Special Belgische Biertradition2016 - Tourismus Flandern

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Special Belgische Biertradition2016 - Tourismus Flandern
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Belgische Bierkultur
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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Aktuelle Themen
2.1. Tradition, Unabhängigkeit und authentischer Geschmack: Die Belgian Family Brewers
2.2. The Beer Experience: Die Biererlebniswelt von De Koninck in Antwerpen
2.3. Flandern, die Heimat der Craft-Biere
2.4. Brauende Frauen: In Flandern ist Bier längst nicht mehr nur eine Männersache
2.5. Bier-Festivals in Flandern und Brüssel: Sieben gute Gründe, ein neues Fass auf zu machen
3. Regionale Besonderheiten
3.1 Leuven, die Welthauptstadt des Bieres
3.2. In Mechelen wird Bier zur Frauensache
3.3. Antwerpen und Umland
3.4. Brüssel
3.5. Brügge und Westflandern
3.6. Gent und die Provinz Ostflandern
3.7. Die Provinz Limburg
4. Die wichtigsten Braumethoden und Biersorten
4.1. Untergärige Biere
4.2. Obergärige Biere
4.3. Aus Spontanvergärung hergestellte Biere
4.4. Aus Mischvergärung hergestelltes Biere
5. Allgemein
5.1. Zahlen und Fakten
5.2. Hintergründe zur Geschichte des flämischen Biers
1. Bier aus Flandern – eine Einleitung
Was eint flämische Klosterbrüder, traditionsreiche Familienbetriebe, ambitionierte
Feinschmecker und neuerdings in verstärktem Maße auch Jungunternehmerinnen? Nun, sie
alle sind der Leidenschaft des Bierbrauens verfallen. Das bedeutet in Flandern: Freude an
handwerklichem Können, die Verwendung hochwertiger Zutaten, die Bereitschaft (und die
Freiheit) zum Experiment sowie ein hohes Qualitätsbewusstsein. So ist es kein Wunder, dass
Variantenreichtum und Aromavielfalt der flämischen Biere weltweit geschätzt – und imitiert
– werden.
Flandern allerdings ist nicht nur Heimat unzähliger Mikrobrauereien. So ist die Stadt Leuven
Sitz des weltweit größten Brauereikonzerns. Die heutige Firma AB InBev existiert unter
wechselnden Namen bereits seit 1366. Erste weltweite Erfolge feierte die Brauerei mit der
Marke Stella Artois. Heute kann sich das Unternehmen rühmen, das eigentlich kaum Mögliche
geschafft zu haben: AB InBev hat sich die mächtige US-Brauerei Anheuser-Busch
(„Budweiser“) einverleibt. Zum Produktportfolio gehören in Deutschland unter anderem die
Marken Becks und Franziskaner.
Doch es bleibt viel in Bewegung im Bierland Belgien. Bestes Beispiel ist „The Beer Experience“,
eine Erlebniswelt für Fans des Gerstensaftes, welches im Sommer 2015 von der renommierten
Brauerei de Koninck in Antwerpen eröffnet wurde. In Mechelen wird unterdessen die
Aufmerksamkeit vor allem auf das Thema Frauen und Bier gelenkt – in Zusammenarbeit mit
der aktuell einflussreichsten Person der flämischen Szene, Bier-Sommelière Sofie
Vanrafelghem.
Der anspruchsvolle Fan kann seine Neugier unterdessen bei den vielen Bier-Festivals
befriedigen, wo Klassiker, Neuerungen und Raritäten aus dem Zapfhahn fließen. Zum Beispiel
am 25. und 26. April in Leuven, wo der Bierkonsumentenverband Zythos beim gleichnamigen
Festival zur Verkostung bittet. Zu guter Letzt bleiben natürlich die legendären belgischen
Kneipen mit ihrer teils gigantischen Auswahl.
2. Aktuelle Themen
2.1. Tradition, Unabhängigkeit und authentischer Geschmack: Die Belgian Family Brewers
Regionale Traditionen wollen gepflegt und geschützt werden. Vor allem im Zeitalter von
Globalisierung, Turbokapitalismus und feindlichen Übernahmen. Das gilt auch für die
belgische Bierkultur. Unter anderem aus diesem Grunde haben sich im Jahr 2007 ursprünglich
zwölf belgische Brauereifamilien zu einem Verband zusammengeschlossen.
Ihnen war klar geworden, dass Belgien zwar über eine enorme Vielfalt einzigartiger Biere
verfügt, deren Brauereien sich auch heute noch im Besitz von Familien befinden. Eine
gemeinsame Marketing-Plattform fehlte jedoch bislang. Nachdem sich diese Erkenntnis
einmal durchgesetzt hatte, sollte es nicht mehr lange dauern, bis das Label BFB („Belgian
Family Brewers“) ins Leben gerufen wurde.
Das bald in Auftrag gegebene Logo und ein dazugehöriger Schriftzug stehen seitdem für
strenge Kriterien: Die mittlerweile 22 Mitglieder (darunter so bekannte Marken wie Palm, De
Koninck und Duvel) besitzen allesamt mehr als 50 Jahre ununterbrochene Brauerfahrung
ausschließlich im eigenen Lande. Und natürlich befinden sie sich in Privatbesitz und gehören
nicht etwa zu einem internationalen Getränke-Multi. Tradition, Handwerk und Familienbesitz
sollen auf diese Weise auch in Zukunft fortbestehen. Ein starkes Argument gegen die in
anderen Ländern weit fortgeschrittene Vereinheitlichung des Geschmacks – und für Qualität
und Vielfalt.
Das Label BFB soll Bierfreunden aus aller Welt gleichzeitig als Orientierungshilfe dienen, denn
die Bezeichnung „Bier aus Belgien“ ist noch nicht urheberrechtlich geschützt und daher für
Missbrauch anfällig. Im Heimatmarkt übrigens halten die Brauer zurzeit etwa 15 Prozent der
Anteile. Die 22 zusammengeschlossenen Brauereien stellen mehr als 170 sehr
unterschiedliche Biersorten her. Gemeinsam verfügen die allesamt in der Westhälfte Belgiens
ansässigen Hersteller über 3500 Jahre Erfahrung. Sie alle kultivieren althergebrachte
Braumethoden, die durch den Zusammenschluss vor der Vereinheitlichung geschützt werden.
Artenschutz modern: Duvel verschwindet von der Börse
Die Familie Moortgat, Besitzer der Duvel-Brauerei, hat ihr Bier auf bemerkenswerte Weise
gegen die Möglichkeit einer feindlichen Übernahme geschützt. Zwar ist das Unternehmen
1999 an die Börse gegangenum im finanziellen Wettstreit der Brauereien mithalten zu
können, 2012 aber wurden die Aktien zurückgekauft. Einer der Gründe war das Streben nach
andauernder Unabhängigkeit, um nicht in die Fänge eines international operierenden Multis
zu geraten. Wer die Aktien 1999 gekauft hat, bekam 2013 ein Plus von 186 Prozent ausgezahlt.
www.belgianfamilybrewers.be
www.duvelmoortgat.be
2.2. The Beer Experience: Die Biererlebniswelt von De Koninck in Antwerpen
Eines der leckersten und bekanntesten Biere Belgiens auf völlig neue Weise kennenlernen: So
lautet das Versprechen von The Beer Experience, dem neuen Biererlebniszentrum auf dem
Gelände der Brauerei de Koninck im Zentrum von Antwerpen. Seit 1833 wird hier ohne
Unterbrechung Bier hergestellt. Damit ist das Traditionsunternehmen die älteste noch
existierende Brauerei der Stadt. Außerdem sind die sechs Spezialitäten die einzigen
Gerstensäfte, die auch heute noch innerhalb der Stadtgrenzen produziert und abgefüllt
werden. Das legendäre Bier wird aus den charakteristisch gerundeten Gläsern („Bollekes“)
getrunken. Wie es hergestellt wird, können Besucher aus nächster Nähe erfahren.
Mit dem Besucherzentrum bekennt sich De Koninck nachhaltig zu seiner Herkunft. Zwar
gehört das Unternehmen seit 2010 zur Brauereigruppe Duvel Moortgat, die jedoch ist
ihrerseits Mitglied der Belgian Family Brewers (BFB). Hierdurch sind Unabhängigkeit von den
Interessen expandierender Industrie-Multis und der Erhalt der Traditionsmarke gesichert. Mit
dem neuen Biererlebniszentrum („The Beer Experience“) möchten die Besitzer die Bindung zu
ihrer Heimat weiter stärken – das Bier soll endgültig zu einer Ikone Antwerpens aufsteigen.
In insgesamt neun thematisch geordneten Räumen werden die Besucher fortan mit
zahlreichen Facetten des Gerstensaftes, seinen Zutaten und seiner Herstellungsgeschichte in
der Bierstadt Antwerpen vertraut gemacht. Nach einer multimedialen Einweisung in die
Geschichte rücken die Details des Brauprozesses in den Blickpunkt. Bald ist das rhythmische
Klappern der Flaschen in der Abfüllanlage zu hören, ehe es über eine vier Meter hohe Brücke
ins Innere der Brauerei geht.
Hier werden über das Jahr gesehen sechs verschiedene Biersorten hergestellt. Neben dem
amberfarbenen De Koninck gehören dazu auch das bekannte Triple d’Anvers sowie saisonale
Spezialitäten wie das De Koninck Winter. Nach einer verspielten Begegnung mit der
Markengeschichte folgt als krönender Abschluss des Besuchs eine Verkostung der
hauseigenen Biere – natürlich aus dem „Bolleke“-Glas.
Das Biererlebniszentrum ist in das 18.000 Quadratmeter große Brauereigelände integriert. Es
kann individuell und in Gruppen besichtigt werden. Auf 3000 Quadratmetern beherbergt es
weitere typisch flämische Geschäfte und Handwerksbetriebe. Dazu gehören ein Geschäft des
Käsemeisters Van Tricht, der zu den besten Affineuren Europas zählt, und ein Concept Store
für Fahrräder (Velodome). Abgerundet wird das Angebot vom gemütlichen Lokal De Pelgrim
und einer Niederlassung des Touristenbüros. Wer einem Besuch einen besonderen Kick geben
möchte, kann eine VIP-Tour mit Überraschungsmomenten buchen.
Informationen:
Täglich geöffnet von 10–18 Uhr, barrierefreier Zugang.
De Koninck Brewery, Mechelsesteenweg 291, B-2018 Antwerpen
[email protected]
Tel: 0032-3-866-96-90
2.3. Flandern, die Heimat der Craft-Biere
In Deutschland galt das Reinheitsgebot lange Zeit als unerschütterliches Dogma, als
Werbeargument und nicht zuletzt als Alleinstellungsmerkmal für Qualität. Inspiriert von
Geschmackserlebnissen vor allem im englischsprachigen Ausland, lässt sich auch hierzulande
ein Trend zum sogenannten Craft-Bier ausmachen. Dabei allerdings sind den Brauern
aufgrund des Reinheitsgebots die Hände weitgehend gebunden.
Anders sieht die Lage in Flandern aus, denn hier dürfen so ziemlich alle Zutaten in die
Kupferkessel
wandern.
Bierfreunde
müssen
also
auf
der
Suche
nach
neuen
Geschmackserlebnissen nicht über Nordsee oder Atlantik fliegen: Mit über 130 Brauereien
und weit mehr knapp 1000 Sorten ist Flandern prädestiniert für eine abenteuerliche Reise in
die Welt des handwerklich hergestellten Bieres.
Teilweise haben die Unternehmen ihre Wurzeln im Mittelalter. Die Brauerei Roman in
Oudenaarde zum Beispiel befindet sich seit 1545 in Familienbesitz. Sie wurde einst gegründet
bei einer Raststätte an der Handelsroute zwischen Frankreich und Deutschland, wo stets
durstige Menschen abzusteigen pflegten. Mittlerweile produziert das Haus elf verschiedene
Biere – vom Blonden oder ein Weißes bis hin zu Dubbel und Tripel. Die Brauerei Den Hoorn in
Leuven wurde sogar schon 1366 gegründet, ehe sie im 18. Jahrhundert zu Artois und später
zu einem Teil des AB InBev-Konzerns wurde.
Die alteingesessenen Veteranen allerdings erhalten kontinuierlich Konkurrenz von
ambitionierten Neugründungen. Die Brauerei Kazematten in Ypern etwa hat erst 2013 ihre
Pforten geöffnet – und zwar, wie der Name bereits andeutet, in den alten Gewölbekellern der
Stadtbefestigung. Hier entsteht nun das sogenannte Grottenbier, dessen Rezeptur von einem
der berühmtesten belgischen Braumeister überhaupt stammt: Pierre Celis (1925-2011), der in
den 60er Jahren in seinem Heimatort Hoegaarden das seinerzeit in Vergessenheit geratene
Belgische Weißbier wiederbelebt hat. Die Kazematten-Biere werden nur in kleinen Mengen
hergestellt, pro Brauvorgang 750 Liter.
Aus einem Fahrradclub ist unterdessen die Mikrobrauerei De Dolle Brouwers in
Esen/Westflandern hervorgegangen. Die vier Gründer sind beim gemeinsamen Radeln zu
einer eingeschworenen Gemeinschaft geworden. Dabei haben sie festgestellt, dass sie nicht
bloß die Leidenschaft für steile Anstiege und die Bewältigung von Kopfsteinpflaster geteilt
haben, sondern auch eine Passion für regionale Biere.
1980 fasste das Quartett den Entschluss, eine leerstehende Brauerei mit neuem Leben zu
erfüllen. Zunächst haben die „jecken Brauer“ ein Urbier auf den Markt gebracht. Das kräftige
Dunkelbier mit neun Prozent Alkohol hat sich schnell zu einem Verkaufsschlager entwickelt.
Seitdem sind fünf weitere Biere komponiert worden, die Biermenge liegt konstant bei
überschaubaren 1000 Hektolitern. Interessantes Detail: Die Brauer bewahren im Keller noch
Proben ihres ersten Bierjahrgangs von 1980 auf, der nach ihren Angaben eher an Qualität
gewonnen hat und somit noch einwandfrei trinkbar ist.
Eine Erfolgsgeschichte ganz besonderer Art ist die Biersorte Westvleteren 12. Das Bier mit
seinen 10,2 Prozent Alkohol wird in der Trappistenabtei Sint Sixtus in Vleteren (Ebenfalls
Westflandern) von Mönchen gebraut. Die Brüder verfolgen jedoch nach eigener Aussage
keine kommerziellen Interessen. Sie arbeiten nur für den Lebensunterhalt, für
Instandhaltungsarbeiten am Ordensbesitz und um andere Klöster unterstützen zu können.
Ihre sprichwörtliche Bescheidenheit jedoch konnte nicht verhindern, dass das Bier von den
Nutzern der Internetseite „ratebeer.com“ zweimal in Folge zum besten Bier der Welt gewählt
wurde. Und das, obwohl das ohne Etiketten in dunkle Flaschen abgefüllten Starkbier nur mit
Termin in limitierten Mengen im Kloster oder dem angrenzenden Café de Vrede verkauft wird
– gegen das ausdrückliche Versprechen, es nicht weiter zu veräußern. Erschwerend wirkt
zudem, dass eine solche Bestellung nur alle 60 Tage möglich ist.
Neben dem Westvleteren 12 brauen die Ordensbrüder noch zwei weitere Biere: Das
Westvleteren 8 (8 Prozent) und das Westvleteren 6 (5,8 Prozent). Erstgenannten belegt bei
ratebeer.com aktuell Rang 25.
Kazematten-Brauerei Ypern , www.kazematten.be
De Dolle Brouwers Esen, www.dedollebrouwers.be
Abtei Westvleteren, www.sintsixtus.be
Café In de Vrede, Westvleteren, www.indevrede.be
2.4. Brauende Frauen: In Flandern ist Bier längst nicht mehr nur eine Männersache
Es fing langsam und unbemerkt an: Als nach dem Zweiten Weltkrieg ein französischer Adliger
das Sagen in der Brauerei Liefmans in Oudenaarde zwischen Gent und Roubaix hatte, war es
an Rosa Mercks, die im Hause hergestellte Sorte Goudenband zu verkosten. Die Sekretärin
befand das Getränk für viel zu sauer, woraufhin ihr Chef eine Veränderung der Rezeptur
anordnete.
Später sollte Rosa Mercks zur Geschäftsführerin aufsteigen. Vor allem aber die Tatsache, dass
sie Braumeisterin des Hauses wurde, beschert ihr bis heute nachhaltigen Ruhm, denn sie war
die erste Frau, die diesen Beruf in Belgien ausgeübt hat. Ihre Legende lebt bis heute fort. So
ist ihr Konterfei auf den Etiketten der Liefmans-Flaschen zu sehen. Außerdem würdigte das
Boulevardblatt „Het Laatste Nieuws“ sie anlässlich ihres 90. mit einem Porträt.
Lange Zeit schien es, dass Mercks’ Liebe zum Gerstensaft ein Einzelfall bleiben sollte.
Mittlerweile aber wächst der Einfluss von Frauen in der Bierlandschaft rasant. Eine regelrechte
Erfolgsstory ist die Familienbrauerei Dilewyns aus Dendermonde. Vater Vincent hatte 1999
zunächst zum Spaß damit begonnen, das Erbe der Familie wiederzuentdecken, die bis zum
Zweiten Weltkrieg im Brauereiwesen aktiv war.
Seine Experimente mit verschiedenen Sorten von Hopfen, Malz und Hefe führten jedoch
schnell zu exzellenten Ergebnissen. Bald waren das Vicaris Tripel und das Vicaris Generaal
geboren. Nach zehn Jahren und wachsender Anerkennung bei Bier-Festivals wie Zythos,
beschloss Vincent Dilewyns das Hobby zu professionalisieren. In einem Atemzug machte er
seine beiden erwachsenen Töchter
Geschäftsführerinnen.
Claire und Anne-Cathérine zu den neuen
Deren Ideen sollten sich als so erfolgreich erweisen, dass Dilewyns nun seine Kapazitäten
verdoppeln konnte. Seit 2 Jahren können 6000 Hektoliter der mittlerweile fünf Biere
produziert werden, die bis in die USA exportiert werden.
Das Erbe ihres Vaters setzt auch Sandra Mannaerts (34) aus Nieuwrode fort. Der Anlass
allerdings könnte trauriger kaum sein. Sandras Vater Ivo nämlich war Hobbybrauer. Für den
größten Tag im Leben seiner Tochter hatte er im heimischen Gartenhäuschen eigens ein
Hochzeitsbier komponiert. Das Rezept für das goldgelbe Bier aber kam nur einmal zur
Anwendung – sechs Wochen später starb Ivo Mannaerts mit nur 50 Jahren.
Tochter Sandra hat sieben Jahre gebraucht, um das Bier nun doch noch auf den Markt zu
bringen: 2012 konnte sie Brauerei Anders aus Halen bei Hasselt in der Provinz Limburg dafür
gewinnen, das Bier unter den Namen Nivoo zu brauen. Ein Jahr später folgte mit dem Nivoo
Tripel bereits ein ebenso kräftiges wie dunkles Zweitbier. Beide verkauft die
Jungunternehmerin über ihre Firma Gibrit mittlerweile landesweit an Einzelhandel und
Gastronomie. Ein Geschenk, mit dem sie für immer an den verstorbenen Vater erinnern
möchte.
Ein aus Mutter und Tochter bestehendes Gespann steht derweil an der Führungssitze der
Brauerei De Ryck. Das seit 1886 in Herzele bei Gent ansässige Unternehmen befindet sich in
der fünften Generation im Besitz der Familie und ist stolzes Mitglied der Belgian Familiy
Brewers (BFB).
Mutter An De Ryck ist zugleich als Braumeisterin aktiv. Als solche ist sie für mittlerweile zehn
Biere verantwortlich, die laut An bis vor kurzem vor allem „rund um den Kirchturm von
Herzele“ bekannt waren. Gemeinsam mit Tochter Miek arbeitet sie nun daran, perlende
Schätzchen wie das Arend Blond oder das Spécial de Ryck auch andernorts zu vertreiben.
Neben all diesen kleinen Erfolgsgeschichten von Frauen im Bier-Business existiert jedoch auch
eine große: So wurde die Bier-Sommeliere und Autorin Sofie Vanrafelghem kürzlich von einer
aus 25 Fachleuten bestehenden Jury zur „Bierpersönlichkeit des Jahres“ gewählt.
Mittlerweile arbeitet Sofie Vanrafelghem mit einem kleinen Team daran, belgischem Bier in
der ganzen Welt zu noch mehr Popularität zu verhelfen. Dazu gehören Lesungen und
Degustationen, vor allem aber hat sich die Jungunternehmerin mit einem eigenen Bier auf den
Markt getraut.
Dieses wurde auf den Namen Eva getauft und versteht sich als „Bier von Frauen für Frauen“.
Und das heißt bei Vanrafelghem ganz explizit: Das Bier ist nicht süßlich, wie es Frauen
vermeintlich bevorzugen. Vielmehr ist es stark gehopft und somit eher herb.
Auf der Webseite der Sommeliere übrigens befindet sich auch ein Artikel über den 90.
Geburtstag von Rosa Merckx. Jene Dame, mit der die kleine, weibliche Bierrevolution in
Belgien angefangen hat.
www.liefmans.be
www.vicaris.be
www.gibrit.be
www.brouwerijderyck.be
www.sofiesworld.be
2.5. Bier-Festivals in Flandern und Brüssel: Sieben gute Gründe, ein neues Fass auf zu
machen
Bier-Festivals gehören in allen Jahreszeiten zu Flandern. Egal, ob die Verkostung mit
Kulturkonsum oder leckeren Speisen einhergeht: Die sieben größten Ereignisse sind Garanten
für gute Geschichten. Sowohl aus fachlicher, wie auch aus folkloristischer Sicht.
02.09.2016-04.09.2016 Belgian Beer Weekend, Brüssel
Die besten Biere auf einem der schönsten Plätze des Landes. Mit diesem Konzept lockt der
Verband Belgischer Brauer Jahr für Jahr Fans zum Brüsseler Bierwochenende. Auf dem Grote
Markt und der nahen Taborastraat können Kenner vom hellen Blonden über rötliches Amber
bis hin zu dunklem Bock aus einem großen Angebot schöpfen.
www.belgianbeerweekend.be
01.10.2016-02.10.2016 Modeste Bier Festival, Antwerpen
Dieses jährliche Festival wird vom Antwerpener Bier-College (eine Vereinigung von Kennern
und Fachleuten) zu Ehren des Braumeisters Modeste Van den Bogaert organisiert. Der
Namensgeber hat 50 Jahre lang die Geschicke der Brauerei De Koninck geleitet. „Modest“
freilich heißt auch Bescheiden – aus doppeltem Grunde werden zum Festival ausschließlich
kleine belgische Brauereien eingeladen.
www.modestebierfestival.be
17.12.2016-18.12.2016 Weihnachtsbier-Festival
Die „Objektiven Bierverkoster der Region Essen“ (bei Antwerpen) laden zur Verkostung der
belgischen Weihnachts- und Winterbiere. Dabei handelt es sich keinesfalls um einen
Nischenmarkt, auch das heute so große Stella Artois wurde einst als Weihnachtsbier lanciert.
Den Besuchern stehen rund 200 verschiedene Produkte zur Auswahl – unter anderem ein
„Glüh-Kriek“, also warmes Kirschbier. Zur jüngsten Austragung kamen 3200 Fans.
www.kerstbierfestival.be
22.04.2017-23.04.2017 Zythos Bier Festival, Leuven
Leuven schmückt sich gerne mit dem Titel „Bierhauptstadt der Welt“. Nie trägt die Stadt
dieses Prädikat mit mehr Berechtigung, als am letzten Aprilwochenende: Mehr als 100
Brauereien präsentieren an zwei Tagen in der Brabanthalle über 500 Biere. Flankiert wird das
Festival von Rundgängen, Workshops und Verkostungen. Nicht zuletzt öffnet die weltgrößte
Brauerei AB InBev zu diesem Anlass ihre Pforten. Zum Unternehmen zählen unter anderem
die Marken Stella Artois, Leffe und Jupiler.
www.zbf.be
23.06.2017-25.06.2017 Bierpassie-Weekend, Antwerpen
Festival des Magazins Bierpassie, was übersetzt Leidenschaft für Bier bedeutet. Auf einem der
schönsten Plätze der Stadt, dem Groenplaats, haben Connaisseurs vor historischer Kulisse
Gelegenheit, die geschmackliche Vielfalt von mehr als 200 Bieren aus rund 35 Brauereien zu
erkunden.
www.beerpassion.be
17.08.2017-20.08. 2017 Bollekesfeest, Antwerpen
Ein Bolleke ist in Antwerpen ein feststehender Begriff für das Bier aus dem Hause de Koninck.
Der Name wurde ursprünglich abgeleitet von der typischen, halbrunden Glasform. Das
gleichnamige Festival allerdings kennt kaum Grenzen: Das Zentrum von Antwerpen wird an
einem langen Wochenende im Hochsommer zur Bühne für Bands, Theatergruppen, Komiker
– und natürlich für regionale Produkte. Allen voran ein Bolleke.
www.bollekesfeest.be
15.09.2017-17.09.2017 Bier- und Hopfenfest, Poperinge
Pünktlich zur Hopfenernte findet das Fest in der Hopfenmetropole statt. Begleitet wird das
Thema des Bieres von musikalischen und kulturellen Darbietungen. Am zweiten Tag findet die
Hopfenköniginwahl statt, bei der die Damen bei sportlichen Wettkämpfen um die Krone
kämpfen. Höhepunkt des Festivals ist der bunte Hopfenumzug, der am letzten Tag stattfindet.
http://www.hoppefeesten.be/
3. Regionale Besonderheiten
3.1. Leuven – die Welthauptstadt des Biers
Die Universitätsstadt Leuven beansprucht für sich, die Welthauptstadt des Biers zu sein.
Gründe für die Behauptung gibt es genug, auch wenn andere Städte wie Brüssel oder
München den Ehrentitel nicht kampflos hergeben. Gut also, dass die Auszeichnung immer
inoffiziell bleiben wird.
Fakt ist hingegen, dass Leuven der Sitz der größten Brauerei der Welt ist. Seitdem das belgischbrasilianische Konsortium InBev 2008 den US-Multi Anheuser Busch geschluckt hat, firmiert
das Unternehmen unter dem Namen AB InBev – und der Firmensitz befindet sich am
Stadtrand von Leuven.
Mit einem Absatzvolumen von rund 446 Millionen Hektolitern Bier ist das Unternehmen nach
eigenen Angaben die weltweit führende Brauereigruppe. AB InBev beschäftigt rund 150.000
Mitarbeiter in 24 Ländern, davon 2800 in Deutschland. Zum Portfolio zählen mehr als 200
Marken, darunter Sorten wie Corona und Budweiser. In Deutschland ist AB InBev mit Beck’s,
Diebels, Gilde, Hasseröder, Löwenbräu, Spaten und Franziskaner präsent.
Herzstück des komplexen Firmengeflechts jedoch bleibt die weltbekannte Marke Stella Artois,
die in 80 Ländern verkauft wird. Das Bier wurde 1923 als Nischenprodukt auf den Markt
gebracht und nach dem zwischenzeitlichen Eigentümer Sébastien Artois benannt. Der
Braumeister hatte das bereits 1366 als Brauerei Den Hoorn gegründete Unternehmen 1717
übernommen. Das neue Bier wurde nach dem Geschmack der Zeit hergestellt, was bedeutete:
Nach Pilsener Brauart. Es wurde zu einem ungeahnten Erfolg, der bis heute in vielen Ländern
anhält. Der zweite „Star“ des Hauses ist das Klosterbier Leffe, das bereits im 13. Jahrhundert
vom Norbertiner-Orden gebraut wurde.
Das Wachstum von AB InBev aber ist keineswegs nur aus wirtschaftlicher Sicht interessant.
Viel mehr hat die einst im historischen Stadtkern beheimatete Brauerei Artois über die
Jahrhunderte Spuren im Stadtbild hinterlassen. Zurzeit wird das ehemalige Brauerei-Viertel
Vaartkom in großem Maßstab gentrifiziert. Herzstück bleibt die ehemalige Stella-Brauerei Den
Hoorn – ein Stück industrieller Baukultur mit einem prächtigen Brausaal, der nun ein Zentrum
für Veranstaltungen und Kreativdienstleistungen ist. Drumherum entstehen Appartements
Leuven beherbergt mit „Domus“ zudem den ersten sogenannten Brewpub Belgiens. Im
Nachbarort Kortrijk-Dutsel befindet sich die kleinste Brauerei des Landes, wo ein Aperitif-Bier
namens Dutsel produziert wird. Nicht zuletzt verfügt die Universität von Leuven über ein
eigenes Zentrum zur Erforschung des Gerstensaftes. Ach ja, und dann wäre da noch eine
weitere steile Hypothese: Auch die längste Theke der Welt soll sich in Form der 40 auf dem
Oude Markt angesiedelten Kneipen und Cafés in Leuven befinden. Düsseldorfer werden es
bezweifeln.
www.ab-inbev.be
www.domusleuven.be
3.2. Mechelen: Bier in Frauenhänden
Die Anzahl einflussreicher Frauen in der flämischen Bierwelt steigt rasant: Sowohl als
Braumeisterinnen wie auch als Inhaberinnen erfolgreicher Betriebe gewinnen sie an
Bedeutung. Im vergangenen Jahr wurde mit der Bier-Sommelière und Autorin Sofie
Vanrafelghem erstmals eine Frau zur einflussreichsten Person der umtriebigen flämischen
Szene gewählt.
Gemeinsam mit Vanrafelghem hat die traditionsreiche Bierstadt Mechelen ein Programm
entwickelt, das die Zuneigung der Frauen zu lokalen Bieren noch weiter steigern soll.
Mechelen ist bekannt für die Brauerei Het Anker, wo das ruhmreiche Carolus-Bier hergestellt
wird. Die Brauerei befindet sich in einem Beginenhof und wurde anfangs auch von Beginen
gebraut. Von Anfang an also waren Frauen ab der Herstellung beteiligt.
Auf Basis dieser historischen Begebenheit wurde ein thematischer Spaziergang durch die Stadt
entwickelt. Unter dem Titel „Bier in Frauenhänden“ werden Besucher mit unterschiedlichen
Aspekten der Bierkultur vertraut gemacht. Auch haben sich Gastronomen diverse „Bapas“
ausgedacht – Tapas, die in Kombination mit Bierspezialitäten aus Mechelen gereicht werden
und die vor allem den weiblichen Gaumen ansprechen. Eine Idee, die ihre Fortsetzung in den
anspruchsvolleren Restaurants der findet.
Abgerundet wird das Biererlebnis von kulinarischen Wanderungen zu vier Degustationsorten,
Bier-Workshops von und für Frauen sowie in Form von Abenden, die rund um die Brauerei Het
Anker zum Thema Frauen und Bier stattfinden.
3.3 Antwerpen und das Umland: Die Heimat des „Bolleke“
In der Region in und um Antwerpen sind bis in die Gegenwart noch 13 Brauereien aktiv. Die
bekanntesten sind De Koninck (das in diesem Jahr ein großes Besucherzentrum eröffnet),
Duvel (aus Breendonk, ebenfalls mit Besucherzentrum) und das Trappistenbier Westvleteren.
Antwerpen ist auch berühmt für seine Bier-Kneipen: So wie das Trappistenbier Westvleteren
12 von der Webseite www.ratebeer.com zum besten Bier der Welt gekürt wurde, gilt diese
Ehre bei den Kneipen dem Kulminator. Die Karte des Hauses umfasst rund 600 Positionen aus
aller Welt – darunter auch viele Raritäten. Ebenfalls beachtlich ist das Angebot in der Bier
Central: 20 Biere vom Fass, dazu 300 Flaschenbiere. Jeweils freitags ist ein Biersommelier vor
Ort, um die Eigenheiten der Sorten zu erläutern.
Abgerundet wird die gastronomische Palette von Restaurants wie dem Grote Witte Arend, die
Gerichte unter Verwendung von flämischem Bier zubereiteten, zum Beispiel Kaninchen mit
einer Sauce aus Trappistenbier von Westmalle
Adressen:
De Koninck, Mechelsesteenweg 291, 2018 Antwerpen, www.dekoninck.be
Duvel Moortgat, Pastoor Somerslaan 28, 2870 Breendonk, www.duvel.be
Het Anker, Guido Gezellelaan 49, 2800 Mechelen, www.hetanker.be
Kulminator, Vleminckveld 32, 2000 Antwerpen, Tel.: 0032-3 232 45 38, keine Webseite
Bier Central, De Keyserlei 25, 2018 Antwerpen, www.biercentral.be
De Grote Witte Arend, Reyndersstraat 18, 2000 Antwerpen, www.degrootewittearend.be
3.4. Brüssel – Heimat des Lambik-Biers
Brüssel besitzt zwei Handwerksbrauereien, die zur Spitzenklasse gezählt werden dürfen: Die
eine davon heißt Zenne Brouwerij und ist noch ziemlich neu. Sie wurde 2002 von Yvan De
Baets und Bernard Leboucq im Stile einer Mikrobrauerei gegründet, um sich binnen weniger
Jahre eine treue Fangemeinde zu erarbeiten. Die Besitzer betrachten sich ausdrücklich als
Brüsseler, weshalb sie erst den Heimatmarkt und dann den Rest des Landes bedienen.
Die Brauerei Cantillon kann hingegen bereits auf eine lange Geschichte zurückblicken. 1900
gegründet, ist sie der letzte verblieben Betrieb, der in der Stadt Brüssel das rare Lambik-Bier
herstellt. Das Kulturerbe wird im angrenzenden Museum van de Geuze aus technischer,
wirtschaftlicher und historischer Perspektive beleuchtet. Den Herstellungsprozess jedoch
können Besucher nur von Oktober bis März mitverfolgen, denn Lambik ist bei der Vergärung
auf kalte Temperaturen angewiesen. Zum „Praxistest“ eignet sich die Einkehr in einer der
beiden Niederlassungen von Moeder Lambic: Die Kneipen führen handwerklich gebraute
Biere vom Fass und gestatten so ein unverfälschtes Geschmackserlebnis.
Einen wesentlich weiteren Blickwinkel ermöglicht das Museum der Belgischen Brauer. Es ist
schon architektonisch eine Sehenswürdigkeit, denn es befindet sich in den Gewölbekellern
eines prächtigen Herrenhauses am Grote Markt. Exponate aus dem 18. Jahrhundert führen in
die
Vergangenheit.
Die
Gegenwart
des
Brauens
wird
derweil
anhand
von
Multimediaeinspielungen dargestellt.
Zenne Brouwerij (Brasserie de La Senne), Gentsesteenweg 565, 1080 Brüssel,
www.brassereidelasenne.be
Moeder Lambiek, Place Fontaine 8, 1000 Brüssel, www.moederlambic.com
Muzeum van de Geuze, Gheudestraat 56, 1070 Anderlecht, www.cantillon.be
Muzeum van de Belgische brouwers, Grote Markt 10, 1000 Brüssel, www.belgianbrewers.be
3.5. Brügge und die Provinz Westflandern
Westflandern ist die Heimat weltweit geschätzter Bierspezialitäten: Die rotbraunen Biere, wie
sie die Brauerei Rodenbach in Roeselare herstellt, finden immer mehr Anklang. Vor allem aber
ist der Ruhm der Trappistenbiere von Westvleteren in ungeahnte Höhen gewachsen. Zentrum
der Region freilich ist die mittelalterliche Stadt Brügge, die stolz auf ihre drei Stadtbiere ist:
Straffe Hendrik, Brugse Zot und Halve Maan. Das Trio wird in der Brauerei Halve Maan
produziert, die sich in der sechsten Generation im Besitz derselben Familie befindet und zu
der auch ein Museum und eine Probierstube gehören.
Eine weitere Besonderheit ist das Lokal De Garre: In einem rustikalen Bau gelegen, wird hier
in gediegenem Ambiente ausschließlich klassische Musik gespielt. Aus dem Zapfhahn kommen
Biere der Region – aber auch aus eigener Herstellung. Das Tripel De Garre gilt unter Kennern
als Delikatesse. Um angemessene Umgangsformen zu wahren, erhalten die Besucher nicht
mehr als drei Starkbiere pro Person.
Einmalige Ausflugsmöglichkeiten in die Welt der flämischen Biere gestattet unterdessen die
Kneipe ’t Brugs Bieratelier, die ausschließlich Fassbiere aus belgischer Produktion führt. Wer
Bekanntschaft mit der zeitgenössischen Küche schließen möchte, hat dazu im Restaurant Den
Dijver Gelegenheit, wo sich Achim Vandenbussche, Mitglied der Flemish Kitchen Rebels, schon
mehrmals die Auszeichnung für die beste Bierküche Belgiens erkochen konnte.
Brouwerij Halve Maan, Walplein 26, 8000 Brügge, www.halvemaan.be
De Garre, De Garre 1, 8000 Brügge, www.degarre.be
’t Brugs Bieratelier, Wijngaardstraat 13, 8000 Brügge, www.brugschbieratelier.com
Restaurant Den Dijver, Dijver 5, 8000 Brügge, www.dyver.be
www.rodenbach.be
3.6. Gent und die Provinz Ostflandern
Bierkenner steuern in Gent sofort die Stadtbrauerei Gruut an, die anstelle von Hopfen eine
Kräutermischung verwendet – nach alter französischer Art. Hier gehen Tradition und moderne
Brautechnik Hand in Hand. Eine Institution in Ostflandern ist die Familienbrauerei Bosteels in
der Gemeinde Buggenhout: Seit 1791 werden hier Spezialitäten zubereitet, die vor allem in
der jüngeren Vergangenheit regelmäßig Preise abräumen.
Brouwerij Gruut, Grote Huidevettershoek 10, 9000 Gent, www.gruut.be
Brouwerij Bosteels, Kerkstraat 96, 9255 Buggenhout, www.bestbelgianspecialbeers.be
3.7. Die Provinz Limburg
Wie kommen Farbe und Geschmack des Biers zustande? Wie hat sich die Technologie im Laufe
der Zeit gewandelt? Fragen dieser Art beantwortet das Bocholter Brouwerijmuseum mit
spielerischer Leichtigkeit. Das 1979 eröffnete Haus befindet sich einem architektonisch
wertvollen Industriedenkmal und ist mit einer Ausstellungsfläche von 4000 Quadratmetern
das größte seiner Art in Europa.
Aus derselben Epoche stammt die Brouwerij Wilderen in Sint Truiden. Gleichfalls in einem
Industriedenkmal untergebracht, werden hier nicht nur Biere, sondern auch ein Bierdestillat
namens Eau de Bière sowie Jenever, Gin und Whisky hergestellt. Ein absolutes
Alleinstellungsmerkmal.
Familiärer geht es bei der Brouwerij Jessenhofke in Kuringen bei Hasselt zu, die ihre Hausbiere
schon seit 13 Jahren ausschließlich unter Verwendung von belgischem Bio-Hopfen braut. Zur
Verkostung werden die Gäste ins Wohnzimmer geladen.
Bocholter
Brouwerijmuseum,
www.bocholterbrouwerijmuseum.be
Dorpstraat
53,
3950
Bocholt,
Brouwerij Wilderen, Wilderenlaan 8, 3800 Wilderen-Sint Truiden, www.brouwerijwilderen.be
Biologische Brouwerij Jessenhofke, Simpernelstraat 17, 3511 Hasselt, www.jessenhofke.be
4. Die wichtigsten Braumethoden – eine Einführung
Die traditionellen belgischen Biere sind obergärig. Der Begriff bedeutet im Gegensatz zu
untergärigem Bier, dass bei der Herstellung Bierhefen zum Einsatz kommen, die erst bei einer
Umgebungstemperatur von 15 bis 20 Grad aktiv werden. Auch viele deutsche Biere wie
Kölsch, Alt oder Weizen werden obergärig gebraut.
Ein kleiner, aber sehr feiner Anteil der belgischen Biere entsteht im Zuge der sogenannten
Spontanvergärung. Hierbei kommt die Maische mit Hefe in Kontakt, die in der Region westlich
von Brüssel auf natürliche Weise in der Luft vorhanden ist. Dabei handelt es sich um eine
archaische Brauform, die kaum noch praktiziert wird.
Ein noch viel geringer Prozentsatz der belgischen Brauer kombiniert auf zwei verschiedene
Weisen hergestellt Biere miteinander. Junge und alte Biere aus Ober-, Unter- oder
Spontanvergärung werden zur Mischvergärung.
Lediglich die Biere nach Pilsener Brauart sind untergärig. Sie werden mit Bierhefen hergestellt,
die bei niedrigen Temperaturen von vier bis neun Grad einen Gärprozess in Gang setzen. Unter
diesen Umständen können sich Mikroben und Bakterien weniger stark vermehren. Zwar
dauert das Brauen der untergärigen Biere dadurch länger, dafür aber sind sie besser haltbar.
Die untergärigen Hefen konnten erst nach der Verbesserung der Kühltechnik etwa ab 1870
ganzjährig eingesetzt werden. Seitdem haben die mit ihrer Hilfe hergestellten Biere weite
Teile des Weltmarktes übernommen.
4.1. Untergäriges Bier
Pils
Das klare, goldfarbene Bier feierte in Belgien spätestens mit der Lancierung von Stella Artois
im Jahr 1923 seinen Durchbruch. Das Stella wurde und wird in Leuven hergestellt und ist bis
heute eines der kräftigsten Standbeine des internationalen Getränke-Multis AB-Inbev. Andere
populäre belgische Biere nach Pilsener Brauart sind Romy, Bavik und Vedett, die allesamt von
Brauereien hergestellt werden, die zu den Belgian Family Brewers (BFB) zählen.
4.2. Obergäriges Bier
Dubbel
Die Herkunft des Namens ist nicht eindeutig zu klären. Einige Bierhistoriker schreiben das
„Doppelt“ einem zweifachen Brauvorgang zu. Andere begnügen sich mit dem Hinweis, dass
bei diesen Bieren das Volumen der Zutaten deutlich höher als bei „einfachen“ Bieren ist. Diese
sogenannte Stammwürze liegt beim Dubbel zwischen 15 und 20 Prozent. Das entspricht
ungefähr den deutschen Starkbieren. Die Biere besitzen einen hohen Hefeanteil, der
Alkoholgehalt liegt meist bei 6 bis 7,5 Prozent. Die Biere sind in der Regel dunkel und leicht
süßlich, ihre Aromapalette umfasst Süßholz, Kandis und Rosinen. Bekannte Vertreter der Sorte
sind Witkap Pater oder Pater Lieven Bruin.
Tripel
Das Tripel entsteht durch eine weitere Erhöhung des Zutatenvolumens. Anders als beim
Dubbel ist in der Literatur nicht von einem mehrfachen, in diesem Falle dreifachen
Brauvorgang die Rede. Allerdings kursiert in der keineswegs immer eindeutigen BierTerminologie die Theorie, dass ein Dubbel einfach das Zweitbier einer Brauerei und das Tripel
somit das Drittbier war.
Das Tripel ist häufig stark und würzig, es kann einen Alkoholgehalt von bis zu neun Prozent
aufweisen. Das Aroma ist malzig mit einem Hang zum Süßlichen. Ein populärer Vertreter der
Sorte ist das Triple d’Anvers aus dem Hause de Koninck. Neben dem Tripel existiert auch noch
ein Quadrupel, beim vierfach mit weiteren Ingredienzen angereicherten Gerstensaft aber
endet die Würzskala.
Trappistenbier
Auch wenn es sich gemeinhin um Dubbel, Trippel oder dunkles Bier handelt, sagt allein die
Bezeichnung „Trappistenbier“ nichts über die Sorte aus. Sehr wohl allerdings besagt der
weithin mit belgischem Bier in Verbindung gebrachte Name, dass das Produkt von Mitgliedern
des sogenannten „Zisterzienserordens von der strengeren Observanz“ produziert wird.
Während der Orden in Deutschland mit der Abtei Mariawald in der Eifel nur eine
Niederlassung besitzt, gibt es in Belgien jeweils sechs von Trappistinnen oder Trappisten
unterhaltene Abteien. Die Mönche stellen allesamt Bier her, ihre Wirkungsstätten heißen
Westmalle, Westvleteren, Achel, Chimay, Orval und Rochefort. Ihre Produkte sind am
sechseckigen rotweißen Logo zu erkennen, das diese als „Authentic Trappist Product“
kennzeichnet. Außerhalb Belgiens betreiben die Trappisten in den Niederlanden zwei
Brauereien und in den USA sowie in Österreich jeweils eine.
Beim Konsum der Biere sind einige Besonderheiten zu beachten: Sie sollten Kellertemperatur
haben (12 bis 14 Grad), wenigstens eine Woche geruht haben, damit sich die Schwebestoffe
ablagern können, und mit Vorsicht eingegossen werden, damit der Hefesatz nicht ins Glas
gelangt. Auch sind schalenförmige Gläser erforderlich, welche die Entfaltung des komplexen
Aromas gestatten.
www.trappist.be
Abteibier
Nicht nur die Trappisten verstehen sich auf die Herstellung schmackhafter Biere, sondern auch
eine Vielzahl anderer Ordensbrüder. Namen wie Grimbergen, Affligem oder Tongerlo
genießen in der Bierwelt hohes Ansehen. Um die Authentizität der Produkte zu gewährleisten,
hat der Verband Belgischer Brauereien (www.belgianbrewers.be) das Echtheitssiegel „Erkend
Belgisch Abdijbier“ ins Leben gerufen. Betriebe, die das Logo benutzen, haben jedoch nicht
nur Privilegien, sondern auch Pflichten. Abgesehen davon, dass eine historische Verbindung
von der Brauerei zur Abtei nachgewiesen werden muss, gilt es Lizenzgebühren an diese
abzuführen. Auch besitzt die Abtei ein Kontrollrecht in Sachen Werbung. Zurzeit dürfen sich
23 Biere mit dem Logo schmücken, darunter auch das bekannte Leffe.
Weißbier
Witbier oder Weißbier aus Belgien hat in den zurückliegenden Jahrzehnten einen regelrechten
Siegeszug hingelegt. Dafür allerdings musste in den 60er Jahren zunächst der renommierte
Braumeister Pierre Celis (1925-2011) in seinem Heimatort Hoegaarden das in Vergessenheit
geratene Belgische Weißbier wiederbeleben. Ebenso wie das Pendant aus Bayern, sind auch
die belgischen Varianten trüb und meist ungefiltert. Anders als beim deutschen Weizen aber
werden in Belgien zur Würze Zusatzstoffe verwendet. Am populärsten sind Koriander und
Curacao (Orangenschalen), die dem Bier einen erfrischenden Charakter verleihen. Die
bekanntesten Sorten sind das heute weltweit erfolgreiche Hoegaarden und das Vedett White
aus dem Hause Duvel Moortgat.
Blonde Biere
Eine Nuance dunkler, aber per Definition immer noch hell sind die Blonden Biere Belgiens. Der
Hefeanteil ist meist hoch, wobei die in Belgien verwendeten Hefen in der Regel für eine
fruchtige Note sorgen. Der Alkoholgehalt ist so variabel, wie die Stilistik vielseitig ist. Auf
internationalem Parkett etwa gelten auch so unterschiedliche Biere wie das Kölsch und das
IPA (Indien Pale Ale) als Blonde Biere. In jedem Fall aber sind die Blonden für ihren leicht
bitteren Nachgeschmack bekannt. In dieser Hinsicht zeichnen sich unter anderem das Straffe
Hendrik und das Sezoens aus.
Starke blonde Biere
Was wäre die Bierterminologie ohne ihre Feinheiten. So rühmt sich Belgien neben seiner
blonden Biere auch einer starken blonden Variante. Diese Abgrenzung ist bei einem
Alkoholgehalt von 7 bis 11 Prozent durchaus gerechtfertigt. Legendär ist in dieser Hinsicht das
Bier, das Braumeister Albert Moortgat anlässlich des Endes des Ersten Weltkrieges kreiert hat:
Ein vollmundiges Blondes mit 8,5 Prozent Alkohol, das von einem Probanden wegen
ebendieses Gehalts mit dem Teufel persönlich verglichen wurde. Fertig war der Name: Duvel.
Bière Brut
Unter diesem Namen kursieren die edelsten Vertreter der vorgenannten Sorte. Als Bière Brut
nämlich gilt starkes blondes Bier, sobald es nach der Champagner-Methode gereift ist. Zu
diesem Zwecke werden die edlen Tropfen in 0,75 Literflaschen gefüllt, um anschließend in
gekippter Position regelmäßig um 90 Grad gedreht zu werden, bis sich die gesamte Hefe im
Flaschenhals gesammelt hat. Anschließend wird die Hefe gefroren und entfernt, wonach die
Flasche abermals nachgefüllt wird. Der Alkoholgehalt muss sich ebenfalls nicht hinter dem
Champagner verstecken, er liegt bei 11 bis 11,5 Prozent.
Spéciale Belge
De Koninck, Palm und Special De Ryck sind die berühmten Vertreter des Spéciale Belge. Sie
alle haben einen bernsteinfarbenen Ton und einen malzigen Geschmack gemein – das Resultat
einer Kampagne aus dem Jahr 1905, als die Belgier es angesichts des Siegeszuges von Pils in
Deutschland und Ale in England für nötig befanden, ein Gegengewicht zu bilden.
Karamellisierter Malz, ein hoher Hefeanteil und ein moderater Alkoholgehalt von 5 bis 6
Prozent sind die weiteren Erkennungsmerkmale der Kreation, die während der
Weltausstellung 1905 in Lüttich erstmalig vorgestellt wurde. Die Biere, die den Namen tragen,
sind heute als regionale Spezialität geschützt.
Sterk donker (Dunkle Starkbiere)
Mit diesem etwas diffusen Begriff wird eine Vielzahl starker Stadt- oder Regionalbiere unter
einen Hut gebracht. Fast alle zeichnen sich durch einen hohen Alkoholgehalt (8 bis 13 Prozent)
und einen süßlichen Charakter aus.
Fruchtbier
Puristen mögen skeptisch bleiben, doch Fruchtbiere sind im Zeitalter des immer
variantenreicher werdenden Craft Beers auf dem Vormarsch. Ursprünglich wurde die
belgische Spezialität hergestellt, indem Sauerkirschen ein halbes Jahr lang in weißem oder
braunem Bier gereift sind. Auch Erdbeeren, Himbeeren oder Pfirsiche sind gängige
Ingredienzen. Neuerdings kursieren auch Varianten, die mit Fruchtsäften versetzt und
dadurch süßer sind. Skeptikern allerdings seien daran erinnert, dass in Deutschland Bier mit
Limonade verschnitten wird, um anschließend als Radler verkauft zu werden. Bekannte
Marken sind Wittekerke Rosé oder Liefmanns Cuvée Brut. Der Alkoholgehalt reicht von 2,5 bis
6 Prozent.
4.3. Biere aus Spontanvergärung
Lambiek (Lambik)
Lambiek ist eine Spezialität aus dem Zenne-Tal, einem südwestlich von Brüssel gelegenen
Landstrich. Der Brauprozess wird durch die sogenannte Spontanvergärung in Gang gebracht.
So heißt der Vorgang, wenn das Gemisch aus Wasser, Malz und Hopfen an der Frischluft der
Umgebung gemächlich abkühlt, um in der Folge eine natürliche Reaktion einzugehen: In der
Luft der Region nämlich befinden sich mit Brettanomyces Bruxellensis und Brettanomyces
Lambicus zwei Hefesorten, die ausschließlich vor Ort vorkommen. Sie sind es auch, die in
einem zeitlich nicht kalkulierbaren Vorgang die Gärung auslösen.
In der Praxis läuft das in etwa so ab: Der Brauer fügt dem Absud mehrjährigen Hopfen zu.
Danach pumpt er diesen in einen höher gelegenen Kupferkübel, der nach oben hin geöffnet
ist und sich meist direkt unter einem Dach mit Kippluken befindet. Während der Nacht fällt
die kühle Luft auf den Sud, wonach die darin enthaltenen Mikroorganismen im Falle
ausreichenden Vorhandenseins die spontane Gärung auslösen. Die Mikroorganismen sind
ausschließlich in den kühlen Monaten aktiv, echtes Lambiek kann demzufolge nur zwischen
November und März gebraut werden.
Das Bier wird in Flaschen abgefüllt, ehe es zu Ende vergoren ist. In den Flaschen findet eine
zweite Vergärung statt. Das Produkt lagert nun für ein bis zwei Jahre in verkorkten Flaschen.
Das Endprodukt bezeichnen die Belgier als Geuze. In Alsemberg südlich von Brüssel befindet
sich ein Besucherzentrum „De Lambiek“, wo die Produktionsmethoden erläutert werden. Es
kursieren unterschiedliche Varianten, die auch als Oude Geuze, Kriek, Faro oder Oude Kriek
bezeichnet werden. Sie alle sind als „Spezialität nach garantierter, traditioneller Herstellung“
geschützt – und geadelt.
4.4. Aus Mischvergärung hergestellte Biere: Gruutbier
Im Mittelalter hat der Fluss Leie die Innenstadt von Gent in zwei Bierzonen geteilt: Am Ostufer
braute man mit Ingredienzen nach deutschem Vorbild, das heißt mit Hopfen und Gerstenmalz.
Am Westufer hingegen wurden französische Gepflogenheiten kultiviert: Hier wurde Bier mit
Grut hergestellt, einer Gewürzmischung, die unter anderem Gagel enthielt.
Die Genter Stadtbrauerei „Gruut“ stellt heute wieder fünf Biere mit Grut her. Die Brauerei
befindet sich in dem auch heute noch wallonisch geprägten Viertel „Krookbuurt“. Sie wurde
2009 gegründet und liefert nicht nur in Gastronomie und Einzelhandel der Region, sondern
auch in die Niederlande und die USA. Die Brauerei führt eine Münze im Logo: Die
mittelalterliche Gruut, die damals unter dem gleichen Namen als Zahlungsmittel galt. Es
werden Besichtigungen angeboten.
www.gruut.be
5. Zahlen und Fakten
Die Zahl der Brauereien in ganz Belgien beläuft sich auf etwa 150, wovon sich 105 in Flandern
befinden. Gemeinsam zeichnen die Brauer für 1100 Biersorten verantwortlich, die rund 700
unterschiedlichen Geschmacksprofilen entsprechen. Dabei trinkt der Belgier mit einem
durchschnittlichen Prokopf-Konsum von 74 Litern vergleichsweise moderat – die Deutschen
genehmigen sich im Schnitt rund 100 Liter in zwölf Monaten. So bleiben von der
Jahresproduktion von 18,7 Millionen Hektolitern gut 11,7 Millionen Hektoliter oder 62 Prozent
für den Export übrig. 4492 Personen (2012) sind direkt an der Produktion beteiligt, weitere 55
000 Menschen sind indirekt in der Bierbranche beschäftigt.
5.1. Hintergrund zum Bier
Bier wird traditionell auf Basis von Wasser, Gerste und Hopfen hergestellt. Manchmal wird
diesen Zutaten noch etwas Weizen hinzugefügt, um dem Bier eine frisch-säuerliche Note zu
verleihen. Die Maische, die hieraus entsteht, wird mit einer Hefekultur geimpft, die zur
Bildung von Alkohol und Kohlensäure führt. Die Eigenschaften der Hefekultur, die jede
Brauerei nach ihren Vorstellungen perfektioniert hat, bestimmen – zusammen mit der
Auswahl von Malz- und Hopfenvarianten – zu einem Teil die Biersorte, die man brauen
möchte. Eventuell lässt man Biere noch in Holzfässern reifen oder in der Flasche nachgären.
Dies ist in groben Zügen der klassische Brauprozess der meisten Biere.
Diverse belgische Brauereien geben „frisches Getreide“ wie Reis und Mais hinzu, um einen
gleich bleibenden Geschmack und Stabilität garantieren zu können. Eine ganz wichtige Zutat
im Brauprozess ist der Hopfen, der dem Bier nicht nur seine Bitterkeit verleiht, sondern auch
für eine bessere Haltbarkeit sorgt. Neben den klassischen Bitterhopfen setzen die belgischen
Brauer immer mehr aromatische Hopfenvarianten ein, die typische, häufig fruchtige Aromen
erzeugen. Um Biere weniger bitter zu machen, verwenden Lambic-Brauer überjährigen
Hopfen.
Nach dem Vorbild der mittelalterlichen Rezepte mit „Grut“ werden in Einzelfällen außer
Hopfen auch diverse Kräuter hinzugegeben, um bestimmten Bieren einen besonderen
Geschmack zu verleihen. Koriander und Curaçao (getrocknete Orangenschalen) werden häufig
eingesetzt, um weizenartige Spezialbiere mit einer Zitrusnote zu versehen.
Biere und Biersorten werden nach der Art und Weise ihrer Gärung eingeteilt. Man
unterscheidet vier Gärungsarten: Unter-, Ober-, Spontan- und Mischgärung. Untergärige oder
Pilsbiere sind am weitesten verbreitet. Der Begriff „Untergärung“ weist auf die niedrigen
Temperaturen (zwischen 5 °C und 10 °C) hin, bei denen sich die Gärung vollzieht, sowie auf
die Art der Hefe, die nach einiger Zeit auf den Boden sinkt. Untergärige Biere haben einen
stabileren und gleich bleibenden Geschmack.
Obergärung ist für die meisten Spezialbiere kennzeichnend. Die Gärung findet bei höheren
Temperaturen (zwischen 15 °C und 25 °C) statt, und zum Ende hin steigen die vorhandenen
Hefezellen an die Oberfläche. Leichte Geschmacksunterschiede zwischen den einzelnen
Brauresultaten sind nicht ausgeschlossen. Die verwendete Hefekultur verleiht diesen Bieren
zuweilen einen leicht fruchtigen und würzigen Charakter.
Ralf Johnen für VISITFLANDERS, Februar 2015