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< FRANZ LISZT ORGELWERKE >
< DEUTSCH >
FRANZ LISZT
DIE ORGELWERKE / ORGAN WORKS
MARTIN HASELBÖCK SPIELT AN LADEGASTORGELN
MARTIN HASELBÖCK PLAYS AT LADEGASTORGAN
INHALT / CONTENTS / CONTENTS
4 LABELCOPY
DEUTSCH
ENGLISH
FRANÇAIS
8
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8
BIOGRAFIE
MARTIN
HASELBÖCK
BIOGRAFIE
MARTIN
HASELBÖCK
BIOGRAFIE
MARTIN
HASELBÖCK
10 BIOGRAFIE
FRANZ LISZT
10 BIOGRAFIE
FRANZ LISZT
10 BIOGRAFIE
FRANZ LISZT
11 DIE ORGELWERKE
11 DIE ORGELWERKE
11 DIE ORGELWERKE
Teil 1-5
Teil 1-5
Teil 1-5
46 BIOGRAFIE
LADEGAST
46 BIOGRAFIE
LADEGAST
46 BIOGRAFIE
LADEGAST
48 DIE ORGELN
48 DIE ORGELN
48 DIE ORGELN
Orgel zu Merseburg
Orgel zu Schwerin
Orgel zu Hohenmölsen
Orgel zu Köthen
Orgel zu Merseburg
Orgel zu Schwerin
Orgel zu Hohenmölsen
Orgel zu Köthen
Orgel zu Merseburg
Orgel zu Schwerin
Orgel zu Hohenmölsen
Orgel zu Köthen
51 CHRONOLOGIE
DER ORGELWERKE
51 CHRONOLOGIE
DER ORGELWERKE
51 CHRONOLOGIE
DER ORGELWERKE
51 DISPOSITION
3
4
< FRANZ LISZT ORGELWERKE
MARTIN
HASELBÖCK
SPIELT AN
LADEGAST-ORGELN
< DEUTSCH >
CD 1
CD 2
FANTASIE UND FUGE ÜBER
DEN CHORAL „AD NOS, AD
SALUTAREM UNDAM“ AUS DER
OPER „DER PROPHET“ VON
27:12
MEYERBEER (1850)
2 AVE MARIA I (1853/nach 1856) 8:04
3 ANDANTE RELIGIOSO (1857/59)
5:00
1
2
3
PRÄLUDIUM UND FUGE ÜBER B-A-C-H (Letztfassung 1870)
12:38
ORPHEUS – Symphonische Dichtung für die Orgel übertragen vom Komponisten (1854/60) 10:31
„LES MORTS“ – Oraison (1860)
8:43
4
5
„WEINEN, KLAGEN, SORGEN, ZAGEN“ (1862)
„EVOCATION À LA CHAPELLE SIXTINE“ (1862)
1
4
5
EINLEITUNG ZUR LEGENDE DER
HEILIGEN ELISABETH (1862/65)
OTTO NICOLAI: KIRCHLICHE
FEST-OUVERTURE ÜBER DEN
CHORAL „EIN FESTE BURG IST
UNSER GOTT“, OP. 31
FÜR ORGEL GESETZT VON
FRANZ LISZT (1844/52)
17:37
14:40
Total Time: 64:11
8:57
An der Orgel der Evangelischen St. Jakobskirche in Köthen (Opus 60, 1873)
At the Organ of the Protestant Church of St. James in Köthen (Opus 60, 1873)
9:45
Total Time: 59:00
An der Orgel des Doms zu Merseburg
(OPUS 13, 1853/55)
At the organ in the cathedral in
Merseburg (OPUS 13, 1853/55)
Wir danken den Vereinigten Domstiftern zu
Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz, insbesondere Graf von Zech und
dem Domorganisten Michael Schönheit für ihre
tatkräftige Unterstützung bei dieser Produktion.
Aufgenommen / Recorded: 26. - 29. Oktober 2005
Produzent / Producer: Klaus Feldmann
Aufnahmeleitung, Tonmeister, Schnitt / Recording
Producer, Balance Engineer, Editing:
Stephan Reh Musikproduktion, Mettmann
Registranten / Assistants:
Dmitry Bondarenko, Denny Wilcke
Wir danken KMD Martina Apitz und der Gemeinde St. Jakob Köthen für ihre tatkräftige Unterstützung bei dieser
Produktion.
Aufgenommen / Recorded: 12.-14. September 2004
Produzent / Producer: Klaus Feldmann
Aufnahmeleitung, Tonmeister, Schnitt / Recording Producer, Balance Engineer, Editing:
Stephan Reh Musikproduktion, Mettmann
Registranten / Assistants: Dmitry Bondarenko, Fabian Schwarzkopf
CD 3
1
2
3
4
5
6
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8
9
0
ß
EINLEITUNG, FUGE UND MAGNIFICAT AUS DER SYMPHONIE ZU DANTES
„DIVINA COMMEDIA“ (1856/60)
„WEINEN, KLAGEN, SORGEN, ZAGEN“ – Präludium nach J. S. Bachs Kantate (1859)
„A MAGYAROK ISTENE“ / „UNGARNS GOTT“ (1881)
ORA PRO NOBIS (1865)
RICHARD WAGNER (1813-1883): PILGERCHOR AUS „TANNHÄUSER“
(2. Fassung, bearbeitet 1862)
EXCELSIOR! – PRELUDIO (1874)
AM GRABE RICHARD WAGNERS (1883)
RESIGNAZIONE (1877)
ANGELUS! – PRIÈRE AUX ANGES GARDIENS (1877)
GIUSEPPE VERDI (1813-1901): AGNUS DEI AUS DEM REQUIEM (bearbeitet 1877)
DER CHORAL „NUN DANKET ALLE GOTT“ (1883)
13:36
6:58
4:17
6:07
7:09
2:57
3:26
2:04
7:52
5:17
8:38
Total Time: 68:23
An der Ladegast-Orgel des Doms zu Schwerin (Opus 58, 1871)
At the Ladegast Organ in the Cathedral in Schwerin (Opus 58, 1871)
Wir danken dem Domkantor KMD Jan Ernst und der Domkantorei Schwerin für ihre tatkräftige Unterstützung bei
dieser Produktion.
Aufgenommen / Recorded: 19.-20. September 2004
Produzent / Producer: Klaus Feldmann
Aufnahmeleitung, Tonmeister, Schnitt / Recording Producer, Balance Engineer, Editing:
Stephan Reh Musikproduktion, Mettmann
Registrant / Assistant: Dmitry Bondarenko
5
6
< FRANZ LISZT ORGELWERKE
< DEUTSCH >
CD 4
CD 5
KOMPOSITIONEN UND TRANSKRIPTIONEN DER RÖMISCHEN JAHRE
1
2
3
4
1
2
3
4
„TU ES PETRUS“ AUS DEM ORATORIUM „CHRISTUS“ (1867)
AVE MARIA D’ARCADELT (1863)
SLAVIMO SLAVNO SLAVENI! (1863)
WEIMARS VOLKSLIED (1857/73)
5:40
4:10
2:21
3:36
ZWEI CONSOLATIONS
5
6
ADAGIO (Consolation Nr. 4 Des-Dur)
CONSOLATION NR. 5 E-DUR
3:14
2:51
7
OFFERTORIUM AUS DER „UNGARISCHEN KRÖNUNGSMESSE“ (1868)
3:11
CHORÄLE FÜR KARDINAL HOHENLOHE (vor 1881)
8 CRUX AVE BENEDICTA
9 JESU CHRISTE – DIE FÜNF WUNDEN
0 O ROMA NOBILIS
ß MEINE SEEL ERHEBT DEN HERRN (Der Kirchensegen, Psalm 67)
q O HAUPT VOLL BLUT UND WUNDEN
w O TRAURIGKEIT (am Karfreitag)
e NUN RUHEN ALLE WÄLDER
r WER NUR DEN LIEBEN GOTT LÄSST WALTEN
1:54
2:09
1:42
1:01
2:04
2:18
1:47
1:25
„IN DOMUM DOMINI IBIMUS“ – Präludium für Orgel (ca. 1884)
„AVE MARIS STELLA“ (2. Fassung, 1868)
„SALVE REGINA“ (1877)
INTROITUS (1884)
MISSA PRO ORGANO (1879)
5 KYRIE
6 GLORIA
7 GRADUALE („GEBET“)
8 CREDO
9 OFFERTORIUM („AVE MARIA“)
0 SANCTUS
ß BENEDICTUS
q AGNUS DEI
ROSARIO (1879)
w I. MYSTERIA GAUDIOSA
e II. MYSTERIA DOLOROSA
r III. MYSTERIA GLORIOSA
t SAN FRANCESCO – Preludio per il Cantico del Sol di San Francesco (1880)
z AVE MARIA (IV) (1881)
u „O SACRUM CONVIVIUM“ (ca. 1881)
i „IN FESTO TRANSFIGURATIONIS DOMINI NOSTRI JESU CHRISTI” (1880)
3:30
4:42
4:47
3:48
1:35
2:52
1:27
2:50
1:38
2:33
2:12
2:08
1:44
1:42
2:01
5:08
2:21
5:25
2:33
REQUIEM (1868/83)
t
z
u
i
o
p
+
REQUIEM
DIES IRAE
RECORDARE PIE JESU!
SANCTUS
BENEDICTUS
AGNUS DEI
POSTLUDIUM
a
JOHANN SEBASTIAN BACH:
Einleitung und Fuge aus der Kantate „Ich hatte viel Bekümmernis“ (1860)
JOHANN SEBASTIAN BACH:
Adagio aus der 4. Sonate für Violine und Cembalo (ca. 1864)
JOHANN SEBASTIAN BACH: „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ (1855/56)
ORLANDO DI LASSO: „Regina coeli“ (1865)
FRÉDÉRIC CHOPIN: Prélude op. 28/4
FRÉDÉRIC CHOPIN: Prélude op. 28/9
s
d
f
g
h
1:34
1:43
2:56
1:09
2:21
2:43
1:54
4:23
3:06
4:57
2:50
2:15
1:45
Total Time: 73:01
An der Ladegast-Orgel in der Stadtkirche St. Peter zu Hohenmölsen
At the Ladegast organ in the Stadtkirche St. Peter in Hohenmölsen
Wir danken Pfarrer Thomas Wisch und der Gemeinde der Stadtkirche St. Peter zu Hohenmölsen
für die tatkräftige Unterstützung bei dieser Produktion.
Aufgenommen / Recorded: 8.-10. September 2004
Produzent / Producer: Klaus Feldmann
Aufnahmeleitung, Tonmeister / Recording Producer, Balance Engineer: Stephan Reh Musikproduktion, Mettmann
Digitalschnitt / Digital Editing: Andreas Ruge
Registranten / Assistants: Dmitry Bondarenko, Hannelore Schumacher
Total Time: 54:58
An der Ladegast-Orgel des Doms zu Schwerin (Opus 58, 1871)
At the Ladegast Organ in the Cathedral in Schwerin (Opus 58, 1871)
Wir danken dem Domkantor KMD Jan Ernst und der Domkantorei Schwerin für ihre tatkräftige Unterstützung bei
dieser Produktion.
Aufgenommen / Recorded: 08.-09. Oktober 2004
Produzent / Producer: Klaus Feldmann
Aufnahmeleitung, Tonmeister / Recording Producer, Balance Engineer:
Stephan Reh Musikproduktion, Mettmann
Digitalschnitt / Digital Editing: Andreas Ruge
Registrant / Assistant: Dmitry Bondarenko
DVD
MARTIN HASELBÖCK LIVE AUF DVD
TEXT FEHLT
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< FRANZ LISZT ORGELWERKE
< DEUTSCH >
MARTIN
HASELBÖCK
ORGEL
,
Als Organist, Cembalist, Dirigent und
Komponist ist Martin Haselböck auf vielfältige Weise im internationalen Musikleben präsent. Nach Studien in Wien und
Paris und mit internationalen Wettbewerbspreisen ausgezeichnet erwarb er
sich früh als Solist große Reputation.
Eine weltweite Konzerttätigkeit als
Organist führt ihn regelmäßig zu den
bedeutenden Musikfestspielen. Unter
Abbado, Maazel, Muti und Stein trat er
als Solist auf.
Über fünfzig Einspielungen dokumentieren ein Repertoire, das von Bach
über Liszt bis zur Moderne reicht.
Zahlreiche bedeutende Meister unserer
Zeit haben für Haselböck geschrieben.
So widmete ihm Ernst Krenek seine
beiden Orgelkonzerte.
In seiner Funktion als Wiener Hoforganist war die Beschäftigung mit dem
großen Repertoire der klassischen Kirchenmusik Beginn der intensiven
Arbeit als Dirigent.
Dies führte 1985 zur Gründung des
Ensembles Wiener Akademie.
Neben einem alljährlichen Zyklus für die Gesellschaft der Musikfreunde im Großen Wiener Musikvereinssaal ist er mit seinem Orchester mit Konzertprogrammen und Opernproduktionen regelmäßig in Musikzentren der ganzen Welt zu Gast.
Als Gastdirigent ist Martin Haselböck mit zahlreichen bedeutenden Orchestern aufgetreten: Wiener Symphoniker, Gewandhausorchester, Dresdner Philharmonie, Philadelphia
Orchestra, San Francisco, Pittsburgh, Toronto und Detroit Symphony, Los Angeles Philharmonic, Nationalphilharmonien von Ungarn und Tschechien, Flämische Nationalphilharmonie, Orchestra Giuseppe Verdi Milano, wobei ein Schwerpunkt seiner Arbeit auf der
lebendigen Vermittlung barocker und klassischer Werke liegt.
Seit der Saison 05/06 ist Martin Haselböck überdies Principal Conductor des Barockorchesters „Musica Angelica“ in Los Angeles.
Nach ersten Lehrstellen in den U.S.A. und Wien, wurde Martin Haselböck 1986 als Professor an die Musikhochschule Lübeck berufen, 2003 an die Wiener Musikuniversität.
Für zahlreiche bedeutende Wettbewerbe, so in Haarlem, Chartres, Dallas, Calgary, Odense, Lahti und Pretoria war er als Juror tätig.
Als Herausgeber von über 70 Bänden Orgelmusik edierte er u.a. sämtliche Orgelwerke
von Franz Liszt und Mozart.
Unter seinen neuesten Einspielungen finden sich die Erstaufnahme der Cembalokonzerte
Gottlieb Muffats, Musik aus dem Umkreis Bachs an Silbermann-Orgeln (Deutscher Schallplattenpreis 2003) und ein Programm speziell für ihn geschriebener Werke, aufgenommen
in der Warschauer Philharmonie.
Er war Mitwirkender am Eröffnungskonzert der neuen Orgel in der Philharmonie Essen
und ist mit Recitals an internationalen Plätzen wie im Gewandhaus Leipzig, Konzerthaus
Wien, Philharmonie Luxemburg und der Disney Hall Los Angeles zu Gast.
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< FRANZ LISZT ORGELWERKE
< DEUTSCH >
Franz Liszt schrieb sein erstes Orgelwerk 1850, sein letztes wenige Monate vor seinem Tod 1886. Sein Gesamtwerk für dieses Instrument umschließt
den Kosmos von der neuartig virtuosen Orgelsymphonie bis zu den höchst
privaten, verstummenden Klängen des
Spätwerks.
DIE
ORGELWERKE
„Liszt nimmt jetzt zur Orgel eine
ähnliche Stelle ein, wie früher zum
Pianoforte. Wie er früher das Pianoforte zu behandeln vermochte, einzig
in seiner Art, so weiß er jetzt auf der
Orgel den ganzen Glanz und die
ganze Pracht des Instrumentes zur
Darstellung zu bringen. “ Der zeitgenössische Kommentar betont Liszts
radikale Weiterentwicklung der Orgelkunst. Ohne seine Hauptwerke wären
die französische Orgelsymphonik und
die deutsche Spätromantik eines Max
Reger nicht vorstellbar.
FRANZ LISZT
SÄMTLICHE
ORGELWERKE
Als Klangmagier reagierte Liszt in seiner Schreibweise spontan und direkt
auf die von ihm so geschätzten Instrumente Friedrich Ladegasts. Heute sind
die bedeutenden Orgeln dieses Meisters wieder restauriert und spielbar.
Über 50 verschiedenartige Kompositionen konnten so in dieser Einspielung in
höchst unterschiedlichen Räumen zum
Klingen gebracht werden: erlaubt der
Merseburger Dom mit seinem für Liszt
so wichtigen Instrument die brillante
Umsetzung virtuoser Passagen, so entspricht das Köthener Instrument in fast
idealer Weise dem doppelten Ideal von
dunkler Gravität und linearer Klarheit.
Die Kirche von Hohenmölsen beweist,
dass Ladegast auch mit kleinen Instrumenten symphonische Größe entwikkeln konnte, während die Kathedralorgel des enormen Doms zu Schwerin als
ideal für das Spätwerk angesehen werden kann.
Martin Haselböc
TEIL 1
FANTASIE UND FUGE ÜBER DEN
CHORAL „AD NOS, AD
SALUTAREM UNDAM“ AUS DER
OPER „DER PROPHET“ VON
MEYERBEER (1850)
Am 16. April 1849 wurde Giacomo
Meyerbeers (1791-1864) Oper „Le
Prophète“ in Paris uraufgeführt. Der
Erfolg dieser ersten Aufführung war so
enorm, dass mit dem Komponisten
erstmals einem Ausländer die Kommandantur der Légion d'Honneur verliehen wurde . In mehr als 40 Theatern
wurde der „Prophet“ nachgespielt, im
Juli 1851 hatte er seine 100. Aufführung an der Pariser Oper. Nicht nur in
Frankreich, sondern besonders im
deutschsprachigen Raum erlangte das
Werk schnell große Popularität, so
dass die Neue Zeitschrift für Musik
nach Premieren in Leipzig, Dresden
und Frankfurt eine Rezension mit den
Worten „Der Prophet im Angriff“ betiteln konnte. Liszt schien vom Erfolg der
Oper tief beeindruckt. Im Frühjahr
1849 erbat er von Meyerbeer eine Partitur, um einige Klavierstücke über Themen der Oper komponieren zu können.
Er begann sofort mit der Bearbeitung
einiger Szenen, die er als „une série de
morceaux sur le Prophète“ ankündigte,
„en sorte, que ma main d'œuvre soit
digne du chef d'œuvre“ (eine Reihe von
Stücken über den Propheten mit dem
Ziel, dass meine „Handarbeit“ der
„Meisterarbeit“ würdig sei). Schon im
November hatte Breitkopf & Härtel die
Stücke „Prière, Hymne triomphale,
Marche du Sacre“ (Akt III und IV), „Les
Patineurs – Scherzo“ (Akt III) und
„Chœur pastoral, Appel aux armes“
(Akt I) erhalten, bald darauf wurden sie
unter dem Titel „Illustrations du
Prophète“ veröffentlicht. Liszt betrachtete zu diesem Zeitpunkt seine
Beschäftigung mit diesem Werk Meyerbeers als beendet: „car au moins d'un
succès que je n'ose espérer pour ces 3
morceaux et d'une commande expresse de votre part pour une autre série
11
12
FRANZ LISZT ORGELWERKE
de trois morceaux que je pourrais aisément tailler de cette vaste partition, je bornerai là
mon travail“ (denn ohne einen Erfolg, den ich für diese drei Stücke nicht zu erwarten
wage, oder ohne speziellen Auftrag Ihrerseits für drei weitere Stücke, die ich leicht dieser umfangreichen Partitur entlocken könnte, beende ich hier meine Arbeit).
Ob der Eindruck der Dresdner Aufführung der Oper im Februar 1850 oder ein spezieller
Auftrag des jungen Organisten Ferdinand Breunung (1830-1883) Liszt zur Wiederaufnahme seiner Arbeit am „Propheten“ bewegte, ist unbekannt.
Liszt komponierte keine weiteren Klavierstücke, sondern eine großangelegte Orgelfantasie über ein Thema der Oper. Er tat dies während eines Aufenthalts im Kurort Bad Eilsen,
wo die Fürstin Carolyne Sayn-Wittgenstein ihre rheumatischen Beschwerden auszukurieren beabsichtigte. Liszt, Carolyne und deren Tochter Prinzessin Marie hatten für die Zeit
von Oktober 1850 bis Juni 1851 in „Bruhns Hôtel“ Quartier genommen.
Der Komponist Joachim Raff (1822-1882) wurde als weiteres Mitglied der kleinen Entourage von Liszt eingeladen, in Bad Eilsen Kopiaturen und Orchestrierungen Lisztscher
Werke vorzunehmen. Raff war mit Korrektur und Veröffentlichung der ersten Serie der
Propheten-Paraphrasen beschäftigt und komponierte außerdem selbst ein kleines Stück
über Themen Meyerbeers für einen durchreisenden Posaunenvirtuosen. Eine Woche nach
Ankunft nahm Liszt die Arbeit an seinem Orgelwerk am 18.10.1850 auf, am 31. des
Monats war die Komposition vollendet. Ein Brief vom 16. November 1850 erwähnt das
neue Werk. „Seit fünf Tagen habe ich mein Bett nicht verlassen können, wo mich ein
ziemlich heftiges Catharrhal Fieber annagelt. Das ganze Divertimento wird wohl sich noch
eine Woche hinausspinnen… Meine Propheten Phantasie und Fuge für Orgel und Breunung geschrieben, ist ganz à propos noch vor meiner Erkrankung fertig geworden.“
Direkter Anreger, wenn nicht Auftraggeber war Ferdinand Breunung. Er arbeitete als Organist in Leipzig, wo trotz deren Jugend ein Kontakt mit Winterberger und Reubke, zwei der
jungen virtuosen Schüler von Bülows, angenommen werden darf. Da Breunung Leipzig
verlassen sollte, um eine Lehrstelle in Köln anzunehmen, Liszt aber aufgrund einer
Typhuserkrankung der Fürstin und ihrer Tochter in Bad Eilsen verbleiben musste, versuchte er, ihm durch Raff eine Abschrift des Werks zu vermitteln:
„Obgleich ich die Propheten Fuge nicht nüanciert habe, so könnten Sie sie doch bei Gelegenheit Ihrer Leipziger Reise Breunung in Abschrift mittheilen. Sollte er wirklich am 1ten
Januar von Leipzig abgehen, so ersuchen Sie ihn, mich in Eilsen zu besuchen. Der Eisenbahnzug, der ihn nach Cöln führt, geht ja über Bükeburg, so daß es ihm kein spezielles
Dérangement macht, einen Tag in Eilsen sich aufzuhalten.“
Raff, beschäftigt mit seiner Oper, konnte und wollte die erforderliche Abschrift nicht
erstellen. In einem Brief vom 29. Dezember nahm er sich die Freiheit, Liszts Themenwahl
streng zu kritisieren:
„Die Prophetenfuge habe ich mit großem Interesse durchgesehen. Wissen Sie, daß es mir
noch ein Räthsel ist, wie Sie ein derartiges Motif einer so mühseligen Bearbeitung unterstellen konnten? Mit diesem Aufwande von Erfindung könnten Sie bequem eine Originalcomposition von höchster Bedeutung herstellen und man hätte nicht wieder hören müssen, daß Sie aus Mangel an eigener Erfindung zu Meyerbeer gegriffen.“
In einer ersten Rezension spricht Franz Brendel prophetisch über Fragen „des Inhaltes
und Charakters des Werkes. Dieser ist allerdings überwiegend weltlicher Natur, obschon
Liszt auch Gelegenheit genommen hat, der alten Kunst darin Rechnung zu tragen. Dieser
weltliche Charakter wird zur Zeit Manchen ein Stein des Anstoßes sein. Ich aber erkenne
darin nur die Consequenz der neuen Richtung der Kirchenmusik seit Beethovens großer
Messe. … Ich muß gestehen, dass ich überrascht war durch Liszts Composition, in der
sich mir der Fortschritt nach einer bist jetzt noch nicht zur Behandlung gekommenen
< DEUTSCH >
„Ad nos, ad salutarem undam“
Seite hin offenbarte und Blicke in eine zukünftige Entwicklung der Orgelmusik sich darboten. Was Beethoven, Berlioz, Wagner, Liszt auf kirchlichem Gebiet begonnen haben,
erscheint hier fortgesetzt, übertragen auf das Gebiet der Orgelmusik“ .
Der Spannungsbogen romantischer Orgelkunst offenbart sich bereits im Werktitel. Müssen Zeitgenossen die Arbeit über ein Opernthema als der kirchlichen Szene völlig fernstehend gesehen haben, als eine „Profanirung des heiligen Instruments“ , so verändert der
mögliche Irrtum Liszts, seine Einschätzung des Gesanges der Wiedertäufer als „Choral“,
die Sicht völlig. Seit Mendelssohns erster Sonate repräsentiert der Choral das „poetische,
im eigentlichen mystische Element“ , das „verklärende Numinosum“ , das das Tor zur wiederentdeckten Vergangenheit öffnet, das Feld, „auf dem wir Blumen säen, auf dem Bach
Eichenwälder gepflanzt.“ Liszt strebt, ob bewusst oder unbewusst, den Bruch mit der
gerade wiederentdeckten Tradition an. Die Wahl des Themas baut die Spannung zwischen
Sakral und Profan, zwischen Choral und Oper, Restauration und Revolution auf. Dieser
Konflikt zwischen Polyphonie nach historischem Vorbild und virtuoser Paraphrasentechnik, zwischen ausgedehnter Großform und dem Minimum thematischen Materials wurde
von den wissenden Hörern der Merseburger Aufführung durchaus bemerkt und kommentiert. Obwohl noch ganz in der Tradition seiner virtuosen Klavierwerke stehend, zeigt „Ad
nos“ als erstes Werk jenen Lebensweg Liszts auf, der über die Aufarbeitung barocker Vorbilder und den Versuch, als Sakralkomponist zu reüssieren, direkt zum verstummenden
Spätwerk führt.
Erst im Dezember 1851 wandte er sich wegen einer möglichen Veröffentlichung an seinen
Verleger. Er wünschte Meyerbeer ein Werk widmen zu können:
„Permettez-moi, mon cher Monsieur Härtel, de vous communiquer comme une espèce de
curiosité un très long morceau que j'ai composé l'hiver dernier sur le Choral ,Ad nos’ du Prophète. Si d'aventure vous jugiez à propos de publier ce gros Prélude suivi d'une aussi gros-
13
14
< FRANZ LISZT ORGELWERKE
se Fugue, je ne pourrais vous en savoir que très bon gré, et profiterai de la circonstance pour
m'acquitter en toute révérance et amitié d'une dédicace à Meyerbeer, ce qui était dans mes
intentions depuis longtemps, et ce n'est que faute de trouver parmi mes opuscules quelque
chose, qui pût lui convenir à quelqu'égard, qu'il m'a fallu différer jusqu'au présent.“
(Erlauben Sie mir, dass ich Ihnen, lieber Herr Härtel, als eine Art von Kuriosität ein sehr
langes Stück mitteile, welches ich im vergangenen Winter über den Choral „Ad nos“ aus
dem „Propheten“ komponiert habe. Falls Sie aus Abenteuerlust daran denken, das dicke
Präludium, welches von einer ebensolchen Fuge gefolgt wird, zu veröffentlichen, möchte
ich den Umstand benutzen, um mich in Verehrung und Freundschaft einer Widmung an
Meyerbeer zu entledigen. Wohl auf Anraten der Verleger fügte Liszt zu diesem Zeitpunkt
seiner Orgelnotation auf drei Systemen noch den Part eines Secondo-Spielers und gelegentliche Varianten eines Primo-Spielers bei, die das Werk für Klavier zu vier Händen
spielbar machen sollten.
Schon bald nach Drucklegung sind erste Kritiken und Aufführungen nachzuweisen. Liszt
selbst schrieb im Oktober 1852 an den Magdeburger Domorganisten A. G. Ritter:
„Die Prophetenfuge ist gestern von einem meiner Schüler, Herrn Winterberger, in der
Stadtkirche ganz befriedigend vorgetragen worden. Unter Ihren Händen müßte sie gigantisch effectuiren: jedoch möchte ich Sie weder mit dieser noch mit andern je behelligen“.
1850 wurde der bedeutende Orgelbauer Friedrich Ladegast (1818-1905) beauftragt, für
den Dom in Merseburg ein großes Orgelwerk unter Verwendung von Registern der Vorgängerorgel zu errichten. David Heinrich Engel (1816-1877), Domorganist und königlicher
Orgelrevisor zu Merseburg, hatte Liszt einen Kompositionsauftrag zur Orgelweihe erteilt.
Liszt musste jedoch bald einsehen, dass an eine rechtzeitige Fertigstellung des neuen
Werks nicht zu denken war, so dass entschieden wurde, Alexander Winterberger (18341907), den Klavierschüler Liszts und früheren Orgelschüler Töpfers, die Propheten-Fuge
spielen zu lassen.
„Je dois me rendre dans cette petite ville qui n'est qu'à 10 Minutes de distance de Halle
… pour y faire essayer le nouvel orgue qu'on vante beaucoup et dont l'inauguration aura
lieu vers la fin de ce mois. Sach. Winterberger jouera probablement à cette occasion ma
Fugue sur le Choral du ,Prophète’, et je tâcherai de finir un pendant à ce morceau, sur
un motif vingt fois traité, mais inusable: B-A-C-H. “
(Ich muss mich in diese kleine Stadt begeben, die nur zehn Minuten von Halle entfernt ist
…, um dort die neue Orgel erproben zu lassen, die man sehr rühmt und deren Eröffnung
am Ende des Monats stattfinden wird. Alex. Winterberger wird zu dieser Gelegenheit
wahrscheinlich meine Fuge über den Prophetenchoral spielen, und ich bemühe mich,
währenddessen ein neues Stück über ein zwanzigmal benütztes, aber unzerstörbares
Motiv zu beenden: B-A-C-H.)
Am 4. September und zu einem zweiten Termin reisten Liszt und Winterberger nach Weimar, um die Aufführung vorzubereiten:
„Mercredi prochain Sacha Winterberger jouera ma Fantaisie et Fugue sur le Choral du
Prophète à Merseburg pour l'inauguration d'un orgue magnifique (qui a couté près de
10.000.- Thaler) et sur lequel le morceau fait un effet prodigieux. Cela m'a donné l'idée
d'écrire deux autre morceaux du même calibre.“
(Am kommenden Mittwoch wird Alex. Winterberger meine Fantasie und Fuge über den Choral aus dem Propheten in Merseburg für die Einweihung einer großartigen Orgel spielen, [die
mehr als 10.000.- Thaler gekostet hat] und auf der das Stück einen ungeheuren Effekt
macht. Dies hat mich inspiriert, zwei andere Stücke von ähnlicher Größe zu schreiben.)
Das Einweihungskonzert in Merseburg fand unter großer Anteilnahme von Publikum und
Presse am 26. September 1855 von 17 bis 19 Uhr statt. Für die Merseburger Aufführung
< DEUTSCH >
besorgte Liszt eine Neueinrichtung des Werks mit vielbewunderten orchestralen Registrierungen, die bei wissenden Hörern den Eindruck einer völligen Neuschöpfung hervorriefen.
So schrieb Brendel: „Der 2te Theil wurde eröffnet mit einem Werke von Franz Liszt, dem,
irre ich nicht, eine schon gedruckte Orgelcomposition desselben zu Grunde lag, die aber
für den vorliegenden Zweck mehrere Umgestaltungen erfahren hatte.“
Liszt hatte nun endlich seine „Nüancierungen“ vornehmen können und für den virtuosen
Spieler Winterberger wahrscheinlich einige der Klaviervarianten in den Orgelpart eingearbeitet.
„Sacha Winterberger a joué étonnament sur le magnifique orgue de Merseburg, un Fantaisie et Fugue sur le Choral du Prophète, à laquelle nous avons donné à cette occasion
une instrumentation de registres dont l'effet a été surprenant. J'ai passé deux jours à
Merseburg à cette intention et puis vous assurer que Winterberger a toute l'étoffe d'un
grand organiste.
D'ici à l'hiver je lui écrirai deux autres morceaux qui vous amuseront. Entre autres avantages Sach. possède une virtuosité de pédales comme je n'en ai pas rencontré jusqu'ici
– et une sécurité de toucher et une vigueur ou plutôt ,Ausdauer’ tout à fait remarquable.
Aussi les nombreux organistes présents à ce concert en ont-ils été absourdis.“
(Sacha Winterberger hat auf der großartigen Merseburger Orgel in erstaunlicher Weise
eine Fantasie und Fuge über den Choral aus dem Propheten gespielt, der wir für die Gelegenheit eine Instrumentation durch die Registrierung gegeben haben, deren Effekt überwältigend war. Ich habe zu diesem Zweck zwei Tage in Merseburg verbracht und kann
Ihnen versichern, dass Winterberger alle Anlagen für einen großen Organisten besitzt.
Zwischen jetzt und dem Winter werde ich zwei andere Stücke schreiben, die Sie amüsieren werden. Neben anderen Vorzügen besitzt Alex. Winterberger eine Virtuosität auf den
Pedalen, wie ich sie bis jetzt nicht erlebt habe – und eine Sicherheit des Anschlags und
Kraft, vielmehr „Ausdauer“, die sehr bemerkenswert ist. Auch zahlreiche bei diesem Konzert anwesende Organisten waren davon überwältigt.)
Die überaus große Zuhörerschar war sich durchaus der Bedeutung der epochalen Komposition bewusst. Neben der formalen Besonderheit des Werks erkannte Franz Brendel
auch die Neuheit der Schreibweise: „Liszt hatte schon früher mit der Orgel sich bekannt
gemacht, es war ihm gelungen die Eigenthümlichkeiten derselben auf das Glänzendste zu
entfalten. … Liszt nimmt jetzt zur Orgel eine ähnliche Stelle ein, wie früher zum Pianoforte. Wie er früher das Pianoforte zu behandeln vermochte, einzig in seiner Art, so weiß
er jetzt auf der Orgel den ganzen Glanz und die ganze Pracht des Instrumentes zur Darstellung zu bringen.“
Peter Cornelius reagierte ähnlich enthusiastisch: „... ich weiß nicht, ob jemals schon ein
solcher Harmoniker dagewesen ist, wie Sie. Denn – wo sollten wir den Vergleich suchen?
Ich wüsste nur eine Analogie: Bach in tonalem, Sie im chromatischen Felde.“
ANDANTE RELIGIOSO (1857/59)
Wohl im Winter 1859/60 transkribierte Gottschalg ein Andante aus der 1857 erschienenen Bergsymphonie „Ce qu'on entend sur la montagne“ für Orgel. Wie weit Liszts Anteil
an der Bearbeitung anzusetzen ist, wird sich mangels handschriftlicher Quellen nicht
mehr genau nachweisen lassen. Als nun Liszt anregte, seine Bearbeitung der Dante-Symphonie in einem Jubel-Album zu Ehren Johann Schneiders zu veröffentlichen, schlug
Gottschalg das Andante vor. „Selbstverständlich habe ich gegen die Veröffentlichung des
Andante (aus der Berg Symphonie) in dem Jubel-Album zu Ehren Johann Schneiders
nichts einzuwenden. Ich bitte Sie nur, geehrter Freund, die Correctur genau durchzuse-
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< FRANZ LISZT ORGELWERKE
hen, und etwaige Auslassungen oder Fehler im Manuscript sorgfältig zu beachten“. Liszt
ist es auch, der die Veröffentlichung in einem Separatheft des Repertoriums gemeinsam
mit der Dante-Transkription anregt. Dennoch mahnt er am 23. Mai 1863: „Auch in dem
Orgel-Vorspiel des Schneider Album sind ein paar große Fehler stehen geblieben. Wo
möglich machen Sie sie wieder gut.“
Aufgrund der doppelten Veröffentlichung wurde die Transkription zu einem der bekanntesten Orgelwerke des Komponisten. Der noch zu Lebzeiten Liszts erstellte erste Katalog
der Orgelwerke von Francis Hueffer in der ersten Edition von Grove's Dictionary of Music
führt nicht B-A-C-H und „Weinen, Klagen“, wohl aber als Nr. 1 Andante religioso auf. Auf
der letzten Seite des Erstdrucks von 1862 findet sich die folgende Fußnote: „Die vorliegende Composition war zunächst für die berühmte Domorgel von Fr. Ladegast in Merseburg bestimmt, bei welcher sich durch den Crescendo-Zug die hier angedeuteten Klangnüancen sehr schön erzielen lassen.“
AVE MARIA I (1853/nach 1856)
Als zweite Fassung der ersten von insgesamt vier Vertonungen des Ave-Maria-Textes
schreibt Liszt 1853 eine Version quattuor vocum, convinente organo, die 1853 gemeinsam mit dem Pater noster veröffentlicht wird. Eine sehr freie Version für Klavier war in die
im selben Jahr erschienenen „Harmonies poétiques et religieuses“ eingegangen. Im September 1854 spielt Liszt das Ave Maria im einzig dokumentierten Konzert an seinem
neuen „Piano-Orgue“, dem „Monsterinstrument“, teils Konzertflügel, teils zweimanualiges
Pedalharmonium. Hier dürfte auch die Idee für die Orgelbearbeitung entstanden sein, die
sich in den Registrierungen auf die Merseburger Orgel bezieht und daher nach dem Mai
1856 entstanden sein dürfte. Aufgrund der Handschrift und des verwendeten Papiers
kann sogar angenommen werden, dass die Bearbeitungen von Dante, Andante religioso
und Ave Maria erst im Winter 1859/60 entstanden sind. Gottschalg schrieb eine
ursprüngliche Fassung: „Das erste poetische Ave Maria Liszt's für Gesang habe ich, mit
seiner Genehmigung, der Orgel angepaßt.“ Das Autograph zeigt jedoch äußerst starke
Spuren von Liszts Bearbeitung, so dass durchaus von einem eigenständigen Orgelstück
Liszts gesprochen werden muss, obwohl auch der Titel des Erstdrucks „Ave Maria/ von/
FranzLiszt/ für die Orgel eingerichtet/ und/ Ihrer Durchlaucht/ der Fürstin Karoline von
Sayn-Wittgenstein/ in tiefster Verehrung gewidmet/ von A. W. Gottschalg.“ Liszt nicht als
Bearbeiter nennt. Auf die ungewöhnlichen Registereffekte weist eine Fußnote im Erstdruck: „Bei der Registrirung dieses Orgelsatzes ist auf die berühmte Domorgel von Ladegast in Merseburg Rücksicht genommen worden. “
EINLEITUNG ZUR LEGENDE DER HEILIGEN ELISABETH (1862/65)
Angeregt durch die 1855 auf der Wartburg entstandenen Elisabeth-Fresken von Moritz von
Schwind begann Liszt 1857 mit der Komposition eines Oratoriums auf Texte von Otto
Roquette (1824-1896). Nachdem die Komposition im August 1862 fertiggestellt war, entstanden alsbald Bearbeitungen einzelner Nummern für Klavier von Liszt, für Klavier und Harmonium von Robert Schaab und die Transkription der Einleitung durch Karl Müllerhartung.
Liszt bezeichnet die thematische Grundlage des gesamten Werks in einem Brief an
Mihály Mosonyi:
„Rom, 10. November <1862> Via Felice 113
Verehrter Freund.
Da ich soeben Ihren Nahmen für den Druck geschrieben habe, finde ich es ganz natürlich, Ihnen persönlich zu schreiben. Sie werden mir gewiß weder das eine noch das andere übel deuten. Wie das erstere gekommen ist, will ich Ihnen vorläufig sagen.
Der Partitur der Legende der heiligen Elisabeth, die ich seit 6 Wochen gänzlich beendigt
habe, füge ich eine längere Anmerkung bei mit der Ausgabe der kirchlichen Intonation in
< DEUTSCH >
FESTO SANTA ELISABETH … , welche mir … durch Ihre freundliche Fürsorge und Vermittlung zugekommen sind.“
Karl Müllerhartung (1834-1908) kam 1865 als Musikprofessor nach Weimar, wo er –
hochgeschätzt auch von Liszt – eine Orchesterschule aufbaute. Als Orchesterdirigent leitete er Aufführungen des Elisabeth-Oratoriums. „In seinem ersten Weimarer Heim am
Kasernenberg ließen die Schwiegereltern eine Orgel für Müllerhartung einbauen. In den
achtziger Jahren gab er dort seinen Freunden und Lieblingsschülern allsonntäglich manch
auserlesene Weihestunde.“
Im Gegensatz zu „Orpheus“ hat sich bei der Elisabeth-Legende keine Vorlage erhalten, die
Liszts Mitwirkung bei der Übertragung dokumentieren könnte. Müllerhartung scheint sie
nach 1865 für den eigenen Gebrauch verfasst, dann aber mit Liszt überarbeitet zu haben:
„Unter des Meisters Leitung entstand auch die freie Bearbeitung des Vorspiels zu der Elisabeth-Legende von K. Müllerhartung. Liszt war ganz überrascht, in dieser ganz vorzüglichen Umbildung einen aus dem Hauptthema entwickelten neuen Contrapunct, der dem
Autor, wie er sagte, nicht ,eingefallen’ war, angebracht zu sehen.“ Gottschalg nahm die
Bearbeitung Müllerhartungs gemeinsam mit „Tu es Petrus“ und der Solofassung des
Offertorium als Band XXII in den 1873 publizierten 2. Band des Repertoriums auf.
OTTO NICOLAI: KIRCHLICHE FEST-OUVERTURE ÜBER DEN CHORAL
„EIN FESTE BURG IST UNSER GOTT“, OP. 31 FÜR ORGEL ODER
PEDALFLÜGEL GESETZT VON FRANZ LISZT (1844/52)
Vorlage: Kirchliche Fest-Ouverture über den Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“, op. 31
für Orchester, vierstimmigen Chor und Orgel (Leipzig, ca. 1844)
Otto Nicolai (1810-1849) schrieb diese Ouverture über den Lutherchoral im Zusammenhang mit der Dreihundertjahr-Feier der Albertus-Universität seiner Geburtsstadt Königsberg im Jahre 1844, wo sie auch im selben Jahr im Dom uraufgeführt wurde. Liszt, der
sich schon aus Anlass der Komposition seiner „Revolutionssymphonie“ mit dem Choral
„Ein feste Burg“ auseinandergesetzt hatte, verfasste diese umfangreiche Bearbeitung
1852 auf der Altenburg in Weimar. Im selben Jahr schon wurde die Transkription in Leipzig gedruckt. Anreger oder Auftraggeber sind unbekannt. Gottschalg rezensierte schon
1853 die Komposition als „originelles und großartig angelegtes Tonstück“ , 1854 führt er
die Transkription erstmals im Konzert auf, die Vorbereitung des Konzerts vermittelte ihm
erstmals die Bekanntschaft Liszts: „Der eifrige Organist war in der Tiefurter Kirche damit
beschäftigt, sich Liszts erste Schöpfung für Orgel – ein Arrangement der Konzerouverture über ,Ein feste Burg ist unser Gott’ von Nicolai – zu erarbeiten. Ihn plagten dabei einige schwierige Stellen, ,die nicht parieren wollten’ “ . Liszt und einige Schüler, die im nahe
gelegenen Park lustwandelten, hörten dies. Gottschalg berichtet: „Plötzlich griffen zwei
lange Arme über meine Schultern auf die zweimanualige Tastatur. Ich sehe mich um, und
der gefeierte Meister stand vor mir mit einigen seiner Scholaren, mild lächelnd und
freundlich sprechend: ,So geht's nicht, lieber Freund … haben Sie eine Bleifeder?’ Ich
überreichte eine solche. Liszt notierte die fragliche Applikatur, und nach einigen Versuchen ging die heikle Stelle tadellos.“ Liszts autographe Eintragungen (Fingersätze, Tempoangaben und drei Registriervermerke) bezeugen das kurzzeitige orgelpädagogische
Interesse Liszts und sind interessante Belege für die romantische Aufführungspraxis. Im
zweiten Merseburger Orgelkonzert im Mai 1856 wurde neben der Uraufführung von Präludium und Fuge über B-A-C-H auch dieses Werk gespielt, wie Hans von Bülow berichtet:
„Ebenso vollendet spielt Herr Winterberger Liszt's Bearbeitung der Nicolai'schen Festouverture über den Choral ,Ein feste Burg’ “ .
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< FRANZ LISZT ORGELWERKE
< DEUTSCH >
PRÄLUDIUM UND FUGE ÜBER
B-A-C-H (LETZTFASSUNG 1870)
TEIL 2
Liszts zweites großes Orgelwerk verdankt seine Entstehung einem Kompositionsauftrag des Merseburger Domorganisten Engel und dem eigenen
Wunsch des Komponisten, einige
Werke mit direktem Bezug zu J. S.
Bach zu schaffen. In der Festschrift
zum Eröffnungskonzert 1855 kündigte
D. H. Engel das noch nicht komponierte Werk bereits öffentlich an: „So viel
mir aus persönlicher Mittheilung des
Herrn Dr. Liszt bekannt geworden ist,
hat derselbe Folge dessen eine große
Sonate auf den Namen Bach vollendet, auf deren Erscheinen ich
Kunstfreunde hiermit aufmerksam
mache.“ Dennoch sollte sich die Fertigstellung weiterhin verzögern. Nicht
nur die Konzeption der gleichzeitig in
Angriff genommenen Dante-Symphonie dürfte Grund für den langfristigen
Entstehungsprozess dieses Orgelwerks gewesen sein. Ähnliche Mühen
in der Bewältigung polyphoner Strukturen finden sich bei Liszt mehrfach:
so sei hier bloß auf die Bach-Bearbeitung „Ich hatte viel Bekümmernis“
hingewiesen. Im September spricht
Liszt von „deux autres morceaux du
même calibre“ (zwei andere Stücke
derselben Länge), die er zusätzlich
komponieren wolle, im Oktober sieht
er ein, dass sich die Arbeit bis in den
Winter erstrecken würde: „D’ici à l’hiver je lui écrirai deux autres morceaux
qui vous amuseront.“ (Von heute bis
zum Winter werde ich zwei andere
Stücke schreiben, die sie amüsieren
werden.)
Die B-A-C-H- Fuge dürfte Liszt erst
Ende des Winters 1855/56 vollendet
haben, Präludium und Fuge über B-AC-H wurde im zweiten auf der Merseburger Domorgel gegebenen Konzert
am 13. Mai 1856 durch Alexander Winterberger uraufgeführt (in dieser Fassung wurde das Stück für die erste CD
auf der Domorgel in Merseburg
eingespielt). Während das neue Werk von Hans von Bülow in einer Rezension gepriesen
wurde, zeigte der mit r. zeichnende Rezensent der Neuen Zeitschrift für Musik eine gewisse Ratlosigkeit in der Rezeption des neuen Werks:
„Die Orgelvorträge bestanden in der kirchlichen Festouvertüre ‚Ein feste Burg etc.’ von
Nicolai, für die Orgel bearbeitet von Liszt, und einer neuen Komposition von dem letztgenannten, einer Fuge über BACH, beide von Hrn. Winterberger aus Weimar, der auch im
ersten Konzert sich auszeichnete, mit glänzender Virtuosität vorgetragen. Das neue Werk
Liszt’s birgt Gewaltiges. Das ganze aber als ein Ganzes zu überschauen, verlangt, auch
von dem in diesem Zweige der Kunst geübtesten Ohre, ein mehrmaliges Hören, wohl gar
Lesen und Spielen. Die Orgeltechnik hat hier einen bis jetzt unerreichten Höhepunkt
erstiegen.“
Der Organist der Uraufführung Alexander Winterberger spielte das neue Werk mit großem
Erfolg auf einer Konzerttournee in Holland, bevor er nach Wien übersiedelte und den
Orgelvirtuosen „an den Nagel hängte“. Das in Holland verbliebene Manuskript Winterbergers diente als Vorlage des erst 1859 erschienenen Erstdrucks. Das Fehlen einer
Abschrift in Deutschland sowie das Erscheinen der Edition in einem kleinen ausländischen
Verlag verhinderten die Verbreitung des Werks, so dass Liszt 1860 an von Bülow schreiben musste: „ ‚Bach’ zum Gruß in Leipzig!… Präludium und Bach-Fuge bitte ich nicht zu
verlieren, da kein anderes Exemplar mehr vorhanden.“ Erst 1862 erschien die erste deutsche Rezension des sieben Jahre zuvor komponierten Werks, von dem Liszt alsbald auch
eine Version für Klavier solo erstellte:
„In dem Präludium und Fuge über den Namen B-A-C-H - Alexander Winterberger gewidmet, liefert der Tonsetzer ein Meisterstück. Hier ist ein Hinausgehen aus dem stereotyp
gewordenen Formalismus bemerkbar, dabei aber immer ein schönes Maß gehalten. Trotz
des einfachen Aussehens dieses Tonsatzes bietet derselbe doch einen großen Reichthum
von Effekten. Mögen daher die Konzertorganisten dieses Werk bald in ihre Programme
aufnehmen.“
Erst nach diesem Zeitpunkt lassen sich Aufführungen in Deutschland nachweisen.
Ob Liszt 1864 schon eine veränderte Neufassung publizieren wollte, oder nur einen
potenteren Verleger für die Erstfassung suchte, ist nicht mehr festzustellen:
„Les éditeurs que vous me nommez pour le restant des manuscripts et la Fugue BACH,
excitent ma convoitise; Rieter-Biedermann en particulier me semble une trouvaille.“ (Die
Verlage, die Sie mir für die verbliebenen Manuskripte und die BACH-Fuge nennen, erregen meine Begier; besonders Rieter-Biedermann scheint mir ein guter Fang zu sein)
Die erneute Beschäftigung mit dem Stück kann in ursächlichem Zusammenhang mit
Liszts Rückkehr nach Weimar und der Zusammenarbeit mit A. W. Gottschalg gesehen werden, der sich in der Zwischenzeit Verdienste um die Drucklegung verschiedenster Werke
Liszts gemacht hatte:
„Geehrter Freund, … Anfangs nächsten Januars gedenke ich in Weimar einzutreffen und
dort den Winter zu verweilen. ... Es sollte mich freuen, unsere vieljährigen Beziehungen
ungetrübt fortzuführen.“
Liszt verwendete zwei Exemplare des holländischen Erstdrucks, um verschiedene neue
Varianten einzelner Passagen zu notieren, die schließlich in einer 1870 veröffentlichten
Neufassung resultieren sollten.
Gottschalg selbst berichtet 30 Jahre später über die Umarbeitung Liszts: „Als ich bereit
war, mich an dieser ‚Bach-Huldigung’ zu versuchen, sagte mir der Meister: ‚Warten Sie
etwas, ehe Sie das Ding spielen; es ist mir manche Verbesserung eingefallen !’ Und so
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< FRANZ LISZT ORGELWERKE >
entstand die zweite, in der That viel günstigere Auflage, welche unter Liszt’s Protektion
bei J. Schuberth in meinem ‚Repertorium’ sowie in dem Liszt-Album für Orgel erschienen
ist.“ 1870 erschien die revidierte Orgelfassung bei Schuberth & Co. in Leipzig. Auch diese
Fassung wollte Liszt sichtlich noch einer weiteren Bearbeitung unterziehen. 1872 schrieb
die NZfM anlässlich eines Orgelkonzerts in Merseburg:
„Herr Fischer executierte Liszts enorm schwierige Fantasie und Fuge über BACH mit großer Virtuosität. ... Dieses gigantische Orgelwerk erscheint wahrscheinlich in nächster Zeit
in etwas veränderter Gestalt, wodurch dasselbe auch einem größeren Spielerkreis
zugänglich gemacht werden dürfte.“
Die neuen Versionen waren alsbald weit verbreitet. So spielte zum Beispiel Henri Dallier
das Werk gemeinsam mit dem Papst-Hymnus anlässlich der Aufführung der Graner Festmesse am 25. März 1886 in der Pariser Kirche St. Eustache.
Anhand der vorhandenen Daten lässt sich der folgende Zeitplan für Entstehung, Aufführungen und Drucklegung der verschiedenen Versionen von B-A-C-H erstellen:
Winter 1855/56:
13. Mai 1856:
Komposition der ersten Orgelfassung
Uraufführung durch Alexander Winterberger in Merseburg
(nach dem Autograph?)
Mai/Juni 1856:
Abschrift Winterbergers mit Übertragung von Registrierungen der
Uraufführung
23. Juni 1856:
Vorbereitung des Werks für die Holland-Reise durch Liszt und
Winterberger in Merseburg
Anfang Juli 1856: Zumindest drei Aufführungen des Werks durch Winterberger in Rotterdam, Haarlem, Utrecht unter Verwendung der Abschrift
1859:
Erstdruck durch W.C. de Vletter, Rotterdam, Liszt spielt (erstmals?)
B-A-C-H in einer Klavierfassung und beginnt möglicherweise mit der
Umarbeitung für Klavier
1862:
Erste deutsche Rezension des Erstdrucks und erste nachweisbare
Aufführungen in Deutschland
Januar - April 1869: Revision durch Liszt in Weimar
19. 7. 1869:
Aufführung einer revidierten (?) Fassung durch Gottschalg in Weimar
1870:
Erste Klavierbearbeitung der revidierten Orgelfassung, Drucklegung
der revidierten Orgelfassung bei Schuberth, Leipzig, Nr. 1713
1871:
Klavierfassung (Erstfassung) bei Siegel, Leipzig veröffentlicht
1872:
Aufführung durch A. Fischer in Dresden und Weimar und Ankündigung einer neuen gedruckten Orgelfassung
15. 11. 1872:
Aufführung von Präludium und Fuge über B-A-C-H durch A. Fischer
im ersten Orgelkonzert an der neuen Ladegast-Orgel im Großen Wiener Musikvereinssaal
1872:
„Nouvelle Edition“ der Klavierfassung: „nur diese sollte gelten“
ebenfalls bei Siegel veröffentlicht
1876/77:
Weitere Korrekturen vor Drucklegung der Orgelfassung
1877:
Erste Klavierfassung wird im Thematischen Katalog für ungültig
erklärt
März 1877:
Übernahme der unveränderten Druckfassung als Nr. 24 des Repertoriums Gottschalgs (Schuberth, Leipzig)
ca. 1885:
Übernahme in Franz Liszt: Orgelwerke ed. Gottschalg
< DEUTSCH >
Präludium und Fuge über B-A-C-H sollte alsbald zu Liszts populärstem Orgelwerk werden,
das sich vor allem in Deutschland und im englischsprachigen Raum großer Beliebtheit
erfreuen sollte.
ORGELFASSUNGEN EIGENER WERKE
Popularisierung neuer Kompositionen und das Gewinnen des orchestralen Repertoires für
die Orgel waren für Liszt bestimmend, Bearbeitungen eigener Orchester- oder Klavierwerke
für die Orgel zuzulassen oder selbst zu erstellen.
Eng mit den Gebräuchen des Weimarer Schülerkreises verknüpft war die Entstehung der großen Transkriptionen: Sofort nach Beendigung der Orchesterpartituren entstanden hier Bearbeitungen der symphonischen Dichtungen für Klavier zu zwei und vier Händen, für Violine und
Klavier, Harmonium sowie für Streichquartett und andere instrumentale Kombinationen. Manufakturartig wurden die Werke von Schülern und Kollegen erstellt, von Liszt korrigiert, mehr
oder minder umgearbeitet und schließlich durch die Signatur als eigenes Werk approbiert.
Die Orgelbearbeitungen stellen hier keine Ausnahme dar. Robert Schaab, A. W. Gottschalg
und Karl Müllerhartung erstellten erste Versionen, die von Liszt völlig neu (Orpheus), teilweise (Dante) oder fast gar nicht ausgearbeitet wurden. Liszt komponierte einzelne Abschnitte
neu (Dante, Andante religioso) und strich Überflüssiges weg (Orpheus).
Gerade die römischen Jahre 1860-1865 waren reich an (in Weimar entstandenen) eigenen
Bearbeitungen. Liszt, nicht mehr in der Lage, den wachsenden Bedarf an Originalwerken für
„Jubelalben“ oder für Gottschalgs Repertorium zu befriedigen, approbierte fremder Transkriptionen und zeigte sich begeistert über die Interpretation eigener Klavierwerke durch
reisende Virtuosen auf der Orgel.
Hatte schon der konzertierende Organist Liszt immer wieder auf Transkriptionen zurückgegriffen, so blieben Bearbeitungen stets auch Bestandteil des Weimarer Repertoires und der
zeitgenössischen Veröffentlichungen.
ORPHEUS - SYMPHONISCHE DICHTUNG
„Die symphonische Dichtung ‚Orpheus’ hatte mein verstorbener College Robert Schaab
unternommen, für die Orgel einzurichten, aber nicht beifällig für den Autor, der genöthigt
war, die Hauptsache eigenhändig umzuarbeiten.“
Diese Bemerkung Gottschalgs beschreibt den Weg vom Original zur Zweitfassung: Nach der
Uraufführung (10. November 1854) des ursprünglich als Vorspiel zu Glucks gleichnamiger
Oper gedachten Werks wurden vom Weimarer Schülerkreis alsbald Klavierauszüge zu zwei
und vier Händen und Bearbeitungen für die verschiedensten Besetzungen erstellt. Die Version für Orgel wurde von Robert Schaab gefertigt. Liszt begann die Fassung Schaabs umzuarbeiten, er veränderte, fügte neue Mittelstimmen ein und schrieb einen abweichenden
Schluss. Gottschalg schrieb die nun entstandene Kombinationsfassung ab, Liszt revidierte
weiter, das Arrangement erschien in Gottschalgs Repertorium im Druck. Das gedruckte
Ergebnis ist nicht mehr bloßes Arrangement, es ist – durch Liszts Umarbeitung – zur zumindest teilweisen Neuschöpfung geworden. Orpheus erscheint vom stimmungsvollen Orchesterpoem zum selbstständigen romantischen Orgelwerk transferiert.
LISZTS IN ROM ENTSTANDENE ORGELWERKE (1862/64)
Nachdem Liszt 1861 seinen Wohnsitz in Rom genommen hatte und damit den direkten Kontakt zu Orgeln und Organisten verloren hatte, war es vor allem A. W. Gottschalg, Jahrgang
1827, der 1856 die Bekanntschaft Liszts machte, und der ihm als Anreger und Kopist wertvolle Dienste erweisen sollte.
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< FRANZ LISZT ORGELWERKE >
< DEUTSCH >
Gottschalg „genoß das Glück, bis zu des Meisters Ende ununterbrochen in thätiger Beziehung zu ihm bleiben zu können, wozu seine spätere Anstellung in Weimar ihm noch besondere Möglichkeit gewährte. Von redlichem Charakter und Liszt uneigennützig ergeben, ward
er in der ‚Hofgärtnerei’ quasi Haus - und Musikfaktotum. Ähnlich wie Anton Schindler Beethoven stand er Liszt in vielen Dienstleistungen zur Seite. Vielerlei ging durch seine Hand,
namentlich alles, was sich seiten’s Liszt auf die Orgel bezog. Er übernahm so ziemlich
durchweg alle Reinschriften seiner Orgelkompositionen – in Folge dessen kam G. in den
Besitz der meisten Original-Orgelmanuskripte des Meisters, da dieser seine Manuskripte
Denen zu schenken pflegte, die ihre Reinschrift besorgten, – nahm ihm während seines
römischen Aufenthalts lästige Verlagsangelegenheiten und Korrespondenzen ab u. dgl. m. –
Liszt betitelte ihn ‚legendarischer Kantor’ wegen mancher Märchen, die er ersann, auch weil
ihn die Weimaraner, Groß und Klein, trotz Organistenstelle zu Weimar und Professorenstelle ‚Tieffurther Kantor’ fortnannten.“
Liszts Niederschrift der in den ersten Jahren seines Aufenthalts in Rom entstandenen Orgelwerke ist in einem größeren Konvolut gebündelt und enthält die 1862/63 entstandenen
Werke in folgender Reihenfolge:
1)
2)
3)
4)
5)
Hosannah !
Ave Maria d’Arcadelt
Evocation à la Chapelle Sixtine
Pilgerchor aus „Tannhäuser“ (2. Fassung)
„Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“
Die Datierung „22. Oct. 62“ der Wagner-Transkription schafft auch einen Terminus ante
quem für die Werke 1 bis 3. Die erste Erwähnung des Orgelbandes in einem Brief an Gottschalg gibt auch Auskunft über die Entstehungszeit. Noch am 26. Mai 1863 schreibt Liszt von
„dem Notenheft welches für Sie seit Monathen bereit liegt ... Hoffentlich findet sich endlich
eine Gelegenheit es Ihnen zu übersenden, da ich darauf verzichten muß, es selbst zu bringen“.
Die dann nach erfolgter Zusendung anhand des Autographs „so sorgfältig-verständige, von
Ihnen gefertigte Abschrift einiger meiner Orgelsachen“ langte am 5. November 1863 in Rom
ein. Liszt war über „dieses Manuskript sehr befriedigt und“ Gottschalg „abermals zu verbindlichen Dank verpflichtet.“
Die Handschrift, die als Druckvorlage für die Erstdrucke diente, hat sich im GSA erhalten,
ebenso wie die zu einem Konvolut gebundenen Korrekturabzüge der betreffenden Werke,
die eine äußerst wertvolle Quelle zur Arbeitsweise des Komponisten darstellen.
DREI TRAUERMUSIKEN
LES MORTS - ORAISON
„Erinnerungsmusiken“. Unter diesem Titel fasst Dorothea Redepenning eine Reihe von Kompositio-nen des Spätwerks zusammen, die autobiographisch geprägt, persönliche Trauerarbeit exprimieren.
Neben „Weinen, Klagen“, der „Evocation“, dem Ave Maria III und den Richard Wagner-Stükken ist auch die „Oraison“ dieser Gruppe zuzurechnen. Im August 1860 entsteht die Komposition in memoriam an den im Dezember 1859 verstorbenen Sohn Daniel in einer Orchesterfassung, gleichzeitig in Versionen für Klavier zu 2 oder 4 Händen und für Orgel, wie er
in einem „Feuille supplémentaire“ zu seinem Testament am 14. 9. 1860 betont:
„ ‚Les morts’, oraison – en Partition (avec le texte de Mr de Lammenais, tel que je l’ai écrit
au bas de chaque page) et aussi les arrangements pour Piano à 2 et 4 mains – et pour
Orgue – (écrit pour ma fille cadette, Cosima de Bülow).“
(„Die Toten“ – Gebet – Partitur (mit dem Text Herrn von Lammenais, so wie ich ihn am Fuße
jeder Seite notiert habe) und auch mit den Klavierbearbeitungen zu zwei und vier Händen –
und für Orgel – (für meine jüngere Tochter Cosima von Bülow geschrieben).
In einem Brief an Peter Cornelius erwähnt Liszt die Orgelfassung nicht mehr, die gleich allen
anderen Versionen erst posthum veröffentlicht werden sollte. Liszts Vertonung umfasst vier
der acht Strophen eines Gedichtes des französischen Abbé Félicité-Robert de Lamennais, von
welchem Liszt früher mehrfach Texte vertont hatte. Die historisierende Sprache der Vorlage
mit ihrem Gegensatz von Trauer und der Verheißung des ewigen Lebens prägt den kontrastreichen Aufbau des Werks. Der Partitur seiner zweiten Trauerode „La Notte“ fügte er im Juni
1864 die Worte bei: „Falls bei meiner Beerdigung Musik stattfinden sollte, bitte ich dieses
Stück und etwa eine von mir früher komponierte Oration ‚Les Morts’ betitelt, vorzutragen.“
„WEINEN, KLAGEN, SORGEN, ZAGEN“
Am 13. Dezember 1859 starb der 20-jährige Sohn Liszts Daniel in den Armen seines Vaters
im Berliner Hause seiner Schwester Cosima von Bülow. Gebrochen kehrte dieser am 18. 12.
nach Weimar zurück und begann noch im selben Monat mit der Komposition eines neuen
Werks „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“ – Präludium nach J. S. Bach. Dass Liszt diese für
ihn so wichtige Erstfassung ganz bewusst als Trauermusik konzipiert hatte, belegen spätere Aussagen: „Liszt erzählte, daß er früher über dasselbe Thema eine kleine Anzahl von
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< FRANZ LISZT ORGELWERKE >
Variationen geschrieben habe, ... und hat er damals den Choral, die Antithese zum Leiden
noch nicht hinzugefügt.“
Wie kaum ein anderes Werk Liszts kann „Weinen, Klagen“ aus der Biographie gedeutet
werden: Der Tod des Sohnes, der Tochter Blandine 1862, das doch überraschende Scheitern der Eheschließung mit der Fürstin 1861, das Testament von 1860 beschließen einen
Lebensabschnitt auf elementar einschneidende Weise.
Der Wechsel des Wohnorts, das Gefühl der Heimatlosigkeit nach Aufgabe der persönlichen
Bindung, aber auch das Gefühl, nach der Phase der symphonischen Arbeit „auch die oratorische Aufgabe“ lösen zu müssen, prägen Werke, die auch in ihrer Faktur höchst unterschiedlich zu den in Weimar entstandenen gesehen werden müssen.
„Weinen, Klagen, Sorgen Zagen“ zeigt sich in Machart und Schreibweise, aber auch im
Werkkommentar des Komponisten als erste bedeutende dem Spätstil zuzurechnende
Komposition: Wir verdanken einer umfassenden Arbeit Michael Heinemanns die Analyse des Werks als „Doppelkomposition“, als Deutung zweier Kantaten Bachs, der im
Titel angegebenen: „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“, BWV 12 und der ebenfalls 1855
edierten „Ich hatte viel Bekümmernis“, BWV 21. Eine schon in den vorangegangen großen Orgelwerken zu beobachtende Aufhebung der klassisch deutbaren Form erscheint
hier radikalisiert und zugespitzt. Wie weit das Stück als bloße Transkription des Bachschen Chorsatzes, wie weit als Bearbeitung, wie weit als assoziativ entwickelte Paraphrase in Übernahme einzelner Strukturen und Proportionen ohne direkt erkennbare
thematisch-motivische Entsprechungen gedeutet wird, bleibt der beschreibenden Analyse vorbehalten.
„Weinen, Klagen“ bietet Beispiele für all diese möglichen Formen. Die Tatsache, dass vor
Heinemann keine der zahlreichen Analysen eine befriedigende Deutung des Schlusses liefern kann, liegt sicher nicht zuletzt an der Camouflage der eigenen Technik, die Liszt Elemente wie das Doppelrezitativ, genaue proportionale Entsprechungen, die Gegenläufigkeit
chromatischer Skalen und die Suspiratio-Technik aus der zweiten Kantate übernehmen
lässt, ohne thematisches Material aus dieser benützen zu müssen. „Dank der besonderen
Technik der Thementransformation kommt er mit einem Minimum an thematischen Material aus“. Das schon von Raff im Hinblick auf „Ad nos“ kritisierte Fehlen „origineller“ oder
„charakteristischer eigener Themen“ wird im Hinblick auf die grundlegend neue Behandlung des thematischen Materials nebensächlich.
Überraschend erscheinen die zahlenproportionalen Zusammenhänge zwischen den Vorlagen und der Bearbeitung. Dennoch zeigen die Betonung der gefühlsmäßigen Ausdruckskomponente und das Vermeiden jeglicher technisch analytischen Deutung des eigenen
Werks schon den distanziert, etwas ironisch geprägten Ton Liszts in der Betrachtung des
eigenen Spätwerks.
„Das Problem der Abwertung“ nennt Redepenning einen Unterabschnitt ihres Kapitels
„Liszts Verhältnis zum Spätwerk“. Liszts erster Kommentar zum neukomponierten Werk,
die Bitte, „die Variationen ‚plus que sérieuses’, wozu mich das chromatische Motiv der
Cantate ‚Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen’ verleitet hat, einstweilen unveröffentlicht zu lassen“, ist höchst bezeichnend für diese seine Einstellung. Liszt ironisiert (fast verzweifelnd)
seine Ernsthaftigkeit, seine Bezugnahme zur Tradition der Vorlage, wobei Mendelssohn
schon Synonym für Bach – auch für die Vergangenheit gesetzt werden darf. Der Bezug zu
Mendelssohn wird noch 1885 seinem Schüler August Stradal mitgeteilt, nachdem dieser
am 27. Juni die Klavierfassung für Liszt gespielt hatte:
„Bei einer neuen Ausgabe werde ich dieses Stück als Gegenstück der Mendelssohn’schen
‚Variations sérieuses’ nennen.“
Die immer heftiger werdende Ablehnung des eigenen Werks, ein Grund, der letztlich für
< DEUTSCH >
den Weggang von Weimar mitverantwortlich war, scheint ihn in Rom einzuholen, wiewohl
er selbst eine Radikalisierung des eigenen Komponierens voraussieht:
„Wahrlich ist meine Amplifizierung des Bach’schen ‚Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen’ noch
viel zu süsslich und zahm, obschon sich an dem Uebermasse von Dissonanzen manche Pfuscher sträuben werden ! – Ein schlimmer Trost, doch ein Trost, bleibt darin, dass es den
Besseren noch schlechter ergangen ist als mir; daher will ich nicht klagen, sondern nur
meine Freunde – und Sie zunächst, lieber Gottschalg loben und Ihnen danken, wenn Sie
einiges Vergnügen an meiner Arbeit finden.“
Die von den Klavierschülern überlieferten letzten Kommentare Liszts zum Stück sind zutiefst
überschattet, sarkastisch und finster:
„Wenn Sie schlecht rezensiert werden wollen, müssen Sie das spielen. Es wird dann heißen,
dem jungen Künstler ist Talent nicht abzusprechen – es bleibt nur zu bedauern, daß er eine
so schlechte Auswahl der Stücke trifft“. Auch im letzten Kommentar in einer der letzten
erteilten Lektionen überwiegt die Kritik am äußerlichen Konzertbetrieb:
„Das ganze hat einen sehr düsteren Hintergrund. Ein Stück ganz zum Durchfallen.“
EVOCATION À LA CHAPELLE SIXTINE
„Verehrter Freund, Ich danke Dir umgehend für Deine gütige Sendung und zugleich im
Namen meiner armen Frau, die vorigen Sonnabend mit dem Kinde nach Paris gereist ist, um
ihre Großmutter über den unerwarteten und trostlosen Trauerfall zu trösten, den wir erlitten
haben. Meine theure Schwägerin ist am 11. d. auf ihrem Landgute bei St. Tropez an einer
Art Entkräftungsfieber gestorben. Vermuthlich hat es auch an verständiger ärztlicher Hülfe
gefehlt – genug, der Verlust, den die Familie meines Schwiegervaters erlitten, ist entsetzlich für Alle. Am peinlichsten vielleicht für die alte vortreffliche Mme. Liszt, die in ihren letzten Tagen ihre Enkel eins nach dem Anderen hinsterben sehen muß, deren Kindheit sie die
eigentliche mütterliche Pflege gewidmet hat.“
„Erinnerungsmusiken – Trauer, Klage und Erinnerung sind zentrale Themen in Liszts Spätwerk.“ Liszt war am 20. Oktober 1861 mit der Absicht nach Rom gekommen, in dieser Stadt
ständigen Aufenthalt zu nehmen. Der Komponist, auf der Suche nach kirchlichem Ambiente, erlebte hier auch nie zuvor gehörte kirchenmusikalische Eindrücke: „Sonntags gehe ich
regelmäßig in die Sixtinische Kapelle, um meine Seele in den Klangwellen des Jordans zu
stärken.“ Das Autograph einer ersten Fassung der Evocation für Klavier trägt das Datum
„Palmsonntag 1862“, die 1989 wieder entdeckte Reinschrift der zweiten und endgültigen
Klavierfassung den Zusatz: „esquissé durant la semaine sainte – à la Chapelle Sixtine écrit
en Octobre 62, Rom“. Sichtlich spielt Liszt schon im Titel auf seinen Vorgänger Mozart an,
der als 14-jähriger das der Sixtina vorbehaltene Miserere Gregorio Allegris (1582-1642) aus
dem Gedächtnis niedergeschrieben haben soll.
Während Mozarts Motette transponiert aber nicht verändert erscheint, übernimmt Liszt im
Miserere nur den strophisch wiederkehrenden Teil des ersten Chores. Liszt hatte nach dem
Tod seines einzigen Sohnes Daniel 1859 auch die Tochter Blandine verloren, die, nach der
Geburt eines Sohnes am 3. Juli, am 11. September 1862 verstarb. Er, der das Jahr in Rom
überwiegend mit der Komposition religiöser Werke verbracht hatte, der sich nach dem Trauerfall „sozusagen unzurechnungsfähig für andere Angelegenheiten“ fühlte, komponierte ab
September einige Trauermusiken, so die Evocation, ein – in unmittelbarem Zusammenhang
mit der im Juli abgeschlossenen Elisabethlegende stehendes – „Doppelwerk“, welches
bewusst die extremen Gegensätze unterschiedlicher thematischer Strukturen nutzt, vergleichbar dem „Alléluja et Ave Maria“, den Franziskuslegenden, aber auch den unmittelbar
danach abgeschlossenen Variationen „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“.
Auf eine Liszt eigene Weise scheinen die Grenzen zwischen Transkription, Paraphrase und
Komposition aufgehoben, die Gleichzeitigkeit von Klavier- und Orgelfassung erlaubt auch
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< FRANZ LISZT ORGELWERKE >
< DEUTSCH >
EINLEITUNG, FUGE UND
MAGNIFICAT AUS DER
SYMPHONIE ZU DANTES
„DIVINA COMMEDIA“ (1856/60)
nicht, eine Version als „Bearbeitung“ zur anderen in Abhängigkeit zu setzen, wie Liszt selbst
in einem Kommentar zur Klavierversion feststellt:
„À mon avis, le mot de ‚transcription’ est inutile pour les trois morceaux de Peters (Alléluja - Ave Maria - Miserere et Ave verum) que je propose de publier en deux cahiers avec un
seul titre général.“
(Meiner Meinung nach ist das Wort „Transkription“ für die drei bei Peters veröffentlichten
Stücke (Alleluja - Ave Maria - Miserere und Ave verum) unnütz und schlage vor, sie in zwei
Heften mit einem einzigen Generaltitel zu veröffentlichen).
Die Idee des Doppelwerks, die Spannung zwischen Dunkel und Licht, zwischen Tod und
Leben, die auch „Weinen, Klagen“ prägen sollte, ist mehr als alles andere bestimmend für
die Werke des Winters 1862/63: „Aus den zwei verschiedenen Vorlagen schuf Liszt nach
einem bestimmten und genau durchdachten dramaturgischen Plan ein einheitliches Werk.
Das diesem Plan innewohnende Programm läßt sich durch Liszts eigene Worte am besten
ausdrücken: Die Misere und Ängste des Menschen stöhnen in dem Miserere; Gottes grenzenlose Barmherzigheit und sein geneigtes Ohr antworten darauf und singen im Ave verum
corpus. Das rührt an das erhabenste der Mysterien, daran, das uns offenbart, daß die Liebe
über das Böse und den Tod den Sieg davonträgt.“
Aus der Position der Niederschrift im autographen Konvolut lässt sich ein Terminus ante
quem herstellen. Da – bis auf das später zugefügte – „Weinen, Klagen“ – die Reihenfolge
der Werke ihrem Entstehungsdatum entspricht, steht die Evocation zwischen dem im Frühjahr 1862 entstandenen „Ave Maria d’Arcadelt“ und der am 22. Oktober signierten zweiten
Bearbeitung des Pilgerchores. Wenn wir Liszts Hinweis auf die „3 oder 4 Orgelsachen,...die
ich im vorigen Frühjahr geschrieben“ ernst nehmen, so ist ein Entstehungstermin der Evocation im Frühjahr 1862 im Zusammenhang mit der ersten Klavierfassung wahrscheinlich.
Schon Lina Ramann sah nicht unrichtig die Verwandtschaft des Werks zu „Weinen, Klagen...“: „Bei einigen seiner Orgel-Kompositionen und Bearbeitungen faßte Liszt zwei verschiedene Stücke zusammen, … denen er damit einen Kontrast, eine poetische Beleuchtung, auch eine erweiterte Stimmung schuf. Derselbe Grundzug herrscht auch hier, aber auf
religiösem Boden. Der Schluß seiner großen Orgelvariationen ‚Was Gott tut, das ist wohlgetan’ gibt dem ‚Sorgen, Klagen’ die Antwort, – in der Evocation folgt dem Klagelaut des
Bußpsalms das erbarmungsvolle ‚Ave verum’ “.
Die Uraufführung der Orgelfassung dürfte von Gottschalg gespielt worden sein. Ein Termin
lässt sich nicht feststellen, doch hat er das Werk nachweislich am 16. Juli 1869 in der Weimarer Herderkirche gespielt.
Eine Versachlichung des höchst subjektiv-persönlichen Ausdrucks des Werks äußert sich
vorerst in der Widmung der beiden „Trauermusiken“ an Gottschalg, aber auch in der verzweifelt „ironischen Verkehrung“, mit der Liszt seine eigenen religiösen Werke „schwach,
wertlos und von nicht gewöhnlichem Geschmack“ ansah: „Die Herren spielen nur lauter
Trauermusiken. Das ist ein Gegenstück zu ‚Weinen, Klagen’ und die reine Spitalmusik –
schrecklich langweilig.“ Als ich fertig war (bis zum Ave verum) sagte Er …“ dieses Stück
kann man überhaupt nur privat spielen, es ist nichts für’s große Publikum.“
TEIL 3
Am 14. Februar 1860 setzte Liszts
Adlatus Alexander Wilhelm Gottschalg
seine Signatur unter das Vorwort zu
einer großangelegten Bearbeitung dreier Abschnitte aus Liszts neuer DanteSymphonie. Das von Liszt 1856 vollendete Werk war am 7.11.1857 in
Dresden uraufgeführt und vom Komponisten unter dem Motto: „Tu sei lo mio
maestro, e il mio autore ... in unwandelbar getreuer Liebe” Richard Wagner
gewidmet worden.
„Die Einleitung, Fuge und Magnificat
aus der Dante-Sinfonie bearbeitete ich
auf Anregung meines früh dahingegangenen Freundes Peter Cornelius, natürlich unter des Meisters Beihilfe.“ Liszts
„Beihilfe“ war in diesem Falle eine völlige Neubearbeitung der zweiten Hälfte
der Fuge mit gänzlich neuem Schluss.
In einem Schreiben vom 11.3.1862 aus
Rom riet Liszt: „Es ist mir aufgefallen,
daß Ihr Nahme nicht unter den Mitarbeitern des Jubel Album(s) – Johann
Schneider's genannt ist. Wenn noch Zeit
und Platz dazu vorhanden, könnten Sie
vielleicht Ihr Arrangement der Fuge aus
der Dante Sinfonie (mit dem Schluß, den
ich für Sie dazu componirt) beisteuern.“
Auf das Fiasko des Drucks der Erstfassung des Pilgerchores folgend, forderte
Liszt am 3.12.1865: „Falls Sie die Fuge
der Dante Symphonie veröffentlichen,
wünsche ich die letzte Correctur durchzusehen, die Sie mir gefälligst zusenden
wollen.“ Gottschalgs Vorwort: „Zum
besseren Verständnis der vorliegenden
Bearbeitung, welche ein Fragment (das
aber in der jetzigen Form als ein durchaus selbstständiges Orgelstück vorgetragen werden kann) einer der großartigsten Tondichtungen unserer Zeit ist“
weist auf die Bedeutung dieser größten
Eigenbearbeitung Liszts für die Orgel
hin. Dem Instrument wird eine Türe zum
großen Orchesterrepertoire der Zeit
eröffnet.
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< FRANZ LISZT ORGELWERKE >
„WEINEN, KLAGEN, SORGEN, ZAGEN“ – PRÄLUDIUM NACH J. S. BACHS KANTATE (1859)
Am 13. Dezember 1859 starb der 20-jährige Sohn Liszts Daniel in den Armen seines Vaters
im Berliner Hause seiner Schwester Cosima von Bülow. Gebrochen kehrte dieser am 18.12.
nach Weimar zurück und begann noch im selben Monat mit der Komposition eines neuen
Werks „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen“ – Präludium nach J. S. Bach. Dass Liszt diese für
ihn so wichtige Erstfassung ganz bewusst als Trauermusik konzipiert hatte, belegen spätere Aussagen: „Liszt erzählte, dass er früher über dasselbe Thema eine kleine Anzahl von
Variationen geschrieben habe, … und hat er damals den Choral, die Antithese zum Leiden,
noch nicht hinzugefügt.“
Eine erst vor einigen Jahren aufgefundene Handschrift: „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen.
Präludium von F. Liszt nach J. S. Bach's Kantate für Orgel arrangiert von A. Winterberger“
weist auf den Organisten der Uraufführung der großen Orgelwerke Liszts hin, der ab 1856
in Wien wohnte und der „den Orgelvirtuosen an den Nagel gehängt hatte“, wie Alexander
Gottschalg noch 1899 beklagte. Winterberger muss das noch ungedruckte Manuskript des
Klavierpräludiums von Liszt erhalten haben, der wiederum zumindest flüchtige Kenntnis der
Orgelbearbeitung haben musste, da der am Schluss des Werks geforderte Effekt des
„Orage“ (hier durch Pedalcluster erzielt) direkt in die Komposition der Takte 188, 190, 192
der Endfassung der Variationen „Weinen, Klagen“ (siehe Vol. 2) Eingang gefunden hat. Dieser Effekt gemahnt an die Beschreibung einer Improvisation Liszts in Fribourg. Die Registrierung des Präludiums bezieht sich ausschließlich auf die beiden Großorgeln Ladegasts
in Schwerin und Merseburg mit ihrem Manual 32'! Winterberger hält sich in der Bearbeitung eng an das Klavieroriginal, die hohe Lage des Klaviersatzes wird durch die oktaviert
gespielte Registrierung „BW: Zartflöte 4'“ erzielt, ein Effekt, den bereits Liszt in zahlreichen
Werken der römischen Zeit eingesetzt hat. Das Passagenwerk der Takte 53ff. erinnert an die
entsprechenden Teile der endgültigen Fassung, ebenso ist die skurrile Registrierung der
Takte 102-110: „HW: Flauto 8', Fagott 16', Bordun 16', 32'“ nur auf diesen beiden Orgeln
darstellbar. Sie erinnert an die Bemerkung Gottschalgs, dass „die geniale Instrumentation
(Registrierung) ohne des Meisters Einfluß, dessen wunderbarer Klangsinn sich auch hier auf
das Evidenteste bewährte, bei sonstiger Virtuosität immer hinter den Intentionen des Componisten zurückbleiben“ dürfte.
„A MAGYAROK ISTENE“ / „UNGARNS GOTT“ (1881)
Die Vertonung eines 1848 geschriebenen revolutionären Gedichtes „Ungarns Gott“ von Sándor Pétöfi entstand 1881 gleichzeitig in mehreren Fassungen. „Von ihm sind 4 Bearbeitungen seiner Komposition ‚Ungarns Gott' erhalten.“ schreibt Gottschalg am 22.4.1881 in sein
Tagebuch. Liszt wird das so ungarisch geprägte Werk während seines Aufenthalts in Budapest zwischen Januar und April 1881 komponiert haben. Im Juli 1882 wurde die Uraufführung beim Musikfest in Debrecen vorbereitet. Eine Fassung für Stimme und Klavier war
schon 1881 erschienen, 1882 werden Versionen für Klavier, Cymbal, eine für Graf Zichy verfertigte Fassung für die linke Hand allein und die vorliegende Orgelversion verfertigt.
ORA PRO NOBIS (1865)
„Das ‚Ora pro nobis' über ein Thema vom heiligen Grabe zu Jerusalem, welches die Fürstin
Katharina v. Hohenlohe dem Meister von ihrer Pilgerreise mitbrachte, ist eines der feinsten
und zartesten Orgelgebilde.“ Die Widmung an den Kardinal Gustav von Hohenlohe-Schillingfürst (1823-1896), der für Liszts Eintritt in den geistlichen Stand bestimmend und der lange
Zeit Liszts Gastgeber in der Villa d'Este gewesen war, bezeugt die Hinwendung zum Sakralen in Liszts Orgelwerken, die Reduktion virtuoser Großstrukturen zu einfachen, aufs Per-
< DEUTSCH >
sönliche konzentrierten Meditationswerken. So ist es kein Zufall, dass Hohenlohe, der einfache Choräle in Liszts Wohnung in der Villa d'Este zu spielen pflegte, Anreger für zahlreiche der geistlichen Orgelwerke der späten 1870er-Jahre werden sollte. Peter Raabe weist
auf die „auffallende Ähnlichkeit“ des Motivs „mit dem Gesangsthema der Violoncello-Serenade von Volkmann“ hin und betont so den noch immer bestehenden Kontrast zwischen
Salon und Kirche in den kleinen Werken der 1860er-Jahre. Gottschalgs Hinweis auf dem
Korrekturexemplar: „Correctur v. Franz Liszt/Rom, Vatican, Juni 1865./A. W. Gottschalg.“
signalisiert das Ende der engen Zusammenarbeit zwischen dem in Rom schaffenden Komponisten und seinem Adlatus in Weimar. Gottschalg selbst schreibt: „Das Ora pro nobis,
dessen Motiv von Catharina von Hohenlohe von Jerusalem mitgebracht wurde, ist mehr für
das Harmonium berechnet und dürfte als geistreiches, weiches Salonstück bezeichnet werden. Auch die ganze Notation deutet an, daß der Componist ursprünglich dieses Instrument
im Sinne hatte. Bietet eine Orgel indeß recht weiche und zart singende Stimmen, so dürfte
die innige schwärmerische Composition, deren harmonische Haltung nicht ohne Interesse
ist, auch auf dieser zur Geltung kommen.“
RICHARD WAGNER: PILGERCHOR AUS „TANNHÄUSER“
(2. FASSUNG) VORLAGE: RICHARD WAGNER (1813-1883),
CHOR DER ÄLTEREN PILGER: „Der Gnade Heil ist dem Büßer beschieden“ aus der Oper
„Tannhäuser“ (1845); in allen Bearbeitungen als „Chor der jüngern Pilger“ bezeichnet.
ENTSTEHUNG DER BEARBEITUNGEN: Weimar, 30.10.1860 (1. Fassung),
Rom, 22.10.1862 (2. Fassung)
Nach einer überschwänglichen Rezension von Liszts Tondichtung „Les Préludes“ schrieb A.
W. Gottschalg, der noch nicht die persönliche Bekanntschaft Liszts gemacht hatte: „Möge
uns der große Komponist auch bald wieder etwas für Orgel bringen, nachdem er uns ein so
originelles und großartig angelegtes Tonstück geschenkt hat. Würde sich nicht etwa zu einer
gewaltigen Orgelfantasie der 2. Pilgerchor aus der berühmten Oper Tannhäuser von Richard
Wagner eignen???“ Gottschalg dürfte sich schon länger mit der Idee einer Orgelbearbeitung
dieses Chores getragen haben. Er war es auch, der um 1860 eine erste Transkription herstellte und mit dem Titel „Pilgerchor aus dem Tannhäuser v. R. Wagner, für Orgel übertragen v. A. W. Gottschalg“ versah. In seiner üblichen Arbeitsweise begann Liszt das Manuskript Gottschalgs zu überarbeiten, er verbesserte vom ersten Takt an, um schließlich ganze
Seiten zu streichen und durch eine eigene Version zu ersetzen. Die so entstandene völlige
Neuschöpfung signierte er mit „F. Liszt/ für seinen Fahnen- und Fackelträger/ Gottschalg den/ „Tiefurter Cantor“ – 30. October 60 – geschrieben.“ 1862 wurde diese Fassung veröffentlicht und von Franz Brendel – allerdings erst im Frühjahr des kommenden Jahres – an
Liszt in Rom gesandt. Dieser hatte in der Zwischenzeit eine Neufassung erstellt und reagierte mit herber Kritik: „Geehrter Freund, Soeben erhalte ich Brendel's Zusendung einiger
Musikalien, unter welchen die Tannhäuser Transcriptionen für Orgel. Ach! welch barbarische
Druckfehler in dem Chor der jüngern Pilger!!!! Ich verzeichne sie Ihnen schnelligst auf beiliegendem Notenblatt, und bitte Sie, dringend von Moeser neue Correctur und Abhilfe zu fordern. Die jetzige Auflage ist eine gar zu jämmerliche Verhunzung! - /… / Mit freundschaftlichem Grüß, ergebenst
26. Mai Rom 63. F. Liszt.
P.S. In dem Notenheft welches für Sie seit Monathen bereit liegt finden Sie auch eine neue
Version des Chors der jüngeren Pilger mit einem ganz verschiedenen Schluss – Hoffentlich
findet sich endlich eine Gelegenheit es Ihnen zu übersenden, da ich darauf verzichten muß,
es Ihnen selbst zu bringen.“
Die Zweitfassung Liszts wurde 1864 gemeinsam mit einer korrigierten Version der Erstfassung veröffentlicht. Noch im selben Jahr erschien eine sehr günstige Besprechung Bren-
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< FRANZ LISZT ORGELWERKE >
dels: „So einfach diese Arrangements aussehen, so dürfte es nicht geraten scheinen, diesselbe von Stümpern ausführen zu lassen, …, trotz der Einfachheit weht hier ein eigenthümlicher Zauber, der nur von einem der Sache Gewachsenen gelöst werden kann.“
EXCELSIOR! – PRELUDIO (1874)
Liszts „Glocken des Straßburger Münsters“ – Gedicht von H. W. Longfellow nach dessen Dichtung „The golden Legend“ – entstand 1874 für Mezzosopran, Bariton, Chor und Orchester und
wurde am 10. März 1875 in Budapest uraufgeführt. Richard Wagner war bei der Uraufführung
anwesend. Dem Hauptmotiv des Vorspiels, das Liszt alsbald auch für Orgel und für Klavier zu
vier Händen bearbeiten sollte, entlehnte Wagner das Abendmahl-Motiv seines „Parsifal“.
„Wagner sagte, als er mir den ‚Parsifal' das erstemal zeigte: ‚Na, du wirst schauen, wie ich
dich bestohlen habe!’ – Ich wußte mich nicht zu besinnen, wieso. Da sang er mir den Anfang
des EXCELSIOR vor, den er von Pest her im Gedächtnisse behalten hatte.“ Liszt wies darauf
hin, dass er hier nur einen Topos verwendet hätte: „Übrigens sind das katholische Intonationen, die auch ich nicht erfunden habe.“ Diese sind ähnlich in mehreren früheren Werken, so
in der Oraison ‘Les Morts’ anzutreffen. Anekdotisch wird der Sachverhalt auch von Lina
Ramann berichtet: „Man erzählt sich, daß bei den ersten ‚Parsifal'-Proben in Bayreuth (1882)
Wagner während des Dirigierens plötzlich Liszt zurief: ‚Du, paß auf, jetzt kommt etwas von
Dir!', worauf dieser als er sein Thema vernahm, entgegnete: ‚So hört man es doch einmal.’ “
AM GRABE RICHARD WAGNERS (1883)
Auf der Klavierstimme des 1883 entstandenen Gedächtnisstücks „Am Grabe Richard Wagners“ weist er in einer Widmung nochmal auf das für ihn bedeutende Ereignis:
„Wagner erinnerte mich einst an die/ Ähnlichkeit seines Parsifal Motivs/ mit einem früher
geschriebenen – „Excelsior“ –/ (Einleitung zu den Glocken von Straßburg)/ Möge diese
Erinnnerung hiermit verbleiben./ Er hat das Grosse und Hehre/ in der Kunst der Jetztzeit
vollbracht./ F. Liszt./ 22ten Mai 1883/ Weimar.“
Unter dem Eindruck des Todes R. Wagners waren in den Jahren 1883 und 1884 eine Reihe
merkwürdig intimer Werke Liszts entstanden, – persönliche Geistesgrüße, deren Weltflüchtigkeit ihre öffentliche Preisgabe verbietet. Gottschalg: „Am 70. Geburtstag des Meisters
von Bayreuth verwebte der Meister zu Weimar in den Klängen: ‚Am Grabe Richard Wagners’
dem Excelsior und Glockenmotive einen Hauch des Lohengrin, jenes Werkes, dessen liebevolle Verlebendigung Wagner zuerst jenen Gralshort erschlossen hatte, der ihm in der Liebe
Liszts zeitlebens entgegenleuchtete.“
Der Tod Wagners schien Liszt getroffen und in einen Zustand langanhaltender Verzweiflung
gestürzt zu haben, der durch Cosimas Weigerung, ihn zu sehen, noch verstärkt wurde: „mourir me paraît plus simple que de vivre! „ schrieb er im Februar an die Fürstin. Ein von
ihm und Müllerhartung am 22. Mai dirigiertes Wagner-Konzert schien die Komposition des
Trauerstücks vorbereitet zu haben. Die Partitur bringt das Stück in Versionen für Klavier,
Streichquartett mit Harfe (ad lib.) und Orgel oder Harmonium.
RESIGNAZIONE (1877)
„Dans le moment perpétuel de mon existence, il entre beaucoup de monotonie, même la
musique ne m’offre quelque variété qu’à de rares intervalles. Sans être blasé, je ressens
une extrême fatigue de vivre encore! A cela point de remède ici-bas - le meilleur soulagement est la prière résignée!“
Dieser Brief vom 8. 3. 1881 charakterisiert eine Grundstimmung des Scheiterns und der
Resignation, aus der heraus viele späte Werke deutbar werden.
< DEUTSCH >
Als Liszt „Resignazione“ im Oktober 1877 auf die Rückseite des Manuskripts von „Salve
Regina“ niederschrieb, verband er damit das Eingeständnis, gescheitert zu sein als Komponist sakraler Musik, der weder den Einzug in die kirchenmusikalische Praxis noch den Eingang in die sakrale Kunstmusik seiner Zeit finden konnte.
Die vielzitierte „Simplizität bei Liszt“ ist einerseits resignatives Verstummen, andererseits auch
bewusst gewählte Askese im Gegensatz zum früheren Leben. « Je m'attache au Minime » –
diese These des Komponisten kann Leitwort für zahlreiche der späten Sakralwerke sein.
ANGELUS! – PRIÈRE AUX ANGES GARDIENS (1877)
„15/9 (1882). Es geht ihm besser und er korrigiert an seinem ‚Angelus’. Er sagt: ‚Ich schreibe Noten in Nöten!' “. Wie so oft, drückt auch hier ein weit später gemachter Kommentar
Wesentliches zur Entstehungsgeschichte aus: Eng verbunden mit zwei anderen Orgelwerken, dem „Salve Regina“ von 1877 und dem Preludio zum San Francesco von 1880 entstand das Werk in der Villa d'Este und in Siena. Am 15. Oktober 1877, einige Tage nach dem
Salve Regina, schrieb Liszt einen Angelus für Harmonium nieder. Der Hinweis über dem
ersten System „In festa SS. Angelorum Custodium“ bezieht sich auf den entsprechenden
Eintrag im Salve Regina und könnte auf einen Plan deuten, Stücke für unterschiedliche
Feste des Kirchenjahres niederzuschreiben. Eine von Ramann wiedergegebene Briefnotiz
sagt, er hätte „An die Schutzengel (für seine Enkelinnen)“ komponiert. 1880, während des
Aufenthalts bei Wagner, Liszts Tochter und den Enkeln, wurde am 22. und 23. September in
Siena die endgültigen Version niedergeschrieben. Der englische Kleriker H. R. Haweis, der
Liszt im November 1880 in der Villa d' Este besuchte, erhielt von diesem eine erste Vorführung des Werks. Auf die Bemerkung, die Glocke von Sta. Croce sei schlecht, wie die meisten italienischen Glocken, bemerkte Liszt: ‘I should like to show you an “Angelus” which I
have just written (...) You know, … they ring the Angelus in Italy carelessly; the bells swing
irregularly, and leave off, and the cadences are often broken up thus’: and he began a little swaying passage in the treble - like bells tossing high up in the evening air: it ceased,
but so softly that the half-bar of silence made itself felt, and the listening ear still carried
the broken rhythm through the pause.
The Abbate himself seemed to fall into a dream; his fingers fell again lightly on the keys,
and the bells went on, leaving off in the middel of a phrase. Then rose from the bass the
song of the Angelus, or rather, it seemed like the vague emotion of one who, as he passes,
hears in the ruins of some wayside cloister the ghosts of old monks humming their drowsy
melodies, as the sun goes down rapidly, and the purple shadows of Italy steal over the land,
out of the orange west!“
(Ich möchte Ihnen einen „Angelus“ zeigen, den ich gerade geschrieben habe. Wie Sie wissen, läuten sie den Angelus in Italien nachlässig; die Glocken schwingen unregelmäßig und
schlagen nicht an, daher bleiben Kadenzen unvollständig, etwa so - und er begann eine
kleine, schwingende Passage im Sopran – wie Glocken die hoch in der Abendluft klingen.
Es verklang so sanft, dass der halbe Takt Stille spürbar wurde und das Ohr den gebrochenen Rhythmus durch die Pause zu vernehmen glaubte. Der Abbate selbst schien im Traum,
seine Finger berührten leicht die Tasten und die Glocken klangen weiter, um mitten in der
Phrase abzubrechen. Dann erhob sich vom Bass der Angelus, oder vielmehr die vage Empfindung eines, der im Vorbeigehen aus den Ruinen eines Klosters die Geister alter Mönche
ihre düsteren Melodien summen hört, während die Sonne schnell untergeht und sich die
purpurnen Schatten Italiens aus dem goldenen Westen über das Land stehlen.)
„Nach einem Diner, wobei er ‚zu Kartoffelklößen’ eine größere Gesellschaft geladen hatte,
mußte ich einige seiner neuen Orgelstücke spielen, von denen das 1880 bei Wagner in
Siena komponierte ‚Gebet an die Schutzengel’ und eine vor kurzem komponierte ‚geistliche
Vermählungsmusik' größten Eindruck hervorriefen.“
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< FRANZ LISZT ORGELWERKE >
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Die Tagebuchnotiz Göllerichs aus den letzten Lebensmonaten Liszts zeigt, dass die Spätwerke insgesamt als „Orgelwerke“ gesehen wurden sowie das Aufheben der Grenze unterschiedlicher Instrumentalstile. Göllerich erwähnt für den Angelus eine freie Bearbeitung von
Fr. Volbach, 1917 wurde das Stück erstmals als Orgelwerk in einer aufwendigen Einrichtung
von Karl Straube veröffentlicht.
GIUSEPPE VERDI (1813-1901): AGNUS DEI AUS DEM REQUIEM
VORLAGE: GIUSEPPE VERDI (1813-1901): AGNUS DEI AUS DEM REQUIEM FÜR SOLI,
CHOR UND ORCHESTER
Am 15. Oktober 1877 verfasste Liszt in der Villa d'Este eine Bearbeitung des Agnus Dei aus
dem neuen Requiem Verdis, die er in Simultannotation von Orgel-und Klavierfassung notierte. Diese Fassung wurde 1879 bei Ricordi in Mailand veröffentlicht. Die Bearbeitung scheint
bald große Popularität gewonnen zu haben. Gottschalg vermerkt 1883 das Geschenk der
neuen Edition an ihn und bezeichnet noch 1899 das Arrangement als „sehr schön“.
DER CHORAL „NUN DANKET ALLE GOTT“ (1883)
« Dimanche, 20. Mai 83
Je ne sors pas encore du pétrin des complaisances. Pour cette fois, je ne regrette pas de
m'être engagé à écrire une version du choral: 'Nun danket alle Gott', laquelle servira à l'inauguration d'un immense orgue de 120 registres, et du prix de 120 000 M. à Riga. Mon
morceau ne durera qu'à peine 10 minutes, mais il m'a coûté plus d'une semaine de travail
- car j'ai dû le recopier 2 fois à cause des changements. Tel que le voici, il me paraît convenable. Je le dédié à l'illustre Hase, geheimer Rath, octogénaire, amateur de Rome, théologien protestant intelligemment mitigé à Jena. Dans quelque jours, il célébra le 60me anniversaire de son professorat. Sa belle monographie de St. François d'Assise, bien traduite en
français, nous rapproche spirituellement. »
(Noch immer bin ich selbstgefällig. Dieses Mal bedaure ich nicht, mich verpflichtet zu
haben, eine Fassung des Chorals „Nun danket alle Gott“ zu schreiben, die zur Eröffnung
einer Riesenorgel in Riga mit 120 Registern und einem Preis von 120.000 Mark dienen
wird. Mein Stück dauert kaum 10 Minuten, hat mich aber mehr als eine Woche Arbeit gekostet, denn ich musste es wegen Änderungen zweifach kopieren. So wie es nun ist, scheint
es mir annehmbar. Ich habe es dem verehrten Hase, einem achtzigjährigen Geheimen Rath
gewidmet, einem Romkenner, der als protestantischer Theologe in Jena höchst einflussreich
ist. In einigen Tagen wird er das 60-Jahr Jubiläum seines Professorats feiern. Seine schöne Biographie des heiligen Franz von Assisi – sie wurde sehr gut ins Französische übersetzt
– verbindet uns geistig.)
1883 errichtete die Ludwigsburger Firma Walcker im Dom von Riga für 46300 Rubel eine
Orgel von 124 Stimmen mit zwei Spieltischen. Obwohl 30 Jahre später entstanden, teilte
das neue Instrument in der Verbindung eines barocken Gehäuses mit orchestralen, aber
auch barocken Klangfarben, mit seinem zweiten Spieltisch und mit zahlreichen Zusatzeinrichtungen manche Grundlagen mit dem Ladegast-Instrument in Merseburg. Veranlasst
durch den Rigaer Domorganisten Dr. Wilhelm Bergner erteilte der Rat der Stadt Riga Liszt
einen überaus großzügigen Kompositionsauftrag über 1000 Mark für ein großes Orgelwerk,
wohl auf eine Wiederholung der Ad nos-Fantasie hoffend. Bergner war zur Auftragserteilung
speziell nach Weimar gereist und hatte durch Gottschalgs Vermittlung Lizst am 8. Mai 1883
in der Hofgärtnerei getroffen. Schon am 20. Mai war die Niederschrift beendet. Im Weihekonzert am 19. Januar 1884 wurde Liszts Choralharmonisation von Bergner gespielt, es
scheint, dass Liszt mit diesem Werk auch bei seinen treuesten Adepten seine Reputation als
Orgelkomponist einbüßte. So schreibt Gottschalg: „Der Choral ‚Nun danket alle Gott’ wurde
von Liszt in seinen späteren Jahren vollendet, als schon seine Erfindungsgabe in sehr merklicher Weise abgenommen hatte. Man sucht deswegen vergeblich so geistreiche und kühne
Wendungen als z. B. in der geistsprühenden Propheten Phantasie.“
Liszt ist tatsächlich am Ende der Kräfte: « le soir, mes yeux, sans être malade, me refusent
le service de la correspondance. … D'abord il m'a fallu encore reviser la copie du choral.
» (am Abend, ohne dass ich krank bin, verweigern mir die Augen beim Briefschreiben den
Dienst. ... Davor musste ich noch die Kopie des Chorals revidieren.)
Dennoch ist das Stück in mehrfacher Weise ungewöhnlich: Wohl aufgrund des Auftrages
greift er in der Epoche der späten lateinischen Kirchenmusik auf ein deutsches Kirchenlied
zurück und will so sichtlich an seine erste „Choral“-phantasie „Ad nos“ anknüpfen. Gleich
den Franziskus-Stücken mit ihrem thematisch bestimmenden Choral „In dulci jubilo“ finden
sich hier (Echo-)Zwischenspiele in der Faktur des Cantico. Selbst die Widmung ist Programm: Dr. Karl von Hase (1800-1890) hat als evangelischer Theologe eine Biographie des
heiligen Franziskus verfasst und war mit Liszt seit der Komposition des Cantico 1862
bekannt.
Martin Haselböck
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< FRANZ LISZT ORGELWERKE >
< DEUTSCH >
Franz Liszt war im Oktober 1861 mit der
Absicht nach Rom gekommen, hier
ständigen Aufenthalt zu nehmen. Im
Kontakt mit höchsten Kirchenkreisen
entstanden bald zahlreiche Werke mehr
oder minder sakraler Ausrichtung. Als
Bearbeiter beschäftigte sich Liszt mit
bedeutenden Meistern der Vergangenheit. Die vorliegende Aufnahme vereinigt kleinere Kompositionen und Transkriptionen der römischen Jahre. Lediglich zwei der Bach-Bearbeitungen dürften noch in Weimar entstanden sein.
„TU ES PETRUS“ AUS DEM
ORATORIUM „CHRISTUS“ (1867)
TEIL 4
„Tu es Petrus“ gehört einer Gruppe von
„Papsthymnus-Kompositionen“ an, die,
zwischen 1863 und 1865 entstanden,
sämtlich im Nahverhältnis zum gleichzeitig komponierten Oratorium „Christus“ stehen. Es scheint, dass die 1863
komponierten Instrumentalfassungen
für Orgel und für Klavier zu vier Händen
die Urversion darstellen, die von Liszt
erst später für Chor beziehungsweise
Chor und Orchester im „Christus“
gesetzt wurden. So erschien die 1863
geschriebene Orgelfassung 1865 bei
Körner, ebenso die Klavierfassung zu
zwei und vier Händen. In diesem Jahr
begann Liszt auch eine Fassung für
achtstimmigen Chor, wie er Franz Brendel mitteilte: „Seit 10 Tagen bin ich wieder in den Vatikan heimgekehrt und
gedenke den Winter hier zu bleiben. Vor
der Hand beschäftigt mich die Einrichtung des Papst-Hymnus, welcher im
vorigen Monat bei Bote und Bock für
Clavier 2 und 4 händig erschienen, für
Chorgesang (mit italienischem Text). Ich
halte etwas von diesem Stück, wozu
Kaulbach eine prächtige Zeichnung
componirte.“
Diese Version „Inno del Papa“ erschien
1866 und wurde vom Komponisten wie
die Instrumentalfassungen in einem
gebundenen Prachtexemplar dem
Heiligen Vater Pius IX. als Dank für
seinen neuen Abbé-Titel überreicht:
„ J'attends L'Inno del Papa pour le remettre au Saint-Père, et réfléchirai au meilleur
moyen de me tirer d'affaire avec lui.“
(Ich erwarte den Papst-Hymnus, um ihn dem Heiligen Vater zu überreichen und überlege
die beste Art und Weise, mich mit ihm aus der Affaire zu ziehen.)
Eine Fassung „Dall'alma Roma“ entstand wohl 1867, eine Variante für vierstimmigen
gemischten Chor wurde nicht mehr vollendet. Nach Aufnahme des orchestrierten Chorsatzes in das Oratorium „Christus“ erstellte Liszt im Juli 1867 eine zweite – hier eingespielte – Orgelversion, die von Gottschalg in seinem Repertorium veröffentlicht wurde. Noch
1880 sollte eine Version für einstimmigen Männerchor und Orgel folgen.
Gottschalg betont in seiner Rezension das „Alterthümliche“ des Werks: „Das mit ‚PapstHymnus’ betitelte Stück ... scheint jedenfalls ein Lieblingsstück des gegenwärtigen Papstes zu sein. Wir finden dies auch natürlich, denn der pompöse Eingang macht einem einfachen, liedförmigen Gesange Platz, der in seiner beschaulichen ernsten Weise jedes religiös empfängliche Gemüth ansprechen wird.“
AVE MARIA D'ARCADELT (1863)
Am 3. April 1842 fand in Paris ein großes, von der Zeitung „La France Musicale“ organisiertes Chor-Orchesterkonzert mit über 150 Mitwirkenden statt, bei dem ein vierstimmiges Magnificat für Chor von Jacobus Arcadelt große Anerkennung fand. Nachdem Historiker Zweifel an der Authentizität des Stücks angemeldet hatten, schrieb C. Saint-Saëns
in einem Brief, dass sein Kollege Pierre-Louis-Philippe Dietsch (1808-1865) ihm gestanden hätte, er sei der Komponist des inzwischen höchst populären Werks. Erst 1927 konnte André Pirro feststellen, dass das Original, Arcadelts Chanson „Nous voyons que les
hommes“ aus dem Dritten Buch der Chansons (Paris 1554) von Dietsch neu harmonisiert
und mit den Worten des Ave Maria unterlegt worden war. Liszt, der im April 1842 in Russland und erst im Juni wieder in Paris war, dürfte das Stück im guten Glauben im Frühjahr
1862 als Werk Arcadelts für Klavier und für Orgel paraphrasiert haben.
Die Bearbeitung weist mit der Glockenimitation und der dialogisch homophonen Satzweise bestimmende Charakteristika der mittleren Periode seines Klavierschaffens auf, noch
im Alter sprach Liszt im Klavierunterricht zu Göllerich: „Ich habe das Stück sehr gerne, es
ist eine Jugenderinnerung für mich. Die Glocken immer ziemlich deutlich und etwas stark.
Das Tempo anfangs nicht zu schnell, erst am Schlusse, wo das Thema rechts ist, etwas
schneller.“
„SLAVIMO SLAVNO SLAVENI!“ – MILLENAIRE DE L'APOSTOLAT DE
ST. CYRILLE ET ST. METHODE, ROME 5. JUILLET 1863
Am 12. Oktober 1863 schrieb Liszt aus dem Vatikan dem Direktor des „hochverehrlichen
Comité des böhmischen Kunst-Vereins Umêlecka Beseda, zu Händen des Herrn Directors
Smetana“ nach Prag: „An den Herrn Direktor Smetana sende ich nächstens einen Männerchor, nämlich: Den Slaven-Hymnus, zur 1000-jährigen Jubiläumsfeier der heiligen
Cyrillus und Methodius, Apostel der Slaven, componirt und in der Kirche des heiligen Hieronymus (dei Schiavoni) in Rom aufgeführt am 3. July 1863.“
Es scheint, dass die Chorkomposition von Liszt zwei Tage nach dieser Aufführung für Klavier und für Orgel bearbeitet wurde, wobei der Allegroteil weitgehend der Orgelstimme
des Chorsatzes entspricht, der wiederum das Postludium der Orgel- und Klavierfassung
nicht enthält. Der von Orsato Pozza stammende Text des Hymnus lautet in der Übersetzung von Stefan Mlinaric:
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< FRANZ LISZT ORGELWERKE >
„Laßt uns rühmen berühmt, wir Slawen
Das tausendfristige Jahr,
Seit wann das Volk sie warben
Unter der berühmten Flamme des Kreuzes.
Ruhm der salonikischen Geburt!
Ruhm Kyrill, Methodius!
Ruhm Kyrill, Methodius!
Feiern wir Slawen feierlich
Die Tausend-Jahres-Feier,
Seitdem das Volk sie warben
Unter dem erhabenen Zeichen des Kreuzes
Ruhm den Saloniki-Sprossen!
Ruhm Kyrill, Methodius!
Ruhm Kyrill, Methodius!“
Als eines der ersten der kleineren Stück weist die Komposition bereits alle Merkmale des
„monumentalen“ Spätstils auf: Reduktion des thematischen Materials auf ein Minimum.
Blockhaftes Nebeneinander der einzelnen Abschnitte, Reduktion der spieltechnischen
Anforderungen, Steigerung durch Wiederholung. Von diesem Werk an entfremdet sich der
„monumentale“ Orgelstil Liszts von jeglicher Aufführungspraxis, im Gegensatz zu den intimen Meditationsstücken entstehen Monumentalpräludien zumeist im Zusammenhang mit
oder als Anhang von Chorwerken. Sie gingen nie ins Repertoire ein und wurden zu Liszts
Lebzeiten zumeist nicht einmal uraufgeführt.
WEIMARS VOLKSLIED (1857/73)
Am 3. September 1857 wurde unter großer Beteiligung aller Bevölkerungsschichten das von
Ernst Rietschel geschaffene Goethe-und-Schiller-Denkmal vor dem Hoftheater in Weimar
enthüllt. Am selben Abend erfolgte die Grundsteinlegung für ein Monument des Großherzogs
Carl Alexander, am nächsten Tage die Enthüllung eines Wieland-Denkmals. Liszt war in diesen Tagen als Musiker intensiv beschäftigt: Zur Grundsteinlegung dirigierte er die Uraufführung von „Weimars Volkslied“ für Männerchor und Bläser, zur Enthüllung des WielandMonuments am 4.9. und anlässlich eines Festkonzerts am 5. September, welches die Uraufführung von Liszts Faust-Symphonie und der symphonischen Dichtung „Die Ideale“ brachte, wurde dieser Chor (auch in einer Version für gemischten Chor und Orchester) jeweils mit
großem Erfolg wiederholt. Liszt hatte während einer Kur in Aachen einen Text von Peter Cornelius vertont, nachdem er einen anderen von Hoffmann von Fallersleben zurückgewiesen
hatte. Die ersten drei Varianten wurden in Aachen am 9., 10. und 12. August 1857 komponiert. Alsbald entstanden Fassungen und Bearbeitungen für Männerchor und Klavier, für
vierstimmigen Männerchor, für Männerstimmen und Orgel, „populaire“ für dreistimmigen
Chor (so auch in einigen Liederbüchern bei Böhlau, Weimar und Kühn veröffentlicht), für
Singstimme und Klavier, für Klavier zu 2 und 4 Händen, für Orgel, für Orgel und Harmonium
sowie für Militärorchester. Wie weit Liszt an allen diesen Ausgaben selbst beteiligt ist, lässt
sich nicht mehr feststellen.
Wohl anlässlich der Aufführung von Beethovens Neunter Sinfonie am 8. und 9. September
und seiner eigenen Wartburg-Lieder auf der Wartburg am 23.9.1873 bearbeitet Liszt das
Werk erneut für Orgel und Klavier. Diese zweite Orgelversion wurde hier eingespielt.
< DEUTSCH >
ZWEI CONSOLATIONS:
ADAGIO (CONSOLATION NR. 4, DES-DUR)
CONSOLATION NR. 5, E-DUR
1849 komponierte Liszt vier der sechs Consolations für Klavier, 1850 fügte er die Nummer 5 auf eine von der Großherzogin Maria Pawlowna komponierte Melodie hinzu. In
einem Brief an Breitkopf bot er dem Verlag am 11.1.1850 nicht nur die Illustrations du
Prophète (3 Livraisons) sondern auch Consolations (6 Numéros) an.
„Zwei andere ‚Consolations’ hat er selber umgearbeitet, daß sie der Orgel angemessen
wurden“ , schreibt Gottschalg 1899, die betreffenden Urschriften sind aber leider verloren.
Aufgrund ihrer gesanglich orgelmäßigen Fakturen wurden die beiden Transkriptionen der
Consolations alsbald Bestandteil des Organistenrepertoires.
OFFERTORIUM AUS DER „UNGARISCHEN KRÖNUNGSMESSE“ (1868)
Auch einige Stücke aus der „Krönungsmesse“, z. B. das Offertorium, hat der Meister für
Orgel allein eingerichtet. Hier irrt wohl Gottschalg, denn es lässt sich ausschließlich eine
Bearbeitung des Offertorium durch Liszt nachweisen. Die Transkription für Orgel solo entstand 1868 in Rom. Sie wurde 1873 gemeinsam mit einer Version für Violine und Orgel veröffentlicht.
CHORÄLE FÜR KARDINAL HOHENLOHE (vor 1881)
Für zahlreiche Werke der späten Jahre wird für den Komponisten die gemeinsame Musizierpraxis mit Kardinal Gustav von Hohenlohe (1823-1896) in der Villa d'Este bestimmend.
„Auf der Fahrt mit der Tramway nach Tivoli erwähnte er, wie unbequem er früher oft, um das
Fuhrwerk zu sparen, im elenden Postwagen mit schmierigen Campagnolen zusammengepfercht gesessen habe, und wie ihm Kardinal Hohenlohe in der Villa d'Este Aufmerksamkeiten zu bereiten gesucht hätte wo er nur konnte. Dort waren für diesen Freund einige der
poetischsten Kleinkunstwerke für Harmonium oder Orgel entstanden, mit denen Liszt seine
großen, epochalen und deshalb kaum gewürdigten Orgelwerke ausklingen ließ.“
Der Kardinal hatte Liszt 1865 die niederen Weihen verliehen, er sorgt sich um den alternden Komponisten, ein Klavier, ein Harmonium werden in die Villa d'Este geschafft, mehr und
mehr nehmen die Musizierstunden den Charakter privater Gebetssitzungen an: der Rosenkranz (Rosario), die Kreuzwegandachten (Via crucis) werden gebetet, einzelne kirchliche
Feste (Salve Regina, In Festo Transfigurationis, Angelus ...) gesondert hervorgehoben.
Selbst die privateste Aufführung wird bedeutungslos, der Kompositionsakt selbst wird zum
Gebet. Die erwünschte Druckausgabe wird zum Gebetsbuch. Liszt sorgt sich um die Druckausstattung mit passenden religiösen Bildern, in den Niederschriften erscheinen persönliche Gebete oder auch assoziative Anrufungen, wie in der zehnten Station des Kreuzwegs: „
…durch Mitleid wissend…“ (Wagner: Parsifal).
1879 plante Liszt eine Sammlung von 15-18 Chorälen für den Kardinal. Die nie vollendete
Kollektion ist Zeugnis für die intensiven Choralstudien des Komponisten und für die Aufgabe jeglicher konzertanter Elemente im verinnerlicht liturgischen Spätwerk.
REQUIEM (1868/83)
Am 17. Juni 1883 schreibt Liszt an die Fürstin Hohenlohe: „L‘idée m‘est venue d‘écrire un
pendant à la Messe pour Orgue seul, pour servir d‘accompagnement aux messes basses.
Je vous ai très humblement dédié le premier opuscule – le second paraîtra bientôt, et vous
sera aussi dédié. C‘est un Requiem, dont les motifs sont tirés du Requiem pour voix d‘hommes et orgue que je vous ai joué à Rome. … Dans tout cet ouvrage, écrit à Sta Francesca
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< FRANZ LISZT ORGELWERKE >
Romana, j‘ai tâché de donner au sentiment de la mort un caractère de douce espérance
chrétienne. Tant que je sache, cela n‘avait été … En général, les grands et petits compositeurs colorent le Requiem en noir, du plus impitoyable noir. Dès le commencement, j‘ai trouvé une autre lumière, elle continue de rayonner, malgré les terreurs du Dies irae, dans la
strophe Recordare est celle de ma prédilection personnelle:
Qui Mariam absolvisti
Et latronem exaudisti
Mihi autem spem dedisti!
Ainsi d‘un bout à l‘autre jusqu‘à la fin.
Umilissimo Sclavissimo.“
Tags darauf vermeldet Gottschalg in seinem Diarium: „ 18/6: Bei Liszt. Er bearbeitet sein
‚Requiem für Männerchor’ für Orgel allein“ . Vorlage der Orgelversion ist das 1868 entstandene Requiem für Männerchor und Orgel, über das Liszt an den Verleger Repos am 1. Juli
desselben Jahres geschrieben hatte: „Le style est très simple et pour peu qu‘on y mette
quelque bonne volonté, l‘execution sera tout aussi simple.“
JOHANN SEBASTIAN BACH (1685-1750):
EINLEITUNG UND FUGE AUS DER KANTATE „ICH HATTE VIEL BEKÜMMERNIS“ (1860)
VORLAGE: SCHLUSSCHOR „DAS LAMM, DAS ERWÜRGET IST“, BWV 21/11 AUS DER KANTATE „ICH HATTE VIEL BEKÜMMERNIS“.
„Der Tannhäuser-Choral und die Bach-Fuge (aus der Cantate „Ich hatte viel Bekümmernis“)
sollen noch in dieser Woche fertig geschrieben sein“ , vermeldet Liszt in einem Brief an seinen Adlatus Gottschalg vom 28.10.1860. Lina Ramann berichtet über die Entstehung:
„Liszts Orgelübertragungen von Werken anderer Meister kulminieren in Joh. Seb. Bachs
Einleitung und Fuge der Kantate ‚Ich hatte viel Bekümmernis’ und in dem Andante ‚Aus tiefer Noth’ (Prof. Töpfer gewidmet). Die Umbildung der Gesangsfuge in einen Orgelsatz gehört
dem Ende der Weimarzeit (1860) an. Bachs hochschwellendes Loblied in Fugenform ‚Lob
und Ehre und Preis und Gewalt sei unserm Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit’ hat in seiner
Übertragung auf die Orgel – wohl das einzige Instrument, das eine solche duldet – nichts
von seiner wunderbaren Herrlichkeit eingebüßt. Sie ist ein Prachtwerk, würdig neben dem
Original. Liszts mächtig aus dem Fugenthema hervorwachsender Schluß ist im Bachschen
Geiste erfunden. Mit Vorliebe – ich hörte ihn nie diese Fuge erwähnen ohne den Beisatz:
,ein herrliches Werk’ – aber nicht ohne Mühe entstand diese Orgelfuge. Der Meister revidierte und änderte immer wieder von neuem, bis zu des Verlegers Händen.“ Der Beschluss
existiert in drei Versionen, die mehr oder weniger vom Original abweichen: „Es ist unnütz,
den Leuten wissen zu geben, dass ich mir erlaubte, meinem grossen Weimar'schen Vorgänger und Meister einige Schlusstakte anzuhängen. Dieselben schicke ich Ihnen anbei, so wie
ich sie für gut befinde (mit der Wiederkehr des Tempo grave) und zum Druck bestimme“.
Diese letzte Version wurde eingespielt.
JOHANN SEBASTIAN BACH:
ADAGIO AUS DER 4. SONATE FÜR VIOLINE UND CEMBALO (ca. 1864)
VORLAGE: „ADAGIO“, BWV 1017/3 AUS DER SONATE FÜR VIOLINE UND CEMBALO
Die vorliegende Bearbeitung ist die wörtliche Transkription des Sonatensatzes BWV 1017/3,
ergänzt jedoch durch einen achttaktigen Pianissimo-Schluss, der die Besetzungsrelation
< DEUTSCH >
Soloinstrument – begleitendes Tasteninstrument umdeutet und negiert. Sie dürfte 1864 entstanden sein.
JOHANN SEBASTIAN BACH: „AUS TIEFER NOT SCHREI ICH ZU DIR“ (1855/56)
VORLAGE: EINLEITUNGSCHOR „AUS TIEFER NOT SCHREI ICH ZU DIR“, BWV 38/1 AUS DER
GLEICHNAMIGEN KANTATE
In seinem Aufsatz „Alexander Winterberger und das moderne Orgelspiel“ berichtet Hans von
Bülow über das zweite Orgelkonzert im Dom zu Merseburg, wo der junge Organist am 13.
Mai 1856 spielte: „zwei neuere Orgelkompositionen Liszt's (noch im Manuskript): Präludium und Fuge über den Namen B-A-C-H und ein an den Choral ‚Aus tiefer Noth’ sich anlehnendes Orgelstück voll mystisch ergreifenden Geistes“ . Die Frage nach der Datierung dieser Bearbeitung gewinnt weitere Aktualität, wenn wir Liszts Bemerkung, er werde sofort
nach Fertigstellung „deux autres morceaux du même calibre“ beenden, auf diese BachBearbeitung beziehen. Die Transkription ist im Konzertprogramm nicht angeführt, wird aber
in den Rezensionen erwähnt. Dürfte daraus auf eine Entstehung knapp vor der Uraufführung
geschlossen werden? Ein Blick auf die Chronologie der Bach-Bearbeitungen dürfte die folgende Reihung ergeben: Liszt plant 1855/56 im Zusammenhang mit der Fertigstellung des
B-A-C-H -Werks weitere größere Bach-Stücke. Als erstes kleines Ergebnis entsteht die „Aus
tiefer Not“-Bearbeitung. Möglicherweise inspiriert durch Liszts Dirigat der Kantate BWV 21
beim Niederrheinischen Musikfest 1857 wird die Bearbeitung von BWV 21 angedacht, allerdings erst 1862/63 im Zusammenhang mit der Fertigstellung von „Weinen, Klagen,…“ durchgeführt. Als kleiner Zusatz entsteht kurz darauf noch die Transkription des Violin-Adagios.
ORLANDO DI LASSO: „REGINA COELI“
VORLAGE: MOTETTE: „REGINA COELI LAETARE“ I/73 (ERSCHIENEN 1604)
Einem Brief Liszts aus Rom an Gottschalg vom 9.1.1865 ist die Entstehungszeit der kleinen
Bearbeitung zu entnehmen: „Wahrscheinlich füge ich noch bei der Rücksendung ein kleines
Stückchen (von Orlando di Lasso) bei – um Ihnen zu beweisen, wie sehr ich gegen Sie
‚erzürnt’ bin“ .
Liszt hatte eine erste Fassung bei Korrektur von Gottschalgs Abschrift im Sammelband nach
der Bearbeitung von Bachs Violinsonate skizzenhaft notiert. Das autographe Fragment mit
Tempoangabe mosso ist im 4/2-Takt notiert, die Druckvorlage für die endgültige Fassung im
4/4-Takt ist verloren.
FRÉDÉRIC CHOPIN: ZWEI PRÉLUDES
VORLAGE: PRÉLUDES OP. 28/4 UND OP. 28/9 FÜR KLAVIER
Am 17. Oktober 1849 verstarb Frédéric Chopin in Paris. Bei der groß angelegten Trauerfeier, die vor mehr als 3000 Personen in der Pariser Kirche „La Madeleine“ stattfand, erklangen neben Mozarts Requiem und einer instrumentierten Fassung des Trauermarsches aus
seiner b-Moll-Sonate auch die hier vorliegenden Préludes auf der Orgel. Liszt begann sofort
nach Erhalt der Todesnachricht in Bad Eilsen gemeinsam mit der Fürstin die Niederschrift
seiner 1851/52 erstmals veröffentlichten Biographie Chopins. Laut Ramann entstanden die
Bearbeitungen 1862/63 in Rom, sie wurden 1869 im fünften Heft (1. Band) des GottschalgRepertoriums veröffentlicht. Da dieser Band auch eine Bearbeitung des Trauermarsches
durch Gottschalg enthält, darf angenommen werden, dass hier ganz bewusst die bei Chopins Begräbnis erklungenen Werke aufgenommen wurden.
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< FRANZ LISZT ORGELWERKE
TEIL 5
< DEUTSCH >
Bis auf die Messe und das Requiem
sind die späten geistlichen Kompositionen Liszts nicht mehr im Druck erschienen. Der resignativen Stimmung der
römischen Zeit entspricht auch der
Rückzug aus dem üblichen Verlagsgeschäft: „Sie zu veröffentlichen bekümmert mich wenig; denn sie passen nicht
zu dem gewöhnlichen Musikgebrauch
und – betrieb. ... Warum damit markten.“ Der Verinnerlichung und dem
schrittweisen Weglassen von Chören,
Sängern und Instrumentalisten entspricht eine Reduktion der Funktion auf
den privaten Raum, auf die eigene
Kapelle, eine Reduktion des Instrumentariums auf die verfügbaren Instrumente Klavier und Harmonium oder Orgel.
Wenn Liszt Neufassungen von Chorwerken für Orgel (Missa, Requiem) erstellt,
so tut er dies vorerst für die Orgelpraxis
kleinerer Kirchen. Aber selbst dieses
Forum wird zu groß, so wird die gemeinsame Musizierpraxis mit Kardinal
Gustav von Hohenlohe (1823-1896) in
der Villa d'Este für das Spätwerk immer
mehr bestimmend.
„Auf der Fahrt mit der Tramway nach
Tivoli erwähnte er, wie unbequem er
früher oft, um das Fuhrwerk zu sparen,
im elenden Postwagen mit schmierigen
Campagnolen
zusammengepfercht
gesessen habe, und wie ihm Kardinal
Hohenlohe in der Villa d'Este Aufmerksamkeiten zu bereiten gesucht hätte wo
er nur konnte. Dort waren für diesen
Freund einige der poetischsten Kleinkunstwerke für Harmonium oder Orgel
entstanden, mit denen Liszt seine großen, epochalen und deshalb kaum
gewürdigten Orgelwerke ausklingen
ließ.“
Der Kardinal hatte Liszt 1865 die niederen Weihen verliehen, er sorgt sich um
den alternden Komponisten, ein Klavier,
ein Harmonium werden in die Villa
d'Este geschafft, mehr und mehr nehmen die Musizierstunden den Charakter
privater Gebetssitzungen an: Der
Rosenkranz (Rosario), die Kreuzwegandachten (Via crucis) werden gebetet,
einzelne kirchliche Feste (Salve Regina, In Festo Transfigurationis, Angelus, ...) gesondert
hervorgehoben. Selbst die privateste Aufführung wird bedeutungslos, der Kompositionsakt
selbst wird zum Gebet. Die erwünschte Druckausgabe wird zum Gebetsbuch. Liszt sorgt sich
um die Druckausstattung mit passenden religiösen Bildern, in den Niederschriften erscheinen persönliche Gebete oder auch assoziative Anrufungen, wie in der zehnten Station des
Kreuzwegs: „… durch Mitleid wissend …“ (Parsifal, Wagner).
Hand in Hand mit dem Rückzug aus der musikalischen Öffentlichkeit geht eine Verknappung
des musikalischen Materials einher. Liszt, der schon immer ein Meister der intensiven Materialausnutzung gewesen war, reduziert auf den Nukleus: Signalhaft werden früher verbundene Elemente nebeneinandergestellt, motivische Verknappung geht einher mit einer Reduktion der Dynamik auf Piano-Pianissimobereiche, des Tempos auf durchwegs langsame Sätze
und einer formalen „Simplifizierung“. Als Eigenbearbeitung werden immer wieder frühere
Kompositionen aufgenommen, wobei mehrfach assoziativ Biographisches aufgearbeitet wird.
In den nach 1870 in Rom entstandenen einzelnen und kleineren Kompositionen für Orgel
oder Harmonium lassen sich immer deutlicher Tendenzen beim Komponieren erkennen,
die es ermöglichen, diese Werke deutlich in Gruppen zu gliedern: Intimen, leisen Stücken
die nunmehr ausschließlich für die private Gebetsausübung bestimmt sind, stehen blockhaft „simplifizierte“ Plenumstücke gegenüber, die – zumeist im Zusammenhang mit hymnischen Chorwerken stehend – losgelöst von jeder erkennbaren musikalischen Funktion
verfasst werden. Titel wie Introitus, Preludio, „In domum Domini ibimus“ lassen dennoch
erkennen, dass diese Serie später Werke in der Tradition der Präludien zur liturgischen
Feier komponiert wurden.
Thematische Gruppen lassen die Vorgangsweise des Komponisten erkennen, mehrere
ähnliche Werke über große Zeiträume hinweg umzugestalten und weiterzuentwickeln. So
können zusammengefasst werden:
• eine „Ave Maria“-Gruppe mit den Transkriptionen der Chorwerke „Ave Maria“ I und II, der
so großartigen Umgestaltung der „Sposalizio“ zum „Ave Maria“ III und dem auf signalhafte Einzelgruppen reduzierten „Ave Maria“ IV;
• eine „Franziskus“-Gruppe: mit dem „Cantico“, dem Preludio zum „Cantico“, dem „Hosannah!“;
• eine „Papst-Hymnus“-Gruppe mit „Dall'alma Roma“, dem „Papst-Hymnus“ und „Tu es
Petrus“;
• eine „Gregorianik“-Gruppe mit zahlreichen Stücken, die – von der Harmonisierung des
Chorals ausgehend – zu eigenständigen Ergebnissen führen, teilweise ohne direkte
Gregorianik-Zitate;
• eine „Wagner“-Gruppe mit „Excelsior!“ und „Am Grabe Richard Wagner's“ und einige
Trauermusiken, die immer wieder Elemente der einzelnen Gruppen anklingen lassen.
Die fortschreitende Materialreduktion führt zu einem immer einheitlicher werdenden Spätstil, der charakteristische Motivgruppen, wie Terzgänge, „Glockenklang“, „Fragefiguren“
mit aufsteigenden einstimmigen Linien, in reduzierter Dynamik und immer langsamer
werdendem Tempo nebeneinander stellt.
„IN DOMUM DOMINI IBIMUS“ PRÄLUDIUM FÜR ORGEL (ca. 1884)
Der Satz „In domum Domini ibimus“ (Psalm 121) für Unisono-Chor, Blechbläser, Pauken und
Orgel stammt wahrscheinlich auch aus dem Jahre 1884. Gleichzeitig wird ein Präludium
dazu in Simultannotation für Klavier oder Orgel gesetzt. Auch dieses kurze Werk verbindet die
Gruppe der Franziskus-Kompositionen mit den nach dem Tode Wagners entstandenen Trauerwerken. So schreibt Göllerich: „Noch ein weiteres Hauptthema des ‚Parsifal’ – das Glokkenmotiv – findet sich in dem Jahre vorher komponierten Weihegesange: ‚Zum Haus des
Herrn ziehen wir’ .“ Die Komposition blieb zu Liszts Lebzeiten ungedruckt und unaufgeführt.
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< FRANZ LISZT ORGELWERKE >
< DEUTSCH >
ZWEI KIRCHENHYMNEN:
MISSA PRO ORGANO (1879)
„AVE MARIS STELLA“ (2. FASSUNG, 1868)
„SALVE REGINA“ (1877)
LECTARUM CELEBRATIONI MISSARUM ADJUMENTO INSERVIENS
(MESSE FÜR DIE ORGEL ZUM GOTTESDIENSTLICHEN GEBRAUCH BEIM LESEN DER STILLEN MESSE)
1848 komponierte Liszt seine Messe für Männerchor (Missa quatuor vocum ad aequales concinente organo), die er 1869 einer eingehenden Umarbeitung unterzog. Auf diese Neufassung
griff der Komponist zurück, als er 1879 seine Orgelmesse zum Gebrauch beim Lesen der stillen Messe komponierte. All diese Messvertonungen wurden mehrfach bearbeitet. So arrangierte Johann von Herbeck die Chorfassung für Männerchor und Bläser, Raff bearbeitete das
Kyrie für gemischten Chor und Orchester, während die Orgelmesse von Leos Janácek für
Blechbläser und Orgel arrangiert wurde. Die Entstehungszeit der Orgelversion dürfte mit
Herbst 1879 anzusetzen sein: Ein mit 25.10.79 datiertes „Gebet“ findet sich transponiert und
abgewandelt als Graduale der Messe wieder, als Offertorium verwendet er ein 1870 für Orgel
bearbeitetes Ave Maria, das angeblich schon 1847 für die Fürstin in Kiew aufgeführt worden
war. Die Druckfassung bei Manganelli ist ebenfalls mit 1879 datiert. Widmungsträgerin ist die
Fürstin Sayn-Wittgenstein, die jedoch vorerst die Dedication nicht annehmen wollte.
„Villa d'Este, Samedi soir, 3. Janvier 80
Lundi soir, quand Spiridion m'apporta le premier exemplaire de votre Messe, Hohenlohe
était dans ma chambre. Je lui montrai la dédicace, et il me proposa aimablement de vous
faire porter cet exemplaire le lendemain de bonne heure, ce que j'acceptai avec plaisir.
… Je ne comprends pas ce que la dédicace de la Messe, que je vous ai faite avec bonheur, peut avoir de fautif – car je maintiens et maintiendrai fermement le ‚très humblement’, parce qu'il est selon la vérité pour moi, et non de simple formule.“
Liszt verstand seine zyklischen Spätwerke als liturgische Gebrauchsmusik, wie er es Carl
Gille 1880 mitteilte: „Unerträglich wäre es die 8 kleinen Nummern der ‚Missa pro Organo’ zu produzieren, in Deinem nächsten Jenaer Conzert!“
Dem ungarischen Kirchenkomponisten P. Alajos Hennig schickt er ein Exemplar der Messe
mit dem folgenden Kommentar: „Trotz meinen berüchtigten Excentricitäten finde ich
Wohlgefallen an dem trefflichen Beharren des einfach sicheren Tongewebes … mit derselben Post erhältst Du Deine Manuscripte zurück, nebst einer stillen Messe deines
herzlich ergebenen Cousins
F. Liszt.“
Die unterschiedlichen Fassungen des „Ave maris stella“ beziehen sich sämtlich auf einen
Chorsatz „ écrit au Vatican “ 1865. Der Versuch, exemplarische Kirchenmusik zu schreiben
und damit dem von den Cäcilianern postulierten Ideal einer kirchlichen Gebrauchsmusik
zu entsprechen, führte zu harmonischen einfach, homophon gesetzten Gesängen, die erst
in den Bearbeitungen wieder mit zusätzlichem harmonischen und rhythmischen Raffinement ausgestattet werden. So überrascht es nicht, dass die entstandenen gleichnamigen
Klavier- und Orgelstücke nicht viel mehr als die melodische Vorlage und das harmonische
Grundgerüst gemeinsam haben: „Die Klavierfassung erinnert in der deutlichen Trennung
von Melodie und Begleitung (in Dreiklangsbrechungen) eher an die Klavierbearbeitungen
von Liedern, die Orgelfassung wird durch den 6/4-Takt (statt 4/4) zu einem instrumentalen Wiegenlied.“ Liszt hat die beiden 1880 bei Kahnt veröffentlichten „Kirchenhymnen“
1877 in der Villa d'Este komponiert, „Ave maris“ im September, „Salve Regina“ am 19.
Oktober. Wie auch einige andere Spätwerke entstanden auch die Hymnen für das gemeinsame Musizieren mit Kardinal Hohenlohe an dem für Liszt hergestellten Doppelinstrument, dem „Piano-Orgue“: „Le piano est arrivé hier matin, et le soir nous avons musiqué
en tête-â-tête avec Hohenlohe – qui joue très agréablement, sur l'harmonium et aussi sur
le piano, mon Ave maris stella, écrit au Vatican.“
(Gestern morgen kam das Instrument hier an und am Abend musizierten wir im kleinen
Kreis mit Hohenlohe, der auf dem Harmonium und auch auf dem Klavier sehr schön mein
im Vatikan geschriebenes Ave maris stella spielt.)
Vorlage für „Ave maris stella“ war Liszts eigener Chorsatz, für „Salve Regina“ die gregorianische Melodie. Mehr noch als „Ave maris stella“ verrät Liszts „Salve Regina“
durch die Form der Notation Funktion und Entstehung: Komponieren als aktives Gebet,
die Niederschrift als Executio, als Ausführung. Öffentliche Aufführung ist nicht mehr
beabsichtigt, durch die unliturgische Verkürzung der Texte macht Liszt (bewusst?) die
Werke für die kirchliche Praxis unbrauchbar. Liszts emphatische Eintragungen im Autograph: „Maria ! refugium peccatoris, auxilium Christianorum ora pro nobis“ und „Am
Feste der Schmerzen Mariä (dritter Sonntag im September)“ weisen Liszts Kompositionen den Platz eines musikalischen Rosenkranzgebets zu, das weder Zuhörer noch
öffentliche Aufführung duldet.
INTROITUS (1884)
„Das Eingangspräludium möge sein das ‚sursum corda’ für Jeden, der in die gottgeweihten Räume eintritt, und ihm zurufen: ‚zeuch deine Schuhe aus, oder schüttle wenigstens
den Staub weltlichen Sinnes und irdischer Sorge ab, denn dieser Ort ist heilig!’“
Am Tage nach dem Arnstädter Bach-Fest im Oktober 1884 verfasst Liszt einen Introitus
für Orgel „mit einem harmonisch merkwürdigen Orgelpunkt-Schluss von 26 Takten“ , die
wohl letzte selbstständige Orgelkomposition des Komponisten. Ein Jahr nach Liszts Tod
wurde das Werk von Gottschalg in der Sammlung „Der wohlgeübte Organist (II. Teil)“
ediert, 1890 bei Siegel gemeinsam mit der unter dem Titel „Trauerode“ veröffentlichten
„Oraison – Les Morts“. Elemente des späten Orgelstils treten hier paradigmatisch auf:
homophone Akkordserien, absteigende Terzketten oder Skalenfolgen, die Idee des Orgelpunkts als Mittel zum Erzielen hymnischer Steigerungen.
ROSARIO (1879)
FASSUNG FÜR ORGEL ODER HARMONIUM SOLO
Daten zur Entstehungsgeschichte fügt Liszt dem der Chorfassung vorgestellten Vorwort
bei: „Ich bewohnte einige Zeit zwei Zimmer nebenan der Kirche der Madonna del Rosario, Monte Mario bei Rom. Da folgte ich öfters den Andachten des Rosenkranz, deren
musikalische Begleitung hierbei. Man kann sie gebrauchen, sei es im Gesang (mit Begleitung der Orgel oder des Harmoniums), sei es in der Version für Orgel oder Harmonium
Solo, ohne andere Singstimmen als die des Herzens, November 79. F. Liszt“
Dem ebenfalls dem Vorwort entnommenen folgenden Zitat aus der Lebensbeschreibung
des Père Lacordaire kann man Hinweise zu Liszts Kompositionsweise entnehmen:
„Der Rationalist lächelt, wenn er die Reihen von Leuten vorüberziehen sieht, die stets
dasselbe Wort wiederholen; wer aber von einem besseren Licht erleuchtet ist, der versteht, dass die Liebe nur eines einzigen Wortes bedarf, und dass sie, indem sie es stets
aufs neue sagt, es niemals nur wiederholt.“
Im Sinne des Rosenkranz-Betens wird das Ave Maria zwar dem freudenreichen, schmerzhaften oder glorreichen Rosenkranz zugeordnet, die Veränderungen zwischen den fast
identischen Sätzen sind aber so minimal, dass sie weit mehr das Element der Wiederholung als das der unterschiedlichen Affekte betonen.
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< FRANZ LISZT ORGELWERKE >
< DEUTSCH >
AVE MARIA (IV) (1881)
FASSUNG FÜR ORGEL (HARMONIUM ODER KLAVIER)
Als Endpunkt eines jahrzehntelangen Reduktions- und Simplifizierungsprozesses erscheinen die beiden, am 21. März 1881 entstandenen Versionen des Ave Maria (IV) für begleitete Singstimme, bzw. für Orgel (Klavier, Harmonium) solo. Nicht mehr Verminderung von
spieltechnischen Schwierigkeiten oder das Reduzieren überschwänglicher Affekte
erscheinen bestimmend, das Material selbst wird auf einzelne Zeichen rückgeführt, aufgelöst und zum Verschweigen gebracht. Der Text wird auf „Ave Maria, Dominum tecum,
Benedicta tu in mulieribus et benedictus fructus ventri tui“ vermindert, die Glocken am
Beginn (Ave Maria I, d'Arcadelt,…), der Affekt des Nonvorhalts als einzige später aufgelöste harmonische Spannung, die alleinstehenden Terzen des Schlusses, sie deuten bloß
noch die Elemente der früheren Ave Maria-Vertonungen ohne jegliche Durchführungsarbeit an. Hier bleibt der Umfang der Bassstimme innerhalb der Oktave, die Reduktion von
Form und Gestalt befreit das Werk von jeglicher Funktion innerhalb der liturgischen
Gebrauchsmusik.
„O SACRUM CONVIVIUM“ (ca. 1881)
SAN FRANCESCO – PRELUDIO PER IL CANTICO DEL SOL DI SAN FRANCESCO (1880)
Das Orgelpreludio ist Teil der Gruppe von Franziskuswerken, die den „Cantico“, das „Hosannah!“, aber auch die beiden Franziskuslegenden für Klavier umfassen, Stücke die zu
Liszts Lebzeiten auch schon in Orgelfassungen gespielt wurden. Die Entstehungs geschichte verbindet das Werk aber auch mit der Gruppe der Wagner-bezogenen Spätwerke: „Morgen gehe ich nach Siena, zu Wagner: bleibe 8 Tage dort, und dann, bis Neujahr, wie gewöhnlich, Villa d'Este. Unwandelbar Dein F. Liszt/15. Sept. 80 – Rom.“
Diese Reise fand inmitten der Revision des 1862 entstandenen Cantico di San Francesco
statt, wie Liszt der Fürstin mitteilte: „J'ai passionément travaillé pendant une quinzaine
de jours au ‚Cantico di San Francesco’. Telque le voilà enfin amélioré, agrandi, ornementé. harmonié et achevé en Partition. … Je vais écrire l'arrangement de piano et orgue de
la nouvelle version definitive du ‚cantique de St. Francois’.“
(Ich habe während zweier Wochen fest am „Cantico di San Francesco“ gearbeitet. Hier ist
er nun endlich: verbessert, vergrößert, geschmückt, harmonisiert und in Partitur gesetzt.
… Ich werde bald das Arrangement für Klavier, Orgel und die neue definitive Version des
„Liedes des hl. Franciscus“ schreiben.)
Zurückgekehrt, hatte er nicht nur den besagten Orgelauszug des Präludiums, sondern
auch den „Angelus“ vollendet: „La santé de Wagner est remise. Je viens de passer une
dizaine de journées chez lui à Torre fiorentina, charmante et princière ville près de Siena.“
(Wagners Gesundheit ist wiederhergestellt. Ich habe gerade zehn Tage bei ihm in Torre
fiorentina, einer charmanten fürstlichen Stadt bei Siena verbracht.)
Obwohl die Drucklegung der Orchesterfassung des Cantico, die Liszt bis 1883 immer wieder beschäftigt hatte, schon längst abgeschlossen war, schien die Klavier- und Orgelversion verloren. Erst am 29. November 1885 wurde während Liszts Aufenthalt im Hotel Alibert in Rom eine Abschrift erstellt.
FASSUNG FÜR ORGEL (HARMONIUM)
„O sacrum convivium“ wurde von Liszt gleichzeitig in einer Fassung für Gesang und
Orgelbegleitung und für „Organo vel Harmonio solo“ komponiert. Auf einem Zusatzblatt
wurden vom Komponisten die von der Begleitfassung abweichenden Takte der Soloorgel
notiert. In einer Kopistenabschrift hat Liszt neben Eintragungen von Fingersätzen noch
weitere Korrekturen vorgenommen. Die verbliebenen Ossia-Stellen sind nicht im Sinne
von Erleichterungen des Notentextes oder von Angaben für unterschiedliche Instrumente,
sondern vielmehr als echte Alternativen eines „offenen Werkes“ zu sehen.
„IN FESTO TRANSFIGURATIONIS DOMINI NOSTRI JESU CHRISTI“ (1880)
REKONSTRUKTION DER FASSUNG FÜR ORGEL
In einem Umschlag finden sich drei Quellen eines Klavierstücks, das – sonst unbetitelt –
nur mit dem lateinischen Namen des am datierten Tag stattfindenden Kirchenfestes
bezeichnet ist: „In Festo Transfigurationis Domini nostri Jesu Christi. / 8. August 80“.
Über oktavierenden Bassgängen sind „legato e tenuto“ Akkordbrechungen in Kurzschrift
angedeutet, die „perdendo“ von arpeggierten Akkorden gefolgt werden.
Ein weiteres Blatt enthält den achttaktigen Anfang einer Fassung „Für Orgel“, die jedoch
im Nukleus die Struktur des gesamten Stücks enthält. Die hier eingespielte Rekonstruktion einer Orgelfassung bezieht sich auf diese Anweisungen des Komponisten.
Martin Haselböck
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< FRANZ LISZT ORGELWERKE >
FRIEDRICH
LADEGAST
< DEUTSCH >
Der 1818 als Sohn eines Zimmermanns
geborene Orgelbauer Friedrich Ladegast
ließ sich nach Lehrjahren in Borna,
Leipzig und Dessau 1846 im preußischen Weißenfels als unabhängiger
Orgelbauer nieder.
Nach dem Bau einiger kleiner Instrumente wurde dem 35-jährigen Ladegast
1853 der ehrenvolle Auftrag erteilt, in
das barocke Gehäuse des Merseburger
Domes die damals größte Orgel
Deutschlands zu errichten. In der Kombination zweier unterschiedlicher Klangwelten entstand hier eine neue Orgelästhetik, die barocke Klarheit der Obertonregister mit romantischer Vielfalt der
Grundstimmen zu vereinen wusste:
Ladegast übernahm vorerst 26 Stimmen
des alten Instruments in seine neue
Orgel (sie wurden 1866 vielfach durch
eigene des Orgelbauers ersetzt), hier
zumeist Aliquot- und Obertonregister,
während die von ihm neu errichteten
Register vielfältigste Kombinationen und
Schattierungen der Grundstimmen
ermöglichten. Auch die Spielanlage mit
ihren Pianoforte-Klaviaturen entsprach
nicht mehr den alten sächsischen Traditionen, sondern ließ pianistisch-virtuoses Spiel ohne Einschränkungen zu, so
dass der Leipziger Redakteur Franz
Brendel davon schreiben konnte, „dass
dieses Orgelwerk einen neuen Abschnitt
in der Orgelbaukunst bezeichne, indem
hier Dinge erreicht worden sind, die bisher an keiner anderen Orgel vorkommen“.
Die Orgelweihe 1855 unter Mitwirkung
Franz Liszts machte Ladegast mit einem
Schlage berühmt: „ Der Charakter dieses
Werkes unterscheidet sich wesentlich
von dem aller anderen Orgeln. An Kraft
und Fülle, beim Gebrauch des vollen
Werkes, kommt sie wohl den besten
gleich. Einzig in ihrer Art aber ist sie in
den sanfteren Stimmen. Es ruht ein
Wohllaut, ein Schmelz darin, wie ich ihn
bei anderen Orgeln noch nicht gehört.“
Für Liszt blieb der Klang dieses besonderen Instruments für lange Zeit inspirierend und bestimmend. Auf seine
Empfehlung hin wurde der Meister für den Bau weiterer bedeutender Instrumente eingeladen, so 1857 in Leipzig St. Nikolai, 1863 in Weißenfels, aber auch in Lettland und Moskau.
Einer mittleren Schaffensperiode entstammen die beiden sehr ähnlichen Orgeln, die zwischen 1873 und 1875 in Köthen und im Großen Saal des Wiener Musikvereins errichtet
wurden. Ihr Klang wirkt dunkler, schwerer, noch ist virtuoses Spiel möglich, jedoch nicht
mehr notwendig. Sparsam eingesetzte Spielhilfen erleichtern dem Organisten die Handhabung der immer größer und schwerer werdenden Trakturen. Neben der großen dreimanualigen Orgel des Domes von Reval (Tallinn) von 1878 ist die Orgel des Domes von Schwerin
ein Beispiel des späten Monumentalstils Ladegasts: Bei aller Klangschönheit wird das Fehlen des musikalischen Mentors Liszt spürbar. Viele Spielhilfen, so das automatische Registercrescendo, sind praktisch nicht einsetzbar, die Klangpalette inspiriert zur Improvisation,
nicht zum Literaturspiel. Die Entwicklung des Orgelbauers Ladegast ähnelt auf erstaunliche
Weise der des Komponisten Liszt: brillant virtuose, helle, klare Frühwerke, orchestrale Farbenvielfalt der mittleren Periode, blockhafte Tuttiklänge und vielfältigste Schattierungen im
Pianobereich im Spätwerk.
Schon um 1880 war der Ruhm Ladegasts verblasst. Die „modernen Orgeln in orchestraler
Behandlung“, die, versehen mit den modernsten technischen Spielhilfen, von Werkstätten
wie Sauer und Walcker errichtet wurden, wurden seinen technisch stabilen Instrumenten
„der alten Schule“ vorgezogen.
Der Orgelbauer starb 1905. Heute erstehen zahlreiche seiner Instrumente in mustergültiger
Restaurierung und lassen so die Orgelwelt der deutschen Orgelromantik in aller Klangpracht
auferstehen.
Martin Haselböck
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< FRANZ LISZT ORGELWERKE >
< DEUTSCH >
Die Orgel zu Merseburg
DIE
ORGELN
Die Orgel in St. Jakob in Köthen
Die Orgel zu Schwerin
DIE ORGEL ZU MERSEBURG
DIE ORGEL ZU ST. JAKOB IN KÖTHEN
DIE ORGEL ZU SCHWERIN
Ladegast hatte die Orgel mit rein mechanischer Spiel- und Registertraktur gebaut,
allerdings schon mit einigen mechanischen
Spielhilfen, die – wenn auch in bescheidenem Rahmen – Erleichterung bei schnellen
Registerwechseln bieten.
2002 bis 2004 wurde die Orgel durch die
Werkstätten Eule, Scheffler und Wegscheider restauriert und in ihren Originalzustand
zurückversetzt.
Die Register des Hauptwerks sind auf zwei
Windladen verteilt, Vorder- (»V«) und Hinterlade (»H«).
Das Pedal steht auf drei Laden (1,2,3),
die jeweils mit eigenen Sperrventilen versehen sind.
1873 wurden von Ladegast zwei große
Orgeln ausgeliefert: So verzeichnet der
Katalog als Op. 60 eine Orgel mit 46 Registern für CÖTHEN, Anhalt, Op. 61 sollte
die Orgel von 56 Registern für den Wiener
Musikverein werden. Die hinter einem
neogotischen Monumentalprospekt errichtete Orgel der Stadt- und Kathedralkirche
St. Jakob, Köthen, wurde als kräftig intonierte Stadtorgel errichtet, die gleichermaßen liturgischen und konzertanten Aufgaben gerecht werden sollte. Erstaunlich
ist das Fehlen aller Spielhilfen (Barkerhebel, „Abteilungen“, pneumatische Registertraktur).
Das Werk ist im originalen Zustand und
wurde 1993/94 einer ersten Restaurierung
durch Christian Scheffler unterzogen. Leider ist der Orgelmotor von 1928 deutlich
hörbar.
Der im 13. Jahrhundert begonnene Bau des
großen gotischen Backsteindomes in
Schwerin wurde im 19. Jahrhundert renoviert. Im Zuge notwendiger Umgestaltungen
wurde ob des schlechten Zustandes der
noch vorhandenen Stein/Marx-Orgel an
Reparatur oder Neubau gedacht. Ins
Gespräch für diese Aufgabe kam neben
einer Reihe bekannter Orgelbauer auf Empfehlung des damaligen Domorganisten auch
der bereits zu den herausragenden deutschen Orgelbauerrn gehörende Friedrich
Ladegast.
Ladegast arbeitete in jungen Jahren in
sächsischen Orgelbauwerkstätten, die in der
Tradition des Orgelbaus Silbermanns standen, daneben beeinflusste ihn der zeitgenössische französische Orgelbau CavailléColls. 1846 gründete er in Weißenfels seine
Werkstatt.
Die Dombaukommission entschied sich für
Ladegast und dieser besichtigte die vorhandene Orgel, lehnte jedoch eine Reparatur ab.
So kam es dann in den Jahren 1868-1871
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< FRANZ LISZT ORGELWERKE >
< DEUTSCH >
CHRONOLOGIE
DER ORGELWERKE
1811
1849
Raiding, 22. Oktober: Liszt geboren.
PARIS, 16. APRIL: Uraufführung der
1835
Die Orgel zu Schwerin
zum Neubau. Ladegast erbaut eine prachtvolle Orgel mit 84 Registern, 5123 Pfeifen,
verteilt auf vier Manuale und Pedal. Es entstand ein technisches Meisterwerk, das
klanglich genau für diesen Raum bestimmt
war. Die Verbindung zwischen Tasten und
Orgelpfeifen erfolgt mechanisch (z. T. mit
Barker-Hebeln), die Register werden pneumatisch geschaltet.
Eine technische Neuheit war das Crescendo-Werk: Ein Pedaltritt ermöglicht es, alle
Register – wie von Geisterhand gezogen –
zum vollen Werk aufzufüllen.
Unter den klanglichen Schönheiten fällt die
große Palette an orchestralen Farben auf:
Flöten in allen Schattierungen, „streichende“ Stimmen und „durchschlagende Zungen“ wie Oboe und Clarinette. Daneben
steht das gravitätische „Volle Werk“,
gestützt durch die Bässe von 32' und mit
dem Glanz der zahlreichen Mixturen und
Cornette.
Den ehemaligen Domorganisten ist es zu
danken, dass dieses herausragende Werk
des romantischen Orgelbaues nahezu
unverändert erhalten blieb.
In den Jahren 1982-1988 wurde das Instrument von der Firma Schuke, Potsdam, vorbildlich restauriert.
Die Orgel zu Hohenmölsen
DIE ORGEL ZU HOHENMÖLSEN
In der kleinen Stadt Hohenmölsen, abseits der
Touristenrouten in Sachsen-Anhalt, errichtete
der junge, noch fast unbekannte Friedrich
Ladegast 1852 seine größte zweimanualige
Orgel, ein Instrument, das aufgrund seiner
hohen Qualität Auslöser für die großen Aufträge, so der Domorgeln in Merseburg und
Schwerin, werden sollte.
Das Instrument hat 24 Register auf zwei
Manualen und Pedal, darunter die noch original
erhaltene Aeoline 16‘, eine durchschlagende
Zungenstimme.
Am 17. September 1852 war die Orgel fertiggestellt. Das Gutachten des Königlichen Orgelrevisors und Merseburger Domorganisten
David Hermann Engel war voll des Lobs: er verglich die Spielart des Instruments mit der eines
englischen Flügels und sprach von „vollendet
schöner Intonation“, dem „besten Verhältnis
der Stimmen“ und von ihrer „zauberhaften
Lieblichkeit“. Aufgrund des Erfolgs des Instruments wurde ihm sogar 1853 ein Artikel in der
renommierten Zeitschrift „Urania“ gewidmet.
Ladegast hatte sich mit dieser Arbeit finanziell
übernommen: Er bat den Magistrat von Hohenmölsen um eine „Freiwillige Gratifikation“ für
sein „aus besonderer Gewissenhaftigkeit
gebrachtes Opfer“, die ihm jedoch unter Hinweis auf die schlechte finanzielle Lage der
Stadt verwehrt wurde.
1875/76 wurde die Orgel durch Ladegast nach
einem Wassereinbruch instand gesetzt, 1998
durch Kristian Wegscheider mustergültig
restauriert.
Das Instrument ist das schönste erhaltene Beispiel eines kleineren Instruments Ladegasts.
Martin Haselböck
PARIS: Schrift über den Verfall der
Kirchenmusik Zur Stellung der
Künstler.
1836
Oper Le Prophète von Giacomo
Meyerbeer.
PARIS, 17. OKTOBER: Tod Chopins und
Interpretation dessen Klavierpréludes
op. 28/4 und 9 durch den Organisten
der Madeleine-Kirche während der
offiziellen Trauerfeier.
BERLIN, SINGAKADEMIE, 6.
FRIBOURG, 15. SEPTEMBER:
Orgelspiel in der Kirche St. Nicholas
mit Improvisationen.
1838/39
ITALIEN: Komposition Sposalizio für
Klavier (Deuxième Année der Années
de Pélérinage).
1850
DEZEMBER: Uraufführung Der 13.
BAD EILSEN, 18. - 31. OKTOBER:
Psalm.
Komposition von Fantasie und Fuge
über den Choral „Ad nos, ad
salutarem undam".
WEIMAR: Gründung der BachGesellschaft mit Liszt als
Vorstandsmitglied.
1839
ROM, 1. MAI: Spiel einer Bach-Fuge
im Gottesdienst auf der Orgel der
Kirche San Luigi di Francesi.
1840
RAIDING, 19. FEBRUAR: Liszt besucht
seinen Geburtsort und spendet 100
Dukaten für die Orgel.
1842
BERLIN, 5. JANUAR: Spiel einer
Orgelfuge in der Singakademie auf
dem Klavier. Potsdam,
9. JANUAR: Spiel von Bachs
Präludium und Fuge in a (BWV 543?)
auf der Orgel (?).
Festmesse. Weimar, September
1855 - WINTER 1855/56: Komposition
Präludium und Fuge über das Thema
B-A-C-H. Merseburg, 26. September:
Aufführung von Ad nos, ad salutarem
undam durch Winterberger beim
Weihekonzert der neuen LadegastOrgel und Auftreten von Liszt als
Organist in einer Arie von Bach.
1852
LEIPZIG, JULI: Erstdruck der im selben
Jahr in Weimar für Orgel transkribierten Kirchlichen Festouverture von
Nicolai bei Hofmeister.
LEIPZIG, AUGUST: Erstdruck von
Ad nos, ad salutarem undam bei
Breitkopf & Härtel. Weimar, Kath.
Kirche,
15. AUGUST (Geburtstag Napoleons I.):
Uraufführung der Messe für
Männerchor und Orgel.
WEIMAR: Komposition Ave Maria I
WEIMAR, OKTOBER 1852 UND MAI
1856
WEIMAR, FRÜHJAHR (?): Transkription
Aus tiefer Not.
MERSEBURG, 13. MAI: 2. Orgelkonzert
Winterbergers im Dom mit der
Uraufführung von Präludium und Fuge
über B-A-C-H, Nicolai: Kirchliche
Festouverture und Aus tiefer Not (?).
MERSEBURG, 23. JUNI: Liszt arbeitet
mit Winterberger an der Merseburger
Domorgel als Vorbereitung dessen
Konzerttournee nach Holland.
ROTTERDAM, HAARLEM (9. AUGUST),
UTRECHT, AUGUST: Konzerte von
Winterberger mit Ad nos, B-A-C-H und
der Nicolai-Transkription, sowie mit
Werken von Bach, Schumann und
Wagner. Korrekturen Liszts im
Erstdruck von Nicolai: Kirchliche
Festouverture.
1853: erste Aufführungen von Ad nos,
ad salutarem undam durch
Winterberger in der Stadtkirche.
GRAN (ESZTERGOM), DOM,
MOSKAU, MAI: Ev. Kirche: Orgelkonzert
1854
TIEFFURT BEI WEIMAR, SEPTEMBER:
Liszts mit Werken von Beethoven und
Händel.
PARIS: Bau des „Piano-Orgue" durch
Erstes Treffen Liszts mit Gottschalg
und Konzerte von C. A. Fischer mit Ad
nos in Leipzig und Dresden.
ZÜRICH, 12. OKTOBER: Treffen mit
Winterberger in Zürich.
1843
Erard-Alexandre.
DORNBURG, 7. JUNI: Konzert
1845
MULHOUSE, ELSAß: Orgelkonzert
Liszts mit ähnlichem Programm
1847
KIEW, 14. FEBRUAR: Aufführung eines
Ave Maria in der Kirche und
Bekanntschaft mit der Fürstin
Wittgenstein.
Gottschalgs mit der Kirchlichen
Festouverture (Nicolai). Weimar,
5. SEPTEMBER: Uraufführung der
Faust-Symphonie.
WEIMAR, 7. SEPTEMBER: Ankunft des
„Piano-Orgue" und Privatkonzert
Liszts mit Werken von Bach,
Beethoven, Berlioz, Liszt.
31. AUGUST: Uraufführung der Graner
Festmesse mit Winterberger an der
Orgel.
1857
WIEN, GROßER REDOUTENSAAL, 22.
UND 23. MÄRZ: Aufführung der Graner
Festmesse unter Liszt mit 250 Mitwirkenden und Winterberger an der
Orgel.
1855
WEIMAR, 3. SEPTEMBER:
1848
WEIMAR, JULI: Aufführung von Ad nos
WEIMAR, Komposition der Messe für
durch C. A. Fischer in der
Herderkirche. Komposition der Graner
Uraufführung von Weimar's Volkslied
für Männerchor und Orgel anlässlich
der Grundsteinlegung eines Denkmals
Männerchor und Orgel.
51
52
< FRANZ LISZT ORGELWERKE >
für Erzherzog Carl August. Erste
Fassung für Orgel.
DRESDEN, 7. NOVEMBER:
< DEUTSCH >
PARIS: Lausig und Liszt spielen eine
Klavierfassung von B-A-C-H für
Richard Wagner.
Uraufführung Eine Symphonie zu
Dante’s Divina Commedia.
1861
WEIMAR, HOFTHEATER, 29.
WEIMAR, FEBRUAR: Abschrift von
DEZEMBER: Uraufführung
Hunnenschlacht.
Bach/Liszt Ich hatte viel Bekümmernis
durch Gottschalg.
WEIMAR, DEZEMBER:
WEIMAR, STADTKIRCHE, 25. JUNI:
Präludium Weinen, Klagen, Sorgen,
Zagen für Klavier. Magdeburg und
andere deutsche Städte: Reubke und de
Lange jr. spielen Ad nos.
Uraufführung Der 18. Psalm.
1858
WEIMAR, STADTKIRCHE, 6. AUGUST:
WEIMAR, 27. MAI: Komposition von
Tod Julius Reubkes.
Orgelvorführung Töpfers anlässlich der
Gründungsversammlung des
Allgemeinen Deutschen Musikvereins
in Anwesenheit von Liszt, Wagner,
Bülow.
1859
1862
ROTTERDAM UND UTRECHT: Erstdruck
ROM, PALMSONNTAG, Komposition
von Präludium und Fuge über das
Thema B-A-C-H.
WEIMAR: Liszt spielt B-A-C-H für
Moscheles auf dem Klavier. Weimar:
Komposition Präludium Weinen,
Klagen und Transkription für Orgel
durch Winterberger.
MERSEBURG, 5. JUNI: Liszt spielt mit
Ferdinand David ein Andante für
Violine und Orgel an der Domorgel.
Evocation für Klavier (1. Fassung).
WEIMAR, AUGUST: Komposition Les
Morts - Oraison in Orchester-, Klavierund Orgelfassung. Rom, Anfang
Oktober: Komposition Evocation für
Klavier (2. Fassung).
ROM, 22. OKTOBER: Transkription
Pilgerchor aus Tannhäuser
(2. Fassung). und der Préludes op.
28/4 und 9 von Chopin. Komposition
Ave Maria d'Arcadelt für Orgel und
Evocation für Orgel. Komposition
Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen für
Klavier (19. 11.) und für Orgel.
Festgesang zur Eröffnung der zehnten
allgemeinen Lehrerversammlung.
PILLNITZ/DRESDEN, 3. JUNI:
WEIMAR, STADTKIRCHE, 2. OKTOBER:
Uraufführung Die Seligkeiten.
WEIMAR, STADTKIRCHE, 30. OKTOBER:
Uraufführung von Liszts Psalmen 23
und 137 mit Töpfer an der Orgel.
WEIMAR, 24. JULI (1861?):
Bearbeitung des Cujus animam aus
dem Stabat Mater von Rossini für
Posaune und Orgel.
1863
1860
TIEFURT BEI WEIMAR, 14. FEBRUAR:
Gottschalg beendet seine Transkription
von Einleitung, Fuge und Magnificat
aus der Symphonie zu Dante's Divina
Commedia und Transkriptionen des
Andante aus der Bergsymphonie und
des Ave Maria I (?).
DEHNSTEDT BEI WEIMAR:
"Orgelconferenzen" mit Liszt,
Gottschalg und ausgewählten
Schülern.
WEIMAR, AUGUST: Komposition Les
morts.
WEIMAR, 18. AUGUST: Fertigstellung
Der 18. Psalm. Weimar, Stadtkirche:
Konzert Gottschalgs mit Liszts Ave Maria.
ROM, FEBRUAR: Datierung Weinen,
Klagen,Sorgen, Zagen für Orgel.
ROM, FRÜHJAHR: Komposition PapstHymnus Orgel- und Klavierfassung.
ROM, 3. JULI: Uraufführung ChorOrgelfassung Slavimo Slavno Slaveni.
ROM, 5. JULI: Komposition Orgel- und
Klavierfassung Slavimo Slavno Slaveni.
ROM, 11. JULI, Kloster Madonna del
Rosario: Papst Pius IX. besucht Liszt
und hört die eben entstandene
Klavierlegende Vogelpredigt des Hl.
Franziskus.
BERLIN: Erstdruck Pilgerchor aus
Tannhäuser, 1. Fassung 1864 Rom:
Komposition Ora pro nobis.
WEIMAR, ALTENBURG, 30. OKTOBER:
1865
Transkription Pilgerchor aus
Tannhäuser für Orgel. kurz danach:
Transkription Schlusschor der Kantate
Nr. 21 Ich hatte viel Bekümmernis von
Bach.
ROM, JANUAR: Transkription Orlando
di Lasso Regina coeli laetare.
ROM, 25. APRIL: Liszt erhält die
Tonsur. Rom, Mai: Komposition
Orgelstimme des 13. Psalms.
ROM, JUNI: Korrektur Ora pro nobis.
ROM, 30. JULI: Liszt erhält die
niederen Weihen des
Franziskanerorderns. Komposition
Chorfassung Ave maris stella.
LEIPZIG: Erstdruck Ave Maria
d'Arcadelt in Klavier- und
Orgelfassung.
BERLIN: Erstdruck: Inno del Papa,
Klavierfassung
BERLIN: Erstdrucke Inno del Papa,
Klavierfassung; Papst-Hymnus, Klavier
zu vier Händen; Pilgerchor aus
Tannhäuser, 2. Fassung Komposition
Inno del Papa, Fassung für
achtstimmigen Chor.
BUDAPEST, 15. AUGUST: Uraufführung
der Legende der heiligen Elisabeth.
WEIMAR: Transkription Einleitung zur
Elisabeth-Legende durch
K. Müllerhartung.
ERFURT: Erstdruck Ora pro nobis und
Papst-Hymnus, Orgelfassung.
1866
ROM, 25. JANUAR: Neuer Schluß
Liszts für Ich hatte viel Bekümmernis.
ROM: Komposition des 8. Satzes
Gründung der Kirche im Oratorium
Christus.
1. Band von Gottschalg's Repertorium.
LEMBERG: (Ur -?) Aufführung des
Requiem und der Missa Choralis.
eines „Piano Orgue" und gemeinsames
Musizieren mit Kardinal Hohenlohe.
1882
VILLA D'ESTE, SEPTEMBER:
1870
Komposition Ave maris stella
(1. Fassung).
LEIPZIG: Erstdruck von Präludium und
VILLA D'ESTE, 15. OKTOBER:
Fuge über B-A-C-H bei Schuberth;
Komposition der ersten Klavierversion
ROM: Komposition Ave Maria II für
Harmonium. Weimar, Juni: Begräbnis
Töpfers in Anwesenheit Liszts.
WEIMAR, SCHLOSSKAPELLE,
25. JUNI: Müllerhartung spielt
Dante-Bearbeitung.
Transkription Verdi Agnus Dei.
Komposition Salve Regina für Orgel.
Saint-Saëns spielt in Anwesenheit
Liszts Ad nos im Großmünster
anlässlich eines Tonkünstlerfests.
LEIPZIG: Druck des Sammelbandes
Compositionen für die Orgel von Franz
Liszt.
LANGENSALZA: Druck des Historischen
Album mit der Transkription der
Consolation VI.
VILLA D'ESTE, 22. (?) OKTOBER:
ARNSTADT, 24. SEPTEMBER:
Komposition Resignazione.
Orgelkonzert Ernst Schillings in
Anwesenheit Liszts mit B-A-C-H.
VILLA D'ESTE, 15. OKTOBER:
Komposition Angelus 1. Fassung.
VILLA D'ESTE, 19. OKTOBER:
ZÜRICH, 10. - 14. JULI:
1878
1871
ROM: Komposition Ave maris stella
(1. Fassung) für Harmonium und Libera
zum Requiem.
1871
(?): Bearbeitung von Offertorium aus
der Ungarischen Krönungsmesse für
Orgel.
LEIPZIG: Erstdruck der ersten
Klavierversion von B-A-C-H.
Merseburg: Fischer spielt B-A-C-H in
einem Domkonzert.
1872
JENA, JUNI: Uraufführung Messe
PARIS, 9. - 18. JUNI: Liszt in Paris als
Vorsitzender der Jury Musikinstrumente
anlässlich der Weltausstellung.
Begegnung mit Saint-Saëns und Widor
an der Orgel des Trocadéro.
PARIS, 28. SEPTEMBER: Saint-Saëns
spielt anlässlich des Eröffnungskonzerts der Cavaillé-Coll Orgel des
Palais du Trocadéro Ad nos.
1883
WEIMAR, HOFGÄRTNEREI, 8. MAI:
Zusammentreffen mit Domorganist
Prof. Wilhelm Bergner und Auftrag zu
Nun danket alle Gott.
WEIMAR, 13. - 20. MAI: Komposition
Nun danket alle Gott.
WEIMAR, 22. MAI: Komposition Am
Grabe Richard Wagner's.
WEIMAR, 17. UND 18. JUNI:
1879
Orgelbearbeitung des Requiem.
BUDAPEST, FEBRUAR:
Zusammenstellung der Choräle für
Kardinal Hohenlohe.
WEIMAR, 7. JULI: Gottschalg arrangiert
Feuille d'album E-Dur als Andantino
(verloren) und 3 Consolations für Orgel.
WEIMAR, 15. JULI: C. A. Fischer
(Dresden) spielt Weinen, Klagen,
Sorgen, Zagen in Anwesenheit Liszts.
ROM: Komposition Messe.
MAILAND: Erstdruck: Agnus Dei (Verdi).
1884
WIESBADEN: Erstdruck: Nun danket
alle Gott.
WEIMAR: Komposition Introitus
1867
(2. Fassung).
BUDAPEST, 8. JULI, MATHIASKIRCHE:
WIEN, 15. NOVEMBER, MUSIKVEREIN:
Uraufführung der Ungarischen
Krönungsmesse.
ROM, JULI: Komposition Tu es Petrus
für Orgel.
Fischer spielt B-A-C-H anlässlich des
Eröffnungskonzerts der neuen
Ladegast-Orgel.
ALTENBURG: 12. SEPTEMBER:
1873
VILLA D'ESTE, 25. OKTOBER:
Art von Mozarts Ave verum.
D. Stade spielt Hosanna! für Liszt.
WEIMAR: Erstdruck Hosannah! für
Posaune und Orgel (im Album für
Töpfer).
WEIMAR, 29. MAI: Uraufführung des
Komposition Gebet.
BAYREUTH, 31. JULI: Tod Liszts.
Christus.
VILLA D’ESTE, NOVEMBER: Komposition
WEIMAR, SEPTEMBER (?): Zweite
Rosario.
1868
Winterberger konzertiert in Paris.
PARIS, 3. APRIL: Liszt besucht César
Franck als einziger Gast in SainteClotilde und preist ihn als würdigen
Nachfolger Bachs. Komposition des
Requiem.
PARIS: Erstdruck Ave maris stella für
Singstimme und Harmonium.
1869
WEIMAR, JANUAR - APRIL:
Revision von B-A-C-H mit Gottschalg
und Erstellen einer neuen Fassung.
WEIMAR, 19. JULI: Gottschalg spielt BA-C-H, Evocation, Papst-Hymnus und
Ave Maria.
LEIPZIG: Druck der Bach-, Chopinund Lasso-Bearbeitungen für Orgel im
Fassung von Weimar's Volkslied für
Orgel komponiert und in Weimar
gedruckt.
LEIPZIG: Revision und Erscheinen des
2. Bandes von Gottschalg's
Repertorium für der 2. Fassung von BA-C-H .
LEIPZIG: Erstdruck einer Nouvelle
Version von B-A-C-H für Klavier.
1880
WEIMAR, 29. JULI: Besuch des
Magdeburger Domorganisten
Forchhammer bei Liszt.
WEIMAR, 8. AUGUST: Komposition In
festo transfigurationis.
SIENA, 17. - 20. SEPTEMBER:
Komposition San Francesco - Preludio
für Orgel.
1875
SIENA, 21. - 22. SEPTEMBER:
BUDAPEST, 15. (10.) MÄRZ:
Komposition Angelus! (2. Fassung).
Uraufführung Excelsior.
BUDAPEST: Ernennung Liszts zum
ersten Präsidenten der Budapester
Musikakademie.
WEIMAR (?): Orgelfassung Preludio –
Excelsior.
1877
VILLA D'ESTE, 31. AUGUST: Ankunft
1881
BUDAPEST, ZWISCHEN 20. JANUAR
UND 4. APRIL:
Komposition Ungarns Gott.
BUDAPEST, 25. (?) MÄRZ: Komposition
Ave Maria (IV) für Orgel.
LEIPZIG: Erscheinen von J. S. Bach
Orgelalbum (Liszt).
(Oktober) und O sacrum convivium
WEIMAR (?): Komposition In domum
Domini ibimus.
1886
WEIMAR, JUNI: Bearbeitung auf leichte
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