefall ihres Tieres einzugestehen und an der Behandlung mitzuarbeiten. „In diesen Fällen ist bei den Besitzern viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Wenn es gar nicht anders geht, spreche ich von anderen Insekten, die ebenfalls Hautprobleme hervorrufen können“, betonte der Experte. Abweisend und prophylaktisch Zur Prophylaxe gegen Flöhe (und Zecken) stehen Pyrethrine und Pyrethroide wie etwa das Permethrin Exspot® zur Verfügung. „Das sind die einzigen Wirkstoffgruppen mit abweisender bzw. prophylaktischer Wirkung. Allerdings ist zu beachten, dass sie nicht wasserfest sind“, so Müller. Das Phenylpyrazol Fipronil (z. B. Effipro®, Frontline®) hingegen gilt als wasserfest (nicht shampoofest) und ist als Spot-on oder Spray erhältlich. Die Spot-on-Anwendung lässt sich zwar einfacher handhaben, ist jedoch laut Müller weniger wirksam. Die Besitzer sollte man auf den unbedenklichen, aber sehr chemischen Geruch des Fipronil-Sprays hinweisen. Pyriprol (Prac-tic®) ist ebenfalls ein Phenylpyrazol, das als Spot-on alle 2–4 Wochen verabreicht wird. Es wirkt gemäß Herstellerangaben schneller als andere Mittel: Flöhe sterben innerhalb von 24 Stunden und Zecken innerhalb von 48 Stunden nach der Behandlung. Das zu der Gruppe der Neonicotinoide gehörende Imidacloprid (Advantage®) wird als Spot-on angewandt und verteilt sich gut. Zu Beginn der Behandlung rät Müller zu einer Anwendung alle 2 Wochen, bei gutem Erfolg genügt ein 3- bis 4-wöchiger Abstand. Je mehr Tiere in einem Haushalt betroffen sind, desto aggressiver sollte man bei der Behandlung vorgehen. Das Medikament toleriert einen kurzen Aufenthalt im Wasser. Selamectin (Stronghold®), ein makrozyklisches Lakton, ist wasserfest und kann gegen Flöhe, Zecken, Rundwürmer und Sarkoptesräude eingesetzt werden. Lähmung und Tod für Flöhe und Zecken Eine neue Stoffklasse stellt Semicarbazon Metaflumizon (ProMeris® für Katzen und ProMeris Duo® für Hunde) dar. Der Natriumkanal-Antagonist stört die Reizleitung der Parasiten und führt zu Lähmung und Tod. Neben Flöhen lassen sich damit auch Zecken, Läuse oder die Demodex-Milbe vertreiben. Laut Hersteller sollte das Tier 24 Stunden nach der Anwendung nicht ins Wasser gehen, anschließend darf es nass werden, jedoch nicht ausgiebig baden. Alle 4 Wochen ist die Spot-on-Anwendung zu erneuern. In einem kürzlich erschie- nenen Fachartikel wird allerdings darauf hingewiesen, dass das Mittel bei einigen Hunden Pemphigus foliaceus hervorgerufen hat. Ebenfalls neu gegen Zecken ist die Kombination aus Fipronil Spot-on mit Amitraz und Methopren (Certifect®). In Studien zeigte das Präparat eine 90–100%ige Wirksamkeit. Systemische Wirkung mit Tablette Für eine systemische Behandlung kommen z. B. Nitenpyram (Capstar®) sowie die neue Kautablette Spinosad (Comfortis®) infrage. Ihr Vorteil liegt im sehr schnellen Wirkungseintritt innerhalb von ca. 30 Minuten. Nitenpyram ist nur kurze Zeit wirksam (14 h Halbwertszeit), Spinosad länger (21–28 Tage). Für eine optimale Resorption des Wirkstoffes sollte die Tablette mit dem Futter oder unmittelbar nach der Fütterung verabreicht werden. Schutz durch Halsband Zu den neuen Optionen zählt auch das Halsband Seresto®, das neben Flumethrin gegen Zecken auch Imidacloprid gegen Flöhe enthält. Da das Pyrethroid Flumethrin in eine neuartige Polymermatrix eingelassen ist, kann das Halsband nicht nur bei Hunden, sondern auch bei Katzen verwendet werden. n Dr. Marion Hofmann-Aßmus Münchner Kleintierreihe „Update zur Therapie von Ektoparasiten“ am 19. Juli 2012 in München Parasitische Milben:Dem Pruritus Paroli bieten tierärztliches journal reise & medizin 5|2012 Was hat sich bei der Behandlung von Demodikose, Sarkoptes-Räude oder Ohrmilben bewährt? Welche neuen Möglichkeiten es gibt und worauf zu achten ist, erläuterte Prof. Ralf S. Müller von der Münchner Medizinischen Kleintierklinik unter Berücksichtigung neuer Studien – und mit vielen praktischen Tipps für den tierärztlichen Alltag. Handelt es sich bei der caninen Demodikose um eine lokalisierte oder eine generalisierte Form? Diese Einordnung war bislang nicht einfach, doch ihr Ergebnis hat – zumindest bei Zuchthunden – weitreichende Fol gen. Denn ein Hund mit generalisierter Demodikose eignet sich nicht zur Zucht, da die Schwäche häufig weitervererbt wird. Die aktuelle Praxisrichtlinie einer internationalen Experten kommission umgeht diese Problematik mit folgender Empfehlung: Mit Hunden, welche die Erkrankung in einem Schweregrad aufweisen, die eine Therapie mit Antiparasitika notwendig macht, sollte nicht gezüchtet werden.„Das heißt für mich: Sobald ein Besitzer eine spezifische Milbentherapie gegen Demodex canis fordert, zieht dies einen Zuchtausschluss und Kastration nach sich“, erläuterte Müller. Generell solle man daran denken, dass ausgewachsene Hunde nur selten eine idiopathische Demodikose Infektion erleiden. Häufig stecken andere Krankheiten dahinter, wie Tumoren, eine Hypothyreose oder ein Cushing Syndrom, welche eine weiterführende Diag nostik erfordern. Generalisierte Demodikose: Evidenzbasierte Therapie Zur Behandlung der generalisierten Demodikose kommen verschiedene Mittel infrage. Gut bewährt hat sich Bauch einer 10-jährigen Bobtailhündin mit Demodikose. etwa das Acarizid Amitraz, welches als Spülung und Spoton Präparat zur Verfügung steht. „Damit die Spülung wirken kann, sollte jeder Hund, der längere Haare hat als ein Boxer, zuvor geschoren werden“, empfahl Müller. Weil dies den Besitzern häufig schwer vermittelbar ist, schneidet Müller zunächst ein „Fenster“ ins Fell und zeigt den Haltern, wie ihr Hund dann aussehen wird. „Damit lässt sich bösen Überraschungen vorbeugen.“ Die Anwendung erfolgt in der Regel wöchentlich in einer Konzentration von 0,025–0,05%. Führt der Besitzer die Behandlung selbst aus, sollte man ihm zeigen, wie das Mittel einzuarbeiten ist. Wichtig ist zudem, darauf aufmerksam zu machen, Amitraz nur bei offenem Fenster oder im Freien anzu wenden. Da das Medikament bei Hund und Mensch verschiedene Nebenwirkungen auslösen kann, etwa Schläfrigkeit, Hyperglykämie, Ataxie, Erbrechen und Durchfall beim Tier sowie Migräne oder Asthmaanfälle beim Mensch, ist eine gute Belüftung während der Therapie essenziell. Leichter anwendbar ist Amitraz Spoton, welches in einer US amerikanischen Studie gute Ergebnisse mit geringeren Nebenwirkungen zeigte. Allerdings wurde dieses Produkt in den USA schon vom Markt genommen, es kann schwere Fälle von Pemphigus foliaceus hervorrufen. Gute Evidenzen bestehen auch für makrozyklische Laktone wie das oral verabreichte Moxidectin (0,2–0,4 mg/kg/Tag), welches eine Remissionsrate von 76% bei jungen und 81% bei ausgewachsenen Hunden aufweist. „Das funktioniert ganz gut, allerdings ist weder die orale noch die subkutane Verabreichung zugelassen“, gab Müller zu bedenken. Grund dafür sind die neurologischen Nebenwirkungen wie Tremor, Ataxie und Blindheit bis hin zu Koma und Tod. Diese betreffen besonders häufig Collies. Müller rät zu einem konstanten Monitoring sowie einem graduellen Dosisanstieg (beginnend mit 50 µg/kg am 1. Tag, 100 µg/kg am 2. und 150 µg/kg am 3. Tag). „Treten Nebenwirkungen auf, sollte man die Behandlung unverzüglich einstellen. Die Besitzer hat man am besten schon vorab über die mög lichen Folgen aufgeklärt.“ Gleiches gilt für Ivermectin (300– 600 µg/kg/Tag), das zwar ebenfalls gut wirksam ist, doch aufgrund der neurologischen Begleiterscheinungen hierzulande keine Zulassung besitzt. Die Ursache der Unverträglichkeit liegt an einem defekten MDR1 Rezeptor, den einige Hunderassen wie etwa Collies, Shetland Sheepdogs, Australian Shepherds, Border Collies und Bobtails häu figer aufweisen. In einer Studie ließ sich unter 27 Hunden mit Nebenwirkungen auf Ivermectin jedoch nur einer mit dem Gendefekt ermitteln. „Ein Test auf defekten MDR1Rezeptor ist nur aussagekräftig, wenn sich eine Abweichung nachweisen lässt. Ist diese nicht vorhanden, heißt das nicht, dass keine Probleme auftreten können“, betonte der Experte. Bei leichterer Demodikose hat sich „wenn man entweder sehr fleißig ist und viele Geschabsel abnimmt oder Glück hat und unter wenigen Geschabseln eine positive Probe findet“, betonte Müller. Einen hilfreichen diagnostischen Hinweis kann ein positiver „Pinnal Pedal Reflex“ liefern, der bei 90% der betroffenen Tiere auftritt. Ein serologischer Nachweis ist im akuten Fall wenig sinnvoll, da der Serumtiter erst Wochen später erhöht vorliegt. „Bei einem klassischen SarcoptesBefall tritt der Juckreiz sehr viel schneller auf als die Titererhöhung“, so der Experte. die Spot-on-Anwendung von Moxidec-tin bewährt, wie Müller anhand eigener Studien erläuterte. Während der Erfolgsquotient bei schwerer Krankheit bei 27% lag, Prof. Ralf s. Müller, Medizinische Kleintierklinik, München stieg er bei leichterer Aus Müller bevorzugt eine prägung auf 71%. Das Mittel ist zur situationsabhängige wöchentlichen Behandlung Vorgehensweise: Kratzt sich der zugelassen. Hund unentwegt, selbst während Falls die gängigen Medikamente der Untersuchung, behandelt er nicht wirken, stellt auch ohne positiven Milbemycinoxim eine Alternative Milbennachweis, beispielsweise dar. Bei täglicher Anwendung mit Selamectin, Moxidectin oder einer niedrigen Dosis (0,5–1 mg/ Ivermectin. kg) verzeichnete eine schwedische Zu einer Versuchstherapie Studie gute Erfolge, bei geringen gegen Sarcoptes rät er auch bei Nebenwirkungen (Lethargie, weniger eindeutigen Fällen, etwa Erbrechen, Tremor, Ataxie). Die wenn der Juckreiz bereits seit Datenlage ist allerdings längerer Zeit auftritt, jedoch kein uneinheitlich und das Mittel in positiver Nachweis vorliegt. Deutschland nicht zugelassen. Weitere Hunde im selben „Milbemycinoxim lässt sich im Haushalt müssen ebenfalls Ausland besorgen, ist jedoch prophylaktisch therapiert werden. relativ teuer“, so Müller. Von einer Mitbehandlung der Sarcoptes-Räude: Umwelt rät Müller jedoch ab: „Das Situationsabhängig vorgehen Der ist bei einer adäquaten Behandlung Nachweis der oberflächlichen nicht nötig, da vom Hund entfernte Milben kann mittels Milben nur 2–3 Stunden Hautgeschabsel erfolgen, überleben können. „Kratzt sich der Hund unentwegt, selbst während der Untersuchung, kann man auch ohne positiven Milbennachweis behandeln, etwa mit Selamectin, Moxidectin oder Ivermectin.“ Ohrmilben: nachweis mit der Zeitung ... Ohrmilben finden sich nicht nur im Ohr, sondern können auch an anderen Körperstellen mehr oder weniger juckende Papeln hervorrufen. „Die meiner Meinung nach beste Methode, Ohrmilben zu diagnostizieren, ist, den Hund auf eine Zeitung zu stellen und ihn zu streicheln. Die herabfallenden Schuppen fängt man in einer Petri schale auf und beurteilt sie im Mikro skop. Damit hat man die größten Chancen auf einen Milbennachweis“, lautete die Empfehlung von Müller. Zur Behandlung hat sich Selamectin (dreimal, im Abstand von 2 Wochen) bewährt. Alternativ sind auch Moxidectin (dreimal, im Abstand 2 Wochen) oder Ivermectin (0,3 mg/kg einmal wöchentlich über 4 Wochen) einsetzbar. Allerdings gelten hier wieder die bereits erwähnten Vorsichtsmaßnahmen. Bei einer Therapie mit Milbemycinoxim empfiehlt Müller eine zweimal wöchentliche Anwendung über einen Zeitraum von 8 Wochen (2 mg/kg). Zur lokalen bzw. oberflächlichen Applikation steht zudem Fipronil (zweimal wöchentlich über 3 Wochen) zur Verfügung. Da Ohrmilben auch ohne Wirt 8–14 Tage überlebensfähig sind, sollte die Umwelt der betroffenen Tiere mitbe handelt werden – zumindest wenn rezi divierende Infektionen auftreten. Tipp: Die neue Praxisempfehlung zur Behandlung der Demodikose ist im Internet kostenlos abrufbar: http:// onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ j.13653164.2011.01026.x/full. Münchner Kleintierreihe „Update zur Therapie von Ektoparasiten“ am 19. Juli 2012 in München