hausgarten-abc januar 2016 druck
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Landesverband der Gartenfreunde Baden-Württemberg e.V. Heigelinstraße 15, 70567 Stuttgart, Telefon: 0711/715 53 06 e-mail: [email protected], Internet: www.gartenfreunde-landesverband-bw.de Hausgarten-ABC Januar: Der Garten – das wiedergewonnene Paradies Der Garten ist untrennbar mit dem Wandel der Lebensweise des Menschen vom unsteten Jäger und Sammler zum sesshaften Bauer verbunden. Die planmäßige Inkulturnahme von als wertvoll für Ernährung, Gesundheit oder Schönheit erkannten Pflanzen war zugleich der Beginn der planmäßigen (Um)Gestaltung der (Um)Welt: Am Anfang unserer heutigen Zivilisation war der Garten. Ertragssteigerungen durch gezielte Zuchtwahl und verbesserte Anbaubedingungen ermöglichten Ernteüberschüsse und damit eine Aufgabenteilung in der Gesellschaft ebenso wie das Entstehen größerer Siedlungen, der städtischen Hochkulturen der Antike. Der Garten ist im Gegensatz zur umgebenden Natur mehr oder weniger stark vom Gärtner bzw. der Gärtnerin beeinflusst, die ihn nach seinen Vorstellungen und beabsichtigten Zwecken formen: Als Abgrenzung des Gartens zum Feld zeichnet sich letzteres durch großflächigen Anbau meist nur einer Nutzpflanzenart aus, während der Garten immer kleinräumig strukturiert ist (Beete) und häufig auch ausgesprochene Zierpflanzen beinhaltet. Ein Garten ist im Gegensatz zum heutigen Feld auch meist gegenüber der Umgebung durch Mauer, Zaun oder Hecke (altdeutsch: „Hag“, davon abgeleitet „hegen“) abgeschlossen, ist also ein menschengemachter „Mikrokosmos“, ein kleines privates Paradies. Auch im Garten spiegelt sich der Wandel im Selbst- und Naturverständnis des Menschen wider: Die Gärten in den antiken Hochkulturen wie dem Zweistromland oder Ägypten hatten vermutlich einen eher religiösen Charakter, sie waren häufig Bestandteil von Tempelanlagen, in ihnen wuchsen symbolträchtige Pflanzen und sie dienten als Rückzugs- und Meditationsräume. Bei den Griechen erfüllten die „Heiligen Haine“ um die Tempel dieselbe Funktion, auch die Philosophen lehrten gerne im Freien unter dem Schatten der Bäume. Erst bei den Römern kann man dank der zahlreichen Quellen von einer „Gartenkultur“ im heutigen Sinne sprechen, aber auch damals schon war das Gartenbild Zeitströmungen und sich wandelnden Zweckvorstellungen unterworfen: In den ersten Jahrhunderten der römischen Herrschaft standen eher die Nutzaspekte im Vordergrund – unter anderem importierten die Römer viele Nutzpflanzen wie Knoblauch, Rote Bete, Sauerkirsche und Pfirsich aus den eroberten Gebieten nach Italien und von dort auch wieder weiter in ihren ganzen Herrschaftsbereich, also auch über die Alpen zu uns. Später gewann der repräsentative Ziergarten in den wohlhabenden Kreisen wachsende Bedeutung, neben der perspektivisch angelegten formalen Gartenanlage entwickelte sich auch die Kunst des Formschnittes von Zier- und Obstgehölzen zu einem frühen Höhepunkt. Dem Zusammenbruch des römischen Weltreiches und den Wirren der Völkerwanderung folgte ein Niedergang der „Ziergartenkultur“, deren letzte Reste in den formal angelegten Klostergärten mit ihrem Wegekreuz und ihren niedrigen Einfassungshecken das „finstere“ Mittelalter überlebten. Wobei auch diese Klostergärten vorwiegend Nutzaspekten dienten, und zwar weniger der Ernährung – Nahrungspflanzen wurden landwirtschaftlich erzeugt, sondern der Medizin, sie waren also in erster Linie Kräutergärten, ergänzt mit seltenen Gemüsearten wie Cardy und Melonen. Die Pflanzenauswahl war nicht selten streng vorgegeben, wie auch im „Capitulare de villis“ Karls des Großen genau aufgezählt wurde, welche Nutzpflanzen auf den königlichen Gütern angebaut werden mussten. Ein eher theoretisches, in vielen Abbildungen dargestelltes mittelalterliches Gartenideal war der „hortus conclusus“, der von einer hohen Mauer eingefriedete und geschützte Garten als Abbild des Paradieses. Interessanterweise gab es diesen Paradiesgarten sowohl in einer religiösen Gestalt häufig mit Maria als „Gärtnerin“ als Ausdruck der Keuschheit und moralisches Bollwerk gegen die Laster der Welt wie auch als sehr diesseitsorientierten „Garten der Lüste“. In der Renaissancezeit schwang das Pendel dann zurück: Weitläufige Repräsentativgärten wurden angelegt mit geometrisch angelegten Beeten, Labyrinthen und aufwendigen Wasserspielen. Der strenge Formalismus der Renaissancegärten wurde im Barock abgelöst durch bewegte, blatt-, ranken- und blütenartig geformte Beete, die zu großen künstlich idealisierten stilisierten Pflanzenornamenten arrangiert wurden (Parterres). Quelle: Wikipedia Durch die Entdeckungsreisen ab dem 15. Jahrhundert machten die mitteleuropäischen Menschen Bekanntschaft mit anderen Florenreichen und Vegetationstypen, das planmäßige Sammeln von Pflanzen begann und schließlich entstanden an den Fürstenhöfen die Vorläufer unserer Botanischen Gärten mit einer eher behelfsmäßigen Form der Gewächshäuser zur Überwinterung frostempfindlicher Pflanzen, den Orangerien. Das frühe 19. Jahrhundert ist geprägt durch das Entstehen der großen Landschaftsparks, eine Entwicklung, von der viele Städte noch heute durch ihre Parkanlagen profitieren und die vom Großbürgertum in ihren Villengärten in kleinerem Maßstab kopiert wurden. In neuerer Zeit wechseln die Strömungen immer schneller: Einerseits ist eine Tendenz zu formalistischem Minimalismus nach dem Vorbild japanischer Gärten unter sehr starker Einbindung architektonischer Elemente erkennbar, andererseits lässt sich aber auch ein „Zurück zur Natur“ beobachten – der „New German Style“ mit seiner sich bewusst an natürlichen Vorbildern orientierenden Quelle: Wikipedia Pflanzenverwendung u.a. basierend auf den von Cassian Schmidt (Sichtungsgarten Hermannshof, Weinheim/Bergstraße) zusammengestellten (Prärie)Staudengemeinschaften, die auch die Renaissance der Staudenverwendung im Öffentlichen Grün mitbegründet haben. Ein völliger Irrweg sind die vorgeblich pflegeleichten Schotter“gärten“, die nicht nur oberirdisch biologisch tot sind, sondern auch den durch langjährige gärtnerische Mühe in einen gut bearbeitbaren Zustand gebrachten Boden ruinieren, da das die Gare (stabile Krümelstruktur) erhaltende Bodenleben durch die fehlende Nachlieferung von organischem Material wie Pflanzenabfällen als „Futter“ unter der sterilen Schotterschicht verhungert und erstickt. Eine nur geringfügig höhere biologische Wertigkeit hat der moderne pflegeeffiziente „InstantGarten“ aus Rollrasen, Lebensbaum- oder Kirschlorbeerhecken und möglichst auch noch immergrünen Solitärgehölzen, wie er meist von Gartenbauern angelegt in den Neubausiedlungen zuhauf für kultivierte Langeweile sorgt. Mit ein Ziel dieser Reihe ist es, den Lesern und Leserinnen dieser Broschüre Gestaltungsund Pflanzenalternativen aufzuzeigen, die den Garten zu dem machen, was er eigentlich sein soll: Ein kleines Paradies nicht nur für seinen Gärtner bzw. seine Gärtnerin, sondern auch für möglichst viele Tiere und Pflanzen, also ein vom Menschen gepflegtes Mosaiksteinchen der Schöpfung.