vollständigen Beitrag

Transcription

vollständigen Beitrag
PRODUKTE & TECHNIK
Versandhandelshaus Walz:
Den Gesamtworkflow wieder voll im Griff
INTERVIEW ó Der Versandhändler Walz hat seine Multichannel-Medienproduktion ohne große Investitionstätigkeit enorm verbessert. Allein durch die Inhouse-Zusammenarbeit mit dem Mediendienstleister Laudert konnten
bisherige externe Prozesse zeit- und kostensparend im eigenen Haus gebündelt werden. Diese Vorgehensweise
ist in Deutschland in ihrer Konsequenz und Geradlinigkeit für den Bereich Versandhandel einzigartig, so Laudert.
ó Im Sommer 2013 errichtete der Mediendienstleister Laudert eine „Inhouse-Unit“ in der Werbeabteilung des Versandhauses Walz in Bad Waldsee – bestehend aus zwei Mac-Operatoren, einem
Fotografen und einer Stylistin. Der Versandhändler hatte sich zum Ziel gesetzt, die bestehenden
Medienproduktionsprozesse für die Werbemittel
seiner Vertriebsmarken zu optimieren, insgesamt
seine Reaktionsgeschwindigkeit zu erhöhen und
zugleich die Kosten für die Medienproduktion zu
senken (bei möglichst steigender Qualität) – und
setzte dabei auf die Expertise des neuen Partners
Laudert.
Heute, ein Jahr und ein voll eingerichtetes Fotostudio später, hat Laudert neben den bisherigen
Katalogproduktionen der Walz-Marken „mirabeau“ und „walzvital“ auch den Zuschlag für die
restlichen Katalogproduktionen erhalten. So
schlecht kann die Zusammenarbeit also nicht
gewesen sein. Doch was ist das Erfolgsrezept der
Kooperation, die mit einer gemeinsamen Prozessanalyse begann? Deutscher Drucker auf Spurensuche im Gespräch mit Christian Rast, Leiter
Werbung des Walz-Geschäftsbereichs Living &
Home, und Ralf Jung, Laudert-Geschäftsstellenleiter Stuttgart.
Das Versandhaus Walz
im Kurzüberblick
ó 1952 als klassisches Spezialversandhaus
für Baby-Erstlingsausstattung gegründet, verfügt das Versandhaus Walz heute über ein
sehr breites Spektrum an Versandhandelswaren – vom Vollkonsumgut bis zum Unikat,
vom Premiumsegment bis zum täglichen
Gebrauchsgegenstand. Walz „beherbergt“
heute fünf Vertriebsmarken unter einem
Dach: „baby-walz“, „Die moderne Hausfrau“,
„walzvital“, „walzkidzz“ und „mirabeau“. Das
Unternehmen ist europaweit aktiv.
1988 wurde der Versandhändler an Neckermann verkauft, der später im Handelskonzern Arcandor (Dachgesellschaft: Primondo
Specialty Group, PSG) aufging. Heute gehört
Walz der Puccini Group, finanziert durch die
US-amerikanische Private-Equity-Gesellschaft
Carlyle Group.
20
Christian Rast (l.) und die beiden Medienproduktioner aus der Laudert-Inhouse-Unit diskutieren die
Farbanmutung des Umschlags für den kommenden „mirabeau“-Katalog.
DD: Herr Rast, welche Fragestellungen bewegen
den Versandhandel derzeit?
Christian Rast: Es sind wohl seit einiger Zeit dieselben:
Welcher Medienkanal wird der Markenführung entsprechend wie am besten bespielt? Bei welchen OnlineMarken ist Print flankierend nützlich? Wie kommt
man bei printlastigen Marken am besten in den Bereich
E-Commerce? Jede Marke muss anders „bedient“ werden, weil sie unterschiedlich schnell „drehen“. Bei den
Marken von Walz ist das besonders ausgeprägt. Unser
neuer Eigentümer Puccini stellt die Weichen deshalb
konsequent markenspezifisch, mit starkem Fokus auf
Online. Print spielt jedoch weiterhin eine große Rolle –
vor allem als Push-, teilweise aber auch noch als
Bestellmedium – doch nicht mehr jede Marke benötigt
zwingend einen Print-Katalog. In jedem Fall braucht
jede Marke aber einen E-Shop! Und in Zeiten von Amazon und Zalando, die ein Paket innerhalb von 24
Stunden versenden können, sind beschleunigte Prozesse auf der Basis konsistenter Daten unabdingbar ...
... und Laudert sorgt mit seiner Inhouse-Unit
bei Walz für diese Prozessoptimierung und Datenkonsistenz? In welcher Form?
Christian Rast: Sowohl im Bereich Fotografie als auch
in der Medienproduktion, ja. Bedenken Sie: Vor zehn
Jahren kam der befüllte E-Shop noch eine Woche nach
dem Printkatalog, das ist heute völlig undenkbar!
Inzwischen orientiert sich doch alles am Sortiment –
und Werbung/Marketing steuern den Ausgabekanal
(Katalog, Shop, Flyer, Mailing, Newsletter etc.). Stets
nötig sind dafür aktuelle Produktbilder. Womit wir
schon bei der Fotografie wären: Früher bekamen meine Mitarbeiter die Ware von den Einkaufsbereichen
der Marken überreicht, es wurde ein Fotobriefing für die
Fotografen erstellt und der Aufbau für Milieuaufnahmen erarbeitet. Die Fotografen nahmen die Ware in ihr
Studio mit – und wir erhielten die Produktbilder etwa
zwei Wochen später. Dank des Inhouse-Unit verlässt
die Ware das Haus heute gar nicht mehr, Artikel können jetzt kurzfristig, meist noch am selben Tag, online
gehen (anders ist das Shooting bei „mirabeau“: Hier
wird meist im Ausland „On-Location“ fotografiert –
und das ist heute immer noch so). Textdaten kommen von der Textagentur oder bei einigen Marken
direkt über das angebundene Stammdatenmanagement. Letztendlich heißt das: Laudert übernimmt bei
uns intern die Freisteller-Fotografie, die reprotechnische
Aufarbeitung der Bilder und die medienneutrale Vorhaltung der Daten. Nur Milieuaufnahmen gehen noch raus.
Das Ganze geschieht in enger
Abstimmung und auf kurzem
Dienstweg mit der Werbeabteilung.
Ralf Jung: „Weg von der Warenlogistik, hin zur Datenlogistik“
ist unser Motto! Durch den kurz
gehaltenen Warenfluss im Fotografieprozess kommt Walz günstiger und schneller zu seinen
Christian Rast
Produktbildern. Auf Basis eines
Deutscher Drucker | Nr. 15/16 | 24.7.2014
PRODUKTE & TECHNIK
Styleguides, der im Rahmen der laufenden Produktion ständig weiterentwickelt wird, entstehen so Aufnahmen von diversen Ansichten eines Artikels inklusive
wichtiger Details. Nutzt man diese Bilder im Onlinebereich, machen sie das Produkt für den Kunden transparenter, was teilweise die Retourenanzahl minimiert!
Und Punkt 2, die Medienproduktion?
Christian Rast: Auch hier sind wir deutlich schlanker
unterwegs. Früher erstellten externe Dienstleister die
Grafik, führten Reproanweisungen aus, sorgten für die
Druckabwicklung inklusive Medienproduktion und
Anzeigenerstellung. Heute kann das alles inhouse
parallel ablaufen – mit viel geringerem Abstimmungsaufwand. Früher durchlief ein
Werbemittel in drei Wochen fünf
bis sechs Stadien, heute haben
wir einen Katalog mit 200 Seiten teilweise schon nach einer
Woche fertig. Das ist wichtig,
denn Kataloge werden heute
immer später konzipiert, weil
die Einkäufer möglichst lange
das Kundenverhalten oder äußere Gegebenheiten abwarten
wollen, bevor sie sich für beRalf Jung
stimmte Ware entscheiden.
Dann sollen die Werbemittel
aber möglichst schnell am Markt sein. Da ist dann
irgendwann eine schlagkräftige Abarbeitung durch
externe Dienstleister nicht mehr zu gewährleisten. Zu
hoher Abstimmungs- und Kommunikationsaufwand,
unnötiger Datentransfer hin und her, komplizierte
Freigabeprozesse et cetera.
Ralf Jung: Durch die Inhouse-Unit und den LaudertWorkflow ist Walz jetzt ungefähr um den Faktor 2
schneller. Wir bei Laudert haben ja die Erfahrung und
Kapazität zur Abwicklung großer Medienproduktionen. Walz produziert rund 50 000 Seiten Werbemittel pro Jahr, wobei immer häufiger auch kurzfristig
Dinge umgestellt werden müssen. Da muss man dann
schon extrem flexibel und nah am Kunden sein. Auch
die zügige Umsetzung spontaner Ideen, wie zuletzt
aktuelle Transpromo-Werbung auf Rechnungsaussen-
dungen oder auch die kundenspezifische Ausrichtung
der Werbemittel, ist möglich. Der verknappte Produktionszeitraum heißt aber auch: Walz kann jetzt mehr
Kataloge machen, was vorher produktionstechnisch
gar nicht möglich war. Das gilt beispielweise auch für
die „moderne Hausfrau“, eines der komplexesten Produkte der Tiefdruckszene in neun Sprachen und mit zig
Varianten und Lettershop-Anforderungen.
Warum baut Walz das Know-how und
Personal intern nicht selbst auf bzw. aus?
Christian Rast: Sie dürfen nicht vergessen, dass meine rund 15 Mitarbeiter eigentlich „nur“ Werbeplaner
und Marketingspezialisten sind, keine Produktioner! Wir
koordinieren Druckereien, Lettershops, Grafik, Repro,
Mailingdrucker, Postdienst. Der Aufbau einer eigenen
Medienproduktion, die flexibel genug ist, um derart
viele „Spitzen“ abzufangen, wäre einfach zu aufwändig und teuer – und auch für die Mitarbeiter vermutlich nicht sehr angenehm. So profitieren wir von Lauderts Produktions-IT-Infrastruktur und müssen vor
allem auch nicht in ein eigenes großes Katalogproduktionssystem (Kostenpunkt: im sechsstelligen Bereich,
exklusive Lizenzkosten, Schulung etc.) investieren.
Herr Jung, was waren zentrale technische
Eckpunkte des Inhouse-Projekts bei Walz?
Ralf Jung: Wichtigster erster Schritt für das Versandhaus Walz war, die Produktdaten rechtzeitig im System zu haben. Speziell, dass die Bilder für alle Systeme zur Verfügung stehen. Das gilt auch für PartnerPlattformen. So ist Walz beispielsweise auch mit Sortimenten bei Amazon vertreten. Auch hier gibt es Restriktionen, wie die Bilder auszusehen haben. Eine gute
Datenkonsistenz (Text/Bild/Artikel-Features) ist also
entscheidend, egal welcher Ausgabekanal kommt! Es
werden nicht länger Bildvarianten vorgehalten, sondern
ein medienneutrales Master-Bild, verschlagwortet und
mit Metadaten aus dem PIM angereichert. Diese Eindeutigkeit des Bilds schafft Sicherheit, weil immer mit
dem aktuellsten Stand gearbeitet wird!
Die Freigabeprozesse für die Printmedien-Produktion
wurden extrem verkürzt durch den Einsatz von Softproofs
mit kalibriertem Bildschirm und Farbprofilen für
’’
Bei einigen unserer Marken
ist Print das wichtigste Medium
zur Markenkommunikation und
als Bestell-Trigger!
Christian Rast, Versandhaus Walz
das jeweils eingesetzte Papier. Auch bei der
Auswahl der Druckdienstleister wird Softproofing
entsprechend eingefordert. Anders als mit Softproofing wären die Freigaben bei der gestiegenen
Anzahl an Katalogen auch zeitlich für Herrn Rast gar
nicht mehr zu managen. Ausnahme: Bei High-EndProdukten wie etwa „mirabeau“ kommen wegen der
Details immer noch Hardcopy-Proofs zum Einsatz.
Herr Rast, Stichwort Big Data und M-Commerce:
Das Sammeln und Auswerten großer Mengen
Bestelldaten sollte Versandhändlern bei
der Kundenbedarfsanalyse hilfreich sein …
Christian Rast: Natürlich nutzen auch wir Analyseund CRM-Tools, um den Kundenbedarf möglichst
genau herauszufinden. Baby-Walz-Kunden haben
einen sehr eng abgrenzbaren Lebenszyklus (Stichwort
„Schwangerschaft, Geburt ...“). Der zukünftige Bedarf kann aus dem Kaufverhalten exakt berechnet
werden. Hier sind wir mit unserem Angebot ein klassischer „Bedarfsdecker“. Bedarf wecken wollen wir
hingegen mit Marken wie der „modernen Hausfrau“,
die dann auch reißerischer aufgemacht sind. Zukünftig werden wir auch hier die Bedürfnisse aufgrund von
historischem Verhalten besser prognostizieren und
in unserer Kontaktstrategie berücksichtigen. Kundenkontakte/Leads generieren wir durch unseren InfoNewsletter, durch Kundenbindungssysteme wie etwa
der Kundenkarte oder durch verkaufsfördernde
Maßnahmen.
Print wird auch stärker als Trigger für unsere WebKunden und Online-Käufe genutzt werden. Wichtig ist,
dass der Trigger mit Mehrwerten aufgeladen wird:
exklusive Online-Produkte, zusätzlicher Content oder
andere Preise. Wichtig bei der älteren Zielgruppe ist
natürlich die Einfachheit der Informationsvermittlung und des Bestellprozesses.
Herr Jung, was ist aus Ihrer Sicht das
„next big thing“ in der Katalogproduktion?
Zwei der vielen Vertriebswege der Walz-Gruppe: Print und Online.
Deutscher Drucker | Nr. 15/16 | 24.7.2014
Ralf Jung: Da sind aktuell mehrere sehr spannende
Trends abzusehen, die sich insbesondere auf die Generierung der Produktbilder beziehen. Die Einrichtung
von Studio-Units bei Kunden vor Ort ist da ein ganz
wichtiges Thema. Auch an einer neuen, lebensechten
Variante der Avatar-Technologie wird gerade intensiv
gearbeitet. Und ganz spannend ist die Entwicklung
bei unseren CGI-Spezialisten (Computer Generated
Imagery): In Zukunft werden nicht mehr alle Bilder
fotografiert, sondern digital erzeugt. Für die Produktkommunikation ein immenser Kosten- und ZeitvorInterview: Michael Schüle
teil.
21