Patienteninformation zur Peritonealkarzinose / Bauchfellkrebs

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Patienteninformation zur Peritonealkarzinose / Bauchfellkrebs
PATIENTENINFORMATION
Multimodale Therapie maligner Erkrankungen des Peritoneums
Allgemeine Information
Das Peritoneum (Bauchfell) kleidet die gesamte Bauchhöhle von Innen aus,
sowohl die Bauchdecke als auch die inneren Organe. Unter anderen, dient die
geringe Menge an Flüssigkeit, die vom Bauchfell gebildet wird, dem Gleiten der
Darmschlingen. Auf diesem Wege können sich aber auch Zellen verbreiten, die von
bösartigen Tumoren im Bauchraum stammen (Abb. 1). Insbesondere betrifft dies
Geschwülste des Dickdarmes aber auch z.B. der Eierstöcke. Es bildet sich eine sog.
Peritonealkarzinose, d.h. meist kleine aber zahlreiche Tumorknoten am Bauchfell.
Die Ausdehnung ist sehr unterschiedlich. Manchmal sind es nur einige Knoten in
einer einzigen Bauchregion, häufig aber finden sich größere Knoten im ganzen
Bauchraum zerstreut, auch auf der Oberfläche innerer Organe.
Abb.1 Verbreitungswege der Tumorzellen im Bauchraum
Die
Behandlung
dieser
Erkrankung
stellt
eine
interdisziplinäre
Herausforderung dar. Krebsspezialisten aus mehreren Bereichen arbeiten
zusammen und suchen nach der besten Behandlungsoption (Chirurgen,
Internistische Onkologen, Strahlentherapeuten, Gastroenterologen usw.). In der
Regel wird bei den betroffenen Patienten eine systemische Chemotherapie
durchgeführt. Diese kann zu einer Verlängerung des medianen Überlebens
allerdings ohne Anspruch auf Heilung führen. Chirurgische Maßnahmen beschränken
sich meist auf sog. palliative Operationen, wie z.B. im Falle eines Darmverschlusses.
Eine seltene Tumorentität die ein Befall des Bauchfells verursachen kann, ist
das Pseudomyxoma peritonei (Abb. 2). Hierbei handelt es sich um perforierte
schleimbildende Tumoren des Blindarms. Obwohl der Tumor oft gutartig ist, gestaltet
sich der Verlauf wie bei einem langsam wachsenden bösartigen Tumor. Der ganze
Bauchraum ist im fortgeschrittenem Stadium mit gallertartigem Material und
Tumormassen aufgefüllt.
Abb. 2 Schleimmassen im Bauchraum beim Pseudomyxoma peritonei.
Ursprungstumor ist eine sog. Mukozele des Blinddarmes.
Das multimodale Behandlungskonzept
Die multimodale Behandlung beinhaltet ein Konzept bestehend aus Chirurgie,
Chemotherapie und Hyperthermie. Ziel der Operation ist es, die sichtbaren
Tumorknoten zu entfernen. Durch die Chemotherapie sollen mikroskopische
Tumorreste zerstört werden. Die Hitze erhöht den Effekt der Chemotherapie und hat
selbst eine toxische Wirkung auf die Tumorzellen.
Der chirurgische Teil der Behandlung hat Vorrang. Durch verschiedene sog.
Verfahren der parietalen und viszeralen Peritonektomie werden die befallenen
Anteile des Bauchfells entfernt. Das Ausmaß der Operation ist daher sehr
unterschiedlich, oft handelt es sich um Multiviszeralresektionen, d.h. es müssen
verschiedene Anteile der inneren Organe entfernt werden. Dazu kommt die
Entfernung der Bauchfellanteile im Bereich der Bauchdecke oder an der Harnblase.
Der erste Schritt in der Behandlung ist die Operation. Es handelt sich meist
um einen ausgedehnten Eingriff, bei dem alle Tumormassen und alle Tumorknoten
entfernt
werden
müssen.
Über
eine
mediane
Oberbauchund
Unterbauchlaparotomie wird durch eine parietale Peritonektomie mit einer
multiviszeralen Resektion eine Tumorfreiheit angestrebt. Dabei werden große Anteile
des Bauchfells aber auch Anteile der inneren Organe entfernt. So eine Operation
kann durchaus 6 bis 10 Stunden dauern. Da die Tumoren häufig an bestimmten
Stellen im Bauchraum lokalisiert sind, basiert die Operation in der Regel auf mehrere
Verfahren der Peritonektomie, die wie folgt, systematisiert werden können: die
Peritonektomie des rechten oberen Quadranten (Abbildung 3), die Resektion des
Omentum minus und die Cholezystektomie, die Magenteilresektion, die
Peritonektomie des linken oberen Quadranten, die Omentektomie und Splenektomie
sowie die Peritonektomie im kleinen Becken mit Resektion des Rektosigmoids. Für
eine komplette makroskopische Zytoreduktion sind nicht zwangsläufig alle sechs
Verfahren durchzuführen, operiert werden müssen nur die befallenen Anteile.
Abb. 3 Entfernung des tumorbefallenen Bauchfells im rechten Oberbauch
Die intraoperative Chemotherapie wird unter der Vorstellung durchgeführt,
mikroskopische Tumorreste zu zerstören. Die Potenz der Zytostatika (z.B. Cisplatin
oder Mitomycin C) wird durch die Hyperthermie (41 bis 42°C) erhöht. Dadurch, dass
keine Adhäsionen vorliegen und die Tumorzellen nicht in Fibrin eingebettet sind, ist
der Zeitpunkt der intraoperativen Chemotherapie gut geeignet.
Die Chemotherapie wird mit einer Rollerpumpe durchgeführt (Abb. 4). Die
Zytostatikalösung wird auf 42° C erwärmt und über e inen speziellen Katheter in den
Bauchraum eingebracht. Über drei weitere Drainagen wird die Spülflüssigkeit
abgesaugt und rezirkuliert. Die Chemotherapie wird bei geschlossenem Bauchraum
durchgeführt.
Zulauf
Wärmeaustauscher
Reserv.
Rückfluß
Abb. 4 Über eine spezielle Pumpe und ein spezielles Schlauchsystem wird
die Chemotherapie direkt im Bauchraum durchgeführt
Komplikationen der Operation und Nebenwirkungen der Chemotherapie
Dieses aggressive Konzept ist mit einer erhöhten Morbidität verbunden, allerdings
sind viele Komplikationen Ausdruck der Nebenwirkungen der Zytostatika. Die in der
Literatur angegebene Komplikationsrate variiert von 27 bis 55%. Bei größeren
Patientenkollektiven fällt der Effekt der Lernkurve geringer aus. So beträgt die
Morbidität in das Washington Cancer Institute 27%, hier liegt eine Erfahrung von über
400 Operationen bei Appendixkarzinom mit Peritonealkarzinose vor. In eigenem
Patientenkollektiv liegt die Komplikationsrate bei 30%. Kein Patient ist in Folge der
Behandlung in den letzten vier Jahren verstorben.
Die Komplikationen sind vielfältig (s. u.). Häufiger können Leckagen am Darm,
Entzündungsherde
im
Bauchraum,
Nachblutungen,
Entzündungen
der
Bauchspeicheldrüse, Lungenentzündungen, Thrombose, niedrige Zahl ein weißen
Blutkörperchen auftreten.
Gastrointestinale Komplikationen
Leckage der Darmnähte
Darmfistel
Bauchspeicheldrüsenentzündung
Gallefistel
Komplikationen am künstlichen Darmausgang
Übelkeit / Erbrechen
Durchfall
Bauchwasser
Pulmonale Komplikationen
Atemnot
Wasseransammlung in der Brusthöhle
Pneumonie
ARDS mit Langzeitbeatmung
Kardiale Komplikationen
Herzrythmusstörungen
Niedriger oder hoher Blutdruck
Lungenembolie
Thrombose der Beinvenen
Renale Komplikationen
Harnwegsinfekt
Leckage der Harnwege
Knochemarktoxizität
Hämoglobin
Leukozyten
Thrombozyten (1000 x)
Nachblutung
Neurologische Komplikationen
Eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit
Eingeschränkte Orientierungsfähigkeit
Infektiös
Infektion am Bauchfell oder Eiterherde im
Bauch
Wundinfektion
Katherterinfektion
Die aufgetreten Komplikationen werden unterschiedlich behandelt. Wenn möglich,
werden Leckagen oder Infektherde mittels Antibiotika behandelt. Zusätzlich wird CT
gesteuert eine Drainage (Schlauch) über die Bauchdecke in den Entzündungsherd
eingebracht. Falls es zu keiner Besserung kommen sollte, so kann eine erneute
Operation erforderlich sein. Dies ist vom vorne rein der Fall, wenn der
Allgemeinzustand
sich
rasch
verschlechtert,
größere
Leckagen
oder
Durchblutungsstörungen am Darm vorliegen.
Evidenzlage in der Fachliteratur
Die Evidenzlage bei Peritonealkarzinose basiert derzeit hauptsächlich auf
retrospektiven Studien. Eine einzige prospektiv randomisierte Studie aus den
Niederlanden konnte den Nachweis erbringen, dass bei Subgruppen von Patienten
mit einem kolorektalen Karzinom und Peritonealkarzinose, die Prognose durch die
Kombination aus einer kompletten makroskopischen Zytoreduktion und einer
intraoperativen, hyperthermen Chemotherapie signifikant verbessert werden kann.
Die im letzten Jahr publizierten Langzeitergebnisse der Studie zeigten eine 5-Jahre
Überlebensrate von 40% bei den Patienten die makroskopisch komplett
zytoreduziert werden konnten. Die Behandlung wurde durch eine systemsiche
Chemotherapie ergänzt. Die Patienten im Kontrollarm, behandelt mittels limitierter
Chirurgie und palliativer Chemotherapie hatten eine deutlich schlechtere Prognose.
Für die KOLONKARZINOME ist die bereits prospektiv-randomisierte Studie
beschrieben worden. Erwähnenswert dazu ist eine multizentrische retrospektive
Studie, vor zwei Jahren in J Clin Oncol publiziert. Hier wurden die Daten von 506
Patienten analysiert. Bei einer kompletten Zytoreduktion betrug die 5-Jahre
Überlebensrate 30%. Wie zuvor nachgewiesen, war das Ausmaß der Zytoreduktion
der wichtigste prognostische Faktor. Eine ganze Reihe von unizentrischen Phase-IIStudien konnten ebenfalls zeigen, dass Patienten mit einem kolorektalen Karzinom
und Peritonealkarzinose eine bessere Prognose nach multimodaler Therapie als
nach systemischer Chemotherapie(historische Kontrollen) aufweisen. Es konnte
auch gezeigt werden, dass die Tumorlokalisation eine wichtige Rolle spielt
(Appendixkarzinome schneiden prognostisch besser als Rektumkarzinome ab) und
dass die mit der Therapie verbundenen Morbidität und Letalität in verschiedenen
Zentren nur geringfügig gegenüber anderer multiviszeralen Resektionen erhöht ist.
Für das MAGENKARZINOM stammen fast alle positiven Berichte aus dem
asiatischen Raum. Diese beziehen sich eher auf die adjuvante hypertherme
Chemotherapie als Ergänzung zur Gastrektomie beim fortgeschrittenen Karzinom. In
einer Metaanalyse von 8 Publikationen konnte gezeigt werden, dass das relative
Risiko, eine Peritonealkarzinose nach Gastrektomie im Verlauf zu entwickeln, um
1,3fach höher bei Patienten ohne adjuvante Therapie ist. Zur Wirksamkeit bei
manifester Peritonealkarzinose liegen widersprüchliche Ergebnisse vor. Jedoch
zeigte die größte retrospektive Studie, letztes Jahr publiziert, dass selbst nach Befall
des kleinen Beckens, eine 3-Jahre Überlebensrate von 40% nach kompletter
Zytoreduktion und hyperthermer intraperitonealen Chemotherapie erzielt werden
konnte.
Für das OVARIALKARZINOM konnte, wie eingangs erwähnt, der Stellenwert
der kompletten makroskopischen Zytoreduktion belegt werden. Insgesamt sieben
Publikationen zeigten allein in den letzten zwei Jahren eine weitere Verbesserung
der Prognose durch die perioperative (hypertherme) intraperitoneale Chemotherapie.
Hierbei handelte sich allerdings um kleinere, inhomogene Patientenkollektive ohne
Vergleichsgruppen. Die Therapie wurde von einer systemischen Chemotherapie
ergänzt. Neben der Zytoreduktion war das rezidivfreie Intervall sehr wichtig, der nicht
unter 6 Monaten liegen sollte.
Selbst nach dieser radikalen Therapie besteht die Gefahr eines Rezidivs, sei es im
Bereich der Laparotomie-Narbe oder an verschiedenen Stellen im Bauchraum. Auch
in diesen Situationen ist eine erneute Therapie möglich. Sieben Jahre nach der
Erstbehandlung konnten wir ein Rezidiv im Oberbauch und im kleinen Becken bei
einem Patienten entfernen.
Zusammenfassend, liegen zunehmend Daten vor, die eine Prognoseverbesserung
durch das aggressive, multimodale Behandlungskonzept belegen. Für die Therapie
sind Patientengeeignet, die sich in einem guten Allgemeinzustand befinden, ohne
Organmetastasen und ohne lymphatische Fernmetastasen, mit gut differenzierten
gastrointestinalen Karzinomen oder Ovarialkarzinomrezidiven. Bei diesen Patienten
erscheint eine komplette makroskopische Zytoreduktion möglich erscheint (z.B. kein
ausgedehnter Befall der Dünndarmwand), geeignet.