Das Bärensteiner Kanzelwort
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Das Bärensteiner Kanzelwort
Das Bärensteiner Kanzelwort Predigt zum Berggottesdienst über das „Goldkämmerle“ und den „Schatz im Acker“, am 7. Sept. 2008 auf dem Bärenstein, von Pfarrer Frank Bohne Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! Liebe Berggemeinde! Nun sind wir schon das 4. Mal in Folge auf dem Bärenstein zum Berggottesdienst. Gut ökumenisch gemischt, auch aus den Nachbargemeinden (Cranzahl, Cunersdorf ..) entdeckt man das eine oder andere bekannte Gesicht. Auch das nicht zum ersten Mal... Und wo man 4 mal nacheinander zur gleichen Jahreszeit am gleichen Fleck zusammenkommt, da sagt der Erzgebirger natürlich: „Das war schon immer so. Das hat hier Tradition.“ Und damit fügen wir dem Bärenstein zugleich eine weitere Tradition hinzu: zu den vielen, die er ohnehin schon hat. Denn so ziemlich jeder Fleck hier oben hat seine eigene Geschichte, hat eine Legende oder Sage hinter sich. Das Hirtengrab, der Schneiderstein, das Goldkammerle ... Dankenswerterweise haben die Ortschronisten die Traditionen rund um den Bärenstein in mühevoller Arbeit zusammengestellt und in letzter Zeit im Ortsblatt veröffentlicht. Und damit kann auch ich als „Uuu - hiesicher“ mitreden und mir ein Urteil erlauben. Der Ort, auf dem wir die letzten Jahre Gottesdienst gefeiert haben und auch heute bei besserem Wetter gern gestanden wären, wird „Goldkammerle“ genannt. Je nachdem, welcher Version man folgt, rührt der Name aus einer sonderbaren Begegnung mit einem kleinen „Männel“ unterhalb der Felsspalten drüben ... Mal war es ein Frauenzimmer beim Kräuter sammeln, dem der Zwerg den Berg auftat und einen reichen Silberschatz zeigte. Als die Frau im Eifer laut ihre Begleiterin herzu rief, schloß sich der Berg, und der Schatz war wieder verschwunden. In der anderen Version war es ein armer Bergmann, der schon lange rund um den Bärenstein erfolglos sein Glück versucht hatte, und nicht mehr wußte, wie er seine Familie ernähren sollte. Ihm erschien eines Tages das Männel und wies ihm mit der einen Hand eine Stelle, wo sich vor seinen Augen ein reicher Gold- und Silberschatz auftat. Mit der anderen Hand verschloß der Zwerg seinen Mund, um zu zeigen, daß der Bergmann über das Geschaute schweigen sollte. Ein paar Hammerschläge an der Stelle der Felsens, und der Bergmann wurde tatsächlich fündig: reichhaltiges Erz! Ein großer Schatz! Er hatte bis ans Lebensende aus gesorgt. Wenn‘ s den armen Tropf aus Übermut nicht ins Wirtshaus gezogen hätte und er dort bei zuviel Bier über seinen Fund ins Schwatzen geraten wäre. Als er andern tags wieder zum Felsen kam, wurde der Bergspalt vor seinen Augen mit mächtigem Getöse verschlossen; der Zugang zum Schatz auf immer versperrt, und er mußte sein Leben erneut in Armut fristen. Was bis heute übrig ist, das ist der zerklüftete Felsen ... Die Sage vom Goldkammerle scheint uns zweierlei zu sagen: Zum einen: Auch der ärmste, schlichteste Mensch kann durchaus einen Schatz finden. Zum anderen: Das heißt aber noch lange nicht, daß sich der Finder dessen auch schon sicher ist. Es kann auch gelten: Wie gewonnen, so zerronnen. Eine Unachtsamkeit, ein gebrochenes Versprechen, und der Schatz ist weg. ---Einen Schatz zu suchen ist etwas zutiefst Menschliches. Schon unsere Kinder spielen es in zahllosen Varianten. Immer schon haben Menschen davon geträumt, einen Schatz zu finden. Und ihn nach großen Mühen zu heben ist etwas sehr Aufregendes. Deshalb wundert es mich nicht, dass auch Jesus eines Tages von der Suche nach einem Schatz zu reden beginnt. Im Matthäus–Evangelium hören wie eine Schatz–Such–Geschichte, die Jesus einmal erzählt hat. Sie ist allerdings so kurz, daß man sie bei den vielen anderen Geschichten leicht überliest. Das Gleichnis besteht aus nur einem einzigen Vers und ist damit selber so etwas wie ein kleiner Schatz, den man leicht übersieht. Bei Matthäus heißt es im 13. Kapitel: Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg, und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker. Für Jesus ist das Himmelreich ein solcher Schatz... Und wer ihn finden, heben kann, der hat mit ihm zugleich eine neue Lebenseinstellung gefunden: Die Freude. Wer einen Schatz findet, der freut sich. Das setzt natürlich voraus, daß er mit dem gefundenen Schatz auch etwas anfangen kann! Eine Schatztruhe, gefüllt mit Schrauben und gutem Werkzeug, ist vielleicht für einen Heimwerker eine tolle Sache. Wer aber eher linke Hände hat, wird sich bei einem solchen Schatz vielleicht verschaukelt fühlen, wenn er den Deckel anhebt... Für mich müßte eine Schatztruhe, über die ich mich freuen könnte, auch mit etwas anderem gefüllt sein... Mit ein paar Päckchen erlesenen Kaffees zum Beispiel, mit einer guten Flasche Rotwein dazu, und ein paar seltenen, wertvollen Büchern... Oder so etwas, wie es dem Vater meiner ehemaligen Kollegin aus der Bäckerei widerfuhr... Der fand – noch zu tiefen DDR–Zeiten – morgens beim Weg zur Arbeit auf der Dorfstraße ein riesengroßes Käse-Rad aus gutem Gouda. Die schlampige HO hatte es bei ihrer Lieferung wohl vom LKW verloren... Was für ein Schatz damals für die Finder ... Und sie freuten sich, denn die Familie aß sehr gerne Käse! ---In der Schatztruhe, von der Jesu erzählt, steckt aber weder ein guter Werkzeugsatz noch Kaffeepäckchen oder guter Käse. In der Schatztruhe, von der Jesus redet, steckt das Himmelreich... Und wir ahnen schon jetzt: Dieses Himmelreich muß etwas sein, das mehr ist als der durchaus ehrenwerte Genuß von Kaffee, Rotwein oder Käse... Auch nicht bloß „ein bißchen Frieden...“ , wie eine Schlager–Schnulze singt. Es braucht schon etwas Dauer, und einen besonderen Anspruch, um für uns wirklich „Himmel“ zu werden. So etwas von Ewigkeit zu Ewigkeit, wie schon die Alten wußten. Es muß mehr froh machen als nur unsern Leib. Und für die Mitmenschen müßte auch etwas dabei sein. Ein endgültiger Friede, der nicht wieder zerstört werden kann. Das Ende von Krankheit und Leid. Brot und Auskommen für dich, aber eben nicht nur das. Sondern auch Brot für die Seele, für unseren Geist und unsere Phantasie. Jesus sagt: So etwas gibt es tatsächlich. Und zwar nicht erst dermaleinst, wenn du gestorben bist und vielleicht im Himmel landest, sondern schon hier und jetzt. Auf der Erde, mitten unter uns... Es wird kein Märchen, keine Sage blieben, so wie in unserer Geschichte vom Goldkammerle. Denn der Schatz, von dem Jesus im Gleichnis redet, der ist ja da! Im Acker ist er verborgen. Es muß nur einer hingehen und ihn heben ... Das Gleichnis erzählt von einem, der diesen Schatz, der den Himmel gefunden hat. Seinen Zuhörern sagt Jesus damit: Wenn du fündig geworden bist, im Ackerfeld deines Lebens, wenn du den Himmel Gottes verspürst, dann setze auch du alles daran, daß du diesen Schatz heben kannst, daß er der Deine wird. Tu es von ganzem Herzen, von ganzer Seele, mit ganzer Kraft ... So wie der Fremde im Gleichnis: Er setzt alles dran, was ihm möglich ist, er verkauft alles, was er hat, und kauft diesen Acker. ---Bleibt für uns nur noch die Frage: Wie komme ich zu diesem Schatz? Woher ihn nehmen, wenn nicht stehlen ...? Soll ich warten, bis irgend ein Zwerg in mein Leben tritt und mir die Grube öffnet? Ich denke, als Christen ist uns ein solcher Schatz längst schon anvertraut. Es ist unser Glaube. „Christus, der uns selig macht.“ So wie wir‘ s in vielen Weihnachtsliedern singen. In Christus liegen verborgen alle Schätze ... hieß es in einer Jahreslosung vor nicht allzu langer Zeit. Der Glaube an IHN, das ist die Goldspur, die zum Ziele führt. Nun werden Sie denken: Klar, so was muß der Pfarrer ja sagen. Darauf läuft es doch immer hinaus... -- Stimmt! Aber wenn ich davon nicht tief in meinem Innern überzeugt wäre, dann könnte ich das nicht Woche für Woche, Jahr für Jahr, immer wieder neu. Der Schatz des Glaubens ... das heißt für mich: Ich vertraue darauf, daß da EINER ist, der mitgeht und mich begleitet. Und das schon jahrelang, von Kindesbeinen an. Wo auch immer ich gehe, was auch immer geschieht. Ich weiß, daß ER sich mit mir freut, wenn etwas gelingt. Daß meine Freude auch seine Freude ist. Ich vertraue darauf, daß ER mir beisteht, wenn ich versage, selbst dann, wenn alles in die Brüche geht. Daß ER auch dann noch da ist, sogar in Schmerz und Tränen. Ich bin gewiß nicht immer einverstanden mit dem, was ER so macht. Und längst nicht jedes Gebet ist ein Lobgesang. Denn oft verstehe auch ich nicht, was auf Erden geschieht, was ER geschehen läßt. Doch ich nehme IHM ab, daß ER den andern genau so nahe ist wie mir, und das ist mein Trost. Ich weiß, daß ER das Gute will. Nicht nur für mich. Solches Vertrauen in IHN, das gibt mir Kraft. Es nährt meine Hoffnung, und es gibt mir Freude. So wie bei dem Menschen im Gleichnis, der sich freut, als er den Schatz im Acker findet. Wohlgemerkt: Es ist Freude, nicht Spaß, Gelächter oder Zerstreuung. Und wie das bei echter Freude eben ist:: manchmal ist sie eine ernste Sache. (res severa verum gaudium est) Diesen Schatz, den Glauben, die Goldspur, die zum Himmel führt, die weiß ich längst nicht nur bei mir allein. Sondern ich entdecke sie immer wieder auch bei Geschwistern um mich herum. Menschen, die mir Anteil geben an ihrem Glauben, die den Deckel lüften und mir erzählen von ihrem Schatz, und wie sie ihn gefunden haben auf ihrem Ackerfeld. --Nun sitzen wir auf dem Bärenstein und schauen nachher vielleicht noch einmal hinunter auf unseren schönen Ort. Die Zeiten des Bergbaus, wo man auf Sagen und Prophezeiungen baute, um Schätze zu finden, die sind längst vorbei. Und doch habe ich den Eindruck, wenn ich hinunter blicke, da wird noch immer viel gegraben rund um unsern Bärenstein. Nach dem großen Schatz, dem ganz persönlichen Glück. Der eine tut‘ s auf Arbeit. Ein „Wühler“, wie wir manchmal sagen. Da wird geackert und sich geschunden, damit der große Schatz sich endlich einstellt. Und wehe, er wird getrübt durch eine plötzliche Krankheit, oder einen herben Verlust! Andere graben nach Schätzen in den eigenen vier Wänden. Sie glauben, fündig zu werden, wenn sie möglichst unter sich bleiben. In der Familie, den eigenen Interessen. Was ist aus dem Schatz geworden, von dem Jesus im Gleichnis spricht? Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand ..., und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker ... Wenn man von hier oben auf den Ort hinunter schaut, und so manchen Ortsteil, manches Haus entdeckt, in dem Geschwister der Gemeinde wohnen... Die doch auch den Glauben für sich irgendwann einmal gefunden hatten ... Was ist bei ihnen aus diesem Schatz des Glaubens geworden? Setzen sie noch alles dran, ihren Schatz zu heben und zu behalten, oder ist er längst wieder verschüttet unter dem Gemenge des täglichen Einerlei? Fast scheint es, als sei der Zwerg aus der Geschichte vom Goldkammerle noch einmal durch die Häuser gegangen und habe vielen den Finger auf den Mund gelegt: „Sprich ja nicht drüber, wo dein Schatz im Acker liegt! Verrate keinem, was dich trägt und was dir Hoffnung gibt! Zeige auch keinem, was dein Glaube ist! Denn es könnte ja etwas verloren gehen, wenn du drüber sprichst.“ Doch unser Glaube ist keine goldene Kammer am einsamen Berg, kein Schatz, der nur da ist für dich oder mich. Der Schatz, den wir gefunden haben, der will unter die Leute. So wie das Licht, das auf einen Leuchter gehört. Wie das Salz, das unter die Suppe will! Es soll und darf davon geredet werden. Gerade dann, wenn so viele Zeitgenossen auf der Suche sind nach ihrem persönlichen Schatz. Nach Orientierung, nach dem, was ihnen weiterhilft. Wenn du und ich diesen Schatz gefunden haben: den Glauben, ein Stück vom Himmelreich, von der Goldspur, die ins Weite führt, dann sollten wir auch alles daran setzen, ihn zu heben. Aus vollem Herzen, mit ganzer Seele, mit all unsrer Kraft... Bei unserm Schatz, beim christlichen Glauben ist es genau anders herum wie in der Sage vom Goldkämmerle. Dort ging der Schatz verloren, weil man darüber schwatzte und es nicht für sich behielt. Beim Glauben ist es anders herum: Dieser Schatz geht verloren, wenn wir den Deckel nicht lüften und anderen davon erzählen. Wenn wir ihn für uns behalten und ihn im stillen Kämmerlein hüten wie eine Antiquität, ungenutzt, solange, bis sich die Grube über uns schließt. Immer dann wird der Schatz des Glaubens leichtfertig verspielt. Der Himmel vergeudet, weil niemand anders sich daran erfreut. Der Schatz, der uns anvertraut ist, gehört unter die Leute. Gewiß, manchmal ist er unansehnlich. Denn es ist ja ein Schatz aus dem Acker. Es liegt manchmal viel dunkle Erde darüber, und bis er freigelegt ist aus so mancher Lage Schlamm, braucht es Mühe. Und Ackersleute wie wir tragen manchmal auch ein recht griesgrämiges Gesicht, wie es Christen gar nicht gut steht. Denn als Finder eines solchen Schatzes sind wir doch die reichsten Leute der Welt. Wir haben eben, wie Paulus sagt, „einen Schatz in irdenen – also erdhaltigen- Gefäßen. Doch auch das darf uns nicht abhalten von unserm Auftrag: Zu leben, wie es den Findern eines Schatzes entspricht. Wir sollen alles dran setzen, ihn zu heben. Sollen davon Gebrauch machen, damit sich auf der Schatztruhe nicht allzu viel Staub und Spinnweben ansammeln. Ihn nicht in uns selber verschließen. Sondern davon austeilen an viele. Wenn uns der Berggottesdienst am Goldkämmerle alle Jahre daran erinnert: Daß auch wir einen Schatz in uns haben, wenn es uns hilft, den Schatz des Glaubens unter dem Staub und Matsch des Alltags wieder zu entdecken, dann kann es ruhig noch ein paar Gottesdienste wie heute geben. Und Christus wird uns dazu seinen Segen schenken. Dessen bin ich gewiß. Und weil ich Ihnen so lange vom Schatz des Glaubens vor geschwärmt habe, sollen Sie am Ende des Gottesdienstes dann auch selber in eine Schatztruhe hinein langen dürfen: (große blaue Spielschatztruhe zeigen!) Diese Schatztruhe gehört auch einem kleinen Zwerg ... Sie ahnen, wen ich meine. Und am liebsten teilt er daraus bunte Autos oder Bausteine an andere aus, damit andere mit ihm spielen. Ich habe Ihnen heute ein paar Segensworte auf kleinen Karten hineingelegt. Wann und bei welcher Gelegenheit sie für Sie zum Schatz werden können, das weiß nicht ich. Das weiß nur Gott. Nehmen Sie sich eine und nehmen Sie sie mit nach Hause. Vielleicht wird der Vers für sie an einem Tag zum Schatz. Und der Friede Gottes, der mehr umfaßt, als wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.