Das Gutachten zu den Einflüssen von Bots auf

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Das Gutachten zu den Einflüssen von Bots auf
Gutachten
Zu den Einflüssen von Bots auf Ökonomie und Spielspaß in MMORPGs
Fassung vom
29. März 2012
Erstellt durch
Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Broll
Im Auftrag der
Bossland GmbH
Leipziger Straße 72
08056 Zwickau
Prof. Dr. W. Broll
Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
Inhaltsverzeichnis
1.
Executive Summary ...................................................................................................... 1
2.
Beauftragung und Informationsquellen ....................................................................... 5
3.
Einleitung ...................................................................................................................... 6
4.
5.
6.
7.
3.1.
Onlinespiele ........................................................................................................... 6
3.2.
MMORPGs ............................................................................................................. 6
3.3.
Bots........................................................................................................................ 7
3.4.
Vorgehen ............................................................................................................... 8
Ökonomie in MMORPGs............................................................................................... 9
4.1.
Die spielinterne Ökonomie ................................................................................... 9
4.2.
Beziehung zwische Spieleökonomie und realer Ökonomie ................................ 11
4.3.
Schlussfolgerungen ............................................................................................. 12
Gratifikationen und Unterhaltungserleben in MMORPGs ......................................... 13
5.1.
Nutzungsdauer .................................................................................................... 13
5.2.
Spielmotivation und Nutzungserleben ............................................................... 13
5.3.
Verhältnis zwischen Spielern und ihrem Avatar ................................................. 14
5.4.
Schlussfolgerungen ............................................................................................. 15
Der Einfluss von Bots auf den Spielspaß in MMORPGs .............................................. 16
6.1.
Regelungen zu Bots in den Nutzungsbedingungen............................................. 16
6.2.
Nutzung von Bots zur Beibehaltung und Steigerung des Spielspaßes................ 16
6.3.
Nutzung von Bots zur Erhaltung sozialer Kontakte............................................. 17
6.4.
Nutzung von Bots zur erhöhten Identifikation mit Spiel-Avatar ........................ 19
6.5.
Schlussfolgerungen ............................................................................................. 20
Der Einfluss von Bots auf die Ökonomie in MMORPGs.............................................. 22
7.1.
Auswirkungen von Bots auf die spielinterne Ökonomie..................................... 22
7.2. Auswirkungen von Bots auf das Verhältnis zwischen virtueller und realer
Ökonomie ....................................................................................................................... 23
7.3.
8.
Schlussfolgerungen ............................................................................................. 24
Kritische Würdigung des Gutachtens von Dr. Edward Castronova (2007) ................ 25
8.1.
Rechtmäßigkeit der Bot-Herstellung................................................................... 25
8.2.
Fähigkeiten von Bots und Auswirkungen auf andere Spieler ............................. 25
iii
Prof. Dr. W. Broll
9.
Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
8.3.
Nutzungsdauer bei Spielern und Bots................................................................. 26
8.4.
Einfluss von deflationären und inflationären Effekten ....................................... 26
8.5.
Problematisierung von Bots auf Basis von Nutzerbeschwerden ........................ 27
8.6.
Berechnung des Schadenswertes ....................................................................... 27
8.7.
Einordnung von Bots ........................................................................................... 28
8.8.
Schlussfolgerungen ............................................................................................. 28
Schlussbetrachtungen ................................................................................................ 29
Unterschrift ........................................................................................................................ 31
Quellen ............................................................................................................................... 32
Glossar................................................................................................................................ 35
iv
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Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
1. Executive Summary
MMORPGs – Massive(ly) Multi-Player Onlinespiele sind über das Internet also online
gespielte Rollenspiele, bei denen der Spieler mit seinem Protagonisten (als sein ihn
repräsentierenden Avatar) in eine virtuelle Phantasiewelt eintaucht. Ziel des Spiels ist es
Aufgaben oder Missionen (sogenannte Quests) zu lösen, um den Status seines
Protagonisten in Bezug auf den erreichten Spiele-Level und Besitztümer, aber auch sein
Ansehen bei anderen Spielern zu erhöhen. Dabei sind als Teil der Aufgaben
beziehungsweise Missionen häufig, virtuelle Rohstoffe abzubauen, virtuelle
Gegenstände zu erstellen oder virtuelle Gegner zu besiegen. Dies geschieht zumeist
nicht als Einzelspieler, sondern in Gruppen, häufig als sogenannte Gilden bezeichnet.
Onlinespiele, im Besonderen MMORPGs zählen zu den erfolgreichsten unterhaltenden
Medienprodukten unserer Zeit. Das gilt einerseits aus Nutzungsperspektive, d.h. die
Nutzung für solche neuen Medienprodukte ist in der Gesellschaft sehr weit verbreitet
und allgemein akzeptiert, andererseits aber auch aus ökonomischer Perspektive, d.h.
diese Spiele sind für die Betreiber in der Regel finanziell sehr attraktiv.
Hauptnutzer von MMORPGs sind wie bei Computerspielen generell größtenteils jüngere
Menschen, vornehmlich männlichen Geschlechts. Es ist jedoch eine leicht ausgleichende
Entwicklung zu beobachten. Trotz eines in der Regel begrenzten Freizeitbudgets werden
MMORPGs von ihren Nutzern häufig tagtäglich im Umfang von mehreren Stunden
genutzt. Die Spieler sind außerdem bereit, für die Nutzung von MMORPGs zu bezahlen.
Hierzu nutzen die Anbieter verschiedene Geschäftsmodelle insbesondere im Hinblick auf
eine langfristige Kundenbindung. Aufgrund des unterhaltenden Erlebnisses, sind die
Spieler von MMORPGs bzgl. der Nutzung und Zahlungsbereitschaft zumeist hoch
motiviert.
Bei Bots (Kurzform von Robots) handelt es sich um Softwareprogramme zur
automatisierten Durchführung von Benutzeraktivitäten. Im Rahme von MMORPGs
werden diese von unabhängigen Anbietern angeboten und ermöglichen, bestimmte
Tätigkeiten in der virtuellen Welt, insbesondere den Abbau von Rohstoffen, das
Anfertigen von Waren und das Besiegen von ihrerseits automatisierten
Computergegnern unabhängig von Benutzereingaben durch den Spieler durchzuführen.
Dabei nehmen Bots dem Spieler ausschließlich solche Tätigkeiten ab, die er im Rahmen
einer individuellen Nutzung auch selbst durchführen könnte.
Ein wesentlicher Aspekt von Computerspielen ist der sogenannte Flow (Fluss bzw. die
Flusskontrolle). Dadurch wird gewährleistet, dass Spieler einerseits nicht überfordert
wird und andererseits die durchzuführenden Aufgaben und Tätigkeiten nicht zu einfach
zu bewältigen sind. Im ersten Fall wird der Spieler schnell frustriert, im zweiten
gelangweilt. Beides führt zu einer deutlichen Reduktion des Spielspaßes und damit zu
einer qualitativen Verschlechterung des Spielerlebnisses an sich. Um die Motivation des
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Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
Spielers zum Weiterspielen zu erhalten, sind Computerspiele daher idealerweise so
konzipiert, dass sich der Spieler in einem Bereich bewegt, der ihn mehr fordert als zuvor
ohne ihn jedoch zu überfordern.
In MMORPGs ist es für ein Weiterkommen im Spiel in der Regel zwingend erforderlich,
Erfahrung und Güter oder virtuelle Währung anzusammeln. Erfolgt dies durch das
wiederholte Durchführen gleicher oder gleichartiger Aufgaben, so sinkt die Motivation
sehr schnell ab. Dies basiert in der Regel auf einer unzureichenden Flusskontrolle. Um
dies zu vermeiden, verwenden Spieler die zuvor beschriebenen Bots, welche dann die
für den Spieler uninteressanten Tätigkeiten übernehmen. Das positive Spielerlebnis
bleibt somit trotz der Defizite im Spieldesign erhalten und das Spiel wird weiterhin
gespielt.
Die Spielwelten in MMORPGs sind in Physik und Ökonomie an die reale Welt angelehnt.
Analog zur realen Ökonomie kann eine Spieleökonomie aus dem Gleichgewicht geraten.
Dies passiert umso leichter, je eingeschränkter das zugrunde liegende Modell ist.
Grundsätzlich kann eine Spielwelt lediglich ein vereinfachtes Abbild der Realität
darstellen. Allerdings müssen Mechanismen existieren, um Ungleichgewichte in der
Spielökonomie auszugleichen bzw. denen sie auslösenden Mechanismen
gegenzusteuern. Wird beispielsweise die Vermehrung der virtuellen Geldmenge nicht
begrenzt, so führt dies analog zur Realität zu einer Inflation. Wird andererseits die
Produktion nicht auf Basis der verfügbaren Ressourcen begrenzt, führt dies zu einem
Überangebot bestimmter virtueller Waren und Güter, und damit zu einer Deflation der
Spielewährung. Ein weiterer Effekt ist der Verlust der Nützlichkeit virtueller Güter
aufgrund des Preisverfalls einerseits, aber insbesondere auch durch die Einführung
neuer wertvollerer und mächtigerer Gegenstände. Man spricht beim Zusammenspiel
dieser Faktoren auch von Mudflation. Der Spielebetreiber hat jedoch im Gegensatz zur
realen Welt uneingeschränkt die Möglichkeit sowohl die Geldmenge, als auch die
Ressourcenmenge sowie den Verbrauch von Gütern für Produktionsprozesse und
Geldzahlungen für Aktionen und Dienstleistungen jederzeit festzulegen, zu steuern und
bei Bedarf anzupassen. Dies ist insbesondere dann erforderlich, wenn virtuelle Güter frei
handelbar sind und somit auch außerhalb des Spieles einen realen Wert haben können.
Die Anbieter von MMORPGs verfügen teilweise über eine sehr komplexe
Spieleinfrastruktur. Diese Infrastruktur stellt in vielen Fällen eine hohe
Markeintrittsbarriere für Konkurrenten dar. Gleichzeitig versuchen die Anbieter zumeist
über End-User Lisence Agreements (EULA) die Nutzung der Software von Drittanbietern
grundsätzlich zu unterbinden. Abgesehen vom dem zumindest in Europa nach
geltendem Recht zumeist unwirksamen EULA, ist die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens
auch im Hinblick auf die europäische Computer Programs Directive (Artikel 6)
wenigstens fraglich.
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Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
In dem im Zusammenhang mit dem Einfluss von Bots auf WoW von Dr. Castranova
erstelltem Gutachten fällt auf, dass die meisten dort aufgestellten Thesen weder
naheliegend noch belegbar sind. Die Grundlagen von Annahmen und Berechnungen
erscheinen zu großen Teilen eher willkürlich oder gar widersprüchlich. Die berechneten
angeblichen Schadenssummen basieren auf dem in WoW angewandten
Abrechnungsmodell für das Spiele-Abonnement, ohne zu berücksichtigen, dass dies
seitens des Betreibers jederzeit mit sehr geringem Aufwand so umgestellt werden
könnte, dass der beschriebene angeblich ausschlaggebende Effekt überhaupt nicht mehr
auftreten kann.
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass Bots (im Gegensatz zu Hacks und Cheats)
nach aktuellem Kenntnisstand keine nennenswerten negativen Einflüsse auf MMORPGs
haben. Insbesondere erlauben sie Spielern, Defizite im Spieldesign auszugleichen,
woraus sich ein positiver Effekt im Hinblick auf die Spielmotivation bei gleichzeitig
erhöhtem Unterhaltungserleben ergibt. Dies wird in der Regel zu einer längeren
Nutzungsdauer durch die Spieler und damit unmittelbar zu Mehreinnahmen der
Betreiber von Abonnement-basierten MMORPGs führen. Gleichzeitig erscheint es
fraglich, ob der Ausgleich von Spieldefiziten mittels Software von Dritten im Rahmen von
EULA bzw. AGB untersagt werden könnte. Zwischen den Anbietern von Bots und den
Betreibern der MMORPG-Infrastruktur besteht keine unmittelbare Vertragsbeziehung.
Eine Untersagung der Erstellung von Software durch Dritte, soweit diese nicht
gesetzlichen Regelungen entgegensteht, erscheint daher ohne Grundlage.
Offensichtliche Unzulänglichkeiten in der Spielekonzeption in Bezug auf die
Spielökonomie erscheinen als Begründung für eine Marktabschottung seitens der
Anbieter als ungeeignet.
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Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
2. Beauftragung und Informationsquellen
Seitens der Bossland GmbH, Zwickau erfolgte die Beauftragung eines Gutachtens zu den
Einflüssen von Bots auf die Ökonomie und den Spielspaß in MMORPGs (speziell: World
of Warcraft (WoW)) unter besonderer Berücksichtigung der Unterschiede zwischen
realer und Spiel-Ökonomie und dem möglichen Einfluss von Bots auf diese.
Für die Begutachtung wurden seitens der Auftraggeberin folgende Unterlagen zur
Verfügung gestellt:
•
•
•
•
Nutzungszahlen der Bots der Firma Bossland GmbH im Zeitraum 24.11. bis
3.12.2011
2 Produktanalysen von Terapeak über den WoW Goldhandel auf eBay (vom
29.11.2011)
Beglaubigte Übersetzung des Gutachtens „Auswirkungen von ‚Botting‘ auf WoW“
von Dr. Edward Castranova
Darüber hinaus wurden zwei wissenschaftliche Artikel zur Verfügung gestellt, die
jedoch allgemein zugänglich sind und daher im Quellenverzeichnis regulär
aufgeführt sind.
Das Gutachten stützt sich neben den oben angegebenen Quellen insbesondere auf
wissenschaftliche und sonstige frei verfügbare Quellen. Diese sind innerhalb des
Gutachtens entsprechend referenziert und im Anhang einzeln aufgeführt.
Das Gutachten wurde unter Mitarbeit von Herrn Dr. Daniel Schultheiß, Ilmenau erstellt.
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Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
3. Einleitung
3.1. Onlinespiele
Definitionen für Onlinespiele werden weiterhin unterschiedlich gehandhabt. Für dieses
Gutachten lassen sich Onlinespiele als digitale Spiele definieren, die in Netzwerken mit
mehreren Spielern genutzt werden. Vor einigen Jahren spielte die Unterscheidung
zwischen lokalen Netzwerken und dem Internet noch eine größere Rolle bei der
Definition. Dies ist mit der massiven Verbreitung des Internets, der mittlerweile zur
Verfügung stehenden Bandbreite und der daraus resultierenden Folge, dass nahezu alle
lokalen Netzwerke mit dem Internet verbunden sind, quasi nicht mehr relevant.
Lediglich Latenzunterschiede bei der Datenübertragung spielen hier u.U. noch eine
gewisse Rolle. Man spricht daher allgemein von Onlinespielen, wenn digitale Spiele
gemeinsam über das Internet gespielt werden (vgl. Chan & Vorderer 2006).
Schlussendlich gibt es noch einige breitere Definitionen, bei denen Spiele benannt
werden, die „allein oder gemeinsam mit anderen gegen einen oder mehrere Gegner
(Mensch / Maschine) über die Verbindung durch ein Datennetzwerk“ (Jöckel 2007) oder
„mit Hilfe des oder über das Internet spielbar“ (Schmidt, Dreyer und Lampert 2008) sind.
Bedeutsam für dieses Gutachten ist vor allem das Spielen mit oder gegen einen oder
mehrere Gegner. Das können sowohl menschliche als auch computergesteuerte
Spielfiguren sein.
Der breite nutzungsbezogene und ökonomische Erfolg von Onlinespielen ist
unzweifelhaft. Bereits über ein Fünftel aller Deutschen über zehn Jahre spielt
Onlinespiele (vgl. BUI e.V. 2010). Eine ausgeprägte Computernutzung (vgl. BITKOM
2011a) und die hohe Versorgungsrate mit Breitband-Internet (vgl. BMWi 2010) sowie die
damit einhergehende intensive Internetnutzung in allen Bevölkerungsschichten (vgl.
BITKOM 2011b) hat diese Entwicklung erst ermöglicht. So nehmen – vor allem in der
jüngeren Zielgruppe – digitale Spiele und im Speziellen Onlinespiele heute bereits einen
großen Anteil des Freizeitbudgets ein (vgl. u.a. Caplan, Williams & Yee 2009, Williams,
Yee & Caplan 2008, Seifert & Jöckel 2008, u.v.a.). Sie ergänzen und ersetzen damit in
ihrer Unterhaltungsfunktion vor allem andere Medienangebote wie Fernsehen, Radio
und Printmedien. Dennoch sind auch Zielgruppen abseits der stereotypischen
Computerspieler mehr und mehr in virtuellen Welten und Onlinespielen aktiv.
3.2. MMORPGs
MMORPGs sind Multiplayer-Onlinespiele, die auf eine große Anzahl von Spielern
(„Massen“) ausgelegt sind und gelten gemeinhin als Weiterentwicklung der
textbasierten MUDs (Multi-User-Dimension/Dungeon, vgl. Bartle 2004, Yee 2006b). Eine
Beschränkung der Spielerzahl erfolgt dabei wenn überhaupt nur auf technischer Seite
durch beschränkte Serverkapazitäten (vgl. Seifert & Jöckel 2008). Gängige und
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Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
kommerziell erfolgreiche Spiele sind dabei in der Regel auf Tausende oder mehr Spieler
ausgelegt, die gleichzeitig online sein können (Chan & Vorderer 2006). Das derzeit
erfolgreichste MMORPG mit zeitweise mehr als 12 Millionen Abonnenten weltweit
(Blizzard 2010) ist dabei World of Warcraft (im Folgenden nur noch WoW, vgl. Blizzard
Entertainment 2012).
Komplexe MMORPGs werden meist auf dem zum Spielen genutzten Rechner installiert
und verfügen über eine grafisch hochwertig gestaltete (vgl. Yee 2006a) persistente
Spielwelt, das heißt die Spieler melden sich im Spiel an und loggen sich zur Nutzung ein.
Auch ohne aktive Teilnahme eines bestimmten Spielers am Spiel zu einem beliebigen
Zeitpunkt existiert die Spielwelt weiter, da sie zu diesem Zeitpunkt von anderen Spielern
bevölkert wird. Das Spiel kann also lange Zeit – theoretisch unendlich lange – genutzt
werden, ohne das die Spielwelt aufhört zu existieren. In der Spielwelt, die in ihren
physischen (z.B. Flora, Fauna, physikalische Gesetzte wie Schwerkraft, etc. , vgl. Chan &
Vorderer 2006) und ökonomischen (vgl. Castronova 2006) Eigenschaften der realen Welt
nachempfunden sein soll, interagieren und kollaborieren die Spieler mithilfe von
Avataren (Spielfiguren, vgl. Yee 2006b, Chan & Vorderer 2006). Ein Avatar repräsentiert
hierbei den Spieler mittels eines virtuellen Charakters im Spiel. Dieser kann vom Spieler
in verschiedenen vom Spielanbieter vorgegebenen Arten gesteuert werden (gehen,
fliegen, schwimmen, etc.).
Die Nutzung von MMORPGs ist in vielen Fällen kostenpflichtig. Hierbei kommen
Einmalzahlungen für den Kauf des Spiels genau wie Abonnements und Kombinationen
der beiden Erlösmodelle in Frage. Im Fall des schwerpunktmäßig betrachteten
MMORPGs World-of-Warcraft der Firma Blizzard Entertainment ist in den meisten
Staaten ein monatliches Abonnement für den Online-Zugang zur Spielewelt erforderlich.
3.3. Bots
Bot leitet sich vom englischen Begriff Robot ab. Im Kontext von MMORPGs handelt es
sich bei Bots um Software-Programme, die die Aufgaben realer Spielern übernehmen
können. Die automatisierte Wiederholung von Tätigkeiten kann als
Nutzungsschwerpunkt von Bots gesehen werden. Im Regelfall können Bots
ausschließlich die gleichen Tätigkeiten im Spiel übernehmen, welche auch ein
menschlicher Spieler übernehmen kann. Daher lassen sich Bots auch recht deutlich vom
Cheating oder Hacking (Betrug, durch über die von der Spielsoftware vorgegebenen
Möglichkeiten hinausgehenden Einfluss auf ein Spiel) abgrenzen. Das vorliegende
Gutachten betrachtet ausschließlich Bots, die Tätigkeiten übernehmen, wie es auch ein
menschlicher Spieler durchführen könnte.
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Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
3.4. Vorgehen
Dieses Gutachten widmet sich einer besonderen Form von Onlinespielen – den
Massive(ly) Multiplayer Online Role-Playing Games (MMORPGs). Im Speziellen wird
jeweils exemplarisch das MMORPG World of Warcraft (WoW) als unterhaltendes
Medienangebot, die Einflüsse von Tools auf Ökonomie und Spielspaß in diesem Spiel,
genau wie die Unterschiede zwischen realer und Spielökonomie und einem möglichen
Einfluss von Bots auf diese beleuchtet. Dazu wird zunächst die Ökonomie in MMORPGs
und deren Beziehung zur realen Ökonomie betrachtet. Anschließend folgt eine
Auseinandersetzung mit den Motivationen und zum Unterhaltungserleben von
MMORPGs. Die Frage nach dem Einfluss von Bots auf den Spielspaß sowie auf die
virtuelle Ökonomie und deren Beziehung zur realen Ökonomie wird hiernach
schwerpunktmäßig beleuchtet. Im Anschluss erfolgt eine kritische Würdigung des
Gutachtens von Dr. Edward Castranova zur Auswirkung von Bots auf WoW. Eine
Schlussbetrachtung zu den zentralen Erkenntnissen und dem faktischen Einfluss von
Bots schließen das Gutachten ab.
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Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
4. Ökonomie in MMORPGs
4.1. Die spielinterne Ökonomie
Die meisten MMORPGs enthalten lebendige virtuelle Volkswirtschaften, die in der Regel
realen Volkswirtschaften nachempfunden sind. Analog zu anderen Aspekten virtueller
Welten handelt es sich auch bei der jeweiligen Spieleökonomie um eine gegenüber der
Realität mehr oder weniger starke Vereinfachung. Entsprechend können bestimmte
ökonomische Aspekte in fast identischer Ausprägung ebenso in einer virtuellen
Ökonomie beobachtet werden, während andere nur unvollständig oder auch gar nicht
abgebildet werden können. Dies gilt auch und insbesondere für die Spieleökonomie von
WoW.
In den virtuellen Welten müssen üblicherweise virtuelle Gegenstände und virtuelle
Zahlungsmittel durch das Spielen des jeweiligen Spiels oder durch das Erreichen
bestimmter Spielziele gewonnen werden. Konkret werden in den meisten MMORPGs
programmierte Gegner besiegt, um an Gegenstände und Spielwährung zu gelangen.
Diese Tätigkeiten können wiederholt ausgeführt werden und stellen oft einen
bedeutenden Anteil des gesamten Spielgeschehens von MMORPGs dar. Damit haben
diese virtuellen Güter einen bestimmten (vorerst ideellen) Wert für die Spieler. Viele
MMORPGs enthalten jedoch die Möglichkeit des individuellen Handels oder bieten sogar
spezielle Marktplattformen dafür an, d.h. hier werden virtuelle Güter gegen virtuelle
Währung gehandelt.
Im Einzelnen sind folgende Transaktionen möglich:
•
•
Tauschhandel von virtuellen Gegenständen gegen virtuelle Gegenständen
Tauschhandel von virtuellen Gegenständen gegen virtuelle Währung
Durch den Handel mit Gegenständen und virtuellen (Spiel-) Zahlungsmitteln erhalten
diese theoretisch innerhalb des jeweiligen Spiels auch einen monetären Wert. Durch
einen nachgewiesenen Angebots- und Nachfragemarkt für virtuelle Güter im
ökonomischen Sinn entsteht dieser Wert auch faktisch (vgl. Castronova 2006). Können
Spieler also beispielsweise Gegenstände, Fähigkeiten, etc. gegen Spielewährung frei
handeln, so beobachtet man teilweise identische Effekte wie in der Realität: Der
virtuelle Preis richtet sich grundsätzlich nach Angebot und Nachfrage, durch Kartelle,
Monopole oder Oligopole können Waren zu stark überteuerten Preisen verkauft
werden, etc.
Allerdings existiert ein grundsätzlicher Unterschied zwischen virtuellen und realen
Volkswirtschaften: In virtuellen Volkswirtschaften können virtuelle Güter oder anderer
Ressourcen und virtuelle Währung häufig ohne irgendeine Begrenzung in beliebiger
Menge aus dem Nichts heraus geschaffen werden.
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Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
Ein exemplarischer Spielablauf mit wirtschaftlichen Komponenten könnte
folgendermaßen aussehen:
•
•
•
•
Der Spieler tötet einen oder mehrere virtuelle computergesteuerte Gegner.
Der Spieler erhält bspw. eine Rüstung und eine bestimmte Menge Gold für diese
Tätigkeiten.
Nun kann die Rüstung entweder getragen oder verkauft werden. Das restliche
Gold wird ebenso in Ausrüstungsgegenstände des Avatars (z.B. eine bessere
Waffe) investiert.
Der Kreislauf beginnt neu bei Punkt 1, indem der Spieler sich stärkeren Gegnern
zuwendet.
Hier wird sofort erkennbar, dass der aufgezeigte Spielablauf im Prinzip ohne quantitative
Begrenzung durchgeführt werden kann. Das bedeutet auch, dass durch den Spieler
virtuelle Währung ohne jegliche Begrenzung von Anbieterseite erzeugt werden kann, da
die virtuelle Spielewährung Gold in Form von einer unbegrenzten Zahl virtueller Gegner
in beliebiger Höhe zur Verfügung gestellt wird. Somit existiert hier keine wirksame
Geldmengenbegrenzung.
Wird diesem Effekt nicht entgegengewirkt, so führt er zu einem unkontrollierten
Wachstum der virtuellen Währung und damit zu einer Inflation derselben. So konnte
beispielsweise für WoW in den Jahren von 2005 bis 2009 eine Entwertung der virtuellen
Währung von 92% (vgl. Heeks 2010) nachgewiesen werden. Gleichzeitig bringt diese Art
der Ressourcengenerierung allerdings auch einen Preisverfall, d.h. eine deflatorische
Auswirkung im Bereich der so erhalten virtuellen Güter mit sich, da diese in sehr großen
Mengen verfügbar sind und entsprechend günstig angeboten werden. Letzteres geht
allerdings häufig mit einem drastischen Verfall der Nützlichkeit dieser Gegenstände
einher. Man spricht in dieser Kombination daher auch von Mudflation (Ondrejka 2004).
Verstärkt wird dieser Effekt durch die Einführung neuer Güter (wie spezieller Materialen
oder hochwertigerer Waffen, etc.) in Erweiterungen zu existierenden MMORPGs.
Generell gilt, dass im Falle eines Ungleichgewichts in einer Volkswirtschaft
entsprechende Maßnahmen ergriffen werden müssen, um das Gleichgewicht wieder
herzustellen. Dies gilt selbstverständlich auch für eine Spieleökonomie. Aus Sicht der
Spieleanbieter gibt es diesbezüglich zwei grundlegend mögliche Strategien: Entweder
werden die Unzulänglichkeiten der Spieleökonomie durch ein entsprechend besseres,
Modell ersetzt, was die bestehenden Probleme behebt oder zumindest deren Effekte
auf das Spiel stark abmindert oder der Handel wird entsprechend stärker reglementiert.
Zu der ersten Strategie zählen Maßnahmen um die virtuelle Geldmenge wieder zu
reduzieren bzw. deren Wachstum wirksam zu begrenzen. Beispiele für die erste
Strategie wären das Erheben virtueller Steuern (was beispielsweise in WoW praktiziert
wird) oder das Erheben von Gebühren. Zu der zweiten Strategie gehört die
Einschränkung des freien Handelns indem die Weitergabe bestimmter Gegenstände
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Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
beispielsweise unterbunden wird (sogenanntes Soul Binding) oder die Erhöhung von
Kosten für Dinge, die der Spieler zwangsläufig z.B. von NPCs erwerben muss. Dies wurde
beispielsweise in der virtuellen Welt Second Life (SL) vorgenommen indem der Preis für
Grundstücke, auf welche der Betreiber ein Monopol hatte, künstlich angehoben wurde.
Wie einzelne Beispiele von MMORPGs zeigen (z.B. Dofus, http://www.dofus.com/de)
lässt sich durch eine sorgfältige Konzeption der virtuellen Ökonomie, bei der virtuelle
Güter und Geld sich nicht unbegrenzt vermehren können, die Inflation bzw. Mudflation
wirksam eindämmen.
4.2. Beziehung zwische Spieleökonomie und realer Ökonomie
Wenn weiterhin ein vom Spielanbieter vorgesehener oder zwar nicht vorgesehener,
aber auch nicht unterbundener Handel virtueller Währungen oder Güter mit realen
Währungen (RMT – Real Money Trading, s.u.a. Heeks 2009) möglich ist, überschreitet
der Einfluss der virtuellen Volkswirtschaft sogar die Grenze in unsere reale
Volkswirtschaft. Damit sind – für den Fall, dass von Anbieterseite keine wirksamen
Gegenmaßnahmen ergriffen werden – folgende Transaktionen in MMORPGs und deren
Umfeld zusätzlich zu den beiden oben genannten möglich:
•
•
Tauschhandel von realer Währung mit virtuellen Gegenständen
Tauschhandel von realer Währung mit virtueller Währung
Selbst im Falle, dass der überschreitende Tauschhandel zwischen realer und virtueller
Welt von Anbieterseite nicht vorgesehen ist, kann im Regelfall davon ausgegangen
werden, dass Spieler solche Transaktionen dennoch durchführen. Hierfür werden dann
externe Plattformen wie z.B. Ebay genutzt. Das gilt bis auf wenige Ausnahmen für alle
MMORPGs.
Das Phänomen des „Gold Farming“ – also des professionellen Generierens von
Spielwährung zum Zweck des Verkaufs – ist in einigen einkommensschwachen Regionen
der Welt (vor allem im asiatischen Raum) nach wie vor eine durchaus lohnenswerte
Einkommensquelle für Berufsspieler. Das führt auch dazu, dass in vielen MMORPGs, die
persönliche finanzielle Situation einen enormen Einfluss auf den Erfolg des Spielers
haben kann, weil dieser dann über mehr virtuelle Währung und bessere virtuelle
Gegenstände verfügen kann, als ein Spieler, der sich diese selbstständig erspielen muss.
Das heißt, der Wohlstand von Spielern in der realen Ökonomie beeinflusst den
Wohlstand in der virtuellen Ökonomie. Somit ist die Spieleökonomie generell nicht ohne
Einfluss externer Faktoren.
Allerdings konnte Kaminski 2006 je nach virtuellem Gut und Zeitpunkt sowohl eine
Inflation als auch eine Deflation beobachtet werden, was die obigen Ausführungen
grundsätzlich bestätigt. Auffällig ist jedoch, dass in Zeit hoher Gold Farming Aktivitäten
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Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
die Inflation dabei eher rückläufig war. Wie Heeks 2009 darlegt kann somit nicht
zwangsläufig davon ausgegangen werden, dass sich Gold Farming tatsächlich auf die den
meisten MMORPGs immanente Mudflation überhaupt nennenswert auswirkt.
Technisch gesehen, wäre es für einen Spieleanbieter relativ einfach, Gold Farming zu
unterbinden bzw. es finanziell deutlich unattraktiver zu machen, als dies derzeit noch
immer der Fall ist. Bei den meisten existierenden MMORPGs wie auch bei WoW wird
bisher auf solche Maßnahmen jedoch weitestgehend verzichtet. Somit wird ein
möglicher Einfluss auf die Ökonomie des Spiels hier offensichtlich bewusst in Kauf
genommen oder wenigstens toleriert.
4.3. Schlussfolgerungen
Den grundsätzlichen ökonomischen Probleme vieler MMORPGs, welche auf
unkontrolliertes Erzeugen von Werten und die Entwertung von Gütern zurückgehen und
sich in der Mudflation manifestieren, werden von den meisten Spielebetreibern
offensichtlich nur halbherzig bekämpft. Vielmehr werden sie als Anlass genommen,
bestimmten externen Faktoren einen entscheidenden Einfluss auf die Spieleökonomie
zuzuschreiben, welche sich jedoch in wissenschaftlichen Untersuchungen (vgl. Heeks
2009) nicht zwingend nachweisen lassen. Insbesondere erscheint es verwunderlich, dass
sofern ein entsprechender Einfluss angenommen wird, dieser nicht primär durch
naheliegende technische Maßnahmen (Beschränkung der Online-Zeit, Automatische
Überwachung von Transaktionen analog zur realen Welt, um nur zwei Beispiele zu
nennen) unterbunden oder zumindest stark eingeschränkt wird. Dies legt den Schluss
nahe, dass sich die Effekte insgesamt zumindest aus betriebswirtschaftlicher Sicht für die
entsprechenden Spielebetreiber nicht so nachteilig auswirken, wie dies teilweise
dargestellt wird.
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Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
5. Gratifikationen und Unterhaltungserleben in MMORPGs
Im Zusammenhang mit der Frage, weshalb MMORPGs als unterhaltende
Medienangebote von Spielern genutzt werden, werden zumeist die Begriffe
Gratifikation, Motiv und Motivation genannt. Auch das Unterhaltungserleben steht im
Vordergrund der Rezeption von MMORPGs.
5.1. Nutzungsdauer
Yee lieferte mit der bisher wohl umfangsreichsten Erforschung von MMORPG-Spielern,
bei der zwischen 2002 und 2009 über 40.000 Spieler befragt wurden (vgl. Yee 2006a,
Yee 2006b, Yee 2006c) einen tiefen Einblick in das Nutzungsverhalten und die
Spielmotivationen in MMORPGs. Andere folgten ihm nach und ergänzten seine
Forschungen. Daher sind MMORPGs inzwischen die am besten erforschte Form von
Online-Spielen. Es hat sich gezeigt, dass MMORPGs täglich durchschnittlich zwischen 2,5
(Schultheiss 2010) und 3,2 Stunden (Yee 2006a) genutzt werden. Eine andere Studie
speziell zu WoW deutet sogar auf 3,7 Stunden durchschnittliche Nutzungsdauer hin
(Seifert 2006). Es ist allerdings zu beachten, dass es sich bei den genannten Werten um
Mittelwerte über alle Spieler handelt. Betrachtet man die Daten hier genauer, so zeigt
sich eine extrem hohe Varianz, d.h. eine starke Schwankung bezüglich der tatsächlichen
Nutzungsdauer einzelner Spieler. Einige Spieler spielen extrem wenig, d.h. verbringen
entsprechend wenig Zeit in Online-Welten, andere wiederum extrem viel. So zeigt sich
über das komplette Spielerspektrum ein Nutzungsbild, das auf der einen Seite Spieler
aufweist, die nur wenige Stunden pro Woche spielen, auf der anderen Seite jedoch auch
Spieler enthält, die eine Nutzung von bis zu 12 Stunden pro Tag (in Einzelfällen sogar
darüber hinaus) aufweisen.
5.2. Spielmotivation und Nutzungserleben
Bezüglich der Spielmotivationen in MMORPGs lässt sich sagen, dass regelmäßig neben
der sozialen Dimension vor allem der Spielfortschritt (vgl. Yee 2006a, Seifert & Jöckel
2008) die bedeutendste Rolle einnimmt. Das zeigt, wie wichtig den Spielern der Wunsch
nach spielerischem Fortschritt ist und wie sehr dieser zum weiteren Spielen motiviert.
Motivationsfaktoren wie Spielmechanik (Yee 2006a, Seifert & Jöckel 2008) oder Transfer
(Schultheiss 2010), die unter anderem auch den Einsatz spielexterner
Softwarewerkzeuge (Tools) enthalten, spielen eine nachgeordnete aber immer noch
bedeutsame Rolle.
Für populäre Spieltypen wie MMORPGs findet sich auch eine Vielzahl relevanter Studien
zum Nutzungserleben. Der am häufigsten im Kontext des Spielerlebens genutzte Ansatz
ist das Konstrukt des Flusses (engl. Flow) (vgl. Csikszentmihalyi 1975), welches intensiv
beobachtet werden kann. In einem digitalen Spiel sollte durch eine entsprechende
13
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Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
Flusskontrolle zu jedem Zeitpunkt sichergestellt werden, dass die durch den Spieler
durchzuführenden Aufgaben einerseits lösbar sind, aber andererseits eine
Herausforderung darstellen (s. Abb. 1). Sind die zu bewältigenden Aufgaben zu schwierig
und scheitert der Spieler daran immer wieder, so wird er schnell frustriert. Sind
Aufgaben andererseits zu einfach, z.B. weil sie sich fortwährend in gleicher oder
ähnlicher Form wiederholen, so ist der Spieler entsprechend gelangweilt. In beiden
Fällen wird das Spielerlebnis reduziert und die Motivation zum Weiterspielen gestört.
Schwierigkeit
Frustration
Spielfluss
Langeweile
Erfahrung
Abb. 1: Optimaler Spielfluss
Als dominante Erlebnisse in MMORPGs können Unterhaltung, Nervenkitzel und
Wettbewerb genannt werden. Detailliert wurde das Spielerleben auch für WoW
untersucht. Hierbei kamen die Autoren (Seifert & Jöckel 2008) zu dem Schluss, dass sich
das Spielerleben durch vier zentrale Erlebensfaktoren darstellen lässt: Herausforderung,
Gemeinschaftserlebnis, Nervenkitzel und Entspannung. Darüber hinaus werden die
genannten Erlebnisfaktoren von verschiedenen Nutzungsmotivationen – im Kontext
dieses Gutachtens vor allem bedeutsam sind Transfer- und Spielmechanik-Motivationen
– positiv beeinflusst (vgl. Seifert & Jöckel 2008, Schultheiss 2010). Das bedeutet, je
ausgeprägter diese Motivationen sind, desto ausgeprägter wird das MMORPG als
unterhaltend erlebt. Es ist davon auszugehen, dass als je unterhaltender ein Spieler ein
Medienangebot wahrnimmt, desto intensiver und länger wird er es auch nutzen.
5.3. Verhältnis zwischen Spielern und ihrem Avatar
In virtuellen Welten, speziell bei Spielen und hier wiederum besonders bei MMORPGs,
identifiziert sich der Spieler stark mit seinem Avatar, d.h. seiner Repräsentation in der
virtuellen Welt. Somit ist das Erlebenskonstrukt der Identifikation beziehungsweise der
Charakterbindung (manchmal auch Character Attachment, CA bezeichnet) bei
MMORPGs besonders ausgeprägt (vgl. Lewis, Weber & Bowman 2008). Neuste Studien
zeigen, dass Identifikation und CA einen ausgeprägten Einfluss auf die Spielmotivationen
14
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Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
von MMORPG-Spielern haben (vgl. Bowman, Schultheiss & Schumann 2012), was
wiederum zu einer intensiveren und längeren Nutzung des jeweiligen Spiels führen
kann. Spieler binden sich jedoch nur intensiv an einen Spielcharakter oder Avatar, wenn
dieser ihren Vorstellungen und Erwartungen bezüglich Erfolg und Leistung entspricht.
Das bedeutet, je besser der Avatar in den Augen des Spielers ist, desto ausgeprägter ist
die Bindung an diesen und umso länger die Nutzung des jeweiligen Spiels.
5.4. Schlussfolgerungen
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass MMORPGs aufgrund einer Reihe
unterschieldicher Spielmotivationen genutzt werden, die wiederum einen Einfluss auf
die Intensität des Unterhaltungserlebens der Spieler haben. Ein intensives
Unterhaltungserleben wiederum wirkt sich ausgeprägt positiv auf die zukünftige
Nutzungsintensität der Spieler von MMORPGs aus.
15
Prof. Dr. W. Broll
Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
6. Der Einfluss von Bots auf den Spielspaß in MMORPGs
6.1. Regelungen zu Bots in den Nutzungsbedingungen
Bots übernehmen, wie bereits dargelegt, in Spielen die automatisierte Ausführung von
Spielehandlungen ohne Eingriff des Benutzers. Dabei werden die Aktivitäten innerhalb
der Online-Welt genauso ausgeführt, wie dies auch ein realer Nutzer tun könnte. Es ist
also für den Spielebetreiber nicht oder nur sehr schwierig möglich, Bots von regulären
Benutzern aufgrund ihres Nutzungsverhaltens zu unterscheiden. Bots sind daher bei den
meisten MMORPGs, insbesondere auch bei WoW, durch die vom Spieler zumeist bei der
Installation der Software anzuerkennenden Nutzungsbedingungen explizit untersagt.
Inwiefern die Endbenutzer-Lizenzvereinbarungen (engl. End User License Agreement,
EULA oder Terms of Service - TOS) für europäische bzw. deutsche Nutzer von Software
internationaler Anbieter bindend sind, ist rechtlich wenigstens umstritten. Nach
anerkannter Meinung, gehören die EULA nur dann zum Vertragsbestandteil, wenn diese
zwischen Verkäufer und Käufer bereits vor dem Kauf vereinbart werden. Das ist bei
Spiele-Software in der Regel jedoch nicht der Fall. Auch eine Zustimmung von
Nutzerseite während der Installation einer Spielsoftware ist ohne Wirkung. Ob diese
Bedingungen auch für den Zugang zu Online-Spielservern wie von WoW gelten, ist
rechtlich nicht endgültig beschieden. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass
selbst gültige EULA, die im deutschen Recht den AGB-Regelungen entsprechen würden,
keine Bindung für Anbieter externer Software-Tools wie Bots haben, da zwischen dem
Anbieter des Bots und dem Anbieter des Spiels keinerlei Vertragsverhältnis besteht.
6.2. Nutzung von Bots zur Beibehaltung und Steigerung des Spielspaßes
Ein großer Teil des Spielens besteht bei MMORPGs im Allgemeinen und bei WoW im
Speziellen aus dem Ausüben sich wiederholender Tätigkeiten zur Steigerung der
Fähigkeiten des Spiel-Avatars und aus dem Finden und Besiegen von Softwaregesteuerten Feinden. Durch die virtuelle Tötung dieser Feinde werden die Gegenstände
in ihrem Besitz auf den Avatar des Spielers übertragen. Zu diesen Gegenständen
gehören typischerweise Waffen, Kleidung, Medizin und Einheiten einer virtuellen
Spielewährung. Im Falle von WoW ist diese Währung Gold. Diese Tätigkeiten sind
ausgeprägt langwierig, aber notwendig, um einen Spielfortschritt, einerseits in Form der
Steigerung der Fähigkeiten des eigenen Avatars, anderseits in der Form des Erwerbs
virtueller Gegenstände und virtueller Währung, zu erzielen.
Das wiederholte Ausführen gleicher oder ähnlicher Aufgaben reduziert jedoch das
Spielerlebnis und den Spielspaß und ist damit sowohl aus Sicht des Spielers als auch aus
Sicht des Entwicklers nicht erstrebenswert (vgl. Bates 2008). Speziell wird hierbei der
ideale Spielfluss verlassen, der Spieler wird gelangweilt, d.h. die Motivation des Spielers
sinkt rapide ab (vgl. auch James, 2008) (s. Abb. 2).
16
Prof. Dr. W. Broll
Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
Schwierigkeit
Frustration
Spielfluss
(2)
X
Langeweile
(1)
Erfahrung
Abb. 2: Fluss bei wiederkehrenden Tätigkeiten ohne (1) und mit (2) Einsatz eines Bots
Ein Bot kann dem Spieler diese Tätigkeiten abnehmen, indem er sie – auch in
Abwesenheit des Spielers – kontinuierlich durchführt. Die Software übernimmt also auf
diesem Weg die für den Spieler eher unattraktiven langwierigen und langweiligen
Aufgaben, während er sich in der ihm zur Verfügung stehenden Zeit anderen
unterhaltsameren, interessanteren und mehr herausfordernden Tätigkeiten zuwenden
kann. Das heißt obwohl sein virtueller Protagonist den optimalen Spielfluss mehrfach
verlässt, erscheint es für den Spieler als ob er fortlaufend dem optimalen Spielfluss
folgen würde.
6.3. Nutzung von Bots zur Erhaltung sozialer Kontakte
Wie Lehdonvirta & Ernkvist 2010 in ihrem Report Knowledge Map of the Virtual
Economy anhand einer Case Study mit dem Thema „Purchasing virtual currency for
World of Warcraft” eindrucksvoll dargelegt haben, kann die Motivation für Spieler aber
durchaus auch anders geartet sein: In MMORPGs wie WoW sind viele der gestellten
Aufgaben/Missionen nicht alleine lösbar, sondern erfordern die Kooperation mehrerer
Spieler. Spieler schließen sich dazu in mehr oder weniger festen Gruppen zusammen, in
WoW in sogenannten Gilden. Man kann davon ausgehen, dass einem Spieler, der in eine
Gilde aufgenommen wurde spätestens nach dem gemeinsamen Lösen mehrerer
Aufgaben die anderen Mitglieder und der Verbleib in der Gilde wie auch die weitere
gemeinsame Aktivitäten wichtig sind. Es lässt sich jedoch nicht vermeiden, dass einzelne
Spieler aus beruflichen oder privaten Gründen oder auch aufgrund einer Erkrankung für
einen gewissen Zeitraum nicht im gewohnten Umfang spielen können. In der Folge hält
ihre Entwicklung bezüglich der Erfahrung und damit auch den Fähigkeiten ihres
Protagonisten nicht mit der der anderen Gruppenmitglieder Schritt. Da
Aufgaben/Missionen aber typischerweise darauf ausgelegt sind, dass alle gemeinsam
agierenden Spieler eine gleiche oder zumindest ähnliche Entwicklungsstufe erreicht
haben, bedeutet eine längere Abwesenheit in der Spielwelt, dass ein Spieler an den
gemeinsamen Aufgaben/Missionen nicht oder nur eingeschränkt teilnehmen kann (s.
17
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Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
Abb. 3) 1. Während solche Effekte temporär durchaus zu einem gewissen Grad durch
eine Gruppe toleriert werden oder dem Spieler sogar aktiv beispielsweise durch das
Überlassen von Gegenständen oder virtueller Währung geholfen wird (Chen & Duh
2007), ist dies selbstverständlich kein akzeptabler Dauerzustand. Vielmehr erzeugt es auf
Frustration
Schwierigkeit
Spielfluss
Wiedereinstieg des Spielers
X
Entwicklungsstufe
der Gruppe
Langeweile
Erfahrung
beiden Seiten Unzufriedenheit und führt nicht selten zum Verlassen oder gar dem
Ausschluss eines Spielers aus der entsprechenden Gruppe. Es darf unterstellt werden,
dass solche Spieler aufgrund des fehlenden Spielspaßes und des Verlusts der Mitspieler
häufig das Spiel ganz verlassen.
Abb. 3: Fluss in Spielergruppen und Diskrepanz bei der Erfahrung beim Wiedereinstieg
auf dem Schwierigkeitslevel der anderen Gruppenmitglieder nach Abwesenheit
Frustration
Schwierigkeit
Schwierigkeit der Aufgabe
X
X
Spielfluss
Langeweile
Erfahrung
Abb. 4: Fluss in Spielergruppen und Diskrepanz bei der Erfahrung bei unterschiedlicher
zur Verfügung stehender Zeit der einzelnen Spieler
1
So ist beispielsweise in WoW zur Teilnahme an bestimmten Missionen eine bestimmte Erfahrungsstufe
(Level) Voraussetzung
18
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Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
Die Alternative liegt jetzt hier im Erwerb entsprechender Gegenstände oder virtueller
Währung unter Einsatz von zusätzlichem realen Geld. Wie Heeks 2009 dargelegt hat, ist
der unkontrollierte RMT-Markt wie er beispielsweise bei WoW existiert, für viele Spieler
durchaus abschreckend aufgrund der damit verbundenen Ungewissheiten. Bots stellen
in solchen und vergleichbaren Situationen somit quasi die einzige Möglichkeit dar, zum
aktuellen Stand der Spielergruppe aufzuschließen und damit sowohl die sozialen
Kontakte als auch den Spielspaß zu erhalten. Diese Erkenntnis lässt sich auch soweit
verallgemeinern, dass in Gruppen den einzelnen Spieler zumindest temporär häufig
unterschiedlich viel Zeit und damit Möglichkeit zur Erfahrungsgewinnung zur Verfügung
steht. Dies kann letztendlich zu einer solchen Heterogenität innerhalb einer Gruppe
führen, dass diese auseinanderbrechen wird (siehe Abb. 4). Durch gezieltes RMT bzw.
Botting kann diesem Effekt entgegengewirkt werden.
Da Spieler für die Nutzung eines Bots bezahlen, wird mittels der Bot-Nutzung faktisch
das zu verbrauchende knappe Gut Zeit für den Spielfortschritt durch Geld substituiert.
Ein Prozess, wie er im täglichen Leben üblich ist. Wenn ein Grundstückseigentümer
keine Zeit für die Rasenpflege hat oder ihm die Tätigkeit zu langweilig erscheint, stellt er
einen Gärtner ein oder nutzt einen Rasenmähroboter. Dieses Prinzip wird in vielen
Onlinespielen, sowohl in MMORPGs, aber noch mehr Social Games intensiv eingesetzt
und stellt im Falle eines Free-to-Play-Ansatzes sogar den Kern des Geschäftsmodells dar.
6.4. Nutzung von Bots zur erhöhten Identifikation mit Spiel-Avatar
Spielmotivation und Spielerleben in MMORPGs wie WoW stehen wie bereits erwähnt in
einem engen Zusammenhang mit dem Erfolg, der Erfahrung und der Leistungsfähigkeit
des Spiel-Avatars. In WoW drückt sich die Erfahrung des Avatars durch sein Level (in
etwa Entwicklungsstufe) aus. Eine Steigerung des Levels ist durch das Sammeln von
Erfahrungspunkten möglich. Dies wiederum geschieht durch das ebenso bereits
erwähnte virtuelle Töten von computergesteuerten Gegnern. Ein Bot erleichtert also
dem Spieler unter Umständen das Erreichen höherer Levels, indem er dem Spieler die
Tätigkeiten des wiederholten Besiegens von Gegnern abnimmt. Dabei muss erneut
betont werden, dass dies durch einen Bot nur im gleichen Umfang erfolgen kann, wie es
der Spieler selbst durch die aktive Nutzung der Spiel-Software könnte. Der Spieler
erspart sich jedoch den erhöhten nötigen Zeitaufwand und kann mit Hilfe eines Bots den
gewünschten Spiel-Level erreichen. Durch den auf diesem Weg weiter fortgeschrittenen
Spiel-Avatar kann von einer ausgeprägten Steigerung des Spielerlebens und der
Spielmotivation bzgl. der zukünftigen Spielnutzung ausgegangen werden. Außerdem
identifizieren sich Nutzer mehr mit fortgeschrittenen Avataren, die ihren Vorstellungen
an eine hochwertige Spielfigur entsprechen. Diese intensive Identifikation führt auch zu
einer intensiveren Bindung der Spieler an das Spiel. Daraus lassen sich für den
Spieleanbieter in der Summe mehrheitlich positive Effekte ableiten. Da beispielsweise
das Geschäftsmodell von WoW auf einem Abonnement beruht, führt eine zeitlich
19
Prof. Dr. W. Broll
Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
längere Nutzung des Spiels auf direktem Weg zu Mehreinnahmen auf Seiten des
Betreibers.
6.5. Schlussfolgerungen
Die Spieler, die sich letztendlich für eine Bot-Nutzung entscheiden, tun dies nicht mit der
Absicht einer böswilligen Manipulation, wie dies beispielsweise bei einem Hack in der
Regel der Fall ist, sondern zur Verbesserung des eigenen Spielerlebnisses. Nötiger
Zeitaufwand wird durch einen finanziellen Einsatz für eine Bot-Software substituiert, um
sicherzustellen, dass der persönliche Spielspaß erhalten bleibt. Viele Spielanbieter,
insbesondere solche die nach dem Free-to-Play-Prinzip arbeiten (beispielsweise die
meisten Browser- und Social-Games) aber auch die Anbieter von MMORPGs
ermöglichen daher den Zukauf von Spielegegenständen (Item-Selling), Spielefortschritt
oder Spielewährung durch den Kauf mit realer Währung (RMT). Wie Lehdonvirta &
Ernkvist (2010) festhalten, ist dahinter nicht primär eine Verdrängung von echtem
Spielerfolg durch monetäre Leistungen finanziell besser Gestellter zu sehen, sondern
insbesondere auch ein Ausgleich zum Erhalt der Spiele-Balance (siehe auch Bates 2008)
für solche Spieler, die nicht die gleichen zeitlichen Freiräume haben, wie andere Spieler.
Es ist daher eher verwunderlich, dass Anbieter wie Blizzard im Falle von WoW eine
solche Möglichkeit zumindest bisher nicht in Betracht gezogen haben.
Insbesondere vor diesem Hintergrund ist die technische und teilweise gerichtlich
erfolgreich durchgesetzte (vgl. Glider- und Spiro-Bots) Abschottung der WoW-SpieleInfrastruktur für die Anbieter von Software-Tools unter Berücksichtigung der daraus
resultierenden Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten für die Spieler in Bezug auf
ihre Rechtmäßigkeit fraglich. Als mögliche Ansatzpunkte genannt seien hier nur der
Artikel 6 der Computer Programs Directive der EU, in Deutschland umgesetzt in §69e
UrhG. Wie bereits ausgeführt, ist die Rechtmäßigkeit des EULA zumindest ebenso
fraglich. Jedoch selbst im Falle einer Bekanntgabe vor dem Kauf, d.h. einer Gültigkeit im
Sinne einer AGB, wäre die Wirksamkeit aufgrund einer einseitigen Benachteiligung des
Endnutzers durch den Ausschluss der Verwendung von Tools in Verbindung mit der
erworbenen bzw. lizensierten Client-Software unter Ausnutzung einer unter Umständen
im Bereich der Spieleinfrastruktur als markbeherrschend einzustufenden Stellung nicht
zwangsläufig gegeben.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Bots dem Spieler Arbeit abnehmen, die dieser
auch selbst erledigen könnte. Sie tun dies nicht in einer Intensität, die sich von der eines
Hardcore-Spielers unterscheidet. Nachweislich besteht zumindest für einen nicht
unerheblichen Teil der Spieler ein Bedarf an solchen Tools beziehungsweise den durch
sie geschaffenen Möglichkeiten zur Erhaltung des Spielspaßes. Die Nutzung von Bots
kann die Kundenbindung und die Nutzungsdauer von MMORPGs somit sogar positiv
beeinflussen. Schlussendlich haben es Anbieter wie Blizzard im Falle von WoW bisher
20
Prof. Dr. W. Broll
Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
versäumt, selbst ein System einzuführen, welches es den Spielern erlaubt, mit weniger
Zeitaufwand (und mehr Geldaufwand) ebenso erfolgreich im Spiel zu sein, wie andere
Spieler, die entsprechend mehr Freizeit und damit Möglichkeiten zum Spielen haben.
Daraus zu folgern, dass dies auch Drittanbietern zum Nachteil dieser Nutzer nicht
erlaubt sein soll, erscheint bedenklich.
21
Prof. Dr. W. Broll
Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
7. Der Einfluss von Bots auf die Ökonomie in MMORPGs
7.1. Auswirkungen von Bots auf die spielinterne Ökonomie
Neben der Steigerung der Erfahrung des Spiel-Avatars werden Bots zur Gewinnung von
virtuellen Gütern und virtueller Währung genutzt. Im Regelfall geschieht dies durch das
Besiegen von gleichen oder ähnlichen computergesteuerten Gegnern in einer
bestimmten Region der Spielwelt. Wie bereits dargelegt, werden mit jeder virtuellen
Tötung die Besitztümer des Gegners auf den Spieler übertragen. Auch hierbei handelt es
sich aus spielerischer Sicht um sehr eintönige und langweilige Tätigkeiten. Diese sind
jedoch beispielsweise in WoW nötig, um Güter und Gold zu erhalten. Im Fall des
Ansammelns entsprechenden virtuellen Besitzes übernimmt der Bot also erneut eine
wenig unterhaltsame Arbeit, um dem Spieler die Möglichkeit zu geben, seine zumeist
sehr begrenzte Freizeit mit unterhaltsameren, interessanteren und mehr
herausfordernden spielerischen Tätigkeiten zu verbringen.
Nach eigener Aussage von Blizzard Entertainment (vgl. Gutachten Castronova 2007) ist
das Wirtschaftssystem für „normale“ oder „typische“ Spieler konzipiert. Dabei handelt
es sich um eine sehr pauschalisierende Einschätzung, da es „den normalen Spieler“ gar
nicht gibt. Es gibt sicherlich ein durchschnittliches Spielverhalten, dass sich vor allem im
arithmetischen Mittel der Dauer der Spielnutzung ausdrücken lässt. Die Abweichungen
nach oben und unten sind wie bei allen statistischen Angaben aber nicht zu
unterschätzen. Wie bereits dargelegt gibt es Spieler, die WoW zwischen durchschnittlich
wenigen Minuten und einer Vielzahl von Stunden pro Tag nutzen (siehe Abschnitt 5.1).
Welche davon die „normalen“ Spieler sein sollen, erscheint unklar.
Auch in diesem Fall kann ein Bot wiederum nicht anders und auch nicht mehr Güter
sammeln, als es der Spieler in der gleichen Zeit selber tun könnte, d.h. die effektive
Online-Spielzeit ist in beiden Fällen prinzipiell gleich. Aus Sicht des Anbieters entsteht
hier also nicht zwangsläufig die Reduzierung der kostenpflichtigen Online-Zeit und damit
auch nicht der Einnahmen, außer dies wird durch ein pauschalisiertes
Abrechnungsmodell bewusst toleriert, wie dies beispielsweise bei WoW in den meisten
Ländern der Fall ist.
Andererseits bleibt festzuhalten, dass der Effekt, der von der Nutzung der Bots auf die
Spielökonomie ausgeht selbstverständlich die gleichen Effekte (mit der Folge der
Mudflation) hat, wie bei jedem Nicht-Bot-Benutzer auch (vgl. Abschnitt 4.1). Es bleibt
somit noch der Effekt zu beurteilen, dass Farmspots möglicherweise zumindest
temporär aufgrund von Bots stark frequentiert wären. Diesem Effekt wird jedoch
entgegen gehalten, dass entsprechend mehr dort „gefarmte“ Güter zum Verkauf
angeboten werden (bei WoW beispielsweise im internen „Auktionshaus“) und deren
Preis dort entsprechend sinkt.
22
Prof. Dr. W. Broll
Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
Auf Basis der Argumentation, Bots oder deren Anbieter als Ursache für eine Verzerrung
in der Spielökonomie darzustellen, könnte man das gleiche genauso mit Spielern tun, die
besonders wenig spielen, die besonders viel spielen oder die besonders einseitig spielen.
Diese Aufzählung ließe sich hier beliebig fortsetzen. Ein Spieleanbieter steht jedoch wie
jeder Anbieter eines Produktes vielmehr in der Verantwortung, auf neue Entwicklungen
und Trends – welcher Gestalt diese auch sein mögen – mit der Anpassung seines
Produktes zu reagieren.
7.2. Auswirkungen von Bots auf das Verhältnis zwischen virtueller und realer
Ökonomie
Wie von Heeks (2009) in seiner Studie dargelegt wurde, sind die Preise für virtuelle
Währung rückläufig. D.h. es findet eine massive Entwertung der Spielewährungen
gegenüber realen Währungen statt 2. Ursächlich sind laut der Studie allerdings nicht
etwa Bots, sondern die Zersplitterung der Gold Farming Branche: Aufgrund des
Wettbewerbs (höheres Angebot) und dem Fehlen weiterer großer
Kostensenkungspotentiale können nicht mehr gleichermaßen hohe Gewinne wie in der
Vergangenheit abgeschöpft werden.
Es bleibt zu untersuchen, ob und wenn ja wie sich die Nutzung von Bots hierauf
auswirkt. Laut der Studie von Lehdonvirta & Ernkvist (2010) setzt sich der Preis für über
RMT angebotene Spielewährung (aufgezeigt am Beispiel von WoW-Gold) aus dem
Verdienst für den oder die Berufsspieler, den Kosten des Game Studios sowie den
Aufschlägen mehrerer Zwischenhändler zusammen. In den Kosten des Game Studios
enthalten sind hier die Abonnementgebühren für das Gold Farming und die
Bereitstellung der Infrastruktur, etc.
Man könnte also durchaus zu dem Schluss gelangen, dass Nutzer eine einfache
betriebswirtschaftliche Betrachtung der Kosten für den verringerten Aufwand im Spiel
durchführen. Am Ende steht dann die Entscheidung für die Nutzung eines Bots oder des
Erwerbs der Güter oder Spielwährung in Form von RMT. Dies könnte den Wettbewerb in
der Gold-Farming-Branche und damit die Entwertung der Spielewährung (gegenüber
realen Währungen) weiter erhöhen. Die Ursache läge jedoch nicht direkt bei den Bots
und deren Nutzern, sondern bei klassischen ökonomischen Effekten (sinkender Preis bei
sinkender Nachfrage) der realen Ökonomie.
Für Spieler, die ein bestimmtes Gut oder einen bestimmten Betrag in der virtuellen
Währung erwerben wollen, oder den Erfahrungsgrad ihres Protagonisten erhöhen
möchten, ist neben den Kosten auch der Nutzen relevant. Auf der einen Seite kann mit
dem ausschließlichen Einsatz von Gold nicht die Erfahrung (Level) des Spielcharakters
2
Während die Preise für die virtuelle Währung WoW-Gold im August 2011 noch bei bis zu 300€ für
300.000 WoW-Gold lagen, sank der Preis bis März 2012 auf unter 100€, was einer Inflationsrate von
über 200% bei WoW-Gold binnen weniger Monate entspräche.
23
Prof. Dr. W. Broll
Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
gesteigert werden. Auf der anderen Seite kann für Bot-Nutzer jedoch auch die größere
Vertragssicherheit ein wesentlicher Punkt ihrer Entscheidung sein. Durch den
zersplitterten Gold-Farming-Markt (vgl. Heeks 2009) gibt es wenige anerkannt
zuverlässige Händler. Zu kleinen Anbietern besteht der Kontakt jedoch häufig nur über
eine entsprechende wenig aussagekräftige Web-Seite. Bot-Anbieter hingegen haben
ihren Sitz zumindest in der Vergangenheit häufig in Ländern gehabt, die dem Wunsch
der meisten Spieler nach einer soliden Geschäftspraxis deutlich näher kamen.
Ob und auf welche Weise Spieler jedoch eine Entscheidung für oder gegen eine BotNutzung bzw. für oder gegen den RMT von WoW-Gold fällen ist unbekannt. Es kann also
möglich sein, dass aufgrund unbekannter Faktoren eine Verschiebung von GoldEinkäufen bei kommerziellen Anbietern hin zu einer individuellen Bot-Nutzung
stattfinden wird. Ursächlich für diesen Effekt sind normale betriebswirtschaftliche
Kalkulationen der Spieler und die bereits erläuterten Schwachpunkte der virtuellen
Volkswirtschaft, die die genannten Effekte verursacht oder möglich macht.
Es ist jedoch in keinem Nutzungsszenario zu erwarten, dass der Preis für virtuelle
Währung und Güter auf dem RMT-Markt beliebig weiter sinken wird, da stets die Kosten
für die Nutzungszeit und die Infrastruktur anfallen. Die Auswirkungen von Bots auf das
Verhältnis zwischen virtueller und realer Ökonomie sind zusammenfassend nach
aktuellem Forschungsstand nur spekulativ zu erläutern.
7.3. Schlussfolgerungen
Wie dargelegt wirken sich Bots auf die Ökonomie innerhalb von MMORPGs in gleicher
Weise aus wie reale Spieler. Dies ist naheliegend, da sie exakt die gleichen Tätigkeiten
durchführen wie ein realer Spieler. In Bezug auf die verbreitete Mudflation bedeutet
dies jedoch, dass, soweit dies ohne ausgiebige empirische Untersuchungen postuliert
werden kann, sie diese offenbar weder nennenswert beschleunigen noch verzögern
oder sonst verändern können.
Im Gegensatz dazu, kann man vermuten, dass der Einsatz von Bots die Konsolidierung in
der Gold-Farming-Branche weiter beschleunigen kann. Es bleibt allerdings festzuhalten,
dass dieses Außenverhältnis der Spielewährung lediglich für Gold-Farmer, deren Kunden
und potentielle Botter von Relevanz ist. Auch wären mögliche Effekte nicht ursächlich in
der Bot-Nutzung. Alle anderen Spieler, die weder Bots nutzen, noch Gold auf dem RMTMarkt erwerben, werden hiervon zunächst einmal nicht tangiert.
24
Prof. Dr. W. Broll
Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
8. Kritische Würdigung des Gutachtens von Dr. Edward Castronova
(2007)
Im Gutachten „Auswirkungen von ‚Botting‘ aufWorld ofWarcraft®“ (Original vom
13.11.2007; beglaubigte Übersetzung vom 4.11.2001) setzt sich Dr. Edward Castronova
mit der Nutzung des Glider-Bots und seinem Einfluss auf die Geschäftstätigkeit von
Blizzard Entertainment auseinander. Während das Gutachten an sich eine scheinbar
lückenlose und schlüssige Argumentationskette zu verfolgen scheint, zeigen sich bei
intensiverer Betrachtung doch eine Reihe von Widersprüchen und Ungenauigkeiten,
welche, wie im weiteren Verlauf gezeigt werden wird, an den Ergebnissen und
Schlussfolgerungen des Gutachtens doch erhebliche Zweifel aufkommen lassen.
8.1. Rechtmäßigkeit der Bot-Herstellung
In der Zusammenfassung seines Gutachtens schreibt Dr. Castranova dass die
Nutzungsbedingungen von Blizzard Entertainment und WoW „Glider wie alle anderen
Bots auch“ verbieten. Diese Aussage ist in der getroffenen Form falsch oder zumindest
unzutreffend formuliert. Nutzungsbedingungen eines Softwareherstellers können
grundsätzlich nicht die Herstellung von Software eines anderen Herstellers verbieten.
Die Herstellung einer bestimmten Software könnte lediglich von Gesetz wegen verboten
sein, wie dies beispielsweise in Europa für Software zur Umgehung eines Kopierschutzes
der Fall ist. Blizzard Entertainment untersagt allerdings in seinen Nutzungsbedingungen
die Nutzung von Bots durch seine Spieler. Das ist jedoch ein entscheidender
Unterschied. Denn hieraus wird deutlich, dass, die Hersteller von Bots in ihrer
unternehmerischen Tätigkeit nicht von Blizzard eingeschränkt werden und dies auch
nicht dürften. Unabhängig davon bleibt die Anwendbarkeit der Nutzungsbedingungen
zumindest auf europäische beziehungsweise deutsche Nutzer wie bereits dargelegt
ohnehin fraglich.
8.2. Fähigkeiten von Bots und Auswirkungen auf andere Spieler
Im Gutachten wird verallgemeinernd geschlussfolgert, dass Bot-Nutzer die Levels ihrer
Spielfigur beträchtlich schneller steigern und dass andere Spieler dadurch zu Frustration
neigen. Das ist sachlich falsch, denn der Bot kann weder schneller noch anders agieren,
als ein Spieler es könnte. Außerdem (siehe unten) kann nicht zwingend von einer
deutlich höheren Nutzungszeit als bei Vielspielern ausgegangen werden. Generell sind
Spieler im Allgemeinen durchaus damit vertraut, dass es andere Spieler mit schnellerer
wie auch langsamerer Entwicklung gibt. Durch die erfolgreiche Verbreitung des Free-2Play-Modells in den letzten Jahren sind Spieler außerdem daran gewöhnt, dass sich
Mitspieler Spielvorteile und Zeitersparnis durch den Einsatz von Geld erkaufen können.
25
Prof. Dr. W. Broll
Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
8.3. Nutzungsdauer bei Spielern und Bots
In dem Gutachten wird argumentiert (siehe auch unten), dass reguläre Spieler lediglich
ca. zwei Stunden pro Tag spielen würden, während Bots 24 Stunden pro Tag – also
durchgängig – in Betrieb seien. Daraus wird gefolgert, dass Bot-Nutzer das Spiel nach
einem Zwölftel der Zeit (2/24 = 1/12) zu Ende gespielt hätten. Abgesehen davon, dass
die Zahlen über die durchschnittliche Nutzungsdauer erheblich unter denen in anderen
Studien festgestellten liegen (vgl. Schultheiss 2010 und Yee 2006a), gibt es nachweislich
Spieler, die 12 Stunden und mehr pro Tag in WoW verbringen. Der Faktor schrumpft hier
bereits auf den Faktor ½ zusammen. Auch wenn derzeit keine Ergebnisse darüber
vorliegen, wie lange Bots pro Tag durchschnittlich im Einsatz sind, so ist doch davon
auszugehen, dass Bots soweit sie von Spielern eingesetzt werden, nicht kontinuierlich
(d.h. deutlich weniger als 24h pro Tag) laufen. Dies mag zum Teil daran liegen, dass der
entsprechende Computer temporär von anderen Nutzern genutzt wird, zeitweise nicht
angeschaltet ist, etc. Doch selbst wenn man diese schlecht zu quantifizierenden Effekte
unberücksichtigt lässt, so wird ein Spieler zum Erleben des Spielspaßes – denn wie
gezeigt wurde ist dies die primäre Motivation für den Einsatz von Bots durch Spieler –
eine gewisse Zeit auch selbst, das heißt ohne Nutzung des Bots, spielen wollen.
8.4. Einfluss von deflationären und inflationären Effekten
Im Gutachten werden zwei Effekte des Bottings beschrieben: Einerseits ein Überangebot
an Waren mit dem entsprechenden Verfall der spielinternen Warenpreise, d.h. eine
Deflation. Es wird argumentiert, dass dies normalen Spielern nicht mehr ermöglichen
würde, für ihre produzierten oder erkämpften Waren einen entsprechenden Gegenwert
in der Spielewährung zu erhalten. Andererseits ein Überangebot an virtueller
Spielewährung (Gold) mit einem entsprechenden Anstieg der spielinternen
Warenpreise, d.h. eine Inflation. Hier wird argumentiert, dass Spieler sich nicht mehr die
entsprechenden Waren leisten könnten. Da beide Effekte jedoch gegenläufig sind, bleibt
offen, ob sie in der Summe tatsächlich einen nennenswerten Effekt haben. Auch bleibt
hier unberücksichtigt, dass die Schwankung der Anzahl aktiver Spieler ebenso einen u.U.
deutlich größeren Einfluss auf den virtuellen Geld- und Warenwert hat. Weiterhin wird
unterstellt, dass der Verkaufswert von Gegenständen von Seiten Blizzards festgelegt
worden sei und die Spieleökonomie nur auf dieser Basis funktionieren würde. Wenn
dem so wäre, gäbe es in WoW kein freies Handelssystem, bei dem Spieler selbst den
Preis für Gegenstände aushandeln können, sondern eine Form der zentralen
Planwirtschaft, bei der die Preise für einzelne Güter zentral (seitens des Spieleanbieters)
festgelegt sind. Die Ökonomie in WoW wurde aber bewusst so konzipiert, dass sich
Preise zunächst frei nach Angebot und Nachfrage entwickeln können, wenngleich es für
den Spielebetreiber selbstverständlich jederzeit leicht möglich ist, die Geld- und
Ressourcenmenge zu beeinflussen, indem neue Geldquellen (z.B. die WoW „Daily
26
Prof. Dr. W. Broll
Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
Quests“) eingeführt werden oder neue (mächtigere) Gegenstände eingeführt werden,
die neue oder andere Rohstoffe benötigen (vgl. auch Heeks 2009).
8.5. Problematisierung von Bots auf Basis von Nutzerbeschwerden
Weiterhin werden in dem Gutachten 300 Tsd. Beschwerden über Bots aufgeführt und
der Aufwand seitens Blizzard bezüglich der Überprüfung und Verfolgung aufgeführt. Es
ist davon auszugehen, dass die meisten Spieler mit der Existenz und der grundsätzlichen
Funktionsweise von Bots vertraut sind. Wie in dem Gutachten weiterhin dargelegt
wurde, sind Bots und Spieler, die sich in ihrer Spielweise Bot-ähnlich verhalten quasi
nicht voneinander zu unterscheiden. Es bleibt also offen, ob die Beschwerden tatsächlich
auf Botting zurückzuführen sind oder es sich hier zu einem mehr oder minder großen
Teil auch um Nutzer handelt, die aus anderen Gründen über das Spiel einschließlich
anderer Nutzer unzufrieden sind und dies hier zum Ausdruck bringen. Insgesamt bleibt
festzuhalten, dass bei 12 Mio. Nutzern (Blizzard 2010) die Anzahl bei maximal einer
einzigen Nachricht je Benutzer (was sicherlich eine sehr konservative Abschätzung ist)
lediglich einem Anteil von 2.5% der Nutzer entspricht. Die aufgeführten
Schlussfolgerungen sind somit zumindest als äußerst spekulativ einzuschätzen.
8.6. Berechnung des Schadenswertes
Die Berechnung des monetären Schadens durch Bot-Nutzer (105$ pro Nutzer) erscheint
wenig substantiiert.
•
•
•
Die Basis der Berechnung erscheint willkürlich. Die nachgewiesene durchschnittliche
Nutzungszeit von WoW liegt nach den Erkenntnissen verschiedener Studien (siehe
oben) über den von Castronova genannten und nicht belegten zwei Stunden pro Tag.
Weiter ist unklar, ob es sich bei den Bot-Nutzern um durchschnittliche Spieler, um
Wenigspieler oder um Vielspieler handelt, würden sie die ständig zu wiederholenden
Aufgaben im Spiel selbst übernehmen. Für eine sachlich korrekte Berechnung wäre
dieses Wissen jedoch nötig.
Ebenso erscheint die These, dass Spieler nach Erreichen des momentan
höchstmöglichen Levels das Spielabonnement unmittelbar kündigen, mehr als
zweifelhaft. Vielmehr ist von einem gegenteiligen Effekt auszugehen, denn mit
einem starken Spielcharakter ist der Spielspaß nachweislich (vgl. Abschnitt 5.3) viel
ausgeprägter und die Spieler nutzen WoW weiterhin. Das ermöglichte dem Betreiber
vergleichbare Einnahmen, wie es bei einem Nicht-Bot-Nutzer der Fall wäre.
Die angegebene Schadenssumme von $ 20 Millionen, die abgesehen vom fiktiven
Anteil der Bot-Nutzer – der nachweislich sachlich falsch ist (siehe oben) – auch noch
weitere Kosten für Kundenbetreuung, Überwachung und Entwicklung enthält, ist in
jedem Fall anzuzweifeln, da weder Teilkosten noch die Grundlage für die Berechnung
offengelegt werden.
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Prof. Dr. W. Broll
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Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
Selbst unter der Annahme, dass Blizzard tatsächlich ein solcher Schaden aufgrund
des dargelegten Nutzerverhaltens entstehen würde, so bleibt offen, warum Blizzard
in diesem Fall das Abrechnungsmodell nicht entsprechend angepasst hat: Eine
einfache Änderung des Abrechnungsmodells für das Abonnement (beipielsweise auf
Stundenbasis) hätte hier den angeblichen Verlust auf Null reduziert und hätte
gleichzeitig einen positiven Aspekt für Wenigspieler im Vergleich zu sogenannten
Powerspielern gehabt. Tatsächlich nutzt Blizzard ein solches Abrechnungsmodell
sogar bereits in China, d.h. es ist aus technischer Sicht bereits umgesetzt und könnte
demnach mit verhältnismäßig geringem Aufwand auf andere Länder ausgedehnt
werden.
8.7. Einordnung von Bots
Schlussendlich erscheint Dr. Castronova in seiner Begutachtung gegenüber Bots stark
negativ voreingenommen. So spricht er unter anderem von einem Bot „mit seinem
lästigen und zerstörerischen Verhalten“. Von Belästigungen und Zerstörungen in
jedweder Form kann im Kontext von Bot-Software wie Glider, Honorbuddy oder
Gatherbuddy keine Rede sein. Diese Bots können die virtuelle Welt lediglich in der Weise
beeinflussen, wie dies auch ein realer menschlicher Spieler tun könnte – nicht anders
und auch nicht schneller. Solche Bots sind nicht mit Cheats oder Cracks zu verwechseln,
wo die Client-Software gezielt manipuliert wird, um im Spiel Fähigkeiten zu erwerben,
die andere Nutzer nicht haben (Teleportation, Fliegen, Unverwundbarkeit, etc.), Dinge
schneller als anderen Nutzer tun zu können oder virtuelle Geldbeträge direkt zu
manipulieren.
8.8. Schlussfolgerungen
Das genannte Gutachten scheint – zumindest für den deutschen Markt – von falschen
Voraussetzungen auszugehen und stellt nicht belegbare Thesen und Schadenssummen
in den Raum. Somit entsteht insgesamt den Eindruck einer leider nicht ganz objektiven
Sichtweise des Verfassers. Die Aussagen und Schlussfolgerungen sind daher
grundsätzlich in Frage zu stellen.
Darüber hinaus basiert die berechnete Schadenssumme auf einem Abrechnungsmodell,
was Blizzard zumindest in China bereits durch eines ersetzt hat (vgl. Daeity 2010), bei
welchem diese theoretischen und unbewiesenen Mindereinnahmen überhaupt nicht
mehr anfallen können. Dass dies trotz der vorhandenen softwaretechnischen Lösung in
anderen Ländern nicht passiert ist, lässt es als wahrscheinlich erscheinen, dass hiervon
seitens des Spielebetreibers keine nennenswerten Mehreinnahmen erwartet werden.
Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass davon auszugehen ist, dass es in diesen Ländern
zu keinen nennenswerten Ausfällen durch Gold Farming und Bots kommt, da andernfalls
die Motivation für die Ausdehnung des Abrechnungsmodells extrem hoch sein müsste.
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Prof. Dr. W. Broll
Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
9. Schlussbetrachtungen
Ziel dieses Gutachtens war die Untersuchung der Einflüsse von Tools auf die Ökonomie
und Spielspaß in MMORPGS (speziell World of Warcraft) unter besonderer
Berücksichtigung der Unterschiede zwischen realer und Spielökonomie und dem
möglichen Einfluss von Bots auf diese. Im Folgenden werden die Ergebnisse dieser
Analyse thesenartig zusammengefasst.
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Die virtuelle Volkswirtschaft von WoW ist an reale Volkswirtschaften angelegt,
verfügt jedoch über gravierende Schwachpunkte (v.a. eine unbegrenzte
Geldmenge, die zur Mudflation, einer speziellen Variante der (Hyper-)Inflation
führt).
Grundlegende Defizite in der Ökonomie von WoW werden seitens Blizzard nicht
behoben. Dies betrifft insbesondere die fehlende Begrenzung des
Geldmengenwachstums und die daraus resultierende (Hyper-) Inflation.
Zügiger Spielfortschritt motiviert die Spieler von WoW und animiert zu einer
zeitlich längeren Nutzung.
Die Nutzung eines Bots kann Spielfortschritt in einem realistischen Maße
ermöglichen, wie ihn andere Spieler haben können, die intensiver spielen.
Nötiger Zeitaufwand wird hier jedoch durch eine monetäre Gegenleistung
substituiert.
Durch Bots können Defizite im Spieldesign, insbesondere im Bereich der
Flusskontrolle behoben werden, wodurch sich der Spielspaß und das
Spielerlebnis für den Spieler verbessern.
Die Behebung von Spieldefiziten durch den Einsatz externer Software-Tools per
EULA oder AGB zu unterbinden erscheint eine einseitige Ausnutzung der
Vertragsgestaltung.
Blizzard bietet selbst keine entsprechenden Tools an, versucht aber die eigene
Spieleinfrastruktur durch die Schaffung von Markteintrittsbarrieren und durch
gerichtliches Vorgehen gegenüber anderen Software-Anbietern abzuschotten.
Dies erscheint im unmittelbaren Widerspruch zu einschlägigen gesetzlichen
Regelungen (z.B. die europäische Computer Programs Directive).
Bots werden typischerweise ausschließlich in einem Umfang genutzt, wie es auch
menschliche Spieler tun könnten. Extrem abweichende Nutzungsmuster sind
nicht zu erwarten.
Die Bindung an einen fortgeschrittenen Spiel-Avatar ist stärker, als die an einen
schwächeren.
Eine stärkere Bindung an den Avatar erhöht die Spielmotivation und die erlebte
Unterhaltung im Spiel. Das führt zu einer zeitlich längeren Nutzung.
Die Nutzung externer Tools kann Spielmotivation, Spielerleben und
Nutzungsintensität der Spieler von WoW positiv beeinflussen.
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Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
Spieler, die Bots nutzen, empfinden einen ausgeprägteren Spielspaß und spielen
WoW länger.
Bots als externe Tools haben keinen nachweisbaren negativen Einfluss auf die
virtuelle Ökonomie in WoW.
„Gold Farming“ stellt in MMORPGs eine Hauptursache für die Entwertung der
virtuellen Währung gegenüber realer Währung dar. Dieser Aspekt ist für Spieler, die
weder virtuelle Währung kaufen noch verkaufen wollen, jedoch ohne Relevanz.
Blizzard ergreift gegen das Gold Farming keinerlei technischen Maßnahmen, obwohl
dies möglich erscheint.
Von einer generellen Inflation der Spielewährung aufgrund Bot-Aktivitäten kann
nicht ausgegangen werden. Während eine erhöhte Geldmenge zwar die Inflation
begünstigt, wirkt das höhere Angebot virtueller Güter dem jedoch entgegen, so dass
in manachen MMORPGs sogar eine Deflation zu beobachten ist. Als Ursache für die
sogenannte Mudflation kommen in erster Linie andere Aspekte in Betracht,
insbesondere die ungeregelte Vermehrung virtueller Währung und Güter an sich.
Die im Gutachten von Edward Castranova getroffenen Annahmen lassen sich auf der
aktuellen Datenlage nicht bestätigen oder teilweise sogar widerlegen. Die dort
getroffenen Schlussfolgerungen sind somit als fragwürdig einzustufen. Selbst der
angebliche direkte finanzielle Schaden ließe sich seitens Blizzard durch eine
geringfügige Anpassung des Abrechnungsmodells vollständig beheben.
Blizzard Entertainment entsteht durch die Nutzung von Bots kein direkter oder
indirekt messbarer Schaden.
Nach vertiefender Analyse des Spieltyps der MMORPGs im Allgemeinen, von World of
Warcraft im Speziellen, von Ökonomie, Spielmotivation und Spielerleben genau wie
deren gegenseitigen Einflüssen aufeinander, bleibt daher festzuhalten, dass kein
unmittelbar auf Bots zurückzuführender negativer Einfluss auf die virtuelle Ökonomie
von World of Warcraft nachweisbar ist, sondern im Gegenteil sogar ein positiver Einfluss
auf die langfristige Spielmotivation und damit längere Nutzungsdauer des Spieles an sich
zu erwarten ist.
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Prof. Dr. W. Broll
Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
Unterschrift
Das vorliegende Gutachten wurde auf Basis der angegebenen Quellen, unparteiisch und
nach bestem Wissen und Gewissen erstellt.
Erfurt, den 28. März 2012
Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Broll
Professor für Virtuelle Welten und
Digitale Spiele an der TU Ilmenau
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Prof. Dr. W. Broll
Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
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Prof. Dr. W. Broll
Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
Glossar
AGB
Allgemeine Geschäftsbedingungen: vorformulierte Vertragsbedingungen. Die
entsprechenden Regelungen und Vorschriften sind in europaweit geregelt, in
den einzelnen Ländern der EU jedoch individuell umgesetzt. In Deutschland
durch das AGB-Gesetz.
Bots
Kurzform von Robot. Bei Bots handelt es sich um Computerprogramme, die
zumeist im Hintergrund eine wiederkehrende Aufgabe ohne Eingriff des
Benutzers durchführen können. Bei Online-Mehrspieler-Computerspielen
übernehmen Bots teilweise die Steuerung der Avatare menschlicher Spieler.
Auch werden sie zur Steuerung von NPCs (non player characters) verwendet.
CA
Character Attachment: Verbundenheit eines Spielers mit dem Protagonisten
des Spiels. Besonders ausgeprägt bei virtuellen Welten wie MMORPGs, wo
jeder Benutzer durch seinen persönlichen und in Aussehen und
Eigenschaften anpassbaren Avatar repräsentiert wird.
Cheat
Nutzung externer Programme zur Beeinflussung des Spielverlaufs in nicht
regulärer, d.h. spielkonformer Weise, um sich dadurch einen persönlichen
Vorteil zu verschaffen (auf Deutsch: Betrug, Schwindel).
EULA
End User License Agreement (auf Deutsch: Endbenutzer-Lizenzvertrag).
Lizenzvereinbarung zur Nutzung von Software. Wird zumeist bei Installation
der Software angezeigt und muss explizit bestätigt werden. In diesem Fall in
Deutschland für den Käufer nicht bindend, da nicht Vertragsbestandteil.
Sofern sie dem Käufer vor dem Kauf zugänglich gemacht wurden,
entsprechen sie den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und
unterliegen den entsprechenden Vorschriften.
Free-2-Play-Modell Auch F2P. Kostenlose Nutzung von Spielen und Spieleinhalten. In
der Regel erfolgt der Bezug über Download. Das Geschäftsmodell basiert auf
dem Einspielen von Werbung und dem Zukauf von Game Items oder anderen
Zusatzangeboten (z.B. weitere Level, erweiterte Funktionalität, etc.). Der
Zukauf ist ähnlich zu RMT, im Gegensatz dazu ist jedoch der Spieleanbieter
einziger Verkäufer.
Gold Farming Das professionelle Generieren einer Spielewährung zum Zweck des
Verkaufs gegen reale Währung.
Hack
Im Kontext von Computerspielen ist unter einem Hack die Ausnutzung einer
vom Hersteller ursprünglich nicht vorgesehenen Zugangsform zur
Manipulation des Spiels oder dem Ausführen erweiterter Funktionalität zu
verstehen. So gesehen ähnelt er hier einem Cheat
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Prof. Dr. W. Broll
Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
MMORPG Massive(ly) Multi-Player Online Role Playing Game (auf Deutsch: MassenMehrspieler-Online-Rollenspiel) bezeichnet ein über das Internet spielbares
Rollenspiel. Diese haben teilweise mehrere Millionen Benutzer, wobei i.d.R.
nur ein deutlich geringer Anteil der Spieler auch aktiv ist. Der Spieler wird in
einer virtuellen Welt durch einen Avatar repräsentiert. Die Verwaltung des
Spiels und die Sicherstellung der Spielpersistenz erfolgt mittels mehrerer
Server. Nutzer verbinden sich mit dieser Spieleinfrastruktur über eine
entsprechende Client-Software auf ihrem Computer, ihrer Spielkonsole oder
ihrem Mobilgerät. Je nach Lizenzmodell fallen einmalige Kosten für den
Erwerb der Client-Software und gegebenenfalls regelmäßige Zahlungen für
die Nutzung an.
MUD
Multi-User Dungeon. Multi-User Spiele, die historisch gesehen als Vorläufer
heutiger MMORPGs gelten können. MUDs sind im Gegensatz zu MMORPGs
allerdings rein text-basiert.
Mudflation
Kunstwort aus MUD und Inflation. Bezeichnet die spezielle Form des
Werteverfalls, wie er in MUDs oder heutzutage vor allem in MMORPGs
auftritt. Durch den unbegrenzten Zufluss virtueller Währung und virtueller
Güter verlieren beide an Wert. Güter verlieren darüber hinaus häufig ihre
Nützlichkeit. Beschleunigt wird der Effekt insbesondere durch Spiele, bei
denen Erweiterungen mit neuen, mächtigeren Ausrüstungsgegenständen
eingeführt werden, wodurch der Wert anderer Güter drastisch sinkt und
frühere Missionen mit deutlich verringertem Aufwand durchgeführt werden
können.
NPC
Nicht-Spieler-Charakter (Englisch: Non-player Character), in Computerspielen
eine computer-gesteuerte Spielfigur.
Quest
Aufgabe oder Mission, die in einem Spiel von einem oder mehreren Spieler
bewältigt werden muss.
RMT
Real Money Trading: Verkauf virtueller Güter eines MMORPGs gegen reales
Geld. RMT kann vom Betreiber eines MMORPGS erlaubt oder sogar durch
eigene Handelsplattformen unterstützt werden oder auch explizit (zumeist
über die EULA) verboten werden. Soweit der Spieleanbieter selbst hier
Waren und Dienstleistungen anbietet, existieren Überschneidungen zu Freeto-Play.
TOS
Terms of Service, Nutzungsbedingungen, siehe auch: EULA
WoW
Gebräuchliche Abkürzung für das Massive Multiplayer Online Spiel „World of
Warcraft“ der Firma Blizzard Entertainment. Für die Nutzung wird ein
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Gutachten zum Einfluss von Bots auf Spielspaß und Ökonomie in MMORPGS
monatliches Entgelt erhoben. Nach Angabe von Blizzard hatte das Spiel
zeitweise über 12 Mio. Abonnenten.
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