DOZ A4 - DOZ

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DOZ A4 - DOZ
BETRIEBSPRAXIS LADENGESTALTUNG
Innenarchitekt oder Ladenbauer –
wer macht meinen Laden schön?
Der kreative Gestalter oder der praktische Allrounder.
Wer ist der optimale Partner bei der Neugestaltung?
Teil 2
Die Jahre vergehen, der Staub sammelt
sich in den Ecken und spätestens, wenn
nicht nur betagtere Kunden über die
Wellen des strapazierten graublaugrünen Teppichbodens stolpern, fällt es
wie Schuppen von den betriebsblinden
Augen: Hoppla, in unserem Laden
müsste mal wieder etwas getan werden. Doch bereits bei diesem ersten
euphorischen Gedanken an einen neuen wunderschönen Ladenbau kommen
auch bereits die ersten Bedenken: Wie
entwickelt sich der Markt, wie sehen
die Umsätze in Zukunft aus und kann
ich es mir finanziell zumuten? Ist diese,
für viele Inhaber entscheidende Frage,
geklärt, entsteht schon das nächste
Fragezeichen im Kopf: Wer macht mir
eigentlich den Laden schön?
Letztendlich sollte jegliche Entscheidung
aus dem Bauch des Geldgebers und Ladeninhabers kommen, denn nur er hat
ein Bauchgefühl zur Stamm- und Lieblingskundschaft entwickelt und mühsam
ein feingliedriges Geschäftsklima aufgebaut. Und sind wir doch mal ehrlich:
Wer zahlt, schafft an. Hier sollen einige
Alternativen aufgezeigt werden ohne zu
bewerten, um zu sensibilisieren, welcher
Partner in Sachen „schöner Laden“ in
Frage kommt.
Der Innen-/Architekt
Er hat studiert, lernte von Traditionen
und Meistern der Baukunst, kann zeichnen (hoffentlich auch ohne Computer –
zum Beispiel bei Stromausfall oder mit
flottem Strich beim Beratungsgespräch)
und weiß um die Individualität und Kultur
der Gestaltung und deren maßgeblichen
Anteil an der Kultur der Menschen. Aus
dem Architekten hat sich vor ungefähr
hundert Jahren der Innenarchitekt heraus
entwickelt. Er war neben dem Raum-
Ein Laden von SökerLäden für Optik Iserloh in Wesel, Innenarchitekt Dotzauer, Oberhausen.
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ausstatter und Dekorateur für das repräsentative Wohnen am Königshof oder in
erlauchten Kreisen tätig, oder auch für
Bühne, Theater und dem Ausbau von
Booten und Schiffen spezialisiert. Später
erkannte man die Notwendigkeit im Ladenbau und so entwickelten sich Spezialisten daraus, die sich in diesem Metier
sehr gut auskennen und mit großer Leidenschaft und Profession erfolgreich bedienen. Sie sind der Vermittler zwischen
Auftraggeber und Handwerk, sprechen
deren Sprache, wissen, wie die verschiedenen Gewerke zu jonglieren sind und
schleifen den Rohdiamant so lange bis
er ins Budget und den Terminkalender
glänzend hineinpasst. Ihre Stärke ist, den
Geschäftsinhaber als individuelle und eigenständige Marke darzustellen – wenn
sie ihn lassen.
Der Laden soll auf deren Betreiber inklusive Zielgruppe abgestimmt sein und
nicht umgekehrt. Unverwechselbar, einzigartig, interessant, kunstvoll, kantig,
„eigen-artig“. Das macht der professionelle Gestalter. Darum steht hier auch die
Gestaltung im Vordergrund – gerne auch
mehr: Der Innen-/Architekt kann sogar
Wände versetzen, eine Fassade entwerfen, die auch den strengen örtlichen Bauvorgaben entspricht, manchmal auch ein
Logo gestalten, streitet mit dem Maler
um die optimale Farbnuance und besucht
in der Freizeit noch Angebote zu Verkaufspsychologie, Ladenbaudramaturgie, Kommunikationsmarketing und gerne auch
mal einen Koch- oder Fotokurs. Das ist
auch gut so. Das schärft den vielzitierten
Blick über den Tellerrand. Und je nach
Talent und lockeren Zügeln zaubert der
Innen-/Architekt einen wunderbaren Verkaufsraum, der seines Gleichen sucht. Individuell und geschichtenreich, wie der
Betreiber mit der Brille.
Der Ladenbauer
Auch er ist Spezialist. Aber eher von der
praktischen Seite. Der Ladenbauer kennt
seine Werkstatt wie seine Westentasche,
überzeugt mit handwerklichem Können
und Erfahrung, kennt alle Profile, Schrauben und Beschläge beim Namen und
kann mittlerweile sogar im kreativen Bereich so manchen Architekten erfolgreich
das Wasser reichen. Große und seriöse
Ladenbauer haben sogar eine eigene Planungsabteilung integriert, so dass auch
eine gewünschte Individualität kreativ
ins Dreidimensionale umgesetzt werden
kann. Seine Stärke ist sicherlich das
Handwerkliche. Er greift bei Bedarf auf
günstige Ladenbausysteme zurück oder
kann komplette Realisierungen mit allen
Gewerken „aus einer Hand“ anbieten.
Ein Team mit vollgeladenem LKW kümmert sich um Abbruch, Boden, Wände,
Beleuchtung, Möbel und auf Wunsch
sogar die Dekoration. Einmal hin – alles
drin. Jedoch müssen für spezielle Gewerke
wieder Fachleute hinzugezogen werden,
denn wenn der Maler auch beim Abbruch
hilft und Elektrokabel verlegt, dann sind
Spezialwissen wie Pigmentanstriche oder
traditionelle Lackspachteltechniken eher
rar. Hier steht zügiges und sauberes Arbeiten sicher im Vordergrund.
Doch: Gerade in den heutigen, sehr
budget- und terminorientierten Zeiten ist
der Ladenbauer ein interessanter und
auch beliebter Partner, um den Laden ein
neues Gesicht zu geben.
Innen-/Architekt oder Ladenbauer:
Wer wäre der richtige Partner in
Sachen Ladengestaltung? Fragen an
Vertreter aus den beiden Zünften:
Jürgen Bahls
Innenarchitekt, geboren 1944.
Studium der Innenarchitektur in
Hamburg. Seit 1990 Geschäftsführer
Zeeh Bahls & Partner Design in
Diessen a. A.
Peter Poschmann
Geschäftsführer Poschmann Design,
Rathenow.
Das Interview
Viele Augenoptiker mit Umbauplänen stehen vor einer Entscheidung: Ein Ladenbauer mit pauschalem Komplettprogramm
oder der individuelle Architekt mit Persönlichkeit. Was spricht für Ihre Zunft und wie
sieht denn die Betreuung aus, die Sie interessierten Kunden bieten?
Jürgen Bahls: Das eine schließt das andere nicht aus. Die persönliche Betreuung des Augenoptikers durch den qualifizierten Innenarchitekten ist ein Garant
für das Gelingen der Aufgabe, wobei sicherlich auch ein im Maße verwendetes
Systemelement mit verarbeitet werden
könnte. Entscheidend ist hier das Gesamtkonzept.
Peter Poschmann: Für uns gibt es nicht
die Schublade Ladenbau oder Architekt.
Die Poschmann Design GmbH ist zum
Beispiel ein komplexes Konstrukt aus
vielen Bereichen, in dem Architekten, Innenarchitekten, technische Zeichner und
viele weitere Fachkräfte auf ihrem speziellen Gebiet wirken. Es gibt nicht entweder – oder. Wir bieten, um es salopp
auszudrücken, das alles aus einer Hand,
rundum Sorglospaket – von der ersten
Ideenfindung und Beratung bis zur Eröffnung. Sicherlich wünscht der Kunde in
selteneren Fällen auch nur eine Planungsleistung oder nur die Montage. Doch das
ist wirklich nicht oft der Fall. Die Ganzheitlichkeit der Projektrealisierung wird
gewünscht, um der Qualität und Zuverlässigkeit Rechnung zutragen.
Oft heißt es: Die Ergebnisse von Innenarchitekten seien kreativer, interessanter
aber auch teuerer bzw. der Ladenbauer
würde gerne dem Kunden Systemmöbel
und Massenprodukte verkaufen? Steckt
hier ein wenig Wahrheit dahinter?
Jürgen Bahls: Hier steckt sicherlich etwas Wahrheit dahinter. Innenarchitekten
nehmen sich aber einfach mehr Zeit, das
Problem des Augenoptikers gemeinsam
zu lösen. Dem Systemlieferanten geht es
wohl in erster Linie darum, möglichst viel
seiner Möbel einzubauen bzw. unterzubringen.
Peter Poschmann: Unser Unternehmen
hat sich der Individualität verschrieben.
Wir bestärken den Augenoptiker in seiner Strategie zur eigenen Markenbildung. Das Ladenkonzept schöpft aus dem
Corporate Design des Optikers bzw. wird
im Laufe der Projektarbeit auch von
uns entwickelt. Das Zusammenspiel von
Kreativität und bedienerfreundlichen Systemlösungen liegt auch der Ladenplanung zugrunde. In einem Geschäftsmodell bietet sich eine Kombination aus
individueller Einzellösung und Systemkomponente an, während ein anderes
eine vollständige Einzelanfertigung ist.
Generell wird das Designkonzept um praxisnahe Anwendungen ergänzt und unter
den Gesichtspunkten des nachhaltigen
Ressourcenmanagement bewertet. Ein
individueller Ladenbauer bietet deutlich
mehr als eine moderne Tischlerei oder
ein reines Planungsbüro. Die Integration
verschiedener Gebiete wie Architektur,
Innenarchitektur, Dekoration, Marketing,
Kosten- und Zeitmanagement etc. machen
den Ladenbau für uns so spannend. Das
Wissen um unsere Vielfalt und Komplexität müssen wir dem Augenoptiker vermitteln. Kostenstrukturen lassen sich auch
transparent gestalten. Verständlicherweise möchte der Inhaber wissen, was
Kreativität und Realisierung kosten.
Der Großteil der Optikergeschäfte hat ja
eher eine bodenständige und konservative
optische Erscheinung. Könnten nicht etwas
mehr Innovation und Überraschung für
mehr Aufmerksamkeit und Gespräch beim
Kunden sorgen?
Jürgen Bahls: Die Branche sollte sich für
Innovationen und Überraschungen öffnen. Die Inszenierung des Ladens oder
des Shops ist eine wesentliche Verkaufsunterstützung und bringt dem Augenoptiker einen nicht zu unterschätzenden
Mehrwert am POS. Und: Die wirtschaftliche Situation verändert das Einkaufsver- u
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halten der Verbraucher. Was früher galt,
wird heute in Frage gestellt. Die entscheidenden Einkaufsprozesse haben sich verändert. Produkte und ihr Nutzen müssen
eindeutig und anders als bisher präsentiert und herausgestellt werden. Das Umfeld am Point of Sale bedarf einer neuen
Dimension. Erstklassige Shops und Warenpräsentationen sind notwendige Mittel,
um diese besonders herauszustellen. Das
Angebot der Augenoptiker muss in adäquater Umgebung das Einkaufsverhalten
des Verbrauchers positiv beeinflussen.
Untersuchungen über das Kaufverhalten
von Verbrauchern zeigen, dass Brillen
immer mehr zum Lifestyleprodukt des
21. Jahrhunderts werden. Neben der
Form wird die Marke einkaufsentscheidend. Somit wird die Brille ein Teil der
eigenen Persönlichkeit. Neben der klassischen Produktpräsentation muss die Brille
in ein inszeniertes Umfeld gestellt werden. Markenwelten und deren Attribute
werden zielführend kommuniziert. Sie
werden zum Gesamterlebnis und steuern
bzw. beeinflussen positiv den Verkaufsprozess.
Peter Poschmann: Der Kauf einer Brille
oder anderer Sehhilfen ist zugleich ein
Akt des Vertrauens. Seriosität ausstrahlen, Know-how und Fachwissen vermitteln, Vertrauen schaffen – Attribute, die
gerade in die Gestaltung des Fachgeschäftes mit eingreifen. Dennoch haben
Marken- und Modebewusstsein auch in
den Fachgeschäften der Augenoptiker ihren hohen Stellenwert. Die ausgewogene
Mischung zwischen Aufsehen erregender Präsentation und zweckdienlicher
Anwendung muss gefunden werden. Es
dürfen keine Hemmschwellen geschaffen
werden, sondern eine Atmosphäre, in
der man sich wohl fühlt, die verkaufsfördernd ist.
Generell kommt es auf den Augenoptiker, seinen Standort und seine Zielgruppe an. Befindet sich das Geschäft in einer
belebten Einkaufsstraße, wird es sich
vom Mainstream abheben müssen, um
Aufmerksamkeit zu generieren. Oder
aber es handelt sich um einen Filialisten,
der seine Hauptfiliale als Flaggschiff präsentieren möchte und aus diesem Grund
ein atypisches Design bevorzugt. Das
heutige Bodenständig und Konservativ
ist das vergangene Hip und Innovativ. Jede Zeit hat ihre Extreme. Es geht nicht
darum, alles mitzunehmen oder nachzuahmen, sondern das Beste in einem zu
vereinen.
Bei dieser Einstellung spielen helle oder
dunkle Farben nur eine untergeordnete
Rolle.
Peter Poschmann: Mit neuen Trends und
Stilrichtungen muss man vorsichtig sein.
Holt man sich jede Neuheit ins Geschäft
wird man nicht automatisch zum Trendsetter. Der Laden könnte zu bunt, unaufgeräumt und eng wirken. Das Ziel wird
weit verfehlt. Die Ausgewogenheit liegt
im Augenoptiker selbst. Er verkörpert
seine Ziele, Ansprüche, Vorstellungen
und Ideale. Versinnbildlicht und drastisch verkürzt ist das seine Marke. Diese
muss er mit und durch sein Geschäft
leben. Sicherlich können Trends in dem
Geschäft eingebracht werden und dieses
auch beleben. Aber in einem gesunden
Maß. Individualität und Persönlichkeit
im Zusammenspiel mit „exotischen Hölzern“ und „Natursteinwänden“. Nachhaltigkeit gepaart mit den kurzlebigen
Hypes der jeweiligen Epoche.
Vor allem in den Bereichen Material, Oberfläche und Farbe kommen immer wieder
neue Trends – und sie gehen auch wieder:
So sind zum Beispiel momentan exotische
Hölzer in dunklen Farben und lebhaften
Maserungen oder Natursteinwände sehr
gefragt. Wie gehen Sie mit modischen bzw.
innovativen Materialien, Farben, Formen
um, die ja auch schnell wieder unmodern
sind?
Jürgen Bahls: Gute Gestaltung überdauert Trends und Zeitgeist. Modern, jedoch
nicht modisch, sollte die Gestaltung sein.
Noch eine persönliche Frage: Was oder
wie würden Sie gerne Ihr Lieblings-Optikgeschäft gerne vorfinden und was könnten
Sie uns noch als kleine Empfehlung mitgeben?
Jürgen Bahls: Von außen total transparente Einsicht. In den Schaufenstern nur
wenige optimal inszenierte Produkte. Ein
heller Raum mit wenig ergänzendem Farbund Materialkonzept. Neben inszenierten
Themen Schwerpunkte, weniger Standardprogramm. Hier gilt auch mehr Klasse statt
Masse. Empfehlung: Weniger ist mehr!
Peter Poschmann: Wenn wir ein Optikgeschäft betreten, mit den Inhabern und
Mitarbeitern ins Gespräch kommen, die
Ideen und Zielvorgaben fließen, dann
wird es zu einem Lieblingsgeschäft. In
jedem unserer Fachgeschäfte steckt ein
Teil von Poschmann Design. Wir sind
stolz auf unsere Arbeit und unsere Leistungen. Die enge Zusammenarbeit mit
den Inhabern, die kreativen Prozesse und
die handwerklichen Leistungen – all das
macht die Leidenschaft für den Ladenbau
aus. Wir arbeiten mit verschiedenen
Unternehmen zusammen, lernen unterschiedliche Denkweisen und Richtungen
kennen. Das inspiriert und motiviert fortwährend. Für uns gibt es nicht das eine
Lieblingsgeschäft. Für uns gibt es nur die
Liebe für Geschäfte.
Optik Anner in Saalfeld; Planung: Barbara Heinkelmann, „Form und Funktion“, Mürsbach.
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Vielen Dank für das Interview! n
Stefan Suchanek