der eigentlich

Transcription

der eigentlich
Die Sasse-Brände lagern in
riesigen Eichenfässern
VOM WHISKEY,
der eigentlich
EIN KORN WAR
Goldbraun schimmert die Flüssigkeit im Glas, das
Licht bricht sich darin wie in einem Bernstein.
Vorsichtig schwenkt Rüdiger Sasse das Gefäß und
begutachtet das Farbspiel. Dann führt er das Glas
zur Nase, atmet mit tiefen Zügen die Aromen ein,
nickt zufrieden. Hier im Reifelager zwischen den
langen Reihen aus großen Holzfässern riecht die
Luft würzig und ein bisschen nach Torf.
TEXT: TOBIAS KINDEL | FOTOS: MICHAEL LEMMERHIRT
B eim Blick aus dem Fenster erwartet man die kahlen,
felsigen Hänge der schottischen Highlands, wolken
wolkenverhangene Gipfel und neblige Seen, kleine schotti
schottische Orte mit ihren gedrungenen Steinhäusern und
den niedrigen Hecken, die sich vor dem rauen Wind weg
wegducken. Doch stattdessen fällt der Blick auf das satte Grün
westfälischer Wiesen, auf stoisch dahingrasende Kühe und
die rot verklinkerten Häuser des Münsterlands. Rüdiger Sas
Sasses Brennerei steht nämlich nicht in Schottland, sondern in
Schöppingen. Doch vor den großen schottischen WhiskySorten wie zum Beispiel Glenfiddich, Glenlivet oder Macal
Macallan braucht sich Sasse nicht zu verstecken.
Auch wenn hier eigentlich klarer Korn gebrannt wird. »Was
Jah
wir an Korn herstellen, hat aber mit dem Korn von vor  Jahren nichts mehr zu tun. Früher wurde Korn eiskalt serviert
Pro
und nebenbei beim Kegeln getrunken. Wir stellen ein Produkt zum Genießen her, von außergewöhnlicher Qualität«,
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Die Fässer geben dem Korn seine charakteristische Farbe:
Sie erinnert an Bernstein
erklärt der Geschäftsführer der Feinbrennerei Sasse. Das ist
auch dem Mutterland des Whiskys, den britischen Inseln,
nicht verborgen geblieben …
BESTE BRENNEREI DEUTSCHL ANDS
Im Jahre  erhielt Sasses »Cigar Special« die Silbermedaille bei der Internationalen Wine & Spirit Competition
(IWSC) in London. Und obwohl das Produkt eigentlich ein
Korn ist, wurde er in der Kategorie »Whisky« eingereicht
und als bester Whisky Kontinentaleuropas prämiert. In diesem Jahr wurde die Feinbrennerei Sasse zur »World-Class
Distillery« ernannt und ist damit die einzige von etwa 
Kornbrennereien in Deutschland, die diesen Titel tragen
darf. »Damit gehören wir einem erlesenen Kreis von insgesamt  Destillerien weltweit an. Das ist natürlich ein Ritterschlag für unser Herstellungsverfahren und die Qualität
unserer Produkte«, führt Rüdiger Sasse aus und zeigt stolz
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einige seiner Produkte. Bernsteinfarben glitzert der Münsterländer Lagerkorn in seiner Flasche, eine Farbe, die man
bei Korn eigentlich nicht erwarten würde. Der Geschäftsführer nickt und sagt: »Das eigentliche Destillat, was wir herstellen, ist klar wie Korn. Die Farbe kommt durch die Lagerung in Eichenfässern, aus denen ätherische Öle in das
Destillat übergehen. Das sorgt für die kräftige Farbe und die
einzigartigen Aromen.«
von leicht gebräunt bis rabenschwarz reicht die Farbpalette. Dementsprechend unterschiedlich fällt die Färbung der
Destillate aus. Auch sonst setzt Sasse auf Qualität: Wasser bezieht die Feinbrennerei aus einer eigenen Quelle am
Schöppinger Berg, Malz erhält der Betrieb extra aus Belgien,
Bio-Getreide und Früchte kommen direkt aus der Region.
Vier Jahre reift zum Beispiel der Lagerkorn in den schweren
Eichenfässern, in denen früher unter anderem Cognac oder
Bordeaux-Weine lagerten. Einige Fässer stammen vom weltberühmten Weingut Château Latour im Südwesten Frankreichs. Was er für ein altes Fass dieses Weinguts investieren
muss, darüber schweigt Rüdiger Sasse. »Nur so viel: Weine
vom Château Latour werden auf Auktionen auch schon mal
für  Euro gehandelt – pro Flasche!«
Der älteste Brennapparat in der Produktion ist  Jahre alt
und wurde damals in Handarbeit aus fünf Tonnen Kupfer
hergestellt. Er ist beeindruckende  Meter hoch. »Die Höhe
ist entscheidend für die Milde des Destillats«, erklärt der
Geschäftsführer. »Und Kupfer nimmt man, weil der mit Alkohol reagiert und quasi als Katalysator die Giftstoffe rausfiltert.«
Die ältesten Fässer der Brennerei stammen aus dem Jahre
. In langen Reihen sind sie in der Lagerstätte des Betriebs aufgereiht. Von innen ist ihr Holz unterschiedlich
stark gebrannt – der Experte spricht von »getoasted« –
FÄSSER ÜBER FÄSSER: Sasse plant am Standort
Schöppingen weitere Millionen-Investitionen
KESSEL MIT SEELE
Fässer von  und  Jahre alte Brennapparate – schnell
wird deutlich, dass die Brennerei auf eine lange Familientradition zurückblickt: Schon  wurde das Unternehmen von der Familie Wilmink gegründet. »Wir sind heute
wohl die zwölfte Generation«, erklärt Rüdiger Sasse. Was
Links: Sasse liefert inzwischen weltweit aus, ist gerade dabei, den japanischen Markt zu erobern
Mitte: Durch die hohen Kessel erhält der Brand seine typische Milde
»Wir sind heute
wohl die zwölfte
Generation«
RÜDIGER SASSE
ursprünglich als Bauernhof mit eigener Brauerei begann,
ist heute eine erfolgreiche Feinbrennerei. Sogar japanische
Importeure bestellen schon bei der kleinen Firma ( Mitarbeiter) aus dem Münsterland.  konnte Sasse mit dem
Verkauf von Bränden wie zum Beispiel dem Münsterländer
Lagerkorn den Umsatz um  Prozent steigern.
Und die Zeichen stehen weiter auf Wachstum: Die traditionsreiche Brennerei wird in Schöppingen rund eine Millionen Euro investieren in ein neues Reifelager. Rüdiger Sasse
erklärt die Pläne: »Dort sollen auf rund  Quadratmetern rund  Barriquefässer Platz finden. Damit investieren wir in den Standort und die Markenbekanntheit.« Und
so könnte der Lagerkorn aus Schöppingen bald weltweit in
aller Munde sein. Denn wie einst schon Starkoch Horst Lichter feststellte: »Schmeckt wie ein Grappa – nur von hier …«
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