Unterrichtsplanung im Fach Religion - utb-Shop

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UTB 2921
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Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen
vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich
Helmut Hanisch
Unterrichtsplanung
im Fach Religion
Theorie und Praxis
Mit 4 Grafiken im Text und 34 Kopiervorlagen
Vandenhoeck & Ruprecht
Dr. Helmut Hanisch ist Professor für evangelische
Religionspädagogik an der Universität Leipzig.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in
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sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-8252-2921-4 (UTB)
ISBN 978-3-525-03248-0 (Vandenhoeck & Ruprecht)
© 2007 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen.
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Druck und Bindung: CPI Books GmbH, Ulm
ISBN 978-3-8252-2921-4 (UTB-Bestellnummer)
Inhalt
Inhalt
Inhalt
Einleitung ..............................................................................................
7
1
1.1
1.1.1
1.1.2
1.2
1.3
Das bildungstheoretische Modell .............................................
Der didaktische Ansatz .............................................................
Theoretische Grundlegung .......................................................
Didaktische Analyse .................................................................
Planungsbeispiel .......................................................................
Kritische Würdigung ................................................................
12
12
12
18
24
46
2
2.1
2.1.1
2.1.2
2.1.3
2.1.4
2.1.5
2.2
2.3
Das lerntheoretische didaktische Modell .................................
Der didaktische Ansatz .............................................................
Hintergründe .............................................................................
Planungsfaktoren ......................................................................
Beschreibung der einzelnen Planungsfaktoren ........................
Planungsgrundsätze ..................................................................
Strukturplan des Unterrichts .....................................................
Planungsbeispiel .......................................................................
Kritische Würdigung ................................................................
49
49
49
51
54
67
68
69
99
3
3.1
3.1.1
3.1.2
3.1.3
3.2
3.3
Die kritisch-konstruktive Didaktik ...........................................
Der didaktische Ansatz .............................................................
Zielbestimmung des Unterrichts ..............................................
Weitere theoretische Vorannahmen .........................................
Perspektiven der Unterrichtsplanung .......................................
Planungsbeispiel .......................................................................
Kritische Würdigung ................................................................
101
101
101
104
108
124
141
4
4.1
4.1.1
4.1.2
Das Konzept der Elementarisierung .........................................
Der didaktische Ansatz .............................................................
Wortbedeutung .........................................................................
Von der Traditionserschließung als elementarem
Gespräch zur Unterrichtsvorbereitung .....................................
143
143
143
144
6
Inhalt
4.1.3
4.1.4
4.2
4.3
Elementarisierende Unterrichtsvorbereitung ............................
Der elementarisierende Unterricht ...........................................
Planungsbeispiel .......................................................................
Kritische Würdigung ................................................................
5
Kompetenzorientierte Unterrichtsplanung
im Religionsunterricht ..............................................................
Der didaktische Ansatz .............................................................
Hintergründe der Kompetenzorientierung ...............................
Bildungsstandards und Kompetenzen ......................................
Kompetenzerwerb und nachhaltiges Lernen ............................
Bildungsstandards und Kompetenzen
im Religionsunterricht ..............................................................
Der baden-württembergische Lehrplan
für das Fach Religion ...............................................................
5.1
5.1.1
5.1.2
5.1.3
5.1.4
5.1.5
5.2
5.2.1
5.2.2
5.3
145
153
154
171
173
173
173
173
177
178
179
Planungsbeispiel .......................................................................
Formaler Planungsablauf ..........................................................
Inhaltliche Planung ...................................................................
Kritische Würdigung ................................................................
186
186
188
212
Literatur .................................................................................................
215
Einleitung
Einleitung
Einleitung
Bislang gibt es auf dem Büchermarkt wenige Publikationen, die sich mit
dem Thema »Unterrichtsplanung im Religionsunterricht« beschäftigen.
Während der letzten zwanzig Jahre sind dazu nur zwei Veröffentlichungen
im deutschsprachigen Raum erschienen. Sie stammen von Dieter Haas und
Kurt Bätz1 sowie von Karl Foitzik und Frieder Harz.2 Beide Bücher verfolgen das gleiche Interesse, Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern eine
praktikable Hilfe an die Hand zu geben, die sie in die Lage versetzt, zielstrebig und rasch Religionsunterricht vorzubereiten.
Foitzik und Harz lassen sich in ihrer Handreichung durchgängig schematisch von fünf Schritten leiten, nach denen die Unterrichtsplanung erfolgen
soll.3 Im Einzelnen sind dies:
– persönliche Begegnung mit dem Text bzw. mit dem Thema, die dem
Unterricht zugrunde liegen,
– theologische Orientierung,
– didaktische Orientierung,
– didaktische Entscheidungen,
– Verlaufsplanung.
An mehreren Beispielen erläutern die Autoren, wie diese Planungsschritte
im Hinblick auf biblische Texte sowie auf vorgegebene Themen des Lehrplans zu vollziehen sind.
Theoretisch greifen Foitzik und Harz punktuell auf unterschiedliche sowohl religionsdidaktische als auch allgemein didaktische Konzepte zurück,
ohne sie näher zu erläutern oder auf deren Leistungsfähigkeit einzugehen.
Ihre große Zurückhaltung gegenüber der didaktischen Theorie lässt sich
wohl damit erklären, dass beide Autoren bei ihrer Darstellung an der Praxis
der Unterrichtsplanung interessiert sind. Darin zeigt sich zugleich die Stär1 Dieter Haas / Kurt Bätz: Ratgeber Religionsunterricht. Hilfen zum Aufbau und zur Durchführung. Lahr: Ernst Kaufmann und Zürich/Köln: Benziger, 1984.
2 Karl Foitzik / Frieder Harz: Religionsunterricht vorbereiten. Hilfen für Anfänger – Tips für
Praktiker. München: Claudius Verlag, 1985.
3 Ebd., S. 22ff.
8
Einleitung
ke wie auch die Schwäche dieser Publikation. Die Stärke besteht in dem
gradlinigen Zugriff auf die Praxis, was sich in handhabbaren Vorschlägen
zur Unterrichtsvorbereitung zeigt. Die Schwäche ist darin zu sehen, dass
den zugrunde gelegten Planungsschritten weitgehend der theoretische Rahmen fehlt, der ihre Auswahl und Festlegung begründet.
Haas und Bätz lassen sich bei ihrer Veröffentlichung von der lerntheoretischen Didaktik der Berliner Schule anregen.4 Pragmatisch bringen sie die
dort ausgewiesenen Planungsfaktoren unter dem Stichwort »Grundlinien
der Unterrichtsstruktur«5 ins Spiel und demonstrieren an einem Beispiel,
wie damit bei der Unterrichtsvorbereitung umzugehen ist. Dabei fällt auf,
dass sie die von Wolfgang Schulz entwickelte Begrifflichkeit6 teilweise
uminterpretieren. Dadurch gehen wesentliche Aspekte der lerntheoretischen
Didaktik verloren.
Dies mag den Autoren durchaus bewusst gewesen sein, denn bei näherer
Betrachtung zeigt sich, dass der Schwerpunkt ihrer Publikation weniger auf
didaktischen Fragen liegt, sondern vielmehr auf dem Bereich der Sozialund Arbeitsformen, die sie unter dem Stichwort »Methodik« zusammenfassen. Rein äußerlich ist dies nicht zuletzt daran zu erkennen, dass methodische Anregungen vom Umfang her den überwiegenden Teil ihres Buches
ausmachen.
Vergleichbar mit den beiden genannten Werken geht es bei unserer Publikation ebenfalls um Unterrichtsplanung bzw. Unterrichtsvorbereitung im
Religionsunterricht, aber wir verfolgen ein grundlegend anderes Ziel. Uns
ist daran gelegen, sowohl der didaktischen Theorie als auch der aus ihr
ableitbaren Unterrichtsvorbereitung gleichberechtigt Bedeutung beizumessen. Der Grund dafür besteht darin, dass wir Unterrichtsplanung als rationales Handeln verstehen, bei dem es darauf ankommt, Entscheidungen, die
von den Planenden vollzogen werden, zu begründen. Damit die Begründungen nicht aus der Luft gegriffen und damit zufällig, sondern nachvollziehbar und plausibel erscheinen, bedürfen sie eines handlungsleitenden
Bezugsrahmens, der sich aus dem jeweiligen der Unterrichtsplanung
zugrundeliegenden didaktischen Ansatz ergibt.
Aufgrund dieser Überlegung erscheint es für die Unterrichtsvorbereitung
unerlässlich, von didaktischen Modellen ausgehend, Unterricht zu planen
4 Vgl. Paul Heimann / Gunter Otto / Wolfgang Schulz: Unterricht. Analyse und Planung. Hannover: Schroedel, 1965.
5 Dieter Haas / Kurt Bätz: Ratgeber Religionsunterricht. S. 13ff.
6 Wolfgang Schulz: Unterricht – Analyse und Planung, in: Paul Heimann / Gunter Otto /
Wolfgang Schulz: Unterricht. Analyse und Planung, S. 25–37.
Einleitung
9
und im Rückbezug auf sie, ihn zu analysieren und zu bewerten. Im Hinblick
auf die Ausbildung von Religionslehrerinnen und Religionslehrern bedeutet
das, dass sie zum einen didaktische Planungskonzepte kennen müssen. Zum
anderen erscheint es notwendig, anhand von praktischen Beispielen zu
zeigen, wie aufgrund von bestimmten Planungsmodellen Unterricht vorbereitet werden kann. Schließlich muss noch ein dritter Gesichtspunkt hinzutreten. Jedes didaktische Modell geht von bestimmten wissenschaftlichen
Vorannahmen aus, die zu besonderen Akzentsetzungen bei der Unterrichtsplanung führen. Vor diesem Hintergrund ist eine kritische Würdigung der
vorgestellten Modelle unerlässlich, um dadurch auf die Stärken und Schwächen der von uns dargestellten Entwürfe hinzuweisen.
Aus dem Gesagten ergibt sich die Gliederung der vorliegenden Publikation. In den ersten vier Kapiteln stellen wir vier verschiedene didaktische
Modelle vor. Im fünften Kapitel gehen wir der Planung kompetenzorientierten Religionsunterrichts nach. Jedes Kapitel ist nach dem gleichen Schema
aufgebaut:
didaktischer Ansatz,
Planungsbeispiel,
kritische Würdigung.
Inhaltlich konzentrieren wir uns bei unserer Darstellung der didaktischen
Modelle auf die bildungstheoretische Didaktik, das lerntheoretische didaktische Modell, die kritisch-konstruktive Didaktik und das Konzept der Elementarisierung. Dass wir gerade diese Auswahl treffen, hängt damit zusammen, dass die genannten didaktischen Entwürfe als Planungsmodelle
für Unterricht konzipiert sind. Dies gilt nicht in gleicher Weise für fachdidaktische Ansätze im Rahmen der Religionspädagogik. Sie enthalten zwar
wertvolle allgemeine Hinweise etwa über den Umgang mit Symbolen oder
der Bibel im Religionsunterricht,7 aber sie geben keine methodische Auskunft darüber, wie Unterricht im Einzelnen zu planen ist.
Durch die angedeutete Gliederung unterscheidet sich die vorliegende
Publikation von didaktischen Kompendien und Handreichungen zur Unter-
7 Vgl. dazu u.a. Ingo Baldermann: Einführung in die biblische Didaktik. Darmstadt: Primus
Verlag, 1996; Peter Biehl: Symbole geben zu Lernen. Einführung in die Symboldidaktik anhand
der Symbole Hand, Haus und Weg. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener 1989; Hubertus Halbfas:
Das Dritte Auge. Religionsdidaktische Anlässe. Düsseldorf: Patmos, 1982; Hort Klaus Berg:
Grundriss der Bibel – Didaktik. Konzepte, Modelle, Methoden. Stuttgart und München: Calwer
und Kösel 1993.
10
Einleitung
richtsplanung,8 in denen in der Regel nur die didaktischen Modelle vorgestellt werden, ohne dass an Beispielen in Bezug auf den Religionsunterricht
gezeigt würde, wie die Unterrichtsplanung letztlich erfolgen sollte.
Durch die Parallelisierung von didaktischer Theorie, planerischer Praxis
und kritischer Würdigung hoffen wir, dass sowohl Studierende als auch
Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger Zugang zu dem oftmals als
schwierig geltenden Bereich der Didaktik finden. Bei der Lektüre kann es
hilfreich sein, sich zunächst an den praktischen Entwürfen zu orientieren,
um sich vor diesem Hintergrund den theoretischen Überlegungen zu nähern. Auf diese Weise erscheint eine sinnvolle wechselseitige Erschließung
von Theorie und Praxis möglich.
Zusammenfassend erwarten wir von unserem Vorgehen, dass es bei den
Leserinnen und Lesern zu folgenden Einsichten beiträgt:
– Durch die Kombination »didaktischer Ansatz – Planungsbeispiel« versprechen wir uns die Erkenntnis, dass didaktische Ansätze für begründbare Planungsentscheidungen unerlässlich sind und letztere nur im
Rückgriff auf theoretische Begründungszusammenhänge transparent und
plausibel erscheinen.
– Deutlich sollte werden, dass es nicht nur ein didaktisches Konzept gibt,
nach dem Religionsunterricht geplant und gestaltet werden kann, sondern
dass es verschiedene didaktische Ansätze gibt, die jeweils auf ihre Art
religionspädagogisch sinnvoll erscheinen. Von daher verbietet es sich,
die Unterrichtsvorbereitung im Religionsunterricht exklusiv an ein
didaktisches Konzept zu binden.
– Unsere Überlegungen sollen darauf aufmerksam machen, dass sich die
Qualität der Unterrichtsplanung aus dem didaktischen Anspruch ergibt,
von dem sie sich leiten lässt. Gut oder schlecht ist nicht die Planung
schlechthin, sondern die Umsetzung des didaktischen Konzepts, an dem
sich die Planenden orientieren.
– Schließlich sollte einsichtig werden, dass es letztlich nur durch konzeptionelle didaktische Orientierung möglich ist, nachvollziehbare Kriterien
für Beobachtung, Analyse und Bewertung von Unterricht zu gewinnen,
8 Vgl. z.B. Bijan Adl-Amini (Hg.): Didaktische Modelle und Unterrichtsplanung. München:
Juventa, 1980; Eckard König / Norbert Schier / Ulrich Vohland (Hg.): Diskussion Unterrichtsvorbereitung – Verfahren und Modelle. München: Wilhelm Fink 1980; Werner Jank / Hilbert Meyer:
Didaktische Modelle. Frankfurt: Scriptor 1991; Rainer Lachmann: Wege der Unterrichtsvorbereitung. In: Gottfried Adam / Rainer Lachmann (Hg.): Religionspädagogisches Kompendium. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 5. neubearbeitete Aufl. 1997, S. 222–241; Christian Grethlein,
Fachdidaktik Religion. Evangelischer Religionsunterricht in Studium und Praxis, Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht 2005, S. 321–329.
Einleitung
11
die in gleicher Weise für die Unterrichtenden sowie für die Beobachtenden oder Beurteilenden transparent sind.
Mit großer Selbstverständlichkeit haben wir bislang von »Didaktik« gesprochen, ohne zu definieren, was wir darunter verstehen. Üblicherweise –
jedoch unzureichend – wird »Didaktik« damit erklärt, dass sie sich als wissenschaftliche Disziplin mit der Frage der Inhalte beschäftige, die im Unterricht zu lehren seien. Unterschieden wird sie in der Regel in diesem Zusammenhang von der Methodik, in der es nicht um das »Was?«, sondern
um das »Wie?« des Unterrichts gehe.
Bei dieser Bestimmung der Didaktik wird übersehen, dass ihr Gegenstandsbereich alle Faktoren in den Blick zu nehmen versucht, die das Lehren und Lernen betreffen. Dazu gehört u.a. die Frage nach
– den Personen, die lehren bzw. lernen,
– der Begründung der Lehr- und Lerninhalte,
– dem Ort der Lehre und des Lernens,
– dem Zweck oder Ziel des Lernens und Lehrens,
– den Mitteln, mit denen gelehrt oder gelernt wird,
– der Methode des Lehrens und Lernens.9
Wenn man all diese Faktoren in Betracht zieht, dann ist Didaktik zusammenfassend als »Theorie und Praxis des Lehrens und Lernens« zu verstehen. Je nach dem Zusammenhang, in dem von Didaktik in der folgenden
Darstellung die Rede sein wird, wird entweder an einen, mehrere oder alle
Aspekte dieser Definition erinnert. Dabei kann es sich beispielsweise um
theoretische Überlegungen des Lehrens oder um die Theorie und Praxis des
Lernens handeln.
Das vorliegende Buch ist durch die tatkräftige Mithilfe und Unterstützung
von Cornelia Fülling und Verena Lenke zustande gekommen. Sie haben
Korrektur gelesen und Literaturrecherchen vorgenommen. Martin Lippert
ist nachdrücklich für die Mitgestaltung des Layouts und von Grafiken in
den didaktischen Teilen zu danken. Dies gilt ebenso für Daniel Müller.
9 Vgl. dazu auch Werner Jank / Hilbert Meyer: Didaktische Modelle, S. 16f.
1 Das bildungstheoretische Modell
Das bildungstheoretische Modell
Der didaktische Ansatz
1.1 Der didaktische Ansatz
1.1.1 Theoretische Grundlegung
In diesem Kapitel geht es darum, das Konzept der bildungstheoretischen
Didaktik von Wolfgang Klafki vorzustellen, soweit es für die Unterrichtsplanung von Belang ist. Bei unserer Darstellung kommt uns entgegen, dass
er das Thema »Unterrichtsplanung« selbst aufgegriffen hat. In seinem programmatischen Aufsatz Didaktische Analyse als Kern der Unterrichtsvorbereitung1 entfaltet er auf der Grundlage von bildungstheoretischen Überlegungen sein Planungskonzept.
Obwohl bereits im Jahr 1958 in der Zeitschrift Die Deutsche Schule veröffentlicht, büßte dieser Aufsatz bis heute kaum an Aktualität ein,2 weil es
Klafki damals gelang, allgemeingültige Momente für die Planung von Unterricht zu erfassen. An diesen orientieren sich bis in die Gegenwart hinein
viele Lehrerinnen und Lehrer, wobei ihnen oftmals kaum bewusst ist, dass
sie auf Klafki zurückgehen. Selbst die von ihm im Jahr 1980 vorgenommene Revision seines Ansatzes3 widerspricht der Nachhaltigkeit seines ursprünglichen Konzeptes nicht, denn er knüpft weitgehend daran an – in
welcher Weise, das wird uns später beschäftigen (vgl. Kap. 3).
Worin besteht nun nach Klafki Unterrichtsplanung? Ausgangspunkt ist
für ihn die Beobachtung, dass im Schulalltag darunter gewöhnlich die methodische Umsetzung von Lehrplaninhalten verstanden wird. Demnach
wird Unterrichtsvorbereitung üblicherweise so verstanden, dass geschickte
Medien, Methoden und Sozialformen zu wählen sind, um die Lehrplanin-
1 Wolfgang Klafki: Didaktische Analyse als Kern der Unterrichtsvorbereitung (1958), in: Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Weinheim, Berlin, Basel: Julius Beltz 1964, S. 126–153.
2 Vgl. dazu Friedrich Schweitzer: Religionspädagogik. Lehrbuch Praktische Theologie. Bd 1.
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2006, S. 175ff.
3 Wolfgang Klafki: Zur Unterrichtsplanung im Sinne kritisch-konstruktiver Didaktik. In:
Eckard König / Norbert Schier / Ulrich Vohland (Hg.): Diskussion Unterrichtsvorbereitung,
S. 13–44.
Der didaktische Ansatz
13
halte im Unterricht so zu präsentieren, dass sie von den Schülerinnen und
Schülern verstanden und behalten werden können.
Gegenüber diesem Missverständnis von Unterrichtsplanung und der ihr
zugrunde liegenden Vorstellung von Unterricht und Lernen weist Klafki
darauf hin, dass die methodischen Überlegungen bei der Unterrichtsvorbereitung an letzter und nicht an erster Stelle zu stehen haben. Zunächst hat
sich die Unterrichtsplanung auf die »Sache« bzw. auf den »Unterrichtsstoff« zu konzentrieren.4
Hier ergibt sich nun das schwerwiegende Problem: Was ist die »Sache«
bzw. der »Unterrichtsstoff«? Für die Unterrichtenden ist klar, dass der Unterrichtsstoff durch den Lehrplan vorgegeben ist. Daher scheint jede weitere
Frage nach dem Inhalt des Unterrichts überflüssig. Eine gewissenhafte
Unterrichtsplanung setzt jedoch voraus, dass die Unterrichtenden Rechenschaft darüber ablegen, welche Funktion die Lehrplaninhalte im Unterricht
und damit für die Schülerinnen und Schüler haben.
Klafki weist nachdrücklich darauf hin, dass die Stoffe des Lehrplanes
wesensmäßig »von den Lehrplangestaltern als Bildungsinhalte gemeint
sind.«5 Und er zieht daraus die Schlussfolgerung: »Jene Stoffe müssen also
als Bildungsinhalte betrachtet und als solche in der praktischen Schularbeit
zur Geltung gebracht werden.«6 Sinn und Zweck der Lehrplaninhalte ist es
demnach, der Bildung der Schülerinnen und Schüler zu dienen.
Damit der Unterrichtsstoff zum Bildungsinhalt werden kann, ist es nötig,
dass die Unterrichtenden herausarbeiten, worin die bildenden Momente des
einzelnen Lehrplaninhalts bestehen. Diejenigen, die Unterricht planen,
müssen gleichsam wiederentdecken, warum die jeweiligen Inhalte von den
Lehrplangestaltern in den Lehrplan aufgenommen worden sind und welche
bildnerischen Absichten damit verfolgt werden. Dabei geht es nach Klafki
nicht darum, die Lehrplaninhalte fachwissenschaftlich – etwa im Sinne
einer Sachanalyse – zu rekonstruieren, sondern vielmehr darum, die Frage
zu beantworten, was an dem jeweiligen Inhalt zu lernen ist. Im Einzelnen
ist zu fragen: Was sind die bildenden Momente, die in dem betreffenden
Lehrplaninhalt verborgen sind?
Machen wir uns das an einem Beispiel klar. Im Lehrplan für den Religionsunterricht finden wir im 5./6. Schuljahr das Thema »Kirchenjahr«. Aufgabe derer, die nach Klafki Unterricht planen, ist es herauszufinden, welche
4 Vgl. Wolfgang Klafki: Didaktische Analyse als Kern der Unterrichtsvorbereitung, S. 127.
5 Ebd., S. 128.
6 Ebd.
14
Das bildungstheoretische Modell
bildenden Momente in diesem Thema enthalten sind.7 Vieles kann einem zu
diesem Inhalt einfallen: der kalendarische Unterschied zwischen Kirchenjahr und weltlichem Jahr; die Bedeutung der einzelnen christlichen Feste
für die Glaubenden; die liturgische Ausgestaltung der Feste des Kirchenjahres; die biblische Fundierung der Feste; Zusammenhänge zwischen jüdischer und christlicher Festtagstradition; Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen katholischen und evangelischen Festen; die Säkularisierung bestimmter christlicher Feste wie Himmelfahrt als »Vatertag« oder
Weihnachten als »Jahresendfest«; christliche Symbole, die das Kirchenjahr
begleiten etc.
Sind dies die Bildungsinhalte, die die Unterrichtsplanenden im Zusammenhang mit dem Lehrplaninhalt »Kirchenjahr« herauszufinden haben?
Unsere Aufzählung erscheint assoziativ und wenig überzeugend. Unwahrscheinlich ist es zudem, dass im Unterricht alle genannten Aspekte behandelt werden könnten. Damit bleibt die Frage zunächst unbeantwortet, welche der genannten Gesichtspunkte im Sinne Klafkis »bildend« genannt
werden können. Eine Auswahl wäre zu treffen. Im Hinblick darauf fehlen
uns aber bislang die entsprechenden Kriterien. Welche dies sind, wird im
Folgenden zu zeigen sein.
Zunächst muss nach Klafki die Lehrkraft, die den Lehrplaninhalt nach
seinen Bildungsinhalten befragt, zwei Positionen einnehmen. »Er [der Lehrer, d. Verf.] steht einerseits stellvertretend für den ›Laien‹, der der junge
Mensch einmal werden soll, und er steht zum anderen stellvertretend für
den jungen Menschen selbst und seine jeweiligen Möglichkeiten.«8 Erst vor
diesem Hintergrund ist die Lehrkraft in der Lage, den Bildungsinhalt für die
Schülerinnen und Schüler, für die sie Unterricht plant, zu entdecken.
Doch all dies ist noch zu ungenau und unbestimmt. Es hängt damit zusammen, dass bislang ungeklärt ist, was Klafki unter Bildung versteht und
wie die beiden Begriffe »Bildungsinhalt« und »Bildungsgehalt« zusammenhängen. Denn alles unterrichtliche Handeln ist auf Bildung als bestimmendes Ziel bezogen. Erst wenn wir wissen, was Bildung ist, lässt sich
genauer angeben, worin der jeweilige Bildungsgehalt der Lehrplaninhalte
zu sehen ist.
7 Vgl. dazu beispielsweise Christian Grethlein / Christhard Lück: Religion in der Grundschule.
Ein Kompendium. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006, S. 186ff.
8 Wolfgang Klafki: Didaktische Analyse als Kern der Unterrichtsvorbereitung, S. 129.
Der didaktische Ansatz
15
Obwohl Klafki an anderer Stelle ausführlich auf den Bildungsbegriff
eingeht,9 lässt er sich im vorliegenden Aufsatz nur von zwei kurzen Zitaten
von Theodor Litt und Erich Weniger leiten. Auf eine einfache Formel gebracht heißt Bildung bei Litt, dass der Mensch in der Lage ist, im Hinblick
auf sich selbst und auf die Welt »eine gewisse Ordnung« herzustellen.10 Das
heißt, dass er zu einer ausgeglichenen Persönlichkeit findet, die ihre Stärken
und Schwächen kennt und in der Lage ist, sich in der Welt, in die er hineingestellt ist, zurechtzufinden. Weniger sieht das Wesen der Bildung darin,
dass der Einzelne in der Welt Verantwortung übernehmen kann.11
Diese beiden Hinweise genügen Klafki als Grundlage, um genauer anzugeben, was unter »Bildungsinhalt« und »Bildungsgehalt« zu verstehen
ist. Konstitutiv für jeden Bildungsinhalt ist nach Klafki, dass er einen Bildungsgehalt enthält. Worin jedoch der jeweilige Bildungsgehalt eines Bildungsinhaltes besteht, kann nicht allgemein gesagt werden, sondern ist auf
doppelte Weise relativ. Wörtlich heißt es bei Klafki – und damit nimmt er
das oben Gesagte auf:
Was ein Bildungsinhalt sei und worin sein Bildungsgehalt ... liege, das kann erstens
nur im Blick auf bestimmte Kinder und Jugendliche gesagt werden, die gebildet
werden sollen, und zweitens nur im Blick auf eine bestimmte, geschichtlich-geistige
Situation mit der ihr zugehörigen Vergangenheit und der vor ihr sich öffnenden
Zukunft.12
Der in den Horizont eines Kindes oder Jugendlichen gerückte Bildungsinhalt und die in ihm enthaltene mögliche Öffnung im Hinblick auf die
Vergangenheit und Zukunft wird dann zum Bildungsgehalt, wenn an
ihm »Grundprobleme, Grundverhältnisse, Grundmöglichkeiten, allgemeine
Prinzipien, Gesetze, Werte, Methoden«13 der Kulturinhalte erkennbar werden, die der Bildungsinhalt vertritt.
Die bei der Unterrichtsplanung entsprechend gewonnenen Bildungsgehalte sind im Unterricht zu erarbeiten. Dadurch erhalten die Schülerinnen
und Schüler die Möglichkeit, einen Teil der kulturellen Welt für sich zu
entdecken und dabei zugleich in der Auseinandersetzung mit ihr Kräfte und
Fähigkeiten zu entwickeln, die ihnen in Zukunft helfen werden, weitere
Entdeckungen dieser Art zu machen.
9 Vgl. z.B. Wolfgang Klafki: Das Problem der Didaktik, in: Studien zur Bildungstheorie und
Didaktik, S. 82–125, hier S. 94ff.
10 Vgl. Wolfgang Klafki: Didaktische Analyse als Kern der Unterrichtsvorbereitung, S. 130.
11 Ebd., S. 131.
12 Ebd., S. 132.
13 Ebd., S. 134.