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Once more, with feeling: Gegen Islam und Aufklärungsverrat!
„›Die Linke‹ ist tot, aber die meisten Linken haben es gar nicht
bemerkt und einige wollen es nicht so recht wahrhaben.“
„Der linke ›Common sense‹ ist die moraline Variante der
herrschenden Meinung, die bekanntlich die Meinung der
Herrschenden ist.“
Joachim Bruhn1
Die Antisemiten in der deutschen Linken haben es nicht leicht: Anders als den Rechten, die
ebenfalls ihren Antisemitismus nach 1945 unter dem Joch des gesellschaftlichen Tabus verdrängen
oder zumindest tarnen mussten, macht ihrem Hass auf die Juden auch das eigene, linke
Selbstverständnis zu schaffen. Sie denken Antifaschisten im Kampf gegen Unterdrücker zu sein und
das passt nicht zum Judenhass, außer die Juden seien selbst Unterdrücker: Auf der ersten Stufe des
Selbstbetrugs rehabilitierte die deutsche Linke den Antizionismus. Der deutschen
Palästinasolidarität, der die realen Probleme der Palästinenser und Palästinenserinnen vollkommen
egal waren und sind, gelang ein preisverdächtiges Kunststück. Man konnte gegen den jüdischen
Staat schlagen und sich als Vorhut des Sozialismus fühlen. Die eigene deutsche Vergangenheit
wurde ihnen dabei zum moralischen Kapital im Abwehrkampf gegen den in Israel
hinengeheimnißten Faschismus. Eigentlich hätte alles so gut sein können. Doch dann fiel die
Sowjetunion und mit der Wiedervereinigung kam die antideutsche Kritik und machte den deutschen
Linken den Antizionismus madig. Einige resistente Antizionisten wehren sich bis heute dagegen,
aber nicht wenige Linke wurden antinational. Sie sind nun kritisch gegenüber Antisemitismus, den
manche von ihnen auch im Antizionismus aufzuspüren gelernt haben. Ihre Entsorgung der
Vergangenheit und Rehabilitierung des antiisraelischen feeling tarnt sich unter dem Mantel einer,
von
allen
historischen
Bedingtheiten
abstrahierenden,
pesudo-universalistischen
Nationalismuskritik. Von Postnazismus will man nichts wissen und Solidarität mit Israel verbietet
man sich, schließlich sei es doch auch nur ein Nationalstaat wie jeder andere. Die eigenen
Demonstrationen hält man rein von Nationalflaggen, wovon selbstverständlich nur
israelsolidarische Menschen betroffen sind und solche, die denken, man könne den Alliierten schon
mal für die Befreiung der Welt von den Deutschen danken. Aber das genügt den Linken nicht mehr.
Denn seit islamistische Rackets der USA, dem Hauptfeind aller Linken, ihre Verletzlichkeit
demonstrierten, sieht man die Muslime und Muslimas der Welt der bevorstehenden Vernichtung
ausgeliefert, wie es einst Palästinenser und Palästinenserinnen zu sein schienen. So packt man
postmoderne Modetheorie und islamische Kampfbegriffe ins Gepäck und stürzt sich in den queeren
Djihad gegen USA und Israel. Auch vor Hamburg macht die Rekrutierungswelle nicht halt. Bereits
2011 organisierten die undogmatischen Bündnisfetischisten von Avanti eine Veranstaltungsreihe zu
„antimuslimischem Rassismus“. Ein Jahr später wurde das Thema ausgegriffen von Susann WittStahl, die sich als Boykotteurin jüdischer Filme einen Namen machte und nebenberuflich
antispeziezistische Leichenschändung an Vertretern der Kritischen Theorie betreibt. Doch die
Hamburger Szene hat eigentlich ganz andere Sorgen: Sie befindet sich seit Jahren im verzweifelten
Abwehrkampf gegen Aufklärung und Emanzipation, stets bemüht dem Gift der Ideologiekritik zu
entrinnen. Die Einen versuchen, der Barbarei so viel als möglich Vorschub zu leisten, beschimpfen
und schlagen panisch gegen alle, die ihnen als Szenevergifter gelten. Die anderen fühlen sich einem
wie auch immer gearteten ideologiekritischen Projekt verbunden bzw. haben wenigstens einen noch
so rudimentären Begriff von linkem Antisemitismus, dass sie für den Rest der Szene zu
Hassobjekten erster Klasse werden. Nicht wenige von ihnen scheinen an Reintegration interessiert
und versuchen „die Spuren ihrer Lektüre zu tilgen, wie manche Altersgenossen ihre Facebook-Fotos
aus früheren Jahren.“2 Der Großteil der Hamburger Szene verharrt in Gleichgültigkeit: bloß keine
Debatte, bloß keine Spaltung! So schrecklich dieser Konflikt für die darin Gefangenen, so grausam
die Schläger der antiimperialistischen Rackets, so sonderbar die Versuche Postantideutscher in den
antisemitischen linken Mainstream zurück zu finden: So sehr bleibt zumindest zu hoffen, dass das
„[schleichende] Gift“ der Kritik noch mehr Linke „zum unfreiwilligen Eingeständnis ihres
endgültigen Scheiterns“ treibt.3 Wir erlauben uns diese Hoffnung, denn ideologiekritische
„Schriften werden weiterhin von Linksradikalen gelesen […] und werden von jungen, unschuldigen
Gemütern aufgenommen und in ihr politisches Weltbild eingebaut.“4
Wenn also Hamburger Linke schon wieder meinen, den Islam vor Kritik schützen zu müssen und
einen Kongress gegen „antimuslimischen Rassismus“ veranstalten und die Rote Flora meint, nach
den antiisraelischen Tiraden der Hamas-Freundin Inbal S. sei ein solcher Kongress eine
willkommene Fortsetzung, finden wir genug gute Gründe, solchem Meinen seinen verdienten Platz
auf dem Müllhaufen der Geschichte auszuweisen.
Zuvor: Die Aufklärung vor sich selbst retten und gegen ihre Feinde verteidigen
Der Sieg der bolschewistischen Revolution 1917 war ein Befreiungsschlag. Viele verbanden mit ihr
die Hoffnung, die Menschen könnten sich aus dem Stande der Unfreiheit lösen und eine vernünftige
Gesellschaft einrichten. Es schien an der Zeit. Doch die Revolution beinhaltete auch die
Bedingungen ihres Scheiterns: Zur Verteidigung der Revolution wurde die sozialistische
Gesellschaft totalitär und erschuf das Archipel Gulag. 16 Jahre später siegte in Deutschland die
totale Konterrevolution der Nazis. Der antisemitische Wahn hatte das Proletariat erfasst, von dem
man sich doch den Kommunismus erhoffte, und die Grausamkeit des deutschen Verbrechens adelte
noch den Krieg als Vollstrecker der Menschlichkeit. Spätestens mit dem Hitler-Stalin-Pakt verlor
auch das realsozialistische Regime endgültig seine Unschuld. Inmitten dieses Wahnsinns stellte sich
die Frage, „warum die Menschheit, anstatt in einen wahrhaft menschlichen Zustand einzutreten, in
eine neue Art von Barbarei versinkt.“5 Adorno und Horkheimer versuchten sie mit der 1947
erschienenen Dialektik der Aufklärung zu beantworten: „schon der Mythos ist Aufklärung, und:
Aufklärung schlägt in Mythologie zurück.“6
Sechs Jahrzehnte später hat es auch in der deutschen Linken sich herumgesprochen, dass
Aufklärung „problematisch“ ist. Allerdings nicht aufgrund der kritischen Theorie Adornos und
Horkheimers, sondern weil sie das postmoderne Ticket zog. Von Lyotard lernte man, die Zeit der
großen Erzählungen sei vorbei und auch die Aufklärung wähnt man erledigt.7 Ihren
universalistischen Anspruch verdächtigt man des Vernichtungswunsches 8, ihr Beharren auf Vernunft
schimpft man logozentrisch.9 Der Idealismus, den Marx einmal besiegt zu haben schien, feiert sein
glorreiches Comeback in der Vorstellung, der gesellschaftliche Diskurs erschaffe die materielle
Welt.10 Inmitten dieser Sonnenfinsternis der vollendeten Gegenaufklärung heiratet der religiöse
Fundamentalismus den antisemitischen Wahn und schenkt der Welt den Islamismus 11 – an seiner
Verteidigung üben sich die Adepten Foucaults, Spivaks und Butlers: Studenten, Intellektuelle, Linke
und andere selbsternannte Gesellschaftskritiker. War es einst ihr Programm die Welt zu entzaubern,
wenden sie sich nun gegen das Verschwinden der Spiritualität im Westen, das Verbot der
Witwenverbrennung in Indien oder liberale Rechte von Homo-, Bi- und Transsexuellen in Israel.
Was könnte man dieser völlig verkehrten Welt noch entgegensetzen? Wohl einzig den Versuch,
„weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu
lassen.“12 Der kritische Gedanke müsste, will er dem Wahnsinn nicht verfallen, durch
Selbstbesinnung seinen pathischen Anteil negieren. Zwar ist es die Aufklärung selbst, die
Gegenaufklärung hervorbringt und in Barbarei umschlägt, dennoch vermag nur die „ihrer selbst
mächtige, zur Gewalt werdende Aufklärung […] die Grenzen der Aufklärung zu durchbrechen.“ 13
Es gilt, die Aufklärung vor sich selbst zu retten und gegen ihre Feinde zu verteidigen.
Doch es war die Härte und Strenge, mit der Aufklärung gegen die religiösen Spinnereien und den
Zwang der Natur schlug, die ihr zum Verhängnis wurde. Sie wollte sich durch Beherrschung der
Natur von deren Bann befreien und die Menschen aus der Furcht führen. Doch mit der
Naturbeherrschung produziert sie einen neuen Zwang. Die Gesellschaft wird zur zweiten Natur, die
Menschen, obschon durch die Entwicklung der Produktivkräfte zur Freiheit befähigt, stehen jetzt
unter der Herrschaft des Kapitalverhältnisses. Aufklärung wird totalitär und das lässt auch die
Vernunft nicht unbeschadet. Wo sie einst Hoffnung stiftete, die Menschen könnten sich als Gattung
aus der Unmündigkeit befreien, steht sie heute selbst unter dem Verdacht des Totalitarismus. Gegen
die Religionen denunzierte Aufklärung das Mythologische am Wahrheitsbegriff, aber sie traf auch
sich selbst: Der Vernunft wird unterstellt auch nur Glaube zu sein und ihre Entzauberung macht sie
zur Meinung unter vielen. Der Begriff des Universellen, für alle Menschen gültigen, objektiv
Wahren, ohne den eine befreite Gesellschaft als freie Assoziation freier Individuen nicht zu denken
ist, wird zur Ware auf dem Meinungsmarkt. Die Not, unter den Bedingungen einer zunehmend
undurchsichtigeren und komplexeren Welt Meinungen für wahr nehmen zu müssen, ohne ihre
Wahrheit prüfen zu können, verwischt den Unterschied zwischen Wahrheit und Meinung.14 Das
adelt den subjektiven Wahn.15 So wird die islamische Barbarei zum gleichberechtigten
Konkurrenten des Universalismus16 und wer letzteren gegen ihren Sexismus oder Antisemitismus in
Anschlag bringt, den schimpft man einen eurozentrischen Rassisten. Selbstverständlich im Namen
der Emanzipation.
Postkoloniale Kulturschützer als Fünfte Kolonne des Mullahregimes
Es war einmal, 1979, da siegte im Iran die islamische Revolution. Michel Foucault sah darin Anlass
zur Freude.17 Etliche iranische Frauen allerdings sahen die Dinge anders als der Vordenker des heute
modischen Queerfeminismus. Sie gingen auf die Straße, um gegen die vom Regime verordnete
Zwangsverschleierung zu demonstrieren. Eben jenes Regime bastelt heute an einer nuklearen
Bombe, mit der es den jüdischen Staat auslöschen will und der Rest der Welt gibt sich beste Mühe
so zu tun als würde man dabei nicht tatenlos zuschauen. Einige Verrückte – Nazis,
Antiimperialisten, Günter Grass und sonstige Antisemiten – begrüßen dieses Vorhaben, ein paar von
ihnen versammeln sich jährlich zu Al Quds-Märschen, um die ersehnte Entjudaisierung Jerusalems
schon im Hier und Jetzt zu feiern. Die meisten deutschen Linken interessieren sich nicht sonderlich
für den Iran. Sich offen gegen ihn aussprechen oder gegen die Al Quds-Märsche demonstrieren
wollen sie aber auch nicht. Man könnte da ja mit Rechtspopulisten in einen Topf geworfen werden,
oder – für einige Linke noch schlimmer – mit Antideutschen und Ideologiekritikern. Man wähnt
sich auf jeden Fall in gefährlicher Nähe zur gefürchteten Islamophobie.
Aber was soll das eigentlich sein? In seiner linken Verwendung soll Islamophobie
ressentimenthafte, irrationale Kritik am Islam bezeichnen ebenso wie gesellschaftliche
Diskriminierung gegenüber Muslimen und Muslimas. Seine Apologeten verstehen sich in
herrschaftskritischer, antirassistischer Mission. Aus verschiedenen Gründen lehnen verschiedene
linke Gruppierungen den Begriff ab, am häufigsten weil er Rassismus pathologisiere – und
Pathologisierungen, meint man, entschuldigen den vermeintlichen Täter. Gesellschaftskritiker,
deren Utopie die Welt der vielen, frei nebeneinander existierenden Diskurse ist – früher nannte man
so etwas ein Irrenhaus – müssen im irrationalen Kranken wohl etwas Entschuldigendes, wenn nicht
gar eine Würdigung sehen. Außerdem werde der Pathologisierte als Subjekt nicht ernst genommen
– ähnliche Empörungen werden von Linken auch immer wieder gegen die Psychoanalyse
vorgebracht. So wurden verschiedene Alternativen eingeführt: „antimuslimischer Rassismus“,
„antiislamischer Rassismus“ oder der völlig perfide Begriff des „Antiislamismus“. Zwischen diesen
Begriffen bestehen zwar jeweils kleine Unterschiede hinsichtlich ihrer Herleitung, doch in ihrer
Verwendung findet man sie kaum. Sie alle speisen sich aus dem Begriff der Islamophobie.
Als die iranischen Frauen 1979 auf die Straße gingen, um gegen den Schleierzwang zu protestieren,
bezeichnete das Mullahregime sie als „gegen den Islam“ und „gegen die Revolution“. Sie wurden
nicht pathologisiert, dennoch gilt diese Brandmarkung als Geburtsstunde des
Islamophobiebegriffs.18 Er ist kein herrschaftskritischer, sondern ein herrschaftstragender. In seiner
Affirmation durch die postmodernen Linken wird er zur Neuauflage zweier alter, antiuniversalistischer Projekte: Des Chauvinismus und des Relativismus. Den westlichen Chauvinismus
gegenüber dem Orient nennt man Orientalismus, eine romantisierende, aber auch abwertende
Verzerrung der orientalischen Gesellschaft, zur der auch der Islam zählt. Ihrer Bevölkerung wird
eine homogene Identität unterstellt, um in Abgrenzung davon eine ebenso homogene westliche
Identität zu entwerfen. Zur Kritik daran könnte man den Universalismus bemühen. Da den
postmodernen Orientalismuskritikern aber Universalismus selbst als westlicher Partikularismus gilt,
rekurrieren sie auf den Relativismus. Dieser erklärt westliche und orientalische Werte für
gleichberechtigt. Somit wird zwar die Abwertung der anderen Kultur thematisiert, nicht aber die
Unterstellung einer homogenen Kultur und die angebliche Unvereinbarkeit westlicher und östlicher
Werte. Völlig unter den Tisch fällt, dass diese keine ahistorischen Gegebenheiten sind, sondern stets
gesellschaftlich umkämpft werden und sich auch verändern können.19 Sein Siegeszug in der Linken
gelang
dem
Relativismus
spätestens
mit
dem
Multikulturalismus
der AntiGlobalisierungsbewegung. Dieser wollte, dass alle Kulturen in ihrer „authentischen“ Form friedlich
nebeneinander existieren sollen. Solche Gesellschaftstheorie ist wirklich antikolonialistisch, denn
im Gegensatz zum bürgerlichen Kolonialismus geht sie nicht mehr von der Zivilisierbarkeit der
anderen Kultur aus. Stattdessen nähert sie sich dem Gesellschaftsbild der Nazis an, in dem es viele
verschiedene Völker mit unvereinbaren, unveränderbaren Eigenschaften gibt – es ist offensichtlich,
wie leicht dieser Antichauvinismus in Chauvinismus umschlagen kann.
Was die post-colonial studies, Antiimperialisten, Antikolonialisten und poststrukturalistischen
Antirassisten nicht verstehen ist die Kehrseite des Orientalismus: der Okzidentalismus, der
orientalische Überlegenheitsanspruch gegenüber dem Westen. Im Namen der Selbstkritik, des
marginalisierten Diskurses, der Subalterne oder der hybriden, postkolonialen Identität machen sie
sich den anti-westlichen Chauvinismus zu eigen.20 So ausgerüstet denkt man sich auf der sicheren
Seite und gegen den totalitären Charakter der Aufklärung gefeit. Aber die postkolonialen
Antirassisten verstehen die Dialektik der Aufklärung nicht. Die antidialektische Mission der
postmodernen Theorie reduziert den Begriff der Aufklärung auf deren herrschaftliche, totalitäre
Seite und wirft die emanzipatorische über Bord. Dadurch redet sie der Gegenaufklärung das Wort.
Anstatt den Islam reformieren, abschaffen oder zumindest in die relative gesellschaftliche
Irrelevanz verbannen zu wollen, wie es die Aufklärer einst mit dem Christentum versuchten, wird er
unter Kulturschutz gestellt und vor westlichen Einflüssen verteidigt. Die Theorie schlägt um in
Affirmation der Herrschaft, als deren Kritik sie sich geriert. Sie wird zur konformistischen
Rebellion: Der Islamophobievorwurf gegen feministische Kritik am Kopftuchzwang wird
transformiert zum antirassistischen Loblied auf das Kopftuch.21
Aller Orten „antimuslimischer Rassismus“ – nirgendwo Islam?
Mit Banalitäten wie der Dialektik der Aufklärung geben sich die Veranstalter eines „Kongress
gegen antimuslimischen Rassismus“ nicht ab. Ihnen geht es darum, „ein zentrales Element
widerständiger Politik zurück zu erlangen: Handlungsfähigkeit!“. Man will sich in die Politik
stürzen, „linke Positionen zu dem Themenkomplex [...] erarbeiten“. 22. Das Ziel ist klar: „Ready for
Action“ sein.23 Doch mit welchem Instrumentarium schreitet man zur Tat? Der Begriff des
„antimuslimischen Rassismus“ beschreibe „rassistische Verhaltensweisen und Einstellungen
gegenüber Menschen, die aufgrund ihres Aussehens, ihres Namens oder ihrer vermeintlichen
Herkunft für Muslime gehalten werden.“ Mit der „Kategorie Muslim_A“ seien „bestimmte
Stereotype“ verknüpft, zum Beispiel die „[kollektive] Unterstellung“ von „antiemanzipatorischen,
homophoben oder antisemitischen Einstellungen“.24 Die Kritik richte sich dagegen, dass
„Mitglieder dieser konstruierten Gemeinschaft [...] homogenisiert“ und „auf zugeschriebene
kulturelle bzw. religiöse Eigenschaften reduziert“ werden. Und es geht es auch um „Vorurteile
gegen den Islam“, denn der „Islam [wird] dämonisiert“. Der christliche Westen des 16. Jahrhunderts
behauptete, der Islam sei „eine Lehre der Unterdrückung, der Gewalt und der sklavischen
Unterwerfung“ - und diese Behauptung sei an sich schon rassistisch.25
Es geht also um dreierlei: 1. die Identifikation von Menschen als Muslime und Muslimas anhand
stereotyper Merkmale; 2. die homogenisierende Darstellung 26 der Gruppe der Muslime und
Muslimas; 3. die Dämonisierung des Islam. Während die ersten beiden Punkte zweifelsfrei Aspekte
eines rassistischen Vorurteils sein können, richtet sich dieses nicht gegen Muslime und Muslimas,
sondern gegen Menschen, die als Muslime und Muslimas identifiziert werden. Es ist kein
„antimuslimischer“ Rassismus, sondern wäre treffender als antiarabischer zu bezeichnen. Deswegen
trifft er auch „eher Menschen aus der Türkei, dem Iran oder dem arabischen Raum“ denn „aus
muslimisch geprägten Ländern wie Malaysia, Indonesien oder Somalia“.27 Die Verbindung zur
Islamkritik erklärt sich daraus, dass den Rassifizierten etwas angeblich ihrem Wesen zugehöriges
nachgesagt wird, nämlich dass sie Muslime oder Muslimas seien. Diese Biologisierung bzw.
Rassifizierung des Islam drückt sich am deutlichsten in der Forderung Serkan Törens (FDP) nach
Ausbürgerung deutscher Salafisten aus. Die Möglichkeit einer aufklärenden Reeducation wird
ausgeschlossen, nur den Ausschluss aus der Nationalgemeinschaft kann er als mögliche
Problemlösung denken. Wer hier den Rassismus in der Kritik oder Dämonisierung des Islam sieht,
statt in dessen Rassifizierung und der daran anknüpfenden Identifizierung vermeintlicher Muslime
und Muslimas aufgrund ihres Aussehens, verklärt diesen. Die Aussage von Innenminister Friedrich
(CSU): „der Islam gehört nicht zu Deutschland“, bringt das rassistische Motiv auf den Punkt. Nicht
die jeweiligen Glaubensinhalte der islamischen Strömungen oder die tatsächlich damit
einhergehenden antiemanzipatorischen Vorstellungen und Praxen ihrer Anhänger sind für den
Rassisten entscheidend, sondern, dass der Islam und seine Anhänger undeutsch seien – bzw. nicht
Teil des nationalen, europäischen oder abendländischen Erbes. Dies allerdings nicht den jeweiligen
Nationalismen anzulasten, sondern einer angeblichen Dämonisierung des Islam, hat genau zwei
Effekte: Der reale Rassismus wird nicht begriffen und der Islam kategorisch gegen Kritik
immunisiert. Letzteres steht perfekt in der Tradition des Islamophobievorwurfs gegen die iranischen
Demonstrantinnen.
Einen vorläufigen Gipfel der Absurdität erreicht der Begriff des antimuslimischen Rassismus
schließlich, indem er sich der Beziehung zum Objekt, nicht dem vermeintlichen Rassisten, sondern
dem Islam, verweigert. Wenn die Veranstalter des Hamburger Kongresses extra einen Disclaimer
schreiben, um zu erklären, mit Islamkritik nichts zu tun zu haben und sich mit dem Islam nicht
beschäftigen zu wollen, denn „[d]arum geht’s doch gar nicht!“, dann ist das nichts weniger als eine
Absage ans Prinzip der Realitätsprüfung.28 Die eigene Meinung – „der Islam wird dämonisiert“ –
steht fest, einer Verifizierung bedarf sie nicht. Woher wollte man denn auch wissen, welche Aussage
über den Islam Vorurteil ist und welche nicht, wenn man doch ausdrücklich nicht über diesen reden
will? Man kann es nicht, aber man kann auch nicht innehalten und auf diesen Missstand
reflektieren: „Meinung, als die von ihrem Gegenstand noch getrennte ratio, gehorcht einer Art von
Kräfteökonomie, folgt der Linie des geringsten Widerstands, wenn sie undurchbrochen der bloßen
Konsequenz sich überlässt. […] Bloße Meinung neigt zu jenem Nicht-aufhören-Können, das
Pathische Projektion heißen darf.“29 Und die hat es in sich.
Während die eigene Textproduktion und Kongressvorbereitung hauptsächlich auf die
Immunisierung des Islam gegen Kritik hinausläuft, projizieren die Veranstalter des Kongresses
genau dieses Vorhaben auf jedwede Islamkritik, die sie per Definition einer westlichen
Mehrheitsbevölkerung zuschreiben. Dass Homophobie, Antisemitismus, Sexismus und
Gewaltbereitschaft auch in der Mehrheitsbevölkerung existieren, würde geleugnet. Das zeige sich
zum Beispiel an der Thematisierung von Ehrenmorden, schließlich sei „Gewalt gegen Frauen [...]
kein spezifisches Problem des Islam, sondern ein gesamtgesellschaftliches.“ Das stimmt zwar, aber
Ehrenmorde sind trotzdem eine spezifisch islamische Form der Gewalt gegen Frauen. Unbeirrt von
solchen Differenzierungen fahren die Veranstalter fort und meinen: „Die Diskussion um Gewalt
gegen muslimische Frauen wird instrumentalisiert, um von Problemen häuslicher Gewalt in der
eigenen Gesellschaft abzulenken.“30 Belege oder Argumente für diese These brauchen sie nicht.
Dem interessierten Publikum wird es schon gefallen, seine eigene Meinung bestätigt zu sehen. Der
Verweis auf die keineswegs rosigen westlichen Gesellschaften führt zur Relativierung der
islamischen Barbarei, frei nach dem Motto: „Wenn man das im Westen auch so macht, dann darf
man das den islamischen Gesellschaften nicht vorwerfen.“ Der Chauvinismus des Zivilisierten, der
voller Verachtung auf die Wilden blickte, wurde selbstkritisch: Der Zivilisierte merkt, dass auch die
Zivilisation nicht perfekt ist. Aus dieser richtigen Einsicht wird der falsche Schluss gezogen: Anstatt
jede Form der Barbarei anzuprangern, verstummt man gegenüber der anderen. Günter Grass zum
Beispiel entschuldigt sie so: „Wir haben das Glück der Renaissance, der Aufklärung gehabt und
damit einen schmerzhaften Prozess durchgemacht... Die islamische Welt hat diesen Prozess nicht
durchgemacht, sie befindet sich auf einer anderen Entwicklungsstufe und das muss man
respektieren.“31 Es kommt noch schlimmer: „Wir haben das Recht verloren, unter dem Recht auf
freie Meinungsäußerung Schutz zu suchen.“32 Wundert sich bei solchen Aussagen ernsthaft jemand,
dass Grass sechs Jahre später den Iran zum Opfer Israels umdichtet?
Als Organisator eines „Kongress gegen antimuslimischen Rassismus“ teilt man Grass'
Ressentiments gegen den jüdischen Staat natürlich nicht. Zumindest äußert man sie nicht öffentlich.
Stattdessen behaupten die Veranstalter, „den Blick nur auf den Antisemitismus der anderen zu
richten“ solle „vom Antisemitismus in der eigenen Gesellschaft“ ablenken. Sie hätten ihre eigene
Feststellung, „dass die Ursprünge des Antisemitismus als europäisches Phänomen von den
Kolonialmächten in die arabische Welt getragen wurden“, ernster nehmen sollen. Dann könnten sie
historisch nachvollziehen, dass das Zentrum des globalen Antisemitismus sich nach 1945 aufgrund
der gesellschaftlichen Tabuisierung von Deutschland in die islamischen Gesellschaften des Nahen
und Mittleren Osten verlagerte. Zu solcher Reflexion unfähig, behaupten sie, der Antisemitismus sei
etwas dem Islamismus äußerliches. In der Konsequenz läuft das hinaus auf die Meinung, die
islamistischen Akteure der zweiten Intifada hätten die „Kritik an der Politik Israels [...] missbraucht
[…] um Antisemitismus in vermeintlich legitimer Form zu äußern.“ 33 Als ob sich die Hamas für
political correctness interessierte! Als ob Antisemitismus der islamistischen Israelkritik äußerlich
sei!
Die Inschutznahme islamistischer Mörderbanden geht noch weiter: Der Afghanistankrieg wird zum
„vorläufigen Höhepunkt“ des „Generalverdachts“ gegen Muslime umgedeutet. Die Autoren
suggerieren allen Ernstes, die USA hätten in Afghanistan nicht die realen, zweifelsfrei für den
Elften September verantwortlich zu machenden Taliban und Al Qaeda, sondern die, rassistisch unter
„Generalverdacht“ gestellte, muslimische Bevölkerung angegriffen.34 Damit entlasten sie die
Drahtzieher des Attentats und stellen diese als Opfer eines amerikanischen Rassismus dar. Hier wird
deutlich, wie die Islamophobiekritik nicht nur dem Antiamerikanismus der Linken Vorschub leistet,
sondern auch die Querfront mit antiamerikanischen, antisemitischen Islamisten vorbereitet.35
Hybride Identitäten im 21. Jahrhundert: Der islamophile Islamhasser und seine Kritiker
Wer behauptet, es gäbe keine Querfront zwischen Islamisten und den Adepten postmoderner
Theorie, belügt sich selbst. Man kann das antirassistische Loblied aufs Kopftuch nicht den
Veranstaltern des Kongresses anlasten. Sie singen es zwar lautstark mit, aber geschrieben haben sie
es nicht. Wer es zuerst sang, wissen wir nicht, wohl aber, dass es noch abstoßendere Interpretationen
des Motivs gibt: Christina von Braun und Bettina Mathes nehmen in ihrem Buch Verschleierte
Wirklichkeit. Die Frau, der Islam und der Westen etwa zustimmend Bezug auf die Gründer des
Islamismus: „Schon die ägyptische Moslembruderschaft etablierte einen Zusammenhang zwischen
Kapitalismus und Entkleidung des westlichen Frauenkörpers [...] Der Westen missbrauche Frauen
und weibliche Sexualität, um den Profit zu maximieren; die Werbung beute die Frau im Dienste des
Kapitalismus aus.“ Die Umdichtung reaktionärer Fundamentalisten in antikapitalistische Feministen
ist noch nicht mal das Verstörendste an dieser Textstelle. Hinter der kritisierten „Entkleidung des
Frauenkörpers“ verbirgt sich nichts weniger als „westliche Blickmacht“. Diese mache aus Frauen,
„die das westliche Frauenbild angenommen haben“, „Komplizinnen eines männlich geprägten
Entschleierungsdiskurses.“ Wenn die Muslima es wagt, den islamischen Befehl zur Verhüllung ihres
Körpers zu missachten und sich „westlich“ kleidet, schimpft man sie also eine antifeministische
Komplizin des Patriarchats.36 Das hat nichts, aber auch gar nichts mit emanzipatorischer Kritik zu
tun, sondern ist die Bejahung islamischer Tradition aufgrund eines, von den Islamisten
übernommenen und als Selbstkritik verkauften, antiwestlichen Chauvinismus.
Judith Butler geht die Sache anders an. Die als Begründerin der queer theory und gender studies
bekannt gewordene Poststrukturalistin treiben in den letzten Jahren ganz andere Sorgen um als
Kopftücher und Frauenkörper: Ihr geht es um die Rechte von Queers, also Lesben, Schwulen,
Transgendern, Intersexuellen und allen anderen sexuellen Identitäten, die sich der
„heteronormativen Matrix“ entziehen. Man könnte nun zu dem häufig gefällten Vorurteil gelangen,
die Begründerin der queer theory würde eine liberale Gesetzgebung gegenüber Queers begrüßen.
Doch so einfach ist die Sache nicht, denn als gestandene postmoderne Theoretikerin kann auch
Judith Butler dem Islam so einiges abgewinnen, vor allem wo Islamisten gegen Israel kämpfen. Sie
konstruiert Hamas und Hisbollah als „deskriptiv“ progressive Linke37 und dekonstruiert die liberale
Sexualpolitik Israels als „Pinkwashing“. Nicht weil die israelische eine liberale Gesellschaft ist oder
die queeren Kämpfe erfolgreich waren, sei Israel ein juristisches Paradies für Queers, sondern weil
damit die Unterdrückung der Palästinenser gerechtfertigt werden solle. Dagegen und gegen den
damit einhergehenden „Homonationalismus“ wendet sich Butler. An ihrer Seite finden sich auch die
Erfinderin des Begriffs, Jasbir Puar, der linksradikale „Transgeniale CSD“ in Berlin und die auf
dem Hamburger Kongress referierende Urmila Goel.38 Diese Argumentation folgt demselben Muster
wie die Relativierung von Homophobie, Sexismus und Antisemitismus in islamischen Ideologien
und Gesellschaften: Mit der Kritik daran wolle der Westen nur von seinen eigenen Untaten
ablenken und diese dem Islam anlasten.
Selbsternannte Antisexistinnen sprechen sich für die islamische Zwangsverschleierung aus und die
Begründerin der queer theory agitiert gegen liberale Rechte für Queers. Was schon ziemlich absurd
klingt wird noch verrückter: Die Anthropologin Janice Boddy nimmt weibliche
Genitalverstümmelungen als „Instrument der Befreiung des weiblichen Körpers von seinen
männlichen Anteilen“ in Schutz. Die Verurteilung der Genitalverstümmelung lastet sie der
„arroganten Sicht“ der westlichen Beobachter an und fragt sich, was in die Klitoris investiert wird,
„dass ihre Entfernung einen solchen Horror auslöst?“.39 Die postmodern-islamische Querfront ist
längst in den Seminarräumen der Universitäten und den Plena der linken Szene angekommen. 40
Angesichts solchen Wahnsinns täte es tatsächlich Not, einen Kongress gegen Rassismus zu
veranstalten: Man hätte den postkolonialen Antirassisten aufs Heftigste zu widersprechen, wenn sie
den Muslimas das Recht auf freie Kleidungswahl und körperliche Unversehrtheit absprechen. Man
hätte ihnen zu widersprechen, wenn sie mit dem Begriff des „antimuslimischen Rassismus“ eine
religiöse Ideologie rassifizieren, indem sie Anhänger einer Religion ex negativo zum vom Westen
bedrohten Kollektiv homogenisieren. Man hätte schließlich den antiemanzipatorischen Gehalt der
gesamten postmodernen Theorie, auf der solche Spinnereien beruhen, anzuprangern. Nichts
dergleichen haben die Veranstalter eines „Kongress gegen antimuslimischen Rassismus“ im Sinn.
Wogegen sich der Hamburger Kongress richtet, ist klar bezeichnet: Die „rassistischen Stereotype
der Mehrheitsgesellschaft“, die europäische Rechte und Teile der Antideutschen, die sich „zu
fanatischen Islamhassern entwickelt“ hätten. Als besonders fieser Antideutscher gilt ihnen Gerhard
Scheit, der „die Thematik des antimuslimischen Rassismus“ schlicht leugne, „als gebe es ihn
einfach nicht.“41 Seine Argumentation gegen die Titulierung Anders Breiviks als islamophob,
verzerren die Veranstalter zum Inbegriff einer antideutschen Rassismusapologie. Was hier verdrängt
und verteufelt werden soll, weil es nicht ins Weltbild passt, ist die proislamische Querfront
zwischen linken Islamapologeten und rechten Islamhassern: Bei den einen bedroht der Westen den
Islam, bei den anderen bedroht der Islam den Westen. Dies sind nicht die beiden Pole einer kruden
Neuauflage von Huntingtons Kampf der Kulturen, sondern zwei Seiten derselben Medaille:
Begeisterung für den Islam. Es gefällt den Antisemiten, egal ob links oder rechts, „dass diese
Religion gemeinschaftsbildend im politischen Sinn ist; dass der gläubige Muslim seinen Status als
Überflüssiger auf dem Arbeitsmarkt nicht nur so gut erträgt, sondern daraus Stolz und Würde, und,
in Gestalt des jihadistischen Kollektivs, Kampfgeist gegen einen Feind gewinnt, den man als
Hirngespinst mit den Jihadisten durchaus gemeinsam hat, nämlich die isoliert betrachtete, abstrakte
Seite des Kapitals, in dieser oder anderer Form auf die Juden projiziert, die alle Gemeinschaften
zersetzten.“42 Die linken Islamophobiekritiker können Foucaults Begeisterung für die Spiritualität
und den Gemeinschaftssinn der iranischen Revolution43 nachvollziehen und sich für den islamischen
Einspruch gegen „westliche“, kapitalistische Zumutungen44 begeistern, besonders, wo er als
Opposition gegen die USA und Israel auftritt. Da sie als Linke ihrem Hass auf Israel und die USA
freien Lauf lassen dürfen, wird ihre Begeisterung für den Islam offen affirmativ. Den rechten
Islamhassern hingegen wird die Ahnung, dass der Islam erfolgreich ist, wo sie versagen oder
verhindert werden, zum Neid auf die konkurrierende Ware am Meinungsmarkt. Die „Konkurrenz
zwischen abendländischem Vernichtungswahn und islamischen Jihadismus“ verlangt von ihnen die
Parteinahme fürs Abendland. Als „abendländischer“ Staat im Handgemenge mit islamistischen
Mörderbanden ist es aber ausgerechnet Israel, das gegen die Konkurrenz angerufen wird: Ihr
Antisemitismus wird israelsolidarisch.45 Darum hat Gerhard Scheit recht und „wer hier wie auch
sonst von Islamophobie spricht, […] nichts anderes im Sinn, als Antisemitismus zu verschleiern.“46
Der Rekurs auf Breivik ist sicherlich einer aufs Extrem. Das macht ihn allerdings nicht falsch, folgt
er doch der Maxime, „daß heute überhaupt nur Übertreibung das Medium von Wahrheit sei.“ So ist
es möglich, „eine von der glatten Fassade des Alltags verdeckte Tendenz zu bezeichnen, ehe sie die
institutionellen Dämme überspült, die ihr einstweilen gesetzt sind.“ 47 Trotzdem soll die
Verschleierung des Antisemitismus durch den Islamophobiebegriff weiter exponiert werden. Vom
Antisemitismus in islamischen Gesellschaften und communities wollen die Islamophobiekritiker
nichts wissen, diene die Beschäftigung mit jenem doch nur der Entlastung des Westens oder der
Mehrheitsbevölkerung. Die Entsorgung der Antisemitismuskritik durch die Kritik der Islamophobie
geschieht aber auch auf andere Weise. Sie ist vergleichbar mit der Gleichsetzung von Zionismus mit
Nationalsozialismus, die der Schuldabwehr der deutschen Linken durchaus zuträglich war, aber
auch international erfolgreich war und ist. Anstatt Antisemitismus im Islam zu kritisieren, wird ein
angeblich antisemitisches Ressentiment gegen den Islam konstruiert oder Islamophobie mit
Antisemitismus gleichgesetzt. Edward Said, Begründer des postmodernen Orientalismusbegriffs,
meint „[d]ie Übertragung eines weit verbreiteten antisemitischen Stereotyps von einem jüdischen
auf ein arabisches Ziel“ festzustellen.48 Wie soll es möglich sein, dass der Antisemitismus, der die
Juden aufgrund historischer Diskriminierung mit der Zirkulationssphäre gleichsetzt49 und sie
aufgrund ihrer historischen Staatenlosigkeit als Gegenrasse schlechthin definiert 50, „auf ein
arabisches Ziel“, auf das diese Zuschreibungen nicht zutreffen, springt? Das funktioniere, so der
offenbar bestens in deutscher Rassenkunde geschulte Said, „weil sowohl Juden, als auch Araber
beide orientalische Semiten sind“.51 Aber warum interessierten die deutschen Antisemiten sich für
Araber, zum Beispiel die Moslembrüder, hauptsächlich als Bündnispartner und nicht als zu
vernichtende?52 „Denn der Jude des prä-nazistischen Europas hat sich verdoppelt: was wir jetzt
haben, ist auf der einen Seite, ein jüdischer Held, der aus einem rekonstruierten Kult des
abenteuerlichen Siedler Orientalisten geschaffen wurde (…) und auf der anderen Seite seinen
kriechenden, mysteriösen, furchteinflössenden Schatten, den arabischen Orientalen.“ Und wer soll
Schuld daran haben? Klar, der Zionist: „Insoweit dieser Araber eine Geschichte hat, ist es die
Geschichte, die ihm gegeben (oder ihm genommen wurde: der Unterschied ist minimal) durch die
Orientalistische Tradition, und später die Zionistische.“ 53 Das unterscheidet sich überhaupt nicht
mehr vom antisemitischen Gemurmel deutscher Antiimperialisten, die meinen, Zionisten seien die
neuen Nazis und Palästinenser deren Juden. Als Said 1978 in Orientalism Islamophobie und
Antisemitismus gleichsetzte, mag das gesellschaftlich irrelevant gewesen sein. 34 Jahre später
jedoch wird die Gleichsetzung, im Zuge der Beschneidungsdebatte, von fast allen deutschen
Medien nachgeplappert und „von jüdischen Organisationen zum festen Bestandteil der
herrschenden Ideologie in Deutschland erklärt“.54
Die Resistenz des Antisemitismus und das Elend der Kritik
Den Organisatoren des Hamburger „Kongress gegen antimuslimischen Rassismus“ ist der
antisemitische Gehalt ihres Anliegens nicht bewusst. Einer solchen Bewusstwerdung widerstrebt
das Selbstverständnis als Linke, die sich, ihrer Ideologie zufolge, gegen Antisemitismus wie gegen
jedes andere Ressentiment stellen, als auch der Antisemitismus selbst. 55 Angesichts des riesigen
psychischen wie theoretischen Aufwands, der betrieben wurde, um ihn zu verschleiern oder mit
„antimuslimischem Rassismus“ gleichzusetzen, bezweifeln wir, dass die Organisatoren unsere
Kritik nachvollziehen werden können. Jenseits psychischer Widerstände verhindert auch die
Hegemonie postmoderner Ansätze in der antirassistischen Theoriebildung das Begreifen des
Antisemitismus.56 Eine Theorie des Antisemitismus muss zwangsläufig psychoanalytische Elemente
beinhalten, um ihren Gegenstand als unbewussten zu treffen und das arbeitet ebenfalls gegen sie:
Zu groß wäre die narzisstische Kränkung durch die Psychoanalyse. Das Ressentiment gegen diese
kritisierte schon Adorno als antisemitisches. 57 Die linken Islamapologeten aber denken, sie übten
antirassistische Kritik – in manchen Spielarten auch antisexistische, antikapitalistische oder gar
anti-antisemitische. Sie meinen, sie ergriffen Partei für ein Opfer gesellschaftlicher Diskriminierung
und seines Widerstands gegen den Unterdrücker. Aus diesem Impetus heraus lehnen sie jegliche
kritische Auseinandersetzung mit dem Islam ab, da diese ihnen selbst rassistisch zu sein scheint:
Stattdessen projizieren sie alle möglichen Bedürfnisse in den Islam und alle möglichen
Ressentiments, nicht zuletzt den eigenen Antisemitismus, in dessen Kritiker. Die Projektion ist
pathisch und befeuert die antisemitische Wahrnehmung zusätzlich. Da sie den realen Rassismus
aufgrund ihrer Begriffsbildung und Ressentiments verklären, wird ihre Parteinahme eine für den
Islam, im Zweifel auch gegen die individuellen Muslime und Muslimas. Die Unterdrückung
ebenjener durchs Kollektiv erscheint ihnen als Widerstand des Islam gegen den Westen und
antisemitische Islamisten werden als Opfer des Westens in Schutz genommen.58
Ohne postmoderne Theorie wäre die linke Islamapologie nicht möglich. Als angebliche
Herrschaftskritik rehabilitiert sie den Wahn als unterdrückten Diskurs und subjektiviert den
Wahrheitsbegriff. Ebenso absurd und affirmativ wie die Vorstellung, „das Normale sei wahr und das
Abweichende falsch“59, ist auch deren Umkehr. Die Verteidigung offenkundig reaktionärer
subalterner Diskurse aufgrund ihrer Subalternität ist „falsche Vorurteilslosigkeit“, ihre Prediger sind
„noch dem Wahn gegenüber aufgeschlossen.“60 Die Vorliebe fürs Pathische ist sowohl Konsequenz
postmoderner Theoriebildung als auch, diese bedingend, ideologische Affirmation gesellschaftlicher
Entwicklung: Nachdem Aufklärung die großen Religionen als Mythen denunzierte, richtete sie sich
gegen die Vernunft. Ihr Angriff auf die Idee der objektiven Vernunft adelte die subjektive. Darunter
leidet die Utopie einer vernünftig eingerichteten Gesellschaft ebenso wie Vernunft selbst, die nun
als Glaube verstanden wird. Der Universalismus und die Idee der objektiven Wahrheit wurden zu
Waren neben anderen auf dem Meinungsmarkt. Die Fähigkeit, zwischen bloßer Meinung und
Wahrheit zu unterscheiden, schwindet aufgrund der Komplexität der kapitalistischen Gesellschaft.
Wahn ist aufgewertet und steht als gleichberechtigter Konkurrent jeder vernünftigen Idee ebenso
wie der Idee der Vernunft gegenüber. Diese Entwicklung lässt auch am Sinn unserer Intervention
zweifeln, denn unsere Kritik erscheint letztlich auch nur als Meinung unter vielen auf dem Markt.
Ihr Gebrauchswert für linke Aktionsfetischisten ist gering, denn man kann sich mit ihr nicht in den
Aktionismus stürzen. Sie widerspricht dem, was der Rest der WG und Politsekte denkt, hat also
Potential zur Störung der familiären Nestwärme und zur narzisstischen Kränkung des Individuums
sowie seines Kollektivs. Kurzum: Sie ist nicht satisfaktionsfähig.
Während wir also kaum hoffen können, unsere Leserschaft wider ihre Meinungen und psychischen
Abwehrfunktionen zu überzeugen, müssen wir leider davon ausgehen, als fanatische Islamhasser
beschimpft zu werden. Eventuell weisen wir dem Hamburger Kongress mehr Bedeutung zu, als er
verdient hätte und verhelfen ihm zu zusätzlicher Aufmerksamkeit. Unser Papier wird allen
möglichen Antisemitenrackets willkommener Anlass sein, ihren islamophilen, antizionistischen und
antiamerikanischen Stumpfsinn zu verbreiten und einigen Antideutschen wird die Abgrenzung von
uns ihre Reintegration in die Linke erleichtern. Nicht, dass Antideutsche Probleme mit
Reintegration hätten. Die Frankfurter Gruppe „sinistra! radikale linke“ antizipierte bereits 2001 den
islamapologetischen Diskurs. Sie behauptete, die Forderung der Redaktion BAHAMAS nach
Verteidigung der westlichen Zivilisation gegen islamistische Angriffe, sei Entlastung der Deutschen
durch das Bild des antizivilisatorischen Moslems. Nicht nur unterscheidet sich diese Argumentation
fast nicht von Judith Butlers Pinkwashinggeschwätz, auch Günter Grass' Redeverbot für den Westen
nehmen „sinistra!“ vorweg und ziehen mit Auschwitz gegen die Islamkritik zu Felde: „die
deutschen haben nach auschwitz ein für alle mal das recht verwirkt, den rest der welt darüber zu
belehren, was 'zivilisation' heisst! (sic!)“61 Was nicht nachvollzogen werden kann, ist der Einfluss
der deutschen Ideologie und des Antisemitismus auf den Islamismus. Der Kulturexport der
Deutschen war erfolgreich und gegen dessen Machtanspruch gilt es die bürgerliche Gesellschaft
nach wie vor zu verteidigen. Eine Ablehnung des deutschen Verbrechens und die konsequente
Bekämpfung der Möglichkeit seiner Wiederholung stehen nicht im Widerspruch zur Kritik am
Islam, sondern bedingen diese. Es ist richtig, dass der Nazismus sich inmitten einer entwickelten
kapitalistischen Gesellschaft durchsetzte. Ohne die zivilisatorischen Errungenschaften der
bürgerlichen Gesellschaft lässt sich aber keine freie Assoziation freier Individuen denken. Diese
will ja nicht hinter die bürgerliche Gesellschaft zurückfallen, sondern über sie hinaus gehen. Mit
einer islamischen Theokratie ist gewiss kein Kommunismus herbeizuführen. Letzterer ist der
bürgerliche Staat, als immerhin formeller Garant individueller Freiheitsrechte, in jedem Fall
vorzuziehen. „Kritisches Denken, das auch vor dem Fortschritt nicht innehält, verlangt heute
Parteinahme für die Residuen von Freiheit, für Tendenzen zur realen Humanität, selbst wenn sie
angesichts des großen historischen Zuges ohnmächtig scheinen.“62
Anstatt eine ideologiekritische Auseinandersetzung mit der postmodernen Theoriebildung zu
forcieren, stürzen sich viele Antideutsche auf die queer theory als Erklärungsangebot für Rassismus,
Nationalismus, Sexismus, etc. Auch Bini Adamczak steckt voller Begeisterung: „An die Stelle von
Kritik setzt sie eher Dekonstruktion, statt mit Opposition(en) arbeitet sie mit Veruneindeutigungen,
konstruiert und affirmiert Begehren und dessen Vervielfältigung eher als moralische Anklagen zu
produzieren.“ Kritiklos das antisemitische Begehren der Islamisten affirmieren und vervielfältigen
wollen die Antideutschen zwar nicht, aber die Tendenz zur Veruneindeutigung und
Oppositionslosigkeit gegenüber postmoderner Gegenaufklärung ist durchaus gegeben. Einwürfe
gegen die Modetheorie stören nur, sind viel zu dogmatisch, nicht auf der Höhe der Zeit. Kritiken
wie die unsre stammen offenbar aus dem bereits Überwundenen. Wir teilen Bini Adamczaks
Eindruck, es „würden nach Jahrzehnten, die vor allem von offener Feindschaft und Nichtbeachtung
gekennzeichnet waren, jetzt Möglichkeiten von Allianzen, vor allem auf transnationalem Niveau,
entstehen.“ Dass sie als Beispiel einer solchen Möglichkeit ausgerechnet den Dialog mit Judith
Butler nennt, erübrigt jeden weiteren Kommentar. 63 Die Verdinglichung Kritischer Theorie ist
abgeschlossen, wo unter ihr bloß ein auswendig gelerntes „Denkmodell“ verstanden wird, eine
nützliche Ansammlung von „termini technici“64, die man aus der foucaultschen Werkzeugkiste holt,
um Antisemitismus zu kritisieren, aber schleunigst gegen Precarious Life, Orientalism oder Can the
Subaltern Speak? eintauscht, sobald es um Rassismus geht. Wer meint, sie mit dem
Instrumentarium der queer theory kurzschließen zu können, hat die kapitalistische
Zweckrationalität vollends verinnerlicht.
Transnationale Allianzen werden jedoch auch andernorts ausgelotet. Die seit 2011 andauernden
Aufstände in der arabischen Welt haben Potential zum antideutschen Ticket zurück in die
Bewegungslinke zu werden. Die „Antideutsche Aktion Berlin“ zum Beispiel will nicht länger nur
die Verhältnisse kritisieren, sondern „endlich konkret denjenigen [...] helfen – soweit dies uns
möglich ist – die seit Monaten aus gutem Grund gegen die Schergen Assads auf die Straße gehen.“
So sehr man den Menschen in Syrien ein Ende des Regimes und ein Ende des Bürgerkriegs
wünscht, das nicht auf islamistische Herrschaft hinausläuft: Niemand kann wirklich sagen, wer
„jene Oppositionelle [...], die sich für eine demokratische und zwischen den Religionen
vermittelnde Zukunft einsetzen“65 sein sollen, oder ob es solche Gruppierungen überhaupt gibt.
Unbeirrt von solch nervigen Fragen schwärmt auch das „Antifaschistische Berliner Bündnis gegen
den Al Quds-Tag“ vom „Aufbruch emanzipatorischer Kräfte im Nahen und Mittleren Osten“ und
fordert „Solidarität mit den emanzipatorischen Kämpfen vor Ort!“ 66 Dabei gibt es mehr als genug
Hinweise, dass die Aufstände im Nahen Osten nicht nur Diktaturen stürzen, sondern auch den
Islamisten zuspielen: In Tunesien, der ersten Station des Arabischen Frühlings, verbietet die neu
geschriebene Verfassung eine Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zu Israel 67 und in
Ägypten, dem Symbol für die Arabische Rebellion, erhielt der Kandidat der islamistischen
Moslembruderschaft bei den Wahlen die Hälfte der Stimmen. 68 Obwohl und weil die Lage in Syrien
überaus chaotisch ist, wäre es naiv, die Rolle islamistischer Gruppen in der Opposition gegen Assad
zu unterschätzen. Während also vieles darauf hindeutet, dass der Arabische Frühling zur
islamischen Erweckungsbewegung wird, entdecken nicht wenige Antideutsche ihren linken Fetisch
für soziale Bewegungen wieder. Vielleicht hatten sie einfach 2011 den Schuss nicht gehört 69, aber
vielleicht hört man den Sirenengesang des queeren Jihad auch im Lager angeblich fanatischer
Islamhasser.
Break the ice: Das Kopftuchverbot als militante Aufklärung
„Emanzipation ist nicht westlich oder östlich, sondern universal!“ 70 – dies war eine der Parolen
unter denen die iranischen Frauen 1979 in Teheran gegen die Zwangsverschleierung
demonstrierten. Das islamische Kopftuch ist „erstens ein wesentliches unter Gewaltandrohung und
Ausübung sich in den betroffenen Körper materiell einschreibendes Unterdrückungswerkzeug des
patriarchalen Keuschheitskäfigs und zweitens sowohl konkretes Symbol für den ganzen
Überwachungs- und Strafapparat als auch abstraktes Symbol für Modernefeindschaft und
Islamismus“. In den allermeisten Ländern herrscht zwar kein staatlich verordneter Kopftuchzwang,
dennoch werden „weltweit Frauen systematisch unters islamische Kopftuch gezwungen und bei
Unbotmäßigkeit terrorisiert“.71 Auch in westlichen Gesellschaften gibt es enorme soziale Zwänge,
die auf Muslimas einwirken können: Die eigene Familie, das soziale Umfeld und nicht zuletzt die
religiöse Gemeinschaft. Darüber hinaus stellen sich auch linke Kulturschützer an, den Muslimas die
freie Kleidungswahl durch Appell an die emanzipatorischen Vorzüge des Gespenst-Werdens72
auszutreiben: Den Veranstaltern eines „Kongress gegen antimuslimischen Rassismus“ zum Beispiel
ist es sicheres Zeichen linken Rassismus, dass „auch in Teilen der Linken das Kopftuch- und
Burkaverbot als gerechtfertigtes Mittel [gilt], die unterdrückte Frau zu 'befreien'“. 73 Warum Teile der
Linken ausnahmsweise auch mal recht haben und warum es gilt, die Aufklärung in Form des
Kopftuchverbots militant werden zu lassen, wollen wir mit folgendem Entschleierungsdiskurs
enthüllen.
Wie es einst „common sense“ war, dass Emanzipation allen Menschen zuteil werden sollte, galt es
einmal als Basisbanalität im linksradikalen Lager, dass Menschen unter ideologischer Verblendung
auch gegen ihre Interessen, also gegen ihre Emanzipation, handeln können. Nicht zuletzt auf dieser
Einsicht, von der nicht ersichtlich ist, warum sie auf freiwillig das Kopftuch tragende Muslimas
nicht zutreffen sollte, beruht die Ideologiekritik. 74 Die postmodernen Linksradikalen sind aber nicht
an Kritik der bestehenden Verhältnisse und ihrer ideologischen Verarbeitung interessiert, sondern an
deren Subversion, die sie „in der Bejahung und Stärkung jener Kräfte, die diese direkt angreifen“
sehen.75 Dass diese Kräfte selbst hochgradig reaktionär sein können und der Feind eines Feindes
keineswegs gleich Freund ist, ist ihnen egal: „Revolutionär ist nur, was im Werden die Gegensätze
von Politischem und Privatem […] und von Revolution und Lust überwindet […].“ 76 Revolutionär
im poststrukturalistischen Sinne ist also vor allem der Nationalsozialismus, der die völkische
Revolution als Lust bereitende Judenvernichtung vorantreibt bis hin zur Aufhebung jeglicher
Klassengegensätze und Privatsphäre im ständig denunzierbaren Volksgenossen. Heidegger,
philosophischer Vollender der Naziideologie, praktizierender Judendenunziant und
Lieblingsphilosoph der postmodernen Theoretiker, wäre stolz gewesen.
Zur Bekämpfung des Antisemitismus empfahl Adorno, „bei antisemitischen Manifestationen […]
die zur Verfügung stehenden Machtmittel ohne Sentimentalität [anzuwenden], gar nicht aus
Strafbedürfnis oder um sich an diesen Menschen zu rächen, sondern um ihnen zu zeigen, daß das
einzige, was ihnen imponiert, nämlich wirklich gesellschaftliche Autorität, einstweilen doch noch
gegen sie steht.“77 So einfach funktioniert die Sache bei linksradikalen, antiautoritären Antisemiten
leider nicht, sehen sie doch in staatlicher Repression gerade die Bestätigung, etwas richtig gemacht
zu haben. Ähnlich dürfte es sich bei Islamisten in westlichen Gesellschaften verhalten, da diese sich
ohnehin als im Krieg mit der westlichen Autorität begreifen. Ganz anders sieht es glücklicherweise
mit der Emanzipation der Muslimas von ihrem patriarchalen Zwangskollektiv aus. Zwar haben
staatliche Machtmittel nichts mit menschlicher Emanzipation zu tun, die letztlich auch die
Emanzipation der Menschen vom Staat sein muss. Allerdings war es der bürgerliche Staat, der
antrat, um die Menschheit von feudaler und religiöser Herrschaft zu befreien. Im Falle des
islamischen Kopftuchzwanges kann die Staatsmacht helfen, religiöse Traditionen aufzusprengen
und es den Muslimas erlauben, sich zumindest in öffentlichen Gebäuden, zum Beispiel an Schulen,
über die sozialen Zwänge zu erheben. Ein Kopftuchverbot für Schülerinnen etwa würde zu einer
Normalisierung der Entschleierung beitragen und somit zu einer Entkräftung und Aufweichung der
religiösen Tradition.78 Es leistete damit nicht nur reformistischen Tendenzen im Islam einen
erheblichen Dienst, sondern schaffte auch Freiräume für Zwangsmuslimas, die „das Kopftuchverbot
als Befreiung erleben (würden)“. Selbst wenn diese „entgegen vernünftiger Annahmen […] unter
den migrantischen oder kopftuchtragenden Mädchen die Minderheit stellen, ist dieses Verbot zu
fordern, weil es einer modernen Gesellschaft gerade um diese Mädchen gehen muss.“79
Rassistisch ist nicht die Forderung nach Schutz der Zwangsmuslimas vor ihrem Kollektiv, zur Not
auch auf Kosten der „selbstbewussten Mittäterinnen des islamischen Patriarchats“ 80, sondern „die
Förderung und Duldung jener gegengesellschaftlichen Strukturen […], die auf Diskriminierung und
Apartheid setzen, das heißt auf die Diskriminierung als 'migrantisch, islamisch, weiblich' markierter
Menschen.“ Die „antirassistisch-antipaternalistisch 'staatskritischen' Einwände der Linken“ 81
bewirken nichts weniger, als den Zwangsmuslimas „die längst überfällige staatliche,
gesellschaftliche, schulische Unterstützung dieser Mädchen und ihres emanzipatorischen Kampfes
für Rechte, die Nicht-Migrantinnen selbstverständlich sind“, abzusprechen. Rassistisch ist die
Meinung, dass „die unveräußerlichen Menschen- und Individualrechte“ rassistischer Orientalismus
seien und daher nicht „für Migrantinnen zu gelten haben“. Nicht einmal die vermeintlich
antirassistischen Kopftuchträgerinnen, von deren emanzipatorischem Kampf uns die
Kongressveranstalter erzählen, würden zu Kollateralschäden eines Kopftuchverbots werden, denn
„solch ein Kopftuch könnte [...], sofern es wie behauptet nichts mit der Orthopraxie zu tun hat, [...]
problemlos in der Schule abgelegt werden.“ 82 Außer sie tragen es doch nicht so unorthodox oder
sind menschenverachtend genug, sich über den Schutz der Zwangsmuslimas zu stellen. Während
das „Kopftuchverbot für Schülerinnen […] daher ausnahmslos die Richtigen [trifft]“, tun die
Veranstalter eines „Kongress gegen antimuslimischen Rassismus“ ausnahmslos das Falsche: Ihre
Kritik trifft den realen Rassismus nicht, sondern verschleiert ihn ebenso wie den Antisemitismus.
Stattdessen wird sie selber rassistisch und redet – antikolonialistisch – der religiösen Tradition das
Wort. Konsequent zu Ende gedacht entlastet sie antisemitische Rackets und fügt sich als
Antiuniversalismus, Hass auf Israel oder Antiamerikanismus perfekt in sämtliche hegemonialen
antiemanzipatorischen Diskurse ein. Alles an ihr läuft darauf hinaus, den Islam, als wirkmächtigste
und aggressivste religiöse Ideologie der Gegenwart und den Islamismus als größte antisemitische
Bewegung seit dem Nationalsozialismus vor Kritik zu schützen. „Dieser Aufklärungsverrat wird
nicht dadurch besser, daß er sich als probates Mittel des notwendigen Kampfes gegen tatsächlich
existierende, waschechte Rassisten verkauft.“83
Gezeichnet,
Gruppe Melange
Literaturverzeichnis
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Joachim Bruhn, „Erfahrung und Konsequenz“, http://www.studienbibliothek.org/texte/PcAntisemitismus.pdf.
Redaktion BAHAMAS, „Editorial 63“ (http://redaktion-bahamas.org/hefte/edit63.html).
Otto Zeiger, „Bandenkrieg um die Villa Kunterbunt“ (http://redaktion-bahamas.org/auswahl/web34-1.html).
Das behaupten jedenfalls einige völlig panische Volksbefreier und Islamfreunde. In Zeiten des allgegenwärtigen
Aufklärungsverrats sind wir geneigt aus ihrer Angst Hoffnung zu ziehen. (Zitiert nach: siehe Anmerkung 2).
Dialektik der Aufklärung, 1.
Dialektik der Aufklärung, 6.
Lyotards „Annahme besteht [...] darin, daß das Projekt der Moderne (die Verwirklichung der Universalität) nicht
aufgegeben, vergessen, sondern zerstört, 'liquidiert' worden ist. [...] 'Auschwitz' kann als paradigmatischer Name für
die tragische 'Unvollendetheit' der Moderne genommen werden.“ (Randbemerkungen zu den Erzählungen, 50)
Anstatt sich im Angesicht von Auschwitz aufzulehnen und vom vernichteten Projekt der Moderne zu retten was zu
retten ist und es gegen erneute Auslöschung zu verteidigen, resigniert Lyotard und erklärt sein Einverständnis mit
der Vernichtung.
So meint etwa eine linksradikale Einführung in die „politische Philosophie des Poststrukturalismus“: „Unter dem
Banner der Universalität und Absolutheit auftretende Gruppen sind immer Gefährlich für die Mannigfaltigkeit der
Lebensverhältnisse, da ihr Programm auf einer Negation derselben beruht und unweigerlich deren tatsächliche
Auslöschung zu Ziel hat.“ (Tier-Werden, Schwarz-Werden, Frau-Werden, 29).
Zum Begriff des Logozentrismus erklärt besagtes Einführungsbändchen Folgendes: „Die Rationalität des
Abendlandes ist eine extrem eingeschränkte: Sie ist den traditionellen Regeln der abendländischen Logik
verpflichtet […], macht diese zur Grundlage eines angeblich heilsamen Wissenschaftsfortschritts […] und schließt
alle anderen Denkregeln aus, wenn es um die Gestaltung und Ordnung der Wirklichkeit geht.“ (Tier-Werden,
Schwarz-Werden, Frau-Werden, 41) Ob er in der Ausrichtung des Denkens an dem, im Koran niedergeschriebenen,
Wort Allahs eine wünschenswerte Sprengung der abendländischen Beschränktheit sieht, verrät uns der Autor leider
nicht.
Postmoderne Theorie geht wie der deutsche Idealismus davon aus ein transzendentales Subjekt erschaffe die
materielle Realität. Hegel nannte es Weltgeist, die Poststrukturalisten nennen es Diskurs – bei Hegel wirkte er hinter
dem Rücken der Menschen, bei den Poststrukturalisten durch die Gesamtheit ihrer performativen Sprechakte. Solch
binäre Opposition von Diskurs und Materialität würden Poststrukturalisten wohl ablehnen, denn „Es gibt für uns
nichts außerhalb des Diskurses und doch gibt es nicht nur Diskurs. Die von KritikerInnen des Poststrukturalismus so
oft gestellte Alternative: entweder alles ist Diskurs oder es gibt etwas Vordiskursives (authentische Gefühle etwa),
ist wohl falsch gestellt: […] Der poststrukturalistische Begriff des Diskursiven entzieht sich der Opposition von
diskursiv vs. nicht-diskursiv – er verunmöglicht es, diese Bereiche zu trennen, ist (wie das 'Vordiskursive') beides
zugleich: diskursiv = nicht-diskursiv.“ (Tier-Werden, Schwarz-Werden, Frau-Werden, 70) Judith Butler schließlich
gesteht zwar die Existenz des Vordiskursiven (Naturanteils) ein, sieht dies aber auch vom Diskurs bestimmt. Sie
wendet sich gegen die Auffassung, biologisches Geschlecht („sex“) sei – im Gegensatz zu sozialem Geschlecht
(„gender“) – nicht diskursiv bestimmt: „One of the interpretations that has been made of Gender Trouble is that
there is no sex, there is only gender, and gender is performative. [...] So what became important to me in writing
Bodies that Matter was to go back to the category of sex, and to the problem of materiality, and to ask how it is that
sex itself might be construed as a norm. [...] I wanted to work out how a norm actually materialises a body, how we
might understand the materiality of the body to be not only invested with a norm, but in some sense animated by a
norm, or contoured by a norm. So I have shifted. I think that I overrode the category of sex too quickly in Gender
Trouble. I try to reconsider it in Bodies That Matter, and to emphasise the place of constraint in the very production
of sex.“ (Radical Philosophy 67, Gender as Performance: An Interview with Judith Butler,
http://www.theory.org.uk/but-int1.htm ).
„In Wirklichkeit ist der Islamismus nicht in den Sechziger-, sondern in den Dreißigerjahren entstanden. Sein
Aufstieg wurde nicht vom Scheitern des Nasserismus, dafür jedoch vom europäischen Faschismus inspiriert. Bis
1951 waren sämtliche Mobilisierungskampagnen der Islamisten nicht antikolonial, wohl aber antijüdisch orientiert.“
(Matthias Küntzel, „Djihad und Judenhass“, http://www.matthiaskuentzel.de/contents/djihad-und-judenhass-jw).
Minima Moralia, 63.
Dialektik der Aufklärung, 217.
Als Lektüre zu diesen Ausführungen sei empfohlen: Die Dialektik der Aufklärung, insbesondere das Kapitel
„Begriff der Aufklärung“ sowie der Aufsatz „Meinung Wahn Gesellschaft“ aus der Sammlung Eingriffe, erschienen
in Kulturkritik und Gesellschaft II.
Bei Foucault wird diese Entwicklung affirmiert in seiner Kritik der diskursiven Ausschlüsse: „Es gibt in unserer
Gesellschaft noch ein anderes Prinzip der Ausschließung: kein Verbot, sondern eine Grenzziehung und eine
Verwerfung. Ich denke an die Entgegensetzung von Vernunft und Wahnsinn. […] Man wird mir sagen, daß all das
heute zu Ende ist oder zu Ende geht; daß das Wort des Wahnsinnigen nicht mehr auf der anderen Seite steht; daß es
nicht mehr null und nichtig ist; […] Wenn es des Schweigens der Vernunft bedarf, um die Ungeheuer zu heilen, so
muß das Schweigen doch auf der Hut sein: also bleibt die Grenzziehung.“ Angesichts dieser nicht weit genug
gehenden, da nur scheinbaren, Rehabilitation des Wahns, wagt es Foucault, „den Gegensatz zwischen dem Wahren
und dem Falschen als ein drittes Ausschlusssystem zu betrachten“. (Die Ordnung des Diskurses, 11ff.) Dazu passt
sein im Vorwort zu Wahnsinn und Gesellschaft artikulierter Relativismus: es galt ihm bei seiner Arbeit „sich in einer
Art rückhaltloser Relativität zu halten […] Es ging darum, um jeden Preis das Relative zu bewahren und absolut
verstanden zu werden.“ (Analytik der Macht, 16) Auch Lyotard bringt diese Entwicklung, nicht weniger affirmativ,
auf den Punkt: „Das soll nicht heißen, daß keine Erzählungen mehr glaubwürdig wäre. Unter Metaerzählung oder
großer Erzählung verstehe ich gerade die Erzählungen (narrations) mit legitimierender Funktion. Ihr Niedergang
hindert Milliarden von kleinen und weniger kleinen Geschichten nicht daran, weiterhin den Stoff des täglichen
Lebens zu weben.“ (Randbemerkungen zu den Erzählungen, 51).
16 Gegen die eventuelle Versuchung der Leserschaft, den Universalismus als etwas „westliches“ zu begreifen, sei hier
eingewandt, dass die Idee des Universalimus zwar historisch im Westen entstand und hier auch vorerst Verbreitung
fand, aber eben doch selbst eine universelle ist, um die längst auch außerhalb des Westens gerungen wird. Vergleiche
hierzu Thomas Mauls Ausführungen zur Gleichberechtigung von Mann und Frau und zum kritischen
Universalismus. (Die Macht der Mullahs, 9f.) Anzumerken sei hier, dass Universalismus tatsächlich Teil des
Widerspruches der bürgerlichen Gesellschaft ist, da die Gleichheit der Menschen zwar formal vom bürgerlichen
Recht postuliert wird und formell auch auf dem auf Verträgen basierenden Geschehen am Markt verwirklicht wird,
aber reell in der antagonistischen Klassengesellschaft, die der Kapitalismus ist, nicht existieren kann. Aus diesem
Verrat am bürgerlichen Glücksversprechen speist sich nicht zuletzt der Hass auf alles Abweichende, das die
Gleichheit in Frage stellt. Unter solchen Bedingungen kann sich immer nur ein Partikulares als Universales erheben,
was dann, wie etwa im Antisemitismus zur Vernichtung des Abweichenden führt. (Vergleiche zu diesen
Ausführungen: Das Gerücht über die Juden, 149f.) Die emanzipatorische Konsequenz, die aus dem falschen
Universalismus zu ziehen wäre, ist die radikale Kritik der kapitalistischen Gesellschaft, nicht die Verwerfung des
Universalismus und damit die Idee des „wahrhaft menschlichen Zustand[s]“. (Dialektik der Aufklärung, 6) Genau
dieses Projekt treibt aber die postmoderne Theorieproduktion um: die Affirmation eines jeden Partikularen und die
ewige, wenn auch dynamische, Fragmentierung der Menschheit.
17 Foucaults Liebe zum Iran wird ausführlich behandelt im Kapitel „Postmodernismus und Islam – Wie Foucault die
schiitische Revolte lieben lernen konnte“ aus: Die Macht der Mullahs.
18 Klaus Bees, „Islam unter Naturschutz“
(http://www.a3wsaar.de/fileadmin/pdf/2010/artikel_Klaus_Blees_Islamophobie_HINTERGRUND.pdf?
PHPSESSID=cb52b149930e4f008c698ece4b98c5fe).
19 Die Macht der Mullahs, 9.
20 Die Macht der Mullahs, 10.
21 So auch die Veranstalter des „Kongress gegen antimuslimischen Rassismus“: „Viele Frauen tragen [das Kopftuch]
als Abgrenzung gegenüber einer Gesellschaft, die sie als rassistisch empfinden. Sie tragen es nicht nur als Zeichen
ihrer religiösen Identität, sondern zum Teil auch als Mittel, um Selbstbewusstsein zu demonstrieren.“
Bemerkenswert ist hieran die linke Ideologie, die sich Diskriminierte sucht, diesen einen Persilschein ausstellt und
von Diskriminierung von seitens der Diskriminierten nichts wissen will. Es stimmt ja, dass viele Muslimas das
Kopftuch als Abgrenzung, Zeichen religiöser Identität und Demonstration von Selbstbewusstsein tragen. Warum
darin nicht eine fundamental islamistische, sondern eine antirassistische Absicht liegen soll wird allerdings nicht
klar und das verraten uns die Autoren auch nicht. Denn Verschleierung ist nicht einfach nur Unterdrückung, wie
Alice Schwarzer sich das denkt, sondern auch Zeichen der Überlegenheit gegenüber Ungläubigen. Unverhüllte
Frauen gelten dem traditionellen Islam als ehrlos und billig. Die von den Autoren festgestellte Abgrenzung kann
genau so gut eine anti-westlich chauvinistische auf der Basis religiöser Identität sein, aus der sich das demonstrierte
Selbstbewusstsein speist. (Zitat aus: „Hintergrund“, http://amrhh.blogsport.de/einladungstext/).
22 „Einladung zur Vorbereitung eines Kongresses gegen den antimuslimischen Rassismus“,
http://amrhh.blogsport.de/2012/02/20/einladung-zur-vorbereitung-eines-kongresses-gegen-den-antimuslimischenrassismus/.
23 „Hintergrund“, http://amrhh.blogsport.de/einladungstext/.
24 „Disclaimer: Darum geht’s doch gar nicht!“, http://amrhh.blogsport.de/disclaimer/.
25 Siehe Anmerkung 23.
26 Der etwas anders gelagerte Vorwurf gegen Islamkritiker, sie betrieben eine Homogenisierung oder Essenzialisierung
des Islam, bedürfte einer eigenen Abhandlung, die an dieser Stelle nicht leistbar ist. Kurz angemerkt sei hier, dass: a)
Vertreter fast aller islamischer Schulen von ihrem Islam als „dem Islam“ sprechen; b) die Islamophobiekritiker
ständig von Vorurteilen, Diskriminierung, etc. gegen „den Islam“ sprechen; c) es selbstverständlich auch im Islam
hegemoniale Strömungen, namentlich die Sunniten und Schiiten, gibt; d) die Kategorie „Islam“ überhaupt nur Sinn
macht, wenn es etwas die islamischen Strömungen Verbindendes gibt. Darüber hinaus wäre darauf zu hinzuweisen,
„dass es nicht die Islamisten oder konservativ-orthodoxen Theologen sind, die einzelne, randständige Sentenzen des
Korans und damit eine angeblich ihrem Wesen nach friedliche Religion für äußere, politisch-aggressive Zwecke
missbrauchen. Im Gegenteil beansprucht ihre Lesart zurecht historische und textliche Authentizität“. (Die Macht der
Mullahs, 81) Der Gegenstand der Kritik selbst zwingt uns also eine verallgemeinernde Betrachtung auf.
27 Siehe Anmerkung 23; die Behauptung, es sei rassistisch, Frauen aufgrund religiöser Symbole wie Kopftuch oder
Burka als Muslimas zu identifizieren, ist allerdings grober Unfug.
28 Siehe Anmerkung 24.
29 Meinung Wahn Gesellschaft, 579.
30 Siehe Anmerkung 23.
31 Zitiert nach: Die Macht der Mullahs, 26.
32 Zitiert nach: Spiegel Online, „Heute in den Feuilletons“ vom 10.02.2006.
(http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/heute-in-den-feuilletons-die-rueckkehr-des-baeren-a-400097.html).
33 Siehe Anmerkung 23.
34 Ebd.
35 Der antisemitische Gehalt erklärt sich auch aus dem antirassistisch motivierten Unwillen, sich mit den Islam
auseinanderzusetzen und dessen Fortführung in Pathische Projektion, in der Adorno und Horkheimer die Grundlage
des Antisemitismus sahen. (Vgl.: Dialektik der Aufklärung, 196).
36 Zitiert nach: Hedonistische Mitte, „Nazi-Nichten, Selbstviktimisierung, Politische Theologie - Postkoloniale
'Feministen' und ihre liaison dangereuse mit dem Islam“ (http://redaktion-bahamas.org/aktuell/Flugblatt-21-607.pdf).
37 Judith Butler: „Similarly, I think: Yes, understanding Hamas, Hezbollah as social movements that are progressive,
that are on the Left, that are part of a global Left, is extremely important.“
(http://radicalarchives.org/2010/03/28/jbutler-on-hamas-hezbollah-israel-lobby/); Empfehlenswert hierzu ist die
Kontextualisierung des Zitats durch http://www.matthiaskuentzel.de/contents/butler-rennt.
38 Zu den Begriffen „Pinkwashing“ und „Homonationalismus“ siehe weiter: Markus Ströhnlein, „Pretty in Pink“
(http://jungle-world.com/artikel/2012/26/45739.html) und Nina Rabuza, „Pinkwashing – Israels 'schwuler
Propagandakrieg'“ (http://www.publikative.org/2012/07/18/pinkwashing-israels-schwuler-propagandakrieg/);
Dr. Urmila Goel betreibt den Blog „andersdeutsch“, auf dem sich neben anderen Scheußlichkeiten ein fetter „No
Homonationalism“ Banner findet (http://andersdeutsch.blogger.de/).
39 Zitiert nach: Sanja Stankovic, Sandra Strobel und Arvid Vormann, „'Eine Ehre für die Familie'“ (http://jungleworld.com/artikel/2008/20/21814.html).
40 Die Bestandsaufnahme der Hedonistischen Mitte „Zum Stand des queeren Jihad“ spricht Bände hierüber.
(http://redaktion-bahamas.org/aktuell/20110608-zum-stand-des-queeren-jihad.html).
41 Siehe Anmerkung 23.
42 Gerhard Scheit, „Es gibt keine Islamophobie“ (http://jungle-world.com/artikel/2011/32/43769.html).
43 Siehe Anmerkung 17.
44 Siehe Anmerkungen 36 und 40.
45 Stefan Grigat, „Islamneid“ (http://www.cafecritique.priv.at/Islamneid.html); Es gibt selbstverständlich auch
rechtsradikale Antisemiten die ihrem Hass auf Israel und die USA freie Bahn lassen. So einzuordnen sind zum
Beispiel die antiimperialistischen Avancen der „Autonomen Nationalisten“ mit ihren antizionistischen Parolen und
Teils offener Begeisterung für den Iran.
46 Siehe Anmerkung 42.
47 Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit, 567f.
48 Edward Said in seinem Buch Orientalism, zitiert nach Anmerkung 36.
49 Das Gerücht über die Juden, 149.
50 Ebd., 151.
51 Siehe Anmerkung 48.
52 Siehe Anmerkung 11.
53 Siehe Anmerkung 48.
54 Redaktion BAHAMAS, „Hauptsache Respekt“, http://redaktion-bahamas.org/aktuell/20120927berlin.html
55 „Daran sollte deutlich werden, auf wie wackeligen Beinen der Versuch steht, in Diskussionen um Antisemitismus in
den eigenen Zusammenhängen denjenigen, denen Antisemitismus vorgeworfen wird, mit Formulierungen wie
'bewusst oder unbewusst' produziere dieses oder jenes antisemitische Denkmuster, die Einsicht zu erleichtern. Der
Sinn derartiger Formulierungen ist es ja in der Regel, den Kritisierten ein Hintertürchen offen und für sich selbst die
Hoffnung aufrechtzuerhalten, dass die Auseinandersetzung glimpflich und ohne schwere Vorwürfe verlaufen kann.
Impliziert ist damit, dass Antisemitismus, wenn er bewusst ist, absichtlich und mit bösem Willen verbreitet werden
würde, während er, solange er unbewusst ist, leicht korrigiert werden könnte.
Nicht einmal das Gegenteil ist der Fall. Es gibt keinen bewussten Antisemitismus. [...] Wäre er bekannt ist (sic!),
dominierte das Unbewusste nicht die Wahrnehmung, und die spezifisch antisemitische Wahrnehmung wäre gar nicht
erst aufgetreten. Genau dies kann aber nicht so einfach erreicht werden. Es ist sehr viel schwieriger, etwas
Unbewusstes bewusst zu machen, als einen bewussten Gedanken zu verwerfen. Nicht weniger wackelig ist daher die
Forderung, sich den eigenen Antisemitismus „bewusst zu machen“. Diese umgangssprachliche Formulierung, die
aus dem Antirassismus und dem Antisexismus übernommen wurde, impliziert, dass sich bestimmte Gedanken und
Empfindungen besser abstellen ließen, wenn denjenigen, die sie äußern, ihre herrschaftliche Funktion bekannt (=
bewusst) wäre. Damit würde aber gerade nicht die Verdrängung bewusst gemacht, die das Verdrängte in gewandelter
Form wiederkehren lässt. Bewusstwerdung im psychoanalytischen Sinn ist kein 'Das haben die also mit mir getan,
und jetzt mach ich da nicht mehr mit', sondern ein 'Aha, ich habe das gemacht/gewollt'.“ (JustIn Monday, „Ein
lautschweigender Konsens“, http://mcguffin.blogsport.de/2010/02/09/ein-lautschweigender-konsens/ ).
56 „Insofern ist es auch problematisch, Antisemitismus postmodern als eine Form des 'Othering' zu beschreiben, weil es
in ihm das entgegengesetzte 'Self' nicht gibt. Zum Antisemitismus führt kein 'So musst du sein, Kind, dann bringst
du es zu was', sondern nur ein rechtfertigend pauschales 'Irgendwer muss schuld daran, dass wir es zu nichts
gebracht haben, denn wir haben uns ja an alles gehalten'.“ (Ebd.).
57 „Der Haß gegen sie ist unmittelbar eins mit dem Antisemitismus, keineswegs bloß weil Freud Jude war, sondern
weil Psychoanalyse genau in jener kritischen Selbstbesinnung besteht, welche die Antisemiten in Weißglut versetzt.“
(Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit, 569f.).
58 Siehe Anmerkung 36 sowie die Umdeutung des Afghanistankrieges durch die Veranstalter des „Kongress gegen
antimuslimischen Rassismus“ (siehe Anmerkung 23); die Verteidigung orthodox islamischen und islamistischen
Widerstands gegen westliche Einflüsse verweist darauf, wie wenig der Antisemitismus von den
Islamophobiekritikern begriffen wird: „Weil es wiederum den positiven Ansatzpunkt im Antisemitismus nicht gibt,
erscheint er immer als Rebellion. Auch dies ist ein wichtiger Punkt, der es der linken Theoriebildung schwierig
macht, ihn zu begreifen. Und zwar auch denjenigen Richtungen, die nicht von einem dualistischen Gegensatz vor
Herrschenden und Beherrschten ausgehen.“ (Siehe Anmerkung 55).
59 Meinung Wahn Gesellschaft, 574.
60 Ebd., 586.
61 sinsitra! radikale Linke, „zivilisation und auschwitz“ (http://www.copyriot.com/sinistra/reading/bahamas.html).
62 Dialektik der Aufklärung, IX.
63 smrt postnazismus im Gespräch mit Bini Adamczak und Aljoscha Weskott
(http://www.igbildendekunst.at/bildpunkt/2011/smrt-postnazismus/adamczak-weskott-gespraech.htm).
64 Dialektik der Aufklärung, 211.
65 Antideutsche Aktion Berlin, „Free Syria From Assad!“
(http://antideutscheaktionberlin.blogsport.de/2012/06/01/free-syria-from-assad/).
66 Antifaschistisches Berliner Bündnis gegen den Al Quds-Tag, „Kein Al Quds-Tag 2012 in Berlin!“,
http://noalquds.blogsport.de/2012/07/23/kein-al-quds-tag-2012-in-berlin/.
67 Elder of Ziyon, „Tunisia draft constitution forbids normalization with 'Zionism'“
(http://elderofziyon.blogspot.de/2012/08/tunisia-draft-constitution-forbids.html).
68 The Guardian, „Egypt election: Both sides claim victory - Monday 18 June“
(http://www.guardian.co.uk/world/middle-east-live/2012/jun/18/egypt-election-muslim-brotherhood-claims-victorylive).
69 Die revolutionären arabischen Massen sind nämlich keineswegs so friedliebend und von Ressentiments befreit wie
das linke Revolutionsromantiker gerne hätten: Am 10. September 2011 stürmte ein ägyptischer Mob die Israelische
Botschaft in Kairo nach den Freitagsgebeten auf dem Tahrir Square. (BBC, „Egyptian protesters break into Israeli
embassy building“, http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-14862159) Ein Jahr später, am 11. September
2012, wurde die US Botschaft in Kairo gestürmt. In der folgenden Woche gab es Angriffe auf westliche
Einrichtungen in über 20 (nicht nur arabischen) Ländern, darunter auch Tunesien, Sudan und Syrien. Anlass war ein
US Film in dem der Prophet Mohammed beleidigt wird. (Rick Gladstone, „Anti-American Protests Flare Beyond
the Mideast“, http://www.nytimes.com/2012/09/15/world/middleeast/anti-american-protests-over-film-enter-4thday.html?_r=1&smid=FB-nytimes&WT.mc_id=WO-E-FB-SM-LIN-HBA-091512-NYT-NA&WT.mc_ev=click).
70 Zitiert nach: Die Macht der Mullahs, 7.
71 Thomas Maul, „Plädoyer für die kopftuchfreie Schule“,
http://www.kritiknetz.de/images/stories/texte/Plaedoyer_fuer_die_kopftuchfreie_Schule.pdf.
72 „Mit der Verschleierung und der Aufforderung, den Blick zu senken und keine akustischen Signale zu senden, also
zu schweigen und auf klappernde Absätze zu verzichten, wird die Muslima unsichtbar, unhörbar und blind zugleich
für andere gemacht: auf dass Sehnsucht sich gar nicht erst regen möge, wohin auch immer die entfesselten Blicke
der muslimischen Männer schweifen. Zwar dehumanisiert diese Verrohung des Geschlechterverhältnisses und der
Sexualität die schariakonforme Muslima zum Gespenst und zur Söhnefabrik. Indem sie darin aber zur Hüterin der
öffentlichen Ordnung nach Innen und zur Djihadisten-Produzentin nach außen aufsteigt, wird es ihr möglich, die
eigene Unterwerfung zu erotisieren, das heißt, das Kopftuch bzw. den Sohn als ihren Phallus über die Maßen zu
begehren. Selbstbewusste und gebildete Kopftuchträgerinnen sprechen daher nicht für die Harmlosigkeit des
Kopftuchs oder gegen phallozentrische Unterdrückung, sondern für den Verlust eben jenes Selbst, auf dessen
Existenz desto inbrünstiger gepocht wird.“ (Thomas Maul, „Der gefesselte Odysseus “, http://redaktionbahamas.org/auswahl/web60-1.html).
73 Siehe Anmerkung 23.
74 „Dabei ist es doch erstens überhaupt nichts Neues, dass autoritäre Charaktere von autoritären Ideologien angezogen
werden und daher so manches Individuum sich lieber für einen festen Platz im Kollektiv freiwillig unterwirft und
aufgibt, als Selbstverantwortung zu übernehmen und mit den Ambivalenzen und Unsicherheiten zu leben, welche
die Freiheit moderner Gesellschaften eben mit sich bringt. So fungiert das Kopftuch den Konvertitinnen und
anderen Neomusliminnen als Ersatzpenis, der gewisse Gratifikations- und Potenzerlebnisse mit sich bringt –
abgesehen von der Geilheit der Wahnvorstellung, mit Ablegen des Kopftuchs alle Männer verrückt machen und
damit die ganze Gemeinschaft zum Einsturz bringen zu können.“ (Siehe Anmerkung 71).
75 Tier-Werden, Schwarz-Werden, Frau-Werden, 161f.
76 Ebd., 163.
77 Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute, 110.
78 „Indem es den Mädchen zunächst begrenzte kopftuchfreie öffentliche Räume und Zeiten schafft, macht es das
Kopftuch potentiell überflüssig, da der Stoff seine sexualpolitische und ideologische Wirkung nur im totalen
Anspruch auf den öffentlichen Zeit-Raum entfalten kann. Dabei leistet das Verbot einen wichtigen Beitrag dazu,
dem islamischen Ehrbegriff und der mit ihm verbundenen Gewaltdynamik als Hauptemanzipationshindernis das
Fundament zu entziehen.“ (Siehe Anmerkung 71).
79
80
81
82
83
Die Macht der Mullahs, 165.
Ebd., 167.
Ebd., 168.
Siehe Anmerkung 71.
Die Macht der Mullahs, 168.