Die Zerstörung von Schönefeld bei Leipzig um 1813

Transcription

Die Zerstörung von Schönefeld bei Leipzig um 1813
Die Zerstörung
von Schönefeld bei Leipzig
im Oktober 1813
Auszüge zeitgenössischer Schilderungen,
Briefe und Notizen;
vorrangig Erstveröffentlichungen
aus handschriftlichen Akten
des Pfarrarchivs der Gedächtniskirche
Leipzig-Schönefeld
Zusammenstellung und Übertragung:
Eva Burkhardt †
Lageskizze des nordöstlichen Vorlandes der Stadt Leipzig zur Zeit
der Völkerschlacht,
Größe des dargestellten Gebietes etwa 7 km x 5 km
Umschlag: Ruine der Kirche Schönefeld,
Ansicht von Südosten, Zustand etwa im Sommer 1 81 6,
unbekannter Künstler, siehe auch S. 20,
Foto: Gregor Gebauer
Die Zerstörung
von Schönefeld bei Leipzig
im Oktober 1813
Auszüge zeitgenössischer Schilderungen,
Briefe und Notizen;
vorrangig Erstveröffentlichungen
aus handschriftlichen Akten
des Pfarrarchivs der Gedächtniskirche
Leipzig-Schönefeld
Zusammenstellung und Übertragung:
Eva Burkhardt †
Herausgegeben
von der evangelisch-lutherischen
Matthäuskirchgemeinde
Leipzig Nordost· Leipzig 2013
Anlaß der Publikation ist, daß im Jahre 201 3 der 200.
Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig begangen wird.
Dabei wird die Aufmerksamkeit mehr auf Einzelheiten des
Geschehens von 1 81 3 gerichtet, und diese Details werden
in neuem Zusammenhang aus heutiger Sicht betrachtet.
Neben dem Gedenken an die vielen getöteten und
verwundeten Soldaten und Offiziere aus zahlreichen
Völkern soll auch an die Not und das Elend der
betroffenen Zivilbevölkerung erinnert werden.
Aus dem Archiv der Gedächtniskirche in LeipzigSchönefeld können zeitgenössische Texte und Bilder
beigesteuert werden, die die Zerstörung des Dorfes, der
Kirche und des Rittergutes betreffen und die zum größten
Teile noch nicht publiziert worden sind.
Diese Beiträge zum Bild der Völkerschlacht, ihrer
unmittelbaren Vorgeschichte und ihren Folgen mögen
Kennern der Fachliteratur gering erscheinen, sie sind aber
geeignet, das Gesamtbild um einige farbige Punkte zu
bereichern.
Die Äußerungen der Zeitgenossen, sofort oder doch in
zeitlicher Nähe des Geschehens dokumentiert, können zur
Rekonstruktion eines authentischen Stimmungsbildes
beitragen.
Zielgruppe dieser Schrift sind vor allem interessierte
Gemeindeglieder, Einwohner unserer Ortschaften,
Besucher unserer Kirchen sowie allgemein historisch
Interessierte.
Handschriftliche Überlieferungen bedeutender
Persönlichkeiten werden früher oder später gedruckt.
Die Dokumente unbekannter Zeitzeugen schlummern
häufig unbeachtet und mehr oder weniger schlecht
bewahrt in kleinen und kleinsten kirchlichen Archiven, die
nur noch dank ehrenamtlicher Mitarbeiter existieren und
deren Weiterleben bestenfalls zentralen formalen
Anweisungen zuständiger übergeordneter Behörden
geschuldet ist.
Die Zahl der Menschen, die Frakturschrift sowie alte
Handschriften lesen können, nimmt ständig ab.
Das Entziffern alter deutscher Druck- und Handschriften
ist eine Mühe, der sich nur wenige unterziehen.
Der fortschreitende Papierzerfall gebietet, wesentliche
Texte zu erhalten.
Die Mehrheit der hier vorgelegten Texte stammt aus einer
handschriftlichen Chronik im Pfarrarchiv der
Gedächtniskirche Schönefeld. Diese Chronik hatte Pfarrer
Carl August Wildenhahn (1 805 bis 1 868), Pfarrer in
Schönefeld 1 837 bis 1 841 im Jahre 1 838 neu angelegt,
weil infolge der Zerstörungen des Jahres 1 81 3 keine
Kirchenchronik mehr existierte.
„Überzeugt vom Nutzen von Chroniken … unterziehe ich
mich gern der angenehmen Aufgabe, die Ereignisse in der
Parochie Schönefeld aufzuschreiben und für die Nachwelt
festzuhalten. Diesem Werk werden die Nachkommen Dank
wissen, weil bis zu meiner Zeit nichts da ist, und das, was da
war, in jenen schrecklichen Tagen der Schlacht bei Leipzig im
Jahr 1813 verbrannt ist. Ich hoffe, daß meine Nachfolger das
Werk in gleichem Sinne fortführen.
Schönefeld, 11. August 1838
Carl August Wildenhahn,
derzeit Pastor der Parochie Schönefeld“
(aus dem lateinischen Vorwort der Chronik, S.1 ,
übersetzt von Eva Burkhardt)
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Pfarrer Wildenhahn hat niedergeschrieben, was er über
die Vergangenheit der Parochie in Erfahrung bringen
konnte, und er hat auch ältere Texte von anderen Autoren
in die Chronik eingefügt.
Der anschauliche Bericht von Pfarrer Magister Christian
Gottlieb Schmidt (1 746 bis 1 823), der von 1 779 bis 1 823
Pfarrer der Parochie Schönefeld war, ist am 5. Februar
1 81 6 beendet worden. Er ist auf vier Bögen (Vorder- und
Rückseite) geschrieben, die nachträglich in die Chronik
eingeklebt worden sind. Die Seiten bzw. Bögen sind nur
teilweise, der Seitenzählung der Chronik folgend, mit
Bleistift paginiert, und zwar der erste Bogen als Seiten 53a
und 53b, der zweite Bogen als Seiten 55 und 56.
Die beiden folgenden Bögen sind nicht paginiert und nicht
in der richtigen Reihenfolge in die Chronik eingeklebt,
nämlich der dritte Bogen nach Seite 66 und der vierte
Bogen nach Seite 63(!). Weil die Bögen ein größeres
Format als das Chronikbuch haben, mußten sie beim
Einkleben seitlich und unten gefaltet und geknickt werden.
Dadurch sind stellenweise Zeilenenden oder die untersten
Zeilen einer Seite verlorengegangen oder kaum noch
lesbar.
Der Text von Pfarrer Mag. C.G. Schmidt über die Völkerschlacht wird hier ergänzt durch weitere Beiträge (Briefe
bzw. Briefentwürfe, Nachrufe, Predigttexte usw.) aus dem
Pfarrarchiv Schönefeld sowie durch Bilder und Karten aus
den Beständen der Kirchgemeinde. Die Textausschnitte
über die Zerstörung von Dorf, Kirche und Rittergut
Schönefeld sind so zusammengestellt, daß etwa ein
zusammenhängender Bericht erkennbar werden soll. Von
den Zuständen unmittelbar nach der Schlacht, von der
wirtschaftlichen Not der Bewohner, vor allem der des alten
Pfarrers, und von dem Bemühen um den beschleunigten
Wiederaufbau des Pfarrgutes und der Kirche zeugen
verschiedene Bittbriefe.
Zwei Beiträge, die schon einmal publiziert worden sind,
berichten und bedenken das Geschehen aus dem Abstand
von reichlich drei Jahrzehnten.
Die Handschriften sind mitunter nur schwierig zu
entziffern.
Schwer leserliche und daher fragliche Stellen werden
durch [?] gekennzeichnet,
unleserliche Stellen durch O[?].
Abkürzungen werden möglichst ergänzt, die Ergänzungen
stehen in [ ].
Fremdsprachliche oder jetzt ungebräuchliche Begriffe
werden durch [=O] erläutert.
Angaben zu Währungseinheiten werden, soweit sie
leserlich sind, in ihren Abkürzungen belassen und
unverändert wiedergegeben.
Auslassungen zur Straffung des Textes werden durch O
erkennbar gemacht.
Die alte Schreibweise wurde beibehalten, um die
sprachliche Gewandtheit der Autoren sowie die Schönheit
der damals gesprochenen und geschriebenen deutschen
Sprache anschaulich zu machen.
Frau Eva Burkhardt (1 935 bis 201 0) hatte seit etwa 2003
zahlreiche Texte entziffert und übertragen und einige
charakteristische Beispiele für eine Veröffentlichung
vorbereitet. Nach ihrem Tode wurde das vorliegende
Material ergänzt und überarbeitet durch eine Gruppe von
wechselnden Mitwirkenden (Gudrun Moosdorf; Konrad
Heinrich, Dirk Heinze, Günter Hönemann, Gottfried
Richter, Konrad Taut und Helmut Tracksdorf).
Handschrift des Pfarrers Magister Christian Gottlieb Schmidt, verkleinert;
oben: Beginn der Nachricht ...;
unten: Schluß seines Berichtes mit Datum 5. Febr. 1 81 6
Nachricht
über das unser armes Schönefeld am 18ten Octobris 1813 betroffene große
Unglück, wodurch der Herrenhof mit allen seinen schönen und weitläufigen
Gebäuden, die Kirche, Pfarr- und Schulwohnung, die größten Güther des Dorfes –
durch die Mordbrennung der Franzosen im Feuer aufgegangen sind, und im
ganzen Ort kein Hauß unbeschädigt geblieben ist – meinen lieben Nachfolgern in
Demut, zur mitleidigen Beherzigung, und mit dem Wunsch, daß Gott sie vor
einem so harten Schicksale bis in die spätesten Zeiten bewahren wolle –
aufgesetzt und gewidmet
von M. Christian Gottlieb Schmidt, z.Z. Pastor in Schönefeld.
Das Jahr 1813 ist für unser ganzes Sachßenland, und namentlich für die Leipziger
Gegend und ihre Umgebung ohnstreitig das verhängnisvollste und schrecklichste
gewesen, das während der ganzen, bis ins 25ste Jahr gewütheten französischen
Revolution gantz Europa erschüttert hat; und es sind uns durch dasselbe Wunden
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geschlagen worden, die noch schmerzlich bluten, und deren völlige Heilung wohl
erst unsere Kindeskinder erleben dürften, wenn es anders Gott gefällt, ihnen
durch so viel Blut und mit Ausplünderung mehrerer Millionen Menschen
erkämpften Frieden so lange zu erhalten.
Es gehört nicht zu meinem Zweck, und würde auch zu weit führen, wenn ich
mich über den Gang dieser höchst merkwürdigen Weltbegebenheit, von welcher
Sachßen in den ersten Jahren nur ein entfernter Zuschauer war, und in die es erst
vom Jahr 1806 an tiefer hinein gezogen wurde, ausbreiten wollte. In diesem Jahr
wurde es, nach der für Preußen am 14. Octbr. so unglücklich abgelaufenen
Schlacht bey Jena und Auerstädt, gezwungen, dem von Kaiser Napoleon
errichteten Rheinbund beyzutreten, stieg zwar zu Ende dieses Jahres zu dem
Range eines Königreichs hinauf, ist aber von der Zeit an dem französischen
Einfluß und Despotismus unterworfen und zinßbar geworden. Was für Schicksale
das Land in den folgenden Jahren erfahren, wie eigennützig sein Unterdrücker es
zu benutzen, nein, planmäßig [?] es durch Eingliederungen, Requisitionen,
Freyhaltung Seiner Gnaden mit Speiße und Trank, und mehreren Maßregeln und
Kunstgriffen auszusaugen wusste; – übergehe ich jetzt mit Stillschweigen und
beschränke mich blos auf die beyden letzten Jahre, die den Sturz des
Weltstürmers herbeiführten. …
Im Sommer des Jahres 1812 brach der Krieg zwischen Frankreich und Russland
aufs neue aus, weil der russische Monarch von dem auch für seine Länder
höchstnachteiligen Continentalsystem, durch welches Napoleon das ihm allein
noch die Wage haltende wichtige England zu demüthigen gedachte, weislich
zurückgetreten war; und der Kaiser Napoleon begann seinen Argonautenzug nach
jenem unermesslichen Reiche mit einer aus französischen und Rheinbundtruppen
organisirten, über eine halbe Million starken, prächtigen Armee, um bis in den
entlegensten Norden vorzudringen, und sich, wenn ihm sein Riesenplan gelungen
wäre, eine zweite Kaiserkrone aufzusetzen – wozu, wie man sagte, schon
Krönungsmantel und andere Insignien mitgenommen waren –; welche Krone
aber, durch Gottes weise und gerechte Fügung, in eine für ihn so schimpflich als
schmerzliche Dornenkrone verwandelt wurde.
Nachdem er eine kurze Zeit in Dresden verweilt, und daselbst das Ultimatum über
Krieg und Frieden von Rußland abgewartet hatte, richtete er seinen Marsch nach
Pohlen, ging von da aus mitten durch Russland, gerade auf Moskau los, lieferte
den russischen Armeen mehrere, auf beiden Seiten viele Menschen kostende
Kämpfe, und kam, da sich jene immer weiter zurückzogen und ihn planmäßig
vorwärts lockten, wirklich in der Nähe jener ungeheuren Stadt an, wo er nun sein
Ziel erreicht zu haben glaubte, und es auch wirklich erreichte, aber freylich auf
eine andere Art, als er sich vorgestellt und es in seinem Plan gelegen hatte. Denn
seine Absicht war, in dieser weltberühmten Residenz der vormaligen Szaren von
Rußland, und ihren schönen und fruchtbaren Umgebungen, seinen durch den
weiten und beschwerlichen Marsch und andere ausgestandene Mühseligkeiten
und Ungemach erschöpften Armeen ruhige und fette Winterquartiere anzuweisen,
damit sie hier neue Kräfte sammeln, und dann im folgenden Frühjahr gerade auf
Petersburg losgehen möchten, um die Residenz des jetzigen Kaisers von Rußland
zu erobern, und sich nun für den alleinigen Herrscher über ganz Europa zu
erklären, zu welchem Behuf auch schon ein zweites großes Armeekorps von
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Curland und Liefland nach der Kaiserstadt vorzudringen beordert war. Allein, hier
rufte die alles leitende Vorsehung dem Übermüthigen zu: bis hieher sollst du
kommen, und nicht weiter; hier sollen sich legen deine stolzen Wellen! Die von
Curland her veranstaltete Expedition musste ihren Plan aufgeben, und bey
Moskau fiel der sich unüberwindlich denkende Eroberer in das Netz, welches,
ohne daß er es ahnete, über ihn ausgespannt worden war.
Denn der Gouverneur von Moskau, Graf Rostopschin, faßte einen unerhörten,
höchst verzweifelten und für den Augenblick äußerst harten, dabey aber tief
durchdachten, und glücklich zum Ziele führenden Entschluß, durch welchen über
die Feinde Rußlands ein unvermeidliches Verderben herbeygeführt und ihrem
Abgott, mit dem sie bis an das Ende der Welt vorzudringen wähnten, gleichsam
der Gnadenstoß versetzt wurde. Er ließ die ungeheure, meistens aus hölzernen
Häusern bestehende Stadt an mehreren Orten in Brand stecken, ein durch höhere
Fügung entstandener Sturm verbreitete die Flammen unaufhaltbar nach allen
Richtungen, sodaß man ein unermessliches Feuermeer vor sich zu sehen glaubte;
die bereits in der Stadt hausenden Franzosen, – denn nur ihnen hatte ihr Kaiser
Quartier in derselben vorzugsweise angewiesen – sahen sich aller der großen
Vorräthe, die sie hier zu finden hofften, beraubt und selbst ihr auf eine so
unerwartete Art überraschter und getäuschter Beherrscher war auf dem von ihm
bezogenen Kreml nicht mehr sicher, und wartete vergeblich, daß eine Deputation
der Stadt vor ihm erscheinen, und mit zu gelobender Unterwerfung um Gnade
und Frieden bitten sollte, welches aber unterblieb, da alle höheren Behörden und
angesehene Einwohner Moskaus das Weite gesucht und die Stadt ihrem Schicksal
überlassen hatten; worüber er so entrüstet war, daß er bey seinem nachher
erfolgten Rückzuge dieses uralte Denkmal der Kunst und Größe, nachdem es
seine Trabanten geplündert, und selbst seine Generäle und Marschälle, die daran
befindlichen Goldbleche mit eigener hoher Hand geraubt und eingeschmolzen
hatten, zum ewigen Denkmal seiner Zerstörungswuth und zu bleibender
Erinnerung, daß einst hier gebildete Franzosen gehauset hatten, in die Luft
sprengen ließ.
Weislich und zweckmäßig würde Napoleon gehandelt haben, wenn er auf seinen
Rückzug früher bedacht gewesen wäre, da ihm durch die Verbrennung Moskaus
die meisten und ergiebigsten Hilfsquellen einer längeren Subsistenz [= Lebensunterhalt] waren vernichtet worden, und da die in der Nähe stehenden russischen
Armeen keine Zufuhr aus den entfernteren Gegenden verstatteten. Aber er zögerte
zu lange – und nun trat früher, als er vermutete, der fürchterlichste Winter ein, den
Russland je gesehen hat, und es war zu spät, den Schlag abzuwenden, der ihn
treffen sollte: Ohne Lebensmittel, von dem heftigsten Frost gedrückt, von den
allenthalben herumschwärmenden Kosaken unaufhörlich geneckt, zog die Armee
in langsamen Märschen den Weg wieder dahin, woher sie so stolz und siegestrunken gekommen war: die Pferde fielen täglich zu Tausenden, so daß die
Cavallerie zuletzt gantz unberitten wurde, und Sattel und Mantelsack auf eigenen
Rücken nehmen musste, und die Soldaten mit ihren Offiziren erlagen unter ihrem
traurigen Schicksale, erfroren jämmerlich, verhungerten elendiglich; und wurden
von denen sie unaufhörlich verfolgenden Feinden theils getödtet, theils in großen
Maßen gefangen genommen: Aber Hunderttausend fanden ihr Grab im Schnee, in
den Wassern unter dem Eise; aber so viele fielen dem Feinde in die Hände und
wurden in die Gefangenschaft geschleppt: mehr als 1200 Kanonen blieben den
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Siegern zurück: die gantze mit mehreren Millionen angefüllte Kriegskasse und
eine unermessliche Equipage der kostbarsten Geräthschaften des Kaisers und
seiner Marschälle und Generäle ging verloren: der Kaiser selbst entkam mit
genauer Noth auf einem elenden Bauernschlitten, mit einem schlechten Pelz
bekleidet, wäre in Wilna beynahe den Kosacken in die Hände gefallen, wenn ihn
nicht eine seltene Gegenwart des Geistes gerettet hätte, langte in diesem Aufzuge
in Dresden an, wo er bey seinem Gesandten die Wäsche wechselte und von der
königlichen Familie mit warmer Kleidung versorgt wurde, eilte durch Leipzig, wo
er zur Nacht durchzog und im Hotel de Prusse zu Nacht speiste, und von einem
Marqueur [= Kellner] wider seinen Willen erkannt wurde, und kehrte, ohne sich
irgendwo aufzuhalten, so unerwartet als unbemerkt in seine Hauptstadt zurück,
aus welcher er im vorigen Jahre so pomphaft und siegestrunken ausgezogen war,
ohne jedoch die Kaiserkrone des Nordens mitzubringen, die er sich bereits im
Geist aufgesetzt zu haben glaubte.
O hätte er sich witzigen lassen und die Hand zum Frieden geboten! Aber sein
Untergang war im Rathe der Mächte beschlossen, und die Zeit war nahe, wo er
seine große Rolle ausgespielt haben sollte, wo man auch von ihm sagen würde:
wie bist du vom Himmel gefallen, du schöner Morgenstern! (Jes.14,12). Trotzig
und übermüthig und auf sein bisheriges Glück blind vertrauend, das ihm jetzt so
treulos den Rücken gekehrt hatte – traf er nicht nur die umfassendsten Anstalten,
seine vernichtete Armee, deren Reste in der jämmerlichsten Gestalt bey uns
vorüberzogen, und uns Krankheiten und Seuchen mitbrachten, aufs Neue zu
organisiren – (zu welchem Endzwecke er sogar die Verbrecher aus ihren
Gefängnissen herausholte und die Galeerensklaven von ihren Ketten befreyt, um
unter seiner Autorität aufs Neue zu stehlen, zu morden und alle Greuelthaten
ungestraft auszuüben,) – sondern forderte auch seine Verbündeten auf, ihre
Contingente, die ein gleiches Schicksal erfahren hatten, abermals zu complettiren,
und mit dieser in größter Eile zusammen gerafften Armee rückte er im Frühjahr
1813 aufs neue ins Feld und betrat im April d.J. abermals den deutschen Grund
und Boden.
Auch die große russische Armee, die den französischen Flüchtlingen auf dem
Fuße nachfolgte, war um eben diese Zeit über die Grenzen ihres Landes
vorgeschritten, hatte sich mit den Preußen, welche die schöne Gelegenheit, sich
von ihrer gezwungenen Verbindung mit Napoleon loszureißen, nicht ungenutzt
gelassen, vereinigt, marschirte gerade auf Dresden los, das ihm gern seine Thore
öffnete, und langte einige Wochen vor Ostern in der hiesigen Gegend an, wo sie
bis zum Ende des Aprils stille lagen, und sich zu einem dem Feinde zu liefernden
Treffen vorbereitete. …
Soweit der Bericht des Mag. C.G. Schmidt.
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Wie sich der Aufenthalt der Truppen auf
das Rittergut Schönefeld auswirkt, beschreibt
der Rittergutsbesitzer Johann Ulrich
Schneider unter dem 20. Dezember 1 81 3 in
einem Brief an einen befreundeten Kaufmann
Boccius [auch als P. Loccius lesbar]
in London.
Im M[onat] April hatte ich daß russische Hauptquart[ier] 18 Tag: ein Fürst,
20 Officir, 36 Bediente, 140 Gemeine, kosten mich G[?=Gulden] 8000. Da der
Fürst so vergnügt mit vielem Aufwand gelebt, wurde ich und das Dorf rein
ausgeblündert. …
Weiter der Bericht des Mag. C.G. Schmidt:
Der Kaiser Napoleon kam mit seiner größtentheils aus Infanterie bestehenden
Armee über Naumburg und Weißenfels herangezogen, und beyde Heere standen
einander in der Gegend von Lützen gegenüber, wohin von Leipzig aus eine
Deputation an den Gefürchteten abgesendet wurde, um auf alle Fälle die Stadt
seiner Schonung und Gnade zu empfehlen, der er jedoch über die den Rußen
bewiesene gute Aufnahme mehr scherzhaft als ernstliche Vorwürfe gemacht
haben soll, und man erwartete nun von einem Tage zum anderen, daß der
entscheidende Schlag losbrechen würde. Dieser erfolgte am zweiten May, am
Sonntage Misericordias Domini, – an welchem Tage unsere Catechumenen unter
dem von fernher erschallenden furchtbaren Kanonendonner confirmirt und
eingesegnet wurden, – war aber nichts weniger als entscheidend, in dem beide
Armeen bis zum Abend ihre Position behaupteten. …
Durch die Lützener Schlacht [= Schlacht bei Großgörschen am 2. Mai 1813] …
fiel nun auch Leipzig wieder in die Hände der Franzosen, und unser Schönefeld
wurde am fünften May von diesem verhungertem Ungeziefer, das sich bey
Eutritzsch gelagert hatte, tüchtig ausgeplündert und fast aller vorhandenen
Lebensmittel beraubt, wo besonders auf dem Herrenhofe, auch der Pfarre, auch
auf den Förster- und Ploßischen Güthern sehr übel gewirthschaftet worden war. In
meinem Hause blieb kein Bissen Brot übrig und alle anderen Viktualien wurden
vor unseren Augen weggetragen. Von nun an seufzeten wir aufs Neue unter dem
Druck des harten Despoten, und Einquartirungen, Lieferungen und andere
Plackereyen nahmen kein Ende.
Ende des Zitats von Mag. C.G. Schmidt.
Der Rittergutsbesitzer und Kaufmann
J.U. Schneider schreibt in dem schon
erwähnten Brief an den befreundeten
Londoner Kaufmann (soweit man die Schrift
entziffern kann!):
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… Dann die franz[ösische] Off [? Offensive] was mich an G[?Gulden] 9000 und
mehr koste. Dieses war der 5. May. Von daher hatten wir stets überhaubt [?]
lästige ein Quart[ierung]. Mehr wie 15000 G[?] Kosten, und nun machen Sie sich
ein begrif. …
Ein franz[ösischer] Officir versicherte mich, daß die am 5.May geschehene
Blünderung in Schönefeld nur Rache geweßen, weil die Russen vorhero so gutt
aufgenommen wurden. …
Einzelheiten aus diesen Tagen berichtet
später auch Diakon Ludwig Rothe in
dem Nachruf auf den herrschaftlichen Diener
Gottfried Heinicke:
Gottfried sah an seiner Herrschaft gute und böse Tage vorübergehen… So wich er
in den unheilvollen Tagen des Jahres 1813 nicht von der Seite seines Herrn und
legte … unzählige Proben seiner Treue und seiner Ehrlichkeit ab. …
Am 5. Mai, wo eine Plünderung von Seiten der Franzosen zu befürchten war,
hatte Gottfried mit aller Vorsicht und Emsigkeit beigestanden, diese Gefahr
abzuwenden; dennoch fanden die raublustigen Soldaten, mehrere Hundert an der
Zahl, eine kleine Öffnung, durch die sie in das Herrenhaus eindrangen, nachdem
sie einen Hund erschlagen hatten, welcher dort angelegt worden war.
Herr Schneider war mit seinem treuen Diener und der hochbetagten Köchin noch
allein im Hause, gütliche Besänftigung der Plünderer war erfolglos, gewaltsamer
Widerstand unmöglich. …
Ende des Zitats von Diakon L. Rothe.
Der Bericht von Magister C.G. Schmidt fährt
fort:
Am zweyten Pfingstfeiertage [7. Juni 1813] wurde unser Gottesdienst durch einen
so unerwarteten als schreckhaften Zufall unterbrochen, indem ein von Dessau
hergekommendes russisch-preußisches Detachement [= Truppenabteilung] von
einigen tausend Mann, das die hier und in der Umgegend gelegenen Franzosen
überrumpelte, selbst in Leipzig einzudringen versuchte und mehrere Gefangene
machte. Da aber indessen der Waffenstillstand zwischen Rußland und Frankreich
eingetreten war, von welchem jenes Detachement noch nicht benachrichtigt war;
so zog es in den Nachmittagsstunden friedlich wieder ab, die Gefangenen wurden
herausgegeben und gegen Abend war alles wieder ruhig; nur wurden einige
hundert Franzosen nach Schönefeld einquartirt, die wir mehrere Tage verpflegen
mußten. …
Der Kaiser Napoleon fasste den Entschluß, die Dreßdener Gegend zu verlaßen
und zog herunter nach Leipzig zu, wo ihn nun sein endliches Schicksal treffen,
und der von ihm aufgethürmte ungeheure Coloß zertrümmert werden sollte.
Und nun nähere ich mich den so denkwürdigen als traurigen Szenen, zu deren
Darstellung dieser Aufsatz hauptsächlich von mir abgefaßt worden ist. Das gute
Leipzig war den gantzen Sommer hindurch auf das Schrecklichste gemißhandelt
worden, besonders durch einen Haupttrabanten der napoleonischen Fühllosigkeit
und Härte, einen gewissen Herzog von Padua (Arighi), einen tückischen Italiäner,
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Handschrift des Gutsbesitzers Johann Ulrich Schneider;
Brief an seinen Geschäftsfreund in London vom 20. Dezember 1 81 3;
S. 7, Schluss des Briefes
der die Stadt sogar in Belagerungszustand erklärte und ihr unerschwingliche
Kosten verursachte, wegen welcher unerhörten Bedrückung er jedoch von dem
davon unterrichteten Kaiser, bey dessen Anherokunft hart angelassen und eine
„bête“ (dummes Vieh) gescholten wurde.
Die umliegende Gegend wurde nicht weniger mitgenommen, und die armen
Landbewohner mit Einquartirungen, Fuhren und Lieferungen bis zur Erschöpfung
geplaget, und an allen diesen Lasten mußten auch die Geistlichen mittragen
helfen, da ihre Pfarrgüther doch nicht ihr Eigenthum sind, und sie dieselben mit
keinen Hypotheken belasten können, wie dieß bey anderen Guthsbesitzern
der Fall ist.
9
Aber alles das war nur ein Anfang der Schmerzen, die nach Gottes Rath und
Vorsehung erst noch über uns kommen sollten, und mit dem Michaelistage [29.
September] ihren Anfang nahmen: An diesem Tage betrat das aus 20 000 Mann
bestehende Corps des französichen Marschalls Marmont unsere Gegend, der
Marschall Ney folgte einige Tage danach: beyde Marschälle quartirten sich auf
dem hiesigen Herrenhofe ein.
Diesen allgemeinen Bericht von
Mag. C.G. Schmidt präzisiert für den Gutshof
der Gutsherr J.U. Schneider in dem schon
erwähnten Brief nach London, und er drückt
darin auch seine Stimmung aus.
Den 16. Octbr Abends 6 Uhr kam die Kayserliche Wagenburg, fayne Bagage,
100 Pfärthe, 50 Bedienete und Knecht.
Bis den 17. Mittags, den 16. abends kamen
Marschall Neu
mit all Ihren
dto Marmone
Spitzbuben
dto Ponjadoffsky
bedienete und
9 geringere Franzos
reithknechte
2 Württemberger oder… [?]
30 Officir
Auf mein Hoff und Gardten haben gewiß an 800 Pfärthe, 200 Oxe, 1400
Bedienete und Soldaten gelegen. Bis zum 17. an abends und im Dorff war auch
alles so voll. Nun stellen Sie ich vor, wie es im Keller Wein, branntwein, Fressen,
in Sonderheit Forage zu gegangen ist. Niemand ist in Stand sich ein begrif zu
machen von einer solch verdambten Würthschaft – die ich gehabt hab. …
Weiter im Text von Mag. C.G. Schmidt:
In meine Pfarrwohnung wurden außer einer schon vorhandenen vierfachen
Einquartirung noch am Abend 36 Mann Infanterie eingelegt: die Truppen machten
in unseren Umgebungen mehrere Bibouaks [= Biwaks], brachten gantze Heerden
von Rindvieh und Schaafen mit, die sie unterwegs geraubt hatten und nun in
unsere Krautfelder trieben, und richteten an unseren Plancken und Gärten große
Verwüstungen an. Gegen die Mitte des folgenden Monaths traf unser allgeliebter
König mit Gemahlin und Prinzessin Tochter in Leipzig ein, und um eben die Zeit
auch der französische Kaiser, der zuerst in Stetteritz, und dann im Kohlgarten auf
dem Guthe des Herrn Banquier Vetter, hinter der Kapelle gelegen, sein
Hauptquartir nahm.
Seine Armee-Corps lagen nach allen Himmelsgegenden um ihn herum und
wurden von den nachrückenden verbündeten Mächten immer mehr zusammen
gedrängt und eingeschlossen, sodaß man die Summe beyder schlagfertigen
Armeen wohl auf eine halbe Million anschlagen konnte, deren nächtliche
Wachtfeuer einen fürchterlich-prächtigen Anblick darstellten, und das Herz des
harmvollen Zuschauers mit den ängstlichsten Bersorgnißen erfüllten.
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Auf den Feldern neben unserer Lindenallee war ein Theil der kaiserlichen
Equipage postirt; die Reuterey und das Fuhrwesen fouragirten ohne Unterschied
und Erbarmen, und unser Getreide wurde ohne Schonung unausgedroschen aus
unseren Scheuern fortgeschleppt und den Pferden des Militairs in Garben
vorgetheilt. Von Hühnern und anderem Federvieh war nichts mehr zu holen, und
an einem Tage wurden in meinem Hofe zehn Schweine todtgestochen.
Die dem 18. Octbr. vorhergehende Woche war eine Woche der Angst und des
Grauens, und die in den Jahrbüchern der Geschichte ewig denkwürdige Schlacht
nahm vom 15ten d.M. ihren Anfang. Von diesem Tage an wurde mein Haus von
den französischen Garden nicht leer, die alle Winkel durchsuchten, alles was sie
Handschrift des Gutsbesitzers Johann Ulrich Schneider;
Brief an seinen Geschäftsfreund in London vom 20. Dezember 1 81 3;
S. 4, schlecht leserlich, weil das Papier beidseitig beschrieben ist.
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konnten, aus Habsucht mitnahmen und mich und die Meinigen unsäglich quälten.
Zwar wurde ich zwey Abende nach einander durch einen Sächsischen Obristen
des Leibcurassir-Regiments, Herrn vom Berge, der Quatir bey mir nahm, und
gegen die Vorlauten blank ziehen ließ, dieses Gesindel fortjagte, von ihren
Zudringlichkeiten befreyt, aber kaum war er am Morgen wieder fort, so stellten
sie sich aufs Neue ein und trieben ihren Unfug desto ärger.
Am 16ten Octbr. verließ dieser würdige Mann mein Hauß mit der Erklärung, daß
wir heute einen heißen und gefahrvollen Tag haben würden; und als ich ihn
dringend bat, daß er mir Schutz und Sicherheit gewähren möchte, so gab er
dreyen seiner Curassirs Befehl, daß sie in meinem Hause bleiben und für mich
sorgen sollten; und diese redlichen Männer haben mir treulich beygestanden, und
bis zum Sonntag Abend (d. 17. Octbr.) treulich bey mir ausgehalten. An diesem
Tage faßte ich mit meiner guten Gattin den Entschluß, unser Haus zu verlaßen, da
die Zudringlichkeiten und Plackereyen der Franzosen nicht mehr auszustehen
waren. Unsere besten Effecten an Kleidung, Wäsche und Betten nebst einem
Kästchen mit etwas Silber und einigen hundert Thaler Geld hatten wir in die
Sakristei der Kirche und dahin auch die Kirchenbücher bringen lassen, und wo
wir hofften, einen sicheren Ort gewählt zu haben; aber die übrigen Mobilien
blieben in der Wohnung zurück, weil es nun zu spät war, sie in der Stadt oder
sonst wo unterzubringen.
Und nun schlug ich mit den Meinigen den Weg nach Leipzig ein, und empfahl
mein Haus mit allem Zurückgelassenem der göttlichen Obhut und Vorsorge. Ach,
wir Armen ahneten nicht, daß wir unsere Wohnung als Brandstätte wiederfinden
würden. Wir nahmen unsere Zuflucht zu dem älteren Herrn D. Weiß, Senior des
Schöppenstuhles, dem zweiten Sohn meiner ältesten Schwester, […] von
welchem wir so liebreich als theilnehmend aufgenommen wurden und brachten
einen kleinen Wagen mit, auf welchem meine gute Frau in der Eile etwas von
unseren noch vorhandenen Betten und Alltags Kleidungsstücken hatte aufpacken
lassen, und der von meinen braven Curassirs mitten durch das vor den Thoren
liegende französische Militair sicher in die Stadt eskortiert wurde. Dieser Tag war
übrigens, nach einer kurzen Kanonade am Morgen, ziemlich ruhig vergangen, da
zwischen den Armeen eine Waffenruhe für unbestimmte Zeit vereinbart worden
war –; aber diese Windstille war nur ein Vorbote eines desto schrecklicheren
Sturms, der mit dem Montage (den 18. Octbr.) beginnen, welcher der nun bis zum
vierten Tage fortgesetzten mörderischen Schlacht den Ausschlag geben, aber auch
unser armes Schönefeld mit Feuer, Mord und Plünderung heimsuchen, und
namenloses Unglück und Verderben über uns bringen sollte. Am Morgen dieses
Tages ging es bey Probsthayde, dessen Kirche tags vorher eingeäschert worden
war, äußerst hitzig her, und bey Schönefeld schien alles ruhig zu seyn, welches
wir von dem so lieben als werthen Collegii aus deutlich beobachten konnten.
Aber um die Mittagszeit war von den beyden französischen Marschällen Ney und
Marmont, die auf dem hiesigen Herrenhofe Quartier genommen hatten, der
grausame Entschluß, Schönefeld in Brand zu stecken, gefaßt worden und wurde
auch alsbald unerbittlich ausgeführt.
Die nach Eutritzsch und Wiederitzsch hin Posten gefassten Rußen und Preußen
machten Miene, über die Parde nach Schönefeld vorzudringen, welches sie schon
den Sonnabend von Gohlis her versucht hatten. Um dieses zu verhindern, legten
12
die Franzosen zuerst Feuer im Herrenhofe an, der mit allen seinen großen und
weitläufigen Gebäuden bis auf den Grund niederbrannte, so daß auch nicht ein
Stall stehen blieb. Der Gerichtsherr Schneider, Rauchwarenhändler und Banquier
in Leipzig, der bis zuletzt standhaft aushielt, und dieses Unglück zu verhindern
suchte, wurde aus dem schon brennenden Herrenhause mit Gewalt
herausgestoßen. Seine ganze veredelte Schöpfung war schon einige Tage zuvor
von den Franzosen geraubt worden, und sein sämmtliches Rindvieh samt allen
seinen prächtigen Mobilien wurde ein Opfer französischer Mordbrennerey.
Ende des Zitats des Pfarrers Mag.
C.G. Schmidt.
Der Gutsherr J.U. Schneider stellt in
dem Brief an seinen Geschäftsfreund in
London den entsprechenden Tag so dar:
… Und der 18. war der Schreckenstag; der unglückliche jammervollste Tag:
Um 11 Uhr zu Mittag kam die Ordre, mein Hoff und Dorff in brand zu stecken,
gegen 12 Uhr wurde ich mit meinen Leuthen mit Gewalt aus dem Hoff gejagt, wir
hielten uns noch 1 ½ Stunden im Gardten auf, und ich sah alles angezündet und in
voll Flammen stehen, und so wurden wir auch aus dem Gardten gejagt und bis an
die Wind Mühle in der völligen Cannonade gehen. Gewiß an 14 4 Pfundkugeln
flogen vorbey, und keine wollte mich treffen, was ich so sehr wünschte.
Ach Gott, alles ist weg: mein Hauß, mein Hoff, Schäfferey, Pfärthe, Schafe,
Kühe, alles weg: 48 Küh, 9 Pfärthe verbrandt, 13 gestohlen. Die volle Scheune …
liegt in der Asche. Zum Unglück sprang von der großen Hitze ein Gewölbe in
meinem Hauß, und alle Kostbarkeite wurde verkohlt und geschmolzen. Alles
verbrandt und gestohlen […]
Der Diakon L. Rothe beschreibt in seinem
Nachruf auf den herrschaftlichen Diener
Gottfried Heinicke dessen Rolle:
In den Tagen der Schlacht leistete Gottfried seinem Herrn wesentliche Dienste,
unerschrocken hielt er bei seinem Herrn auch im dichtesten Kugelregen aus.
Als das Rittergut in Brand gesteckt werden sollte, folgte Gottfried den Soldaten
auf der Ferse nach und riß die angehefteten Pechkränze zu wiederholten Malen
wieder ab, bis er endlich der Übermacht weichen musste. An der Seite seines
Herrn sah er von den Trümmern der bereits zerstörten Windmühle in der Mitte der
kämpfenden Heere dem Brande Schönefelds zu und eilte nochmals dahin zurück,
um zu sehen, ob es nicht möglich sei, noch das oder jenes zu retten….
Beiden schlossen sich noch an ein anderer treuer Diener…, der Schäfer mit seiner
Frau…, um wiederholt in das Rittergut zurückzukehren, obgleich zu beiden
Seiten der Lindenallee Russen und Franzosen von den Kugeln niedergestreckt
wurden. Allein die furchtbar wüthenden Flammen verhinderten Herrn Schneider
und seine Begleiter, weiter vorzudringen als bis an den Schafhof auf der, dem
jetzigen Schäfergebäude gegenüber liegenden kleinen Anhöhe….
13
Soweit der Diakon L. Rothe.
Pfarrer Mag. C.G. Schmidt beschreibt weiter:
Die bey dem Herrenhofe gelegene Wassermühle wurde durch eine von den
Preußen abgeschoßene Granate in Brand gesteckt, und das Grauen der
Verwüstung rückte daselbst der heiligen Stätte immer näher, da nun die Reihe
auch an die geistlichen Gebäude kam, die in diesem allgemeinen Grauen nach
Gottes heiligem Rath nicht verschont blieben, sondern ebenfalls ein trauriges
Denkmal dieses beispiellosen Königs [gemeint ist der Kaiser] und der in den
Jahrbüchern der Geschichte ewig denkwürdigen Völkerschlacht bey Leipzig
werden sollten.
Der Kirchthurm gerieth zuerst in Brand, in der obersten Haube, entweder durch
den vom Herrenhofe bey dem stark wehenden Nordwestwinde herumgetriebenen
Feuerbrand, wobey, wie andere bemerkt haben wollen, ebenfalls durch eine von
der Parde abgeschossene Haubitzgranate; weil der drüben stehende Feind vielleicht bemerkt hatte, daß seine Bewegungen vom Thurm aus beobachtet wurden.
Soweit der Bericht von Mag. C.G. Schmidt.
Pfarrer C.A. Wildenhahn ergänzt dazu in
der Chronik, S. 62:
Nach der Erzählung des hiesigen Cantors Pögner, der bis zum Brande der Kirche
in Schönefeld ausgehalten hatte, trug sich der Unfall folgender Maßen zu: Pögner
hatte einen großen Theil geräuchertes Schweinefleisch in dem Raum der
Thurmspitze verborgen, zu welcher nur auf einer Leiter, die eine wohl berechnete
Länge haben mußte, emporgestiegen werden konnte. Ehe der Herrenhof in Brand
gerieth, befanden sich nur wenig Leute in der Kirche, obgleich viele ihr Hab und
Gut in der wohlverschlossenen Sakristei verborgen hatten. Pögner ging zu Zeiten
auf den Thurm, um das Terrain zu übersehen. Plötzlich fangen die nahe liegenden
Häuser und Güther an zu brennen, besonders das jetzt Klinger´n gehörige Guth.
Pögner will nun die Laden in der Thurmaussicht schließen, weil ein heftiger Wind
ging, der leicht das herum fliegende Feuer in den Thurm tragen könnte. Aber die
Gewalt des Sturmes ist so groß, daß weder Pögner noch ein anderer mit ihm die
Laden herumschlagen könne. Aus Furcht, daß eine feindliche Kanonenkugel die
… [?] Zuschauer auf dem Thurm verscheuchen können, verläßt Pögner den
Thurm und geht ins Schiff der Kirche. Plötzlich fallen mitten in die Kirche
unterhalb des Thurmes brennende Feuerbüschel. Pögner will die Thurmtreppe
hinan, trifft auf einen Mann mit einer Tabakspfeife und glaubt, dieser habe das
Feuer verbreitet. Aber der Mann zeigt, daß in seiner Pfeife gar kein Feuer sei, und
ehe sie sich´s versehen, schreit es unten: „ der Thurm brennt“ – und bald stand die
ganze Kirche in Flammen. Demnach ist der Kirchthurm durch Flugfeuer vom
Herrenhofe oder von Klingers Gut in Brand gesteckt worden, und Pögners
Schinken und Würste mögen wohl ein wenig Öl ins Feuer gegossen haben.
Dieses hat mir Unterzeichnetem der Cantor Pögner selbst mehr als einmal erzählt.
C.A. Wildenhahn, P.
14
Weiter der Text von Mag. C.G. Schmidt:
Das Kirchenhaus war nun nicht mehr zu retten. Unsere schönen Glocken, die in
der Gegend nicht ihresgleichen hatten, schmolzen zusammen und fielen tropfenund stückweise herunter. Die Thurmuhr, die Orgel, das ganze Eingeweide der
Kirche wurde vom Feuer zerstört: die Sakristey mit allen in dieselbe geflüchteten
Effecten vieler unserer Einwohner, wohin auch wir unsere besten Mobilien, auch
Wäsche, Betten, Kleidungsstücke, Geld und Geldeswerth gebracht, in welcher ich
auch die sämmtlichen Kirchenbücher, bis zum Anfange des siebzehnten
Jahrhunderts hinaufreichten, und alle zum Pfarr-Archiv gehörigen Documente und
Schriften am sichersten verwahren zu können geglaubt hatte, brannte rein aus, und
was dem Feuer noch widerstanden hatte, wurde nachher von Soldaten und
anderen bösen Menschen, auch hiesigen gewissenlosen Menschen geraubt und
geplündert; und nun stehen die Ruinen unseres Gotteshauses da, das seiner
Wiederherstellung folglich entgegen harrt, bey deren Anblick wir einander
schreiend und jammernd zurufen mußten: So Schönefeld, so brannte dein
Gotteshaus, so stürzt die Gluth den Thurm, so sieht es jetzt aus!
Das Schulgebäude blieb an diesem Tage noch stehen, und ging erst die
Mittwoche, den 20. Oct. in Flammen auf, durch eine Unvorsichtigkeit der
russischen Soldaten, die in demselben hausten. Auch die der Kirche so nahe
liegende Pfarrwohnung wurde schon am Montage ein Raub der Flammen, und
Handschrift des Pfarrers Carl August Wildenhahn, etwas verkleinert;
Bericht von 1 838 über Pögners Erzählung vom Brand der Kirche
15
brannte mit allen ihren Wohn- und Wirthschaftsgebäuden und deren darinnen
befindlichen Mobilien bis auf den Grund darnieder. Mein ganzer aus zehn
Stücken bestehender Viehbestand fiel den Soldaten in die Hände: mein von der
vorhergegangenen Fouragirung übrig gebliebenes Getreide wurde vom Feuer
verzehrt, sodaß ich von der ganzen schönen Erndte nicht mal über 20 Scheffel
Korn behalten habe, und von allen zur Wirthschaft gehörigen Geräthschaften ist
mir auch nicht eine Mistgabel zu schweigen ein bedeutenderes Stück übrig
geblieben. Mein Pferd musste ich einem französischen General gegen sechs Stück
Ochsen überlassen, welches ein guter Handel gewesen seyn würde, wenn mir
dieselben nicht auch wieder wären geraubt worden.
Das schrecklich wüthende Feuer, was niemand auslöschen machen konnte – das
breitete sich nun immer weiter aus, ergriff die größeren Güther sowohl als die
kleineren, eines nach dem anderen, und ist in ganz Schönefeld kein einziges Haus
völlig unversehrt durchgekommen: die meisten liegen ganz in der Asche und die
noch stehen gebliebenen tragen die Spuren der sie betroffenen Verwüstungen
sichtbar an der Stirn.
Da an diesem Tage mit der größten Erbitterung und Hartnäckigkeit gefochten, und
das Dorf vier bis fünfmal erstürmt worden ist, und bald die Rußen und Preußen,
bald die Franzosen die Oberhand gehabt haben, welche aber endlich doch
weichen und das Feld räumen mußten: so kann man sich vorstellen, wie es damals
bey uns ausgesehen hat. Viele Hunderte haben in Schönefeld ihren Tod gefunden,
die beyden Teiche im Dorfe waren mit Leichnamen angefüllt gewesen, und auf
dem vor dem Ploßische Güther- und Gartenhausse angelegten grünen Platz liegen
über 70 erschoßener und an ihren Wunden verstorbene Franzosen, Rußen und
Preußen begraben. Doch ist kein einziger unserer hiesigen Einwohner dabey ums
Leben gekommen, einen alten kranken Mann ausgenommen, der nachher vermißt
und nicht wieder gefunden worden ist; und von dessen Schicksal man hernach
nichts weiter erfahren hat – welches als ein Wunder der göttlichen Vorsehung auf
die Nachkommen bekannt gemacht zu werden verdient.
Soweit der Text von Mag. C.G. Schmidt
aus Schönefelder Sicht.
Von Leipzig aus beschreibt der
Gerichtsverwalter Johann Christian Neubert
das Geschehen (PfA Altakte 327, Bl.1 ,
Vorder- und Rückseite):
Leipzig, den 18ten Octobr. 1813
Als ich, der dermalige Gerichtsverwalter des benachbarten Dorfs Schönefeldt
von dem Boden meines Haußes in der Grimmischen Gaß allhire, die 3 Cronen
genannt, dem Vorrücken des Preußischen und Rußischen Corps unter dem
Commando des Generals von Blücher u. Yorks gegen die unter dem Marschall
Mormont stehenden Franzosen in der Gegend Lindenthal, Groß- und
Kleinwideritzsch auch Eutritzsch zusah u. zugleich das Raths-Vorwerk
Pfaffendorf in Feuer aufging, vernahm ich in der Gegend der hiesigen Nicolai
Kirche eine Weiberstimme, welche eine ihrer Bekannten die Worte:
16
„Frau Gevatter, alle Weile ist der Thurm in Schönefeldt eingestürzt“, zuschrie;
auch diese Nachricht einer andern Person auf Befragen ebenfalls mittheilte.
Indem ich nun vom Boden herab in die Grimmische Gaße eilte, trat mir der
hiesige Banquier, Herr Christoph Heinrich Ploß, Besizer mehrerer Nachbar
Güther in Schönefeldt in der Hausthüre entgegen, und zeigte mir an, daß nicht nur
die Kirche, Pfarre, die herrschaftlichen Gebäude, sondern auch seine und die
Försterschen Güther und Häußer zu Schönefeldt in Feuer ständen, welches
ohngefähr Nachmittags nach 2 Uhr seyn mochte.
Ich verfügte mich nun auf den Boden der Dr. Hilligschen samt Schröterschen
Haußes in der hiesigen Katharinen Straße, von wo aus man die Uebersicht des
ganzen Schlachtgetümmels sehr deutlich hatte, u. mußte leider ! sogleich ersehen,
daß der Thurm der Kirche zu Schönefeldt schon weg war, die übrigen darum
liegenden Gebäude, als Pfarre, Schule, Herrschaftl. Garten- und Wohnhauß, auch
alle Wirthschaftsgebäude ebenfalls auch theils noch im Feuer standen, theils
schon völlig niedergebrannt waren, von den übrigen Gebäuden des Dorfes
hingegen nur noch wenige standen, das ganze Schlachtgetümmel sich um das
Dorf nach Volckmarsdorf zu gezogen, und die Gegend zwischen der Lindenallee
u. Kletterstange ebenso, als die Seite an der Lindenallee nach Leipzig, u. der
Windmühle zu, die die Wiesenstücke genannt, mit französischen Batterien besetzt
waren, welche erstere auf die eindringenden Russen von Abtnaundorf her, u. …
die Schweden von St. Thecla u. Paunsdorf her, unaufhörlich die französ.
Batterien, letztere aber auf die Preußen nach dem Leipziger Scharfrichterweg zu
schoßen, das unglückliche Dorf Schönefeldt aber der Punkt war, um deßen
Wegnahme auf dieser Seite des großen Schlachtfeldgetümmels sehr heftig mit
abwechselndem Glück von beiden Theilen gestritten wurde.
Nachdem ich gegen Abend diese unglückliche Gegend von dem Hilligschen
Boden herab nochmals übersehen, fand es sich, daß die sämmtlichen rechts und
links der Schönefeldter Linden Allee gestandenen Batterien der Franzosen weg,
und die leztere bis an die Vorstädte der hiesigen Stadt gedrängt waren, bey
Schönefeldt hingegen und nach Volckmarsdorf u. den Straßenhäusern zu die vor
jetzt vorgerückten Truppen der alliierten Mächte, wahrscheinlich Preußen, Rußen
u. Schweden seyn mochten, das Dorf Schönefeldt selbst aber von seinen
Trümmern immerwährend fort rauchte u. dampfte.
Zur künftigen Nachricht habe ich dieses alles gewißenhaft anhero bemerckt,
wegen des großen Unglücks zu Schönefeldt besondere Acten … angelegt, und in
denselben nähere Umstände dieses Unglückes zu bemercken resolviret
[=beschlossen]. So geschehen …
Joh. Christian Neubert,
derzeit Gerichtsverwalter zu Schönefeldt
17
Der Pfarrer Mag. C.G. Schmidt äußert sich
erschüttert und ergriffen:
Der Anblick, welchen die allgemeine Zerstörung besonders in der ersten Tagen
darbot, war erschütternd und herzergreifend, und wir konnten allen
Vorübergehenden zurufen: kommt und seht, ob irgend ein Schmerz sey wie der
Schmerz, der uns getroffen hat: der Herr hat uns voll Jammers gemacht und einen
bitteren Leidenskelch eingeschenkt.
Der Gerichtsverwalter dokumentiert am
zweiten Tage nach der Schlacht sachlich
über die Trümmerstätte des Dorfes,
über die noch verbliebenen Verwundeten
und über die Beerdigung der vielen Toten
(PfA Altakte 327, Bl 2):
Schönefeldt, den 20sten October 1813:
Nachdem ich, der hiesigen Gerichtsverwalter mich heutigen Tags anhero
persönlich verfüget, habe ich alles dasjenige, was die vorstehende Registratur
enthalten, leider! ganz bestätigt gefunden.
Da im ganzen Dorf Niemand als der Nachbar Trommler, der Wassermüller
Pötzsche, der jüngere Kanic und der Zimmergesell Gottfried Lindner anzutreffen
war, so ging ich mit diesen in das unglückliche Dorf durch, und mußte ersehen,
daß außer dem herrschaftlichen Wohnhauße, den Scheunen, Wirthschafts-,
Garten- und vielen anderen Gebäuden nebst dem neuen und alten Schaafstalle
insbesondere auch
a) die Kirche bis auf die Mauern,
b) der Thurm, letzterer gleich, bis auf einen etwa noch 8 Ellen hohen Vorsprung,
c) die Schule nebst Stall,
d) die Pfarrwohnung, das dazu gehörige Wirthschaftsgebäude, Ställe, auch
Scheune total abgebrannt und eingeäschert waren, daß man aber wegen der noch
dampfenden Trümmern vor jetzt etwas weiter nicht unternehmen konnte.
Wie nun die Beerdigung der vielen Todten in den Häußern, Gärten und Feldern
nöthig wurde, so ward deshalb vorläufig Anstalt getroffen; in Rücksicht der
Bleßirten [=Verwundeten] aber hatten die alliierten Mächte die meisten schon
nach Leipzig, auf die sogenannte Milchinsel, und die Schweden insbesondere
die Ihrigen in ein in dem Ploßischen großen Garten Hauße etablirtes Lazareth
schaffen laßen, und da noch 2 bleßirten französ. Dragoner Offizirs in der kleinen
herrschaftl. Gartenlaube, ohne Füße fast ganz unter freyem Himmel und nur mit
einem Mantel bedeckt hülflos lagen und um ihre Fortschaffung flehentlich baten,
so habe ich den Zimmergesell Lindner veranlaßt, daß derselbe ohne Schonung
einiger Kosten einen Wagen anschaffe und diese Offizire in das Lazarett nach
Leipzig noch heute Abendt 7 Uhr schaffen mußte. Übrigens sind zur Beerdigung
der Todten mehrere Dorfschaften durch das Leipziger Creis Amt aufgeboten, und
dieses alles vorläufig anhero bemerckt worden.
Nachrichtlich …
Joh. Christian Neubert, GV
18
Pfarrer Mag. C.G. Schmidt berichtet weiter:
Ich war mit meiner Gattin in der Stadt, wo wir fast drey Wochen verweilen
mußten, weil es eine für den Augenblick schwer zu lösende Aufgabe war, wo uns
bey der allgemeinen Zerstörung ein Aufenthalt zutheil werden würde – so fanden
wir endlich im Kohlgarten, auf dem gleich hinter der Capelle liegenden Guthe des
Herrn Kaufmanns Wilhelmi in Leipzig, welcher mir ein im Hofe neu gebautes
Haus zur Wohnung anwies, nicht nur alle erwünschte Bequemlichkeit, sondern
auch die zur Fortsetzung, oder vielmehr ganz neuen Etablirung meiner
Wirthschaft nöthigen Personen bey mir haben konnte, welche seltene Gefälligkeit
und zuvorkommende Güte ich mit dem dankbarsten Herzen zu rühmen mich bis
an mein Ende verpflichtet fühlen werde. Denn von allen Geräthschaften war mir
auch nicht das geringste Stück übrig geblieben: mein ganzer sehr ansehnlicher
Viehbestand war von den Soldaten geraubt worden, und ich mußte von dieser Zeit
an sogar mein Brodt kaufen, da das der Fouragirung noch entgangene Korn ein
Opfer des Feuers geworden war, und ich von den französischen Garden, die alle
Winkel durchsucht hatten, aus Habsucht alles mitnahmen und mich und die
Meinigen unsäglich quälten. …
Bey der gänzlichen Verarmung meiner Gemeinde konnte ich keinen Dreier
erwarten viel weniger erhalten. Mein ganzer erlittener Verlust, den ich in den
anbefohlenen Eingaben sehr mäßig eingeschätzt habe, kann nicht mit 5000
Reichsthaler gedeckt werden, und ich sehe mich gezwungen, Summen zu borgen,
1
22
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19
20
Ortslage Schönefeld in der 2. Hälfte des 1 8. Jh. ohne exakten Maßstab,
Größe des Kartenausschnitts etwa 1 200 m x 700 m, nach einer Karte im Pfarrarchiv
1 . Parthe
2. Rand der Aue
3. Schönefelder Bach
4. Teiche im Dorf
5. Teich im
herrschaftlichen Garten
6. Rittergut
7. Herrenhaus
19
8. Herrschaftlicher Garten
9. Schäferei
1 0. Lindenallee zur Windmühle
11 . Wassermühle
1 2. Schule
1 3. Kirche
1 4. Pfarre mit
Wirtschaftsgebäuden
1 5. Schenke „Kletterstange“
1 6. äußerer Friedhof
1 7. Straße nach Abtnaundorf
1 8. Straße zur Theklakirche
1 9. Fußweg nach Taucha
20. Straße nach Sellerhausen
21 . Fußweg nach Leipzig
22. Fußweg nach Eutritzsch
um meine total ruinirte Wirthschaft wieder zu etabliren, an deren Fortführung mir
alles gelegen sein mußte, um bestehen zu können; bekam jedoch manche
bedeutende Unterstützung, sowohl an Geld. … Ich war zu einer drückenden
Dürftigkeit herabgesunken, und befand mich in der traurigen Nothwendigkeit,
einige Capitalien aufnehmen zu müssen, um meine Wirthschaft notdürftig
fortsetzen zu können. Ich darf nicht unterlassen, manche wohlthätige
Unterstützung einiger preiswürdiger Hülfsvereine dankend zu rühmen.
Am 21sten Sonntage nach Trinitatis [7. November 1813] hielt ich, nach den
vorher gegangenen schrecklichen Catastrophen, in der Capelle des Kohlgartens
wieder den ersten Gottesdienst und predigte über die Worte: „demüthiget euch
unter die gewaltige Hand Gottes, so wird er euch erhöhen zu seiner Zeit.“ Dieser
Vortrag erschütterte den Lehrer und die Gemeinde, war aber auch für beyde mit
Trost und Ergebung verbunden. Da vor der Hand kein anderes Lokal ausfindig
gemacht werden konnte, so wurde der Gottesdienst den Winter hindurch an
diesem Ort fortgesetzt, jedoch auch einige Mal in Schönefeld, welcher einmal in
einer Scheune – einmal neben der Ruine der eingeäscherten Kirche auf dem
Gottesacker geschah, mußte aber wegen eingefallenem Regenwetter unterbleiben,
das andere Mal in der halb zerstörten Halle des vor dem Dorf liegenden
Gottesackers oder in Abtnaundorf, auf dem dortigen Herrnhofe gehalten; welches
bey der weiten Entfernung meines damaligen Wohnorts und bey der größtentheils
bald nassen bald kalten Winterwitterung für mich mit mancherley großen
Beschwerden und Strapazen verbunden war; zumal wegen des grassirende
Gemälde der Ruine der Kirche Schönefeld, Ansicht von Nordnordost,
Zustand etwa Sommer 1 81 6, unbekannter Künstler,
Ölgemälde in der Gedächtniskirche Leipzig-Schönefeld;
Foto: Gregor Gebauer 201 3
20
Nervenfiebers die Sterblichkeit immer größer wurde, und ich den Weg vom
Kohlgarten nach Schönefeld, wo die meisten Leichen begraben wurden, fast
täglich machen mußte. Bey diesen Wanderungen hatte ich oft Gelegenheit, jene
bekannten Worte auf mich anzuwenden: „Soll ich in dieser Welt mein Leben
höher bringen, durch manchen saurern Schritt hindurch ins Leben dringen.“
Soweit der Bericht von Mag. C.G. Schmidt.
Vom 8. November 1 81 3 stammt die Nachricht
des Gerichtsverwalters Joh. Christian
Neubert (PfA Altakte 327, Bl. 2 Rückseite).
… Anlangend aber die vielen durchs Nervenfieber weggerafften Personen, so sind
deren Viele ohne Särge, auch ohne allen weiteren Prunk und Aufzug auf hiesigem
Gottesacker an der Kirche, und dem vor dem Dorfe nach Abtnaundorf zu beerdigt
worden. …
Weiter Mag. C.G. Schmidt:
Nun gelang es mir gegen Ende dieses verhängnisvollen Jahres [1813], ein
Hufenguth in Schönfeld käuflich an mich zu bringen, und hatte Ursache, dieses
Ereignis um so viel mehr als einen Weg der göttlichen Vorsehung zu betrachten,
je weniger ich an eine baldige Wiederherstellung meiner Amtswohnung hoffen
durfte, deren Bau dem damaligen Gerichtsherrn und Kirchenpatron so wenig am
Herzen lag, daß ich im folgenden Jahr (1814) nicht einmal die Herstellung der
Scheuer erlangen konnte, die mir doch zur Aufbewahrung meiner Erndte höchst
nöthig war, und ich daher für mein Getreide bei einigen Nachbarn im Dorfe ein
Unterkommen und Obdach suchen mußte. Nachdem ich nun den Winter hindurch
in dem erkauften Guthe, welches zwar vom Feuer verschont geblieben, aber doch
auch äußerst ruinirt worden war, die nöthigsten Reparaturen hatte machen lassen,
so verließ ich noch Ostern 1814 mein Pathmos [=Verbannungsort] im Kohlgarten
mit dem innigsten Dankgefühl gegen meinen bisherigen güthigen Wirth und zog
nach einem halbjährigen Exilium nach Schönfeld zurück, in Hoffnung, auch
einmal wieder von meiner Amtswohnung Besiz zu nehmen, wenn es anders Gott,
mein Leben bis dahin zu geleiten, gefallen wird, meine bereits hoch hinauf
gestiegenen Jahre bis dahin zu fristen, und der Gottesdienst wurde von der Zeit an
abwechselnd in der Capelle des Kohlgartens und auf dem Herrenhofe zu
Abtnaundorf gehalten, wozu der Herr Geheime Kammerrath Frege bis zum Ende
des Sommers das Gerichtshauß und nachher aber den unteren Speisesaal im
Haupthause einräumte. Die Taufen und Trauungen wurden, meistens in meiner
Stube, zum Theil aber auch in der Capelle verrichtet, falls ich gerade dort
zugegen war.
Das erste von unseren eingeäscherten geistlichen Gebäuden, für deren Bau
gesorgt wurde, war billig die Schulwohnung, deren Herstellung der damalige
Gerichtsherr übernahm; da man aber spät im Sommer damit anfing, so wurde sie
erst im tiefen Herbst so weit vollendet, daß die Schulstube fertig, und zugleich
zum Halten des Gottesdienstes eingerichtet werden konnte, zu welchem Zweck
sie am zweiten Adventssonntage [Dezember 1814] eingeweiht und von da an der
Gottesdienst in der Capelle nur aller drey Wochen gehalten worden ist.
21
Hier muß ich etwas einschalten, das ich zur Kenntnis meiner lieben Nachfolger
im Amte zu bringen nicht unterlassen darf. Durch die traurige Notwendigkeit
nach dem die Kirche zu Schönefeld betroffenen schrecklichen Unglück die
Begräbniskapelle des Kohlgartens zum Interimsort des öffentlichen Gottesdienstes vor der Hand zu wählen, war bei der dasigen Gemeine der Wunsch
entstanden, diese Bequemlichkeit auch für die Zukunft zu genießen, und die drey
Dörfer des Kohlgartens – (Sellerhausen und Stünz nahmen keinen Teil daran) –
kamen bey E. Höchlöbl. Consistorii zu Leipzig mit einer weitläufigen Vorstellung
ein, in welcher die Beschwerden, die mit ihrer zeit …[?] Verbindung mit
Schönefeld verbunden seyn sollen, mit übertriebenen Farben schilderten, und
darauf antrugen, daß Ihnen gestattet werden möchte, ihre Capelle zu erweitern,
und in derselben ihren Gottesdienst fortzuhalten, welcher, wie aus ihrem
Schreiben in ziemlich verworrenen Äußerungen hervorzugehen scheint, dem
Pfarrer in Schönefeld zuzumuthen und auch die vorfallenden Trauungen und
Taufen in der Capelle zu verrichten, gefordert wurde. Dieses in den hiesigen
Pfarrakten befindliche Schreiben wurde dann sämtlichen eingepfarrten
Gemeinden kommuniziert, die ihre Meinung und Gutachten darüber eingaben,
aber meistens verneinend gestimmt haben, welches auch von mir feierlich
protestando geschehen ist und nicht anders geschehen konnte, wie aus denen von
mir angeführten Gründen ersehen werden kann, die hauptsächlich aus meiner
Vocation zum hiesigen Pastorat hergenommen sind.
Den hiesigen Gerichten ist aufgegeben, Bericht zu erstatten, u. es steht zu
erwarten, wie ein hohes Collegium entscheiden wird. Es ist jedoch höchst
wahrscheinlich, daß es bey dem Alten bleiben wird, und das die Kohlgärtner
Gemeinde, die ein so kostspieliges Unternehmen auszuführen nicht im Stande ist,
sich durch diesen unüberlegten Schritt, der einer ohne den Wirth gemachten
Rechnung höchstwahrscheinlich folgt, unnötige Kosten wird zugezogen haben.
Ich werde übrigens nicht ermangeln, den Ausgang dieser Angelegenheit sobald
eine höhere Entscheidung erfolgt seyn wird, der gegenwärtigen Nachricht zu
seiner Zeit beyzubringen.
Der Wiederaufbau der zerstörten Kirche
verzögert sich also nicht nur durch
die Krankheit des Patronatsherrn (?) und
durch die geringen Möglichkeiten der
verarmten Gemeinde, sondern auch durch
Uneinigkeit innerhalb des Kirchspiels.
In seiner Predigt am 1 . Advent 1 81 5 klagt
der Pfarrer Mag. C.G. Schmidt und erbittet
Hilfe auch von anderen, die von der Last des
Krieges nicht so getroffen worden waren.
Unser Gotteshaus ist ein trauriges Opfer der wildesten Zerstörung geworden:
es liegt in seinen jammervollen Ruinen vor unsern Augen; noch hat man zur
Wiederherstellung desselben keinen Stein angerührt. … Gedankenlos und ohne
Rührung blicken viele auf diesen Grund der Verwüstung hin, und sagen oder
denken doch in ihrem Herzen: die Zeit ist noch nicht da, daß man des Herrn Haus
baue. … Eure Zeit ist da, daß ihr in euern wieder aufgebauten Häusern wohnet
22
und dieses Haus muß wüste stehen? … Hinzu gesellen sich noch die Nachwehen
eines für geendigt gehaltenen Krieges der, ehe wir es denken, in neue Flammen
ausbrechen kann … Das Gotteshaus hatte oft nicht Raum genug, um alle zu
fassen, die sich eingefunden hatten zu hören, was mir von Gott an sie
befohlen war. …
Allein wie ist das nun ganz anders bey uns geworden! Welche Gleichgültigkeit
gegen den öffentlichen Gottesdienst, welche sichtbare Verachtung des göttlichen
Worts, welcher Unglaube, welche Sittenlosigkeit ist unter uns eingerissen und
herrschend geworden? ... Nun jammerten und wehklagten wir, als wir zu dem
Greuel der Verwüstung hinaufblickten: nun riefen wir trostlos aus, ach, unser
schöner Tempel: … ach möchtest du aus deinen Trümmern bald wieder
hervorgehen!
Allein zu diesem wichtigen Zweck braucht Gott Mittelspersonen, wohlthätige
Menschen- und Gottesfreunde, treue Verehrer der Religion und des
Gottesdienstes, die es nicht länger mit ansehen können, daß das Haus des Herrn
wüste liege, während sie in bequemen und schönen Häusern wohnen: Durch Freigebigkeit und großmüthige Mitwirkung muß ein Werk befördert werden, das
fraglich unsere Kräfte weit übersteigt, und einen Aufwand nöthig macht, den die
zu unserm Gotteshause gehörenden Gemeinden, die durch die schrecklichen
Kriegsereignisse, und durch den noch immer fortwährenden Druck der Zeit auf
das Äußerste mitgenommen worden sind, aus eigenen Mitteln aufzubringen, nicht
im Stande seyn würden, und ihr Gotteshaus noch lange in seinen Ruinen liegen
lassen müßten, wenn ihnen nicht durch fremde Beyhülfe unter die Arme
gegriffen würde. …
Ich wage es, mich besonders an euch zu wenden, ihr begütherten und
großmüthigen Bewohner der uns so nahen Stadt, die sich von jeher als eine
unverdrossene Beförderin gemeinnütziger Anstalten, als eine wohlthätige Mutter
der Hülfsbedürftigen auszeichnet, welche in jenen verhängnißvollen Tagen, die
Brand, Plünderung und alles Unglück über uns brachten, durch die schützende
Hand einer höhern Vorsehung so gnädig erhalten …, die ihre herzliche
Dankbarkeit für dieses Wunder ihrer Erhaltung durch Werke der Liebe an den Tag
gelegt, und Gaben und Allmosen unter die nothleidenden Brüder mit vollen
Händen ausgespendet hat. …
Ersetzet von eurem Überfluß unsern Tempel, helfet uns Holz und Steine
herbeyschaffen, helfet uns Grund zu legen zu unserm Tempel. …
23
Nicht nur die Kirche, auch das Pfarrhaus liegt
in Trümmern. Der Pfarrer ist zu seiner
Existenz auf die Erträge seiner kleinen
Landwirtschaft angewiesen.
Die notwendigen Gebäude wieder
aufzubauen, ist er als fast 70jähriger Greis
nicht in der Lage. Seine dringende Bitte geht
an die Kircheninspektion bzw. an den Herrn
Kirchenpatron.
Pfarrer Mag. C.G. Schmidt schreibt am
3. März 1 81 5:
(PfA Altakte 327, Bl. 26 und 27).
Magnifice, Hochwürdigen
Wohl und HochEdelgebohrene
Besonders HochzuEhrende Herren,
Das unser armes Schönefeld betroffene harte Schicksal ist zu sehr in die Augen
springend, als daß ich eine ausführliche Darstellung deßelben vorausgehen zu
lassen nöthig hätte. Sie, würdiger Herr Kirchenpatron, sind von diesem großen
Unglück vor anderen am schrecklichsten umgriffen worden, und haben sich vor
dem Jahre in der Nothwendigkeit befunden, selbst Scheuern Ihrer Unterthanen in
Anspruch zu nehmen, um Ihr Getreide einbringen zu lassen. Auch mein Fall ist es
gewesen, einen anderweitigen Zufluchtsort für meine Erndte suchen zu müssen:
es ist mir damals gelungen, meine Garben ins Trockene zu bringen; und der
Wunsch, meiner in diesem Jahr zu hoffenden Erndte wiederum ein sicheres
Obdach zu verschaffen, ist die Veranlassung des gegenwärtigen ehrerbietigen
Schreibens, welches ich an eine hochverehrliche Kirchen-Inspektion zu
Schönefeld ergehen zu lassen mich gedrungen fühle.
Daß die sämmtlichen Pfarrgebäude mit allen in denselben befindlichen Mobilien,
mit dem der Fouragirung [= Beschlagnahme durch die Truppen] noch
entgangenen Getreide, mit allen zur Feldt-Oekonomie gehörigen Geräthschaften
an jenem verhängnißvollen 18. Octbr. 1813 ein Raub der Flammen geworden,
ruhet Demselben gewiß auch in mitleidigem Andenken, und die theilnehmenden
u. wohlwollenden Gesinnungen, welche Sie mir damals zu erkennen gaben, haben
einen lindernden Balsam in meine schmerzende Wunde gegoßen.
Da die nächste Behörde, an welche ich mich nach dem Brande zuerst wendete bey
der allgemeinen Zerstörung, in welcher unser Ort versunken war, mir keinen Platz
nachweisen konnte, wohin ich meine Zuflucht hätte nehmen u. mich zu
Fortführung meines Amtes aufhalten könne; so fand ich denselben durch meine
eigene Bemühung im Kohlgarten, auf dem Guthe des Herrn Kaufmann Wilhelmi
zu Leipzig, der so gefällig und grosmüthig war, mir eine bequeme und völlig
ausmöblierte Wohnung einzuräumen ohne irgendwelche Vergütung dafür zu
verlangen, in welcher ich mich ein ganzes halbes Jahr überaus wohl
befunden habe.
Es gelang mir, gegen Weihnachten ein Hufenguth in Schönefeld käuflich an mich
zu bringen, deßen Gebäude von der Zerstörung nicht so viel gelitten hatten,
welches ich nach Ostern des vorigen Jahres [1814] nach vorhergegangenen
mehreren kostspieligen Reparaturen beziehen konnte, u. das von der Vorsehung
gleichsam für mich erhalten zu seyn schien, da die benachbarten Häußer fast alle
vom Feuer waren eingeäschert worden. Ich bat … dringend u. flehentlich, mir
wenigstens die Pfarrscheune zu bauen, da die zu meinem Guthe gehörige das
gewachsene Getreide nicht zum dritten Theil dort faßen konnte. Man erwiderte:
es wäre kein Geld vorhanden; es müsste vor allen Dingen zur Wiederherstellung
der Schulwohnung geschritten werden; man versprach bestimmt und
zuversichtlich, daß Scheune und Ställe im folgenden Jahr gewiß an die Reihe
kommen sollten; ich beruhigte mich bei diesen Zusicherungen und war so
glücklich, meine Erndte theils in meiner eigenen, theils auch in einigen Scheunen
gutdenkender Nachbarn unterzubringen.
Allein, HochzuEhrende Herren, es gewinnt mählig das Ansehen, als wenn dieses
mir gethane Versprechen auch in diesem Jahre unerfüllt bleiben würde, indem
24
man den Mangel an Geld abermals zum Vorwand braucht, und sich bereits laut
erklärt hat, daß man einem so gerechten Wunsche nicht zu entsprechen
entschloßen sey; und das nöthiget mich, dieses so dringende Anliegen zuvörderst
einer hochverehrlichen Kirchen-Inspektion vorzutragen, mit der Bitte, dasselbe
hochgeneigt zu beherzigen, und auf das baldigste zu Kenntniß und Entscheidung
Eures Hochlöbl. Consistorii zu bringen. Die geringsten Feldbesitzer haben ihre
zerstörten Scheunen wieder aufgebaut, da sie zu den ersten Bedürfnißen der
Oekonomie gehören; und ich soll dieses unumgänglich nöthige Bedürfniß allein
entbehren, und bey dem Mangel einer Scheune einen Haupttheil des mir durch die
Feldwirthschaft ungewissen Einkommens einbüßen und sichtbar zu Grunde
gehen laßen?
Ich soll die große Summe, welche die Retablierung [=Wiederherstellung] meiner
ganz zerütteten Oekonomie gekostet und mich in eine sehr bedeutende
Schuldenlast gestürzt hat, umsonst aufgewendet haben? Kann das einer
hochverehrlichen Kirchen-Inspektion gleichgültig sein!
Daß meine zu dem von mir erkauften Guthe gehörige Scheuer kaum den vierten
Theil der zu hoffenden Erndte faßen kann, liegt am Tage. Soll ich nun das Übrige
unter Gottes freyen Himmel hinstellen u. entweder dem gänzlichen Verderben,
oder doch einer nicht zu leugnenden Einbuße preisgeben, da mir in diesem Jahr
Niemand seine Scheuer wird öffnen können, die Jeder für sich nöthig hat? Ist nun
Zentrum des Dorfes Schönefeld in der 2. Hälfte des 1 8. Jahhunderts
ohne exakten Maßstab, Kartenausschnitt etwa 600 m x 400 m, Karte im Pfarrarchiv,
handschriftliche Eintragungen schwer leserlich
25
aber zum Bau der Pfarrscheuer im Aerario [=Vermögen der Patronatsherrschaft]
kein Geld vorhanden: so liegt der Kirchfarth ob, für die geistlichen Gebäude zu
stehen und ist der Observanz [= Gewohnheit] gemäß, dass sie in solchen Fällen zu
Mitleidenschaft gezogen werden muß.
Es ist – ich fühle es – eine unter den dermaligen Umständen harte Zumuthung,
aber es ist nicht weniger drückend für mich, wenn man hart genug seyn wollte,
meine so gerechte Bitte zurückzuweisen? Jetzt könnte noch mit geringerem
Aufwand gebaut werden als bey längerem Aufschub; u. sollte es denn nicht
möglich seyn, daß einer oder einige unserer wohlhabenden u. wohldenkenden
Güterbesitzer im Kirchspiel veranlaßt werden könnte, für die sämmtliche
Gemeinde gegen zu gewährende hinlängliche Sicherheit den Vorschuß zu
machen. …
Gewiß mit einer sehr bedeutenden Ersparniß der Kosten kann man davon
kommen, wenn bald Hand ans Werk gelegt wird. Denn nach dem Urtheil der
Sachverständigen können die sehr starken Außenwände der Scheuer stehen
bleiben, und bedürfen nur einiger Reparatur u. Ausbeßerung. Sollen sie noch
einen dritten Winter dem Regen u. Schnee ausgesetzt seyn, so stürzen sie
höchstwahrscheinlich völlig zusammen, da sie schon hier u. da bedeutende Riße
bekommen haben, und die Kosten würden dann wenigstens um ein Drittheil, wo
nicht noch höher hinaufsteigen.
Und laßen Sie, hochverehrte Patrone, mich endlich noch das hinzusetzen, daß mir
eine zur Besoldung angewiesene Feld-Oekonomie ein Hauptobjekt ist, auf deren
ungestörte Fortführung ich desto mehr sehen muß, da meine übrigen Einnahmen
bey der allgemeinen Verarmung des Kirchspiels sich gewiß um ein Drittheil
vermindert haben.
Nehmen Sie indessen, HochzuverEhrende Herren, diese angeführten Gründe in
Hochgeneigte Erwägung, und erlauben mir, Ihnen noch Folgendes an das Herz zu
legen. Ich habe dem hiesigen Pfarramte nun bereits 36 Jahre vorgestanden, und
mich der Zufriedenheit meiner Vorgesetzten sowohl als der Liebe und alles
Zutrauens meiner Gemeine erfreuen dürfen. Ich gehe meinem siebzigsten
Lebensjahre mit starken Schritten entgegen, und habe meinen wahrhaftig
frommen Dienst am Hauße des Herrn hoffentlich bald vollendet, in welchem ich
neben dem vielen Guten, womit Gott mein Amt gesegnet hat, auch manche bittere
Erfahrung habe machen müßen. Ich begehre in der Welt weiter keine großen
Dinge, da mir Gott in den überstandenen schrecklichen Stürmen der Zeit mein
Leben hat zur Ausbeute daran bringen laßen, und mein sehr bescheidener Wunsch
geht blos dahin, daß der Abend meines Lebens heiter seyn möge, und daß mir
Gott, wenn er mir anders nun noch höheres Ziel bestimmt hat, ein sorgen- und
kummerfreyes Leben schenken wolle.
Helfen Sie, HochgeEhrteste Herren, soviel bey Ihnen steht – und ein bedeutender
Theil meiner Ruhe und Wohlfarth liegt in Ihren Händen – diesen Wunsch
befördern. Tragen Sie zur Erfüllung dieser meiner so gerechten Bitte, mit welcher
ich mich an Sie, als der ersten Instanz wenden zu müssen geglaubt habe, was Sie
können bey, damit ich mein Ammt ferner mit Freude thun kann, und nicht über
unverdiente Zurücksetzung zu seufzen, und meine vielleicht noch wenigen Tage
mit Wehmuth und Jammern zu beschließen genöthiget werde, sondern nach froh
und glücklich vollendetem Tagewerk auf Erden einer höheren und
26
vollkommeneren Würksamkeit in der besseren Welt entgegen zu gehen, im Stande
sey. Mit einer Hochachtung und Ehrfurcht, die aus einem reinen Herzen quilet,
und mit nochmals wiederholter Bitte, dieses mein Anliegen auf das baldigste zur
Kenntniß u. Genehmigung Eures Hochlöblichen Consistorii zu bringen,
verharre ich
Magnifizenz, Hochwürden
Wohl, und HochEdelgebohrenem
gehorsamster Diener
Mag. Christian Gottlieb Schmidt, Pastor
Schönefeld,
am 3. Martii
1815
Ob und wie dieser dringende Bittbrief
beantwortet wurde, ist nicht bekannt.
Der Kirchenpatron, der Rittergutsbesitzer
J.U. Schneider, lag krank darnieder und starb
am 20. Mai 1 81 5 in Leipzig.
In dem Bemühen, eine oder mehrere alte
Kanonen des vergangenen Krieges zu
bekommen, um die Bronze für den Guß
neuer Glocken verwenden zu können,
wandte sich der Gerichtsverwalter
J.C. Neubert im Oktober 1 81 5 auf
erfolgversprechendem Wege an den
Feldmarschall der Siegertruppen.
(PfA Altakte 327, Bl. 67 Rückseite).
An Herrn Dufour-Féronce
angesehenen Handels Herren zu Leipzig
Verehrungswürdiger Herr Dufour!
Ehrerbietigst hat es die unglückliche Gemeinde Schönefeldt gewagt, in der
Beilage Sr. Durchlaucht dem Herrn General Feldmarschall Barclay de Tolly um
eine oder etliche alte Kanonen zu künftiger Wiederherstellung ihrer Glocken
anzugehen, und nur auf Zureden mehrerer Familien, und selbst einige Ihrer
Freunde, wage ich es, … Sie um gütige Übergabe der anliegenden Suppliche
[= Bittgesuch] ganz ergebenst zu bitten, im voraus überzeugt, daß selbige nicht
ungnädig aufgenommen werden wird, bin ich Ihnen als Rechtschaffenem
beschwerlich, der schon sehr oft vieles Guthe für andere that.
Geruhen Sie meine Zudringlichkeit gütigst zu verzeihen; Ich bin mit wahrer
Verehrung Eur. Wohlgeb.
ganz ergebenster
Joh. Christian Neubert
Leipzig den 29sten Oct. 1815
27
(PfA Altakte 327, Bl. 67 Vorderseite und
Rückseite oben)
Dem Kayserl. Rußischen General Feld Marschall Barclay de Tolly
Hochfürstl. Durchlaucht,
derzeit in Leipzig
Durchlauchtigster Fürst
Gnädigster Herr General Feld Marschall!
Eine unglückliche, ja gewiß die unglücklichste Gemeinde Sachßens wagt es,
Eur. Durchlaucht als Menschenfreund unterthänigst anzugehen.
Die Verdrängung des linken Flügels der Franzosen durch das Langeronsche,
Yorckhsche, Wellingtonsche [?] und Schwedische Corps an jenem 16., 17. u.
18ten October 1813 legte unser ehedem großes, und sehr ansehnliches Dorf ganz
in die Asche, – und so verweilen wir noch größtentheils auf deßen Trümmern,
welche wir jedoch mit der Zeit wieder herzustellen gedenken, während dagegen
Kirche und Pfarre noch ganz fehlt. …
Mit großer Anstrengung stellte uns zwar schon unser Guthsbesitzer die mit
eingeäscherte Schule wieder her – obschon er selbst alle seine ansehnliche
Gebäude und noch über 180.000 rl. [?] einbüßte, allein ! zum Aufbau der Pfarre
und Kirche ist wenig Hoffnung vorhanden, zumal dazu über 48.000 rl. [?]
erfordert werden.
Nur gute Herzen können deshalb Etwas noch und noch geschehen laßen, und so
bitten wir denn auch insbesondere Eur. Durchlaucht als großen Menschenfreund
unterthänigst: Durch eine oder etliche alte Kanonen das ehemaligs sehr
beträchtliche und schöne Geläute zu 9 größtentheils mit sammt verwüsteten
Dorfschaften uns wieder gnädigst zu verehren.
Schon der ehemalige Gouverneur Sachßens, Herr Fürst Repnin hatte auf unser
Bitten die Gnade, zu diesem Zwecke eine ansehnliche Kanone von den ehemals
eroberten niederländischen Allhiro liegen zu laßen, allein ! die Zerstückelung
Sachßens machte, daß die Preußen auch dieses Stück mit nach Torgau schafften.
Wollten nun Eur. Durchlaucht wohl gar bey Höchstdero großen Monarchen sich
für unsere unglückliche Kirche mit verwenden, so wird Sie Gott segnen, und
Thränen des Danks werden deshalb noch nach spätern Jahren … den ädlen
Herzen fließen.
Mit tiefster Ehrfurcht sind wir
Eur. Durchlaucht
unterthänigst gehorsamste
die Gemeinde daselbst, und deren Justitiar
Joh. Christian Neubert.
Schönefeldt bey Leipzig den 29sten Octobr 1815.
28
Pfarrer Mag. C.G. Schmidt berichtet weiter
über den endlichen Aufbau der Kirche
und der Pfarre.
Nachdem der hiesige Gerichtsherr, H. Johann Ulrich Schneider, im Monat
May 1815 gestorben war, so wurde auch durch kräftige Mitwirkung des hiesigen
Gerichtsdirektors, Herrn Advokat Neubert in Leipzig, zum Bau der Pfarrscheune
Anstalt gemacht, die im Monat Juli fertig wurde, und ich habe die Hoffnung, daß
die Reihe nun auch an die übrigen Pfarrgebäude kommen wird; sowie es dort
beschlossen ist, daß in diesem Jahr (1816) der Bau der Kirche angefangen werden
soll, zu welchem Behuf auch ich einen kleinen Beitrag geliefert u. eine am ersten
Adventssonntage v.J. gehaltene Predigt, von welcher einige Exemplare bey den
Pfarrakten liegen, hatte drucken lassen, aus deren Verkauf die ziemlich
bedeutende Summe von 738… …gr…. worden ist, die Gott wirklich fragen, u.
mich, wenn es ihm gefällt, die Herstellung unseres Gotteshauses erleben lassen
wolle, in welchem ich über 36 Jahr … habe.
Die Fortsetzung dieser Nachrichten soll, Deo volente [=so Gott will] zu seiner
Zeit erfolgen.
Schönefeld, am 5. Februar 1816
Soweit der Bericht des Pfarrers Mag.
C.G. Schmidt, dessen letzte Zeilen nicht
vollständig entziffert werden können.
Die in erweiterter Form neu erbaute Kirche
konnte nach mehr als dreijähriger Bauzeit
am Sonntag Misericordias Domini, dem
1 6. April 1 820, feierlich eingeweiht werden.
Die Festansprache des Pfarrers Mag.
C.G. Schmidt ist unter dem barocken Titel
„Geschichtliche Erzählung O auch der nach
länger als sechs Jahren erfolgten Wiederherstellung des Gotteshauses O“ publiziert
worden. Sie bringt an unauffälliger Stelle (Seite
43/44) wertvolle Angaben über die Kirche, die in
der Völkerschlacht zerstört worden war, nämlich
einen Bau mit einem schmalen romanischen
Kirchenschiff und wesentlich breiterem
Altarraum aus barocker Zeit:
„… schon im Jahre 1776 … war … durch ein Legat … des … Kirchenpatrons
Herrn Hofrath Zeumers … das für die zahlreiche Kirchfarth sehr beschränkte
Kirchhaus … nach der Morgenseite hin um die Hälfte erweitert worden, und der
entgegengesetzte, äußerst beengte, mit kleinen Fenstern nur nothdürftig
erleuchtete Theil nebst dem Turme war stehengeblieben.“
29
Dieses romanische Kirchenschiff wurde 1 81 6
als unmodern empfunden und darum beseitigt,
um ein neues Kirchenschiff in der größeren
Breite des östlichen Anbaues aufführen
zu können.
… wurde … beschlossen, dieses das Kirchhaus höchst verunstaltende Stück,
nebst der darinnen befindlichen Sakristey und der über derselben herrschaftlichen
Kapelle, vollends abzubrechen, mit dem ehemaligen, stehengebliebenen
Zeumerschen Anbau auf beyden Seiten in gleicher Linie fortzufahren, und so dem
neuen Gotteshause nicht nur eine nötige Erweiterung, sondern auch eine gefällige
Ansicht zu verschaffen. …
Dieser Text von Mag. C.G. Schmidt erlaubt, sich
eine Vorstellung von der älteren Kirche vor der
Völkerschlacht zu machen, und dieser Text hilft
zum Verständnis der beiden Ölgemälde, die aus
der gleichen Zeit stammen und sich jetzt im
Besitz der Kirchgemeinde befinden.
Den Wiederaufbau seines Pfarrhauses hat
Pfarrer Mag. C.G. Schmidt nicht mehr erlebt,
er starb im Februar 1 823 in Schönefeld in
dem kleinen Gute, das er sich gekauft hatte.
Auf ein neues Bronzegeläut mußte die
Gemeinde noch länger warten. Erst im
August 1 839 konnte Pfarrer C.A. Wildenhahn
die neuen Glocken einweihen.
In den auf die Völkerschlacht folgenden Jahren
und Jahrzehnten wurde in dem betroffenen
Gebiet die Erinnerung daran bei unterschiedlichen Anlässen immer wieder wachgerufen.
Mehr als 33 Jahre nach der Schlacht erinnert
Pastor Mag. Gottfried Friedrich Volbeding in den
„Mittheilungen und Anzeigen aus der Parochie
Schönefeld“ (1 847, Seite 1 37).
Unter den im Laufe des Jahres 1846 verstorbenen sei des Tag- und Nachtwächters, Johann Matthäus Prätorius gedacht, welcher, zu Mitau in Curland
geboren, als russischer Soldat die Feldzüge des letzten Krieges mitmachte, im
October 1813 an der Schlacht bei Leipzig Theil nahm und seinen künftigen
Wohnort, der auch sein Sterbeort werden sollte, zum ersten Male im Getümmel
der Schlacht betrat. Er fand in Abtnaundorf seine neue Heimath, begründete
daselbst seinen Hausstand und erfreute sich einer zahlreichen Familie, mit
welcher er sich stets redlich zu nähren bemüht war. Er war lange Jahre schon ein
treuer Diener der Gemeinde. – Am 15. September 1846 starb er in dem Alter von
59 Jahren und hinterließ die Witwe, drei Söhne und drei Töchter, welche seinen
für sie zu frühen Tod betrauern. –
Wie wunderbar Gott seine Menschen führt! In weiter Ferne geboren, findet er
hier, wo Tausende seiner Landsleute im blutigen Kampfe ihre letzte Ruhestätte
fanden, in den Jahren des Friedens sein Grab, so daß auch an ihm das Wort sich
bewährt: Mein Gott, ich weiß nicht, wo ich sterbe und welcher Sand mich einst
bedeckt! – Friede denn mit seiner Asche!
30
In den „Mittheilungen und Anzeigen aus der
Parochie Schönefeld“ (1 848, S. 34/35)
schreibt Lehrer Viehweg aus Volkmarsdorf:
Etwas zur Erinnerung an die Schreckenstage im October 1813
Am 23. Februar d.J. wurde von dem sogenannten Trockenplatze bei
Volkmarsdorf, aus einer bereits vorhandenen Grube, Sand ausgeworfen. Beim
Herauswerfen fand man zwei Todtenköpfe. Als ich, mit mehreren Andern, diese
Schädel betrachtete, kam der 76 Jahr alte Tagewächter Tittig dazu und meinte,
von diesen Todten könne er Etwas erzählen. „In den Schlachttagen des October,
an dem Abend des Tages, an welchem Schönefeld erstürmt worden war
[18. Oktober 1813], brachten mir mehrere französische Soldaten zwei schwer
Verwundete in mein Haus, einen Oberst und einen Unterofficier. Stillschweigend
legte man sie nieder und beim Fortgehen gab man mir zu verstehen, diese
Unglücklichen zu verpflegen. Sie selbst riefen mir mit schwacher Stimme zu:
„Bauer – Wasser.“ – Das war Alles was sie sagen konnten. Leider konnte ich
ihnen auch etwas Anderes nicht gewähren, als das Verlangte. Am andern Morgen
waren Beide verschieden. Gern hätte ich den Verstorbenen noch Ruhe gegönnt
und ihnen ein Grab gegraben, allein die ankommenden Russen nöthigten mich,
sie hinaus zu schaffen und wandelten meine Stube in einen Pferdestall um. Die
goldenen Ohrringe, welche die Verstorbenen an sich trugen, nahmen ihnen die
Russen ab. Ich trug die Leichname hinter mein Haus und deckte sie mit Stroh zu.
Als zum Abmarsch geblasen wurde und die Russen fort waren, grub ich hier für
Beide ein Grab. – In dem Tschacko des Unterofficier fand ich ein Buch, welches
ich noch besitze, und von dem Oberst habe ich noch einen Knopf seiner
Montirung. Noch immer sind in den Dielen meiner Stube die Blutspuren sichtbar,
wo diese Todten gelegen haben.“
Hierbei erinnerte Tittig: „ An demselben Tage Nachmittag, war ich im Begriff mir
etwas Holz zu suchen und ging nach der Rietzschke zu, da brachten drei Soldaten
einen Officier getragen, der in der Nähe des sonst Sacher’schen, jetzt Rößli’schen
Hauses gefallen war, – denn hinter der Rietzschke standen noch Franzosen und
schossen herauf nach Volkmarsdorf – sie trugen ihn bis dahin, wo jetzt unsere
Schule steht. Der Officier, der dabei war, schrieb uns den Namen des Todten auf
„Herr v. Berg“ und wir, ich – Tittig – Hünsch und Korn, wir mussten ein Grab
machen; die Soldaten gingen dann erst fort, als wir ihn beerdigt hatten.“ –
Das Buch, dessen Tittig gedachte, und welches ich mir von ihm erbat, ist nichts
anders als die Liste der Compagnie, bei welcher der Unterofficier gestanden hat.
Auf der ersten Seite steht: controlles nominatif du Soutoff Chasseur de la ditte
companie; und es folgt ein Verzeichniß von 89 Mann; nach den Veränderungen,
welche mit Bleistift beigeschrieben sind, geht hervor, wie viele der blutige Kampf
hinweggerafft hatte.
Sind diese Mittheilungen auch keine welthistorischen, so knüpfen sie sich doch an
die Geschichte unseres Ortes und rufen uns die Schreckenstage in das Gedächtniß
zurück, welche noch von mehreren unserer Gemeindegenossen erlebt wurden,
zugleich aber legen sie es uns sehr nahe, wie großen Dank wir Gott für den
langjährigen Frieden schuldig sind. Möge er uns denselben erhalten und mögen
wir dieses Gnadengeschenkes stets würdig erfunden werden.
31
Nachbemerkungen von Dirk Heinze
Zur Einordnung der Völkerschlacht und ihrem zeitlichen Ablauf
Die Völkerschlacht bei Leipzig war die erste
Massenschlacht der Weltgeschichte. Sie gehört zu
den am besten dokumentierten und erforschten
historischen Ereignissen. Die Menge der Einzelheiten
und ihre Zusammenhänge untereinander –
landschaftliche Bedingungen, beteiligte Truppen,
Ausrüstung und Bewaffnung, zeitliche Abfolge,
Verluste usw. – sind den Historikern weitgehend
bekannt.
An der Schlacht bei Leipzig waren etwa eine halbe
Million Soldaten aus mehr als zwanzig Nationen und
noch viel mehr Völkerschaften beteiligt. Auf beiden
Seiten waren rund zweitausendfünfhundert
Geschütze verschiedenen Kalibers mit
unterschiedlichen Geschossen sowie andere damals
moderne Feuerwaffen im Einsatz. Neben Leipzig
waren über sechzig Dörfer von den gewaltigen
Truppenansammlungen betroffen. In den dreieinhalb
Tage andauernden Kämpfen sind einhunderttausend
Soldaten getötet worden oder starben in der
unmittelbaren Folge an ihren Verletzungen.
Elftausend Pferde kamen in den Kämpfen um.
Fünfundzwanzig Ortschaften wurden verwüstet oder
weitgehend zerstört.
Am 1 8. Oktober 1 81 3 konzentrierte sich das
Kampfgeschehen im nordöstlichen Vorland der Stadt
Leipzig um das Dorf Schönefeld. Die napoleonischen
Truppen mußten die Stadt mit allen Kräften
verteidigen. Ihnen gegenüber standen die
verbündeten Truppen von Preußen, Russen,
Österreichern, Schweden und Engländern unter
einem einheitlichen Oberkommando.
Das VI. Korps der napoleonischen Armee unter dem
Kommando von Marschall Marmont hatte in und um
Schönefeld Stellung bezogen. Sein linker Flügel
endete am Rande der Parthe-Aue im Rittergut, sein
rechter Flügel reichte auf der Dorfflur weit nach
Osten bis an die Straße von Leipzig nach Taucha.
Dieser Punkt war durch die Kavalleriedivision
Defrance verstärkt.
Im Hinterland dieser Aufstellung standen am
südlichen Ende der Lindenallee im Bereich der
Windmühle das schwache III. Korps unter dem
Kommando von General Souham und die leichte
Kavalleriedivision Furnier als Reserven.
Etwa zehn Uhr erzwang ein russisches Korps der
Schlesischen Armee unter dem Kommando von
General Langeron bei Mockau gegen den
Widerstand einer französischen Batterie an der
Theklaer Kirche den Übergang über die Parthe.
Das dreißigtausend Mann starke Korps nahm das
Dorf Abtnaundorf ein und formierte sich auf einer
Linie zwischen diesem Dorf und dem Vorwerk
32
Heiterer Blick an der Straße von Leipzig nach
Taucha. Das war um zwölf Uhr.
Langerons Korpsartillerie, siebzig Kanonen und
Haubitzen, begannen mit dem Beschuß des Ostteils
des Dorfes Schönefeld, wodurch dort die ersten
Brände ausgelöst wurden.Die französischen
Verteidiger des Dorfes erwiderten die Kanonade auf
das Heftigste.
Etwa vierzehn Uhr rückte die Nordarmee der
verbündeten Truppen von Taucha heran und schloß
die breite Lücke der alliierten Front zwischen dem
Vorwerk Heiterer Blick und Paunsdorf. Gleichzeitig
setzten sich die ersten Langeronschen Kolonnen in
Richtung Schönefeld in Bewegung. Sie konnten unter
großen Verlusten in das Dorf eindringen, mußten
aber nach blutigen Nahkämpfen zurückweichen.
General Langeron ließ das zweite Mal angreifen.
Unterdessen hatte in der östlichen Umgebung von
Schönefeld die Nordarmee Paunsdorf eingenommen.
Unterstützt durch den Frontwechsel einer
sächsischen Division von der napoleonischen Seite
auf die der Verbündeten konnten Teile der
Nordarmee bis auf Sellerhausen und Stünz
vorrücken. Damit gerieten die französischen
Stellungen in Schönefeld in eine exponierte Lage.
Gleichzeitig mangelte es den Verteidigern an
Artilleriemunition. Diese verzweifelte Lage war der
Grund für die Etnscheidung des Oberkommandierenden des linken Flügels der Armee Napoleons,
Marschall Ney, das Rittergut Schönefeld mit dem
Herrenhaus in Brand stecken zu lassen. Das Feuer
breitete sich, unterstützt durch westliche Winde,
schnell auf fast alle Gebäude des Dorfes aus. Kurze
Zeit später stürzte der Kirchturm brennend
zusammen. Dieses Geschehen stoppte den zweiten
Angriff des Korps Langeron.
Der dritte Angriff, von Norden und von Osten gegen
Schönefeld geführt, zwang Marschall Marmont, seine
Truppen aus der Ortslage nach Süden bis zur
Windmühle zurückzunehmen. Marschall Ney führte
eilig Reserven herbei; vierzig Geschütze vom III.
Korps gingen an der Windmühle in Stellung. Im Dorf
tobte der erbitterte Kampf mehrmals hin und her.
Bei dem letzten Angriff gegen achtzehn Uhr konnten
Langerons Truppen, unterstützt von achtzig
russischen und schwedischen Geschützen, das
zerstörte Dorf einnehmen. Marmonts VI. Korps und
das III. Korps zogen sich im Schutze der Dunkelheit
über die Rietzschke nach Reudnitz, Anger und
Crottendorf zurück.
Beim Kampf um Schönefeld waren etwa neuntausend Soldaten beider Seiten gefallen oder sind in
den folgenden Tagen ihren Verletzungen erlegen.
Schlachtordnung in Schönefeld am 1 8. Oktober 1 81 3, gegen 1 4 Uhr bis 1 6 Uhr,
unteres Bild gegen 1 6 Uhr bis 1 7 Uhr;
grün: angreifende Verbündete; blau: verteidigende Franzosen,
Pfeile: Truppenbewegungen.
33
Zu Ungenauigkeiten und Fehlern der historischen Berichte
Die vorgelegten subjektiven Zeitzeugenberichte passen
mitunter nur schlecht in das objektive Bild, das
Militärhistoriker nachträglich konstruieren konnten. Das
betrifft vor allem genaue Uhrzeiten, Bezeichnungen von
Truppeneinheiten, die Abfolge des Geschehens u.a.
Die Differenzen sind oft leicht erklärbar, mitunter auch nur
scheinbar. Im Gegensatz zu den Soldaten, die mit dem
Ablauf eines Gefechts und mit der Wirkung der
eingesetzten Waffen vertraut sind, bedeutet das
Kampfgeschehen für die betroffenen Zivilisten eine Fülle
von unbekannten Eindrücken. Viele Einzelheiten und
Zusammenhänge mußten unverständlich bleiben und
gaben Anlaß zu Fehldeutungen und mitunter
absonderlichen Vermutungen.
Wenn der Gutsbesitzer J.U. Schneider in dem Brief an
seinen Londoner Geschäftsfreund schreibt, am Abend des
1 6. Oktobers 1 81 3 sei mit dem kaiserlichen Troß auch
Marschall Poniatowski auf dem Rittergut in Schönefeld
eingetroffen, so ist das wahrscheinlich eine Verwechslung.
General Josef Poniatowski war am 1 6. und 1 8. Oktober
Oberkommandierender des VIII. Korps auf dem äußeren
rechten Flügel der napoleonischen Armee zwischen
Markkleeberg und Connewitz. Handelt es sich bei dem
Gast in Schönefeld um einen anderen polnischen
Heerführer, vielleicht um Jan Henryk Dombrowski, der am
1 6. Oktober in der Schlacht bei Möckern eine polnische
Division bei Groß- und Kleinwiederitzsch befehligt hatte?
Wenn der Gutsbesitzer J.U. Schneider in demselben Brief
schreibt, sein Gut sei am achtzehnten Oktober um zwölf
Uhr in Brand gesteckt worden, so muß dieser Vorgang um
etwa zwei Stunden in den frühen Nachmittag verschoben
werden.
Wenn er weiter von Vierpfundkugeln schreibt, die bei
seiner Flucht vom Gut bis zur Windmühle an ihm
vorbeigeflogen seien, so ist das nicht als exakte Aussage
zu werten, der man viel Bedeutung beimessen müßte.
Vierpfünder wurden nur bei der französischen Artillerie
verwendet.
Auch die Aussage von Pfarrer Mag. C.G. Schmidt, die
französischen Marschalle hätten ganz Schönefeld in
Brand stecken lassen („französische Mordbrennerey“), ist
wohl mehr ein Beweis seiner antifranzösischen Einstellung
und nicht als Tatsachenbericht zu werten.
Die Behauptung von J.U. Schneider in dem schon
mehrfach erwähnten Brief nach London, daß das Dorf
Schönefeld mit dem Rittergut von den Franzosen
angezündet worden sei, aus Bosheit, „weil es allgemein in
34
der Armee hieß, daß ein englisches Frauenzimmer der
Erbe sei“, dient wohl vor allem dazu, in London eine
mildtätige Sammlung für den Wiederaufbau von
Schönefeld vorzubereiten.
Pfarrer Mag. C.G. Schmidt schreibt weiterhin, das Rittergut
sei angezündet worden, weil die französischen Verteidiger
die Gefahr eines Angriffs der Russen und Preußen von
Eutritzsch her über die Parthe sahen. Wenn in den Akten
des Kriegsarchivs der Verbündeten kein Hinweis auf einen
derartigen Angriff zu finden ist, dann ist damit doch nicht
ausgeschlossen, daß die Verteidiger eine solche Gefahr
gesehen hatten und ihr begegnen wollten.
Die im Verhältnis geringe Zeitspanne vom Ausbruch der
Kampfhandlungen um Schönefeld bis zum Einsturz des
brennenden Kirchturms kann möglicherweise auf das
Zusammenwirken von Brand und Artilleriebeschuß
zurückgeführt werden.
Die im Bericht des Gerichtsverwalters J.C. Neubert unter
dem 1 8. Oktober angeführten Bewegungen der
preußischen und russischen Korps in der Gegend von
Lindenthal, Wiederitzsch und Eutritzsch scheinen die
Schlacht bei Möckern am 1 6. Oktober zu beschreiben.
Handelt es sich dabei um eine Zusammenfassung dessen,
was man tagelang von hohen Gebäuden in Leipzig aus
beobachtet hatte?
Im Brief an den russischen Generalfeldmarschall Barclay
de Tolly vom 29. Oktober 1 81 5 erwähnt der
Gerichtsverwalter J.C. Neubert die Mitwirkung
Wellingtonscher Korps beim Kampf um Schönefeld.
Handelt es sich dabei um eine Verwechslung mit dem
Rockettroup der „Kings Royal Horse Artillery“, der
Bestandteil der Nordarmee war, und dessen Captain
Richard Bogue bei Paunsdorf fiel und der auf dem
Friedhof Taucha begraben liegt? Oder ist es allgemein
eine freundliche Erwähnung der Mitwirkung englischer
Truppen? Lord Wellington kommandierte im Jahr 1 81 3 ein
englisches Expeditionskorps, das in Spanien gegen
Napoleons Truppen kämpfte. Unter ihm diente damals
wohl auch Franz Botho Freiherr von Eberstein als
großbritannischer Captain von der Armee, der unterdessen
in Schönefeld war und dessen Verehelichung mit der
Gutsbesitzerin Marianne Schneider kurz bevorstand.
Der von Pfarrer Magister C.G. Schmidt für den zweiten
Pfingstfeiertag, den siebten Juni 1 81 3, erwähnte
Waffenstillstand, von dem einzelne Truppenteile noch nicht
informiert waren, war am vierten Juni 1 81 3 eingetreten
und dauerte bis zum zehnten August 1 81 3.
Quellenangaben
Bildnachweis
Chronik der Parochie Schönefeld bei Leipzig
handschriftlich, nur teilweise paginiert, angelegt von
Pastor C.A. Wildenhahn am 11 . August 1 838, lückenhaft
weitergeführt bis in die 1 920er Jahre (zuletzt nur noch
Sammlung von Zeitungsausschnitten),
Pfarrarchiv der Matthäuskirchgemeinde
Vordere und hintere Umschlagseite:
Ölgemälde von der Ruine der Kirche Schönefeld.
Eigentum der Matthäuskirchgemeinde Leipzig Nordost,
Foto: Gregor Gebauer 201 3
Zweite Umschlagseite:
Übersichtsskizze nordöstliche Vorstadt von Leipzig,
Autor: G. Hönemann
S. 3:
Handschrift des Magisters C.G. Schmidt, Pfarrarchiv
der Matthäuskirchgemeinde Leipzig Nordost
S. 9 und 11 :
Handschrift des Rittergutsbesitzers Johann Ulrich
Schneider, Pfarrarchiv der Matthäuskirchgemeinde
Leipzig Nordost
S.1 5:
Handschrift des Pfarrers Carl August Wildenhahn,
Pfarrarchiv der Matthäuskirchgemeinde Leipzig Nordost
S. 1 9 und 25:
Plan des Dorfes Schönefeld (Ausschnitte), Pfarrarchiv
der Matthäuskirchgemeinde Leipzig Nordost,
Legende S. 25: G. Hönemann
S. 20:
Ölgemälde im Eigentum der Matthäuskirchgemeinde
Leipzig Nordost,
Foto: Gregor Gebauer
S. 33:
Kartenskizzen des Schlachtgeschehens
am 1 8. Oktober 1 81 3 in Schönefeld,
Autor: D. Heinze
S. 36:
Kirche Schönefeld, Ansicht von Südwesten,
Zustand 1 91 6, Künstler unbekannt
Brief des Rittergutsbesitzers J.U. Schneider an einen
Londoner Geschäftsfreund vom 20. Dezember 1 81 3
Pfarrarchiv der Matthäuskirchgemeinde
Die Wiederherstellung und Aufbauung der sämmtlichen
am 1 8ten Octbr. 1 81 3 eingeäscherten geistlichen
Gebäude zu Schönefeld betr., ergangen von den Herrlich
Schneiederschen Gerichten zu Schönefeld Anno 1 81 7,
Pfarrarchiv der Matthäuskirchgemeinde, Altakte 327
Mittheilungen und Anzeigen aus der Parochie Schönefeld
1 847, S. 1 37 Pastor Mag. G.F. Volbeding: Erinnerungen
an Johann Matthäus Prätorius
1 848, S. 34/35 Lehrer Viehweg: Etwas zur Erinnerung
an die Schreckenstage im Oktober 1 81 3
1 848, S. 1 38 Diakon Ludwig Rothe: Nachruf auf
Johann Gottfried Heinicke
Schmidt, Christian Gottlieb
Eine Predigt am 1 . Sonntage des Advents 1 81 5 – ein Wort
der Erweckung bei dem Eintritt in ein neues Kirchenjahr;
wir müssen ein Tempel Gottes werden, wenn unsere
Hoffnung, unser Gotteshaus bald wieder hergestellt zu
sehen, in eine erfreuliche Erfüllung gehen soll.
Gedruckt bei Karl Tauchnitz, Leipzig
Schmidt, Christian Gottlieb
Einweihungs- und Jubelfreude in Schönefeld am Sonntage
Misericordias Domini 1 820, an welchem Tage das dasige
Gotteshaus nach sechsjähriger Entbehrung der Gemeinde
wieder eröffnet und mit dieser Feierlichkeit das Andenken
an die fünfzigjährige Amtsführung des Pfarrers daselbst
verbunden wurde. – Nebst einer geschichtlichen
Erzählung der harten Schicksale, welche den hiesigen Ort
betroffen haben und der endlichen Wiederherstellung und
Einweihung seinesGotteshauses, welche an diesem Tage
vollzogen wurde. Paul Gotthelf Kummer, Leipzig, 1 820
Stöckel, Albert
Die evangelisch-lutherische Parochie Schönefeld von
ihren Anfängen an bis heute.
Verlag Arwed Strauch, Leipzig, 1 91 2
Berger, Karl
Predigt zur Wiedereinweihung der Leipzig-Schönefelder
Kirche [Gedächtniskirche] am Sonntag Reminiscere,
1 9. März 1 91 6. Adolf Menzes Verlag, Leipzig-Neustadt
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Die Geschehnisse der Völkerschlacht hatten sich tief
in das kollektive Gedächtnis der Bewohner des Landes
eingeprägt.
Als reichlich hundert Jahre später in dem unterdessen
in die Großstadt Leipzig eingemeindeten Schönefeld eine
charakteristische Bezeichnung für die renovierte und
wieder erweiterte Kirche gefunden werden mußte, konnte
der Pfarrer in seiner Einweihungspredigt am 19. März 1916
die einhellige Meinung der Gemeinde formulieren:
„Welcher Name könnte aber wohl geeigneter sein
als der Name Gedächtniskirche“.
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